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WIEDER DA! Baby-Boom bei den Kegelrobben vor Helgoland

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Kronzeuge der tollen Zwanziger<br />

GEORGE GROSZ: Ein kleines Ja und ein<br />

großes Nein. Sein Leben, von ihm selbst erzählt.<br />

Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt am<br />

Main 2009. 416 Seiten, 34,90 €.<br />

Von ROLAND H. WIEGENSTEIN<br />

Als 1955 das in <strong>den</strong> USA bereits 1946 veröffentlichte<br />

Buch „Ein kleines Ja und ein großes<br />

Nein“ von George Grosz in Deutschland erschien,<br />

waren die Meinungen darüber, so habe<br />

ich es in Erinnerung, geteilt. Da gab es Grosz’<br />

fervente Bewunderer, die sich noch an die wüsten<br />

Zeichnungen der Bände „Ecce Homo“,<br />

seine haarigen Porträts der „Herrschen<strong>den</strong><br />

Klasse“, seine entschie<strong>den</strong>en politischen Karikaturen<br />

dessen erinnerten, was 1933 Wirklichkeit<br />

wer<strong>den</strong> sollte – und die nun enttäuscht<br />

waren. Sie verübelten dem im Januar 1933<br />

nach Amerika Ausgewanderten dies zweite<br />

Leben als das eines „Illustrators“, der gern ein<br />

anderer Rockwell, ein anderer Grant Wood<br />

gewor<strong>den</strong> wäre und der dies ganz ungescheut<br />

auch so geschrieben hatte, für amerikanische<br />

Leser die eigene politische Biografie verbergend<br />

oder schön re<strong>den</strong>d. Und es gab die anderen,<br />

die seine Absagen an die Moderne begrüßten:<br />

Es war ja noch „A<strong>den</strong>auer-Zeit“.<br />

Das ist lange her, die Neuauflage des<br />

Buchs, über ein halbes Jahrhundert später nicht<br />

mehr im großen Rowohlt Verlag, sondern<br />

2009 im kleinen Schöffling Verlag – immerhin<br />

in einer besonders schönen Ausgabe –, zeigt<br />

einen Maler und Zeichner, dessen Weltruhm<br />

etabliert ist, als der eines würdigen Nachfahren<br />

von Daumier. Seine Bilder hängen in <strong>den</strong> großen<br />

Museen der Welt, seine Zeichnungen und<br />

Drucke gehören zum Schatz der Grafikkabinette.<br />

Er selbst ist im Juli 1959 in einem Berliner<br />

Treppenhaus tot zusammengebrochen,<br />

wiedergekommen, um zu sterben. 1962 hat er<br />

postum in der Berliner Akademie der Künste<br />

eine große Retrospektive erhalten – sie hätte<br />

ihn gefreut, auch wenn Grosz in New York ein<br />

neues, ein anderes Leben hatte beginnen wollen<br />

und das auch schaffte: nach Armut und Gelegenheitsar<strong>bei</strong>ten<br />

in <strong>den</strong> großen Publikumszeitschriften,<br />

nach einigen Stipendien, der<br />

Gründung einer eigenen Kunstschule, war er<br />

angekommen in der Neuen Welt, einschließlich<br />

eines Hauses auf Long Island.<br />

Er hatte Amerika sein erstes Leben, das des<br />

rebellischen politischen Zeichners geopfert,<br />

sich „angepasst“ und, wie es seiner Natur entsprach,<br />

nicht ohne eine gründliche Abrechnung<br />

mit sich selbst und seinen linken Aktivitäten<br />

in Berlin (die ihn 1922 bis nach Leningrad,<br />

ins sowjetische Paradies, das so paradiesisch<br />

nicht war, führten). Das ist Geschichte<br />

gewor<strong>den</strong> und, heute gelesen, wirken<br />

die Philippiken gegen Dada und seine Kritik an<br />

engagierter Kunst, eher überholt. Er hat doch<br />

so oft recht gehabt, wenn schon nicht in der<br />

Beurteilung des eigenen Werks! Liest man ge-<br />

George Grosz, Friedrichstraße, 1918. (Feder, Tusche, 48,9 x 32,4 cm).<br />

Akademie der Künste, Kunstsammlung. © VG Bild-Kunst, Bonn 2010<br />

nauer, so sieht man: Er hat die Zwanziger<br />

Jahre, ihre Aufgeregtheiten nicht mehr an sich<br />

herangelassen, die eigene Ar<strong>bei</strong>t aber – mindestens<br />

in ihrer künstlerischen Form – sehr<br />

viel mehr geschont, als sich selbst als Person.<br />

Geboren 1893 und aufgewachsen in der<br />

hinterpommerschen Garnisonsstadt Stolp, in<br />

einer beschei<strong>den</strong>en, wenn schon nicht armen<br />

Familie, vernarrt ins Zeichnen, Kunstschüler in<br />

Dres<strong>den</strong> und Berlin, wo man ihm das „Handwerk“<br />

<strong>bei</strong>brachte, als Provinzler heftig ange-<br />

zogen vom wil<strong>den</strong> Treiben in der Hauptstadt<br />

<strong>vor</strong> 1914 und später <strong>den</strong> „Roaring Twenties“,<br />

die er genossen hat. Schließlich das neue Leben,<br />

die Hinwendung zu Natur und zu einem<br />

naturalistischen Stil, von dem er hoffte, er<br />

werde ihn auch in Amerika bekannt und berühmt<br />

wer<strong>den</strong> lassen – ein Künstlerleben mit<br />

Brüchen wie aus dem Bilderbuch.<br />

Alles was daran biografisch ist, trägt <strong>bei</strong><br />

zu unserer Kenntnis der Geschichte, aber nicht<br />

besonders viel: Das haben wir auch schon wo-<br />

8 Die Berliner Literaturkritik

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