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Wohlfühlwelt - Bauer Media

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ella • Coaching<br />

Professionelle und ganzheitliche Beratung: Der Personal Trainer macht stark<br />

und fit für den Alltag, die Lebensratgeber geben wichtige Entscheidungshilfen<br />

für Job, Familie und Partnerschaft.<br />

Frag den<br />

bella Coach<br />

JOB & KARRIERE<br />

Herike Feltges (60) berät Frauen<br />

ab 40, die sich beruflich verändern<br />

wollen. www.beratung-feltges.de<br />

„Meine Chefin könnte<br />

meine Tochter sein“<br />

Irmtraud Schreyer steckt in der Klemme. Sie hat<br />

sich mit ihrer Chefin angelegt. Nun sucht sie bei<br />

Job-Coach Henrike Feltges nach einer Lösung<br />

Frau Schreyer (54) hat sich telefonisch<br />

zu einem Beratungsgespräch<br />

angemeldet. Mir begegnet eine<br />

sympathische Frau mit o enem<br />

Blick und leuchtend blauen Augen.<br />

Mit lebhaften Gesten erzählt sie: „Ich bin<br />

mit meiner Arbeit sehr zufrieden. In der<br />

Firma läuft es gut, ich mag meine Kollegen.<br />

Mit einigen von ihnen arbeite ich schon<br />

seit mehr als 20 Jahren zusammen.“ Frau<br />

Schreyer holt tief Luft. „Ja, und dann haben<br />

wir vor gut einem Jahr eine neue Che n<br />

bekommen, eine Abteilungsleiterin. Sie ist<br />

noch ziemlich jung, gerade mal 29. Das hat<br />

mir gefallen und auch imponiert. Aber<br />

dann kam diese blöde Geschichte.“ Frau<br />

Schreyer zögert einen Moment. „Sie wollte<br />

einen Kundenbrief nicht unterschreiben,<br />

den ich verfasst habe. Stattdessen wollte sie<br />

erst wissen, warum ich dem Kunden dieses<br />

Schreiben überhaupt schicke. Ja, und in<br />

dem Moment hab’ ich mich wohl im Ton<br />

vergri en.“ Frau Schreyer rutscht verlegen<br />

auf ihrem Stuhl hin und her. „Ich habe ihr<br />

gesagt, dass ich diesen Kunden schon seit<br />

über zehn Jahren betreue und weiß, was<br />

ich tue. Und dann hab’ ich gesagt: Sie sind<br />

ja genau wie meine Tochter. Die zweifelt<br />

auch immer alles an.“ Frau Schreyer schaut<br />

mich an. „Das war wohl nicht so gut, oder?“<br />

Bevor wir an einer Lösung arbeiten<br />

können, will ich von ihr noch wissen, wie<br />

die Reaktion ihrer Che n war. „Haben Sie<br />

eine Abmahnung bekommen, oder ist von<br />

einer Versetzung die Rede?“ Frau Schreyer<br />

schüttelt den Kopf. „Nein, überhaupt nicht.<br />

Aber die Che n spricht nicht mehr mit mir.<br />

Wir gehen uns aus dem Weg.“<br />

Solche Situationen erlebe ich immer<br />

wieder. Es ist nicht ungewöhnlich, dass<br />

neue Vorgesetzte sich erst einmal in die Abläufe<br />

einarbeiten und häu ger nachfragen<br />

PARTNERSCHAFT<br />

Christian Thiel (49) ist<br />

Single- und Paarberater<br />

und Buchautor („Suche<br />

einen für immer und ewig“).<br />

www.die-liebe-bleibt.de<br />

bei Dingen, die unter der alten Führung<br />

selbstverständlich waren. Beide Seiten<br />

müssen sich ja erst einmal kennenlernen.<br />

Doch für Frau Schreyer kommt ein<br />

Phänomen hinzu, das im Alltag häu g<br />

vorkommt und das man in der Psychologie<br />

„Übertragung“ nennt: Die neue Che n erinnert<br />

sie an ihre Tochter. Also begegnet<br />

Frau Schreyer ihr mit denselben Gefühlen,<br />

die sie für ihre Tochter hegt: Sie ist einerseits<br />

stolz auf den Erfolg der jungen Frau,<br />

fordert auf der anderen Seite aber einen<br />

gewissen Respekt – den<br />

Respekt, den man vor seiner<br />

Mutter haben sollte.<br />

Ich hake nach: „Was genau<br />

hat Sie eigentlich gestört?“<br />

Frau Schreyer antwortet:<br />

„Ich habe einfach meine<br />

Tochter vor mir gesehen.<br />

Wenn ich von ihr etwas<br />

wollte, musste ich auch<br />

immer für alles eine<br />

Erklärung abgeben. Das<br />

hat mich manchmal wahnsinnig<br />

gemacht.“<br />

Ich nicke und verrate<br />

Frau Schreyer meine Gedanken zu ihrer<br />

Übertragung. Anschließend frage ich, ob<br />

sie bereit ist, sich die Situation einmal von<br />

außen anzusehen – wie einen Film, den sie<br />

im Kino sieht. Sie soll sich vorstellen, ihre<br />

Tochter wäre tatsächlich die Che n. Und<br />

eine ältere Mitarbeiterin redet mit ihr in<br />

einem Ton, in dem Frau Schreyer mit ihrer<br />

Che n gesprochen hat. Frau Schreyer<br />

schließt die Augen und konzentriert sich.<br />

Dabei frage ich sie: „Was wäre denn für Ihre<br />

Tochter jetzt eine angemessene Situation?“<br />

Frau Schreyer murmelt: „Es wäre gut, wenn<br />

sich die Mitarbeiterin entschuldigt.“ Dann<br />

ö net sie die Augen. „Ich habe es begriffen“,<br />

sagt sie und lächelt ein wenig gequält.<br />

„Aber kann ich das jetzt noch tun? Der Vorfall<br />

liegt doch schon vier Wochen zurück.“<br />

Ich empfehle ihr, sich dennoch bei der<br />

Che n zu entschuldigen. Frau Schreyer<br />

schaut mich erschrocken an. „Darüber<br />

muss ich erst mal nachdenken“, sagt sie. Ich<br />

verstehe das sehr gut. Es ist für niemanden<br />

einfach, sich bei einer Vorgesetzten für das<br />

eigene Verhalten zu entschuldigen. Und<br />

doch ist es in manchen Fällen die sauberste<br />

und beste Lösung für alle Beteiligten.<br />

Zum nächsten Termin erlebe ich eine<br />

erleichterte Frau Schreyer.<br />

Manchmal<br />

ist es das<br />

Beste für<br />

alle, wenn<br />

man sich<br />

einfach<br />

entschuldigt<br />

PERSÖNLICHKEIT<br />

Barbara Berckhan (53) ist<br />

Trainerin und Buchautorin<br />

(„Jetzt reicht’s mir“).<br />

www.barbara-berckhan.de<br />

„Wissen Sie was? Ich habe<br />

es getan. Es hat mir keine<br />

Ruhe gelassen, und ich habe<br />

sie gefragt, ob sie mal fünf<br />

Minuten Zeit für mich<br />

hätte. Dann habe ich mich<br />

bei ihr für mein Verhalten<br />

entschuldigt. Und wissen<br />

Sie was? Sie war ganz unkompliziert<br />

dabei. Und kein<br />

bisschen nachtragend.“<br />

Das Verhalten der<br />

Che n wundert mich nicht.<br />

Vielleicht wäre Frau Schreyers<br />

Tochter nachtragend gewesen – aber<br />

die Che n ist nun Mal nicht Frau Schreyers<br />

Tochter. Die erste Aussprache hat also<br />

geklappt. Für meine Klientin wird es in Zukunft<br />

darum gehen, den inneren Abstand<br />

zu ihrer Che n wiederherzustellen, ihre<br />

mütterlichen Gefühle besser zu hinterfragen.<br />

Frau Schreyer ist sich dieser Sache<br />

bewusst. Und genau das ist schon die<br />

halbe Miete. <br />

Nächste Woche: Keiner sieht mich! Tanja, 32, hat ein Problem.<br />

Immer wird sie von ihren Mitmenschen übersehen. Liegt das an ihrer Größe von 1,62 m<br />

oder an ihrer leisen Stimme? Ein Fall für Barbara Berckhan<br />

FOTOS: MICHAEL MÜLLER<br />

bella 61

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