Chancen:gleich! - Axel Springer AG
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<strong>Chancen</strong><strong>gleich</strong>heit<br />
Für Maria Strecker, stellvertretende<br />
Leiterin Marktforschung, ist die Rücklaufquote<br />
von 55 Prozent „ein extrem<br />
hoher Wert“<br />
Foto: Stephan Wallocha<br />
Gab es signifikante Unterschiede bei der<br />
Teilnahme und den Ergebnissen an den<br />
Standorten?<br />
Zwischen den Standorten Berlin und Hamburg<br />
gab es kaum Unterschiede. Abweichungen<br />
von diesem Bild finden sich auf<br />
der Ebene einzelner Unternehmensbereiche<br />
und bei den Tochterunternehmen. Insgesamt<br />
sind die Verhältnisse hinsichtlich<br />
des Geschlechteranteils oder der Altersstruktur<br />
so unterschiedlich, dass eine Gesamtbetrachtung,<br />
wie sie für Hamburg und<br />
Berlin vorgenommen wurde, nicht möglich<br />
ist. Vielmehr ist eine Einzelbetrachtung<br />
erforderlich. So haben wir z. B. die Druckhäuser<br />
aufgrund der völlig anderen Mitarbeiterstruktur<br />
(extrem geringer Fraueninside.mag:<br />
Sie bezeichnen die Umfrage<br />
als „Untersuchung“. Was sollte untersucht<br />
werden?<br />
Maria Strecker (lacht): Der „Patient“ <strong>Chancen</strong><strong>gleich</strong>heit<br />
bei <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> natürlich. Im<br />
Ernst, wir Marktforscher bezeichnen unsere<br />
Projekte normalerweise als Untersuchungen.<br />
Im konkreten Fall war die Untersuchung eine<br />
<strong>Chancen</strong>:<strong>gleich</strong>!<br />
Interview-Teil 1<br />
„schriftliche Befragung“, die das Ziel hatte,<br />
am Anfang des Projekts <strong>Chancen</strong>:<strong>gleich</strong>! eine<br />
Statusanalyse zu erstellen. Wie wichtig ist den<br />
Mitarbeitern überhaupt der Aufstieg? Wie<br />
schätzen sie ihre ganz persönlichen <strong>Chancen</strong><br />
und speziell die der Frauen im Unternehmen<br />
ein? Welche Faktoren sieht man als ursächlich<br />
für die „weibliche Unterrepräsentanz“<br />
auf Führungsebene an? Was muss verändert<br />
werden? Was wünscht man sich und wie würde<br />
man das Projekt unterstützen?<br />
Wer wurde alles befragt?<br />
In einer ersten Welle im Frühjahr alle Mitarbeiter<br />
in Berlin und in einer zweiten Welle<br />
im Sommer dann der Rest des Konzerns. Das<br />
heißt die gesamte <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> <strong>AG</strong> mit allen<br />
Bereichen, Außenstandorten und Unternehmenstöchter.<br />
nehmen und sein Urteil ganz persönlich in<br />
das Gesamtergebnis einfließen zu lassen. Dadurch<br />
hatte auch jeder die Möglichkeit, sich<br />
eingehend mit dem Thema <strong>Chancen</strong><strong>gleich</strong>heit<br />
zu befassen.<br />
Was sagen die Rücklaufquoten über das<br />
Interesse am Thema aus?<br />
Der Rücklauf war sehr hoch, wie speziell ein<br />
Blick auf die großen Standorte Hamburg<br />
und Berlin zeigt. Wir haben insgesamt 2968<br />
Antworten bekommen, das entspricht einer<br />
Quote von 55 Prozent. Das ist wirklich ein<br />
extrem hoher Wert, wie uns auch das durchführende<br />
Institut TNS Infratest noch einmal<br />
aus seinen vielfältigen Erfahrungen bestätigt<br />
hat. Wie groß das Interesse ist, zeigt sich auch<br />
daran, dass eine Mehrheit von über 70 Prozent<br />
derer, die geantwortet haben, sagt, dass<br />
sie das Projekt unterstützt. Außerdem sind sie<br />
davon überzeugt, dass <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> klar definierte<br />
Ziele und Maßnahmen benötigt.<br />
Was waren die wesentlichen Merkmale des<br />
Untersuchungssteckbriefs?<br />
Wir haben uns nicht auf eine repräsentative<br />
Stichprobe beschränkt, sondern den enormen<br />
Aufwand einer Vollbefragung betrieben.<br />
Wir wollten wirklich jedem Mitarbeiter die<br />
Chance geben, an dieser Befragung teilzuanteil)<br />
und der niedrigen Rücklaufquote<br />
– natürlich nur „auswertungstechnisch“ –<br />
aus der Ergebnisdarstellung herausnehmen<br />
müssen, da sie das Ergebnis verzerrt hätten.<br />
Gleiches gilt für die Tochtergesellschaften.<br />
Sie können sich vorstellen, dass in jungen,<br />
elektronischen Unternehmen wie z. B.<br />
gamigo kaum ein Mitarbeiter älter als 35 Jahre<br />
ist. Hier werden Fragen zur Karriere natürlich<br />
anders bewertet als in den Standorten<br />
Berlin und Hamburg.<br />
MÄNNER UND<br />
FRAUEN HABEN BEIDE<br />
EINEN AUSGEPRÄGTEN<br />
KARRIEREWUNSCH.<br />
Maria Strecker<br />
Lässt sich das Gesamtergebnis kurz auf<br />
einen Nenner bringen?<br />
Ich werde es versuchen: Es gibt insgesamt<br />
einen ausgeprägten Karrierewunsch. In den<br />
Ambitionen, Karriere zu machen, unterscheiden<br />
sich bei <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> Männer und<br />
Frauen kaum. Übrigens zählen dazu auch<br />
Frauen mit Kindern. Die Vermutung, Frauen<br />
hätten einen geringeren Karriere- oder Weiterentwicklungswunsch<br />
als Männer, hat die<br />
Untersuchung klar widerlegt. Die Karrieremöglichkeiten<br />
für Frauen und die Voraussetzungen<br />
dafür schätzen Männer und Frauen<br />
dagegen extrem unterschiedlich ein.<br />
Brachte die Umfrage Unerwartetes,<br />
Überraschendes?<br />
Ja, durchaus! Die Motive für einen Aufstieg<br />
sind ja sehr vielseitig. Es geht um mehr Gestaltungsmöglichkeiten,<br />
Entfaltung von Potenzial,<br />
Verantwortung, bessere Vergütung,<br />
größeres Ansehen … Bei der – lassen Sie es<br />
mich „Psychologie der Karrieremotivationen“<br />
nennen – hatte man in der Projektgruppe im<br />
Sinne der bekannten Geschlechterklischees<br />
wohl mehr Unterschiede erwartet. Frauen<br />
eher die „intrinsisch motivierten Wesen“,<br />
denen es stärker um Kompetenzerwerb und<br />
Selbstverwirklichung geht. Und Männer eher<br />
die „extrinsisch“ Motivierten, denen Macht<br />
und Geld wichtig ist. Dass Frauen auf ihrem<br />
Karriereweg am Geld genauso interessiert<br />
sind wie Männer und diesen umgekehrt in<br />
ihrem Beruf die Entfaltung des eigenen Potentials<br />
genauso wichtig ist, hat man mit<br />
Staunen zur Kenntnis genommen.<br />
Wo liegt der Hauptunterschied in der Wahrnehmung<br />
der Frauen und der Männer?<br />
Deutliche Unterschiede und Perspektiven<br />
gibt es, wenn es um die Einschätzung der<br />
generellen und unternehmensspezifischen<br />
„Ursachen“ für die Unterrepräsentanz<br />
von Frauen in Führungspositionen geht.<br />
Hier fühlen sich Frauen doch signifikant<br />
benachteiligt: mehr Leistung für <strong>gleich</strong>e<br />
Anerkennung zum Beispiel und vor allem<br />
die „männerdominierte“ Unternehmenskultur<br />
bei <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong>, welche die frauenspezifischen<br />
Qualitäten nicht wertschätzt.<br />
In einem aber sind Männer und Frauen fast<br />
gar nicht auseinander: Das Problem, dass<br />
Kinder und Karriere schwer miteinander<br />
vereinbar sind, sieht die Mehrheit beider Geschlechter.<br />
Wie anspruchsvoll sind die Ambitionen<br />
weiblicher Führungskräfte bei <strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong><br />
– wie hoch wollen sie hinaus?<br />
Hier zeigen sich schon ein wenig die „Alpha-<br />
Frauen“… Dem Kriterium „Der Aufstieg ist<br />
mir sehr wichtig“ stimmt ein größerer Teil der<br />
weiblichen als der männlichen Führungskräfte<br />
zu. Anders als die Frauen, die nicht in Führungspositionen<br />
sind, sind auch die meisten,<br />
immerhin 83 Prozent, der weiblichen Führungskräfte<br />
der Überzeugung, ihr Potenzial gut<br />
einbringen zu können – genauso gut wie die<br />
„Führungsmänner“. Allerdings ist nur ein Viertel<br />
der „Führungsfrauen“ der Meinung, dass<br />
die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen bei<br />
<strong>Axel</strong> <strong>Springer</strong> insgesamt zufriedenstellend sind.<br />
Welche Lösungen werden im Sinne<br />
der <strong>Chancen</strong><strong>gleich</strong>heit gewünscht, welche<br />
bieten sich an?<br />
Zunächst, die große Mehrheit – 83 Prozent<br />
der Frauen, aber auch 61 Prozent der Männer<br />
– glaubt nicht, dass sich das Ziel „mehr<br />
weibliche Führungskräfte“ von allein einstellt.<br />
Vielmehr halten sie gezielte Maßnahmen für<br />
unersetzlich und wollen diese auch unterstützen.<br />
Überraschend ist vielleicht auch, dass es<br />
bei den drei priorisierten Maßnahmen keinen<br />
„Geschlechterdissens“ gibt. Flexibilisierung<br />
der Arbeitszeit, Unterstützung bei der Bewältigung<br />
von Beruf und Familie und Bindung<br />
von Mitarbeitern während der Elternzeit sind<br />
für Männer und Frauen die „Treiber“ für<br />
mehr <strong>Chancen</strong><strong>gleich</strong>heit. In anderen Punkten<br />
gibt es dann schon unterschiedliche Meinungen.<br />
So halten z. B. 76 Prozent der Frauen<br />
ein gezieltes Frauenmentoring für durchaus<br />
hilfreich, die Männer aber nur zu 51 Prozent.<br />
Interview-Teil 2 auf der nächsten Seite.<br />
26 4/2010<br />
4/2010<br />
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