2011/12 Clubjournal des Royal Saint Barbara's Golf Club
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MENSCHEN IM CLUB<br />
Prof. Langendorff in China<br />
Dr. Peter Schütze_Seit 2005 engagiert sich Dr. Peter Schütze, langjähriger<br />
Sportchef der Ruhr Nachrichten, für die Konzeption und redaktionelle Gestaltung<br />
<strong>des</strong> <strong><strong>Club</strong>journal</strong>s. In dieser Ausgabe haben ihn die medizinische Tätigkeit<br />
von Prof. Hans-Ulrich Langendorff in China und die neue Serie „Profile im <strong>Club</strong>“<br />
neben der Beurteilung <strong>des</strong> Sportgeschehens im RSB am meisten interessiert.<br />
„Vor dem Tor eines guten Arztes gibt es immer viele Kranke“.<br />
von Peter Schütze _Die obige chinesische Weisheit ist Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Langendorff (69)<br />
aus eigener Erfahrung im Reich der Mitte sehr vertraut. Der frühere langjährige Chefarzt der Unfallklinik Dortmund,<br />
seit 2007 im Ruhestand, weilte in diesem Jahr zum dritten Mal auf Initiative <strong>des</strong> Senior Experten Service<br />
(SES), einer Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit, in Xining.<br />
In dieser 2,2 Mio. Einwohner zählenden<br />
Metropole der Provinz Qinghai, 2000 km westlich von<br />
Peking gelegen, hat er erneut sein praktisches Können<br />
und sein medizinisch-theoretisches Wissen an die<br />
chinesischen Ärzte im größten Krankenhaus der Stadt<br />
weitergegeben.<br />
„Wissbegier und Lernbereitschaft<br />
der einheimischen Ärzte sind groß“<br />
„Diese vier Wochen<br />
in Xining waren für mich,<br />
wie schon in den Jahren zuvor,<br />
eine sehr intensive Zeit“, berichtet<br />
der erfahrene Unfall-Chirurg; „denn die Chinesen<br />
haben das ehrgeizige Ziel, ihr staatliches Großklinikum<br />
von ca. 1000 Betten zur absoluten Nummer 1 der<br />
viertgrößten, aber armen Provinz <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> zu machen.<br />
Dementsprechend groß sind die Erwartungen<br />
an den Experten aus Europa, aber auch die Wissbegier<br />
und Lernbereitschaft der einheimischen Ärzte“.<br />
Der deutsche Mediziner hatte in Xining<br />
nach eigenem Eingeständnis zwei Hauptprobleme zu<br />
bewältigen. „Weder auf dem Flughafen oder im Hotel,<br />
geschweige denn in der Klinik,<br />
sprach irgendjemand Englisch;<br />
ich war also ständig auf eine Dolmetscherin<br />
angewiesen, zumal<br />
ich mit meinem seit einem halben Jahr bei der Auslandsgesellschaft<br />
in Dortmund wöchentlich zweimal betriebenen<br />
Chinesisch-Unterricht nicht weit kam.“ Dazu sei<br />
die ohne Grammatik auskommende chinesische Sprache<br />
einfach zu diffizil.<br />
Problem Nr. zwei traf den Mediziner Langendorff<br />
härter als die sprachlichen Schwierigkeiten: „Es<br />
haperte erheblich an der Ausstattung der Klinik. Es war<br />
von allem nur ein bisschen vorhanden. So standen beispielsweise<br />
einmal für die Operation einer Oberschenkelfraktur<br />
nur zwei Nägel zu Verfügung.“ Der Standard<br />
„wie in den 50er Jahren in der DDR“ verlangte Improvisationsgeschick<br />
und Phantasie, zumal auf dem Lehr- und<br />
Demonstrationsprogramm <strong>des</strong> Gastes aus Germany die<br />
volle Chirurgen-Palette von der Wirbelsäulen- bis zur<br />
Hand-OP stand.<br />
und Verwandte zuständig“, erzählt Hans-Ulrich Langendorff.<br />
„Ich habe einmal im Fahrstuhl einen Mann<br />
getroffen, der für die Verköstigung eines Angehörigen<br />
einen lebenden Hahn in die Küche brachte.“<br />
Als noch ungewöhnlicher hat der frühere<br />
Chefarzt aus Deutschland das chinesische System der<br />
Kostenregulierung in Xining erlebt. Die überwiegende<br />
Mehrzahl der Patienten sei nicht oder nur unzureichend<br />
krankenversichert. „Deshalb<br />
müssen die meisten Patienten<br />
in der Klinik cash bezahlen. Wer<br />
das nicht kann, für den müssen<br />
die Familien einspringen und<br />
dann oft jahrelang die Behandlungskosten abstottern“.<br />
Langendorff bringt es deutlich auf den<br />
Punkt: „Jede Abteilung in der Klinik Xining ist ein<br />
Profit-Zentrum. Da ist der Kapitalismus auch in China<br />
eingekehrt!“ Ist die Finanzierung der Behandlung nicht<br />
abgedeckt, müssen 70% davon die Ärzte und 30% die<br />
Schwestern tragen.<br />
Im Krankenhaus von Xining, wo „Professor<br />
Hans“, wie er von den Chinesen genannt wurde,<br />
inzwischen – addiert - schon ein Vierteljahr verbracht<br />
hat, sind seit 2009 Fortschritte gemacht worden.<br />
„Aber Pflege und Hygiene im Haus lassen noch zu<br />
wünschen übrig, Nachsorge und Reha sind ein Problem,<br />
ein effizienter Notfalldienst und ein vernünftiges<br />
Rettungssystem fehlen ganz“, registriert Langendorff,<br />
gemessen an Europa, erhebliche Defizite.<br />
„Jede Abteilung in der Klinik ist<br />
ein Profit-Zentrum“<br />
Ganz persönlich hat er die chinesische<br />
Gastfreundschaft schätzen gelernt,<br />
die Herzlichkeit, mit der<br />
man etwa jeweils seine Geburtstagsfeier<br />
oder seine Farewell-Party<br />
ausgerichtet hat, genossen.<br />
Er hat die Umgebung erkundet und viel von<br />
chinesischer Mentalität und Lebensart erfahren.<br />
Langendorff hat nach eigener Einschätzung<br />
einen „Zeitsprung von West nach Ost über 150<br />
Jahre“ erlebt. Befragt nach seiner Motivation für den<br />
schon dritten Lehr-Aufenthalt in China, kommt die<br />
spontane Antwort: „Das war und ist Neugier!“<br />
Dr. Hans-Ulrich Langendorff<br />
„Vom theoretischen Wissen sind die chinesischen<br />
Kollegen keineswegs schlecht“, konnte Langendorff<br />
feststellen. Sie seien sehr stark auf westliche<br />
Medizin fixiert, Akupunktur spiele, anders als westliche<br />
Klischees von China besagen, nur noch eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
An europäischen Verhältnissen gemessen,<br />
völlig fremd war für den emeritierten Chefarzt aus<br />
Dortmund die Versorgung der stationären Patienten<br />
im Großklinikum. „Das Krankenhaus stellt nur die<br />
Betten, für die Verpflegung sind Familienangehörige<br />
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