16.04.2014 Aufrufe

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

e<strong>ch</strong>tigkeit 47 ) muß zumindest die stabilitätsför<strong>der</strong>nde Wirkung gemeinsamer Werte<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigt werden 48 . Zweitens bedeutet es einen Unters<strong>ch</strong>ied, ob – wie bei substantiellen<br />

<strong>Theorien</strong> – bereits die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung von einem bestimmten<br />

Konzept des guten Lebens ausgeht, o<strong>der</strong> ob – wie bei prozeduralen <strong>Theorien</strong> – erst<br />

die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugung zu substantiellen Aussagen darüber kommt, was eine<br />

gute politis<strong>ch</strong>e Ordnung ausma<strong>ch</strong>t 49 . Nur im ersten Fall obliegt <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

eine Argumentationslast, die sie mangels Begründbarkeit substantieller Vorgaben<br />

ni<strong>ch</strong>t tragen kann.<br />

III. Zur Kritik des Utilitarismus<br />

Die Vielfalt <strong>der</strong> utilitaristis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong> ma<strong>ch</strong>t paus<strong>ch</strong>ale Kritik nahezu unmögli<strong>ch</strong>.<br />

Immerhin können die oben dargestellten Theoriebeispiele zeigen, wel<strong>ch</strong>e Probleme<br />

si<strong>ch</strong> bei Formen des ni<strong>ch</strong>t-klassis<strong>ch</strong>en Utilitarismus stellen 50 . Gegen einen '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sutilitarismus',<br />

wie ihn Trapp entworfen hat, muß eingewandt werden, daß<br />

si<strong>ch</strong> die dafür nötigen normativen Bes<strong>ch</strong>ränkungen <strong>der</strong> einkalkulierten Präferenzen,<br />

also beispielsweise die Illegitimität von sadistis<strong>ch</strong>en Neigungen, ni<strong>ch</strong>t auf <strong>der</strong><br />

Grundlage des Utilitarismus selbst begründen lassen 51 . Damit verliert die Theorie<br />

eine beson<strong>der</strong>e Qualität des klassis<strong>ch</strong>en Handlungsutilitarismus, die darin bestand,<br />

daß alle Einzelinteressen ganz ohne vorgängige Bewertung ihrer 'Ri<strong>ch</strong>tigkeit' in ein<br />

kollektives Nutzenkalkül eingebunden sind. Das 'größte Glück <strong>der</strong> größten Zahl'<br />

stellte si<strong>ch</strong> dabei als eine bloße Re<strong>ch</strong>nung dar, in <strong>der</strong> das Gewi<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Interessen<br />

ni<strong>ch</strong>t in einer theoretis<strong>ch</strong>en Außenperspektive, son<strong>der</strong>n dur<strong>ch</strong> die Betroffenen selbst<br />

bestimmt wird. Demgegenüber überführen mo<strong>der</strong>ne Formen des ni<strong>ch</strong>t-klassis<strong>ch</strong>en<br />

Regelutilitarismus letztli<strong>ch</strong> das Nutzenkalkül in ein prozedural begründetes Regelsystem,<br />

das eine Nähe zu Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien (Harsanyi) o<strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong><br />

(Trapp) zeigt und dadur<strong>ch</strong> an eigenständiger Begründungsleistung stark verliert.<br />

Letztli<strong>ch</strong> werden nur no<strong>ch</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>e und kantis<strong>ch</strong>e Begründungsmuster in einen<br />

ausdifferenzierten Konsequentialismus übersetzt 52 . Auf einen Satz gebra<strong>ch</strong>t:<br />

Der Utilitarismus steckt im Dilemma zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Inakzeptabilität <strong>der</strong> klassis<strong>ch</strong>en<br />

und <strong>der</strong> Bedeutungslosigkeit <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>tklassis<strong>ch</strong>en Formen.<br />

IV. Ergebnisse<br />

Abgesehen vom Utilitarismus, dessen Nutzenmaximierungsideal formal definiert ist,<br />

sind alle <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition einem Bekenntnis zu materiellen<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>svorstellungen verpfli<strong>ch</strong>tet, das sie selbst ni<strong>ch</strong>t positiv begründen<br />

können. Ihre Konzeption des Guten liegt in einem Traditionalismus o<strong>der</strong> in einer re-<br />

47 Zum hier zugrundegelegten Verständnis von politis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> siehe oben S. 78 (politis<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> und S<strong>ch</strong>werpunktthese).<br />

48 J. Cohen, Deliberation and Democratic Legitimacy (1989), S. 27.<br />

49 Vgl. J. Cohen, Deliberation and Democratic Legitimacy (1989), S. 27.<br />

50 Zur Darstellung siehe oben S. 154 (<strong>Theorien</strong> des Utilitarismus).<br />

51 So au<strong>ch</strong> J.-R. Sieckmann, Justice and Rights (1995), S. 112.<br />

52 Zum Begriff des Konsequentialismus (consequentialism) siehe oben S. 152 (Charakteristika <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition).<br />

269

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!