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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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dieser Untersu<strong>ch</strong>ung gewidmet. Sein Umfang ist einerseits <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> vorfindli<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffe und Theoriearten ges<strong>ch</strong>uldet, an<strong>der</strong>erseits aber au<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

hier angewandten kritis<strong>ch</strong>-analytis<strong>ch</strong>en Methode, die <strong>Theorien</strong> ni<strong>ch</strong>t isoliert aneinan<strong>der</strong>reiht,<br />

son<strong>der</strong>n inhaltli<strong>ch</strong> aufeinan<strong>der</strong> bezieht und deshalb eine solide terminologis<strong>ch</strong>e<br />

und klassifikatoris<strong>ch</strong>e Basis benötigt. Der insoweit grundlegende zweite<br />

Teil wird zu dem Ergebnis führen, daß prozedurale <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> genau<br />

diejenigen <strong>Theorien</strong> sind, die entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie zugeordnet werden können. Den Gegensatz<br />

dazu bilden die materialen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition<br />

und die (gere<strong>ch</strong>tigkeitsskeptis<strong>ch</strong>en) 'Antitheorien' <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> <strong>der</strong> nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition.<br />

Will man prozedurale <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> verglei<strong>ch</strong>en, analysieren und<br />

kritisieren, so ist ni<strong>ch</strong>t nur eine genaue Begriffsbildung nötig. Zusätzli<strong>ch</strong> müssen die<br />

Inhalte <strong>der</strong> einzelnen <strong>Theorien</strong> dargestellt werden, um das Spektrum <strong>der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skonzeptionen einigermaßen vollständig zu erfassen.<br />

Dem ist <strong>der</strong> dritte Teil gewidmet. Angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> Materialvielfalt zum Thema<br />

'<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' ist hierbei strikte Selbstbes<strong>ch</strong>ränkung auf einige S<strong>ch</strong>werpunkte geboten.<br />

Sol<strong>ch</strong>e Selbstbes<strong>ch</strong>ränkung wird in dieser Untersu<strong>ch</strong>ung in dreierlei Hinsi<strong>ch</strong>t<br />

vorgenommen:<br />

Erstens geht es im folgenden ni<strong>ch</strong>t um <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin (d.h. in <strong>der</strong> Familie,<br />

<strong>der</strong> Welt, unter Freunden), son<strong>der</strong>n nur um politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (d.h. diejenige<br />

»von einem moralis<strong>ch</strong>en Standpunkt gegenüber Re<strong>ch</strong>t und Staat« 8 ), denn zu ihr gehört<br />

die hier verfolgte Leitfrage, wie Re<strong>ch</strong>t gere<strong>ch</strong>t sein kann. Damit ist vorgezei<strong>ch</strong>net,<br />

daß es ni<strong>ch</strong>t auf die soziologis<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Bestandsaufnahme <strong>der</strong><br />

kollektiven o<strong>der</strong> individuellen Vorstellungen von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ankommt, wie sie<br />

empiris<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien leisten 9 . Au<strong>ch</strong> wird die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />

Generationen, gegenüber <strong>der</strong> Natur, unter Nationen o<strong>der</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern<br />

ni<strong>ch</strong>t Gegenstand <strong>der</strong> Untersu<strong>ch</strong>ung sein 10 . Es geht vielmehr um den Kernbestand<br />

an Kriterien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in Re<strong>ch</strong>t und Staat, wie sie von normativen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

entwickelt werden, um die obersten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien<br />

und ihre Bedeutung für die Re<strong>ch</strong>tsordnung in einem Staatswesen zu begründen.<br />

Die S<strong>ch</strong>werpunktsetzung auf politis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> re<strong>ch</strong>tfertigt si<strong>ch</strong> vor allem<br />

daraus, daß die staatli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tsordnung beson<strong>der</strong>s dringend <strong>der</strong> Legitimation bedarf.<br />

Denn Re<strong>ch</strong>t ist dadur<strong>ch</strong> gekennzei<strong>ch</strong>net, daß es mit <strong>der</strong> Befugnis zu zwingen<br />

dungslogis<strong>ch</strong>e Analyse von L. Kern, Von Habermas zu Rawls (1986), s<strong>ch</strong>lagen ni<strong>ch</strong>t die in dieser<br />

Untersu<strong>ch</strong>ung beabsi<strong>ch</strong>tigte Brücke zwis<strong>ch</strong>en prozeduraler Theorie und prozeduralem Re<strong>ch</strong>t.<br />

Der analytis<strong>ch</strong>e Rahmen, <strong>der</strong> bei R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 106 ff. entwickelt<br />

wird, entspri<strong>ch</strong>t nur in den Grundzügen <strong>der</strong> Grenzziehung, wie sie in dieser Untersu<strong>ch</strong>ung vorgenommen<br />

wird; vgl. unten S. 136 (Klassifizierung bei Dreier).<br />

8 Definition bei O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 59; ähnli<strong>ch</strong> S. 28: »die sittli<strong>ch</strong>e Perspektive<br />

auf Re<strong>ch</strong>t und Staat«. Zur Bes<strong>ch</strong>ränkung <strong>der</strong> Untersu<strong>ch</strong>ung auf politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> siehe<br />

unten S. 78 (S<strong>ch</strong>werpunktthese).<br />

9 Zur subjektiven prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Gegenstand <strong>der</strong> empiris<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfors<strong>ch</strong>ung<br />

unten S. 119 (Begriff <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>, D 3 ).<br />

10 Zur Bes<strong>ch</strong>ränkung <strong>der</strong> Untersu<strong>ch</strong>ung auf intragenerationale, anthropozentristis<strong>ch</strong>e, androgyne,<br />

nationalstaatli<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> unten S. 114 ff., 358 ff. (Erweiterbarkeitsthese).<br />

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