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Kreisjahrbuch 2000 - Landkreis Bernkastel-Wittlich

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INHALTSVERZEICHNIS<br />

Beate Läsch-Weber Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Elisabeth Badura-Zenz Wechsel – Monzelfelder Mundartgedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Unser <strong>Landkreis</strong> heute<br />

Hubert Orth »Wenn der Mond die Sonne frisst...«<br />

– Die totale Sonnenfinsternis – ein Jahrhundert-Ereignis – . . . 14<br />

Redaktion,<br />

Verwaltungen der Kommunen<br />

im <strong>Landkreis</strong> Jahresrückblick<br />

– Chroniken des <strong>Landkreis</strong>es, der Verbandsgemeinden<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues, Kröv-Bausendorf, Manderscheid,<br />

Neumagen-Dhron, Thalfang am Erbeskopf,<br />

Traben-Trarbach, <strong>Wittlich</strong>-Land, der Einheitsgemeinde<br />

Morbach und der Stadt <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

Hubertus Schulze-Neuhoff Kleine Wetterchronik des <strong>Landkreis</strong>es<br />

– Mai 1998 bis Juli 1999 – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Arnold Binzen 1250 Jahre Rivenich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

Franz Ludwig Kappes Das Handwerk des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

im Jahr <strong>2000</strong> – Chancen und Risiken – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

Elisabeth Freitag Ziel – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

Roland Koechel Die Eifelklinik Manderscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 70<br />

Sabine Didong Die »Alte Mühle« der Abtei Himmerod<br />

– Museum und Internationale Begegnungsstätte – . . . . . . . . . . 72<br />

Helma Thelen-Oberbillig Von der Besatzungsmacht zu Partnern<br />

– Die Garnison von <strong>Wittlich</strong> – eine deutsch-französische<br />

Erfolgsgeschichte – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

Hildegard Kohnen Von Innen nach Außen – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

Paul Valerius Die A 60 im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

– Bilddokumentation des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> und des<br />

Medienzentrums <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

Günter Kohl Kontinuität und Erneuerung<br />

– Die neue Hauptstelle der Kreissparkasse<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

5


Markus Lautwein Der Tourismus im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

– Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit<br />

Wachstumspotential – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

Hildegard Kohnen Verborgene Stadt – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

Menschen im <strong>Landkreis</strong><br />

Christel Werner »Was Frauen anders machen?«<br />

– Interview mit Landrätin Beate Läsch-Weber – . . . . . . . . . . . . . 99<br />

Christel Werner Frauenleben im Wandel der Zeiten<br />

– Interviews mit Zeitzeuginnen dieses Jahrhunderts – . . . . . . . 102<br />

Maria Kern-Steenvoort Grenzen meines Ichs – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />

Therese Schäfer Erinnerungen an eine frühe Kindheit<br />

in einem Moseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />

Elisabeth Badura-Zenz Der große Weber – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

Marita Schlax-Friderichs Gedanken an einem Soldatengrab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

Katharina Pawelke Was ist das Leben – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

Hildegard Kohnen Die dicke Eiche von Altrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

Ingrid Schumacher Mein sagenhafter Onkel – Erzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

Josefine Wittenbecher Dat sät ma net – Moselfränkisches Mundartgedicht – . . . . . . . 122<br />

Wilma Herzog Ein kleines Stück vom Schlaraffenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

Ulla Schnitzius-Laqua Erlebnisse einer Reiseleiterin der<br />

»Musikkreis-Kulturreisen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

Hiltrud Wagner Von Menschen, Naturschutz und Heiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

Claudia Schmitt »Flori« – Das kulturelle Event im <strong>Landkreis</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Aus der Geschichte des <strong>Landkreis</strong>es<br />

Klaus Petry Der Aprilscherz als Spiegelbild des<br />

zeitgenössischen Geschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />

Fritz Werner Der Hufschmied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />

Oliver Jentjens 1923: Die Inflation schlägt zu!<br />

– Not und Elend in den Kreisen<br />

<strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

6


Horst Schuh Die Geschichte eines Fotos – ein Zeitzeuge berichtet – . . . . . . 137<br />

Alois Clemens † Erinnerungen an den Stiefelbaum und die ehemalige<br />

Raketenabschussbasis bei Hontheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

Gerd Stein Die ehemalige Eisenbahnstrecke Wengerohr-Daun . . . . . . . . . 141<br />

Gerd Stein Hunsrückquerbahn von Morbach bis Hermeskeil<br />

– Geschichte der Gesamtstrecke von Simmern bis<br />

Hermeskeil – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

Julia Mauell Schieferbergbau im Hunsrück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

Norbert Leduc »Gedachte« Aussichtstürme für den Erbeskopf<br />

– Eine erste Idee und ein früher Plan – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

Eduard Wagner »De Bollerjaunes jaahn«<br />

– Ein alter kirchlicher Osterbrauch in Bischofsdhron – . . . . . . . 167<br />

Walter Freis Das »Bürgermeister-Amtslocal« in Thalfang<br />

– Die Thalfanger Verwaltungsstandorte früher und<br />

heute – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

Robert Schmitz 200 Jahre Grenzstreit zwischen Schönberg und<br />

Breidt – Die Wilden und Hecken uff Herrl – . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

Rudolf-Vitus Schabbach Kapellenjubiläum bringt Wenigeraths Geschichte<br />

an den Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180<br />

Hermann Hoffmann Vor 110 Jahren: Neubau einer Kapelle in Pohlbach . . . . . . . . . . 187<br />

Edgar Schneider AOK – Die Gesundheitskasse im Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

– Ein 100-jähriges Krankenversicherungsunternehmen<br />

ist auch für das nächste Jahrtausend gerüstet – . . . . . . . . . . . 190<br />

Corinna Albert Hunsrückhaus eröffnet<br />

– Wintersport-, Natur- und Umweltbildungsstätte<br />

lockt Naturliebhaber an den Erbeskopf – . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Toni Tillmann »Familien-Hotel Hochwald«<br />

Ferien- und Tagungsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Franz Schmitt <strong>Wittlich</strong>er Synagoge – gebaut vor 90 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Franz Schmitt Beginn der Pfarrei St. Markus <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

Paul Valerius Die ehemalige Holzindustrie in <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Andreas Wisniewski Eine alte vergessene Hofsiedlung im <strong>Wittlich</strong>er Land<br />

– Hof Leiderath bei Arenrath – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

7


Franz Schmitt Wie <strong>Bernkastel</strong>-Kues Fremdenverkehrs- und<br />

Weinfestmetropole der Mittelmosel wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . 255<br />

Christof Krieger Von »Hurerey Sachen«, »Dieberey« und dem<br />

Prozess um einen Mistplatz ...<br />

– Aus der Wolfer Ortsgeschichte des<br />

18. Jahrhunderts – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />

Helmut Wendhut Der Kampstein auf der Starkenburger Höhe . . . . . . . . . . . . . . . 266<br />

Uwe Hauth Ein alter Streitfall um die Glocken der Trabener<br />

Simultankirche<br />

– Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde<br />

Traben-Trarbach-Wolf aufgefunden – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />

Heinz H. Grundhöfer Von Fähren und Brücken an der Mosel<br />

– Blick in die Geschichte der Moselfähren<br />

von Trittenheim bis Reil – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270<br />

Benedikt Heinemann/<br />

Rudolf Meiers Forelle und Wolfsangel – Kurfürsten und Heilige –<br />

– Grenzsteine – Wegweiser zur Ortsgeschichte – . . . . . . . . . . . 278<br />

Eleonore Mertes März – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281<br />

Ernst Schiffmann-Junk Eine alte Weinleseordnung aus Brauneberg . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

Reinhold Haart <strong>2000</strong> Jahre Rotwein in Piesport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284<br />

Erwin Schaaf Ein Gartenportal aus Architekturresten der<br />

ehemaligen Abtei Springiersbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />

Winfrid Blum Das Karmelitenkloster Springiersbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290<br />

Karl Oehms Die Eckfelder Stockgüter<br />

– Manderscheider Notariatsakten als Quelle<br />

heimatkundlicher Forschungen – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />

Erzählungen, Erinnerungen und Unterhaltsames<br />

Katharina Pawelke Nauß Kloas un sein Trauwenhäek<br />

– Dreiser Mundarterzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301<br />

Katharina Pawelke Sechs Groschen – Dreiser Mundarterzählung – . . . . . . . . . . . . . 302<br />

Liesel Franz In friehere Joahr – Hunsrücker Mundartgedicht – . . . . . . . . . . . 303<br />

Alois Clemens † Ein Besuch des Bundeshauses in Bonn im Jahre 1950 . . . . . . 304<br />

Erwin Schaaf Kinderbeuerner Anekdoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />

Gertrud Knobloch Reim und Spruch für Topf und Tuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />

8


Elisabeth Freitag Wunschliste – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312<br />

Hans-Peter Schäfer Dä Chresbohm – Greimerather Mundartgedicht – . . . . . . . . . . 313<br />

Hermann Klippel † Gute und Böse und <strong>Wittlich</strong>er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314<br />

Eleonore Mertes Ein Wintertag – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319<br />

Roland Steines Die Weinwach – Erzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />

Maria Kern-Steenvoort Da geh ich hin – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323<br />

Josefine Wittenbecher Dat Eberhardsfääßie en Klausen<br />

– En Sage of Muselfränkisch erzehlt – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Elisabeth Freitag In der Klosterkirche – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Franz Schmitt Käremeß in Cues fia fofzesch Joare un mee<br />

– Cueser Mundarterzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />

Natur im <strong>Landkreis</strong><br />

Arnold Binzen Idyllische Bachtäler im Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . 327<br />

Liesel Franz Die Dhron – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />

Jochen Hild Grünland im Kreisgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331<br />

Hubertus Schulze-Neuhoff Seltene Gesteinsformationen bei Reil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

Hildegard Kohnen Ausblick – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />

Arnold Binzen Libellen – fliegende Edelsteine unter den Insekten – . . . . . . . . . 339<br />

Heinrich Weitz Vogelleben vor der Haustür . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344<br />

Lebensläufe und Würdigungen<br />

Gerd Bayer Die Künstlerin Hedwig Schulze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />

Elisabeth Freitag Wanderung – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354<br />

Wilfried Hilgert Wie wird man Hundert? – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />

Wolfgang Gilles Von der Mosel zum Amazonas<br />

– Zur Erinnerung an den <strong>Bernkastel</strong>er Jesuitenpater<br />

Anton Meisterburg – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356<br />

9


Josef Schmitt Der Bildhauer Peter Knödgen meißelt die Geschichte<br />

seines Dorfes in Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357<br />

Gregor Brand Der Aufstieg eines Begabten<br />

– Lebensstationen des Lehrers Kaspar Hebler – . . . . . . . . . . . . 358<br />

Richard Ochs Walther und Werner Beumelburg<br />

– Leben zweier Brüder im Nationalsozialismus – . . . . . . . . . . . 367<br />

H.-Günther Böse Hugo Hensch und die <strong>Wittlich</strong>er Demokraten 1848/49 . . . . . . 371<br />

Heinz Schmitt Johann Neustädter<br />

– Aus dem Leben eines <strong>Wittlich</strong>er »Achtundvierzigers« – . . . . . 381<br />

Reinhold Schneck Die Organisten an der Pfarrkirche St. Markus<br />

in <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 386<br />

Hubert Kappes War Christoph Gessinger ein Moselaner?<br />

– Versuch, Näheres über eine rätselhafte und<br />

schillernde Persönlichkeit in Erfahrung zu bringen – . . . . . . . . 395<br />

Helmut Gestrich Zum Gedenken an Eduard Wiemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398<br />

Eleonore Mertes Abschied – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398<br />

Vervollständigen Sie Ihre Reihe der Kreisjahrbücher! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400<br />

Bild- und Fotonachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402<br />

10


Zum Geleit<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

»Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.«<br />

Hätte Albert Einstein diesen Ausspruch auch dann getan, wenn er heute noch lebte und wie wir bei<br />

einem Jahrtausendwechsel dabei sein könnte?<br />

Wir haben die Zukunft im Visier, gerade weil wir an der Schwelle eines Jahrhunderts und eines<br />

Jahrtausends angekommen sind. Die Zeitenwende in das 21. Jahrhundert, die, nimmt man es genau,<br />

erst zum Jahresende <strong>2000</strong> erfolgt, ist wahrlich ein Grund zum Feiern und ein Grund zum Innehalten.<br />

Etwas Besonderes sollte es sein, das Jahrbuch mit der runden Zahl <strong>2000</strong>. Schon vor längerer Zeit<br />

machte sich der Redaktionsausschuss Gedanken darüber, wie die Ausgabe <strong>2000</strong> aussehen sollte<br />

und beschloss, einen umfassenden Rückblick auf das vergangene Jahrhundert in unserem <strong>Landkreis</strong><br />

zu werfen. Schnell wurde allerdings deutlich, dass dieses Projekt den Rahmen eines <strong>Kreisjahrbuch</strong>es<br />

sprengen und seine bewährte Gestaltung völlig umkrempeln würde. Und das hätte einen<br />

Bruch in der Reihe der Kreisjahrbücher ausgerechnet für das Jahr <strong>2000</strong> bedeutet. Dies, liebe<br />

Leserinnen und Leser, wollten wir Ihnen nicht zumuten. Und so wurde die Idee geboren, neben<br />

dem <strong>Kreisjahrbuch</strong> ein Jahrhundertbuch des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> entstehen zu lassen,<br />

dessen Lektüre ich Ihnen neben dem <strong>Kreisjahrbuch</strong> nur bestens empfehlen kann. Demnächst<br />

können Sie dieses umfangreiche Geschichtswerk über Eifel, Mosel und Hunsrück in allen Buchhandlungen<br />

im <strong>Landkreis</strong> zu dem günstigen Preis von 29,90 DM erwerben.<br />

Etwas Besonderes finden Sie natürlich auch in der vorliegenden Jahrbuch-Ausgabe <strong>2000</strong>! Sie<br />

widmet sich den Menschen in unserem <strong>Landkreis</strong>, denn was ist schon ein Jahrhundert ohne Kinder,<br />

Frauen, Männer, die es mit ihrem Leben füllen, es erinnerbar machen und damit Geschichte<br />

schreiben. Neben vielen interessanten historischen, aktuellen und literarischen Beiträgen lesen<br />

Sie darum im diesjährigen Schwerpunkt-Thema Texte, die sich mit »Menschen im <strong>Landkreis</strong>« beschäftigen,<br />

darunter auch ganz persönliche Lebenserinnerungen. Von mir erfahren Sie übrigens<br />

auch einiges. Auf Seite 99 verrate ich Ihnen »Was Frauen anders machen«. Übrigens stammen<br />

11


sämtliche Beiträge dafür aus der Feder von Autorinnen. Sie sehen, auch in unserem vorwiegend<br />

von Männern geschriebenen Jahrbuch formiert sich zum neuen Zeitalter Frauenpower. Es wäre<br />

schön, wenn sich diese ausgleichende Entwicklung in den nächsten Jahren weiter fortsetzen würde.<br />

Als Gegengewicht dazu schrieben ausnahmslos Autoren über Menschen im <strong>Landkreis</strong> für das<br />

Sachgebiet »Lebensläufe und Würdigungen«.<br />

Die Texte des vorliegenden <strong>Kreisjahrbuch</strong>es sind nach den Regeln der neuen Rechtschreibung<br />

gestaltet. Wenn Sie dennoch hin und wieder auf alte Schreibweisen treffen, bittet die Redaktion<br />

dafür um Nachsicht.<br />

Ich wünsche Ihnen viele informative und kurzweilige Stunden im Jahr <strong>2000</strong> mit unserem <strong>Kreisjahrbuch</strong><br />

und einen schönen und erfolgreichen Start in das neue Jahrtausend.<br />

Ihre<br />

Beate Läsch-Weber<br />

12<br />

Wechsel<br />

Moselfränkischer (Monzelfelder) Dialekt<br />

Scho nammel ging es e Joahr durch de Hänn.<br />

Met em gäht e Joahrhunnert se Enn<br />

un noch dazou e Joahrdausend.<br />

Wat hän se us braocht?<br />

Wejt un bräät<br />

vill Foartschritt,<br />

vill Lääd.<br />

Däm naue Joahrdausend wäär se wünsche<br />

dat jederaane off der ganzer Welt<br />

un sich selwer Friede hält.<br />

Dann hädde ma weltwäit<br />

Aoussicht off en glecklisch Zäit!<br />

Elisabeth Badura-Zenz


Unser<br />

<strong>Landkreis</strong><br />

heute


Gegen Ende des 2. Jahrtausends unserer Zeitrechnung<br />

hat ein spektakuläres Himmelsereignis<br />

die Menschheit bewegt: eine totale Sonnenfinsternis!<br />

Aus menschlicher Sicht eine Seltenheit,<br />

in kosmischer Hinsicht nichts Ungewöhnliches,<br />

denn Sonne, Mond und Erde stehen<br />

in einer Linie.<br />

Trotz alledem – die Medien kündigten das am<br />

11. August 1999 erlebte Himmelsereignis – die<br />

vordem zuletzt wahrnehmbare Sonnenfinsternis<br />

in dieser Totale war im Jahre 1842 zu sehen<br />

gewesen – spektakulär an und bemühten hierzu<br />

sogar Nietzsche’s philosophische Dichtung<br />

»Also sprach Zarathustra« mit deren erstem<br />

Satz an die Sonne: »Du großes Gestirn! Was<br />

wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, denen<br />

du leuchtest!« Und eigentlich müsste all jenen,<br />

die diese totale Sonnenfinsternis am 11.<br />

August 1999 miterlebten, klar geworden sein,<br />

dass unser Leben ohne die Sonne, ohne das<br />

Sehen, nichts wert wäre. Ich bin jedenfalls an<br />

dem vorzitierten Tag um die Mittagszeit zu dieser<br />

Erkenntnis gekommen, just in dem Augenblick,<br />

als der kleine graue Felsbrocken Mond<br />

urplötzlich den Zeitablauf veränderte, als er<br />

sich dem Leuchten der Sonne in den Weg stellte<br />

und in dem dadurch entstandenen Schatten<br />

Meere und Land in einem über 100 Kilometer<br />

14<br />

»Wenn der Mond die Sonne frisst...«<br />

Die totale Sonnenfinsternis 1999<br />

– ein Jahrhundert-Ereignis –<br />

Hubert Orth<br />

breiten »Korridor« für etwas länger als zwei Minuten<br />

in nächtliche Finsternis versinken ließ.<br />

Die Faszination Sonnenfinsternis kam jedoch<br />

nicht urplötzlich, nein, sie kündigte sich am 11.<br />

August 1999 stundenlang vor der Totale an. Ich<br />

gewann schon während der Morgenstunden<br />

den Eindruck, dass der Tag nur mit einem<br />

stumpfen, grauen Licht begann. Wie ein Schleier<br />

legte sich das Licht auf die Farben des Sommertages.<br />

War es ein Schleier? Oder verkümmerte<br />

das Licht? Oder war es so, dass der Tag<br />

v o r der Zeit ging? Der Tag dämmerte nicht rot<br />

und warm weg wie an einem Sommerabend.<br />

Es hatte den Anschein, dass das Licht der Sonne<br />

grau und alt wirkte, dass der Tag kränkele<br />

und abrupt sterbe. Über eine Stunde lang vor<br />

der Totale überfiel mich ein Gefühl der Beklommenheit<br />

und mir schien so, als seien meine Gefühle<br />

gefesselt an diesem schwindsüchtigen<br />

Tag. Eine unnatürlich anmutende Stille drang<br />

allmählich in mein Bewusstsein.<br />

Und weil alle Medien angekündigt hatten, dass<br />

nach Berechnung der Nasa-Experten der erste<br />

Kontakt des Mondschattens mit der Erde um<br />

11.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit etwa<br />

700 Kilometer östlich von New York auf den<br />

Fluten des Atlantiks erfolgen werde, wollte ich<br />

seine »Flugbahn« im Fernsehen verfolgen.<br />

Die einzelnen Phasen der totalen Sonnenfinsternis in Bildern: Der Mond schiebt sich allmählich vor die<br />

Sonne, die kurz vor dem Höhepunkt nur als kleine Sichel sichtbar ist.


Tatsächlich – mit über zweifacher Schallgeschwindigkeit<br />

raste er über die Ozeanfluten in<br />

Richtung Europa. Ersten Bildschirmkontakt<br />

gab es aus einer französischen Überschall-<br />

»Concorde«, in der die Reichen sich das Himmelsspektakel<br />

für die Dauer von rund 6 Minuten<br />

die »Kleinigkeit« von rund 5 000 DM kosten<br />

ließen. Dann war der Mondschatten aber auch<br />

der »Concorde« wieder enteilt – er benötigte<br />

gerade mal 40 Minuten bis zu den Britischen<br />

Inseln, da überfiel die Finsternis schon Cornwall,<br />

wo sie von enthusiastisch jubelnden Menschen<br />

begrüßt und gefeiert wurde.<br />

Per Fernsehen (ARD) war dann zu verfolgen,<br />

wie der dunkle Kegel des Mondschattens über<br />

den Ärmelkanal sprang, über die französische<br />

Normandie huschte, knapp an Paris vorbei,<br />

rund 5 000 französische Städte und Gemeinden<br />

mit Dunkelheit überzog, der finstere Strahl<br />

dann Südbelgien streifte und genau um 12.29<br />

Uhr deutschen Boden traf. Schon 10 Minuten<br />

später war der Schatten wieder bei Altötting<br />

über die deutsche Grenze gefegt und schließlich<br />

überzog die Totalitätszone das Schwarze<br />

Meer, den Iran und hob gegen 15 Uhr im Golf<br />

von Bengalen wieder ins Weltall ab – der Spuk<br />

hatte eine 14 000 Kilometer lange Spur quer<br />

durch Orient und Okzident gezogen!<br />

Das Fernseh-Erlebnis und das eigene Erleben<br />

dauerten allerdings länger und waren sehr viel<br />

eindringlicher als die vorstehende Kurzbeschreibung<br />

der Mondschatten-Route oder<br />

auch Sonnenfinsternis. Schon mit dem ersten<br />

Kontakt des Mondschattens auf deutschem<br />

Boden verfinsterte sich mein Beobachtungspunkt<br />

merklich und posthum gab’s in meiner<br />

Begleitung den ersten »Ooh-Effekt«.<br />

Mein siebenjähriger Enkel befand: »Ooh, war<br />

das aber aufregend«. Nachgefragt »Wieso war<br />

das aufregend?« – die Antwort: »Weil es so<br />

plötzlich dunkel und dann gleich wieder hell geworden<br />

ist«. Recht hatte der Kleine, denn ich<br />

selbst war auch verblüfft über dieses Erlebnis<br />

der »Finsternis am Tag«. Und weil wir die Finsternis<br />

im Freien erlebten, wurden wir auch noch<br />

von einer merklichen Abkühlung überrascht.<br />

Die Medien wussten am folgenden Tag zu berichten,<br />

dass die Temperaturen – örtlich verschieden<br />

– bis zu 5 Grad gesunken waren. Aber<br />

genauso wie das Licht bei einer Dimmerschaltung<br />

wiederkommt, zeigte sich auch das Sonnenlicht<br />

und mit ihm stiegen auch wieder die<br />

Temperaturen. Die Genesis sei in Erinnerung<br />

gerufen, an deren Anfang zu lesen ist: »Es werde<br />

Licht – und es ward Licht«.<br />

Mit diesen Empfindungen habe ich das Sonnenfinsternis-Spektakel<br />

zuerst vor dem Bildschirm<br />

und zwei Minuten lang aus eigenem Erleben<br />

wahrgenommen. Wahrscheinlich hatte<br />

ich mehr Erlebnisglück als jene Millionen, die<br />

ins Saarland und in den Stuttgarter Raum gepilgert<br />

waren. Dort erlebten die Menschen<br />

nämlich mehr oder weniger eine Regen- statt<br />

Sonnenfinsternis. Natürlich wurde es auch in<br />

diesen Räumen vorübergehend finster, aber<br />

die spektakulären Vorgänge um Sonne und<br />

Mondschatten konnte man nur als Glückszufall<br />

durch spärlich auftretende Wolkenlöcher beobachten.<br />

Und ich hatte wieder mal Glück in<br />

der allgemeinen Hysterie – aber auch nur vor<br />

dem Bildschirm. Hier am Rande des vorderen<br />

Hochwalds war es schon wieder hell geworden,<br />

als am Chiemsee, dem Drehort der ARD,<br />

der Mond als dunkle schwarze Scheibe vor der<br />

Sonne stand und so den Eindruck vermittelte,<br />

als habe sie die Sonne »aufgefressen«. Dieses<br />

Fotos: Paul Valerius, Dreis<br />

15


Empfinden stellte sich bei mir unvermittelt ein,<br />

weil in geringen Zeitabständen via Bildschirm<br />

zu betrachten war, wie der Mondschatten das<br />

Sonnenlicht in Sichelform regelrecht verdrängte.<br />

Und dann stellte sich der »Aah«-Effekt ein:<br />

Wie eine »Anti«-Sonne war nur noch eine<br />

schwarze Scheibe zu erkennen. Und plötzlich,<br />

wie auf einen Wink hin erschien auf dem Bildschirm<br />

die »Korona«. Sie zeigte sich wie ein<br />

diamantheller Strahlenkranz und fast augenblicklich,<br />

wie sich ein dünner Sonnenrand aus<br />

dem Mondschatten löst, entzünden sich Lichteffekte<br />

wie rote Granatsteine, die den diamantenen<br />

Lichtkranz noch überstrahlen. Die Wissenschaftler<br />

deuten diese Lichteffekte als Protuberanzen,<br />

Millionen Kilometer weit ins All geschleuderte<br />

Gasentladungen. Bei Verfinsterun-<br />

16<br />

gen der Sonne wird der brodelnde Strahlenkranz<br />

in seiner ganzen Pracht sichtbar, die<br />

Korona und ihr Anblick war für mich das<br />

Schönste, was die totale Sonnenfinsternis<br />

1999 zu bieten hatte – es war nicht die Finsternis<br />

am Tag.<br />

Um dieses phänomenale Erlebnis kreisten in<br />

unserer Runde noch die Gespräche und mir<br />

wurde bewusst, dass es solches in meinem Leben<br />

nicht mehr zu bestaunen geben wird. Ganz<br />

im Gegensatz zu meinem Enkel, der die nächste<br />

Sonnenfinsternis im 1. Jahrhundert des 3.<br />

Jahrtausends unserer Zeitrechnung miterleben<br />

möchte.<br />

Bleibt noch nachzutragen, dass laut Medienberichten<br />

rund 2 Milliarden Menschen weltweit<br />

das Himmelsereignis 1999 mitverfolgten.<br />

So wie dieses Paar sahen Tausende von Menschen umsonst in den wolkenverhangenen Himmel, weil<br />

sie miterleben wollten, wie der Mond die Sonne bedeckte.


Frank Wilhelmi neuer Leiter der<br />

Kreismusikschule<br />

Seit 1. August 1998 ist Frank Wilhelmi neuer<br />

Leiter der Kreismusikschule. Er studierte Orchestermusik<br />

mit Hauptfach Trompete an der<br />

Staatlichen Hochschule für Musik in Mannheim<br />

und Kulturmanagement an der Hochschule für<br />

Musik und Theater in Hamburg. Frank Wilhelmi<br />

trat die Nachfolge von Josef Ehses an, der fast<br />

30 Jahre lang die Musikschule leitete.<br />

Landrätin zeichnete Kreissieger-Gemeinde<br />

Lüxem aus<br />

Am 29. August 1998 ehrte Landrätin Beate<br />

Läsch-Weber den Stadtteil Lüxem als Kreissieger<br />

im Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner<br />

werden – Unser Dorf hat Zukunft«. Die Gemeinden,<br />

die am Wettbewerb teilgenommen hatten,<br />

Jahresrückblick<br />

Chronik des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1998/1999<br />

so Landrätin Beate Läsch-Weber, seien sich<br />

bewusst geworden, was Eigeninitative und<br />

bürgerliches Engagement für eine gewachsene<br />

Infrastruktur und die Verbesserung der Lebensqualität<br />

auf dem Land bedeuten.<br />

Kurt Beck befürwortete<br />

Hochmoselübergang<br />

Ministerpräsident Kurt Beck sprach sich bei<br />

seinem Besuch in <strong>Landkreis</strong> Ende Oktober<br />

1998 für den Hochmoselübergang als Neubau<br />

der geplanten 17 km langen Strecke der B 50<br />

aus. An den veranschlagten Kosten von<br />

257 Millionen Mark wollen sich Bund und Land<br />

mit 20 %, also 51 Millionen Mark, beteiligen.<br />

Die restlichen 60 % der Kosten, also<br />

154 Millionen Mark, sollen privat finanziert<br />

werden.<br />

V. l. n. r.: Bürgermeister Rainer Grün, MdL Günter Rösch, Ministerpräsident Kurt Beck, Landrätin Beate<br />

Läsch-Weber, Regierungspräsident Heinrich Studentkowski informieren sich vor Ort über den geplanten<br />

Hochmoselübergang.<br />

17


Tag des Pflegekindes in <strong>Wittlich</strong><br />

Auf die Lebenssituationen von Pflegekindern<br />

und Pflegeeltern machte der Pflegekinderdienst<br />

des <strong>Landkreis</strong>es in Kooperation mit dem<br />

Fachbereich Jugend und Familie der Kreisverwaltung<br />

und dem deutschen Kinderschutzbund<br />

in einer Informationsveranstaltung in der<br />

<strong>Wittlich</strong>er Synagoge am Tag des Pflegekindes<br />

(7. November 1998) aufmerksam.<br />

Frauen planten mit – vor Ort<br />

Erste regionale Konferenz im Kreishaus<br />

Am 13. November 1998 fand im Kreishaus die<br />

erste regionale Konferenz des Ministeriums für<br />

Kultur, Jugend, Familie und Frauen und der<br />

Planungsgemeinschaft Region Trier in Zusammenarbeit<br />

mit den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten<br />

der <strong>Landkreis</strong>e und Städte<br />

statt.<br />

Kreistag plädierte für Gemeinschaftstarif<br />

im Personenverkehr<br />

Ende November 1998 beauftragte der Kreistag<br />

die Verwaltung, die strukturellen organisatorischen<br />

und finanziellen Voraussetzungen dafür<br />

zu schaffen, dass in der Region Trier ein Gemeinschaftstarif<br />

im öffentlichen Nahverkehr<br />

eingerichtet wird.<br />

Landwirtschaft hat Bedeutung für den<br />

Tourismus<br />

Anlässlich der Dreikönigstagung des Bauernund<br />

Winzerverbandes erinnerte Landrätin Beate<br />

Läsch-Weber an die besondere Bedeutung<br />

der Landwirtschaft für den Tourismus. Im hiesigen<br />

<strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> bieten etwa<br />

750 Bauern- und Winzerbetriebe mehr als<br />

7 000 Gästebetten an. Gute Einkommensquellen<br />

der Landwirte seien auch die Direktvermarktung<br />

ihrer hochwertigen Produkte und die<br />

Kooperation mit den touristischen Leistungsträgern.<br />

Landrätin zeichnete Ausbildungsbetriebe aus<br />

Ende Januar 1999 zeichnete Landrätin Beate<br />

Läsch-Weber Betriebe des Kreises aus, die<br />

sich besonders um die Ausbildung von Lehrlingen<br />

verdient gemacht haben. Das heimische<br />

Handwerk ist einer der Haupteckpfeiler des<br />

Wirtschaftsstandortes <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Die<br />

Hälfte aller Ausbildungsplätze im <strong>Landkreis</strong> befindet<br />

sich in handwerklichen Betrieben.<br />

18<br />

Zusammenschluss von 14 Organisationen<br />

zur Arbeitsgemeinschaft Ehrenamt<br />

Anfang Februar 1999 schlossen sich in der<br />

Akademie Kues 14 Verbände und Organisationen<br />

auf Kreisebene zu einer Arbeitsgemeinschaft<br />

Ehrenamt zusammen. Die Teilnehmer<br />

waren sich einig, dass eine Gesellschaft mit<br />

menschlichem Gesicht den freiwilligen Einsatz<br />

für das Gemeinwohl und den freiwilligen Zusammenschluss<br />

von Menschen für Kultur,<br />

Sport, Spiel, Soziales und für die Rettung bei<br />

Unfällen und Katastrophen benötige. Der Arbeitsgemeinschaft<br />

gehören an: Arbeiterwohlfahrt,<br />

Caritasverband, DRK, Evangelischer Kirchenkreis<br />

Simmern, Feuerwehr, Kinderschutzbund,<br />

Kreismusikverband, Kreisverwaltung<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Landfrauenverband, Malteser-Hilfsdienst,<br />

Sängerkreis, Sportbund,<br />

Technisches Hilfswerk und Akademie Kues.<br />

Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist die Stärkung<br />

des Ehrenamtes im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />

Hauptversammlung des<br />

Kreismusikverbandes <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Ende Februar 1999 fand in der Bürgerhalle in<br />

Rivenich die Wahl des Kreisvorsitzenden statt.<br />

Der bisherige Vorsitzende Ewald Tonner wurde<br />

einstimmig wiedergewählt. Hans Georg Weber<br />

und Rudi Klein sind seine Stellvertreter. Landrätin<br />

Beate Läsch-Weber zeichnete Rudi Klein<br />

mit der Verdienstmedaille des Landesmusikverbandes<br />

aus, der 44 Jahre aktives Mitglied<br />

des Musikvereins »Cäcilia« Monzelfeld und ab<br />

1973 bis 1999 dessen Vorsitzender war.<br />

Fachtagung zur Situation<br />

der Gerontopsychiatrie<br />

Zum Internationalen Jahr der Senioren fand<br />

Anfang März 1999 in der Akademie Kues eine<br />

Fachtagung zur Situation der älteren Menschen<br />

mit psychischen Erkrankungen statt.<br />

<strong>Wittlich</strong>er Impfstudie wurde präsentiert<br />

Am 3. März 1999 wurde die erste Gesundheitskonferenz<br />

der <strong>Landkreis</strong>e Bitburg-Prüm, Daun<br />

und <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> in der Abtei Himmerod<br />

abgehalten. 100 Ärzte, Apotheker und Beschäftigte<br />

der Gesundheitsämter nahmen teil.<br />

Der wissenschaftliche Leiter der Universität<br />

Mainz, Dr. Michael Pietsch, stellte der Versammlung<br />

die Ergebnisse der »Impfstudie


<strong>Wittlich</strong>« vor. Mit ihrer Hilfe soll die Bevölkerung<br />

gezielt informiert und durch Fortbildung des<br />

medizinischen Personals der Impfschutz verbessert<br />

werden. Im <strong>Wittlich</strong>er Krankenhaus<br />

wurden anonym 500 Blutproben einer altersgeschichteten<br />

Stichprobe analysiert. Hiernach<br />

hatten 60 % der Bevölkerung keinen oder nur<br />

unzureichenden Impfschutz gegen Diphtherie,<br />

20 % gegen Wundstarrkrampf und 10 % gegen<br />

Kinderlähmung.<br />

Vorstellung der <strong>Wittlich</strong>er Impfstudie bei der ersten<br />

Gesundheitskonferenz der Kreise Bitburg-<br />

Prüm, Daun und <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> in der Abtei<br />

Himmerod.<br />

Sofortprogramm zum Abbau der<br />

Jugendarbeitslosigkeit im <strong>Landkreis</strong><br />

Eine ABM-Maßnahme zur sozialen Betreuung<br />

arbeitsloser junger Menschen unter 25 Jahren<br />

wurde gemeinsam vom <strong>Landkreis</strong> und dem Arbeitsamt<br />

begonnen. Arbeitslose Jugendliche<br />

sollen motiviert werden, sich an Ausbildungsmaßnahmen<br />

zu beteiligen. Damit trägt der<br />

<strong>Landkreis</strong> zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit<br />

bei.<br />

50-jähriges Jubiläum des Kreisbauern-<br />

und Winzerverbandes <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Als kompetenter und verlässlicher Partner, engagierter<br />

Anwalt und Interessenvertreter steht<br />

seit 50 Jahren den heimischen Landwirten und<br />

Winzern der Kreisbauern- und Winzerverband<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> zur Seite, der am 13. März<br />

1999 sein Jubiläum feierte. 2 674 Mitglieder,<br />

das sind 83 % der Betriebe, gehören ihm an.<br />

Besondere Verdienste erwarb er sich um die<br />

agrarsozialen Sicherungssysteme in der Vergangenheit.<br />

Heute ist der Kreisbauern- und<br />

Winzerverband ein unverzichtbarer Serviceleister<br />

für seine Mitglieder, der sie auch im Kampf<br />

gegen die Agenda <strong>2000</strong> unterstützt.<br />

40. Vorlesewettbewerb<br />

des deutschen Buchhandels<br />

Sieger(innen) des Lesewettbewerbs nach den<br />

Kriterien Textverständnis und Lesetechnik wurden<br />

Anfang März in der Stadtbücherei <strong>Wittlich</strong><br />

in der Gruppe A: Ramona Jakobs (Hauptschule<br />

Die Sieger des Vorlesewettbewerbs Ramona<br />

Jakobs und Andreas Burkhard<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues) und in der Gruppe B: Andreas<br />

Burkhard (Peter-Wust-Gymnasium <strong>Wittlich</strong>).<br />

Mehr Kommunalpolitikerinnen<br />

braucht das Land<br />

Mit diesem Aufruf eröffneten Landrätin Beate<br />

Läsch-Weber und die Europaabgeordnete<br />

Christa Klaß Mitte März eine Veranstaltung der<br />

19


Landfrauen im Kreishaus. Beide referierten<br />

über ihren politischen Alltag und motivierten<br />

die anwesenden Frauen, sich politisch zu engagieren.<br />

Kulturförderprogramm<br />

des <strong>Landkreis</strong>es<br />

In seiner Sitzung Ende April stellte der Kreistag<br />

100 000 DM für die Kulturförderung bereit. Gefördert<br />

werden »Maßnahmen der Infrastruktur«<br />

in den Bereichen Kunst, Heimat- und Kulturpflege,<br />

Literatur, Medien, Musik und<br />

Theater.<br />

Neuer Kreisjugendpfleger<br />

für den <strong>Landkreis</strong><br />

Seit dem 1. April 1999 ist Peter Caspers-<br />

Schultze als neuer Kreisjugendpfleger und Jugendhilfeplaner<br />

im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

in Sachen Jugendhilfe unterwegs.<br />

20<br />

Im SENIOR-INFO-MOBIL<br />

Aktionswoche SENIOR-INFO-MOBIL<br />

Unter Schirmherrschaft von Landrätin Beate<br />

Läsch-Weber lud das SENIOR-INFO-MOBIL<br />

Seniorinnen und Senioren vor und in die Akademie<br />

Kues ein, sich über neue Technologien<br />

wie Computer, Internet etc. vom 20. bis 24.<br />

April 1999 zu informieren.<br />

V. l. n. r.: Jürgen Marx, Leiter des Fachbereichs Jugend und Familie der Kreisverwaltung, neuer<br />

Kreisjugendpfleger Peter Caspers-Schultze, Landrätin Beate Läsch-Weber


Projekt Musikschule und Musica Sacra<br />

Im Rahmen des Projekts »Musikschule und<br />

Musica Sacra« gestalteten Schülerinnen und<br />

Schüler der Kreismusikschule, des Kreismusikverbandes<br />

und des Sängerkreises <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> Gottesdienste in über 30 Pfarrgemeinden<br />

des <strong>Landkreis</strong>es zwischen dem 6. und 20.<br />

März 1999 mit.<br />

Existenzgründertag »fit« in <strong>Wittlich</strong><br />

Am 5. Mai 1999 nutzten 130 potenzielle Existenzgründerinnen<br />

und -gründer sowie Jungunternehmer<br />

die Gelegenheit, von Experten der<br />

fit-Initiative und von Landrätin Beate Läsch-<br />

Weber Informationen über Existenzgründungen<br />

zu erhalten.<br />

Teilnehmer des Existenzgründertages »fit« in<br />

<strong>Wittlich</strong><br />

Fachtagung des Kreisverbandes<br />

Legasthenie <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Anfang Mai fanden sich in der Synagoge <strong>Wittlich</strong><br />

mehr als 150 betroffene Eltern, Fachleute<br />

und Lehrer ein, um das Thema »Lese- und<br />

Rechtschreibschwäche« näher zu beleuchten.<br />

Schirmherrin Beate Läsch-Weber erklärte, der<br />

Verband sei zu einer Quelle der Kraft und zu einer<br />

unverzichtbaren Anlaufstelle für viele Betroffene<br />

geworden. Marlies Günter, die Vorsitzende<br />

des Kreisverbandes, warb um stärkere<br />

Einbeziehung der Lehrerinnen und Lehrer in ihre<br />

Arbeit.<br />

Bei der lokalen »Agenda 21«<br />

reden die Bürger mit<br />

Auf Kreisebene wird die lokale »Agenda 21«<br />

umgesetzt. Am 10. Mai fand im alten Bahnhof<br />

Kues die Auftaktveranstaltung statt. Die Bürgerinnen<br />

und Bürger des Kreises haben künftig<br />

die Möglichkeit, in Bürgerforen bei der Kreisentwicklung<br />

mitzureden. Die Kreisentwicklung<br />

soll in Beziehung zur »Agenda 21« gesetzt werden.<br />

Das bedeutet, dass Ökonomie, Ökologie<br />

und Soziales bei Entscheidungen stets berücksichtigt<br />

werden sollen.<br />

Bürgerinnen und Bürger informieren sich über die<br />

»Agenda 21«<br />

Auch die Landrätin ist mal sprachlos<br />

Der Kreisfeuerwehrverband (KFV) <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> beging Ende Mai 1999 in Dierscheid<br />

sein 20-jähriges Bestehen. Hunderte von Feuerwehrleuten<br />

aus dem <strong>Landkreis</strong> nahmen daran<br />

teil. Der Vorsitzende des Verbandes und in<br />

Personalunion auch Ortsbürgermeister von<br />

Dierscheid, Hermann Lossbrand, präsentierte<br />

die Chronik »Die Feuerwehren des Kreises<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>«. Landrätin Beate Läsch-<br />

Weber würdigte das ehrenamtliche Engagement<br />

der Feuerwehrfrauen und -männer, ohne<br />

die weder die Kommunen noch die Länder in<br />

der Lage seien, ihre Verpflichtungen zur Gefahrenabwehr<br />

gegenüber der Bevölkerung angemessen<br />

zu erfüllen. Als sie vom Kreisvorsitzenden<br />

für ihr außergewöhnliches Engagement für<br />

die Feuerwehren die Ehrenmedaille des Deutschen<br />

Feuerwehrverbandes erhielt, fragte sie in<br />

Heidweilerer Dialekt: »Hat´ ihr Männer schon<br />

mal en sprachlos Frau gesehn?«<br />

30 Jahre Sonderschule G<br />

in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

Im November 1968 nahm die Schule in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

ihren Unterricht mit 10 Kindern<br />

auf, 1969 zog sie in das neue Schulgebäude<br />

auf dem Kueser Plateau. Seitdem ist die Sonderschule<br />

G fest in der Schullandschaft des<br />

<strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> verankert. Am<br />

21


19. Juni fand in der Akademie Kues in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

eine Feierstunde zum 30. Geburtstag<br />

mit der Eröffnung der Ausstellung »Die Welt unserer<br />

Kinder in Farben« statt.<br />

Bürgerberatung im Kreishaus<br />

Seit Anfang Juni ist im Eingangsbereich des<br />

Kreishauses eine Bürgerberatung eingerichtet.<br />

Als zentrale Anlaufstelle bietet sie den Bürgerinnen<br />

und Bürgern kürzere Wege und gegenüber<br />

der Gesamtverwaltung verlängerte Öffnungszeiten<br />

für unterschiedliche Anliegen an<br />

die Kreisverwaltung.<br />

Sommerfest der Kreismusikschule<br />

»Mach Musik!« Unter diesem Motto veranstaltete<br />

die Kreismusikschule in Kooperation mit<br />

22<br />

Eröffnungsfahrt RegioLinie <strong>Wittlich</strong>-Bitburg<br />

Am 5. August 1999 startete zur Eröffungsfahrt<br />

der neuen RegioLinie <strong>Wittlich</strong>-Bitburg der erste<br />

Bus von <strong>Wittlich</strong> nach Bitburg. Die beiden<br />

größten Mittelzentren der Eifel, <strong>Wittlich</strong> und Bitburg,<br />

sind nun, nachdem im Jahr zuvor die RegioLinie<br />

Daun-Morbach ihren Betrieb aufgenommen<br />

hatte, durch die neue Buslinie des Öffentlichen<br />

Personen-Nahverkehrs gut miteinander<br />

verbunden.<br />

Neue Bürgerberatung im Foyer des Kreishauses<br />

dem Kreismusikverband und dem Sängerkreis<br />

anlässlich des deutschen Musikschultages am<br />

12. Juni ein Sommerfest in <strong>Bernkastel</strong>-Kues.<br />

Auftritt des Orchesters der Kreismusikschule auf der Terrasse der Akademie Kues


Chronik der Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

1998/1999<br />

Römische Weinkelter im »Erdener<br />

Treppchen«<br />

Nur wenige Meter neben der vor wenigen Jahren<br />

in der Weinlage »Erdener Treppchen« an<br />

der Mosel gefundenen römischen Kelteranlage<br />

fand man im Sommer 1998 bei den Flurbereinigungsarbeiten<br />

weitere Bauwerke aus römischer<br />

Zeit. Oberkustos Dr. Karl-Josef Gilles<br />

stellte bei den sofort eingeleiteten Ausgrabungen<br />

fest, dass es sich um eine noch ältere Kelteranlage<br />

handelte, was durch Münzen, Gefäßteile<br />

und andere Kleinfunde belegt wurde.<br />

Schließlich stand fest, dass diese ältere Kelteranlage<br />

bereits im zweiten Jahrhundert betrieben<br />

wurde. In der weltbekannten Weinlage »Er-<br />

Veranstaltungszentrum »Güterhalle am<br />

alten Bahnhof« in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

Im August 1998 wurde die »Güterhalle am alten<br />

Bahnhof« in <strong>Bernkastel</strong>-Kues als neue Veranstaltungshalle<br />

in Betrieb genommen. Das unter<br />

Denkmalschutz stehende Wirtschaftsgebäude<br />

des früheren Bahnhofes wurde damit einer<br />

neuen Zweckbestimmung zugeführt. Mit diesem<br />

Projekt ist ein weiterer Schritt zur Gestaltung<br />

und Nutzung des ehemaligen Bahngeländes<br />

im Stadtteil Kues getan. Neben einer vielfältigen<br />

Nutzung bietet die Halle insbesondere<br />

auch die Möglichkeit, größere Jugendveranstaltungen<br />

durchzuführen. Die aus Mitteln der<br />

Stadtsanierung geförderten Projektkosten lagen<br />

bei 1,2 Millionen Mark.<br />

Ministerpräsident Beck zu Besuch in der<br />

Verbandsgemeinde<br />

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident<br />

Kurt Beck informierte sich am 30. Oktober<br />

1998 bei einem Besuch des <strong>Landkreis</strong>es über<br />

zukünftige Verkehrslösungen im Raum Zeltingen-Rachtig,<br />

B 50 (Neu) und Hochmoselübergang,<br />

die Ortsumgehung Wehlen sowie über<br />

Verkehrsverbesserungen im Raum <strong>Bernkastel</strong>-<br />

Kues. Landrätin Beate Läsch-Weber, Regierungspräsident<br />

Heinrich Studentkowski, MdL<br />

Günter Rösch und Bürgermeister Grün berichteten<br />

aus örtlicher Sicht über die einzelnen Projekte<br />

und den derzeitigen Verfahrensstand.<br />

dener Treppchen« befindet sich damit die bisher<br />

älteste römische Kelteranlage nördlich der<br />

Alpen.<br />

Oberkustos Dr. Karl-Josef Gilles (rechts) bei der<br />

Besichtigung der Ausgrabungen.<br />

Helga Gerten zu Gast beim<br />

Bundespräsidenten<br />

Der Bundespräsident Roman Herzog hatte<br />

zum Neujahrsempfang 1999 auch Männer und<br />

Frauen eingeladen, die sich durch ehrenamtliche<br />

Tätigkeit verdient gemacht haben. Zum<br />

Kreis der Ehrengäste gehörte auf Vorschlag<br />

von Bürgermeister Grün auch Helga Gerten,<br />

die als Lehrerin an der Grundschule Wintrich<br />

wirkt. Bundespräsident Herzog begrüßte die<br />

Gäste in seinem Amtssitz, Schloss Bellevue in<br />

Berlin, und würdigte die ehrenamtliche Tätigkeit<br />

der Gäste, wobei er in besonderer Weise<br />

die beispielgebende und über 30jährige Jugendarbeit<br />

von Helga Gerten herausstellte.<br />

Helga Gerten im Gespräch mit Roman Herzog<br />

23


Symbolische Streckenfreigabe der neuen A 105 in Kommen<br />

Einweihung der neuen K 105 in Kommen<br />

Der Ausbau der Kreisstraße 105 in der Ortslage<br />

Kommen war ein Ereignis, das mit der festlichen<br />

Freigabe am 25. April 1999 gebührend<br />

gefeiert wurde.<br />

Die 740 Meter lange Strecke durch die Gemeinde<br />

Kommen kostete etwas mehr als eine<br />

Million Mark, so die Landrätin Beate Läsch-<br />

Weber bei der Schilderung des Gesamtaufwandes.<br />

Finanziert wurde die Maßnahme aus<br />

Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz und des<br />

<strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Zudem wurden<br />

für die Neuverlegung der Kanalisation<br />

650 000 DM durch das Abwasserwerk der Verbandsgemeinde<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues investiert.<br />

Ortsbürgermeister Gerhard Leyendecker dankte<br />

der Landrätin für die Investionsbereitschaft<br />

des <strong>Landkreis</strong>es und Bürgermeister Rainer<br />

Grün für die Unterstützung der Maßnahmen<br />

des Abwasserwerkes.<br />

Neue Aufbereitungsanlage der Wellersbach-Ouellen<br />

in Monzelfeld<br />

Die Wellersbachquellen dienten schon vor 100<br />

Jahren der Versorgung von <strong>Bernkastel</strong> und<br />

Kues. Eine Sanierung und Erneuerung der Aufbereitungsanlage<br />

war notwendig geworden. In<br />

Abstimmung mit dem Staatlichen Amt für Was-<br />

24<br />

Bürgermeister Rainer Grün und Stadtbürgermeister<br />

Dr. Helmut Gestrich nehmen die Anlage Wellersbach<br />

in Betrieb


ser- und Abfallwirtschaft Trier wurde die neue<br />

Anlage geplant und 1997 mit den Bauarbeiten<br />

begonnen. Zwischen 450 und 600 cbm bestes<br />

Trinkwasser liefern die Wellersbachquellen<br />

täglich. Die Aufbereitungsanlage und die Erneuerung<br />

der Transportleitung kostete rund 2,5<br />

Millionen Mark. Bürgermeister Rainer Grün und<br />

Werkleiter Heribert Kappes vom Wasserwerk<br />

konnten bei der Einweihung am 28. April 1999<br />

ein gelungenes Werk vorstellen, das in erheblichem<br />

Maße die Qualitätssicherung der Wasserversorgung<br />

in der Verbandsgemeinde mit<br />

garantiert.<br />

Auszeichnung für Partnerschaft mit<br />

Otmuchow/Polen<br />

Für »außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet<br />

kommunaler Partnerschaften« wurde die<br />

Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues von Innenminister<br />

Walter Zuber am 10. Mai 1999 ausgezeichnet.<br />

In der Feierstunde bei der Landesregierung<br />

würdigte der Minister die Bemühungen<br />

zur Gestaltung der partnerschaftlichen Aktivitäten<br />

mit der Gemeinde Otmuchow/Polen<br />

und überreichte Bürgermeister Rainer Grün einen<br />

Geldpreis von 5 000 DM zur weiteren För-<br />

derung der Partnerschaft. Eine willkommene<br />

Zuwendung, die nach dem Wunsch von Bürgermeister<br />

Grün im Rahmen der Partnerschaft<br />

für die Jugendarbeit eingesetzt wird.<br />

Dienstleistungszentrum für Touristen und<br />

Einheimische Brauneberg eröffnet<br />

Brauneberg verfügt seit Ende Mai 1999 über<br />

ein Dienstleistungszentrum und hat damit die<br />

örtliche Infrastruktur für Einheimische, insbesondere<br />

aber auch für den Tourismus wesentlich<br />

gestärkt.<br />

In Anwesenheit von Staatssekretär Günter Eymael,<br />

Bürgermeister Rainer Grün, Sparkassendirektor<br />

Winfried Gassen und zahlreichen Gästen<br />

würdigte Ortsbürgermeister Kurt Kranz<br />

das gelungene Werk und die gute Zusammenarbeit.<br />

Die Landesregierung, so Staatssekretär Eymael,<br />

hat mit einem Zuschuss von 318 600 DM<br />

das Projekt gefördert und damit die außerordentliche<br />

Anstrengung zur Förderung des<br />

Fremdenverkehrs in der Weinbaugemeinde<br />

Brauneberg anerkannt und unterstützt.<br />

Die Verbandsgemeinde trug mit 100 000 DM<br />

zur Finanzierung bei und die Kreissparkasse<br />

Minister Walter Zuber (rechts), Marie-Luise Herwig und Bürgermeister Rainer Grün bei der Preisverleihung<br />

für außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet kommunaler Partnerschaften.<br />

25


übernahm im Rahmen der integrierten Zweigstelle<br />

135000 DM der Baukosten. Damit war<br />

das nahezu eine Million Mark teure Projekt für<br />

Brauneberg finanzierbar. Verkehrsbüro mit<br />

Touristinformation, Boots- und Fahrradverleih<br />

und die Zweigstelle der Kreissparkasse bieten<br />

in der Ortsmitte damit für Einheimische und<br />

Gäste einen umfassenden Service.<br />

Landestrachtentreffen in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

Am 6. Juni 1999 herrschte Hochstimmung in<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues. Erstmals fand hier das Landestrachtentreffen<br />

verbunden mit dem gleichzeitig<br />

begangenen Altstadtfest statt, das mit<br />

dem Verband für Volkstum und Heimat in<br />

Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde.<br />

Höhepunkt war der farbenprächtige Festzug<br />

durch die Altstadt, an dem 104 Gruppen mit<br />

über 15 000 Akteuren teilnahmen.<br />

Stadtbürgermeister Dr. Helmut Gestrich bedankte<br />

sich bei den Organisatoren und Teilnehmern<br />

mit einem Empfang in der neuen Vi-<br />

26<br />

nothek im Weinmuseum für diese wunderbare<br />

Veranstaltung.<br />

Natur- und Walderlebnispfad auf dem<br />

Lieserer Plateau<br />

Auf Initiative des Revierleiters Martin Hermanns<br />

– Forstrevier Noviand – wurde ein Natur- und<br />

Walderlebnispfad auf dem Lieserer Plateau am<br />

25. Juni 1999 seiner Bestimmung übergeben.<br />

Ein Erlebnispfad der besonderen Art mit Duftgarten,<br />

Barfußfühlpfad, Lauschecke, Baumtastspielen<br />

und weiteren Erlebnisspielen für Erwachsene<br />

und Kinder ermöglichen es, den<br />

Wald einmal anders kennen zu lernen.<br />

Auf informierenden Holztafeln erfährt der Waldbesucher<br />

außerdem etwas über die Ökologie<br />

des Waldes und dessen Bedeutung für Mensch<br />

und Tier.<br />

Das Projekt wurde vom Ministerium für Umwelt<br />

und Forsten, Rheinland-Pfalz, und aus dem<br />

Umweltetat der Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

finanziell gefördert.<br />

Beim ersten Landestrachtentreffen in <strong>Bernkastel</strong>-Kues zeigten die Trachtengruppen ihr tänzerisches<br />

Können in der Altstadt.


Chronik der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf 1998/1999<br />

August 1998<br />

47. Reiler Moto Cross<br />

Zum 47. Male wurde in Verbindung mit dem<br />

Wein- und Heimatfest das bekannte Moto<br />

Cross in Reil veranstaltet. Mit dem Lauf zur<br />

Deutschen Seitenwagenmeisterschaft und<br />

dem Lauf zum Moto-Cross-Pokal in der 250er<br />

Klasse und einem Lauf zum »Heißen Stein Pokal«<br />

wurde wiederholt hervorragender Motorsport<br />

geboten.<br />

Neue Weinkönigin in Reil<br />

Im Rahmen des Wein- und Heimatfestes Reil<br />

erhielt Nina Schneiders die Ernennung zur neuen<br />

Weinkönigin.<br />

6. Traktoren-Treffen in Kröv<br />

Die Freunde alter Zugmaschinen und Traktoren<br />

trafen sich zum 6. Male wieder in Kröv. Mit der<br />

Teilnahme von 240 historischen Bulldogs und<br />

Schleppern erreichte das Treffen 1998 eine Rekordteilnahme.<br />

Dachdeckermeister als Erfinder<br />

Dachdeckermeister Simon aus Bengel-Neidhof<br />

erfand das perfekte Arbeits- und Schutzgerüst<br />

für die Dachdeckerbranche.<br />

Eiserne Hochzeit in Kröv<br />

Das seltene Fest der eisernen Hochzeit durfte<br />

das Ehepaar Leo Schnitzius und Maria, geborene<br />

Weißkopf, feiern.<br />

September 1998<br />

40 Jahre Familienferienwerk<br />

Springiersbach<br />

Das Familienferienwerk Springiersbach beging<br />

sein 40-jähriges Bestehen. Der Leiter, Michael<br />

Koch, begrüßte 400 Gäste.<br />

Neues Löschfahrzeug für Bengel<br />

Bürgermeister Otto-Maria Bastgen übergab<br />

der Freiwilligen Feuerwehr in Bengel ein neues<br />

Tragkraftspritzenfahrzeug.<br />

Weinprobenwanderung in Kinheim<br />

Höhepunkt des Kinheimer Winzerfestes war<br />

die kulinarische Erlebnisweinprobe in Form einer<br />

Weinprobenwanderung.<br />

Neuer Schlauchwagen für Kinheim<br />

Im Rahmen des Winzerfestes wurde der Freiwilligen<br />

Feuerwehr Kinheim-Kindel ein neuer<br />

Schlauchwagen übergeben.<br />

Traditionstreffen der ehemaligen<br />

Feuerwehrleute<br />

Die Mitglieder der Altersabteilungen der Feuerwehren<br />

der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf<br />

besichtigten das Moselkraftwerk in Fankel.<br />

Königspaar der Schützenbruderschaft Kröv<br />

Paul und Marga Thielen sind das neue Königspaar<br />

der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft<br />

Kröv.<br />

Oktober 1998<br />

Orgeleinweihung im Kloster Springiersbach<br />

Die alte Orgel der Klosterkirche Springiersbach<br />

hatte nach 55 Jahren ausgedient. Durch die<br />

großzügige Spendenbereitschaft der Bevölkerung<br />

konnte eine neue Sandtner-Orgel im Rahmen<br />

eines feierlichen Gottesdienstes ihrer Bestimmung<br />

übergeben werden.<br />

27


Friseurmeister Erwin Ludwig 65 Jahre im<br />

Beruf<br />

Ein seltenes Berufsjubiläum konnte Friseurmeister<br />

Erwin Ludwig aus Bausendorf feiern. Mit<br />

seinen 80 Jahren war er insgesamt 65 Jahre in<br />

seinem Beruf tätig.<br />

Kläranlagen eingeweiht<br />

Für die Ortsteile Bonsbeuern und Krinkhof (Gemeinde<br />

Hontheim) wurden Klein-Kläranlagen<br />

eingeweiht.<br />

Mundart-Abend in Kröv<br />

Verschiedene Autoren aus den Moselorten trafen<br />

sich in Kröv zu einem Mundart-Abend, an<br />

dem auch das Buch »Winzajoa« (Das Jahr des<br />

Winzers in moselfränkischer Mundart) von Gudrun<br />

Hüls-Beth vorgestellt wurde.<br />

November 1998<br />

Besondere Ehrung für besondere<br />

Verantwortung<br />

Erstmals bekamen in der Verbandsgemeinde<br />

Kröv-Bausendorf verdiente Wehrleiter und<br />

Wehrführer sowie deren Stellvertreter Auszeichnungen<br />

für eine 10-, 15-, 20- und 25-jährige<br />

Tätigkeit durch Bürgermeister Otto Maria<br />

Bastgen verliehen. Für 25-jährige Wehrführertätigkeit<br />

erhielten Johann Hermann, Hetzhof,<br />

für 20-jährige Wehrführertätigkeit Klaus Zimmer,<br />

Manfred Condne sowie Wehrleiter Helmut<br />

Röhl Ehrungen.<br />

28<br />

Priesterjubiläum<br />

Pater Norbert Stahlhofen feierte das Jubiläum<br />

der 70-jährigen Profess.<br />

Neuer Pfarrer<br />

Als neuer Pfarrer für Laufeld, Greimerath (dazu<br />

gehören die Gemeinden Diefenbach und Willwerscheid)<br />

wurde Ulrich Schäfer eingeführt.<br />

Vinorell-Malerei<br />

Der einheimische Maler Heinz Ames, Kinheim,<br />

stellte seine mit Wein gemalten Bilder in der<br />

Kreisverwaltung in <strong>Wittlich</strong> aus.<br />

Neuer Dorfbrunnen für Kövenig<br />

Im Rahmen der Dorferneuerung weihte die Gemeinde<br />

Kövenig ihren neuen Dorfbrunnen ein.<br />

Das Brunnen-Relief zeigt die Spötterei-Szene<br />

zwischen den »Köveniger Kuckucken« und den<br />

»Kröver Eseln«.<br />

Schlauchwagen wechselte Besitzer<br />

Der Schlauchwagen der Freiwilligen Feuerwehr<br />

Kinheim wurde der Freiwilligen Feuerwehr Reil<br />

übergeben.<br />

Dezember 1998<br />

Buchvorstellung »Geschichte des Kröver<br />

Reiches«<br />

In der Ratsherrenstube Kröv stellte Prof. Dr. Erwin<br />

Schaaf, Kinderbeuern, sein Buch »Geschichte<br />

des Kröver Reiches« vor. In einer Fei-<br />

Vorstellung der<br />

Chronik »Geschichte<br />

des Kröver Reiches«<br />

v. l. n. r.: Prof. Dr. Helmut<br />

Mathy,<br />

Richard Johnen,<br />

Prof. Dr. Erwin Schaaf,<br />

Bürgermeister<br />

Otto-Maria Bastgen


erstunde würdigte Bürgermeister Otto-Maria<br />

Bastgen die Verdienste des Autors. Er hob hervor,<br />

dass dieses Werk nicht nur die Geschichte<br />

der Gemeinde Kröv beschreibt, sondern auch<br />

die der Gemeinden Bengel, Erden, Kinderbeuern-Hetzhof,<br />

Kinheim, Kövenig und Reil.<br />

Klassifizierung der Beherbergungsbetriebe<br />

Die Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf führte<br />

mit finanzieller Unterstützung der Arbeitsverwaltung<br />

die Klassifizierung der Beherbergungsbetriebe<br />

durch.<br />

Theateraufführung<br />

Zu jahrzehntelanger Tradition setzte der Theaterverein<br />

Reil in diesem Jahre den Schwank<br />

»De Gesundhäät« in Szene.<br />

Januar 1999<br />

1. AH-Fußballturnier<br />

Das 1. AH-Turnier der Verbandsgemeinde<br />

Kröv-Bausendorf gewann die AH-Mannschaft<br />

des TuS Kröv.<br />

Flutlicht erhellt Kinheim-Kindeler<br />

Sportplatz<br />

Eine neue Flutlichtanlage sorgt auf dem Sportplatz<br />

Kinheim-Kindel für längere Abendsportzeiten.<br />

Februar 1999<br />

Kröver Schützen bauten<br />

Nach zweimonatiger Bauzeit wurde der Pistolenstand<br />

der Kröver Schützenbruderschaft fertig<br />

gestellt.<br />

Pfarrkirche Kröv erstrahlt in neuem Glanz<br />

Die Renovierung der Pfarrkirche St. Remigius<br />

Kröv wurde nach einjähriger Bauzeit abgeschlossen.<br />

März 1999<br />

Verdienstmedaille des Landes<br />

Jürgen Eltges, Diefenbach, bekam als Auszeichnung<br />

die Verdienstmedaille des Landes<br />

Rheinland-Pfalz.<br />

Verleihung der Verdienstmedaille: v. l. n. r.: Kreisbeigeordneter Siegfried Schneider, Ehepaar Eltges,<br />

Bürgermeister Otto-Maria Bastgen, Regierungsvizepräsident Theodor München<br />

29


Abriss<br />

Nach zweijähriger Planungs- und Vorbereitungsphase<br />

wurden das ehemalige Jugendheim<br />

und der alte Kindergarten Kröv abgerissen.<br />

An ihre Stelle soll das neue Seniorenheim<br />

St. Josef errichtet werden.<br />

April 1999<br />

Partnerschaft Harelbeke - Kinheim<br />

Eine Abordnung der Partnerstadt Harelbeke/<br />

Belgien besuchte Kinheim.<br />

Kreuzweg<br />

Der Theaterverein Reil ließ die steinernen Reliefs<br />

des alten Kreuzweges Reil restaurieren.<br />

Mai 1999<br />

Kinderspielplatz eingeweiht<br />

Der Kinderspielplatz in Flußbach wurde auf den<br />

Namen »Schlawiner-Platz« getauft. 40 freiwillige<br />

Helfer hatten ihn vollständig in Eigenleistung<br />

gebaut.<br />

Gemeinsamer Saalbau von Orts- und<br />

Kirchengemeinde Kinheim<br />

Nach einjähriger Bauzeit wurde der neue Saal<br />

des Pfarrheimes Kinheim seiner Bestimmung<br />

übergeben. Da dieses Projekt über den Eigenbedarf<br />

für kirchliche Zwecke hinausgeht, wur-<br />

Das um einem Saal erweiterte Kinheimer Pfarrheim<br />

30<br />

de es zusammen mit der Ortsgemeinde unter<br />

der Federführung der Kirchengemeinde gebaut.<br />

V. l. n. r.: Wehrführer Horst-Leo Trossen, Architekt<br />

Werner Simon und Bürgermeister Otto-Maria<br />

Bastgen bei der symbolischen Schlüsselübergabe<br />

für das neue Feuerwehrgerätehaus<br />

Neues Feuerwehrgerätehaus<br />

Im Rahmen einer offiziellen Einweihungsfeier<br />

konnte Bürgermeister Otto-Maria Bastgen das<br />

neue Feuerwehrhaus Kinheim der Freiwilligen


Feuerwehr Kinheim übergeben. Die Freiwillige<br />

Feuerwehr Kinheim unterstützte das Projekt<br />

mit 1 500 Arbeitsstunden in ehrenamtlicher<br />

Tätigkeit.<br />

Oldtimer-Treffen<br />

Zum 7. Oldtimer-Treffen hatte der Musikverein<br />

Kinheim eingeladen.<br />

Mitternachtslauf<br />

Der 15. Mitternachtslauf lockte über 1 600 Läufer<br />

nach Kröv.<br />

Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz<br />

Mit der Ehrennadel des Landes Rheinland-<br />

Pfalz erhielt Ortsbürgermeister Reinhard Burg<br />

aus Reil eine Auszeichnung für seine kommunalpolitischen<br />

Verdienste.<br />

Juni 1999<br />

Ölmühle Springiersbach<br />

Die Bauarbeiten an der ehemaligen Ölmühle in<br />

Springiersbach begannen.<br />

Fährbetrieb<br />

Zwischen Kövenig und Enkirch wurde nach Inbetriebnahme<br />

einer neuen Fähre der Fährverkehr<br />

wieder aufgenommen.<br />

Stichwahl<br />

Zwischen den Bewerbern des Ortsbürgermeisteramtes<br />

in Kröv, Elmar Trossen und Ernst Josef<br />

Römer, kam es nach den Kommunalwahlen<br />

zu einer Stichwahl. Der bisherige Ortsbürgermeister<br />

gewann sie mit zwei Stimmen Mehrheit.<br />

Juli 1999<br />

Dreharbeiten für Fernsehfilm in Reil<br />

Ein Fernseh-Team produzierte in Reil den<br />

Spielfilm »Halt mich fest«.<br />

Trachtentreffen der Mosel in Kröv<br />

Kröv feierte sein »46. Internationales Trachtentreffen<br />

der Mosel«.<br />

Verleihung der<br />

Ehrennadel;<br />

v. l. n. r. im Vordergrund:<br />

Bürgermeister<br />

Otto Maria Bastgen,<br />

Reinhard Burg,<br />

Landrätin<br />

Beate Läsch-Weber<br />

Open-Air auf der schwimmenden<br />

Moselbühne<br />

Unter dem Motto »Zauber einer Sommernacht«<br />

gastierte das Jugendsinfonieorchester der Mosel-Festwochen-Orchesterakademie<br />

unter der<br />

Leitung von Dirk Kaftan auf der schwimmenden<br />

Moselbühne. Vor 1 100 begeisterten Zuhörern<br />

boten die meist jugendlichen Musiker<br />

Klassik vom Feinsten. Das Konzert schloss mit<br />

einem gelungenen Feuerwerk.<br />

31


Karneval im Sommer<br />

Sein 11-jähriges Jubiläum feierte der Karnevalsverein<br />

»Maanischder Schauten« am 11./12.<br />

Juli 1998. Gezielt war das Jubiläumsfest in den<br />

Sommer gelegt worden, damit alle Karnevalsjecken<br />

beim Umzug durch die Stadt einmal<br />

nicht zu frieren brauchten.<br />

70. Geburtstag des Musikvereins Meerfeld<br />

Mit einem großen Fest beging der Verein im<br />

August den Jubeltag. Höhepunkt der Feierlichkeiten<br />

waren die zahlreichen Ehrungen der verdienten<br />

Musikerinnen und Musiker. Besonderer<br />

Dank ging an den Dirigenten, Hans Hooghoff,<br />

der den Verein bereits seit 27 Jahren musikalisch<br />

begleitet.<br />

Minister Brüderle besichtigte auf seiner<br />

»Bäder-Reise« die jüngste Kurstadt<br />

Der rheinland-pfälzische Minister für Wirtschaft,<br />

Verkehr, Weinbau und Landwirtschaft,<br />

Rainer Brüderle, besuchte Anfang August 1998<br />

Manderscheid. Vor Ort informierte er sich über<br />

das Städtebauförderungsprogramm sowie<br />

über die Straßenbaumaßnahmen.<br />

Nach der Besichtigung und Erläuterung des<br />

Maarmuseums fuhr Minister Brüderle weiter<br />

nach Himmerod, begutachtete auch hier die<br />

geleisteten Arbeiten im Innenbereich der Klosteranlage<br />

und besichtigte die im Bau befindliche<br />

»Alte Mühle«.<br />

Neuer Proberaum eingeweiht<br />

Unter großer Beteiligung der Dorfbevölkerung<br />

wurde der neu gestaltete Proberaum des Musikvereins<br />

Eckfeld feierlich eingesegnet und in<br />

Betrieb genommen.<br />

Einweihung der Internationalen Begegnungsstätte<br />

»Alte Mühle« Abtei Himmerod<br />

– Eröffnung der Straße der Zisterzienser –<br />

Mit der Eröffnung der »Straße der Zisterzienser«<br />

am 14. August 1998 anlässlich des Jubiläums<br />

900 Jahre Zisterzienser (1098-1998)<br />

und der Anbringung der Logo-Tafel am Pfortengebäude<br />

des Klosters wurde die Initiative<br />

des Europarates erstmals auch in Rheinland-<br />

32<br />

Chronik der Verbandsgemeinde Manderscheid<br />

1998/1999<br />

Pfalz aufgegriffen und realisiert. Die Zisterzienserstraßen<br />

sind Beleg für ein frühes europäisches<br />

Kulturerbe und Teil der »monastischen<br />

Straßen«, die heutigen »Glaubensstraßen«.<br />

Sie sind unverzichtbar für das neue<br />

europäische Integrationswerk.<br />

Allen, die seit 1993 an der Verwirklichung des<br />

Projektes »Alte Mühle« mitgewirkt hatten,<br />

dankte Bürgermeister Walter Densborn in seiner<br />

Ansprache. Nach der Einweihung des<br />

Mühlengebäudes wurden das Museum und die<br />

Internationale Begegnungsstätte der Öffentlichkeit<br />

freigegeben.<br />

Die Feierlichkeiten setzten sich in der Himmeroder<br />

Woche mit Himmeroder Markt (organisiert<br />

durch die Landfrauen der Verbandsgemeinde,<br />

die übrigens ihren Gewinn von 7 000<br />

DM der Einrichtung spendeten), Novalis-Abend<br />

mit Michael Knopp, Klavierkonzert mit Martin<br />

Stadtfeld und Vortrag des Gemeinschaftschores<br />

der Verbandsgemeinde fort.<br />

900 Jahre Gipperath<br />

Vom 21. bis 23. August 1998 feierte die Gemeinde<br />

Gipperath ihren 900sten Geburtstag.<br />

Im Jahre 1098 bestätigte Kaiser Heinrich III. auf<br />

Bitte des Erzbischofs Egilbert von Trier dem Simeonstift<br />

in Trier Besitzungen in Gipperath,<br />

das damals Gevenrothe genannt wurde.<br />

Tag der offenen Tür<br />

Die »Biologisch-Ökologische Station Mosenberg/Bettenfeld«<br />

des Instituts für Biologie der<br />

Universität Koblenz-Landau stellte sich Anfang<br />

September 1998 der Öffentlichkeit vor. Neben<br />

der Besichtigung der Station wurden auch das<br />

Stationsboot »Navicula« und die Arbeit am<br />

Meerfelder Maar erklärt.<br />

Festumzug durch die junge Stadt<br />

Das diesjährige Burgenfest wurde mit einem<br />

historischen Umzug am Abend vor seiner Eröffnung<br />

eingeleitet, an dem die Düsseldorfer Lehensritter<br />

sowie viele einheimische Gruppierungen<br />

und Künstler teilnahmen. So feierte<br />

Manderscheid mit seiner Stadtbevölkerung<br />

nochmals die Verleihung der Stadtrechte.


Der vom Dauner Café Schuler gestiftete Festkuchen wurde beim Festumzug zugunsten des Maarmuseums<br />

verkauft.<br />

Landwirtschaftskammer vergibt höchste<br />

Auszeichnung<br />

Der Unternehmer Ernst-Josef Meeth wurde<br />

durch Ökonomierat Günther Schartz, Landwirtschaftskammer<br />

Rheinland-Pfalz, geehrt. Er erhielt<br />

diese Auszeichnung für die patentierte<br />

Herstellung von Fensterprofilen aus Pflanzenfasern<br />

von Stroh und Chinagras (Miscanthus)<br />

sowie Recyclingmaterial.<br />

Ökonomierat Günther Schartz ehrt den<br />

Unternehmer Ernst-Josef Meeth<br />

33


Einweihung der Kläranlagen Schladt und<br />

Scheidweiler<br />

Die beiden letzten Kläranlagen in der Verbandsgemeinde<br />

Manderscheid wurden am 11.<br />

September 1998 offiziell ihrer Bestimmung<br />

übergeben.<br />

Bundesverdienstkreuz verliehen<br />

Karl-Heinz Lehmann aus Manderscheid erhielt<br />

im Oktober 1998 die Auszeichnung mit dem<br />

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland<br />

für sein ehrenamtliches Engagement in<br />

verschiedenen Funktionen der Jägerschaft.<br />

Gründungsversammlung<br />

Im November gründete sich in Laufeld der Verein<br />

»Naturlehrpfad Laufeld e. V.« mit der Aufgabenstellung:<br />

Pflege und Wartung des bestehenden<br />

Naturlehrpfades, Erweiterung und Ausbau<br />

zu einem Erlebnispfad sowie Förderung<br />

der Ferienregion Vulkaneifel.<br />

St.-Rochus-Kapelle in Hasborn<br />

Als Kultur- und Begegnungsstätte wurde die<br />

renovierte St.-Rochus-Kapelle feierlich eingeweiht.<br />

Sie soll neben der Alten Mühle Himmerod<br />

als weiterer Veranstaltungsort des »Himmeroder<br />

Forums« genutzt werden und stellt ei-<br />

34<br />

ne wesentliche Bereicherung des kulturellen<br />

und geistigen Lebens in der Verbandsgemeinde<br />

Manderscheid dar.<br />

Gruppenkläranlage Scheidweiler<br />

Alterskameradschaft besteht 10 Jahre<br />

Die Alterskameradschaft der Freiwilligen Feuerwehren<br />

der Verbandsgemeinde Manderscheid<br />

feierte ihr 10-jähriges Bestehen im Rahmen<br />

einer Festveranstaltung.<br />

ACM hilft kranken Kindern<br />

Den Erlös aus dem Glühweinstand des Manderscheider<br />

Adventsmarktes stiftete der Automobilclub<br />

Manderscheid in Zusammenarbeit<br />

mit der Familie Gusovius dem Förderverein<br />

»Villa Kunterbunt« Trier.<br />

»Der Eifelheinrich«...<br />

...so lautete der Titel einer Veranstaltung im Januar<br />

1999, in der die Arbeit von Heinrich-Josef<br />

Thielen, Bürgermeister des Amtes Manderscheid<br />

(1832-1898), in Momentaufnahmen,<br />

Skizzen und Bildern gewürdigt wurde. Erarbeitet<br />

wurde der Vortrag durch das Heimatmuseum<br />

Manderscheid.


Theatergruppe Ober-/Niederscheidweiler<br />

Bis in die 50er Jahre wurde in den beiden Dörfern<br />

Ober-/Niederscheidweiler Theater gespielt.<br />

In diesem Jahr wurde die Tradition mit<br />

Aufführungen im Bürgersaal von Niederscheidweiler<br />

wiederbelebt.<br />

In Pantenburg ging der Kampf ums Erbe<br />

weiter<br />

Das Panten-Burg-Theater inszenierte die Fortsetzung<br />

der hochgiftigen Komödie aus der Vulkaneifel.<br />

Neue Computer für die Hauptschule<br />

Manderscheid<br />

Sechs neue Multimedia PC und drei Drucker<br />

erhielt die Hauptschule für die informationstechnische<br />

Grundbildung der Schüler. Mit dieser<br />

Aufrüstung besitzt sie wieder eine moderne<br />

und leistungsfähige Anlage, die den Weiterentwicklungen<br />

der Software gerecht wird.<br />

Der Musikverein Laufeld...<br />

...veranstaltete ein Benefizkonzert und konnte<br />

die stolze Summe von 2 000 DM an den »Verein<br />

zur Förderung der Schule G« überreichen.<br />

1. Seniorentag der Verbandsgemeinde<br />

Die Vereinten Nationen hatten das Jahr 1999<br />

zum Internationalen Jahr der »Älteren Menschen«<br />

erklärt. Aus diesem Anlass veranstaltete<br />

die Verbandsgemeinde Manderscheid am 29.<br />

Mai 1999 den 1. Seniorentag mit einem Busausflug.<br />

Die Bewohner links der Lieser besuch-<br />

Das Original-<br />

Urpferdchen<br />

hat seinen Platz<br />

im Maarmuseum<br />

gefunden<br />

ten die Ortschaften rechts vom »Fluss« und umgekehrt.<br />

In Himmerod wurden das Kloster<br />

sowie die »Alte Mühle« besichtigt und Mittagsrast<br />

gehalten. Kaffee und Kuchen erwarteten<br />

die Senioren in der Turnhalle Großlittgen.<br />

Neue Grillhütte<br />

In Eisenschmitt wurde im Mai 1999 mit der Bevölkerung<br />

eine wunderschöne neue Grillhütte<br />

eingeweiht.<br />

25-jähriges Jubiläum<br />

1999 feierten die Kindergärten Großlittgen,<br />

Meerfeld und Greimerath 25-jähriges Bestehen.<br />

Für die Zukunft gut (aus)gerüstet<br />

Die Freiwillige Feuerwehr Bettenfeld weihte<br />

das neue Feuerwehrhaus ein und übernahm<br />

das Tragkraftspritzenfahrzeug-Wasser in seinen<br />

Bestand.<br />

Maarmuseum Manderscheid<br />

Den »Augen der Eifel« ist in Manderscheid ein<br />

eigenes Museum gewidmet. Wirtschaftsminister<br />

Hans-Artur Bauckhage zeigte sich bei der<br />

Eröffnung am 7. Juni 1999 beeindruckt von der<br />

gelungenen Gestaltung des Museums, das seinen<br />

Besuchern unter Einsatz modernster Technik<br />

die große natürliche Vielfalt und Bedeutung<br />

der Eifel-Maare vor Augen führt. Besonders attraktiv<br />

sind dabei die ausgestellten Fossilien<br />

des 45 Millionen Jahre alten Eckfelder<br />

Trockenmaares.<br />

35


900-Jahr-Feier in Morbach-Weiperath<br />

Pünktlich zur 900-Jahr-Feier von Weiperath<br />

vom 10.-13. Juli 1998 erschien die Chronik des<br />

Ortsbezirks, verfasst von Alois Schommer,<br />

Weiperath. Zur 900-Jahr-Feier bauten Weiperather<br />

Bürger das traditionelle Hammerwerk<br />

nach. Diese und viele weitere Attraktionen zogen<br />

zahlreiche Besucher nach Weiperath.<br />

Feuerwehrgerätehaus in<br />

Morbach-Hinzerath<br />

In Hinzerath wurde am 5. September 1998 das<br />

zum Feuerwehrgerätehaus umgebaute ehemalige<br />

Raiffeisenlager seiner Bestimmung übergeben.<br />

Polizeiinspektion Morbach umgezogen<br />

Die Polizeiinspektion Morbach bezog Mitte<br />

September ihr neues Dienstgebäude in der<br />

36<br />

Chronik der Gemeinde Morbach 1998/1999<br />

Hammerwerk in Morbach-Weiperath<br />

ehemaligen Straßenmeisterei Morbach und beendete<br />

damit ihre räumliche Notsituation im<br />

Rathaus.<br />

Freiwillige Feuerwehr,<br />

Löschgruppe Morbach-Hundheim<br />

Die Freiwillige Feuerwehr Morbach, Löschgruppe<br />

Hundheim, feierte am 4. Oktober 1998<br />

ihr 75-jähriges Bestehen.<br />

Ministerpräsident Kurt Beck besuchte<br />

Morbach<br />

Ministerpräsident Kurt Beck informierte sich im<br />

Rahmen seines Besuches des <strong>Landkreis</strong>es<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> am 30. Oktober 1998<br />

vor Ort über das Projekt Gewerbepark Hunsrück-Mosel<br />

(HuMos) und die Ansiedlung<br />

des ersten Großinvestors, die Firma Papier-<br />

Mettler.


Die Herren Mettler sen. und jun. erläutern Ministerpräsident<br />

Kurt Beck das Modell der Firmenansiedlung<br />

im Gewerbepark HuMos.<br />

75 Jahre MGV »Liederkranz« Morbach-<br />

Gonzerath<br />

Der Männergesangverein »Liederkranz« Gonzerath<br />

feierte am 7. November 1998 sein 75jähriges<br />

Bestehen.<br />

Feierliche Übergabe<br />

des Polizeidienstgebäudes<br />

Innenminister Zuber übergab am 16. November<br />

1998 in einer Feierstunde das Polizeidienstgebäude<br />

an die Polizeiinspektion Morbach.<br />

Innenminister Walter Zuber überreicht symbolisch<br />

den Schlüssel für das neue Polizeidienstgebäude.<br />

Kreisjugendmusiktag<br />

Am 12. und 13. Dezember 1998 fand im Ortsbezirk<br />

Morscheid-Riedenburg der Kreisjugendmusiktag<br />

statt.<br />

Erwerb des Morbacher Kindergartens<br />

Am 22. Dezember 1998 wurde der Kaufvertrag<br />

zwischen der katholischen Kirchengemeinde<br />

Morbach und der Gemeinde Morbach über den<br />

Erwerb des Morbacher Kindergartens abgeschlossen.<br />

Die Gemeinde Morbach übernahm<br />

ab dem 1. Januar 1999 die Trägerschaft und<br />

das Personal.<br />

Älteste Bürgerin der Gemeinde Morbach<br />

wurde 100 Jahre alt<br />

Am 31. Januar 1999 vollendete die älteste Bürgerin<br />

der Gemeinde Morbach, Maria Petry aus<br />

Haag, ihr 100. Lebensjahr.<br />

Verwaltungsmodernisierung in der<br />

Gemeindeverwaltung Morbach<br />

Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung und<br />

-umstrukturierung wurden bei der Gemeindeverwaltung<br />

die bisherigen sechs Abteilungen auf<br />

vier reduziert und ein Bürgerbüro eingerichtet.<br />

Einführung eines Dienstleistungstages bei<br />

der Gemeindeverwaltung Morbach<br />

Auf Wunsch von 39,67 % der Bürger, die sich<br />

an der Bürgerbefragung zur Arbeit der Gemeindeverwaltung<br />

Morbach beteiligt hatten, wurde<br />

zum 1. März 1999 donnerstags ein Dienstleistungstag<br />

eingeführt, an dem die Gemeindeverwaltung<br />

von 7.30 Uhr durchgehend bis<br />

17.30 Uhr geöffnet ist.<br />

Aus für Firma Holz-Mettler, Morbach-Hinzerath<br />

Die Firma Holz-Mettler, Morbach-Hinzerath,<br />

musste das Insolvenzverfahren beantragen.<br />

Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, einen<br />

Investor für eine Betriebsübernahme zu finden.<br />

MdB Jakob Mierscheid, der Phantomabgeordnete,<br />

schied aus dem Bundestag aus<br />

In Mainz fand am 11. März 1999 eine Pressekonferenz<br />

unter Teilnahme von namhaften Persönlichkeiten<br />

wie Ministerpräsident Kurt Beck<br />

und Landrätin Beate Läsch-Weber statt, in der<br />

nur ungern zur Kenntnis genommen wurde,<br />

dass Jakob Mierscheid beabsichtigte, aus dem<br />

Bundestag auszuscheiden.<br />

37


Jugendparlament Morbach<br />

Am 12. März 1999 wurde das Jugendparlament<br />

der Gemeinde Morbach neu gewählt.<br />

Zwei Ortsvorsteher 25 Jahre im Amt<br />

Ortsvorsteher Norbert Schemer, Haag, konnte<br />

am 16. April 1999 und Ortsvorsteher Valentin<br />

Schuh, Morscheid-Riedenburg, am 17. April<br />

1999 auf eine 25-jährige Ortsvorsteher-Tätigkeit<br />

zurückblicken.<br />

Studentenwettbewerb Vicus Belginum<br />

Studenten des Fachbereichs Architektur der<br />

Fachhochschule Trier entwickelten unter der<br />

Leitung von Professor Frowein im Rahmen eines<br />

Studentenwettbewerbs nach einer von der<br />

Gemeindeverwaltung Morbach erstellten Projektbeschreibung<br />

ein Bausystem und eine<br />

Baustruktur für das geplante Besucherzentrum<br />

im Bereich der archäologischen Grabungsstätte<br />

Vicus Belginum. Am 23. und 24. April 1999<br />

tagte die Bewertungskommission und vergab<br />

die Preise. Den ersten Preis, dotiert mit 5 000<br />

DM, erhielten die Studenten Jens Karlberger<br />

und Peter Merten.<br />

50 Jahre Gewerbe- und Verkehrsverein<br />

Morbach<br />

Sein 50-jähriges Bestehen feierte der Gewerbe-<br />

und Verkehrsverein Morbach in einer Feierstunde<br />

am 24. April 1999.<br />

Bürgermeister Gregor Eibes mit den Jubilaren Valentin Schuh (Mitte) und Norbert Schemer (rechts)<br />

38<br />

Ölmühle in Morbach<br />

Die alte Ölmühle in Morbach konnte am 7. Mai<br />

1999 nach der Renovierung des Mahlwerkes<br />

und dem Neubau des Wasserrades wieder in<br />

Betrieb genommen werden.<br />

Heiligenhäuschen in Morscheid-Riedenburg<br />

Am 16. Mai 1999 wurde das ausschließlich in<br />

Eigenleistung neu errichtete Heiligenhäuschen<br />

in Riedenburg eingesegnet.


Waldlehrhütte in Morbach<br />

Die neu errichtete Waldlehrhütte im Ortelsbruch<br />

in Morbach wurde am 22. Mai 1999 eingeweiht.<br />

Die Hütte ist Informationsstätte und<br />

»grünes Klassenzimmer«, aber auch multikulturell<br />

nutzbar.<br />

Landeswettbewerb<br />

»Unser Dorf soll schöner werden«<br />

An dem Wettbewerb nahmen aus der Gemeinde<br />

Morbach die Ortsbezirke Haag und Weiperath<br />

teil. Weiperath erreichte den 3. Platz und<br />

Haag den 4. Platz auf Kreisebene.<br />

Amtierender Ortsvorsteher Theo Pink,<br />

Morbach-Elzerath, feierte mit seiner<br />

Ehefrau goldene Hochzeit<br />

Selbst im Kreisgebiet kommt es nicht alle Tage<br />

vor, dass ein amtierender Ortsvorsteher bzw.<br />

Ortsbürgermeister goldene Hochzeit feiert. Die<br />

Eheleute Theo und Gisela Pink, Morbach-Elzerath,<br />

begingen am 28. Mai 1999 dieses seltene<br />

Fest.<br />

Dorffest in Morbach-Wolzburg<br />

Am 29. Mai 1999 wurden mit einem Dorffest in<br />

Wolzburg die neu ausgebaute Straße »Zum Soden«,<br />

der Dorfbrunnen und das Heiligenhäuschen<br />

feierlich eingeweiht.<br />

Kindergarten Morbach-Merscheid<br />

Der Kindergarten Merscheid beging mit einem<br />

Kindergartenfest am 30. Mai 1999 sein 20jähriges<br />

Bestehen.<br />

Einweihung der Schackberghalle mit<br />

Feuerwehrhaus in Morbach-Gonzerath<br />

Anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Freiwilligen<br />

Feuerwehr Gonzerath, des Gemeindefeuerwehrfestes<br />

und des Kreisfeuerwehrmusiktages<br />

fand im Rahmen der Festtage vom 4.<br />

bis 6. Juni 1999 die feierliche Einweihung der<br />

neuen Schackberghalle mit Feuerwehrhaus in<br />

Gonzerath statt. Gleichzeitig wurde Gerhard<br />

Römer, Wehrleiter der Gemeinde Morbach, der<br />

dieses Amt 13 Jahre innehatte, verabschiedet<br />

sowie zahlreiche Feuerwehrmänner mit dem<br />

silbernen und goldenen Feuerwehrehrenzeichen<br />

ausgezeichnet und Beförderungen und<br />

Verpflichtungen vorgenommen.<br />

Kommunalwahl<br />

Bei der Kommunalwahl am 13. Juni 1999 bestimmten<br />

die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde<br />

Morbach erstmals seit Bestehen der<br />

Einheitsgemeinde Morbach die Ortsvorsteher<br />

und Ortsbeiräte in direkter Wahl.<br />

Turnverein Morbach 1909 e. V.<br />

Der Turnverein Morbach 1909 e. V. beging in<br />

einer Festwoche vom 18. bis 27. Juni 1999 sein<br />

90-jähriges Bestehen.<br />

Andreas Maurer ist Europameister<br />

Bei den Balintawak-Europameisterschaften in<br />

Irland wurde Andreas Maurer, Morbach, Europameister<br />

im Leichtgewicht.<br />

Feierliche<br />

Einweihung<br />

der Schackberghalle<br />

in<br />

Gonzerath<br />

39


40<br />

Chronik der Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron<br />

1998/1999<br />

Einweihung des »Römischen Rundweges« in Neumagen-Dhron


»Römischer Rundweg« in<br />

Neumagen-Dhron<br />

Seit August 1998 führt ein »Römischer Rundweg«<br />

durch den historischen Ortskern von<br />

Neumagen-Dhron, vorbei an den Repliken der<br />

berühmten »Neumagener Denkmäler«. 17<br />

Schautafeln informieren über Dimension, Lage<br />

und Ansicht des ehemaligen Römerkastells,<br />

das Kaiser Konstantin in der ersten Hälfte des<br />

vierten Jahrhunderts n. Chr. an dieser Stelle errichten<br />

ließ. Der Verlauf der moselseitigen<br />

Kastellmauer wurde durch Pflasterung nachgezeichnet,<br />

die Mauern einer Turmruine konserviert.<br />

Dokumentiert wird die Entdeckung der Denkmäler<br />

und die Zugehörigkeit von Denkmalfunden<br />

zu einzelnen Grabmonumenten, die in den<br />

Fundamenten des Kastells verbaut waren.<br />

Bei der Einweihung des »Römischen Rundweges«<br />

hielten der Oberkustos des Rheinischen<br />

Landesmuseums Trier, Dr. Karl-Josef<br />

Gilles, der Verein für experimentelle Archäolo-<br />

gie »Milites Bedensis« sowie zahlreiche Bürger<br />

aus Neumagen-Dhron, gekleidet in römischen<br />

Gewändern und Uniformen, Hof.<br />

Weinförderpreis an Rainer Brüderle<br />

Alle zwei Jahre stiftet der Ȁlteste Weinort<br />

Deutschlands«, Neumagen-Dhron, »einen<br />

Weinberg auf Zeit« als Weinförderpreis an Persönlichkeiten,<br />

die sich besondere Verdienste<br />

um den Wein erwarben. Dazu zählen alle mit<br />

Wein verbundenen Beiträge und Leistungen<br />

zur Völkerverständigung, Literatur, Zeitgeschichte,<br />

Forschung, Kunst, Unterhaltung sowie<br />

innovative Ideen zur Imagewerbung, Weinvermarktung<br />

und Weinbau. Im August 1998<br />

wurde der ehemalige rheinland-pfälzische Minister<br />

für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft<br />

und Weinbau, Rainer Brüderle, zum neuen<br />

Preisträger bestimmt. Unter seiner Regie seien<br />

mit vielen imagefördernden Aktionen neue Wege<br />

der Weinvermarktung beschritten worden,<br />

begründete die Jury ihre Entscheidung.<br />

Verleihung des Weinförderpreises 1998; in der Bildmitte Rainer Brüderle umrahmt von Weinköniginnen<br />

41


Jachthafen eingeweiht<br />

Nach einjähriger Bauzeit wurde am 3. Oktober<br />

1998 der neue Jachthafen in Neumagen-Dhron<br />

offiziell eingeweiht.<br />

Der Jachthafen verfügt über 80 Liegeplätze, die<br />

alle mit Wasser- und Stromanschluss ausgestattet<br />

sind. Ein hochmodernes Zweikreis-<br />

Wassersystem sorgt dafür, dass Trink- und<br />

Waschwasser getrennt abgeführt werden.<br />

Landrätin Beate Läsch-Weber, die neben zahlreichen<br />

Behördenvertretern an der Einweihung<br />

teilnahm, lobte die Leistung und Risikobereitschaft<br />

des Investors Robert Mattern aus dem<br />

pfälzischen Großdorf Haßloch.<br />

Ortsbürgermeister Willi Herres und Bürgermeister<br />

Ferdinand Zenzen sprachen sich anerkennend<br />

über die partnerschaftliche und positive<br />

Zusammenarbeit mit dem Investor aus. Sie sehen<br />

in dem Projekt eine Bereicherung der touristischen<br />

Infrastruktur für die Ortsgemeinde<br />

Neumagen-Dhron und die gesamte Verbandsgemeinde.<br />

Viele Einwohner und Gäste feierten das erste<br />

Hafenfest begeistert mit.<br />

Eine Neumagen-Dhroner Schulklasse pflanzt mit<br />

den Revierförstern Obstbäume<br />

42<br />

Umwelttag der Verbandsgemeinde<br />

Neumagen-Dhron<br />

Im März fanden wiederum Umwelttage in der<br />

Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron statt.<br />

Schülerinnen und Schüler der Grundschulen<br />

Neumagen-Dhron, Piesport und Trittenheim<br />

pflanzten mit den Revierförstern Obstbäume<br />

unter dem Motto »Streuobstwiese«.<br />

Die Dhrontalsperre und das Dhronkraftwerk<br />

Leiwen wurden zwei Klassen der Ausonius-<br />

Hauptschule Neumagen-Dhron und einer Klasse<br />

der Realschule Neumagen-Dhron von Vertretern<br />

des RWE vorgestellt. Ihr Vortrag fand<br />

großes Interesse bei den Schülerinnen und<br />

Schülern. Die Umwelttage werden schon seit<br />

10 Jahren veranstaltet.<br />

Flurbereinigung Dhron<br />

Im Rahmen der Dorfflurbereinigung Dhron wurde<br />

im April eine Fußgängerbrücke über die<br />

Dhron zwischen den Straßen »In Folz« und<br />

»Metschert« errichtet. Das Bauwerk, eine Holzkonstruktion<br />

von insgesamt 26 m Länge, passt<br />

sich gut in die nähere Umgebung ein. Die Gesamtkosten<br />

für die Errichtung der Fußgängerbrücke<br />

betrugen rund 100 000 DM. Die Maßnahme<br />

wurde mit 50 000 DM Fördermitteln der


Flurbereinigung und einem Zuschuss aus dem<br />

Dorferneuerungsprogramm Rheinland-Pfalz in<br />

Höhe von 32 500 DM finanziert. Der Eigenanteil<br />

der Ortsgemeinde Neumagen-Dhron lag bei<br />

17 500 DM. Die Fußgängerbrücke dient der Erschließung<br />

der Dhronaue für Einheimische und<br />

Urlaubsgäste.<br />

Musik-Jubiläum<br />

Ihr 20-jähriges Bestehen feierte am 17. April<br />

1999 in Trittenheim in einer großen Jubiläumsparty<br />

die Tanz- und Stimmungsband »Twenty<br />

up«.<br />

An Ostern 1979 hatten zwölf Musiker ihren ersten<br />

Auftritt und trafen damals mit den »Fahrenden<br />

Musikanten« und James Last’s »Baby<br />

Face« die Herzen der Zuhörer. Es begann eine<br />

Erfolgsstory, die bis heute anhält.<br />

Grundschule Trittenheim<br />

Erfolgreich war das Projekt der Johannes-<br />

Trithemius-Grundschule Trittenheim »Tulpen<br />

für Brot«. Die Schulkinder hatten im November<br />

1998 über 400 Tulpenzwiebeln gepflanzt und<br />

konnten die blühenden Tulpen im April verkaufen.<br />

Der Verkaufserlös von rund 500 DM ging<br />

als Spende an die Welthungerhilfe.<br />

Partnerschaftsbesuch in Frankreich<br />

Am 19. Mai 1979 wurde die Partnerschaft der<br />

Gemeinde Neumagen-Dhron mit der französischen<br />

Partnergemeinde Coulanges-la-Vineuse<br />

offiziell besiegelt.<br />

Das 20-jährige Jubiläum war Anlass zu einem<br />

Besuch der französischen Freunde. Mit Ortsbürgermeister<br />

Willi Herres und Altbürgermeister<br />

Heinz Schuh erfreuten sich über 60 Neumagen-Dhroner<br />

der herzlichen Gastfreundschaft<br />

in der Partnergemeinde in Burgund und<br />

erlebten ein abwechslungsreiches Unterhaltungs-<br />

und Besichtigungsprogramm.<br />

Feuerwehrjubiläum<br />

Die Freiwillige Feuerwehr Dhron besteht seit 75<br />

Jahren. Gründungsdatum war der 16. März<br />

1924.<br />

Am 18. und 19. Juli 1999 wurde das Jubiläumsfest<br />

verbunden mit dem Verbandsgemeinde-<br />

Feuerwehrtag 1999 an der Dhrontalhalle in<br />

Dhron gefeiert, das die Freiwillige Feuerwehr<br />

unter Wehrleiter Thomas Kohl ausrichtete.<br />

Neue Fußgängerbrücke über die Dhron im<br />

Ortsteil Dhron<br />

43


Handwerkermarkt in Thalfang<br />

Auch der 4. Handwerkermarkt in Thalfang, veranstaltet<br />

unter der gemeinsamen Federführung<br />

der Handwerkskammer Trier, der Ortsgemein-<br />

de Thalfang und der Verbandsgemeinde Thalfang<br />

am Erbeskopf, fand bei herrlichem Wetter<br />

regen Anklang und ein interessiertes Publikum.<br />

Ein besonderer Höhepunkt war die Darbietung<br />

der Tanz- und Musikgruppe Kryhachock aus<br />

Minsk in Weißrussland.<br />

Besuch aus Stolin<br />

Von Ende Juli bis Mitte August 1998 verbrachten<br />

95 Kinder einen Kur- und Erholungsurlaub<br />

bei Gastfamilien auf dem Hunsrück und an der<br />

Mosel. Die Tschernobylhilfe Erbeskopf e.V.<br />

hatte zum dritten Male Kinder aus dem Gebiet<br />

Stolin/Weißrussland eingeladen.<br />

Ferienfreizeit – 50 Kinder on tour<br />

Die Erlebnisfreizeit für Kinder der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf fand vom 27.<br />

bis 31. Juli 1998 statt. 50 Kinder zwischen 6<br />

und 14 Jahren verbrachten zusammen mit<br />

ihren Betreuern ein kurzweiliges Veranstaltungsprogramm.<br />

August 1998<br />

Straßenfest in Thalfang<br />

Während des Straßenfestes in Thalfang im August<br />

1998 wurde auch die Preisverleihung im<br />

Rahmen des Wettbewerbs »Vorbildliches<br />

Grün« für den schönsten Garten Thalfangs vorgenommen.<br />

44<br />

Chronik der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />

1998/1999<br />

Buchspende für die Verbandsgemeindebücherei<br />

Staatssekretär a. D. Karl Haeser überreichte eine<br />

großzügige Buchspende im Wert von rund<br />

3 000 DM für die Verbandsgemeindebücherei<br />

Thalfang am Erbeskopf im Haus der Begegnung<br />

in Thalfang.<br />

Familienhotel »Haus Hochwald« umgebaut<br />

Das Familienhotel feierte im August die Fertigstellung<br />

der Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen.<br />

Besonderer Gast der Veranstaltung<br />

war Bundesministerin Claudia Nolte.<br />

100 Jahre MGV Berglicht<br />

Der Männergesangverein 1898 Berglicht richtete<br />

anlässlich seines 100-jährigen Bestehens<br />

die Kirmes aus. Schirmherrin der Veranstaltung<br />

war Landrätin Beate Läsch-Weber.<br />

Ferienregion Hunsrück auf Ausstellung in<br />

Krefeld vertreten<br />

Im Rahmen einer großen Verbraucherschau<br />

der Rheinischen Landesausstellung präsentierte<br />

sich die Ferienregion Hunsrück neben 30<br />

weiteren Ausstellern.<br />

September 1998<br />

Jaques Bistro in Thalfang<br />

Eine vollbesetzte Festhalle in Thalfang begrüßte<br />

Detlef Schönauer als Tourist Jaques. Das<br />

Publikum war begeistert von Schönauers<br />

neuem Programm »Sonne, Sand und Melanome«.


Fotoausstellung Augenblicke<br />

Der Hobbyfotograf Horst Klaus Becker zeigte<br />

in seiner Ausstellung »Augenblicke – Gedanken<br />

festhalten in Bildern auf dem Weltkulturerbe<br />

‚Alte Völklinger Hütte‘« Fotos von dem stillgelegten<br />

Teil der Völklinger Hütte.<br />

Oktober 1998<br />

Hochwälder Kartoffeltage<br />

Der Heimat- und Kulturverein Kreis Trier-Saarburg<br />

und der Fremdenverkehrsverein »Rund<br />

um Thalfang/Hunsrück« e. V. sowie die benachbarten<br />

Fremdenverkehrsgemeinden führten<br />

zum vierten Male die Hochwälder Kartoffeltage<br />

durch. Die rund vierzig gastronomischen<br />

Betriebe aus den Kreisen <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />

Trier-Saarburg und Merzig-Wadern boten deftige<br />

Hausmannskost nach Hochwälder Art,<br />

aber auch verfeinerte Kartoffel-Küche an.<br />

70 Jahre Frauenhilfe der Mark Thalfang<br />

1928 wurde durch Pfarrer Petri die Evangelische<br />

Frauenhilfe der Mark Thalfang gegründet.<br />

Die Jubiläumsfeier fand im evangelischen Gemeindehaus<br />

Thalfang statt.<br />

Heidenburg feierte Kirchenjubiläum<br />

200 Jahre selbstständige Kirchengemeinde St.<br />

Michael Heidenburg feierten die Ortsgemeinde<br />

und die Kirchengemeinde Heidenburg mit einem<br />

großen Fest in der Heidenburghalle.<br />

November 1998<br />

Präsentation des Hunsrückhauses<br />

Das Projekt und der derzeitige Stand der Bauund<br />

Ausbauarbeiten des Hunsrückhauses wurden<br />

vom Generalplaner und den beteiligten<br />

Fachplanungsbüros im Einzelnen erläutert. Die<br />

Zielgruppen sind Familien und Schulen, aber<br />

auch die Erwachsenenbildung und das allgemeine<br />

Interesse an der Umwelt werden The-<br />

men im Hunsrückhaus sein. Das Konzept beruht<br />

auf der Überlegung, den Kristallisationspunkt<br />

Erbeskopf während des ganzen Jahres,<br />

also nicht nur zur Wintersportzeit, sondern<br />

auch in den übrigen Monaten einem breiten<br />

Publikum näher zu bringen. Annähernd neun<br />

Mio. DM werden in das gesamte Projekt<br />

»Hunsrückhaus« investiert. Das Wirtschaftsministerium<br />

bewilligte für den Ausbau der Erholungsanlagen<br />

einen Zuschuss aus EU- und<br />

Landesmitteln von 5,5 Mio. DM, also 70 % der<br />

Gesamtbaukosten. Der Zweckverband »Wintersport-,<br />

Natur- und Umweltbildungsstätte Erbeskopf«<br />

baut für fast 8,4 Mio. DM das Hunsrückhaus<br />

und legt Freizeitflächen an. 2,9 Mio.<br />

DM übernimmt der <strong>Landkreis</strong> (Siehe auch Beitrag<br />

in den Farbseiten des Werbeteils).<br />

»Agility«–Deutschland-Cup<br />

Über 280 Hundesportler fanden sich zum Saisonhöhepunkt<br />

in der Himmelberghalle des Ferienparks<br />

Himmelberg zusammen, um den Agility-Deutschland-Cup<br />

und das Liga-Finale<br />

1998 auszutragen. Veranstalter war der Verein<br />

für Deutsche Schäferhunde, Ortsgruppe Hermeskeil<br />

und Umgebung. Als Schirmherr der<br />

Veranstaltung agierte Rainer Brüderle, stellv.<br />

Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Agility<br />

ist eine Hundesportdisziplin für alle Rassen, die<br />

das Zusammenspiel zwischen Mensch und<br />

Tier trainiert.<br />

45


Jubiläumskonzert der Musikvereine<br />

Morscheid und Malborn<br />

Der Musikverein Morscheid feierte in diesem<br />

Jahr sein 65. Vereinsjubiläum, der Musikverein<br />

Malborn sein 70-jähriges Bestehen. Beide Orchester<br />

werden seit rund 10 Jahren von ihrem<br />

Dirigenten Burkhard Graul erfolgreich geleitet.<br />

Aus diesem Anlass veranstalteten sie ein gemeinsames<br />

Jubiläumskonzert, bei dem die musikalischen<br />

Höhepunkte der letzten 10 Jahre im<br />

Vordergrund standen.<br />

Freiherr-vom-Stein-Plakette<br />

für Helmut Schuh<br />

In einer Feierstunde überreichte der rheinlandpfälzische<br />

Innenminister Walter Zuber dem<br />

dienstältesten Ortsbürgermeister der Verbandsgemeindeverwaltung<br />

Thalfang, Helmut<br />

Schuh aus Horath, in Anerkennung für seine<br />

30-jährige ehrenamtliche kommunalpolitische<br />

Tätigkeit in der Selbstverwaltung die Freiherrvom-Stein-Plakette.<br />

Verleihung der Freiherr-vom-Stein-Plakette an<br />

Helmut Schuh (rechts)<br />

Neues Tragkraftspritzenfahrzeug TSF-W<br />

der Freiwilligen Feuerwehr Heidenburg<br />

Zur Einsegnung des neuen Tragkraftspritzenfahrzeuges<br />

TSF-W begrüßte Wehrführer Dietmar<br />

Trampert Ehrengäste und Zuschauer. Mit<br />

der Neubeschaffung des TSF-W ist der Brandschutz<br />

in der Verbandsgemeinde Thalfang am<br />

Erbeskopf verbessert worden.<br />

Letzter Markt in Thalfang<br />

Wie in jedem Jahr fand der traditionelle »Letzte<br />

Markt« mit Bezirkstagung des Kreisbauernund<br />

Winzerverbandes Rheinland-Nassau statt.<br />

Hauptreferent war in diesem Jahr Günter Eymael,<br />

Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft,<br />

Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in<br />

46<br />

Mainz, mit dem Thema »Die Zukunft der rheinland-pfälzischen<br />

Landwirtschaft nach der<br />

Agenda <strong>2000</strong>«.<br />

Straßenausbau in Büdlich<br />

Die Arbeiten für den Ausbau der »Kirchstraße«<br />

und der Straße »In der Treff« mit Gesamtkosten<br />

von rd. 568 000 DM wurden abgeschlossen.<br />

Dezember 1998<br />

Bürgermeister Hans-Dieter Dellwo wiedergewählt<br />

Ein gutes Ergebnis bei seiner Wiederwahl erhielt<br />

der alte und neue Verwaltungschef: Von<br />

6 029 Wahlberechtigten gingen 2 791 Perso-<br />

nen zur Wahl (46,3 % Wahlbeteiligung), davon<br />

stimmten 2 560 mit Ja (= 92,36 %), 211 mit<br />

Nein, 20 Stimmzettel waren ungültig.<br />

Regionale Schule in Thalfang<br />

Zu Beginn des Schuljahres 1999/<strong>2000</strong> wurde in<br />

Thalfang eine regionale Schule mit Bildungsangeboten<br />

und -abschlüssen von Haupt- und Realschule<br />

eingerichtet.<br />

Hirten- und Krippenspiel in Horath<br />

Der Männergesangverein Horath bot ein Freilicht-Spiel<br />

besonderer Art dar. Im Rahmen des<br />

Kulturprogrammes »Rund um Thalfang« der<br />

Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />

wurde die schauspielerische Darstellung der<br />

Ereignisse in Bethlehem rund um die Geburt<br />

Christi inszeniert. Über 600 Zuschauer besuchten<br />

die Aufführung.


Neuer zweiter Beigeordneter der<br />

Verbandsgemeinde gewählt<br />

Der bisherige 2. Verbandsgemeindebeigeordnete,<br />

Waldemar Scherer aus Hilscheid, legte<br />

sein Ehrenamt nieder. Bürgermeister Hans-<br />

Dieter Dellwo dankte ihm im Namen der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf für die<br />

geleisteten Dienste zum Wohle der Allgemeinheit.<br />

Als Nachfolger und neuer 2. Verbandsgemeindebeigeordneter<br />

wurde Herbert Züscher<br />

aus Gräfendhron gewählt.<br />

Januar 1999<br />

Hallenfußballturnier der AH-Mannschaften<br />

in Heidenburg<br />

Die Turn- und Mehrzweckhalle Heidenburg war<br />

Schauplatz des 6. Hallenfußballturniers der<br />

AH-Mannschaften der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf. Die SG Haag/Horath<br />

verteidigte ihren Titel. Zweitplatzierte Mannschaft<br />

war Gastgeber Heidenburg, dritte die<br />

Sportfreunde Thalfang.<br />

Schlichten statt Richten<br />

Der bisherige Schiedsmann Reinhold Anton<br />

und der stellvertretende Schiedsmann Horst<br />

Hubert wurden vom Amtsgericht Hermeskeil<br />

für eine weitere fünfjährige Amtszeit in Thalfang<br />

berufen. Vorangegangen war die einstimmige<br />

Wiederwahl der bisherigen Amtsinhaber durch<br />

den Verbandsgemeinderat Thalfang am Erbeskopf<br />

in seiner Sitzung am 28. September<br />

1998.<br />

Februar 1999<br />

Spende für DRK Thalfang<br />

Der Schwimmclub Neda, Berglicht, sammelte<br />

anlässlich seiner Weihnachtsfeier 300 DM für<br />

die DRK-Rettungswache Thalfang.<br />

März 1999<br />

Der Kirchenchor »Cäcilia« Büdlich und die<br />

Verbandsgemeinde Thalfang hatten zum 5.<br />

Sängertag nach Heidenburg eingeladen<br />

Vierzehn Gesangvereine und Chöre aus der<br />

Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />

präsentierten den Zuhörern in der bis auf den<br />

letzten Platz besetzten Heidenburghalle ihr<br />

vielseitiges Können. Sie trugen kirchliche Gesänge<br />

und weltliche Lieder in einer bunten Mischung<br />

vor.<br />

Hauptschule Thalfang am Wettbewerb<br />

»Jugend forscht – Schüler experimentieren«<br />

erfolgreich<br />

Am 34. Regionalwettbewerb »Jugend forscht«<br />

nahmen annähernd 300 Jungforscher, überwiegend<br />

aus dem gymnasialen Bereich, teil.<br />

Auch eine Schülerin und drei Schüler der<br />

Hauptschule Thalfang aus den Klassen 9 und<br />

10 beteiligten sich im Fachgebiet Technik am<br />

Wettbewerb. Titel der Arbeit von Andreas Fankel<br />

und Timo Schömer im Wettbewerb »Jugend<br />

forscht« ab 16 Jahren war »Elektrisches<br />

Schiebedach mit Regensensor«. Die vorgestellte<br />

Arbeit wurde mit einem 3. Platz ausgezeichnet.<br />

Am Wettbewerb bis 16 Jahre beteiligten<br />

sich Andrea Klassen und Stephan Wirz mit<br />

dem Thema »Sonnenstandsabhängige Nachführung<br />

von Solarzellen« und erreichten den 1.<br />

Platz.<br />

April 1999<br />

Frühlingswanderung »Thalfang auf dem<br />

Weg zum Luftkurort«<br />

Auch in diesem Jahre fand am letzten Samstag<br />

im Monat April die schon traditionelle Frühlingswanderung<br />

statt, die bereits zum achten<br />

Male durch den Fremdenverkehrsverein »Rund<br />

um Thalfang/Hunsrück« e. V., die Ortsgruppen<br />

47


Deuselbach und Dhronecken des Hunsrückvereins<br />

und den Heimat- und Verkehrsverein<br />

Horath-Gräfendhron-Merschbach veranstaltet<br />

wird. Die Wanderung, an der 650 Naturliebhaber<br />

teilnahmen, führte rund um die Ortsgemeinde<br />

Thalfang und stand unter dem Motto<br />

»Thalfang – auf dem Weg zum Luftkurort«.<br />

Schirmherr der diesjährigen Veranstaltung war<br />

Dr. Gottfried Haubold, der langjährige Geschäftsführer<br />

der Hochwald-Nahrungsmittel-<br />

Werke GmbH in Thalfang.<br />

Generationswechsel in der Leitung der<br />

Hochwald Nahrungsmittel-Werke GmbH<br />

Der Aufsichtsrat der Hochwald-Nahrungsmittel-Werke<br />

GmbH hatte zahlreiche Gäste zu einem<br />

Empfang anlässlich des 65. Geburtstages<br />

und der Verabschiedung von Hauptgeschäftsführer<br />

Dr. Gottfried Haubold eingeladen. Als besondere<br />

Auszeichnung für seine langjährigen<br />

und großen Verdienste verlieh Staatssekretär<br />

Günter Eymael Dr. Gottfried Haubold die »Wirtschaftsmedaille«<br />

des Landes Rheinland-Pfalz.<br />

Altersabteilung der<br />

Freiwilligen Feuerwehren gegründet<br />

Am 25. April 1999 wurde die Altersabteilung<br />

der Freiwilligen Feuerwehren in der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf gegründet.<br />

48<br />

Balalajka-Klavier-Konzert in Horath<br />

Das Familienhotel Hochwald in Horath war Veranstaltungsort<br />

für das Balalajka-Klavier-Konzert<br />

von Sergej und Olga Regel aus Baranowitschi/Weißrussland.<br />

Grillhütte in Gielert eingeweiht<br />

Mit der Einweihung der Grillhütte in Gielert war<br />

ein Fest für alle Helfer verbunden, die beim Bau<br />

der Grillhütte mitgewirkt hatten.<br />

Mai 1999<br />

Zweckverband Wintersport-, Natur- und<br />

Umweltbildungsstätte Erbeskopf beginnt<br />

Veranstaltungen<br />

Der Zweckverband Wintersport-, Natur- und<br />

Umweltbildungsstätte Erbeskopf eröffnete mit<br />

der Herausgabe des Schulklassenprogrammes<br />

und des Programmheftes 1999 seine erste Veranstaltungssaison.<br />

Auftakt für 1999 waren die<br />

gut besuchten Eröffnungsveranstaltungen am<br />

15. und 16. Mai. Das Angebot umfasste u. a. geführte<br />

Wanderungen um den Erbeskopf, Wildkräuterkochkurse,Naturerlebnisveranstaltungen,<br />

verschiedene Diavorträge und ein Sonnenfinsternis-Seminar.<br />

(s. a. farbige Werbeseiten)<br />

Hauptschule Thalfang belegte 2. Platz bei<br />

»Jugend forscht« auf Landesebene<br />

Von 622 angemeldeten Teilnehmern des Wettbewerbs<br />

»Jugend forscht – Schüler experimentieren«<br />

waren 107 preisverdächtige Teilnehmer<br />

nach Ingelheim zur Siegerehrung eingeladen<br />

worden. Als einzige Hauptschüler unter allen<br />

Preisträgern errangen die Sieger des Regionalwettbewerbs,<br />

Andrea Klassen und Stefan Wirz<br />

von der Hauptschule Thalfang, den 2. Platz auf<br />

Landesebene im Fachgebiet Technik mit ihrer<br />

Arbeit »Sonnenstandsabhängige Nachführung<br />

von Solarzellen«.


Dorffest mit Einweihung des neuen<br />

Raiffeisengebäudes in Büdlich<br />

Es war ein großer Tag für die Gemeinde Büdlich.<br />

Alle Straßen und Plätze waren fertig gestellt,<br />

und auch das neue Bankgebäude der<br />

Raiffeisenbank Mehring-Leiwen konnte einge-<br />

weiht werden. Rund 1,3 Mio. DM hatte die<br />

Ortsgemeinde in den vergangenen Jahren für<br />

Straßenbau und Ortsverschönerung investiert.<br />

Auch Landrätin Beate Läsch-Weber kam zu<br />

Besuch in die Ortsgemeinde Büdlich und stand<br />

den Bürgerinnen und Bürgern in einer Sprechstunde<br />

zur Verfügung.<br />

Erster Markt in Thalfang<br />

Bei schönem Wetter fand der traditionelle gut<br />

besuchte »Erste Markt« in Thalfang statt. Zahlreiche<br />

Marktbeschicker hatten sich eingefunden<br />

und boten ihr reichhaltiges Warensortiment<br />

an.<br />

Clubheim-Einweihung des<br />

Sportvereins Gräfendhron<br />

Gleich zwei Anlässe zum Feiern hatte der<br />

Sportverein Blau-Weiß Gräfendhron: Sein 10jähriges<br />

Jubiläum und die Einweihung des neuen<br />

Clubheimes.<br />

Thalfangerin wählte Bundespräsident<br />

Zur Wahl des Bundespräsidenten entsandte<br />

der Landtag 33 Rheinland-Pfälzer, darunter<br />

auch eine Bürgerin aus der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf, Bettina Brück aus<br />

Thalfang.<br />

Partnerschule Villeblevin besuchte<br />

Heidenburg<br />

Die Ecole Elementaire aus Villeblevin/Burgund<br />

besuchte die Partnerschule Heidenburg mit 35<br />

Kindern und sieben Aufsichtspersonen zum<br />

zweiten Mal und erlebte ein abwechslungsreiches<br />

Programm mit den Heidenburger Schulkindern.<br />

Juni 1999<br />

Fragmente – Ausstellung von<br />

Helge Hommes<br />

Der in Malborn lebende Künstler Helge Hommes<br />

stellte im Haus der Begegnung und im<br />

Rathaus in Thalfang Werke der letzten fünf Jahre<br />

aus. Der 1964 geborenen Künstler, der seit<br />

1993 seine Bilder europaweit präsentiert, lebt<br />

seit 1997 in Malborn.<br />

100 Jahre Kaisergarten in Bäsch und 115<br />

Jahre Sängergemeinschaft Bäsch<br />

Einen bunten Liederabend mit Vereinen aus der<br />

Verbandsgemeinde richtete die Sängergemeinschaft<br />

Bäsch für die zwei Jubiläen aus. Innerhalb<br />

des Festes wurde Bruno Büchsenschutz<br />

für seine 23-jährige Tätigkeit als Vereinsvorsitzender<br />

geehrt und gleichzeitig zum<br />

Ehrenpräsidenten der Sängergemeinschaft<br />

Bäsch ernannt. Ferner erhielt Gertrud Fetzer für<br />

ihre langjährige Mitgliedschaft im Vorstand eine<br />

Ehrung.<br />

Feuerwehrtage der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf<br />

Die Freiwillige Feuerwehr Berglicht richtete in<br />

diesem Jahr die Feuerwehrtage der Verbandsgemeinde<br />

Thalfang am Erbeskopf aus.<br />

HSV besuchte Horath<br />

Anlässlich der Sportwerbetage hatte Horath<br />

hohen Besuch. Der Hamburger Sportverein<br />

war zu Gast und spielte gegen eine Verbandsliga/Landesligaauswahl<br />

auf dem Sportplatz Horath.<br />

Weitere Ehrengäste waren Uwe Seeler,<br />

Ehrenspielführer der Deutschen Fußballnationalmannschaft<br />

und Horst Eckel, Weltmeister<br />

von 1954.<br />

Waldjugendspiele im Forstamt Dhronecken<br />

Zum elften Male fanden die Waldjugendspiele<br />

in Zusammenarbeit mit der Schutzgemeinschaft<br />

Deutscher Wald Rheinland-Pfalz e. V.,<br />

den Ministerien für Umwelt und Forsten sowie<br />

Bildung und Wissenschaft des Forstamtes<br />

Dhronecken auf dem Erbeskopf statt. Insgesamt<br />

nahmen 22 dritte und siebte Klassen aus<br />

der Region an den Spielen teil.<br />

49


50<br />

Chronik der Verbandsgemeinde Traben-Trarbach<br />

1998/1999<br />

Nationalspieler Thorsten Fink, Oliver Kahn und Thomas Strunz mit Stadtweinkönigin Stefanie I. und<br />

Bürgermeister Alois Weber<br />

Trainingslager FC Bayern München in der<br />

Stadt Traben-Trarbach<br />

Der Deutsche Rekordfußballmeister FC Bayern<br />

München wählte für sein Trainingslager die<br />

Stadt Traben-Trarbach.<br />

Vom 26. bis 31. Juli 1998 logierten der komplette<br />

Kader mit allen Stars und Nationalspielern,<br />

dem Trainer und den Betreuern im 4-Sterne-<br />

Hotel »Moselschlößchen«. Der Sportplatz an<br />

der Rissbacher Straße wurde auf die Trainingsansprüche<br />

der prominenten Gäste zugeschnitten<br />

und in einen Rasenplatz umgewandelt.<br />

Traben-Trarbach war sieben Tage Mittelpunkt<br />

für die sportlichen Medien. Sportjournalisten,<br />

Fans und andere Schaulustige bevölkerten die<br />

Stadt. Die Farben der Bayern gestalteten das<br />

Bild von Traben-Trarbach.<br />

Trainer Otmar Hitzfeld und Ex-Nationaltorhüter<br />

Raimund Aumann umlagert von Fans


Juli 1998<br />

Erster Spatenstich für die neue<br />

gynäkologische Fachklinik<br />

In der letzten Juliwoche 1998 überschlugen<br />

sich die Ereignisse in der Stadt Traben-Trarbach.<br />

Mit dem ersten Spatenstich für die neue<br />

gynäkologische Fachklinik begann gleichzeitig<br />

auch ein neues Zeitalter in der ärztlichen<br />

Grundversorgung für die Bevölkerung der<br />

Stadt und Region Traben-Trarbach.<br />

August 1998<br />

Dritter Platz für die HSG Irmenach-Kleinich<br />

Beim Beachhandball-Bundesfinale in Cuxhaven<br />

qualifizierte sich die HSG Irmenach-Kleinich<br />

für das Halbfinale und erreichte den 3.<br />

Platz.<br />

»Tour der Hoffnung« machte Station in<br />

Traben-Trarbach<br />

Am 21. August war Traben-Trarbach ein weiterer<br />

Anlaufpunkt für bekannte Größen des<br />

Sportgeschehens. Unter dem Motto »Tour der<br />

Hoffnung ... rollt für krebskranke Kinder«, radelten<br />

unter der Schirmherrschaft von Ulrike<br />

Nasse-Meyfahrth und dem Kapitän des Fahrerfeldes<br />

Klaus-Peter Thaler prominente Sportler<br />

auf ihrer Moselroute in die Stadt ein. Bürgermeister<br />

Alois Weber hieß die Teilnehmer unter<br />

Beifall vieler Schaulustiger herzlich willkommen.<br />

Die Ortsgemeinde Burg (Mosel) erhielt<br />

ein Bürgerhaus<br />

Bei einer Feierstunde in Anwesenheit von<br />

Landrätin Beate Läsch-Weber, Bürgermeister<br />

Alois Weber und der bei dem Umbau beteiligten<br />

Firmen und dem Architekten wurde der Bevölkerung<br />

der Gemeinde Burg (Mosel) das<br />

neue Bürgerhaus zur allgemeinen Nutzung<br />

übergeben.<br />

Die ehemalige Schule stellt durch diese neue<br />

Nutzung eine wert- und wirkungsvolle Bereicherung<br />

für die gesamte Dorfgemeinschaft dar<br />

und trägt durch den gelungenen Umbau in hohem<br />

Maße zur Dorfverschönerung bei.<br />

Freiheitsurkunde vor 750 Jahren für<br />

Enkirch<br />

Ende August feierte die Enkircher Bevölkerung<br />

den geschichtlich bedeutsamen Tag der Verleihung<br />

der Freiheitsurkunde im Jahre 1248.<br />

Graf Johann I. von Sponheim und sein Sohn<br />

Gottfried verliehen die Urkunde, die den Titel<br />

»Der von Enckerich Frijheid« trägt, an Enkirch.<br />

Aufgrund dieses Diploms erhielt Enkirch viele<br />

Rechte, die gleichbedeutend mit einer Stadtrechtsverleihung<br />

sind.<br />

Die Urkunde beinhaltete damals für die Enkircher<br />

Bevölkerung, die zwischen 1 500 und<br />

2 000 Einwohner zählte, eine erweiterte Gerichtsbarkeit,<br />

Marktrecht und eine Befestigung<br />

in Form einer Stadtmauer mit sieben Toren.<br />

Gleichzeitig wurden jedoch den Enkirchern<br />

große Pflichten auferlegt, die darin bestanden,<br />

Mauern und Gräben instand zu halten sowie<br />

die Verpflichtung zur Heeresfolge. Bewaffnete<br />

Soldaten mit Pferden und Ausrüstung mussten<br />

dem Grafen zur Verfügung gestellt werden;<br />

Steuern und Abgaben wurden neu festgesetzt.<br />

Rechtlich jedoch wurde die Siedlung Enkirch<br />

durch Graf Johann I. aus der Masse der sponheimischen<br />

Orte herausgehoben und zum<br />

Haupt- und Residenzort der gerade entstandenen<br />

»Hinteren Grafschaft Sponheim« erhoben.<br />

Zu den Festrednern gehörte u. a. Regierungspräsident<br />

Heinrich Studentkowski, Trier.<br />

105. Geburtstag<br />

Am 9. August 1998 feierte Margarete Myrtek,<br />

geborene Köppe in geistiger und körperlicher<br />

Frische ihren 105. Geburtstag. Sie ist<br />

die älteste Bürgerin der Stadt Traben-<br />

Trarbach.<br />

September 1998<br />

Minigolf-Club Traben-Trarbach beging<br />

40-jähriges Bestehen<br />

Der Minigolf-Club Traben-Trarbach feierte im<br />

August ein denkwürdiges Jubiläum; seine Anlage<br />

ist die erste, die in Deutschland entstanden<br />

ist und somit zum Wegbereiter für alle<br />

nachfolgenden in der Bundesrepublik wurde.<br />

In einem Festakt wurde des Initiators, Dr. Spier,<br />

der als weitblickender Arzt den volksgesundheitlichen<br />

Vorteil dieser Sportart erkannte, und<br />

allen engagierten Mitgliedern gedacht. Der<br />

51


Gebietsweinkönigin Marion I. mit ihren Eltern und Bürgermeister Alois Weber im Rathaus Trarbach<br />

Club ist zwischenzeitlich auch der erste Verein,<br />

der eine Anlage auf vereinseigenem Gelände<br />

besitzt.<br />

Gebietsweinkönigin 1998/1999 kommt<br />

aus Traben-Trarbach<br />

Marion Erbes aus dem Stadtteil Wolf, Stadtweinkönigin<br />

1996, konnte gegen neun weitere<br />

Bewerberinnen am 24. September 1998 den<br />

begehrten Titel für sich entscheiden. Die Proklamation<br />

und Krönung fand am 24. September<br />

im Schloss Liebig, Kobern-Gondorf, statt.<br />

Die »frischgebackene« Gebietsweinkönigin von<br />

Mosel-Saar-Ruwer wurde am 25. September<br />

mit einem spontanen Empfang im Rathaus<br />

Trarbach von Bürgermeister Alois Weber geehrt.<br />

52<br />

Oktober 1998<br />

Barrierefreier Kleinkind-Spielplatz in<br />

Irmenach<br />

Im Oktober wurde in Irmenach der erste Kleinkind-Spielplatz<br />

in Rheinland-Pfalz in einer fröhlichen<br />

Feierstunde im Beisein von Staatssekretär<br />

Klaus Jensen, Landesbeauftragter für<br />

die Belange behinderter Menschen, eingeweiht<br />

und eröffnet. Die Interessengemeinschaft der<br />

Kirchengemeinde Irmenach-Beuren ist Initiator<br />

dieses neuartigen Spielplatzes, der im wunderschönen<br />

Parkgelände direkt hinter der Kirche<br />

und mitten im Dorf angelegt wurde.


Deutschsprachige Gesellschaft für Kunst<br />

und Psychopathologie des Ausdrucks e. V.<br />

tagte in Traben-Trarbach<br />

Vom 30. Oktober bis 2. November hielt die DG-<br />

PA ihre 32. Jahrestagung in der Stadt Traben-<br />

Trarbach ab. Das Casino zu Trarbach und das<br />

»Heinrich-Held-Haus« der Ev. Kirchengemeinde<br />

Traben-Trarbach-Wolf waren Tagungsstätten,<br />

während den Gästen bei einem Empfang<br />

im Mittelmosel-Museum die Geschichte der<br />

Stadt nahe gebracht wurde.<br />

Ministerpräsident in Traben-Trarbach<br />

Ministerpräsident Kurt Beck stattete der Stadt<br />

Traben-Trarbach am 30. Oktober im Rahmen<br />

einer Kreisbereisung einen Besuch ab. Zu seiner<br />

Begleitung zählten neben dem kommissarischen<br />

Regierungspräsidenten Heinrich Studentkowski<br />

Landrätin Beate Läsch-Weber,<br />

MdL Günter Rösch und zahlreiche Fachreferenten.<br />

Besonders das Großprojekt »Bahnhofsbereich<br />

Traben« wurde dem Ministerpräsidenten<br />

von Bürgermeister Alois Weber nahe<br />

gebracht. Kurt Beck konnte sich schwerpunktmäßig<br />

von der Neukonzeption »Bahnhofsbereich<br />

Traben« überzeugen und bereits begonnene<br />

Bauvorhaben wie Gynäkologische Fachklinik<br />

und den Umbau der ehemaligen Kellerei<br />

Huesgen in Augenschein nehmen. Der Besuch<br />

fand mit einer sich anschließenden ausführlichen<br />

Gesprächsrunde im Bürgersaal in Traben<br />

seinen Abschluss. Der Landesvater bekundete<br />

den anwesenden Kommunalpolitikern nicht nur<br />

sein großes Interesse an der wichtigen infrastrukturellen<br />

Maßnahme, sondern unterstrich<br />

gleichermaßen die dargelegte Konzeption und<br />

Entwicklungschance für den gesamten Bereich<br />

der Region Traben-Trarbach. Er sicherte künftige<br />

Unterstützung des Landes, insbesondere<br />

der verschiedenen beteiligten Landesdienststellen,<br />

in der gesamten Weiterentwicklung zu.<br />

November 1998<br />

Energie-Trikots für die A-Jugend der HSG<br />

Irmenach-Kleinich<br />

Aufgrund der Initiative von Bürgermeister Alois<br />

Weber überreichte Direktor Josef Poll, RWE<br />

Trier, dem Vorsitzenden der HSG Irmenach-<br />

Kleinich, Hans Schneiß, anlässlich einer kleinen<br />

Feierstunde im Rathaus Trarbach neue<br />

Trikots für die A-Jugend der Spielgemein-<br />

schaft. Hans Schneiß nahm die großzügige<br />

Spende erfreut entgegen. Neue Trikots waren<br />

dringend notwendig, jedoch im schmalen Etat<br />

des Vereins nicht vorgesehen. Für die Sponsorbereitschaft<br />

der RWE hob Direktor Poll dabei<br />

insbesondere die überaus große Motivation<br />

der jungen Spieler, gute Leistungen zu erbringen,<br />

hervor. Als einen weiteren Grund führte<br />

er den hohen Stellenwert dieser Sportart in<br />

der Region an.<br />

Dezember 1998<br />

Erster Spatenstich für neue Mercedes-<br />

Benz-Vertragswerkstatt in Enkirch<br />

Am 18. Dezember 1998 war es soweit: Mit einem<br />

symbolischen Spatenstich wurde der<br />

Grundstein für eine neue Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt<br />

in Enkirch an der B 53 gelegt.<br />

Auf einer Betriebsfläche von 13 500 Quadratmetern<br />

und mit Betriebsräumen von rund<br />

2 500 Quadratmetern soll eine hochmoderne<br />

Werkstatt mit Ausstellungsräumen entstehen.<br />

Von diesem Standort Enkirch soll künftig das<br />

Gebiet zwischen Schweich und Cochem zentral<br />

»versorgt werden«.<br />

Zweigstelle der Kreissparkasse im Stadtteil<br />

Traben in neuem Outfit<br />

»Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit«,<br />

mit diesen Worten begrüßte der Vorstandsvorsitzende<br />

der Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />

Winfried Gassen, die Gäste zur Neueröffnung<br />

der Zweigstelle.<br />

Eine Fotoausstellung, die begeisterte<br />

Große Resonanz fand die Fotoausstellung des<br />

Heimatsammlers Hans Schneiß im Mittelmosel-Museum.<br />

Etwa 230 historische Aufnahmen<br />

erzählten in überaus lebendiger Weise vom<br />

Alltagsleben in der Stadt Traben-Trarbach in<br />

den 20er und 30er Jahren.<br />

Januar 1999<br />

Jahreswechsel 1998/99<br />

Nach einem eindrucksvollen Feuerwerk in der<br />

Silvesternacht wurde das neue Jahr mit Kanonenschüssen<br />

der Sponheimer Musketiere donnernd<br />

begrüßt. Bürgermeister Alois Weber und<br />

Stadtweinkönigin Stefanie I. konnten auch in<br />

diesem Jahr wiederum viele Bürgerinnen und<br />

Bürger im Rathaus Traben zum Neujahrsempfang<br />

begrüßen.<br />

53


Februar/März 1999<br />

105. Geburtstag<br />

Am 16. Februar 1999 wurde Gertrud Oelker<br />

105 Jahre alt. Sie verbringt seit Jahren ihren<br />

Lebensabend bei ihrer Tochter in Traben-Trarbach,<br />

ist aber mit Hauptwohnsitz in Duisburg<br />

gemeldet und somit Duisburgs ältestes »Geburtstagskind«.<br />

Grabenstraße in Traben-Trarbach<br />

wieder frei<br />

Nach nur zehnwöchiger Bauzeit wurde die<br />

»Grabenstraße« wieder für den fließenden Verkehr<br />

freigegeben.<br />

54<br />

Bürgermeister Alois Weber gratuliert der<br />

105-jährigen Jubilarin<br />

Symbolische Freigabe der Grabenstraße mit Vertretern der Straßenbauverwaltung und Bürgermeister<br />

Alois Weber


April 1999<br />

40-jähriges Dienstjubiläum<br />

Am 1. April 1999 beging Bürgermeister Alois<br />

Weber sein 40-jähriges Dienstjubiläum. In einer<br />

kleinen Feierstunde wurden insbesondere 17<br />

Jahre hauptamtliche Bürgermeistertätigkeit<br />

und 12 Jahre ehrenamtliche Tätigkeit als Bürgermeister<br />

der Verbandsgemeinde bzw. der<br />

Stadt Traben-Trarbach gewürdigt.<br />

40 Jahre RWE – jedoch bereits 110 Jahre<br />

Stromversorgung in Traben-Trarbach<br />

40 Jahre RWE in Traben-Trarbach war der Anlass<br />

zu einer Feierstunde, zu der das Versorgungsunternehmen<br />

zahlreiche Gäste geladen<br />

hatte. Die Stadt Traben-Trarbach hatte jedoch<br />

bereits vor 110 Jahren eine eigene elektrische<br />

Stromversorgung und zählte mit zu den ersten<br />

Städten Deutschlands, die eine elektrische<br />

Straßenbeleuchtung besaßen.<br />

Mai 1999<br />

Richtfest der gynäkologischen Fachklinik<br />

Nach nicht einmal einem Jahr seit dem ersten<br />

Spatenstich feierte die neue gynäkologische<br />

Fachklinik am Moselufer Traben ihr Richtfest.<br />

Somit ist gewährleistet, dass auch zukünftig<br />

Traben-Trarbach als Geburtsort in vielen Pässen<br />

stehen wird.<br />

Dorf- und Sängerfest in Starkenburg<br />

Vier Tage lang feierten die Starkenburger das<br />

120-jährige Bestehen ihres 1879 gegründeten<br />

Gesangvereines. Der einst reine Männerchor<br />

entwickelte sich in den Jahren zu einem gemischten<br />

Chor mit heute 35 aktiven Sängerinnen<br />

und Sängern. Musikalische Geburtstagsgrüße<br />

kamen von den Gastchören, Ehrengästen und<br />

Freunden des Gesangs und auch von Landrätin<br />

Beate Läsch-Weber. Die Gästeschar wurde<br />

durch eine offizielle Abordnung der Partnergemeinde<br />

Starkenberg in Thüringen abgerundet.<br />

Juni 1999<br />

Alois Weber bleibt Stadtbürgermeister<br />

Mit über 65 % Stimmenanteil wurde Bürgermeister<br />

Alois Weber erneut zum ehrenamtlichen<br />

Stadtbürgermeister von Traben-Trarbach<br />

für die kommenden fünf Jahre gewählt.<br />

Weingasse in Enkirch fertig gestellt<br />

Mit dem Durchschneiden des Bandes konnte<br />

die Weingasse pünktlich zum Straßenfest<br />

durch Weinkönigin Jasmin, Ortsbürgermeister<br />

Karl-Heinz Weisgerber und Bürgermeister<br />

Alois Weber im Beisein vieler Enkircher und<br />

Gäste wieder für den Verkehr freigegeben werden.<br />

Juli 1999<br />

Beachhandballturnier in Irmenach<br />

Bei hochsommerlichen Temperaturen gewann<br />

die 1. Herrenmannschaft der HSG Irmenach-<br />

Kleinich auch in diesem Jahr wiederum das<br />

Beachhandballturnier in Irmenach.<br />

Mit diesem Sieg qualifizierte sich die Mannschaft<br />

dafür, an den ersten Deutschen Meisterschaften<br />

im Beachhandball (bisher Beachhandball-Bundesfinale)<br />

im August 1999 in Cuxhaven<br />

teilzunehmen.<br />

Kreisjugendzeltlager der<br />

Feuerwehr<br />

In der Zeit vom 3. bis 11. Juli 1999 fand das 10.<br />

Kreisjugendzeltlager <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> auf<br />

dem Sportplatz an der Rissbacher Straße im<br />

Stadtteil Traben mit ca. 250 Jugendlichen und<br />

Betreuern statt.<br />

Neben vielen attraktiven Spielen, z. B. Lagerolympiade<br />

mit Stadtrallye, Moselschifffahrt,<br />

Besichtigung ortsansässiger Betriebe, konnten<br />

viele der Jugendlichen in dieser Zeit auch ihre<br />

Leistungsspange für die Jugendfeuerwehr erwerben.<br />

55


Rivenich feierte seinen 1250. Geburtstag<br />

Anlässlich der Feier dieses Geburtstages vom<br />

20. bis 24. August 1998 fand die Brunnenein-<br />

weihung am Brandweiherplatz durch den<br />

Schirmherrn der Festveranstaltung, Ministerpräsident<br />

Kurt Beck, statt (siehe auch Beitrag<br />

auf Seite 66).<br />

»Die Salm« – Geschichte und Geschichten<br />

um einen Eifeler Wasserlauf<br />

Diese heimatgeschichtliche Publikation gab<br />

der Peter-Zirbes-Kulturkreis im Herbst 1998<br />

56<br />

Chronik der Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land<br />

1998/1999<br />

Erntedankfest-Umzug in Niersbach<br />

heraus. Neben fundierten Informationen zur Historie<br />

der Orte an der Salm enthält das unterhaltsam<br />

geschriebene Werk Geschichten unterschiedlichster<br />

Art, die sich um die Salm und<br />

ihre Dörfer drehen.<br />

Regionale Schule Salmtal<br />

»Hobbylust statt Freizeitfrust« war das Motto<br />

des 2. Regionalschultages im Juli 1998. Auf<br />

dem Programm standen praktische Arbeiten<br />

der Hobbykünstler mit Schülerarbeitsgruppen.<br />

In den verschiedenen Workshops wurden u. a.<br />

Modellieren mit Ton, Bauen von Seifenkisten,<br />

Videofilm-Produktion, Holzarbeiten, Ortsporträt<br />

von Rivenich, Ortssanierung in Salmtal und<br />

viele weitere Projekte angeboten. Außerdem<br />

zeigte die Schulband ihr Können.<br />

Erntedankfest in Niersbach<br />

Mit einem großen historischen Umzug starteten<br />

die Niersbacher am 13. September das<br />

Erntedankfest. Ein Fernsehteam des Südwestfunks<br />

war auch dabei. Für das Fest wurde ein<br />

altes Backhaus in Betrieb genommen, in dem<br />

nach überliefertem Brauch Brot gebacken wurde.


Kindergarten St. Hubertus Hetzerath<br />

spendete für Kinder in Uganda<br />

Obst, Gemüse, Nüsse, Marmelade und vieles<br />

mehr verkauften die Kindergartenkinder auf<br />

dem Herbstmarkt ihres Kindergartens, der vom<br />

31. August bis 4. September 1998 stattfand.<br />

Am letzten Markttag bekam Pater Rudi Lehnertz<br />

fast 1 500 DM für ein Kindergartenprojekt<br />

in Uganda.<br />

Einweihung des Erweiterungsgebäudes der<br />

Humbrecht-Grundschule Hupperath<br />

Anfang Oktober 1998 konnte nach einer knapp<br />

bemessenen Bauzeit von nur zehn Monaten<br />

der Erweiterungsbau an der Grundschule Hupperath<br />

seiner Bestimmung übergeben werden.<br />

Den Grundschülerinnen und -schülern sowie<br />

ihren Lehrern stehen nun zwei neue Klassenräume<br />

mehr zur Verfügung. Im Zuge der Bau-<br />

maßnahme wurde außerdem durch Umgestaltungen<br />

im Schulhofbereich ein im Untergeschoss<br />

liegender Raum als vollwertiger Klassenraum<br />

hergerichtet. Die Grundschule Hupperath<br />

verfügt nun zur Unterrichtung der<br />

Schüler über sieben Klassenräume. Angesichts<br />

dieser Rahmenbedingungen sind in Hupperath<br />

die Voraussetzungen für eine volle zweizügige<br />

Schule gegeben.<br />

Ökologie im Kindergarten<br />

Der Wettbewerb »Ökologie im Kindergarten«<br />

des Vereins Ökologo e. V. Klausen stand unter<br />

dem Thema »Wasser«. Ziel des Wettbewerbs<br />

war es, alle Aktivitäten des Kindergartens rund<br />

um das Thema Wasser im Verlauf eines Jahres<br />

zu dokumentieren. Dabei ging es einerseits um<br />

das Thema »verantwortungsvoller Umgang mit<br />

dem Lebensmittel Wasser«, aber andererseits<br />

auch um das Erlebbarmachen des Elementes<br />

Wasser in all seinen Erscheinungsformen. Die<br />

Kindergärten zeigten einen großen Ideenreichtum<br />

bei der Vermittlung des Themas an die Kinder.<br />

Als Gewinner aus dem Wettbewerb gingen<br />

die Kindergärten Altrich, Hetzerath und Klausen<br />

hervor.<br />

Ausstellung »Wein und Kunst«<br />

Diese Ausstellung fand Mitte November im<br />

Bürgerhaus in Rivenich statt. Verbunden mit einer<br />

Präsentation hervorragender Rivenicher<br />

Weine stellten Hobbykünstler aus dem Ort Exponate<br />

ihrer künstlerischen Werke zur Schau.<br />

Von Aquarell- und Pastellmalerei über Porträtzeichnungen<br />

bis zu künstlerisch gestalteten<br />

Puppen und Handwerksarbeiten reichte die<br />

Palette der ausgestellten Werke.<br />

Freiherr-vom-Stein-Plakette für<br />

Oskar Lautwein<br />

Als Anerkennung für sein überdurchschnittliches<br />

ausdauerndes kommunalpolitisches Engagement<br />

wurde Oskar Lautwein aus Landscheid-Niederkail<br />

im Oktober von Innenminister<br />

Walter Zuber mit der Freiherr-vom-Stein-<br />

Plakette ausgezeichnet.<br />

Neuer Sportplatz in Gladbach<br />

Im Oktober 1998 feierte der Sportverein Rot-<br />

Weiß Gladbach sein 40-jähriges Vereinsjubiläum.<br />

An diesem Geburtstag konnte auch der<br />

neue Tennenplatz der Ortsgemeinde eingeweiht<br />

werden.<br />

Langjährige Schiedsmänner verabschiedet<br />

Mit einer besonderen Auszeichnung für ihre<br />

langjährige hervorragende ehrenamtliche<br />

Tätigkeit wurden die bisherigen Schiedsmänner<br />

Ewald Weinsberg, Landscheid-Niederkail,<br />

und Hermann Lenz, Altrich, Ende Oktober 1998<br />

von Direktor Peter Sauer, Amtsgericht <strong>Wittlich</strong>,<br />

verabschiedet. Auch Bürgermeister Christoph<br />

Holkenbrink würdigte die Leistungen der beiden<br />

Schiedsmänner, die über 20 Jahre mit ihrer<br />

vermittelnden Art viele Streitigkeiten in den von<br />

ihnen betreuten Gemeinden auf gütlichem Wege<br />

bereinigen konnten.<br />

Kirchenchor »Cäcilia« Minderlittgen sang<br />

afrikanische Lieder<br />

Am Cäcilienfest am 21. November 1998 sang<br />

57


der Kirchenchor Minderlittgen in der heiligen<br />

Messe afrikanische Lieder in deutscher Sprache.<br />

Dabei handelte es sich um rhythmische<br />

Gesänge aus Ghana. Die Spenden aus dieser<br />

Messe wurden an ein Armenkrankenhaus in<br />

Ghana weitergeleitet, das nur mit Hilfe solcher<br />

Gelder existieren kann.<br />

Führungswechsel bei der<br />

Freiwilligen Feuerwehr in Dodenburg<br />

Nach fast 32-jähriger Tätigkeit als Wehrführer<br />

der Freiwilligen Feuerwehr in Dodenburg wurde<br />

Brandmeister Hans-Josef Römer im November<br />

1998 aus seinem Amt verabschiedet.<br />

Heidi Valerius aus Dreis erhielt<br />

Verdienstkreuz am Bande<br />

Für ihren außergewöhnlichen Einsatz im humanitären<br />

Bereich hat sich Heidi Valerius auszeichnungswürdige<br />

Verdienste erworben. In einer<br />

Feierstunde im Dezember 1998 wurde ihr<br />

das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens<br />

der Bundesrepublik Deutschland überreicht.<br />

Heidi Valerius ist seit 1992 ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterin der Internationalen Gesellschaft<br />

für Menschenrechte und für die Organisation<br />

von Hilfstransporten nach Kroatien,<br />

Lettland, Litauen und Rumänien verantwortlich.<br />

Darüber hinaus ist sie in anderen Organisationen,<br />

in der Jugendarbeit, im Bereich der<br />

Kommunalpolitik und als Schöffin beim Amtsgericht<br />

tätig.<br />

Spatenstich für A 60<br />

Mit dem Spatenstich am 30. November 1999<br />

ist offiziell der vierspurige Ausbau des 8,8 Kilo-<br />

58<br />

meter langen und 216 Millionen Mark teuren<br />

Teilstücks der A 60 zwischen Landscheid und<br />

<strong>Wittlich</strong> in Angriff genommen worden. Damit<br />

kam man dem Ziel, die A 60 im Jahr 2002 an<br />

das Autobahnkreuz bei <strong>Wittlich</strong> anzuschließen,<br />

einen weiteren Schritt näher. (s. a. S. 79)<br />

Gruppenkläranlage Salmtal<br />

Bei der Gruppenkläranlage Salmtal konnte im<br />

Dezember 1998 die dritte Reinigungsstufe zur<br />

biologischen Entfernung von Phosphor in Betrieb<br />

genommen werden. Damit wird eine Verpflichtung<br />

nach EU-Recht zur Nachrüstung von<br />

Kläranlagen mit über 10 000 Einwohnergleichwerten<br />

erfüllt.<br />

Duale Oberschule im Einzugsbereich der<br />

Hauptschulen <strong>Wittlich</strong>-Sehlemet und<br />

<strong>Wittlich</strong>-Wengerohr<br />

Zu Beginn des Schuljahres 1999/<strong>2000</strong> richtete<br />

das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und<br />

Weiterbildung an den bisherigen Hauptschulen<br />

<strong>Wittlich</strong>-Sehlemet und <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr den<br />

Bildungsgang Duale Oberschule als Schulversuch<br />

in <strong>Wittlich</strong> ein. Die Verbandsgemeinde<br />

<strong>Wittlich</strong>-Land begrüßt diesen Versuch. Damit<br />

verfügt die Region <strong>Wittlich</strong> über eine attraktive<br />

neue Schulart, die folgende Ziele anstrebt: - eine<br />

größere Anzahl von Abschlüssen anzubieten,<br />

- die Begabungen aller Kinder intensiver zu<br />

fördern, - die Kinder schon möglichst früh vor<br />

allem mit dem fünfstündigen Fach »Praxis in<br />

der Schule« in enger Zusammenarbeit mit den<br />

berufsbildenden Schulen auf ein späteres Berufsleben<br />

vorzubereiten.<br />

Hermann Lossbrand erhielt Verdienstmedaille<br />

des Landes Rheinland-Pfalz<br />

Für seine besonderen ehrenamtlichen Verdienste<br />

um die Gesellschaft und die Mitmenschen<br />

wurde Hermann Lossbrand aus Dierscheid im<br />

Februar 1999 mit der Verdienstmedaille des<br />

Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.<br />

Einweihung Haus der Vereine<br />

»Alte Schule Dörbach«<br />

Nach Renovierung und Umbau zu einem »Haus<br />

der Vereine« unter tatkräftiger ehrenamtlicher<br />

Mithilfe der Ortsvereine konnte die Ortsgemeinde<br />

Salmtal am 7. März 1999 die alte Schule<br />

Dörbach offiziell ihrer zukünftigen Bestimmung<br />

übergeben. Zur Einweihung und Besich-


tigung der geleisteten Arbeiten und einem<br />

gemütlichen Beisammensein war die Bevölkerung<br />

eingeladen.<br />

»Musik und Kunst«<br />

Unter diesem Motto veranstaltete der Musikverein<br />

Dreis am 24. April 1999 in der Dreyshalle<br />

sein Frühlingskonzert. Für die Musik sorgten<br />

das Jugendorchester Altrich-Dreis und der Musikverein<br />

Dreis. Verbunden mit diesem Konzert<br />

war eine Gemälde-Ausstellung des Heimatmalers<br />

Heinz Thieltges aus Dreis.<br />

Josef Konrad, Minderlittgen –<br />

50 Jahre Dirigent<br />

Dieses Jubiläum seines Dirigenten war Anlass<br />

für den Kirchenchor »Cäcilia« Minderlittgen am<br />

24. April 1999 ein Fest zu feiern. Mitgestaltet<br />

wurde die Feier vom Chor der Ehemaligen des<br />

Kirchenchores Minderlittgen.<br />

US-Präsident auf dem<br />

Flugplatz Spangdahlem<br />

US-Präsident Bill Clinton besuchte am 5. Mai<br />

1999 den Flugplatz Spangdahlem und war da-<br />

mit auch Gast in der Ortsgemeinde Binsfeld.<br />

Präsident Clinton stärkte mit seinem Besuch<br />

den Soldaten der US-Luftwaffe den Rücken für<br />

ihren Einsatz im Kosovo. Gleichzeitig wandte er<br />

sich von Spangdahlem aus auch mit einer<br />

Fernsehansprache an das amerikanische Volk,<br />

um seine Landsleute von der Richtigkeit des<br />

Kosovo-Einsatzes zu überzeugen.<br />

Übergabe eines PCs an den Verein<br />

Ökologo e. V.<br />

Die Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land förderte<br />

die Arbeit des Vereins Ökologo e. V. Klausen<br />

durch Überlassung eines PCs. Der Verein engagiert<br />

sich seit ca. fünf Jahren im Umweltbildungsbereich.<br />

Neben den zahlreichen Aufgaben<br />

wie Betreuung von Biotopen und Artenschutzmaßnahmen<br />

liegt der Schwerpunkt der<br />

Arbeit in der Unterstützung der Schulen und<br />

Kindergärten der Region bei Projekten, Projekttagen<br />

und Projektwochen. Mit dem neuen<br />

PC, den die Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land<br />

dem Verein ab Mai 1999 kostenlos leihweise<br />

zur Verfügung stellte, können die vielfältigen<br />

Aufgaben nicht nur bei der Internetnutzung,<br />

US-Präsident Bill Clinton bei seiner Fernsehansprache auf dem Flugplatz Spangdahlem<br />

59


sondern auch bei der täglichen Arbeit wesentlich<br />

effektiver erledigt werden.<br />

Wehrleiter verabschiedet<br />

Im Festschuppen in Landscheid-Burg/Salm erfolgte<br />

im Mai 1999 die feierliche Verabschiedung<br />

des Wehrleiters der Verbandsgemeinde<br />

<strong>Wittlich</strong>-Land und stellvertretenden Kreisfeuerwehrinspekteurs<br />

Manfred Schönhofen aus<br />

Landscheid-Burg, der die Altersgrenze erreicht<br />

hatte. Bürgermeister Christoph Holkenbrink<br />

dankte dem langjährigen Wehrleiter (seit 1981)<br />

für den ehrenamtlichen Einsatz und überreichte<br />

ihm einen Wappenteller der Verbandsgemeinde<br />

und die Erinnerungsmedaille.<br />

Der bisherige stellvertretende Wehrleiter Hans-<br />

Jürgen Ensch wurde anschließend zum neuen<br />

Wehrleiter und der Wehrführer von Hetzerath,<br />

Herbert Schäfer, zu dessen Stellvertreter ernannt.<br />

Lärmentschädigung für Binsfelder Bürger<br />

Im Mai 1999 erging in 46 Klagen von Binsfelder<br />

Bürgern durch das Landgericht ein wichtiges<br />

Urteil. In ihm wurde festgestellt, dass die Bundesrepublik<br />

verpflichtet ist, an die Kläger einen<br />

angemessenen Ausgleich in Geld für die durch<br />

Fluglärm des Militärflughafens Spangdahlem<br />

verursachte Wertminderung zu zahlen. Damit<br />

ist bestätigt worden, was bereits durch drei Pilotverfahren<br />

gegen die Bundesrepublik erstritten<br />

worden war.<br />

60<br />

Umfangreiche Fortschreibung des<br />

Flächennutzungsplanes der<br />

Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land<br />

Vier Gemeinden in der Verbandsgemeinde<br />

<strong>Wittlich</strong>-Land können neue Baugebiete ausweisen.<br />

Der Verbandsgemeinderat hat im Mai<br />

1999 die Änderung des Flächennutzungsplanes<br />

in Niersbach, Plein, Platten und Binsfeld<br />

beschlossen. Die Gemeinden hatten Anträge<br />

auf zusätzliche Ausweisung von Bauflächen<br />

gestellt.<br />

VHS: Miteinander auf gutem Kurs<br />

Am 20. Mai 1999 wurde offiziell der Verein<br />

»Volkshochschule <strong>Wittlich</strong>-Stadt und Land«<br />

gegründet. Dieser Verein, hinter dem die Stadt<br />

<strong>Wittlich</strong> und die Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-<br />

Land stehen, ist Träger der neuen Volkshochschule,<br />

die ab Herbst 1999 die Weiterbildungsarbeit<br />

in der Stadt und in der Verbandsgemeinde<br />

übernimmt. Leiter der neuen Volkshochschule<br />

ist Walter Feltes. In der Gründungsversammlung<br />

berichtete der neue VHS-Leiter über<br />

die Vorbereitungen für das Studienprogramm<br />

1999/<strong>2000</strong>. Eine große Zahl von Kursen mit<br />

vertrauten Inhalten konnte beibehalten bzw.<br />

fortgeführt werden. Daneben wird das Angebotsspektrum<br />

um eine Reihe interessanter<br />

neuer Angebote erweitert.<br />

Führungswechsel bei der Freiwilligen<br />

Feuerwehr in Heckenmünster und Platten<br />

Nach 32-jähriger Tätigkeit als Wehrführer der<br />

Freiwilligen Feuerwehr in Heckenmünster und<br />

14-jähriger Tätigkeit als Wehrführer in Platten<br />

wurden Brandmeister Robert Meyer sowie<br />

Brandmeister Hans-Jörg Konrath aus ihrem<br />

Amt als Wehrführer in Heckenmünster und<br />

Platten von Bürgermeister Christoph Holkenbrink<br />

verabschiedet.<br />

Teilnahme der Ortsgemeinde Bergweiler<br />

am Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner<br />

werden – Unser Dorf hat Zukunft« 1999<br />

Die Teilnahme an diesem Wettbewerb, der im<br />

Juli 1999 stattfand, war für die Ortsgemeinde<br />

Bergweiler ein großer Erfolg. Auf Kreisebene<br />

wurde der 1. Platz, auf der Bezirksebene der 2.<br />

Platz belegt. Durch die Platzierung auf Bezirksebene<br />

vertritt Bergweiler zusammen mit der<br />

Gemeinde Bickendorf den Regierungsbezirk<br />

beim Landesentscheid.


Chronik der Stadt <strong>Wittlich</strong> 1998/1999<br />

Juli 1998<br />

<strong>Wittlich</strong> war Etappenort<br />

Die 33. Rheinland-Pfalz-Rad-Rundfahrt startete<br />

am 25. Juni in Bad Neuenahr. Der aus 20<br />

Teams bestehende Tross traf am 1. Juli in <strong>Wittlich</strong><br />

ein.<br />

50-Jahr-Feier des<br />

Peter-Wust-Gymnasiums<br />

Eine Woche lang feierte das Peter-Wust-Gymnasium<br />

in <strong>Wittlich</strong> sein 50-jähriges Bestehen.<br />

Meistermann-Schenkung<br />

Die Stadt <strong>Wittlich</strong> erhielt von Professor Dr.<br />

Edeltrud Meistermann-Seeger weitere Kunstwerke<br />

(Glasfensterkartons und Glasfenster)<br />

aus dem Nachlass von Professor Georg Meistermann<br />

für das gleichnamige Museum.<br />

August 1998<br />

Säubrennerkirmes<br />

Nach wochenlangem »Sauwetter« herrschte an<br />

der <strong>Wittlich</strong>er Säubrennerkirmes ungetrübtes<br />

Sommerwetter, das den Zigtausenden von Besuchern<br />

erlaubte, auch abends lange in der<br />

Stadt an den Weinlauben zu verweilen. Arm<br />

dran waren nur die Schweine. 102 von ihnen<br />

mussten für die Untat ihres Vorgängers vor 601<br />

Jahren büßen und wurden verzehrt.<br />

September 1998<br />

Wer die Wahl hat...<br />

In der Stadt <strong>Wittlich</strong> änderte sich das Kräfteverhältnis<br />

der Parteien kaum. Bei der Bundestagswahl<br />

im September entfielen auf die CDU 42,7<br />

Prozent (- 1,7 Prozent), die SPD 36,7 Prozent<br />

(- 0,2 Prozent), die F.D.P. 8,1 Prozent (- 0,2<br />

Prozent) und auf Bündnis 90/Die Grünen 7,5<br />

Prozent (- 0,5 Prozent) der Zweitstimmen. Die<br />

PDS erhielt 111 Stimmen (1,1 Prozent). Auf die<br />

anderen elf Parteien des Stimmzettels entfielen<br />

307 Stimmen (3,8 Prozent). Rechtsextreme<br />

Parteien spielten in <strong>Wittlich</strong> keine Rolle, sie erhielten<br />

191 Stimmen. Von den insgesamt<br />

12 764 Wahlberechtigten beteiligten sich<br />

10 507 an der Wahl. Dies ergab eine Wahlbeteiligung<br />

von 82,32 Prozent. Von den abgegebenen<br />

Stimmen konnten 10 381 als gültig ausgezählt<br />

werden. Von den Erststimmen entfielen<br />

auf Peter Rauen 47,7 Prozent, auf Dr. Elke<br />

Leonhard 39,9 Prozent. Die Wahlkreisbewerber<br />

der F.D.P. erhielten 3,9 Prozent, die der Grünen<br />

6,2 Prozent.<br />

Oktober 1998<br />

Verwaltungsbericht der letzten 30 Jahre<br />

Die Arbeiten für den Verwaltungsbericht, den<br />

die Stadt <strong>Wittlich</strong> Ende 1999 herausgeben<br />

möchte, wurden begonnen. Der Bericht soll<br />

über die Entwicklung in der Stadt <strong>Wittlich</strong> seit<br />

der Gebietsreform, beginnend mit dem Jahr<br />

1970, informieren. Den Bürgerinnen und Bürgern<br />

soll so die Arbeit der Stadtverwaltung<br />

<strong>Wittlich</strong> in Zusammenarbeit mit den Organen<br />

der Stadt und den anderen beteiligten Behörden<br />

und Institutionen der Stadtverwaltung<br />

<strong>Wittlich</strong> sowohl in ihrer Aufgabenvielfalt als<br />

auch in ihrem Wandel in möglichst transparenter<br />

Form dargestellt werden.<br />

November 1998<br />

Operation gelungen – Neue gefäßchirurgische<br />

Abteilung im Krankenhaus<br />

Die bereits im Juli in das St.-Elisabeth-Krankenhaus<br />

integrierte gefäßchirurgische Abteilung<br />

unter Leitung von Chefarzt Professor Dr.<br />

Paul Walter wurde eingeweiht. Das <strong>Wittlich</strong>er<br />

Krankenhaus befindet sich in der Phase der<br />

Umsetzung der Krankenhausplanung 2002.<br />

Diese Pläne beinhalten neben Planbettkürzungen<br />

auch den Ausweis eines – neben der Unfallchirurgie<br />

– zusätzlichen chirurgischen<br />

Schwerpunktes.<br />

Dezember 1998<br />

Referendum für Buß- und Bettag<br />

In der Stadt <strong>Wittlich</strong> sprachen sich 325 Personen<br />

von insgesamt 12 742 Wahlberechtigten für<br />

die Änderung des Feiertagsgesetzes und damit<br />

für die Wiedereinführung des Buß- und Bettages<br />

in Rheinland-Pfalz aus. Die Zustimmungsquote<br />

betrug somit lediglich 2,58 Prozent.<br />

Januar 1999<br />

»Duale Oberschule« (DOS)<br />

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und<br />

Weiterbildung errichtete die Versuchsschule<br />

»Duale Oberschule« (DOS) zum Schuljahresbe-<br />

61


ginn 1999/<strong>2000</strong> an den Hauptschulen Sehlemet<br />

und Wengerohr. In der Dualen Oberschule<br />

werden die Bildungsangebote von Haupt- und<br />

Realschule zusammengefasst und die Abschlüsse<br />

beider Schularten vermittelt. Es entsteht<br />

ein durchgängiger Bildungsweg, der über<br />

die Sekundarstufe I hinausführt, die Sekundarstufe<br />

II einbezieht und neue Möglichkeiten<br />

eröffnet. Dieser zielt nicht, wie das Gymnasium,<br />

auf Hochschul-, sondern auf Fachhochschulreife,<br />

schließt den Zugang in die Hochschule<br />

aber nicht aus. Außerdem bindet er den<br />

betrieblichen Partner im dualen System mit ein<br />

und stärkt damit die Gleichwertigkeit von allgemeiner<br />

und beruflicher Bildung.<br />

Gold und Silber für Lüxem<br />

140 Lüxemer Bürgerinnen und Bürger sowie<br />

Vertreter der Stadt <strong>Wittlich</strong> fuhren zur Preisver-<br />

Verleihung der Gold- und Silberplakette für den Stadtteil Lüxem in Berlin<br />

62<br />

leihung des Bundeswettbewerbes »Unser Dorf<br />

soll schöner werden – Unser Dorf hat Zukunft«<br />

nach Berlin, um dort die Silberplakette auf Bundesebene<br />

entgegenzunehmen. Auf Kreis-, Bezirks-<br />

und Landesebene gewann der Stadtteil<br />

Lüxem im Vorfeld die Goldplakette in diesem<br />

Wettbewerb.<br />

Februar 1999<br />

Volkshochschule<br />

Der Stadtrat <strong>Wittlich</strong> und der Verbandsgemeinderat<br />

<strong>Wittlich</strong>-Land beschlossen gemeinsam,<br />

zum 1. April die »Volkshochschule <strong>Wittlich</strong> –<br />

Stadt und Land« ins Leben zu rufen. Die Volkshochschule<br />

(VHS) soll für das Gebiet der beiden<br />

Kommunen die Weiterbildung im Sinne<br />

des rheinland-pfälzischen Weiterbildungsgesetzes<br />

übernehmen.


Wie bisher das Stadtbildungswerk, so wird<br />

auch die VHS ein umfangreiches, breit gefächertes<br />

Angebot an Kursen zusammenstellen<br />

und rechtzeitig vor dem nächsten Studienjahr<br />

in einer Broschüre vorstellen. Neben den Kursen<br />

in der Stadt werden auch in den Ortsgemeinden<br />

der Verbandsgemeinde Veranstaltungen<br />

stattfinden.<br />

Neuer Kulturamtsleiter<br />

Der Stadtrat beschloss, einen Kulturamtsleiter<br />

einzustellen, der künftig den <strong>Wittlich</strong>er Bürgerinnen<br />

und Bürgern die Kunst näher bringen<br />

soll. Die Bedeutung der Kulturarbeit für das soziale<br />

und menschliche Zusammenleben, aber<br />

auch die Weiterführung der seit vielen Jahren<br />

stattfindenden kulturellen Aktivitäten, verlangen<br />

nach einer neuen Organisationsform der<br />

Kulturarbeit in der Kreisstadt <strong>Wittlich</strong>.<br />

März 1999<br />

Marktschreier-Spektakel<br />

Nachdem die Veranstaltung mit den Marktschreiern<br />

bereits im vergangenen Jahr ein voller<br />

Erfolg war, kamen die Frauen und Männer<br />

»mit der großen Klappe« wieder nach <strong>Wittlich</strong>.<br />

Am Wochenende des 13. und 14. März öffneten<br />

zusätzlich 287 Einzelhandelsgeschäfte ihre<br />

Türen und lockten bei frühsommerlichen Temperaturen<br />

mit Attraktionen zahlreiche Gäste in<br />

die Einkaufsstadt <strong>Wittlich</strong>.<br />

Musiktage<br />

<strong>Wittlich</strong> war zum zweiten Mal neben Koblenz<br />

und Montabaur Austragungsort der Internationalen<br />

Musik-Meisterkurse Koblenz. In den<br />

Osterferien unterrichteten insgesamt 24 Meister<br />

aus aller Welt begabte Schüler, die ebenfalls<br />

aus den unterschiedlichsten Ländern kamen,<br />

und bereiteten diese auf den Sprung ins<br />

Berufsleben als Musiker vor. Das Besondere an<br />

der Veranstaltung war, dass jeder Interessierte<br />

die Meisterkurse und Konzerte besuchen und<br />

somit bei der Erarbeitung und Interpretation<br />

von Musikstücken live dabei sein konnte.<br />

Museum hinter Gittern<br />

In den Räumlichkeiten der Justizvollzugsschule<br />

wurde das Justizvollzugsmuseum eröffnet, in<br />

dem eine umfangreiche Sammlung von Vollzugsgegenständen,<br />

die bis ins 18. Jahrhundert<br />

zurückreichen, besichtigt werden kann.<br />

Justizminister Peter Caesar eröffnete das Justizvollzugsmuseum<br />

und nutzte die Gelegenheit, die<br />

ausgestellte Gefängniszelle selbst zu testen.<br />

April 1999<br />

Abschied vom französischen Bataillon<br />

Anlässlich der Auflösung und Verabschiedung<br />

der 8. Jägergruppe »Sidi Brahim« lud die Stadt<br />

<strong>Wittlich</strong> alle Bürgerinnen und Bürger zu einem<br />

Empfang in die Kultur- und Tagungsstätte Synagoge<br />

ein. Die Stadt <strong>Wittlich</strong> gab zu diesem<br />

Anlass den vom Fotoforum <strong>Wittlich</strong> erstellten<br />

Fotoband »8. Gruppe des Bataillons in <strong>Wittlich</strong><br />

1951 bis 1999« heraus. Die Fotoarbeiten wurden<br />

in einer gleichnamigen Ausstellung in der<br />

Kreissparkasse in <strong>Wittlich</strong> präsentiert.<br />

Mai 1999<br />

Wandertag und Dorffest<br />

Anlässlich des Lüxemer Erfolges beim Wettbewerb<br />

»Unser Dorf soll schöner werden – Unser<br />

Dorf hat Zukunft« lud der Radiosender SWR 4<br />

zum Wandertag nach Lüxem ein. Traumhaftes<br />

Wetter und ein attraktives Unterhaltungsprogramm<br />

lockten zahlreiche Besucher in den<br />

Stadtteil.<br />

Letzter Aufmarsch<br />

Am 8. Mai marschierten die französischen Soldaten<br />

des 8. Jägerbataillons »Sidi Brahim« auf<br />

dem Viehmarktplatz zu ihrer letzten öffentlichen<br />

Parade auf. Auf einer Großleinwand wurde<br />

die Geschichte des Regimentes in einem<br />

Film gezeigt. Viele Gäste nutzten die Gelegenheit,<br />

sich von den Franzosen, die in den vergangenen<br />

Jahrzehnten von der Besatzungsmacht<br />

zu Freunden geworden waren, zu verabschieden<br />

(Siehe auch Beitrag auf S. 76).<br />

63


An der feierlichen Abschiedsparade des 8. Jägerbataillons »Sidi Brahim« am 8. Mai in <strong>Wittlich</strong> nahmen<br />

auch die Veteranen teil.<br />

Juni 1999<br />

Konversion<br />

Ein »Informationsbüro für Konversion und Gewerbeansiedlung«<br />

wurde im ehemaligen Unteroffizierskasino<br />

in der Kasernenstraße in <strong>Wittlich</strong><br />

eingerichtet. In diesem Büro werden alle Fragen<br />

rund um das Konversionsgebiet beantwortet.<br />

Kommunalwahlen<br />

In den nächsten fünf Jahren wird die CDU mit<br />

16 Ratsmitgliedern im <strong>Wittlich</strong>er Stadtrat vertreten<br />

sein. Bei einem Stimmenzuwachs von<br />

9,22 Prozent konnte sie drei Sitze hinzugewinnen.<br />

Verlierer waren die Grünen und die F.D.P.,<br />

die jeweils nur noch zwei Sitze erhielten. Keine<br />

Veränderungen gab es bei der SPD, die wieder<br />

zehn Ratsmitglieder stellte. Bei der FWG blieb<br />

64<br />

es wie bisher bei zwei Ratssitzen. Enttäuschend<br />

war die Wahlbeteiligung der <strong>Wittlich</strong>er.<br />

Nur 54,5 Prozent der wahlberechtigten Bürger<br />

suchten die Wahllokale auf oder gaben ihre<br />

Stimmen per Briefwahl ab.<br />

Familienunternehmen im II. <strong>Wittlich</strong>er<br />

Unternehmerforum<br />

Das II. <strong>Wittlich</strong>er Unternehmerforum des Instituts<br />

für Mittelstandsökonomie Trier (InMit) fand<br />

zum zweiten Mal in <strong>Wittlich</strong> statt. Mehr als 200<br />

Unternehmer aus der Region und dem ganzen<br />

Bundesgebiet reisten nach <strong>Wittlich</strong>, um an der<br />

zweitägigen Veranstaltung zum Thema »Familienunternehmen:<br />

Lebenswerk mit Zukunft« teilzunehmen.<br />

Zu den Referenten zählten namhafte<br />

Persönlichkeiten.<br />

Schirmherrin des Unternehmerforums ist die<br />

Stiftung Stadt <strong>Wittlich</strong>.


Kleine Wetterchronik des <strong>Landkreis</strong>es<br />

Im »ersten Sommer«, dem »Jungweibersommer«,<br />

gab es vom 8. - 20. Mai 1998 13 Sonnentage<br />

in Folge. Am 12. und 13. Mai stieg die<br />

Temperatur sogar auf über 30° C an.<br />

Die zweite, dritte und vierte Sommerphase war<br />

jeweils nur kurz mit heißen Tagen vom 4. - 6.<br />

und 19. - 21. Juni sowie vom 19. - 21. Juli. Dazwischen<br />

herrschte die Schafskälte-Siebenschläfer-Periode<br />

(SSP) mit kühler und wolkenreicher<br />

Luft. Der »fünfte Sommer« währte vom<br />

5. - 20. August mit einem Temperaturhöchstwert<br />

von 38 Grad am 11. in Traben-Trarbach.<br />

Vom 21. August an bis zum 18. September war<br />

es sehr nass und kalt (wie 1993 ab dem 23. August).<br />

Ursache dafür waren die mit tropischem<br />

Wasserdampf angereicherten abgeschwächten<br />

Hurrikane »Bonny« (am 3. September),<br />

»Danielle« (am 8. September) und »Earl« (ab 10.<br />

September). Dann folgte Sommer Nummer<br />

sechs, der »Altweibersommer« vom 19. - 25.<br />

September. Nachdem der Hurrikan »George«<br />

nicht nach Europa kam, sondern die Karibischen<br />

Inseln und das Mississippigebiet heimsuchte,<br />

erreichten uns weitere vier abgeschwächte<br />

Hurrikane: »Ivan« (am 28.), »Karl«<br />

(vom 30. September. - 3. Oktober), »Jeanne«<br />

(6. Oktober), und »Lisa« (11. Oktober). Am 3.<br />

Oktober erreichte die Höchsttemperatur an der<br />

Mosel gerade einmal 6° C, was ein neuer Kälterekord<br />

für das erste Oktoberdezennium war.<br />

Der »goldene Oktober« war nur stundenweise<br />

zu geniessen. Das Kreisgebiet erlebte ein<br />

»Westwetter-Hochwasser« mit abschließendem<br />

Höhentief über Norwegen und einem Pegelstand<br />

von 9,41 m in Trier am 1. November.<br />

Es war bereits das fünfte Hochwasser über<br />

neun Meter in den 90er Jahren. [23. Dezember<br />

1993 (11,28 m), 23. Januar 1995 (10,33 m), 21.<br />

Januar 1997 »Eisstauhochwasser« und 27. Februar<br />

1997 (9,96 m)].<br />

Vom 15. November bis zum 9. Dezember erlebten<br />

wir den »ersten Winter« mit Schneefällen<br />

Mai 1998 bis Juli 1999<br />

Hubertus Schulze-Neuhoff<br />

am 15., 19., 26. und 29. November sowie vom<br />

4. - 7. und 9. Dezember. Schuld daran waren<br />

Hochs über dem Ostatlantik und Nordströmungen<br />

über Europa, die dem Erbeskopf am 9. Dezember<br />

eine Schneehöhe von 30 cm bescherten.<br />

Vom 11. Dezember ’98 bis 26. Januar ’99<br />

herrschte eine milde Tiefdruckserie mit einem<br />

kurzen Winterintermezzo vom 9. - 13. Januar<br />

(»zweiter Winter«). Vom 27. Januar bis 28. März<br />

erlebten wir den »dritten Winter« mit sieben<br />

Hochs über dem Atlantik und Tiefs über Europa<br />

mit Kälte und Schneefällen im Kreisgebiet vom<br />

27. Januar - 1. Februar, 5. -15., 17. und 18. (Erbeskopf<br />

36 cm), und 22. - 25. Februar sowie<br />

vom 5. - 8., 22 und 23. und am 28. März.<br />

Am 22. Februar kam das »Schneeschmelz-<br />

Hochwasser« (Trier 7,94 m am 11. März). Endlich<br />

dann vom 11.- 18 März konnten wir den<br />

»ersten Frühling« geniessen: Am Tag war es<br />

sonnig und trocken, nachts jedoch noch etwas<br />

kühl. Der »zweite Frühling« begann am 29.<br />

März und endete mit Starkgewitter am 6. April<br />

abends. Um den 14. April brach dann der vierte<br />

Winter ein, dafür kam vom 25. April an für zwei<br />

Wochen der »dritte Frühling«. Die Eisheiligen<br />

um den 15. Mai waren harmlos (1998 waren es<br />

sogar »Heißheilige«). In den Tagen zwischen<br />

17. Mai und 2. Juni erlebten wir den vierten<br />

Frühling bzw. ersten Sommer (Jungweibersommer).<br />

Er war sehr mild mit viel Sonne,<br />

brachte aber auch Regen und Gewitter<br />

(Wachs- und Grillwetter). Im Juni wechselten<br />

sich Sommer und Schafskälte regelmäßig ab,<br />

so erwischte uns um den 7. Juni die »Schafskälte«,<br />

dazwischen kam vom 14. - 20. Juni der<br />

»2. Sommer« (Heuwetter) und um den 21. Juni<br />

hatten wir die »zweite Schafskälte«. Sommer<br />

Nr. 3 erfreute uns vom 23. - 27. Juni (Heuwetter).<br />

Sommer Nr. 4 (vom 2.-4. Juli), Nr. 5 (vom<br />

9.-11.), Nr. 6 (16.-19.) und Nr. 7 (ab 23. Juli - 4.<br />

August »Hundstage«) brachten viel Sonne und<br />

Wärme im Juli 1999.<br />

65


Wenn eine Gemeinde, die auf eine ca. 2500jährige<br />

Vergangenheit zurückblickend ihr 1250jähriges<br />

Jubiläum feiert, ist dies nicht die Folge<br />

eines vermeintlichen Irrtums, sondern das Fest<br />

der ersten Erwähnung des Namens »Rivenich«<br />

in Urkunden.<br />

Das genaue Alter dieses kleinen Winzerortes in<br />

unserem Kreisgebiet lässt sich mangels schriftlicher<br />

Dokumente nicht belegen. Ausgrabungen<br />

decken aber eine frühe keltische Besiedlung<br />

dieser Region durch den Stamm der Treverer<br />

auf. Die günstige Lage des kleinen Ortes<br />

im Seitental der Mosel unmittelbar an der Salm<br />

blieb auch den Römern nicht verborgen, wie<br />

Reste der alten Römerstraße, römische Grundmauern<br />

und Urnen belegen. Über 1000 Jahre<br />

später, im Jahre 748, wird die Ortschaft erstmals<br />

als »Riveniacus« in einer Urkunde des Bischofs<br />

Chrodegang I. von Metz erwähnt. Die im<br />

Zweiten Weltkrieg verloren gegangene Urkunde<br />

bezeugt die Übernahme einer Grundherrschaft<br />

seines Bistums in Klüsserath und einen<br />

kleinen Hof in Rivenich durch die Abtei Gorze<br />

bei Metz. Auf sie stützt sich die Annahme, dass<br />

wir uns Rivenich im 8. Jahrhundert n. Chr. als<br />

einen kleinen Weinort vorstellen dürfen, dessen<br />

Gemarkung, Höfe und Bewohner mehreren<br />

Grundherren zuzuordnen waren.<br />

Heute, 1250 Jahre danach, ist Rivenich eine attraktive<br />

Weinbaugemeinde im Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />

die sich durch ihr ansprechendes<br />

Ortsbild, die engagierte und lebendige Gemeinschaft<br />

und Gastfreundschaft ihrer Bürger<br />

und die gelungene Verbindung von Wein,<br />

Kunst und Kultur in ihren Veranstaltungen auszeichnet.<br />

Mit den Feierlichkeiten von Beginn bis zum Ende<br />

des Jubiläumsjahres sollte nicht nur ein<br />

Blick auf die wechselvolle Geschichte der Gemeinde<br />

in den vergangenen Jahrhunderten gelenkt,<br />

sondern den Besuchern und Gästen die<br />

Entwicklung einer kleinen und lebhaften Weinbaugemeinde<br />

im Herzen der Moselregion, ihre<br />

Tradition und ihr kulturelles Leben sowie ihre<br />

Bemühungen um die Erhaltung einer vom<br />

Weinbau geprägten dörflichen Substanz ver-<br />

66<br />

1250 Jahre Rivenich<br />

Arnold Binzen<br />

mittelt werden. Weinbau, Landwirtschaft, Kultur<br />

und Kunst, die in Rivenich in den vergangenen<br />

Jahren eine gelungene Verbindung eingegangen<br />

sind, bildeten somit auch die inhaltlichen<br />

Schwerpunkte des feierlichen Rahmenprogramms.<br />

Im Januar 1998 stellte der Landtagsabgeordnete<br />

und gebürtige Rivenicher Günter Rösch<br />

sein Heimatbuch »Rivenich im Herzen« erstmals<br />

der Öffentlichkeit vor. Mit seinem Buch<br />

bekundet der Autor seine Liebe und Verbindung<br />

zu seiner Heimat Rivenich in historischen<br />

Beschreibungen und biographischen Erlebnisgeschichten.<br />

»Rivenich im Herzen« ist ein<br />

Werk, das dem Leser vom landschaftlichen<br />

Reiz dieser Gemeinde, der lebhaften und aufgeschlossenen<br />

Natur der Bürger, ihrem Leben<br />

für den Wein und ihrem kulturellen Engagement<br />

erzählt.<br />

Stilvoll restauriert präsentiert sich das »Alte<br />

Kelterhaus«, das als kleines Museum Tätigkeiten<br />

und Arbeitsgeräte des Winzers dokumentiert<br />

und in seinem Gewölbekeller dazu einlädt,<br />

mit Weinproben die Qualität der Rivenicher<br />

Weine in stimmungsvoller Atmosphäre zu kosten.<br />

Eine großformatige Fotoausstellung der<br />

Fotografin Irene Wagner im Foyer des Kelterhauses<br />

bietet den Besuchern eine Auswahl bemerkenswerter<br />

Perspektiven auf die reizvollen<br />

Winkel und charakteristischen Nischen der Gemeinde.<br />

Welche körperlichen Anstrengungen, Techniken<br />

und Handgriffe zum Einholen der Ernte die<br />

Zeiten vor der revolutionären Einführung landwirtschaftlicher<br />

Technik prägten, zeigte eine historische<br />

Getreideernte am 8. August 1998 am<br />

Ortseingang von Rivenich. Schlotterfass und<br />

Wetzstein, Sense und Sichel, Viez und Hausmacher<br />

sollten weniger ein romantisches Erlebnis<br />

als die Mühen und fast vergessenen<br />

Praktiken einer konventionellen, frei von technischen<br />

Hilfen geprägten Getreideernte einer<br />

vergangenen Zeit dokumentieren. Die Vorführungen<br />

der gemeinsamen Feldarbeit von<br />

Frauen und Männern waren lebendiger Geschichtsunterricht<br />

und vermittelten den Zu-


schauern wertvolle Einblicke in den Ablauf der<br />

Ernte, den Einsatz der einfachen Ernteinstrumente<br />

sowie die Techniken des Bindens und<br />

Aufrichtens der Garben zum Trocknen auf den<br />

Feldern. In ihrem Schatten ließ sich bei Viez,<br />

Bauernbrot und Hausmacher die an dem Tage<br />

herrschende extreme Hitze nur bedingt ertragen.<br />

Auftakt des offiziellen Festaktes am 21. August<br />

1998 stellte die Einweihung des neuen, aus Basalt<br />

geschaffenen Dorfbrunnens des Trierer<br />

Künstlers Günter Föhr am Brandweiherplatz<br />

dar. In Anwesenheit vieler Bürger und Gäste,<br />

musikalisch untermalt durch Beiträge der Instrumentalgruppe<br />

»Amabile« und dem Musikverein<br />

Hetzerath bezeichnete der Schirmherr<br />

der Jubiläumsfeier, Ministerpräsident Kurt<br />

Beck, den Brunnen als Symbol des Lebens und<br />

der Hoffnung dafür, das Rivenich auch zukünftig<br />

ein lebendiges und solidarisches Gemeinwesen<br />

sein werde.<br />

Der offizielle Festakt, der in Anwesenheit vieler<br />

prominenter Gäste und Vertreter der umliegenden<br />

Gemeinden durch Bürgermeister Günter<br />

Thul und Wilfried Wagner als Leiter des Festkomitees<br />

eröffnet wurde, erhielt seine künstlerische<br />

Umrahmung durch den Gesangverein<br />

und den Kirchenchor Rivenich, Darbietungen<br />

der Gesangsgruppe der Munzelsmännchen<br />

und der Tanzgruppe des Karnevalvereins<br />

»Salmtalnarren Rivenich«.<br />

Bei sommerlichen Temperaturen lockte die<br />

»Historische Handwerkerstraße« im Ortskern<br />

zahlreiche Besucher vom 22. bis 23. August<br />

1998 zum Jubiläumsfest an.<br />

Vieles gab es zu bewundern:<br />

Handwerkliche Stände von Küfern, Stellmachern,<br />

Besenbindern oder Bäckern, strickende<br />

und webende Frauen in historischen Kleidern,<br />

alte Wohnstuben und Schlafzimmer, das Wäschewaschen<br />

und Bleichen auf der Wiese, Materialien<br />

zur Milchverarbeitung, eine Münzpräge,<br />

die Oldtimer-Traktorenschau, Vorführungen<br />

mit der Dreschmaschine, Ausstellungen<br />

über Weinbau, Land- und Forstwirtschaft, eine<br />

Modenschau und historische Kindtaufe, das<br />

mittelalterliche Ritterlager sowie das Waldlager<br />

der Sagengestalt des Munzelsmännchens<br />

machten den Besuch zu einem Erlebnis. Kinder<br />

auf Stelzen mit einfachen alten Straßenspielen<br />

beschäftigt, eine fahrende Raupe und die ausgelassenen<br />

Aktivitäten des Munzelsmänn-<br />

chens sorgten für ein buntes und abwechslungsreiches<br />

Treiben auf den Straßen. Eine<br />

Sternfahrt des Radfahrvereins Schwalbe aus<br />

Trier führte sogar Radsportler in das Festgetümmel.<br />

Mit einem Großfeuerwerk am Sonntagabend<br />

und einer Autogrammstunde mit prominenten<br />

Fußballspielern am Montag fanden<br />

die Feierlichkeiten ihren gelungenen Abschluss.<br />

Im November folgten die Rivenicher Bürger einer<br />

Einladung des Ministerpräsidenten in den<br />

Landtag nach Mainz.<br />

Vom 13. bis 15. November 1998 präsentierten<br />

in der Ausstellung »Wein und Kunst« Rivenicher<br />

Winzer und Hobbykünstler ihre neuesten<br />

Produkte und künstlerischen Werke. In einer<br />

dekorativ ansprechenden Atmosphäre wurden<br />

»Federweißer mit Zwiebelkuchen«, junge Weine<br />

und Branntweine angeboten sowie Aquarell-<br />

und Pastellzeichnungen, Puppen und<br />

handwerkliche Arbeiten aus Holz, Stoff und<br />

Ton gezeigt.<br />

Eine feierliche Einstimmung auf die Weihnachtszeit<br />

bot die musikalische Eröffnung des<br />

Weihnachtsmarktes durch den Kinder- und Jugendchor<br />

Bad Ems und den Mädchenchor aus<br />

Moskau in der Pfarrkirche St. Brixius.<br />

Die Veranstaltungen zum Festjahr ließ die Gemeinde<br />

mit einem Konzertabend am 29. Dezember<br />

1998 ausklingen. Mit temperamentvoller<br />

russischer Zigeunermusik, stimmungsvoller<br />

Virtuosität und lustigen Partituren gelang es<br />

dem Ensemble »Trio Zigane« die Zuhörer zu<br />

begeistern und einen gebührenden Abschluss<br />

der 1250-Jahr-Feierlichkeiten zu präsentieren.<br />

Die Ausgewogenheit, Vielfalt und Attraktivität<br />

des Jubiläumsprogrammes traf bei den zahlreichen<br />

Besuchern auf eine erfreuliche Resonanz<br />

und Anerkennung der bemerkenswerten und<br />

tatkräftigen Leistung aller Bürger. Die Gemeinde<br />

konnte mit ihrer Gastfreundschaft und ihrem<br />

Engagement nicht nur die Herzen ihrer Besucher<br />

gewinnen, sondern ihren Gästen auch das<br />

Bild einer lebendigen Dorfgemeinschaft vermitteln.<br />

Die zweijährige Vorbereitungsphase hat<br />

die Rivenicher zu einer erfolgreichen Dorfgemeinschaft<br />

zusammengeschweißt und ihnen<br />

die Motivation für zukünftige Projekte kultureller<br />

Art verliehen. Dank dieser Hilfsbereitschaft<br />

und Begeisterung ihrer Bewohner konnte sich<br />

die Gemeinde in so positiver Weise präsentieren.<br />

67


Müssen wir an der Schwelle zum neuen Jahrtausend<br />

Angst vor der kommenden Jahreswende<br />

haben? Eine wesentliche Rolle spielt<br />

hier beispielsweise die Frage, ob die moderne<br />

Technik zum Jahreswechsel die Umstellung<br />

schafft und die Versorgung mit allen Annehmlichkeiten<br />

des täglichen Lebens und betrieblichen<br />

Ablaufs nicht zusammenbricht.<br />

Für das Handwerk hat das Datum 1. Januar<br />

<strong>2000</strong> nur eine geringe Bedeutung. Viel wichtiger<br />

ist der damit verbundene Begriff der Zukunft<br />

im wirtschaftspolitischen Sinne. Diese<br />

Zukunft hat längst begonnen, nicht nur in einer<br />

Europäischen Union und einer gemeinsamen<br />

Währung. Licht und Schattenseiten sind bekannt,<br />

manches ist beklemmend, verwirrend<br />

und unverständlich. Einige Fakten sollen das<br />

verdeutlichen.<br />

Die Währungsunion hat bisher nicht alle Bedenken<br />

zerstreuen können, die wir Deutsche<br />

wegen einer Abweichung vom Stabilitätskurs<br />

haben. Ob der Euro so hart bleibt wie die Deutsche<br />

Mark, hängt nicht mehr alleine von uns<br />

ab, ist aber entscheidend für die künftige Entwicklung.<br />

Teuer für die Volkswirtschaft sind Urteile des<br />

Europäischen Gerichtshofs und die schwer<br />

nachvollziehbare Rechtsprechung. EU-Kommission<br />

und EU-Parlament dringen mit ihren<br />

Entscheidungen immer tiefer in nationale<br />

Rechte ein und verändern damit gewachsene<br />

Strukturen usw.<br />

Brüssel wird immer mehr zum anonymen<br />

Machtfaktor. Die Gefahr des Verlustes nationaler<br />

und persönlicher Akzeptanz ist Realität. Als<br />

Beispiel hierfür mag die duale betrieblich-schulische<br />

Berufsausbildung auf der Grundlage des<br />

Meisterbriefes im Handwerk gelten. Da keine<br />

vergleichbare Regelung im europäischen<br />

Raum existiert, welche solche Erfolge aufweist,<br />

gerät unser deutsches System in die Kritik.<br />

68<br />

Das Handwerk des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> im Jahr <strong>2000</strong><br />

Chancen und Risiken<br />

Franz Ludwig Kappes<br />

Nicht weil es schlecht ist, sondern handfeste<br />

Wettbewerbsvorteile hat.<br />

Allein in Rheinland-Pfalz arbeiten 350 000<br />

Menschen im Handwerk, das bundesweit seit<br />

Mitte der achtziger Jahre rund zwei Millionen<br />

neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Die Unternehmen<br />

konnten sich entwickeln, hatten weitgehend<br />

verlässliche Rahmenbedingungen, Zugang<br />

zum Kapitalmarkt, geregelte Wettbewerbsbedingungen,<br />

Freizügigkeit, Expansionsmöglichkeiten<br />

und das Recht, für ihre Belange<br />

zu kämpfen, und dies notfalls vor Gericht zu erstreiten,<br />

und zwar vor Ort. Inwieweit der Europäische<br />

Gerichtshof gleiches Recht für ungleiche<br />

Voraussetzung schafft, bleibt abzuwarten.<br />

Ein Schlagwort mit vielen Unbekannten heißt<br />

»Globalisierung«. Die theoretische Möglichkeit,<br />

unabhängig von Staatsgrenzen Märkte und<br />

Produktionsstätten zu erschließen und zu<br />

schaffen, bedeutet im Umkehrschluss ein verschärfter<br />

Wettbewerb auf allen Gebieten, auch<br />

im Inland.<br />

Die deutsche Automobilindustrie z. B. wird ihre<br />

Standortstruktur in den kommenden Jahren<br />

weiter verändern. Es bedarf einer Präsenz auf<br />

allen relevanten Absatz- und Beschaffungsmärkten<br />

und parallel dazu eine Abdeckung der<br />

gesamten von den Märkten geforderten Produkt-<br />

und Servicebandbreite. Das käme wiederum<br />

den Kfz-Werkstätten als Dienstleistende<br />

zugute. Grundsätzlich gilt dies auch für den gesamten<br />

Dienstleistungssektor Handwerk. Kundenorientierte<br />

Lösungen und »maßgeschneiderte«<br />

Angebote auf dem Dienstleistungsbzw.<br />

Reparatursektor sind nicht durch Fließbandarbeit<br />

zu ersetzen und gelten als große<br />

Chance für unsere mittelständischen Handwerksbetriebe.<br />

Die wachsenden Absatzmärkte z. B. für handwerkliche<br />

Möbelherstellung oder individuelle,


von der großen Serie abweichende Herstellung<br />

handgefertigter Erzeugnisse, belegen den<br />

Trend zur persönlichen Note einer sich ständig<br />

vergrößernden Klientel.<br />

Moderne Produktionsverfahren, rechnergesteuerte<br />

Technik, straff geführtes Management<br />

und ein ausgebautes Vertriebsnetz sind auch<br />

heute schon für viele Handwerksbetriebe Standard.<br />

Unsere Region verfügt über eine gut ausgebildete<br />

und motivierte Mitarbeiterstruktur,<br />

welche die Wettbewerbsfähigkeit verbessert.<br />

Nicht nur in den Ballungsgebieten im deutschen<br />

Raum, auch in den europäischen Nachbarstaaten<br />

befindet sich die Kundschaft vieler<br />

Betriebe aus dem Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />

Hierbei muss allerdings festgestellt werden,<br />

dass trotz einem vereinten Europa ohne Grenzen<br />

einzelstaatliche Hürden Handel und Produktion<br />

erschweren. Sprachbarrieren sind eine<br />

weitere Behinderung im Ausbau von Geschäftsverbindungen.<br />

Nicht nur Betriebe, sondern auch Regionen<br />

konkurrieren heute um Angebote für Standorte<br />

gewerblicher Ansiedlung. Im Kreisgebiet wurden<br />

in der Vergangenheit erhebliche Fortschritte<br />

bei Betriebsansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen<br />

erzielt.<br />

Hierbei war auch das Handwerk entweder direkt<br />

beteiligt oder hat daran partizipiert. Die<br />

rund 12 000 Mitarbeiter in unseren Handwerksbetrieben<br />

wären ohne diese Leistungen nicht<br />

zu beschäftigen. Die Befürchtung, dass Fördermittel<br />

von Brüssel in andere Regionen umgeleitet<br />

werden, ist leider schon Realität und<br />

könnte die Entwicklung hier negativ beeinträchtigen.<br />

Im neuen Jahrtausend wird sich die Arbeitswelt<br />

in zunehmendem Tempo verändern. Gewachsene<br />

Strukturen werden in Frage gestellt,<br />

Märkte verändern sich ebenso wie das Nachfrageverhalten.<br />

Die Entwicklung elektronischer<br />

Medien, wie z. B. das Internet, ermöglicht weltweiten<br />

Ein- und Verkauf von Waren und Dienstleistungen<br />

und ist in der Konsequenz nicht absehbar.<br />

Aber auch das ist nicht als Bedrohung,<br />

sondern als Chance für die mittelständische<br />

Wirtschaft zu sehen, die heute schon die Möglichkeiten<br />

erkannt hat und sie zu nutzen weiß.<br />

Die Mitgliedsbetriebe unserer Innungen sind alle<br />

im Internet präsent und die Nutzung steigt,<br />

zumindest beim produzierenden Gewerbe.<br />

Erhebliche Bedeutung für die wirtschaftliche<br />

Entwicklung unserer Region im neuen Jahrtausend<br />

hat die Verkehrsinfrastruktur. Die problemlose<br />

Erreichbarkeit unserer Fremdenverkehrszentren,<br />

deren kundenfreundliches Angebot,<br />

marktgerechte Weinpreise und die Verbesserung<br />

des Managements unzähliger Anbieter<br />

könnten auch dem Handwerk Vorteile<br />

verschaffen.<br />

Ein weiteres Zusammenwachsen des Binnenmarktes<br />

im geeinten Europa bedingt Wettbewerbsgleichheit<br />

und damit Wettbewerbsfähigkeit,<br />

ohne damit gebietstypische Besonderheiten<br />

zu zerstören. Verzerrungen z. B. im Steuerund<br />

Abgaberecht, in den Sozialsystemen, dem<br />

Arbeitsrecht etc. sollten bald beseitigt werden.<br />

Das leistungsgemäße Aufbringen, die ökonomische<br />

Verteilung der Finanzmittel und letztendlich<br />

eine stabile Währung bedeuten auch<br />

für unser Handwerk die Sicherung und Weiterentwicklung<br />

der Betriebe.<br />

Große betriebswirtschaftliche Probleme durch<br />

zurückgehende Nachfrage haben alle Beteiligten<br />

zu verkraften. Vieles wäre für sie einfacher,<br />

wenn das Nachfrageverhalten verbessert würde<br />

durch den Glauben an die gesicherte eigene<br />

Existenz auch über das neue Jahr <strong>2000</strong> hinaus.<br />

Ziel<br />

Nicht ohneeinander<br />

auch nicht nebeneinander<br />

sondern<br />

freiwillig miteinander<br />

in einer Gemeinschaft<br />

in der nicht das Gemeine<br />

sondern das Gemeinsame<br />

überwiegt<br />

Elisabeth Freitag<br />

69


Die Eifelklinik in Manderscheid ist eine der neun<br />

eigenen Rehabilitationskliniken der LVA Rheinprovinz,<br />

dem größten Träger der Arbeiterrentenversicherung<br />

in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Nach mehr als dreijähriger Planungs-<br />

und Bauzeit wurde die Eifelklinik am 19.<br />

Oktober 1963 ihrer Bestimmung übergeben.<br />

Die LVA Rheinprovinz wollte in Manderscheid<br />

eine Klinik schaffen, in der naturgemäße Heilmethoden<br />

in den Dienst kranker und gesundheitsgefährdeter<br />

Menschen gestellt werden,<br />

um dem vorzeitigen Eintritt von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit<br />

entgegenzuwirken. Behandelt<br />

werden sollten vor allem Menschen, die<br />

unter Krankheiten leiden, die in der Eigenart<br />

unserer Zeit ihre Ursachen haben (sog. »Zeitkrankheiten«).<br />

Mit aktivierender Behandlung<br />

sollte die Anpassungsfähigkeit an die äußeren<br />

Verhältnisse gefördert werden. 1<br />

Umstrukturierung der Klinik<br />

In den ersten drei Jahrzehnten ihres Bestehens<br />

wurden in der Eifelklinik über 70 000 Patienten<br />

rehabilitativ behandelt. Unter ihren Chefärzten<br />

Dr. med. Bernd Janschulte (1963-1980), Dr.<br />

med. Friedrich-Wilhelm Schwefer (1980-1988)<br />

und Priv.-Doz. Dr. med. Wilfried Kollmeier<br />

(1988-1991) hatte sich die Eifelklinik im Laufe<br />

der Zeit zunehmend mehr zu einer Rehabilitationsklinik<br />

mit internistischem Schwerpunkt entwickelt.<br />

Wegen der Zunahme psychosomatischer<br />

Erkrankungen und dem wachsenden Bedarf<br />

an psychosomatischer Rehabilitation entschloss<br />

sich der Träger, die Eifelklinik zum 1.<br />

Januar 1993 auf dieses Indikationsgebiet umzustellen.<br />

Es wurde ein integratives psychoanalytisches<br />

Konzept erarbeitet. Für die Umstrukturierung<br />

der Klinik wurde ein Zeitraum von fünf Jahren<br />

veranschlagt. Erstmals in der Geschichte der<br />

stationären psychosomatischen Versorgung in<br />

Deutschland wurde eine Klinik quasi aus dem<br />

»laufenden Betrieb« heraus umgestellt. Vorhandenes<br />

Personal musste fort- und weitergebildet<br />

werden. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

wurden integriert. Neue Funktionsbe-<br />

70<br />

Die Eifelklinik Manderscheid<br />

Roland Koechel<br />

reiche (z. B. Sozialberatung und Spezialtherapien)<br />

wurden aufgebaut. Die Arbeit insgesamt<br />

musste neu organisiert und andere Kommunikationsstrukturen<br />

geschaffen werden. Umbaumaßnahmen<br />

waren erforderlich, Neubaumaßnahmen<br />

sind geplant. Der Umstrukturierungsprozess<br />

war nicht nur eine äußerst schwierige,<br />

sondern auch eine sehr komplexe Aufgabe, die<br />

von allen Beteiligten Höchstleistungen erforderte.<br />

Die Eifelklinik ist heute eine Spezialklinik<br />

für psychosomatische Erkrankungen und die<br />

ganzheitlichere Behandlung organischer<br />

Krankheiten.<br />

Die Klinik arbeitet mit einem Krankheitsverständnis,<br />

das nicht nur die Objektivität organischer<br />

Veränderungen in Rechnung stellt, sondern<br />

auch die Objektivität seelischen Geschehens<br />

im Individuum. Dieser Ansatz impliziert,<br />

dass auch organische Krankheiten, d. h. solche<br />

mit anatomischen Veränderungen, anteilig seelische<br />

Ursachen haben können, also potenziell<br />

einen psychogenetischen Faktor aufweisen. 2<br />

Krankheit ist so gesehen nicht anonym wirkender<br />

Zufall, sondern Reaktionsmöglichkeit eines<br />

Individuums in hilfloser Lage.<br />

Bei psychosomatischen Erkrankungen handelt<br />

es sich nur ausnahmsweise um Stressreaktionen<br />

oder Anpassungsstörungen auf Veränderungen<br />

im sozialen Umfeld. Reaktionen auf<br />

akut erfahrene Belastungen erhalten nur dann<br />

eine krankmachende Wirkung, wenn sie mit<br />

spezifischen Bereitschaften der Person, einer<br />

spezifischen Empfindlichkeit und/oder Störbarkeit<br />

der Person (als Disposition) zusammentreffen.<br />

Erst dieses integrierende Verständnis<br />

der Bedeutung »struktureller« wie »aktueller«<br />

Faktoren in Bezug auf eine bestimmte Person<br />

gibt eine ausreichende Basis für therapeutische<br />

Entscheidungen. Auf der Grundlage dieses<br />

Verständnisses lässt sich die Frage entscheiden,<br />

ob in einem bestimmten Fall eine begrenzte,<br />

im Wesentlichen auf den »aktuellen«<br />

Auslösungsfaktor konzentrierte Intervention<br />

angebracht ist, oder ob eine auf Beeinflussung<br />

der neurotischen Disposition, des strukturellen<br />

Faktors abgestellte Behandlungsform vorzu-


ziehen ist. Reflektierte Entscheidungen dieser<br />

Frage setzen wiederum ein Konzept voraus,<br />

das beide Faktoren in eine sinnvolle Beziehung<br />

zueinander bringt.<br />

Die Bedeutung der Eifelklinik für die<br />

Region Manderscheid<br />

Seit 1950 führt Manderscheid eine Statistik<br />

über den Fremdenverkehr. 3 Damals wurden<br />

24 337 Übernachtungen in Hotels, Pensionen,<br />

Gasthäusern und Fremdenheimen gezählt.<br />

1960 lag die Zahl der Übernachtungen knapp<br />

über 80 000 pro Jahr. Deutlichen Aufschwung<br />

brachte jedoch erst die Eröffnung der Eifelklinik.<br />

Im Jahr 1964 ergaben sich allein dadurch<br />

58 599 Belegungen. 1965 waren es bereits<br />

75 208 Übernachtungen.<br />

Am 1. Oktober 1964 erhielt Manderscheid die<br />

Anerkennung als heilklimatischer Kurort. Der<br />

Ausbau der Kureinrichtungen, die Inbetriebnahme<br />

des Kurhauses und die Fertigstellung<br />

des Kurparks machten Manderscheid für den<br />

Erholungssuchenden noch attraktiver.<br />

Die Eifelklinik ist mit durchschnittlich 160 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern einer der größten<br />

Arbeitgeber in der Verbandsgemeinde. Die Klinik<br />

verfügt über eine Kapazität von 180 Betten,<br />

die sich auf acht Stationen verteilen. Die Mehrzahl<br />

der Patientinnen und Patienten kommt aus<br />

den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln.<br />

Sie und die Besuche ihrer Angehörigen beleben<br />

die Gastronomie und das Beherbergungsgewerbe.<br />

Durch die gute Zusammenarbeit zwischen der<br />

Verbandsgemeinde- und Stadtverwaltung sowie<br />

der Klinikleitung wurde das kulturelle Angebot<br />

Manderscheids in den vergangenen Jahren<br />

ständig verbessert.<br />

Perspektiven<br />

Die Spargesetze im Gesundheitswesen, vor allem<br />

das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

der Bundesregierung und das<br />

Beitragsentlastungsgesetz führten in den vergangenen<br />

zwei Jahren zu drastischen Kürzungen<br />

in der medizinischen Rehabilitation. Es hat<br />

noch nicht den Anschein, als sei die Talsohle<br />

schon durchschritten.<br />

Mit Hilfe des Trägers und durch gemeinsame<br />

Anstrengungen vor Ort ist es gelungen, die<br />

Auswirkungen dieser Krise abzuschwächen.<br />

Die Eifelklinik wird jedoch in den nächsten Jahren<br />

einen zunehmend härter werdenden Konkurrenzkampf<br />

auf dem Gesundheitsmarkt<br />

führen müssen. Dabei geht es nicht nur darum,<br />

hochqualifizierte, spezialisierte Rehabilitationsmedizin<br />

auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher<br />

Erkenntnis zu betreiben, sondern sie<br />

auch kostengünstig anzubieten. Um in diesem<br />

Wettbewerb erfolgreich zu sein, bedarf es nicht<br />

nur der gemeinsamen Anstrengungen des Trägers<br />

und der Klinik, sondern auch der Unterstützung<br />

der Gemeinde und der Solidarität der<br />

Bürgerinnen und Bürger der Region Manderscheid.<br />

Anmerkungen:<br />

1 B. Janschulte: Die Kur im Eifelsanatorium Manderscheid, in: LVA-<br />

Rheinprovinz (Hg.): Eifelsanatorium Manderscheid. Düsseldorf<br />

1963, S. 3-16.<br />

2 R. Koechel: Der Platz der Psychotherapie in der Medizin. LVA-<br />

Rheinprovinz Mitteilungen, 85. Jahrgang, 11/1994, S. 457 ff.<br />

3 W. Densborn: Die Vulkaneifel um Manderscheid, in: G. Hesse, W.<br />

Schmitt-Kölzer- Manderscheid – Geschichte einer Verbandsgemeinde<br />

in der südlichen Vulkaneifel. Verbandsgemeinde Manderscheid<br />

(Hg.), 1996, S. 296-312.<br />

Die neu eröffnete Eifelklinik in Manderscheid im<br />

Jahr 1963<br />

71


Die Zisterzienserabtei Himmerod, seit ihrer<br />

Gründung durch den hl. Bernhard im Jahre<br />

1134 ein bedeutendes religiöses und geistigkulturelles<br />

Zentrum der Vulkaneifel, besitzt seit<br />

dem 14. August 1998 einen weiteren Anziehungspunkt:<br />

Im 900. Jahr des Bestehens des<br />

Zisterzienserordens wurde dort die Internationale<br />

Begegnungsstätte Museum »Alte Mühle«<br />

eröffnet.<br />

Die Mühle, das älteste erhaltene Klostergebäude<br />

in Himmerod (aus dem 17. Jahrhundert mit<br />

Fundamenten des 12./13. Jahrhunderts), war<br />

vom Verfall bedroht und konnte dank der Initiative<br />

der Abtei unter Abt Bruno Fromme, der<br />

Verbandsgemeinde Manderscheid unter Federführung<br />

von Bürgermeister Walter Densborn<br />

und des Creativ-Kreises International unter<br />

Vorsitz von Gertrud Rittmann-Fischer einer<br />

neuen Nutzung zugeführt werden. Der 1994<br />

gegründete Museums-Förderverein, das Land<br />

72<br />

Die »Alte Mühle« der Abtei Himmerod<br />

Museum und Internationale Begegnungsstätte<br />

Sabine Didong<br />

Museum und Internationale Begegnungsstätte »Alte Mühle«<br />

Rheinland-Pfalz, zahlreiche Sponsoren und Eigeninitiative<br />

ermöglichten die Baumaßnahme<br />

und Einrichtung des Museums. 1996 begannen<br />

die Sanierungsarbeiten, und die historische<br />

Bausubstanz wurde behutsam ihrer neuen Bestimmung<br />

angepasst. Heute präsentiert sich<br />

die Mühle als ein Bauwerk, das Geschichte und<br />

Funktionalität in harmonischer Weise verbindet.<br />

Die Konzeption als modernes Museum<br />

und Begegnungsstätte ist eng mit der vorhandenen<br />

Bausubstanz verwoben und erfüllt eine<br />

Vielfalt von Aufgaben, denn die Mühle ist Museum<br />

und Internationale Begegnungsstätte.<br />

Sie vereinigt daneben Dokumentationsstätte<br />

zur Geschichte des Zisterzienserordens, Museum<br />

für Emailkunst und Mühlenmuseum in<br />

Verbindung mit ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung.<br />

Als Internationale Begegnungsstätte ist die<br />

Mühle ein Ort des geistig-kulturellen Aus-


tauschs und des künstlerischen Schaffens.<br />

Das Foyer der Mühle als Veranstaltungsort ist<br />

ihr Zentrum. Mit bemerkenswerter künstlerischer<br />

Ausgestaltung bietet es Raum für Vorträge,<br />

Konzerte, Ausstellungen und Seminare.<br />

Treppenaufgänge und Galerie tragen 87 Emailplatten,<br />

von denen 42 anlässlich eines Symposiums<br />

in der St.-Rochus-Kapelle in Hasborn<br />

Blick ins Foyer der Alten Mühle in Himmerod<br />

von vielen internationalen Künstlern gestaltet<br />

wurden. 45 Platten schufen Gertrud und August<br />

Rittmann-Fischer sowie die kaukasischen<br />

Künstler Valentine und Nikolaj Vdovkin in der<br />

Werkstatt in Himmerod. Die Künstler ließen<br />

sich von Motiven aus der zisterziensischen<br />

Kunst inspirieren. Im Skriptorium des Museums<br />

ist ein mittelalterliches Musterbuch zu<br />

sehen, das solche Ornamente als Vorbilder für<br />

Buch- und Glasmalerei enthält.<br />

Klöster waren schon immer Zentren der Kunst.<br />

An diese Tradition anknüpfend wurde in der<br />

»Alten Mühle« eine Werkstatt für Emailkunst<br />

eingerichtet, wo, organisiert vom Creativ-Kreis<br />

International, bedeutende Künstler aus vielen<br />

verschiedenen Ländern in Seminaren ihr Wissen<br />

und ihre Kunstfertigkeit an Künstler und<br />

Kunstinteressierte weitergeben. Diese Meister<br />

hüten nicht eifersüchtig die von ihnen entwickelten<br />

Spezialtechniken, sondern sichern<br />

durch die Weitervermittlung den Fortbestand<br />

dieser traditionsreichen Kunst, ermöglichen<br />

Begegnung und kreativen Austausch über<br />

Grenzen hinweg.<br />

Die Zisterzienser-Dokumentation<br />

Im Obergeschoss und im Dachgeschoss der<br />

Mühle wird die 900-jährige Geschichte des Zi-<br />

sterzienserordens mit Schwerpunkt auf der Abtei<br />

Himmerod gezeigt. Skulpturen, Gemälde,<br />

Architekturfragmente, Handschriften und sakrale<br />

Gegenstände aus dem Besitz der Abtei in<br />

Verbindung mit übersichtlichen Schautafeln,<br />

Modellen und stimmungsvollen Großfotos vermitteln<br />

ein lebendiges Bild vom Leben und Wirken<br />

des Zisterzienserordens. Die Ausbreitung<br />

des Ordens in Europa und seine außerordentliche<br />

Bedeutung für die Gesellschaft des Mittelalters,<br />

die Persönlichkeit des hl. Bernhard von<br />

Clairvaux, zentrale Elemente der Ordensregel<br />

des hl. Benedikt, die Entwicklung Himmerods,<br />

aber auch Einblicke in das Leben der Mönche<br />

und Aufgaben des Klosters in der heutigen Zeit<br />

werden deutlich. Die Spiritualität und die Errungenschaften<br />

der Zisterzienser wirken in die Gegenwart<br />

hinein und bieten wichtige Anregungen<br />

für das Denken und Handeln der modernen<br />

Gesellschaft.<br />

73


Das Skriptorium<br />

Die einstmals bedeutende Klosterbibliothek<br />

Himmerods (im Jahre 1453 war ein Bestand<br />

von 2 000 Bänden erreicht!) erlitt im Laufe der<br />

Jahrhunderte eine schwere Dezimierung. Lang<br />

anhaltende Kriegszeiten, Brandkatastrophen<br />

und Raub zerstörten Handschriften und Inkunabeln,<br />

den »wahren Schatz der Mönche«.<br />

Heute sind die wenigen erhaltenen Manuskripte<br />

aus Himmerod in Bibliotheken auf der<br />

ganzen Welt verstreut.<br />

Das Skriptorium, die Schreibwerkstatt, war unmittelbare<br />

Voraussetzung, um eine Bibliothek<br />

entstehen zu lassen. Dort wurden Handschriften<br />

aus anderen Klöstern kopiert, die für das<br />

Studium der Mönche unabdingbar waren. Der<br />

intime Raum in der »Alten Mühle« ist ausgestattet<br />

mit Schreibpult und Schreibwerkzeugen,<br />

Materialien zur Vorbereitung und Bearbeitung<br />

des Pergamentes sowie Rohstoffen für die<br />

Farbherstellung. Wer sich auf diesen kleinen<br />

Raum mit seiner Fülle von Details einlässt, erhält<br />

eine Vorstellung von der Kostbarkeit, der<br />

Einzigartigkeit mittelalterlicher Handschriften.<br />

Und er sieht in Gedanken die Menschen: Die<br />

Mönche, die mit gestalterischer Kraft und Hingabe<br />

in vielen mühseligen Arbeitsgängen diese<br />

Werke der Schriftkunst entstehen ließen. Im<br />

Rahmen der Veranstaltungen zur Himmeroder<br />

Woche erhalten die Museumsbesucher sogar<br />

die Möglichkeit, dem Buchmaler Norman Hothum<br />

und dem Vergolder Manfred Breitmoser<br />

bei der Arbeit zuzusehen und sich über die einzelnen<br />

Arbeitsschritte zu informieren.<br />

Wer das Skriptorium verlässt, steht, in wirkungsvollem<br />

Gegensatz von mittelalterlichen<br />

und heutigen Medien, vor einem Computer und<br />

kann dort per Mausklick gezielt Informationen<br />

zur Geschichte des Ordens, zum Konvent oder<br />

zur Architektur abrufen.<br />

Zur Abrundung des Besuchs der Zisterzienser-<br />

Dokumentation bietet sich die Möglichkeit, eine<br />

Dreiprojektoren-Diaschau oder einen Videofilm<br />

über Himmerod anzusehen.<br />

Das Email-Museum<br />

So ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick<br />

scheint, ist die Kombination der Themen »Zisterzienser«<br />

und »Emailkunst« nicht, stand<br />

doch diese 3 000 Jahre alte Kunst oft in den<br />

Diensten der Kirche. Sakrale Gefäße, Bischofsstäbe,<br />

Kruzifixe, Monstranzen und Reliquien-<br />

74<br />

Die Email-Werkstatt<br />

schreine wurden mit dem farbigen Glasfluss<br />

versehen. Die aufgebrachten Ornamente sind<br />

nicht bloße Dekoration: Voll gestalterischer<br />

Ausdruckskraft, oft von symbolischem Gehalt,<br />

akribisch auf die Flächen berechnet und doch<br />

in oft vegetabiler Form ein lebendiger Bilduntergrund,<br />

steigern sie die Gegenstände in ihrer<br />

Kostbarkeit und Aussage, man denke z. B. an<br />

den Dreikönigsschrein des Nikolaus von Verdun<br />

im Dom zu Köln oder an das Reliquiar des<br />

Ugolino di Vieri im Dom zu Orvieto (Umbrien),<br />

bei dem ganze erzählerische Bildfolgen in<br />

Email gestaltet sind. Gegen die Ausschmückung<br />

sakraler Gegenstände bezog der<br />

hl. Bernhard von Clairvaux vehement Stellung;<br />

letztendlich setzte sich seine Forderung nach<br />

Schmucklosigkeit in den Gotteshäusern jedoch<br />

nicht durch.<br />

Im Erdgeschoss der »Alten Mühle« wurde nun<br />

das erste Museum für Emailkunst in Deutschland<br />

eingerichtet. Dies war das große Ziel des<br />

Creativ-Kreises International, einer Vereinigung<br />

von Emailkünstlern mit Mitgliedern auf der<br />

ganzen Welt. Seit 1966 führen Gertrud Rittmann-Fischer<br />

und ihr Mann August Fischer die<br />

Organisation der Ausstellungen, Symposien<br />

und Seminare durch, um die Emailkunst zu<br />

pflegen und weiterzuentwickeln und auf künstlerischer<br />

und kultureller Ebene Begegnung und<br />

freundschaftliche Verbindungen zu fördern.<br />

Der Schwerpunkt des Museums liegt auf der


zeitgenössischen Kunst. Vom großformatigen<br />

Bild bis zur Miniatur, vom Gefäß bis zum<br />

Schmuck wird die Bandbreite künstlerischen<br />

Schaffens mit Email präsentiert. Schrifttafeln<br />

erläutern die vielfältigen Techniken. Den Ländern<br />

Japan und Russland wurde je ein eigenes<br />

Kabinett gewidmet. In ihnen hat die Emailkunst<br />

eine große Tradition und genießt bis heute einen<br />

hohen Stellenwert. Besondere Aufmerksamkeit<br />

verdienen u. a. die Klangschale der japanischen<br />

Künstlerin Akiko Miura in Cloisonné,<br />

einer besonders in Asien verbreiteten Technik,<br />

bei der Silberdrähte auf den kupfernen Untergrund<br />

aufgeschmolzen werden oder »Christus<br />

am Kreuz« von dem italienischen Meister Orlando<br />

Sparaventi in à jour- oder Fenster-Email.<br />

Die Mühle<br />

Der Anspruch an Museen hat sich in den letzten<br />

Jahrzehnten ständig gewandelt. Bestand<br />

früher die Aufgabe vornehmlich darin, Objekte<br />

zu sammeln und zu erhalten, wissenschaftlich<br />

zu bearbeiten und zu präsentieren, wird heute<br />

vom Besucher oft die Möglichkeit gewünscht,<br />

Geschichte zu »erleben«. Dazu bietet die Himmeroder<br />

Mühle in besonderem Maße Gelegenheit,<br />

denn sie ist bei aller Umgestaltung für die<br />

neue Konzeption auch noch als Mühle funktionsfähig<br />

geblieben.<br />

Die Wasserkraft ist von besonderer materieller<br />

wie geistiger Bedeutung für die Zisterzienser,<br />

die ihre Siedlungsplätze bevorzugt in wasserreichen<br />

Tälern suchten und eine ausgereifte<br />

Wassertechnik entwickelten. Das Mahlwerk<br />

der Mühle von Puderbach wurde in Himmerod<br />

eingebaut, und die Salm treibt wie früher das<br />

Wasserrad an. Dass die Mühle zum größten<br />

Teil mit alternativer Energie beheizt wird (aus<br />

dem Fischteich mittels Wärmepumpe), entspricht<br />

zisterziensischem Geist, denn die Zisterzienser<br />

wussten schon immer die natürlichen<br />

Energien zu nutzen.<br />

In den Kellergewölben können weitere Mühlengerätschaften<br />

sowie eine schöne Auswahl von<br />

Takenplatten, vornehmlich aus Eisenschmitter<br />

Produktion, besichtigt werden. Außer dem<br />

ästhetischen Reiz dieser heute sehr wertvollen<br />

Sammlerstücke ist damit noch ein Hinweis auf<br />

den ehemals für die Region sehr wichtigen<br />

Faktor Eisenindustrie gegeben.<br />

In regelmäßigen Abständen wird die Mühle in<br />

Betrieb genommen und der Museumsbesucher<br />

kann vom Mahlen des Korns bis zum Brotbacken<br />

im historischen Steinofen die alte Tradition<br />

des Bäckerhandwerks erleben. Mit der<br />

Einrichtung der Backstube, in der sich eine antike<br />

Puppenstube befindet, die das damals viel<br />

gebrauchte Emailgeschirr in Miniaturformat<br />

zeigt, schließt sich der Kreis.<br />

Die Abteikirche Himmerod<br />

Internationale Begegnungsstätte Museum »Alte<br />

Mühle« Himmerod, Tel. 06575/9513-55<br />

Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 10.00-<br />

12.00 Uhr, 13.30 bis 17.00 Uhr,<br />

Sonntag 11.00-17.00 Uhr.<br />

Im Monat November ist das Museum geschlossen.<br />

Dezember bis März: Dienstag bis<br />

Freitag 14.00-17.00 Uhr, Samstag 10.00-<br />

12.00, 14.00-17.00 Uhr, Sonntag 11-17 Uhr.<br />

Führungen für Gruppen nach Anmeldung bei<br />

der Kurverwaltung Manderscheid<br />

Tel. 06572/9215-49, Fax 9215-51.<br />

Literatur:<br />

Bruder Markus, 900 Jahre Pionierleistung der Zisterzienser, in: Kreis<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Jahrbuch 1999, S. 135-142.<br />

Ambrosius Schneider, Die Zisterzienserabtei Himmerod, in: Günter<br />

Hesse/Wolfgang Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Geschichte einer<br />

Verbandsgemeinde in der südlichen Vulkaneifel, <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

1986, S. 59-100.<br />

Ornamenta Ecclesiae, Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums<br />

in der Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln 1985.<br />

Kunst-Kultur-Völkerverbindend, Katalog zur Ausstellung anläßlich der<br />

Eröffnung der Internationalen Begegnungsstätte, Himmerod 1998.<br />

75


Als sich am 7. Mai 1999 das 8. französische Jägerbataillon<br />

in einer bewegenden nächtlichen<br />

Zeremonie auf dem Viehmarktplatz in <strong>Wittlich</strong><br />

von der Bevölkerung verabschiedete, war das<br />

nach einem halben Jahrhundert französischer<br />

Präsenz in <strong>Wittlich</strong> ein historischer Einschnitt.<br />

An diesem Abend kam viel Wehmut auf, und die<br />

tiefe Verbundenheit der Menschen mit den abziehenden<br />

Franzosen war deutlich zu spüren.<br />

Wer hätte damals, vor 50 Jahren, beim Einmarsch<br />

der französischen Truppen gedacht,<br />

dass sich hier in <strong>Wittlich</strong> Deutschland und<br />

Frankreich einmal so nahe sein könnten – besonders<br />

in den ersten Jahren der Besatzungszeit<br />

war der Gedanke einer deutsch-französischen<br />

Aussöhnung kaum vorstellbar. Die<br />

76<br />

Von der Besatzungsmacht zu Partnern<br />

Die Garnison von <strong>Wittlich</strong> – eine deutsch-französische<br />

Erfolgsgeschichte<br />

Helma Thelen-Oberbillig<br />

Parade auf dem Marktplatz (Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />

Selbstverständlichkeit, die in den letzten Jahren<br />

die Anwesenheit der französischen Garnison<br />

begleitete, schien in den schwierigen Anfangsjahren<br />

eher illusionär.<br />

Die Erinnerung der Menschen in unserer Gegend<br />

wird sich weitgehend auf das 8. Jägerbataillon<br />

beschränken, weil es seit 1951 hier stationiert<br />

war – ein auch in der französischen Armee<br />

einsamer Rekord.<br />

Andere Regimenter sollten nicht vergessen<br />

werden, wie das 16. und 51. Artillerie-Regiment,<br />

die 4. Kürassiere und das 42. mechanisierte Infanterieregiment.<br />

Sie alle gehörten zur 3. Brigade<br />

der 1. Panzerdivision. Das Hauptquartier<br />

der Brigade befand sich bis zu ihrer Auflösung<br />

im Jahre 1978 in <strong>Wittlich</strong>. Aber alle diese Einhei-


Marschieren in der Kaserne (Foto: Heinz Lamberty, Salmtal)<br />

ten blieben längstens 10 Jahre in <strong>Wittlich</strong> und<br />

sind nur wenigen Bürgern im Gedächtnis geblieben.<br />

Das 8. Bataillon hingegen hat sich in den vergangenen<br />

Jahren immer wieder den Menschen<br />

in der Eifel und an der Mosel präsentiert, weil es<br />

viele seiner Aktivitäten außerhalb des Kasernenbereichs<br />

verlegt hat.<br />

Kommandoübergaben und Vereidigungen von<br />

Rekruten wurden an vielen Orten organisiert<br />

und boten ein eindrucksvolles Beispiel für<br />

vertrauensvolle Zusammenarbeit vor Ort,<br />

wie z. B. in Bettenfeld, Schweich, Kyllburg,<br />

Schloss Malberg, Brunoy und natürlich auch in<br />

<strong>Wittlich</strong>.<br />

Die alten Traditionen, die seltenen blauen Uniformen<br />

und die bekannte Musikkapelle des 8.<br />

Jägerbataillons haben natürlich diesen nachhaltigen<br />

Eindruck mitgeprägt. Die Einheit<br />

gehörte zu den traditionsreichsten und ältesten<br />

Regimentern Frankreichs. Aufgestellt im Jahre<br />

1840 unter dem Bürgerkönig Louis-Philippe<br />

wurde sie hauptsächlich bei der 1830 begonnenen<br />

Eroberung Algeriens eingesetzt. Und hier,<br />

im Südwesten der neuen Kolonie, wurde das<br />

Regiment im September 1845 in schwere<br />

Kämpfe verwickelt, die sich über mehrere Tage<br />

Fahrt in den Heimaturlaub<br />

(Foto: Paul Valerius, Dreis)<br />

77


hinzogen. Die letzten Überlebenden der Einheit<br />

zogen sich hinter die Mauern des Marabouts<br />

von Sidi-Brahim zurück, wo sie dann am<br />

23.September 1845 fast vollständig aufgerieben<br />

wurden.<br />

Seit dieser Zeit trägt das Bataillon den Namen<br />

von Sidi-Brahim auf seiner Fahne und auf den<br />

Uniformen.<br />

Im Ersten Weltkrieg war das Regiment vor der<br />

Festung Douaumont bei Verdun und an der<br />

Somme eingesetzt und erlitt schreckliche Verluste.<br />

Dafür wurde ihm im Januar 1919 die Ehrenschnur<br />

in der roten Farbe der Ehrenlegion<br />

verliehen.<br />

Seit 1951 war das »Achte« in <strong>Wittlich</strong> stationiert<br />

78<br />

Ungute Gedanken<br />

Absaugen<br />

Kostbare Erinnerungen<br />

Abstauben<br />

Den inneren Schweinehund<br />

Duschen<br />

Liebevoll trocken föhnen<br />

Alte Freundschaften<br />

Aufpolieren<br />

und hat mit seiner gastgebenden Nation dauerhafte<br />

freundschaftliche Verbindungen geknüpft,<br />

die weit über die reine Symbolik hinausreichten.<br />

Diese einzigartige Geschichte eines französischen<br />

Traditions- und Eliteregiments in einer<br />

kleinen deutschen Stadt wurde in den Jahren<br />

vor dem Abzug in 80 Aufnahmen von den Mitgliedern<br />

des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> dokumentiert,<br />

die in meiner Ausstellung in der Kreissparkasse<br />

<strong>Wittlich</strong> präsentiert werden. Die Fotografen haben<br />

unvergessliche Momentaufnahmen des<br />

täglichen Lebens und der Glanzpunkte der französischen<br />

Militärpräsenz in und um <strong>Wittlich</strong><br />

festgehalten – Dokumente einer wunderbaren<br />

Freundschaft.<br />

Alte Bäckerei in der FAMO zwischen Wengerohr und Platten (Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)<br />

Von Innen nach Aussen<br />

Traurigkeit aus dem Herzen<br />

Wischen<br />

Lebensfenster<br />

Spiegelblank wienern<br />

Weit öffnen<br />

Schatten aus der Seele<br />

Schütteln<br />

Und gut durchlüften<br />

Hildegard Kohnen


Die A 60 im <strong>Landkreis</strong><br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Bilddokumentation des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> und des<br />

Medienzentrums <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Die A 60 befindet sich seit Ende des Jahres<br />

1998 im Bau. Mit den Planungen wurde bereits<br />

vor 30 Jahren im Jahre 1969 begonnen. Die<br />

Abbildungen zeigen den augenblicklichen<br />

Stand der Bauarbeiten im 14 km langen Teilstück<br />

der A 60 im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />

Die A 60 tritt mit der Kailbach-Talbrücke<br />

(Länge 340 m; Höhe 45 m) bei Hof-Hau in unseren<br />

Kreis ein. Die sich anschließende Salmtalbrücke<br />

bei Landscheid wird mit 653 m Länge<br />

und 70 m Höhe die größte Brücke dieses Abschnittes.<br />

Landscheid erhält eine Anschlussstelle<br />

für das Gewerbegebiet der Gemeinde.<br />

Wenige Kilometer weiter führt später die Rommelsbach-Talbrücke<br />

mit einer Länge von<br />

434 m und einer Höhe von 27 m zum Damm an<br />

Paul Valerius<br />

der Fintenkapelle (beidseitiger Parkplatz mit<br />

Zugang zur Kapelle) vorbei in die <strong>Wittlich</strong>er<br />

Senke zum Kreuzungspunkt A 60 / L 141 bei<br />

Dreis (mit Anschlussstelle). Die deutlich erkennbare<br />

Trasse führt durch den Altricher Wald<br />

(Rastplatz Mundwald) zum Autobahnkreuz<br />

A 60 / A 1 und endet vorläufig dort.<br />

Zu der überdurchschnittlich hohen Anzahl von<br />

20 Kreuzungsbauwerken zählt ebenfalls die<br />

Talbrücke Königsbuche bei Altrich (Länge<br />

171 m, Höhe 16 m), die zum Schutz der Königsbuche<br />

und des angrenzenden Feuchtgebietes<br />

errichtet wird. Für die Anlieger in Landscheid<br />

und Bergweiler sind aufwendige Lärmschutzmaßnahmen<br />

vorgesehen. Ende 2002<br />

sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.<br />

Fintenkapelle vor Aufschüttung des Dammes (Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />

79


Blick zurück ins Jahr 1983: Beim Treffen von Gegnern<br />

und Befürwortern der A 60 in Niederkail<br />

(Foto: Archiv Paul Valerius, Dreis)<br />

Schneise für die Salmtalbrücke zwischen Landscheid<br />

und Bergweiler (Foto: Paul Valerius, Dreis)<br />

Bau der Rommelsbach-Talbrücke bei Bergweiler<br />

(Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)<br />

80<br />

Überführung der B 50 bei Landscheid-Burg<br />

(Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />

Autobahntrasse in der <strong>Wittlich</strong>er Senke im Bereich<br />

Dreiser Flur und Altricher Wald<br />

(Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />

Rodungsflächen Anschlussstelle A 60 / A 1 bei<br />

Altrich (Foto: Paul Valerius, Dreis)


Kontinuität und Erneuerung<br />

Die neue Hauptstelle der Kreissparkasse<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Manchmal braucht es ein bisschen Fantasie<br />

oder den Mut, eine Sache ganz anders zu sehen,<br />

und plötzlich eröffnen sich neue Perspektiven.<br />

Gerade wer das Bewahrenswerte bewahren<br />

will, muss verändern, was der Erneuerung<br />

bedarf.<br />

Günter Kohl<br />

Visionen beginnen mit Fragen. So auch bei der<br />

Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Und die<br />

wohl wichtigste: Was können wir tun, was müssen<br />

wir ändern, um auch in Zukunft das Vertrauen<br />

unserer Kunden wert zu sein. Um die<br />

Menschen in der Region, deren Namen wir tra-<br />

Außenfront des neuen Kreissparkassengebäudes in <strong>Bernkastel</strong>-Kues, Stadtteil Kues, bei Nacht<br />

81


gen, in das Zeitalter des modernen Bankgeschäftes<br />

zu führen und jederzeit für sie da zu<br />

sein?<br />

Im November 1995 beschloss der Verwaltungsrat<br />

den Umbau und die Renovierung des<br />

Hauptstellengebäudes in <strong>Bernkastel</strong>-Kues. Die<br />

alten Räumlichkeiten hatten den gestiegenen<br />

Raumansprüchen, den hohen Sicherheitsanforderungen<br />

und vor allem dem Anspruch der<br />

Kunden auf diskrete Bedienung und Beratung<br />

nicht mehr genügen können und bedurften einer<br />

grundlegenden Modernisierung.<br />

Aufgabe des Architekten Joseph Schmitz aus<br />

Traben-Trarbach war es, aus einem Gebäudekomplex,<br />

der seinen Ursprung im Jahre 1966<br />

hatte und zwischenzeitlich mehrmals an- und<br />

umgebaut wurde, in Abstimmung mit dem<br />

Bauherrn ein Geschäftsgebäude zu planen und<br />

Innenansichten der neuen Kreissparkassen-Hauptstelle<br />

82<br />

baulich zu betreuen, das dem Stellenwert einer<br />

Sparkassenhauptstelle mit all ihren zentralen<br />

Funktionen gerecht werden kann.<br />

Zu berücksichtigen waren dabei viele Komponenten,<br />

wie zum Beispiel einerseits funktionale<br />

Erfordernisse eines kundenorientierten Bankbetriebes<br />

unter Einsatz modernster Technik,<br />

adäquater Arbeits- und Raummöglichkeiten,<br />

sowie hohe Sicherheitsanforderungen unter<br />

Berücksichtigung eines gesunden, zukunftsorientierten<br />

Wachstums. Andererseits sollte aber<br />

auch die hohe Vertrauenswürdigkeit und Solidität<br />

für die Bevölkerung deutlich gemacht<br />

werden.<br />

In völlig neuem Outfit präsentiert sich das Gebäude<br />

nach zweieinhalbjähriger Umbauphase.<br />

Die Fassade erhält ihre Spannung und Formgebung<br />

durch die unterschiedlichen Materialien


und gestalterischen Sonderelemente. Stahl-<br />

Glas-Konstruktionen, Sandstein und geschwungene<br />

Dachflächen bilden ein stark differenziertes,<br />

in sich jedoch ausgewogenes<br />

Äußeres. Mit seiner ansprechenden und zukunftsweisenden<br />

Architektur weckt das Gebäude<br />

Erwartungen, die sich im Inneren mehr<br />

als erfüllen.<br />

Ziel des Innenausbaues war es, ein freundliches<br />

Ambiente zu schaffen, in dem sich die<br />

Kunden leicht orientieren können und wohl<br />

fühlen.<br />

Günstiges Tageslicht und gute Raumakustik<br />

unterstützen dies, gepaart mit funktionellen Arbeitsplätzen<br />

und hervorragenden Arbeitsbedingungen<br />

für die Bankangestellten.<br />

Die Kundenhalle ist der zentrale räumliche Mittelpunkt<br />

des Sparkassengebäudes. Durch das<br />

Glaskuppeldach erhält sie eine besondere<br />

Raumqualität. Hier findet der Kontakt zwischen<br />

Kunden und deren Beratern statt. Die herkömmlichen<br />

Schalter sind verschwunden,<br />

denn an die Stelle dieser Schranken tritt Offenheit.<br />

Kurzum: Die neue Kundenhalle ist eine<br />

Bank ohne künstliche Distanz, wo Menschen<br />

für Menschen Zeit haben, weil Partnerschaft<br />

und Vertrauen nun einmal auf persönlichem<br />

Kontakt beruhen. Ebenfalls offen ist der Übergang<br />

zwischen Foyer und Kundenhalle. Tagsüber<br />

ist dies eine Einheit. Auch nach Feierabend<br />

steht die ganze Palette der Selbstbedienungsgeräte<br />

rund um die Uhr zur Verfügung. Installiert<br />

wurde auch eine Internetsäule, die es ermöglicht,<br />

im »World Wide Web« zu surfen. Ein<br />

Multifunktions-Terminal für Konto-Geschäfte<br />

und eine Multimediapräsentation ergänzen das<br />

Angebot. Der Jederzeit-Safe, in dem die Kunden<br />

Wertsachen und wichtige Dokumente sicher<br />

aufbewahren, ist ebenfalls rund um die<br />

Uhr zugänglich und macht das SB-Angebot<br />

komplett. Den äußeren Rahmen der Kundenhalle<br />

bildet das Kompetenzzentrum für das Privatkundengeschäft.<br />

Über eine Freitreppe ist<br />

die Firmenkundenabteilung und der Sparkassenvorstand<br />

bequem zu erreichen.<br />

Dem Planer ist es hervorragend gelungen, die<br />

futuristische Formgebung mit funktionalen<br />

Kunden- und Arbeitsräumen zu verbinden. Die<br />

Flächen der Büro- und Beratungsräume wurden<br />

um 600 Quadratmeter vergrößert. 150 der<br />

kreisweit 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

haben hier ihren Arbeitsplatz. Sie geben dem<br />

(Bau)körper Leben.<br />

In ihrer 141-jährigen Geschichte hat die Kreissparkasse<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> damit ein neues<br />

wichtiges Kapitel aufgeschlagen. Auch bei diesem<br />

großen Projekt war sich die Sparkasse ihrer<br />

Verantwortung für die Region bewusst. Von<br />

der Auftragsvergabe profitierte in allererster Linie<br />

die heimische Wirtschaft. Mehr als 90 Pro-<br />

83


zent der am Bau beteiligten Firmen kamen aus<br />

dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Dass überwiegend<br />

Unternehmen aus dem Geschäftsgebiet<br />

berücksichtigt werden konnten, hatte gute<br />

Gründe: Einerseits vertraut man der hohen<br />

Qualität und anerkannten Zuverlässigkeit hiesiger<br />

Firmen, andererseits versteht sich die<br />

Kreissparkasse als enger Partner der Wirtschaft<br />

und Menschen in unserem <strong>Landkreis</strong>.<br />

Wie gut das Bauwerk gelungen ist, beweist unter<br />

anderem die Tatsache, dass es von einer<br />

Jury der Architektenkammer als eines der am<br />

Tag der Architektur im Juni 1999 zu präsentierenden<br />

Objekte ausgewählt wurde. Unter mehr<br />

als 120 Bewerbern wurden 40 öffentliche und<br />

private Häuser zur Besichtigung zeitgenössischen<br />

Bauens freigegeben.<br />

Mit der Fertigstellung dieses Umbaues hat sich<br />

die Kreissparkasse fit gemacht für den Weg ins<br />

21. Jahrhundert. Neue Produkte, neue Technologien<br />

und neue Serviceangebote sind heute<br />

an der Tagesordnung und bieten eine ideale<br />

Plattform, um die Leistungsfähigkeit unter Beweis<br />

zu stellen.<br />

So sah das alte Kreissparkassengebäude in <strong>Bernkastel</strong>-Kues, Stadtteil Kues, früher aus …<br />

84


Blick in das neue Kundenzentrum der Kreissparkasse<br />

… heute präsentiert es sich in neuem, zeitgemäßen Gewand<br />

85


Die Landschaften und ihre touristischen<br />

Attraktionen<br />

Die Freizeit- und Fremdenverkehrsinfrastruktur<br />

und das touristische Geschehen bauen in hohem<br />

Maße auf das kulturelle Erbe und die naturräumlichen<br />

Besonderheiten des Moseltals,<br />

der Eifel und des Hunsrücks auf. Ziel der kommunalen<br />

Politik und der regionalen Tourismusorganisationen<br />

ist es, diese Gebiete mit ihren<br />

Profilen zu stärken und am Markt zu positionieren.<br />

Maare, bewaldete Bergrücken und tief eingeschnittene<br />

Flusstäler kennzeichnen die einzigartige<br />

Landschaftsform der Eifel. Die Geo-<br />

Routen in der »Vulkaneifel um Manderscheid«<br />

sind ein beliebtes Ziel vieler Gäste und Naturfreunde.<br />

Nicht nur Erholungssuchende kommen<br />

in der Millionen Jahre alten Vulkanlandschaft<br />

auf ihre Kosten; auch erdgeschichtlich<br />

Interessierte, Geowissenschaftler und Vulkanologen<br />

sind von der Großartigkeit dieser Eifelregion<br />

begeistert. Mit der Eröffnung des Maarmuseums<br />

in Manderscheid am 7. Juni 1999<br />

wurde ein weiterer attraktiver Anziehungspunkt<br />

geschaffen. Das moderne und einzigartige<br />

Maarmuseum bringt sowohl den auswärtigen<br />

Gästen als auch den einheimischen Besuchern<br />

die faszinierende natürliche Vielfalt der Eifelmaare<br />

näher.<br />

Grabungen des Naturhistorischen Museums<br />

Mainz haben das Eckfelder Trockenmaar weithin<br />

bekannt gemacht. Unter den zahlreichen<br />

spektakulären Funden ist besonders das 50<br />

Millionen Jahre alte »Eckfelder Urpferdchen«<br />

zu nennen.<br />

Vor über <strong>2000</strong> Jahren brachten die Römer den<br />

Weinbau an die Mosel und prägten damit Land<br />

und Leute dieser Region. Zahlreiche Bauwerke<br />

aus der Römerzeit zeugen von dieser Epoche.<br />

Die Weinkulturlandschaft Mosel ist reich an<br />

kulturellen Sehenswürdigkeiten, Museen, Bur-<br />

86<br />

Der Tourismus im <strong>Landkreis</strong><br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor<br />

mit Wachstumspotential<br />

Markus Lautwein<br />

gen und Schlössern. Das Moseltal ist eine der<br />

attraktivsten Flusslandschaften Deutschlands.<br />

Majestätisch breiten sich unverwechselbare<br />

Flussschleifen, Umlaufberge und endlos erscheinende<br />

Weinberge vor dem Betrachter<br />

aus. Bei einer Weinprobe direkt beim Winzer,<br />

verbunden mit einer Kellerbesichtigung, lernt<br />

der Gast die Grundlagen des Weinbaus kennen.<br />

Die Mosel stellt zusammen mit Saar und<br />

Ruwer das größte Rieslinganbaugebiet der<br />

Welt. In <strong>Bernkastel</strong>-Kues befindet sich im<br />

St.-Nikolaus-Hospital ein Weinkulturelles Zentrum<br />

mit Weinmuseum und Vinothek, in der 50<br />

Weingüter über 100 Weine aus verschiedenen<br />

Gemeinden des Anbaugebietes präsentieren.<br />

Gleich nebenan im Cusanusstift befindet sich<br />

die bedeutendste Privatbibliothek Europas (Nikolaus<br />

von Cues). Auf besonders angenehme<br />

Weise lässt sich das Moselland mit dem Fahrrad<br />

erkunden; immer den Fluss entlang auf<br />

dem Moselradweg, durch Weinberge und reizvolle<br />

Winzerdörfer.<br />

Der Hunsrück wird umschlossen von Mosel,<br />

Nahe, Saar und Rhein. Landwirtschaftlich genutzte<br />

Hochflächen, große Waldgebiete und<br />

tiefe Flusstäler prägen diese Landschaft, deren<br />

Luftqualität zu den Besten des Landes zählt.<br />

Mit 818 m lädt der Erbeskopf als höchste Erhebung<br />

des Landes Rheinland-Pfalz zum Wandern<br />

ein und bietet vielfältige Wintersportmöglichkeiten.<br />

Mit dem im Bau befindlichen »Hunsrückhaus«<br />

am Erbeskopf, einer Wintersport-,<br />

Natur- und Umweltbildungsstätte, erhält der<br />

Hunsrück einen faszinierenden Kristallisationspunkt.<br />

Das Ausstellungs- und Informationsgebäude<br />

wird dazu beitragen, den Erholungswert<br />

der Hunsrückregion mit seiner Ruhe<br />

und sauberen Luft sowie der intakten, natürlichen<br />

Umwelt bekannt zu machen. In der Naturund<br />

Umweltbildungsstätte werden neben Aus-


stellungen geführte Wanderungen und Lehrpfade<br />

angeboten. Als Schwerpunkt erhält der<br />

Besucher Einblicke in das Spannungsfeld<br />

Sport-Freizeit-Umwelt und in die Themenbereiche<br />

erneuerbare Energien, Luftschadstoffe,<br />

Klima sowie Holz- und Forstwirtschaft. Nicht<br />

zuletzt ist der Naturpark Saar-Hunsrück Thema<br />

der Ausstellung und der Seminarinhalte. Eine<br />

intensive Zusammenarbeit mit der Messstation<br />

des Umweltbundesamtes im benachbarten<br />

Deuselbach ist geplant. Die Eröffnung wird<br />

im Frühjahr <strong>2000</strong> stattfinden. Die Ausstellungsthematik<br />

des Hunsrückhauses wird ergänzt<br />

durch ein Holzmuseum, das in der Gemeinde<br />

Weiperath entsteht.<br />

Spitzenposition im Land Rheinland-Pfalz<br />

Der <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> behauptet<br />

hinsichtlich der Fremdenverkehrsentwicklung<br />

innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz ei-<br />

ne Spitzenposition. Bei insgesamt rd. 20 Millionen<br />

Übernachtungen in Rheinland-Pfalz<br />

(1998) entfällt rund jede achte Übernachtung<br />

(ca. 2,6 Millionen) auf den <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />

Hinzuzurechnen sind darüber hinaus<br />

rd. 208 000 Übernachtungen auf Campingplätzen<br />

im Kreisgebiet. Die Verteilung des<br />

Übernachtungsaufkommens zwischen den<br />

drei Regionen des Kreisgebietes zeigt, dass<br />

der größte Teil der Übernachtungen auf die Gemeinden<br />

des Moseltals entfällt. Weitere<br />

Schwerpunkte liegen für das Eifelgebiet in der<br />

Verbandsgemeinde Manderscheid (rd. 214 000<br />

Übernachtungen) sowie für den Hunsrück in<br />

der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />

(rd. 114 000 Übernachtungen). Im Kreisgebiet<br />

sind im Jahr 1998 402 Betriebe mit einem<br />

Bettenangebot von 23 602 registriert. Die registrierten<br />

622 121 Gäste verteilen sich auf folgende<br />

Betriebsarten:<br />

Beherbergungsbetriebe im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> (Stand: 1998)<br />

3)<br />

1)<br />

4)<br />

Quelle: Stat. Landesamt<br />

2)<br />

87


Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der<br />

Gäste beträgt ca. 4,2 Tage. Rund jede sechste<br />

Übernachtung entfällt im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> auf einen ausländischen Gast. Die<br />

wichtigsten Herkunftsländer sind hierbei die<br />

Niederlande und Belgien. Darüber hinaus gewinnen<br />

Gäste aus Skandinavien und Großbritannien<br />

zunehmend an Bedeutung.<br />

Die meisten Übernachtungen im Kreisgebiet<br />

werden im Monat Oktober, bedingt durch die<br />

Weinlese im Moseltal, registriert. Ebenfalls sehr<br />

hohe Übernachtungszahlen weisen die Monate<br />

September, August und Juli auf. Stark zurück<br />

gehen die Übernachtungszahlen regelmäßig ab<br />

November.<br />

Bedeutender Wirtschaftszweig und Jobquelle<br />

Der Fremdenverkehr im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> ist ein Wirtschaftszweig mit hoher<br />

Wertschöpfung. Von ihm gehen wirtschaftliche<br />

Impulse auf viele andere Wirtschaftsbereiche<br />

aus.<br />

Nach Schätzungen von Tourismusinstituten<br />

liegen die Tagesausgaben von Urlaubern zwischen<br />

71 DM und 108 DM je Übernachtung.<br />

Moselloreley bei Piesport<br />

88<br />

Das Umsatzvolumen in diesem Bereich dürfte<br />

daher im Kreisgebiet auf der Basis von rd. 2,6<br />

Millionen Übernachtungen zwischen 184 und<br />

282 Millionen DM (ohne Campingplätze) betragen.<br />

Nicht berücksichtigt sind hierbei die zahlenmäßig<br />

nur ungenau erfassten Tagesgäste und<br />

die daraus resultierenden Umsätze. Der Tagestourismus<br />

hat für das Kreisgebiet ebenfalls eine<br />

außerordentliche wirtschaftliche Bedeutung.<br />

Das Europäische Tourismusinstitut an der Universität<br />

Trier (ETI) geht pro Jahr von mindestens<br />

zwei Millionen Tagestouristen im <strong>Landkreis</strong><br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> aus. Wissenschaftliche<br />

Untersuchungen aus dem Jahr 1986 belegen<br />

Pro-Kopf-Ausgaben von 44 DM für die Region<br />

Mosel/Saar. Der Durchschnittswert in<br />

Rheinland-Pfalz liegt bei 38,70 DM.<br />

Im Bereich des Tagestourismus kann daher<br />

(auf Basis des Jahres 1986) von einem Umsatzvolumen<br />

von 88 Mio. DM ausgegangen werden..<br />

Die direkten Umsätze durch den Fremdenverkehr<br />

im Kreisgebiet können daher insgesamt<br />

mit 272 bis zu 370 Mio. DM angegeben wer-


Zum Urlaub an der Mosel gehört auch ein gutes Glas Wein aus den dortigen Weinbergen.<br />

89


den. Berücksichtigt man darüber hinaus jene<br />

Umsätze, die in vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen<br />

entstehen, ergibt sich unter Anwendung<br />

eines anerkannten Multiplikators von<br />

1.4 (ETI) ein regionalwirtschaftlicher Effekt<br />

von 381 bis zu 518 Mio. DM. Das Beherbergungs-<br />

und Gastgewerbe zählt damit zu den<br />

umsatzstärksten und zukunftsträchtigsten<br />

Wirtschaftszweigen im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> und sichert derzeit direkt oder indirekt<br />

weit mehr als 3 000 Vollerwerbs-Arbeitsplätze.<br />

Aktivitäten des <strong>Landkreis</strong>es<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Die Aktivitäten des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien<br />

differenzieren.<br />

– Erstellung und Förderung fremdenverkehrsrelevanter<br />

Infrastruktur<br />

– Schaffung gebietsbezogener, vom Kunden<br />

erkennbarer Zielgebiete (Eifel, Mosel, Hunsrück)<br />

und Einrichtungen für die Koordination<br />

touristischer Angebote und Vermarktung sowie<br />

Schaffung von zusätzlichen, gebietsumfassenden<br />

Angeboten.<br />

Realisierung und Unterstützung von<br />

Infrastrukturmaßnahmen<br />

Einer der Wachstumszweige im Fremdenverkehr<br />

ist der Radtourismus. Dies wurde im<br />

<strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> und in der Region<br />

Trier rechtzeitig erkannt und mit der bedarfsgerechten<br />

Erschließung des Moseltales<br />

durch den Moselradweg für den Radfahrer genutzt.<br />

Bereits 1992 wurde der Moselradwanderführer<br />

gemeinsam von drei <strong>Landkreis</strong>en<br />

durch die Mosellandtouristik GmbH herausgegeben.<br />

Die Strecke führte von Perl an der französischen<br />

Grenze bis zur Mündung nach Koblenz.<br />

Die neueste Auflage beschreibt die Route<br />

bereits bis zum französischen Thionville, in<br />

Planung ist die Fortsetzung des Radweges bis<br />

zur Quelle als ein Projekt des »Internationalen<br />

Tals der Mosel«.<br />

Der Vernetzung touristischer Schwerpunkte<br />

dient der im Bau befindliche Maare-Mosel-<br />

Radweg von Daun über Manderscheid und<br />

<strong>Wittlich</strong> nach Lieser und <strong>Bernkastel</strong>-Kues. Er<br />

verbindet auf der Trasse einer ehemaligen Eisenbahnlinie<br />

die Weinkulturlandschaft Mosel<br />

mit den Eifelmaaren. Die Eröffnung ist im Jahr<br />

90<br />

<strong>2000</strong> vorgesehen. Eine weitere attraktive Route,<br />

der Nahe-Hunsrück-Mosel-Radweg, verbindet<br />

den Rhein über das Nahetal und den<br />

Hunsrück mit der Mosel. Auch zukünftig werden<br />

das Radwegenetz und die ergänzende Infrastruktur<br />

kontinuierlich ausgebaut.<br />

Die eher klassischen Freizeit- und Fremdenverkehrseinrichtungen<br />

wie Frei- und Hallenbäder<br />

sind im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> überwiegend<br />

seit den 70er Jahren errichtet worden und<br />

werden durch zeitgemäße Sanierungen und attraktive<br />

Neuerrichtungen, so durch die Moseltherme<br />

in Traben-Trarbach oder das Erholungs-<br />

und Gesundheitszentrum in Thalfang,<br />

ergänzt.<br />

Entwicklung und Unterstützung<br />

gebietsorientierter Marketingstrukturen<br />

Um die Wettbewerbsfähigkeit dieses bedeutenden<br />

Wirtschaftszweiges zu sichern und zu<br />

verbessern, setzt der <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> in seiner Tourismusförderung auf regionale,<br />

gebietsorientierte Marketing-Agenturen<br />

und bindet die Vergabe seiner finanziellen<br />

Mittel an diese Voraussetzung. Nur eine Bündelung<br />

der Kräfte in den drei touristischen Regionen<br />

des Kreises und ein geschlossener<br />

Marktauftritt, verbunden mit einer kreisgrenzenübergreifenden<br />

Kooperation aller Akteure,<br />

geben dem Tourismus der Zukunft eine gute<br />

Ausgangssituation, um sich dem Standortwettbewerb<br />

zu stellen.<br />

Touristische Vermarktung über privatrechtliche<br />

Organisationsstrukturen<br />

Im Jahre 1990 wurde die Mosellandtouristik<br />

GmbH mit Sitz in <strong>Bernkastel</strong>-Kues gegründet.<br />

Gesellschafter sind die <strong>Landkreis</strong>e Trier-Saarburg,<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Cochem-Zell, die<br />

Stadt Trier und der Mosel-Saar-Ruwer Wein<br />

e.V. Ursächlich für die Gründung dieser regionalen<br />

Fremdenverkehrsorganisation war, dass<br />

sich der Urlauber nicht an Verwaltungsgrenzen<br />

- z.B. dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> - orientiert,<br />

sondern an der naturräumlichen Einheit<br />

Moseltal. Wichtigste Ziele der GmbH sind die<br />

äußere und innere Werbung für den Tourismus<br />

und den Wein, z. B. mittels Pressearbeit, Anzeigenwerbung,<br />

Teilnahme an Messen im Inund<br />

Ausland. Eine weitere wichtige Aufgabe<br />

liegt in der Ausarbeitung von gebietsumfassenden<br />

touristischen Angeboten sowie Ver-


mittlung und Verkauf von Reisen in das Moselgebiet<br />

an Privatpersonen und Touristikunternehmen.<br />

Aktuelle Projekte der Gesellschaft<br />

sind u. a. Herausgabe und Vertrieb des Pauschalreisekataloges,<br />

Durchführung von Reiseveranstaltungen,<br />

vornehmlich für Wein- und<br />

Kulturreisen, Radwandern und Familienurlaub,<br />

Präsentation auf Messen, Herausgabe eines<br />

gebietsumfassenden Moselland-Radwanderführers,<br />

Aufbau eines Informations- und Reservierungssystems.<br />

Mit der Gründung der Mosellandtouristik<br />

GmbH konnten die Gesellschafter<br />

eine Reihe von wesentlichen Vorteilen<br />

erreichen, wie effizienterer Mitteleinsatz, Kostenein-sparungen,<br />

geschlossene Außendarstellung<br />

der Region, Produktverbesserungen.<br />

Eine enge Kooperation zwischen der Mosellandtouristik<br />

und den Gesellschaftern ist mit<br />

der Einrichtung eines Beirats gewährleistet.<br />

Dem Beirat gehören die Fremdenverkehrssachbearbeiter<br />

der beteiligten Kommunen an.<br />

In Anlehnung an die guten Erfahrungen mit der<br />

Moselland-Touristik GmbH wurde auch für<br />

den Hunsrück die Errichtung einer zentralen<br />

Regionalstelle angestrebt. Mit der Gründung<br />

der Hunsrück-Touristik-GmbH im September<br />

1997 konnten diese Bemühungen erfolgreich<br />

abgeschlossen werden. In der Gesellschaft<br />

sind neben dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> drei <strong>Landkreis</strong>e, neun Verbandsgemeinden<br />

sowie die verbandsfreie Gemeinde<br />

Morbach vertreten. Die neu gegründete Gesellschaft<br />

ist von der Aufgabenstruktur mit der<br />

Mosellandtouristik GmbH vergleichbar.<br />

Sie übernimmt die äußere und innere Werbung<br />

für den Tourismus, die Vorstellung des Hunsrücks<br />

in Medien sowie die Kooperation mit benachbarten<br />

Fremdenverkehrsorganisationen,<br />

z. B. der Naheland-Touristik. Nach Fertigstellung<br />

der Wintersport-, Natur- und Umweltbildungsstätte<br />

am Erbeskopf wird die Gesellschaft<br />

dort ihren Sitz haben. Ein weiterer<br />

Schwerpunkt liegt in dem Aufbau eines gebietsumfassenden<br />

Informations- und Reservierungssystems.<br />

Im Eifelgebiet des <strong>Landkreis</strong>es hat sich die<br />

Verbandsgemeinde Manderscheid im Jahre<br />

1993 mit dem <strong>Landkreis</strong> Daun und der Verbandsgemeinde<br />

Ulmen zur Vulkaneifel-Touristik<br />

& Werbung GmbH (VTG) zusammengeschlossen.<br />

Die VTG übernimmt für ihre Mitglieder<br />

u. a. die touristische Imagewerbung,<br />

organisiert Pressereisen und erstellt Kataloge.<br />

Um die Wettbewerbsfähigkeit der Eifelregion<br />

weiter zu stärken, ist zukünftig die interkommunale<br />

Zusammenarbeit durch gemeinsame<br />

Strategien zu verstärken. Mit der vorgesehenen<br />

Neuordnung der Tourismusstrukturen im<br />

Land Rheinland-Pfalz soll jede Region von einer<br />

Regionalagentur vermarktet werden. Derzeit<br />

wird aufgrund eines Beschlusses des Gebietsausschusses<br />

Eifel mit Ahrtal ein Gesellschaftsvertrag<br />

für eine Eifel-Regionalagentur<br />

ausgearbeitet. Allen drei regionalen Zusammenschlüssen<br />

ist gemeinsam, dass die<br />

Selbstständigkeit der Verkehrsämter auf kommunaler<br />

Ebene erhalten blieb. Wichtige Aufgaben<br />

können nur von diesen Stellen wahrgenommen<br />

werden, z.B. Gästeinformation und -<br />

betreuung, Angebotserstellung, Betriebsbetreuung.<br />

Gebietsbezogene Maßnahmestrategien<br />

Im Auftrag der <strong>Landkreis</strong>e <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />

Bitburg-Prüm und Daun erstellte das ETI in einer<br />

1995 fertiggestellten Studie ein »Touristisches<br />

Entwicklungs- und Handlungskonzept<br />

für die Eifel«, das neue Handlungsfelder<br />

für eine zukünftige touristische Entwicklung der<br />

Eifel aufzeigte, auf künftige touristische Organisationsformen<br />

einging und eine Fülle von praxisnahen<br />

und konkreten Maßnahmenvorschlägen<br />

erbrachte, die vier großen Handlungsfeldern<br />

zugeordnet wurden: Produktentwicklung,<br />

Außenmarketing, Innenmarketing, flankierende<br />

Maßnahmen.<br />

Ein wesentlicher Teil der Vorschläge wurde im<br />

Rahmen eines Managementvertrages mit finanzieller<br />

Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz<br />

zwischen den oben genannten<br />

<strong>Landkreis</strong>en und dem ETI in dem Zeitraum<br />

1996 bis 1999 umgesetzt. Einige seien hier kurz<br />

erwähnt:<br />

So soll mit dem Vulkanium in der Eifel ein Besucher-<br />

und Informationszentrum mit dem<br />

Schwerpunktthema Vulkanismus/Geologie<br />

entstehen. Bei diesem Projekt wird angestrebt,<br />

das Alleinstellungsmerkmal Vulkanismus deutlich<br />

stärker als bisher am Markt zu etablieren<br />

und neue Gästepotentiale zu erschließen. Bei<br />

einem geschätzten Besucheraufkommen von<br />

200 000 pro Jahr und einem erforderlichen Investitionsvolumen<br />

von 25 - 30 Millionen DM<br />

(Angaben des ETI) geht das Institut davon aus,<br />

91


dass dieses Projekt unter regionalwirtschaftlichen<br />

Aspekten als strukturwirksame Maßnahme<br />

betrachtet werden kann, die primär zur<br />

Schaffung von Arbeitsplätzen führt und die<br />

Wertschöpfung durch zusätzliche Besucher in<br />

der Region erheblich erhöht. Das ETI hat den<br />

<strong>Landkreis</strong>en ein Konzept mit mehreren Standortalternativen<br />

vorgelegt. Die Entscheidung<br />

darüber steht noch aus.<br />

Die Imagebroschüre »Landurlaub in der Eifel«<br />

dient dazu, die Zielgruppen Familien mit<br />

Kindern, Gesundheits- sowie Umweltbewusste<br />

und Aktivurlauber für die Eifel zu interessieren.<br />

Unter dem Leitthema »Kunst, Kultur und Tourismus«<br />

wurde eine Datenbank erstellt, in der<br />

Informationen über 62 Eifeler Künstlerinnen<br />

und Künstler aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei<br />

und Kunsthandwerk aufbereitet sind.<br />

Ein entsprechendes Handbuch steht den Verkehrsämtern<br />

im Eifelgebiet zur Verfügung. Zielsetzung<br />

ist, die zahlreichen Ateliers der in der Eifel<br />

beheimateten Künstlerinnen und Künstler für<br />

Besucher zu öffnen. Gleichzeitig werden den<br />

Künstlern Ausstellungsräume und Partner vermittelt<br />

(Gastgewerbe, Handel, Banken usw.).<br />

Die Kampagne Leistungsträger im Dialog<br />

zielt auf eine Sensibilisierung der touristischen<br />

Leistungsträger für die Bedürfnisse und Pro-<br />

Windsborn-Kratersee bei Bettenfeld<br />

92<br />

bleme der Gäste.<br />

In Abstimmung mit<br />

der Nord- und<br />

Osteifel wurde ein<br />

gemeinsames Eifel-Logo<br />

unter<br />

dem Leitbild »Eifel<br />

- Lust auf Natur«<br />

entwickelt.<br />

Das ETI hat in seinem<br />

Tourismuskonzept »Europäisches Tal<br />

der Mosel« ebenfalls Handlungsempfehlungen<br />

formuliert, die teilweise schon realisiert werden<br />

konnten.<br />

Das Projekt wurde im Auftrag der Arbeitsgruppe<br />

Fremdenverkehr der Saar-Lor-Lux-<br />

Trier/Westpfalz-Regionalkommission vom ETI<br />

bearbeitet (1993 - 1994). Ziel des Konzeptes ist<br />

die Positionierung des Europäischen Tals der<br />

Mosel auf dem internationalen Tourismusmarkt.<br />

Damit verbunden ist die Bündelung bestehender<br />

Konzepte und Angebote, die Einbindung<br />

aller Akteure in ein Marketingkonzept, die<br />

Entwicklung gemeinsamer Organisationsstrukturen<br />

sowie die Förderung wettbewerbsfähiger,<br />

innovativer Angebote.<br />

Die Handlungsempfehlungen befassen sich<br />

dabei mit grenzübergreifenden und regions-


Mountainbiking auf dem Mosenberg bei Bettenfeld<br />

93


spezifischen touristischen Produkten. Ein wesentlicher<br />

Teil der Produktvorschläge konnte<br />

bereits umgesetzt werden oder befindet sich in<br />

der Ausbauphase:<br />

– Die »VeloTour Moselle«, ein grenzübergreifender<br />

Radweg von der Quelle der Mosel in<br />

Lothringen bis zur Mündung bei Koblenz,<br />

– die »Internationalen Moselfestwochen«,<br />

ein Musikfestival mit Veranstaltungen in zahlreichen<br />

Moselorten vom Cochemer Land bis<br />

über Trier hinaus,<br />

– das »Moselmagazin«, ein animativer Reiseführer<br />

im Stil einer Zeitschrift und<br />

– der »Moselweitwanderweg«, ein grenzübergreifender<br />

Wanderweg entlang der Mosel.<br />

Für die Hunsrückregion ist die Entwicklung eines<br />

Marketing- und Handlungskonzeptes in<br />

der Vorbereitungs- bzw. Umsetzungsphase.<br />

Intensivierung der Zusammenarbeit der<br />

touristischen Leistungsträger<br />

Mit dem Ziel, regionale Handelspartnerschaften<br />

von einheimischen Erzeugern landwirtschaftlicher<br />

Produkte, Handwerksbetrieben<br />

und Gastronomen zu bilden, wurde 1996 das<br />

Projekt »Genuss für Leib und Seele - Das<br />

Vier-Jahreszeiten-Erlebnis in Gastronomie<br />

und Landwirtschaft« unter der Leitung der<br />

Staatl. Lehr- und Versuchsanstalt Trier ins Leben<br />

gerufen. In einer speziellen Speisenkarte<br />

bieten die Gastronomen Gerichte aus Produkten<br />

an, die in der Region angebaut werden oder<br />

wachsen. Der Gast leistet einen Beitrag zur<br />

Stabilisierung und Erhaltung der Landwirtschaft<br />

und erhöht die Wertschöpfung in der<br />

Region. Seit dem Jahr 1998 erfolgt eine Kooperation<br />

mit dem Naturpark Saar-Hunsrück.<br />

Mit der Aktion »DIE WOCHE TEILEN MIT<br />

FREUNDEN« möchten zahlreiche Bauern- und<br />

Winzerhöfe den Alltag ihrer Gäste unterbrechen<br />

und ihnen Gelegenheit bieten, interessante<br />

Stunden bei den unterschiedlichsten Aktivitäten<br />

zu verbringen; Themen sind z. B. gemeinsames<br />

Kochen eines Menüs nach Rezepten<br />

der Römer oder Schlachtfest auf dem<br />

Hunsrück.<br />

Urlaub auf Bauern- und Winzerhöfen<br />

In den drei Regionen des Kreises kommen Aktivitäts-<br />

oder Erholungssuchende, Weinliebhaber,<br />

Familien mit Kindern sowie Reisende aller<br />

Altersgruppen beim Urlaub auf Bauern- und<br />

94<br />

Winzerhöfen auf ihre Kosten. Das Programm<br />

zur Entwicklung ländlicher Räume gemäß Ziel<br />

Nr. 5 b des EU-Strukturfonds fördert den Betriebszweig<br />

Urlaub auf Bauern- und Winzerhöfen<br />

mit dem gleichnamigen Modellprojekt.<br />

Zielsetzung ist die Verbesserung der Infrastruktur<br />

sowie die Vernetzung von Einzelangeboten<br />

zu regionalen vermarktungsgerechten Gesamtangeboten.<br />

Das Modellprojekt selbst beruht<br />

auf der Forderung nach Diversifizierung -<br />

zweites Standbein - und Anpassung der Landwirtschaft<br />

in strukturschwachen Gebieten. Die<br />

Erschließung neuer Gästezielgruppen ist auf<br />

dem hart umkämpften Inlandsreisemarkt nicht<br />

einfach. Verwirklicht werden soll dies mit einem<br />

zeitgemäßen und geschlossenen Marktauftritt<br />

der Anbieter, Urlaubsangeboten in modern gestalteten<br />

Broschüren sowie Außenpräsentationen<br />

und innerer Werbung.<br />

In Vorbereitung ist derzeit die Ausweitung des<br />

in den <strong>Landkreis</strong>en Daun und Bitburg-Prüm<br />

sehr erfolgreichen Projekts »Eifel zu Pferd« auf<br />

das Eifelgebiet des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong>.<br />

In Zusammenarbeit mit der Staatl. Lehr- und<br />

Versuchsanstalt Trier und landwirtschaftlicher<br />

Betriebe werden hier Angebote für Reiturlauber<br />

konzipiert. Eine Projektausweitung auf den<br />

Hunsrück (»Hunsrück zu Pferd«) steht ebenfalls<br />

bevor.<br />

Stärkeres Inwertsetzen des Faktors Kultur<br />

Zur Förderung des Kulturtourismus ist es erforderlich,<br />

die kulturelle Vielfalt als wesentlichen<br />

Bestandteil der Lebensqualität der Region zu<br />

definieren und dies in ein touristisches Konzept<br />

einzubinden. Als besonders gelungenes Beispiel<br />

im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> und den<br />

angrenzenden Regionen ist hier das Musikfestival<br />

Moselfestwochen zu nennen. Das Festival<br />

erstreckt sich über einen Zeitraum von rund<br />

sechs Monaten. Viele Konzertbesucher sind<br />

bereit, längere Distanzen für den Genuss eines<br />

Konzertes in Kauf zu nehmen und die Veranstaltung<br />

mit einem mehrtägigen Ausflug in die<br />

Region zu verbinden. Das Veranstaltungsangebot<br />

der Moselfestwochen ist ein wichtiges kultur-touristisches<br />

Angebot. Zur Sicherung und<br />

Weiterentwicklung strebt die Mosellandtouristik<br />

GmbH die Trägerschaft der Moselfestwochen<br />

an. Diese Trägerschaft wird in einer Pilotphase<br />

von drei Jahren erprobt.


Für die Programmjahre 1998 bis <strong>2000</strong> fördert<br />

die Mosellandtouristik das überregionale Musikfestival<br />

mit einer jährlichen Zuwendung zu<br />

den ungedeckten Kosten und trägt somit zur<br />

nachhaltigen Sicherung der Finanzierung des<br />

Festivals bei. In enger Zusammenarbeit mit der<br />

Geschäftsstelle der Moselfestwochen werden<br />

zudem jährlich attraktive kulturtouristische<br />

Pauschalangebote erstellt und über die Buchungsstelle<br />

der Mosellandtouristik GmbH vermarktet.<br />

Diese Angebote zeichnen sich durch eine<br />

hochwertige Verknüpfung von Festivalveranstaltungen<br />

mit attraktivem touristischen Rahmenprogramm<br />

aus, z. B. »Mosel Konzertant«<br />

oder »Bett und Karte«.<br />

Den Kulturtourismus stärker zu fördern und die<br />

Einbindung von Veranstaltungen mit überregionaler<br />

Bedeutung in ein Marketingkonzept sind<br />

zwei Ziele des Arbeitskreises Kultur der Initiative<br />

Region Trier e. V., in dem auch der <strong>Landkreis</strong><br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> vertreten ist. Seine<br />

weiteren Empfehlungen sind u. a. die Entwicklung<br />

einer Kulturroute »Römer in der Region«,<br />

Intensivierung des grenzüberschreitenden Kulturtourismus<br />

und das Hervorheben überregionaler<br />

Highlights.<br />

Schließlich ist es erforderlich, durch Kooperation<br />

zwischen Kulturschaffenden und Touristikern<br />

das bereits vorhandene und hochwertige<br />

Kulturangebot der Region besser zu koordinieren,<br />

um es stärker für den Fremdenverkehr zu<br />

nutzen.<br />

Zu meinen Füßen der Fluss<br />

Verschwunden<br />

Hoch oben die trutzige Burg<br />

Verhüllt<br />

In dunstigem Nichts<br />

Die Weinberge liegen<br />

Das rostrote Laub<br />

Die traubenbeladenen Reben<br />

Verborgene Stadt<br />

Ausblick<br />

Wie bereits vom ETI und anderen Forschungseinrichtungen<br />

festgestellt, orientieren sich Urlauber<br />

und Tagesgäste nicht an Verwaltungsgrenzen,<br />

sondern denken in naturräumlichen,<br />

regionalen Bezügen. Um zukünftig am Markt<br />

bestehen zu können, ist es erforderlich, den<br />

Regionen ein klares Profil zu vermitteln. Ein<br />

weiterer Schwerpunkt der kommenden Jahre<br />

sollte in der Intensivierung der interkommunalen<br />

Zusammenarbeit liegen. Eine geschlossene<br />

Außendarstellung kann nur dann erreicht werden,<br />

wenn alle Anbieter gezielt und gemeinsam<br />

ihre Region bewerben (Regionalagenturen). In<br />

den einzelnen Regionen sind gemeinsame, zukunftsweisende<br />

Entwicklungsstrategien zu formulieren<br />

bzw. umzusetzen.<br />

Weiterhin ist der Ausbau eines flächendeckenden<br />

Buchungs- und Reservierungssystems sowie<br />

der Ausbau wetterunabhängiger Angebote<br />

erforderlich.<br />

Durch gezielte Förder- und Qualifizierungsmaßnahmen<br />

sind schließlich günstige Rahmenbedingungen<br />

für das Gastgewerbe zu<br />

schaffen<br />

Quelle: Stat. Landesamt<br />

1 Selbsteinstufung der Betriebe<br />

2 Ohne Privatquartiere, ab 1981 außerdem ohne gewerbliche Kleinbetriebe<br />

3 Einschl. jugendherbergsähnlichen Einrichtungen, z. B. von Wandervereinen<br />

4 Ab 1981 einschl. gewerbliche Kleinbetriebe (Betriebe mit weniger<br />

als 9 Fremdenbetten)<br />

Verborgene Stadt<br />

Verwunschenes Land<br />

Getaucht<br />

In milchweißen Nebel<br />

Hildegard Kohnen<br />

95


Wintersport am Erbeskopf<br />

96


Hunsrücklandschaft bei Rapperath<br />

97


Menschen<br />

im<br />

<strong>Landkreis</strong>


»Was Frauen anders machen?«<br />

Interview mit Landrätin Beate Läsch-Weber<br />

Beate Läsch-Weber, am 1. Januar 1957 in Bitburg<br />

geboren, studierte Rechtswissenschaften<br />

an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn;<br />

1983 zweites juristisches Staatsexamen. Seit<br />

1993 Landrätin des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong>. Mit ihrem Mann und ihrer 11-jährigen<br />

Tochter lebt sie in Heidweiler.<br />

C. W.:<br />

Frau Läsch-Weber, Sie sind die erste Landrätin<br />

in Rheinland-Pfalz. Was machen Sie anders<br />

und wo liegen Ihre Stärken in der politischen<br />

Arbeit?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

1993 war ich die erste Landrätin in Rheinland-<br />

Pfalz. Seit 1998 habe ich eine Kollegin im <strong>Landkreis</strong><br />

Südliche Weinstraße. In Rheinland-Pfalz<br />

gibt es 24 <strong>Landkreis</strong>e, somit 22 Landräte und<br />

2 Landrätinnen. Erste Landrätin in Rheinland-<br />

Pfalz zu sein habe ich immer als besondere<br />

Verpflichtung und zugleich als besondere persönliche<br />

Herausforderung verstanden. Als besondere<br />

Verpflichtung deshalb, weil das Pilotprojekt<br />

»Landrätin« im Interesse der Führungsfunktionen<br />

in der Kommunalpolitik anstrebenden<br />

Frauen einfach nicht scheitern durfte. Ich<br />

war und bin es den Frauen schuldig, hart zu arbeiten,<br />

um mich Tag für Tag mit aller Tatkraft<br />

und Energie für die Menschen in unserem<br />

<strong>Landkreis</strong> einzusetzen. Die Frage, was Frauen<br />

anders machen, ist schwer zu beantworten. Ich<br />

sehe nicht die Frau als Führungskraft im Gegensatz<br />

zum Mann als Führungskraft. Mir geht<br />

es auch nicht darum, Vorurteile zu manifestieren,<br />

indem ich von typisch männlichen und typisch<br />

weiblichen Führungseigenschaften spreche.<br />

Im Vordergrund sehe ich immer die Person<br />

mit ihren jeweils persönlichen Eigenschaften,<br />

die selbstverständlich von der jeweiligen<br />

Sozialisation und dem Berufs- und Lebensumfeld<br />

bestimmt sind. Als Beate Läsch-Weber<br />

bringe ich mich mit meinen Stärken und<br />

Schwächen in meine Funktion als Landrätin<br />

ein. Als meine größte Schwäche sehe ich mei-<br />

Christel Werner<br />

ne hartnäckige Ungeduld. Mir geht einfach alles<br />

nicht schnell genug. Daneben habe ich<br />

natürlich weitere Schwächen, von denen die<br />

Kolleginnen und Kollegen im Kreishaus und<br />

natürlich auch meine Familie viele Lieder singen<br />

könnten. Aber auch Landrätinnen sind ja<br />

nur Menschen. Die Frage nach meinen Stärken<br />

in der politischen Arbeit kann ich selbst noch<br />

schwerer beantworten als die Frage nach meinen<br />

Schwächen. Als Stärke sehe ich meine<br />

Grundauffassung, dass ich mich als Landrätin<br />

immer in den Dienst der Menschen stellen<br />

muss. Ich bin und bleibe das Kind aus einfachen<br />

Verhältnissen, das im ländlichen Raum<br />

groß geworden ist, das die Sorgen und Nöte<br />

der Menschen ernst nimmt und sich jeden Problems<br />

annimmt, sei es auch noch so klein.<br />

C. W.:<br />

Nach meiner Einschätzung brauchen wir nach<br />

wie vor mehr weibliche Aktivitäten in der Politik.<br />

Wo ist der Bedarf besonders groß?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Die repräsentative Demokratie ist keine Zuschauerinnendemokratie,<br />

sondern eine Demokratie<br />

der aktiven Teilhabe aller, der Frauen und<br />

Männer. Natürlich brauchen wir auch mehr<br />

Frauen in der Politik. Eine Gesellschaft, die zu<br />

mehr als 50 % aus Frauen besteht, kann es<br />

sich nicht leisten, Frauen von den politischen<br />

Machtstrukturen auszuschließen. Ohne Frauen<br />

ist kein Staat zu machen! Frauen wollen und<br />

brauchen direkte politische Einflussnahme. Dabei<br />

geht es meiner Meinung nach um die direkte<br />

politische Einflussnahme in allen Handlungsfeldern<br />

der Politik. Auch insoweit gibt es keine<br />

weiblichen oder männlichen Politikfelder.<br />

Gleichberechtigte Teilhabe ist nicht schon<br />

dann gegeben, wenn Frauen ihre Stimme im<br />

Bereich Soziales erheben dürfen und insoweit<br />

als kompetent angesehen werden. Ich fordere<br />

auch mehr Politikerinnen in den sogenannten<br />

traditionellen Entscheidungsstrukturen, in den<br />

Bereichen Wirtschaft, Finanzen, innere Sicher-<br />

99


heit und in allen kommunalen Angelegenheiten.<br />

Aus diesem Grund habe ich mich auch dem<br />

Mentorinnen-Projekt »Mehr Frauen in die Politik«<br />

angeschlossen, um Nachwuchspolitikerinnen<br />

mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.<br />

C. W.:<br />

Auf welche Hindernisse stoßen Frauen bei der<br />

Durchsetzung ihrer Interessen?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Frauen stoßen zum einen auf Hindernisse im<br />

privaten Bereich bei der Durchsetzung ihrer beruflichen<br />

oder politischen Interessen. Während<br />

der Gleichberechtigung seit Jahrzehnten das<br />

Wort geredet wird, sind in vielen Familien noch<br />

traditionelle Rollenzuweisungen vorherrschend.<br />

Gerade an diesem Punkt möchte ich<br />

nicht missverstanden werden. Es geht mir nicht<br />

darum, eine Zwangsstruktur – die Zuständigkeit<br />

der Frauen für Kinder, Küche und Kirche –<br />

durch eine andere Zwangsstruktur für die Männer<br />

zu ersetzen. Nein, mir geht es bei der Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie um Wahlfreiheit<br />

und um die gleichberechtigte und partnerschaftliche<br />

Entscheidungsfindung, wer welche<br />

Aktivitäten entfaltet. Wir sollten Rollenmuster<br />

durch Offenheit und Einzelfallentscheidungen<br />

ablösen. Dabei gibt es keinen Königsweg, sondern<br />

immer einen Weg, der auf den konkreten<br />

Gegebenheiten in der Partnerschaft aufbaut.<br />

Darüber hinaus ergeben sich im beruflichen Alltag<br />

vielerlei Hürden, wenn Frauen an Führungspositionen<br />

Interesse haben. Frauen erhalten im<br />

Gegensatz zu Mitbewerbern in Positionen, die<br />

mit einem beruflichen Aufstieg verbunden sind,<br />

selten einen Vertrauensvorschuss. Sie müssen<br />

erst zeigen, was sie können, und in vielen Fällen<br />

besser sein als ihre Kollegen, um die gleiche<br />

berufliche Anerkennung zu erhalten. Frauen<br />

wird die Eignung für Führungsfunktionen<br />

vielfach aberkannt. Sie seien zu stark doppelbelastet,<br />

stärker emotional gesteuert, weniger<br />

durchsetzungsstark, weniger objektiv, weniger<br />

belastbar, krankheitsanfälliger, weniger entscheidungsfreudig<br />

und weniger zur Teamarbeit<br />

bereit. Diese angeblich typisch weiblichen Eigenschaften<br />

und das Bedürfnis nach Harmonie<br />

und kooperativer Zusammenarbeit führten zu<br />

der Feststellung, dass es Frauen insbesondere<br />

mangele an Zielorientiertheit, Autorität, Durchsetzungsfähigkeit,<br />

Sachbezogenheit, abstraktem<br />

Denkvermögen, Überzeugungskraft und<br />

Härte. Frauen, denen diese angeblich männli-<br />

100<br />

chen Eigenschaften zugesprochen werden,<br />

werden wiederum in die Kategorie der Emanzen<br />

und Karrierefrauen eingestuft. Ein schier<br />

unauflösbarer Teufelskreis, der dazu geeignet<br />

ist und teilweise auch dazu dient, das traditionelle<br />

Rollenverständnis zu rechtfertigen und zu<br />

manifestieren. Es ist mehr als einfach, die vermeintlich<br />

wichtigen Eigenschaften einer richtigen,<br />

weil männlichen Führungskraft als Norm<br />

zu fixieren, an der sich alles andere auszurichten<br />

hat. Auch und gerade Frauen besitzen Eigenschaften<br />

wie Zielorientiertheit, Durchsetzungskraft<br />

und Entschlossenheit. Sie sind auf<br />

Grund ihrer vielfältigen Belastungen hervorragende<br />

Zeitmanagerinnen. Es ist ein Fehlurteil<br />

zu glauben, dass sich die Autorität einer<br />

Führungsperson in permanenter Härte äußern<br />

müsse und eine freundliche und vertrauensvolle<br />

Arbeitsatmosphäre einem effektiven und<br />

zielorientierten Arbeiten hinderlich sei. Das Gegenteil<br />

ist der Fall.<br />

C. W.:<br />

Wie schätzen Sie das politische Interesse von<br />

Frauen ein?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Das politische Interesse von Frauen schätze<br />

ich als sehr hoch ein, wenn die Rahmenbedingungen<br />

sowohl im privaten Umfeld als auch in<br />

den Parteistrukturen stimmen. Frauen dürfen<br />

sich nur nicht einreden lassen, dass Politik<br />

nicht ihre Sache sei.<br />

C. W.:<br />

Sehen Sie sich als ein Vorbild für andere Frauen?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Nein, ich möchte kein Vorbild für andere Frauen<br />

sein. Ich möchte anderen Frauen lediglich<br />

Mut machen, sich in der Politik aktiv und nachdrücklich<br />

einzumischen. Auch mir wurden keine<br />

goldenen Brücken gebaut. Ich habe jeden<br />

Schritt, den ich getan habe, hart erkämpfen<br />

müssen.<br />

C. W.:<br />

Sie sind Mutter einer 11-jährigen Tochter. Beziehen<br />

Sie Ihre Familie in Ihre Arbeit mit ein?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Meine Familie ist das Wichtigste für mich überhaupt.<br />

Ich habe Gott sei Dank einen Mann, der<br />

nicht nur meine beruflichen Aktivitäten akzeptiert,<br />

sondern sie aktiv durch viele Hilfestellungen<br />

unterstützt. Und ich bin stolze Mutter einer<br />

11-jährigen Tochter, die mich auch als Mutter


fordert, und das ist gut so. Mit einem selbstbewussten<br />

Partner und einer quirligen Tochter<br />

stehe ich mitten im Leben. So weiß ich aus eigener<br />

Erfahrung: Politik ist im Leben nicht alles.<br />

Diese Erfahrung gibt mir Ruhe und Gelassenheit<br />

in der alltäglichen Arbeit. Mich haut so<br />

schnell nichts um. Meine Familie beziehe ich<br />

ganz bewusst nicht in meine tägliche Arbeit als<br />

Landrätin ein. Schließlich bin nur ich als Landrätin<br />

gewählt worden und nicht meine Familie.<br />

Landrätin zu sein ist meine persönliche Aufgabe.<br />

Mein Mann und meine Tochter definieren<br />

sich nicht als Ehemann oder Tochter der Landrätin.<br />

C. W.:<br />

Ist Frauenförderung weiterhin notwendig?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Im Grundgesetz steht, dass Frauen und Männer<br />

gleichberechtigt sind (Artikel 3 Absatz 2<br />

GG), dass niemand wegen seines Geschlechts<br />

benachteiligt werden darf (Artikel 3 Absatz 3<br />

GG) und dass jede/r Deutsche nach seiner/ihrer<br />

Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung<br />

gleichen Zugang zu jedem öffentlichen<br />

Amt hat (Artikel 33 Absatz 2 GG). Trotz dieser<br />

rechtlichen Klarheit werden Frauen im täglichen<br />

Leben noch in vielfältiger Weise faktisch<br />

benachteiligt. Deshalb sehe ich die Frauenförderung<br />

bei Gleichwertigkeit der Eignung, Befähigung<br />

und Leistung nach wie vor als notwendig<br />

an. Wichtig ist mir dabei zu betonen,<br />

dass ich nicht für eine Frauenförderung um jeden<br />

Preis eintrete, es geht mir um eine Frauenförderung,<br />

die vorurteilsfrei an den Eigenschaften<br />

der jeweiligen Person anknüpft und die<br />

auch die weiblichen Lebensentwürfe als Qualifikationen<br />

berücksichtigt. Insbesondere bei der<br />

Besetzung von Führungspositionen ist viel<br />

mehr Wert auf Eigenschaften wie Teamorientierung,<br />

Kommunikationsfähigkeit und zielorientiertes<br />

Zeitmanagement zu legen. Grundsätzlich<br />

und letztendlich ist Frauenförderung<br />

dazu angetan, sich selbst überflüssig zu machen.<br />

Nur, das wird bei den Beharrungsstrukturen,<br />

die wir haben, noch lange dauern.<br />

C. W.:<br />

Wie definieren Sie den Begriff »Frauenpolitik«?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Auch der Begriff »Frauenpolitik« sollte mittelfristig<br />

aus unserem Vokabular verschwinden.<br />

101


Denn wir brauchen diesen Begriff nur so lange,<br />

bis es in der Politik selbstverständlich geworden<br />

ist, die Belange von Frauen genauso<br />

wie die Belange von Männern in den politischen<br />

Entscheidungsprozess einzubeziehen.<br />

Dabei ist der Begriff »Frauenpolitik« ein vielschichtiger<br />

Begriff mit einem ganzheitlichen<br />

Ansatz. Er ist ein Begriff der Bewusstseinsbildung,<br />

der alle Politikfelder umfasst. Frauenpolitik<br />

ist nicht nur Sozialpolitik und Familienpolitik.<br />

C. W.:<br />

Welche Frau oder welche Frauen sind für Sie<br />

Vorbild und warum?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Mein Vorbild war mein Vater. Ich bin als Tochter<br />

eines Landwirtes in einer Familie mit drei<br />

Mädchen groß geworden. Mein Vater hat sich<br />

im kleinen Rahmen politisch engagiert und sich<br />

sehr für die berufliche Ausbildung seiner Töchter<br />

eingesetzt. Vorhaltungen wie: Warum gibst<br />

du so viel Geld für die Berufsausbildung deiner<br />

Töchter aus? Sie heiraten ja sowieso! – ist er<br />

selbstbewusst entgegengetreten. Ihm hat es<br />

besonders viel Freude gemacht, meinen Berufsweg<br />

zu verfolgen und mitzuerleben, dass<br />

ich mich in einer Männerdomäne zurechtgefunden<br />

habe. Ohne meinen Vater wäre ich heute<br />

nicht Landrätin im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />

Es steht wenig über sie geschrieben. Die Chroniken<br />

der Welt kannten sie nicht. Von einigen<br />

Ausnahmen abgesehen scheint es, als hätte es<br />

die Frauen nicht gegeben, die unsere Kinder<br />

auf die Welt brachten, sie groß zogen, beschützten<br />

und auf das Leben vorbereiteten, Familien<br />

erhielten durch ihren unermüdlichen Einsatz<br />

oder auch damals schon Aufgaben des öffentlichen<br />

Lebens übernahmen.<br />

»Das war doch nichts«, sagte eine Gesprächspartnerin<br />

zu mir. »Es war selbstverständlich,<br />

102<br />

C. W.:<br />

Noch immer müssen Frauen gegen Rollenklischees<br />

in der Öffentlichkeit ankämpfen. Warum<br />

ist das so?<br />

BEATE LÄSCH-WEBER:<br />

Rollenklischees bestehen nach wie vor. Es ist<br />

ja auch so einfach, in festen Strukturen zu leben,<br />

in denen Rollen kraft Tradition definiert<br />

werden. Dies erspart Abstimmungen, Auseinandersetzungen<br />

und auch das Hinterfragen der<br />

eigenen Vorstellungen. Selbstbewusster und<br />

selbstbestimmter lebende Frauen treten Männern<br />

anders gegenüber als Frauen, die sich lediglich<br />

als Dienstleisterin ihres Mannes verstehen.<br />

Deshalb kann und darf Frauenpolitik nie<br />

losgelöst und als separatistischer Ansatz verstanden<br />

werden. Frauenpolitik ist umso erfolgreicher,<br />

je mehr und intensiver die Männer in<br />

die jeweiligen Entwicklungsschritte einbezogen<br />

werden. Dies ist mir als Frauenbeauftragte der<br />

Stadt Frankfurt von 1986 bis 1988 besonders<br />

deutlich geworden. Ein verändertes Frauenbild<br />

führt automatisch zu einem veränderten Männerbild.<br />

Auch die Männer müssen die Chancen<br />

erkennen, die sich aus dem Anspruch der Frauen<br />

auf faktische Gleichberechtigung ergeben.<br />

Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft starke<br />

Männer, die stolz sind auf starke Frauen und<br />

starke Frauen, die stolz sind auf ihre starken<br />

Männer.<br />

Frauenleben im Wandel der Zeiten<br />

Interviews mit Zeitzeuginnen dieses Jahrhunderts<br />

Christel Werner<br />

die Arbeit der Männer mitzumachen, denn es<br />

war doch Krieg.« Dieses Selbstverständnis hat<br />

Frauen immer wieder um das gebracht, was ihnen<br />

genauso zusteht wie den Männern: Anerkennung,<br />

Würde und gleiche Rechte.<br />

Schauten die Frauen über den Zaun ihrer Begrenzungen,<br />

so war dies gefährlich. Sobald sie<br />

sich bewegten, sich erlaubten, eigene Lebensentwürfe<br />

umzusetzen, alte Regeln abzuschaffen<br />

und durch neue zu ersetzen, waren sie<br />

allein.


Kaum jemand – ob Mann oder Frau – wagte es,<br />

sie bei diesem »verbotenen Tun« zu unterstützen.<br />

Allzu groß war die Angst, eingefahrene<br />

Wege zu verlassen. Frauen, die für ihr Denken<br />

und Handeln die Verantwortung übernahmen,<br />

ihr Recht auf Leben einforderten, waren unbequem,<br />

sie brachten einfach alles durcheinander,<br />

was bis dahin doch so hervorragend funktionierte.<br />

Es hat mich interessiert, inwiefern in diesem zu<br />

Ende gehenden Jahrhundert Frauenleben sich<br />

gewandelt hat. Sind Frauen den Schritt vom<br />

Wir zum Ich gegangen? Oder sind die Sorge<br />

um das eigene Wohl als auch die eigenverantwortliche<br />

Lebensplanung nach wie vor verwerfliche<br />

Ideen weniger Exotinnen? Sind wir aus<br />

unserem Dornröschenschlaf aufgewacht oder<br />

klammern wir uns immer noch an die Dornenhecke<br />

aus Pflichtbewusstsein und Opferbereitschaft?<br />

»Halte nichts für selbstverständlich, das einzig<br />

Sichere im Leben ist die Unsicherheit«,<br />

schreibt der Autor Hans Kruppa in seinem Gedicht<br />

‘Regeln der Lebenskunst’. Weiter heißt es<br />

dort: »Verliere nie die Zärtlichkeit, die Ehrlichkeit,<br />

das Lächeln. Geschwätz, Neid und Mißgunst<br />

kannst du nicht besiegen, aber überfliegen.«<br />

Es klingt einfach und wahr, leicht und<br />

verlockend. Jede und jeder von uns, die das<br />

Leben kennen und um die Hürden wissen, die<br />

uns von Fall zu Fall den Weg verstellen, erfahren,<br />

dass wir viel Mut, Kraft, Ausdauer und<br />

Selbstvertrauen brauchen, um den Hürdenlauf<br />

zu bestehen. Gemahlen werden müssen wir<br />

wohl in der Mühle des Lebens, um die Gelassenheit<br />

zu empfinden, die uns lächeln lässt und<br />

zärtlich macht.<br />

Ein neues Selbstverständnis stellt sich nicht<br />

ein, weil wir Menschen ein neues Jahrtausend<br />

und ein neues Jahrhundert beginnen. Aufwachen<br />

geschieht, wenn es an der Zeit ist. Aber<br />

ich bin zuversichtlich, dass wir auf dem Weg<br />

sind.<br />

Barbara Licht, geboren am 10. Juni 1909 im damaligen<br />

Dusemond, jetzt Brauneberg. Von<br />

1915 bis 1923 Besuch der Volksschule in Filzen.<br />

Am 4. Juni 1936 Eheschließung mit Johann<br />

Licht. Seit 1967 verwitwet. Frau Licht hat<br />

zwei Kinder, zwei Enkelkinder und eine Urenkelin.<br />

Sie lebt im Haushalt ihres Sohnes.<br />

C. W.:<br />

Frau Licht, was bedeutete es, vor 80 Jahren<br />

Kind bzw. ein Mädchen zu sein?<br />

BARBARA LICHT:<br />

Sieben Jahre bin ich zu Fuß in die Schule nach<br />

Filzen gegangen. Und nach dem 2. Schuljahr<br />

jeden Morgen vorher in die Kirche. Das gibt es<br />

heute nicht mehr. Als ich aus der Schule kam,<br />

habe ich anschließend in Wintrich die Nähschule<br />

besucht. Die Schule wurde von Schwestern<br />

geleitet. Mit der Moselbahn bin ich jeden<br />

Morgen dorthin gefahren. Die Schwestern haben<br />

uns gut unterrichtet, sodass ich später<br />

auch auf der Nähmaschine Kleider und Hemden<br />

für die Männer anfertigen konnte. Für meine<br />

Kinder habe ich fast alles selbst genäht.<br />

Meine Eltern hatten einen Winzerbetrieb und<br />

ich wurde früh mit der Arbeit im Weinberg vertraut<br />

gemacht. Unsere Weinberge liegen überwiegend<br />

in Steillagen auf der anderen Moselseite.<br />

Um diese Weinberge zu erreichen, haben<br />

wir mit der Fähre übergesetzt, die es ja auch<br />

schon sehr lange nicht mehr gibt. Schneiden<br />

habe ich als erstes gelernt. Vier Reben auf den<br />

Stock, die mit der Hand geschnitten wurden.<br />

Natürlich wurden die abgeschnittenen Reben<br />

aufgesammelt, denn sie sind gebraucht worden,<br />

um morgens in unserem Haus Feuer anzumachen.<br />

Alles ist verwertet worden und nichts<br />

liegen geblieben.<br />

103


C. W.:<br />

Erinnern Sie sich gern an Ihre Jugend?<br />

BARBARA LICHT:<br />

Oh ja. Oft sind wir tanzen gegangen. Jedes<br />

Jahr war Kirmes, Fastnacht und im Winter die<br />

Familienabende der Vereine. Das war immer<br />

sehr schön. Auch sind wir des Öfteren mit der<br />

Moselbahn nach <strong>Bernkastel</strong>-Kues gefahren.<br />

Die Schienen der Moselbahn verliefen hinter<br />

unserem Haus, und schräg gegenüber war der<br />

Bahnhof.<br />

C. W.:<br />

Wie war Ihr Alltag als Winzerin in einem Weinbaubetrieb?<br />

BARBARA LICHT:<br />

Mein Mann stammte aus Filzen und war auch<br />

Winzer. Wir haben hier in Brauneberg mit meinen<br />

Eltern zusammen gewohnt. Früher hatte<br />

nicht jede Familie ihren eigenen Haushalt so<br />

wie heute. Die anfallende Arbeit haben wir in<br />

der Großfamilie gemeinsam erledigt. Nur hatte<br />

jede der Familien ihren eigenen Wein.<br />

Das Brot habe ich bis nach dem Krieg selbst<br />

gebacken, alle zehn, zwölf Tage zehn Laiber<br />

Brot. Das war sehr viel Arbeit. In der Waschküche<br />

standen zwei Kessel; einer für die Wäsche<br />

und einer fürs Vieh. Daneben stand der<br />

Backofen fürs Brot. Es gab damals viele Leute,<br />

die den Backofen noch in der Küche stehen<br />

hatten. So gesehen, hatten wir es da schon etwas<br />

besser. Während der Backofen angeheizt<br />

wurde, haben wir stets mit Ähren probiert, ob<br />

die Hitze groß genug war. Sobald die Ähren<br />

braun wurden, konnte ich die Brote in den Ofen<br />

legen. Dann duftete es im ganzen Haus nach<br />

frisch gebackenem Brot. Nach dem Krieg haben<br />

mein Mann und ich die Frucht zur Mühle<br />

nach Veldenz gefahren. Der Mühle war eine<br />

Bäckerei angeschlossen, wo wir dann auf Brotkarten<br />

soviel Brot bekamen, wie wir wollten.<br />

Lediglich den Bäckerlohn hatten wir zu zahlen.<br />

Jede Woche ist gewaschen worden. Wir haben<br />

die Wäsche auf der Hand gerieben. Die Seife<br />

habe ich selbst gekocht. Die Gemeinde Filzen<br />

hatte ein Waschhaus. Dahin sind wir gegangen,<br />

um die Wäsche auszuwaschen. Sie wurde<br />

dann auf die Bleiche gelegt und ein paar Mal<br />

gegossen. Wenn wir Brauneberger ins Waschhaus<br />

kamen, mussten wir bezahlen. Aber dennoch<br />

kam das ganze Dorf dahin. Im Winter<br />

wurde für die ganze Familie gestrickt; Socken<br />

und Pullover, das war selbstverständlich und<br />

104<br />

jede Frau konnte das. Auch hatten wir Vieh.<br />

Drei Schweine haben wir immer groß gezogen.<br />

Eines wurde vor der Traubenlese geschlachtet,<br />

eines vor Weihnachten und eines im Januar. So<br />

hatten wir Fleisch und Wurst für das ganze<br />

Jahr.<br />

Besonders gut waren die Schinken. Die habe<br />

ich gesalzen und nachher geräuchert in unserem<br />

Räucherhäuschen. Wenn sie goldgelb<br />

aussahen und fertig waren, wurden sie auf dem<br />

Speicher im großen Fliegenschrank geschützt<br />

aufbewahrt. Den Wein haben wir nur im Fass<br />

verkauft. Heute sind es nur noch ein paar Fuder,<br />

die so verkauft werden. Alles andere wird<br />

in Flaschen abgefüllt.<br />

Gartenarbeit hat mir weniger Spaß gemacht.<br />

Aber wir hatten keine anderen Möglichkeiten.<br />

So habe ich viel einkochen müssen.<br />

Meine Kinder habe ich zu Hause entbunden.<br />

Die Hebamme kam damals mit dem Fahrrad<br />

von Mülheim. Aber dennoch war sie immer<br />

schnell da. In der ersten Zeit nach der Geburt<br />

kam sie jeden Tag, um mich zu pflegen. Neun<br />

Tage musste ich nach der Geburt im Bett bleiben.<br />

Das war so. Während den Schwangerschaften<br />

habe ich nie Probleme gehabt. Ich<br />

ging auch während der ganzen Zeit zu keinem<br />

Arzt. Die Frauen haben die Kinder alle auf diese<br />

Weise bekommen.<br />

Mein Mann ist früh gestorben. Er starb mit 67<br />

Jahren an einem Herzschlag. Damals war ich<br />

58 Jahre alt. Ich habe das als sehr schlimm<br />

empfunden, denn es war einfach zu früh.<br />

C. W.:<br />

Der 2. Weltkrieg war auch für die Bevölkerung<br />

an der Mosel sehr entbehrungsreich. Wie haben<br />

Sie die Jahre durchlebt bzw. überlebt?<br />

BARBARA LICHT:<br />

Lebensmittel waren knapp, auch hier bei uns.<br />

Gott sei Dank hatten wir Hühner und deshalb<br />

zumindest immer genügend Eier. Gegen Ende<br />

des Krieges haben wir die Nächte im Keller verbracht.<br />

Von unserem Haus aus konnten wir den<br />

Feind auf der anderen Moselseite in den Weinbergen<br />

beobachten und er uns. Das hatte zur<br />

Folge, dass wir nicht von außen in unseren Keller<br />

kamen; das wäre zu gefährlich gewesen. So<br />

grub mein Vater in der Scheune ein großes<br />

Loch zum Keller, sodass wir einen geschützten<br />

Eingang hatten. Im Keller haben meine Eltern,<br />

meine Kinder und ich dann auf Matratzen<br />

schlafen können. In unser Haus schlug eine


Granate ein; die Fenster waren zerstört und eine<br />

ganze Wand eingefallen. Auch hatten wir<br />

kein Licht. Weiter unten in Brauneberg war der<br />

Beschuss nicht so stark. Die Bevölkerung dort<br />

hat uns mit Kerzen versorgt, als die Lage etwas<br />

ruhiger wurde. Mein Mann war in Gefangenschaft<br />

in Frankreich. Erst 1947 kam er wieder<br />

nach Hause. Während der ganzen Kriegsjahre<br />

versorgte meine Mutter unsere Kinder,<br />

während ich mit meinem Vater die Arbeit in den<br />

Weinbergen machte.<br />

C. W.:<br />

Wollten Sie heute noch einmal jung sein?<br />

BARBARA LICHT:<br />

Ja. Heute ist alles viel moderner. Mir gefällt alles<br />

sehr gut. Insbesondere ist die Arbeit leichter<br />

als früher. Zu meiner Zeit gab es keinen Kindergarten,<br />

keine Autos und keinen Bus. Alles haben<br />

wir zu Fuß gemacht. Die Zeiten haben sich<br />

ganz geändert. Nach dem Krieg haben wir uns<br />

sofort einen Traktor gekauft, der unsere Arbeit<br />

bereits sehr erleichterte. Im Vergleich zu heute<br />

war der Traktor jedoch erst der Anfang. Unser<br />

Schuppen steht jetzt voller Geräte. Fast für jede<br />

Arbeit im Weinberg gibt es maschinelle Unterstützung.<br />

C. W.:<br />

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?<br />

BARBARA LICHT:<br />

Vor allem wünsche ich mir, dass ich gesund<br />

bleibe und meine Familie keine Arbeit mit mir<br />

hat. Auch ist es für mich wichtig, immer noch<br />

etwas arbeiten zu können. Lange Zeit habe ich<br />

für die ganze Familie gekocht; die Wäsche bügele<br />

ich heute noch und bessere sie aus. Ich<br />

bin bis zu meinem achtundsiebzigsten Lebensjahr<br />

in den Weinberg gegangen. Es würde mir<br />

deshalb sehr schwer fallen, müsste ich die<br />

Hände in den Schoß legen.<br />

Maria Born, geboren am 21. Januar 1921 in Belingen,<br />

jetzt <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr, war lange Jahre<br />

Bedienstete des Schulamtes der Kreisverwaltung<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Sie lebt heute in<br />

<strong>Wittlich</strong>.<br />

C. W.:<br />

Frau Born, wie war das in den dreißiger Jahren,<br />

jung zu sein, ein Mädchen zu sein? Wie haben<br />

Sie es empfunden?<br />

MARIA BORN:<br />

Erinnern kann ich mich noch sehr gut an mein<br />

Maria Born: untere Reihe, zweite von links<br />

Jahr im Pensionat in Ahrenberg. Das war 1936.<br />

Ich habe nur Gutes im Kloster erfahren und<br />

mich mit den Schwestern sehr gut verstanden.<br />

Die Schwester Oberin hat mich des Öfteren<br />

nach Ehrenbreitstein mitgenommen, wenn sie<br />

einkaufen fuhr. Nach dem Jahr in Ahrenberg<br />

habe ich zu Hause meine kranke Mutter gepflegt.<br />

C. W.:<br />

Wie haben Sie den Krieg durchlebt bzw. überlebt?<br />

Was bedeutete es für eine junge Frau Anfang<br />

20, in dieser Zeit zu leben. Was haben Sie<br />

getan?<br />

MARIA BORN:<br />

Bis in die Kriegszeit hinein habe ich bei Rechtsanwalt<br />

Dr. Schmitt in <strong>Wittlich</strong> gearbeitet. Dieser<br />

arbeitete zusammen mit Notar Hess. Die Menschen,<br />

die unter der Hand Waren verkauften,<br />

wurden damals angezeigt und angeklagt. Es<br />

wurde ihnen der Prozess gemacht und viele kamen<br />

ins Gefängnis. Um diese Menschen hat<br />

sich Rechtsanwalt Dr. Schmitt gekümmert und<br />

versucht, deren Situation zu verbessern. Dr.<br />

Schmitt hatte auch gute Verbindungen zum<br />

Roten Kreuz. Eines Tages wurde beim Roten<br />

Kreuz eine Person gesucht, die den Krankenwagen<br />

fahren konnte. Mich brauchten sie da<br />

nur einmal zu fragen. Ich war begeistert, den<br />

Führerschein machen zu dürfen. Am 5. August<br />

1943 bestand ich die Fahrprüfung in Straßburg<br />

und erhielt einen Betriebsberechtigungsschein,<br />

105


Holzvergaser zu fahren. Säckeweise hatten wir<br />

geschnittenes Holz dabei. Stets mussten wir<br />

unterwegs aussteigen und Holz nachladen.<br />

Das Stochen und das Nachlegen waren die<br />

reinste Drecksarbeit. Krankenauto zu fahren<br />

war in dieser Zeit gar nicht so einfach, denn wir<br />

hatten kaum Licht, da die Lampen verdunkelt<br />

sein mussten. Meine Fahrten musste ich oftmals<br />

nachts unternehmen, wenn ich kranke<br />

Menschen, die Hitler in seinem Reich nicht duldete,<br />

nach Andernach in die Krankenanstalt<br />

fuhr. Manche habe ich kennen gelernt, die<br />

weggefahren wurden und nie mehr nach Hause<br />

kamen. Dies hat mich sehr bedrückt. Auf meinen<br />

Fahrten nach Andernach kam ich vorbei an<br />

Bruttig. In Bruttig gab es einen Stollen, in dem<br />

Menschen von den Nazis gefangen gehalten<br />

und gefoltert wurden. Oft habe ich sie schreien<br />

hören. Dies war für mich eine sehr große Belastung.<br />

Regelmäßig fuhr ich eine Tankstelle in<br />

der Nähe des Stollens an. Der Tankwart sagte<br />

oft zu mir: »Hören Sie, sie schreien schon wieder<br />

in dem Tunnel! Was ist das so schrecklich.<br />

Ich halte es bald nicht mehr aus.« Dann sagte<br />

106<br />

er weiter: »Aber, sagen Sie nur nichts weiter,<br />

erzählen Sie es nirgendwo!« Ich sagte ihm dann<br />

immer: »Sie brauchen keine Angst zu haben,<br />

ich spreche nicht darüber.« Ich denke, diese<br />

Leute sind verschleppt und getötet worden.<br />

Nur meinen Eltern konnte ich mich anvertrauen;<br />

ein Wort zu jemand anderem war hoch gefährlich.<br />

Auch hier in der Gegend gab es natürlich Bombenangriffe.<br />

Eines Nachts bin ich mit meinem<br />

Krankenwagen den Pichterberg in <strong>Wittlich</strong><br />

hoch gefahren und sollte jemanden holen und<br />

ihn ins Krankenhaus bringen. Kurz vor meinem<br />

Ziel fielen Bomben. Ich bin sofort aus dem Wagen<br />

gesprungen und habe mich nebenan flach<br />

ins Feld gelegt. Das hatte man uns so gesagt.<br />

Gleich darauf hörte ich erneut einen furchtbaren<br />

Knall. Ein Flugzeug war abgestürzt in der<br />

Nähe von Speicher, wie ich später erfuhr. Als<br />

ich mit dem Krankenwagen zurückkam,<br />

schickte man mich sofort nach Speicher zu<br />

dem Flugzeugabsturz. Zwei Männer hatten mit<br />

schwersten Verbrennungen überlebt. Sie wurden<br />

geborgen und bei Leuten in Speicher untergebracht.<br />

Als ich dort ankam, um die Männer<br />

zu holen, sagte die Frau des Hauses zu mir:<br />

»Wollen Sie zuerst eine Tasse Kaffee oder etwas<br />

essen?« Ich lehnte ab, und wir gingen die<br />

Treppe hinunter zu den schwer verletzten Männern,<br />

die sie wegen ihrer Brandverletzungen bis<br />

über‘s Gesicht hin eingewickelt hatten. Die<br />

Männer hatten große Schmerzen und brüllten<br />

entsetzlich. Wir haben sie dann sofort in den<br />

Krankenwagen gebracht, und ich fuhr sie ins<br />

Krankenhaus. Ich habe sie dann später im<br />

Krankenhaus besucht. Sie haben Gott sei Dank<br />

überlebt. Nur, was ich bis heute nicht verstanden<br />

habe, ist, dass mir die Leute in Speicher zuerst<br />

noch zu essen und zu trinken anboten, bei<br />

dem Schweregrad der Verletzungen der beiden<br />

Männer. Aber, es war halt Krieg und nichts war<br />

normal. Schwierig war es damals, immer genügend<br />

Sprit für den Krankenwagen zu besorgen.<br />

Bei der Tankstelle Kranz in <strong>Wittlich</strong> gab es Gasflaschen,<br />

und so wurde unser Auto für Gasantrieb<br />

umgerüstet. Das Schöne und Gute an der<br />

Sache war, dass ich nun wirklich ein Stück fahren<br />

konnte, ohne denken zu müssen, wo kriegst<br />

du jetzt den nächsten Sprit her.<br />

Stellen Sie sich einmal den Piesporter Berg ungeteert<br />

vor, voller Rillen und Wasserläufe. Fahren<br />

Sie dort einmal mit einem Krankenwagen


als Frau allein hinunter und dann setzen Sie mit<br />

der Fähre über. Das war keine Kleinigkeit. Wie<br />

oft habe ich solche gefährlichen Fahrten unternehmen<br />

müssen. Durch die ständige Nervenanspannung<br />

zog ich mir eines Tages eine<br />

Gesichtslähmung zu. Das hat Woche um Woche<br />

gedauert. Ich musste jeden Tag nach Trier<br />

zur Behandlung, bis es besser wurde.<br />

Meine Eltern haben manche Nacht wach gelegen<br />

und darauf gewartet, dass ich heim kam.<br />

So war es in dieser Zeit. Nach dem Krieg fand<br />

ich eine Anstellung im Landratsamt, Schulabteilung.<br />

Dort ging es mir gut. Ich habe immer<br />

sehr gerne dort gearbeitet.<br />

C. W.:<br />

Wollten Sie noch einmal jung sein?<br />

MARIA BORN:<br />

Nicht mehr in einer solchen Zeit, wie ich sie habe<br />

erleben müssen.<br />

C. W.:<br />

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?<br />

MARIA BORN:<br />

Frieden.<br />

Doris Sußenburger, am 26.09.1950 in Bremen-<br />

Ense geboren. 1979 Staatsprüfung für das<br />

Lehramt an Realschulen mit den Fächern Mathematik<br />

und Physik. Frau Sußenburger ist verwitwet<br />

und hat zwei Kinder im Alter von 17 und<br />

15 Jahren. Sie arbeitet als Realschullehrerin an<br />

der Realschule in Neuerburg. Mit ihren Kindern<br />

lebt sie in ihrem Haus in Osann-Monzel.<br />

C.W.:<br />

Wie war Ihr bisheriger Lebensweg?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Nach meinem Abitur in Soest/Westfalen studierte<br />

ich in Mainz Physik, zuerst mit dem Ziel,<br />

die Diplomvorprüfung abzulegen. Etwa zur Zeit<br />

meiner Diplomprüfung lernte ich an der Universität<br />

meinen späteren Ehemann kennen und<br />

änderte mein Studienziel, da ich befürchtete,<br />

dass sich der Beruf der Diplomphysikerin nicht<br />

mit Hausfrauen- und Mutterpflichten verbinden<br />

lassen würde.<br />

Knapp zwei Jahre nach der Zweiten Staatsprüfung<br />

für den Schuldienst wurde unsere Tochter<br />

geboren und wieder knapp zwei Jahre später<br />

unser Sohn. Ich gab damals meinen Beruf auf,<br />

weil ich bis zur Einschulung der Kinder zu Hause<br />

sein wollte. Doch aus den geplanten sechs<br />

bis sieben Jahren Familien- und Erziehungszeit<br />

wurde eine Pause von 14 Jahren, da mein<br />

Mann im Jahre 1986 durch einen Autounfall<br />

ums Leben kam. Nach seinem Tod war es für<br />

mich selbstverständlich, dass ich Berufspläne<br />

erst einmal aufgab, denn Kinder, die ohne Vater<br />

aufwachsen müssen, sollen wenigstens eine<br />

Mutter haben, die Zeit für sie hat.<br />

C. W.:<br />

Frau Sußenburger, Sie sind Realschullehrerin.<br />

Fühlten Sie sich als Frau während Ihrer Ausbildung<br />

von Ihren Mentoren gegenüber Ihren<br />

männlichen Kollegen benachteiligt?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Ich habe mit meinem Ehemann gleichzeitig an<br />

derselben Schule die Referendarausbildung<br />

absolviert. Wir haben obendrein die gleichen<br />

Fächer studiert und uns natürlich aneinander<br />

gemessen. Ich hatte immer das Gefühl, besser<br />

sein zu müssen als mein Ehemann, um die gleiche<br />

Anerkennung zu bekommen wie er. Heute,<br />

mit 20 Jahren Abstand, weiß ich, dass das<br />

nicht stimmte, aber damals habe ich unter diesem<br />

dummen selbst produzierten Stress sehr<br />

gelitten.<br />

C. W.:<br />

Hätte ein Mann in einer vergleichbaren Situation<br />

sich ebenso gefühlt? Was meinen Sie?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Das weiß ich nicht! Mein Mann war zwar in der<br />

gleichen Situation wie ich, aber wir haben nie<br />

darüber gesprochen. Ich habe ihm ja auch nie<br />

etwas vorgejammert.<br />

107


C. W.:<br />

Was können Sie jungen Frauen auf ihrem Weg<br />

empfehlen?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Wichtig ist, dass wir Frauen mehr natürliches<br />

Selbstbewusstsein aufbauen. Frauen sollten<br />

nicht glauben, sie hätten eine durch das Geschlecht<br />

vorbestimmte Rolle. Sie sollen sich<br />

über ihre eigenen Ziele klar werden und diese<br />

dann selbstbewusst verwirklichen.<br />

C. W.:<br />

Wo haben Sie Unterstützung erfahren?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Viel Unterstützung habe ich nach dem Tod<br />

meines Mannes durch andere Dorfbewohner<br />

erfahren. Dies hat mir sehr geholfen. Sie müssen<br />

wissen, als mein Mann durch einen Verkehrsunfall<br />

ums Leben kam, stand unser Haus<br />

im Rohbau. Die Leute hier im Dorf fanden es<br />

toll, dass ich mich daran machte, das Haus in<br />

Eigenregie fertig zu bauen. »Wir sind stolz,<br />

dass du es geschafft hast«, war eine Anerkennung,<br />

die offen ausgesprochen wurde. Beim<br />

Wiedereinstieg in den Beruf habe ich viel Unterstützung<br />

und Bestätigung durch die Kolleginnen<br />

und Kollegen an der Realschule in Daun<br />

sowie durch den Realschuldirektor Herrn Kriegel<br />

erfahren. Insbesondere wurde anerkannt,<br />

dass ich nach 14 Jahren Familienpause gleich<br />

26 Wochenstunden Unterricht erteilte.<br />

C. W.:<br />

Würden Sie die Dinge aus heutiger Sicht anders<br />

angehen?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Nein!<br />

C. W.:<br />

Was haben Sie gelernt aus Ihren Schwierigkeiten?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Ich habe gelernt, dass ich wer bin und dass ich<br />

was kann.<br />

C. W.:<br />

Wie müsste sich Gesellschaft wandeln, damit<br />

Frauen gleiche Chancen erhalten?<br />

DORIS SUSSENBURGER:<br />

Es ist eine Wandlung der Frau notwendig, und<br />

nach meiner Auffassung ist diese auch in vollem<br />

Gange. Frauen müssen mehr Selbstbewusstsein<br />

aufbauen. Es ist selbstverständlich,<br />

dass Frauen Führungspositionen übernehmen.<br />

Aber, es muss auch für Frauen selbstverständlich<br />

sein, dass das so ist.<br />

108<br />

Edeltraud Engel, am 10.03.1971 in Schöneberg-Kübelberg<br />

bei Kusel geboren, legte 1997<br />

die Meisterprüfung im Friseurhandwerk vor der<br />

Handwerkskammer in Trier ab. Eröffnung eines<br />

eigenen Betriebes 1997 in Neumagen-Dhron.<br />

Frau Engel lebt mit ihrem Partner in Piesport.<br />

C. W.:<br />

Frau Engel, Sie haben sich kurz nach Ablegung<br />

der Meisterprüfung selbstständig gemacht.<br />

War das immer schon Ihr Plan?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Eigentlich stand bereits in der Schule mein Berufswunsch<br />

fest. Auf jeden Fall wollte ich etwas<br />

Kreatives tun. Im Salon Wehner in <strong>Wittlich</strong> fand<br />

ich einen Ausbildungsplatz. Nachdem ich die<br />

Meisterprüfung erfolgreich abgelegt hatte, bot<br />

sich mir kurze Zeit danach die Chance, ein Geschäft<br />

in Neumagen-Dhron zu übernehmen.<br />

Diese Chance habe ich dann ganz spontan<br />

wahrgenommen.<br />

C. W.:<br />

Wo haben Sie Unterstützung erfahren?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Geholfen haben mir mein Partner und meine<br />

ehemalige Chefin, Frau Wehner. Aus ihren<br />

Erfahrungen lerne ich heute noch. Auch habe<br />

ich öffentliche Mittel für ExistenzgründerInnen<br />

erhalten. Ohne diese finanzielle Unterstützung<br />

wäre ein erfolgreicher Start nicht möglich gewesen.


C. W.:<br />

Bedarf es einer besonderen Risikobereitschaft,<br />

um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Jede Existenzgründung ist mit Risiken verbunden.<br />

Dieser Tatsache war ich mir voll und ganz<br />

bewusst. Ich hatte jedoch den Vorteil, einen<br />

Betrieb übernehmen zu können, bei dem ein<br />

gewisser Kundenstamm und vor allen Dingen<br />

ein eingearbeitetes Team bereits vorhanden<br />

waren. Diese Dinge haben meine Situation erleichtert.<br />

Ein vollständiger Neuanfang hätte von<br />

mir sicherlich mehr Mut erfordert.<br />

C. W.:<br />

Was ist die Basis für einen realistischen und<br />

anhaltenden Erfolg?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Durchhaltevermögen ist gerade zu Beginn<br />

ganz besonders wichtig. Freundlichkeit gegenüber<br />

der Kundschaft und Liebe zum Beruf<br />

sind Voraussetzung, trägt man sich mit dem<br />

Gedanken, einen eigenen Betrieb zu eröffnen.<br />

Den Blick für das Machbare nicht zu verlieren,<br />

habe ich mir zum Ziel gesetzt. Am Ball bleiben<br />

in Bezug auf neue Entwicklungen halte ich für<br />

sehr wichtig. Damit ich nicht Gefahr laufe, den<br />

Anschluss zu verpassen, bilde ich mich regelmäßig<br />

weiter. Veranstaltungen wie die Modeproklamation<br />

’99 in <strong>Wittlich</strong> sind Anlässe für<br />

mich und mein Team, unser Können auch einer<br />

Öffentlichkeit vorzustellen.<br />

Grenzen meines Ichs<br />

Oft stoße ich mich an den<br />

Grenzen meines Ichs wund,<br />

dann möchte ich über sie<br />

hinausgeschwemmt werden,<br />

und nicht mehr<br />

zu mir zurückfinden.<br />

C. W.:<br />

Wo lagen die Schwierigkeiten?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Ich habe Zeit gebraucht, mich mit meinen neuen<br />

Kunden in Neumagen-Dhron und Umgebung<br />

vertraut zu machen und Selbstsicherheit<br />

in diesem für mich bis dahin unbekannten Umfeld<br />

aufzubauen.<br />

C. W.:<br />

Immer mehr junge Frauen entschließen sich, eine<br />

eigene Existenz zu gründen und sich selbstständig<br />

zu machen. Was können Sie diesen<br />

Frauen raten?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Sie sollten auf jeden Fall selbstbewusst zu ihrer<br />

Idee stehen, sich nicht entmutigen lassen und<br />

sich trauen, ins kalte Wasser zu springen.<br />

C. W.:<br />

Haben Sie sich verändert, seit Sie Ihr Geschäft<br />

eröffnet haben?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Ja. Ich bin stärker und reifer geworden, auch<br />

stolz auf das, was ich mir aufgebaut habe.<br />

C. W.:<br />

Würden Sie den gewählten Weg noch einmal<br />

einschlagen?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Auf jeden Fall.<br />

C. W.:<br />

Welches sind Ihre weiteren Pläne?<br />

EDELTRAUD ENGEL:<br />

Ich bin für jede neue Herausforderung offen.<br />

Maria Kern-Steenvoort<br />

109


Nur noch in der Erinnerung bleibt mir das verlorene<br />

Paradies meiner frühen Kindheit, die ich in<br />

der Geborgenheit des Elternhauses mit zwei älteren<br />

Schwestern in dem kleinen Winzerdorf<br />

Kesten verbrachte. Von der derzeitigen Jahrhundertwende<br />

blicke ich zurück in die 20er<br />

Jahre, als die Bevölkerung noch sehr unter den<br />

schlimmen Folgen des verlorenen Ersten Weltkrieges<br />

zu leiden hatte. Die harten Reparationsbedingungen<br />

des Versailler Vertrages führten<br />

in Deutschland zu großer wirtschaftlicher<br />

Not und zur radikalen Geldentwertung. Der<br />

Winzerstand war auch hart getroffen, weil<br />

110<br />

Erinnerungen an eine frühe Kindheit<br />

in einem Moseldorf<br />

Die Autorin (Bildmitte) mit ihren Schwestern<br />

Therese Schäfer<br />

durch die geschwundene Kaufkraft kaum<br />

Weinhandel zustande kam und oft Weine von<br />

zwei Jahrgängen in den Kellern lagerten. So<br />

geschah es nicht selten, dass die Winzer in ihrer<br />

Notlage ihre Weine zu Schleuderpreisen<br />

verkaufen mussten. Das Geld war damals allgemein<br />

sehr knapp.<br />

In dieser Zeit begann mein Leben in der kleinen,<br />

bescheidenen dörflichen Welt. Sie war<br />

bäuerlich geprägt, und neben den Weinbergen<br />

hatten wir, wie die anderen Winzerfamilien, Felder,<br />

Wiesen und einen Garten, die uns miternährten.<br />

Im Stall standen Kühe als Zug- und<br />

Nutztiere. Zwei, drei Schweine wurden gemästet<br />

und im Herbst und Winter geschlachtet,<br />

sodass kein Mangel an Fleisch, Wurst und Fett<br />

bestand. Für sonntags wurde gelegentlich bei<br />

der Metzgerei Bastgen frisches Rindfleisch gekauft.<br />

Mutter widmete sich mit besonderer Liebe<br />

der Hühnerzucht, und so mangelte es der<br />

Familie nie an Eiern. Die Eltern mussten für den<br />

Lebensunterhalt hart und viel arbeiten, aber wir<br />

hatten dadurch immer genug zu essen und<br />

wuchsen trotz großem Geldmangel gesund<br />

und fröhlich auf. Es war so, wie meine Schulfreundin<br />

im letzten Weihnachtsbrief schrieb:<br />

»Ich habe unsere Armut gar nicht so bemerkt;<br />

ich hatte ein gutes Elternhaus, es war doch<br />

schön!«<br />

Die Feste des Kirchenjahres brachten in den<br />

harten Alltag der Dorfbewohner Abwechslung<br />

und Freude. Besonders an die Vorweihnachtszeit<br />

und das Christfest habe ich schöne und<br />

glückliche Erinnerungen. Unvergesslich bleibt<br />

mir jener Christtagmorgen, als Vater mich aus<br />

dem Schlaf auf seine Arme hob und die Treppe<br />

hinunter in die gute Stube trug. Dort waren<br />

Mutter und die Schwestern schon um die Krippe<br />

und den nach Harz und Kerzen duftenden<br />

Weihnachtsbaum versammelt, der mir so geheimnis-<br />

und verheißungsvoll entgegenstrahlte.<br />

Da lag das Kindlein in der Krippe, umgeben<br />

von Maria und Josef und den vielen Hirten und


Schafen. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl<br />

erfüllte mein Kinderherz beim Gesang der alten<br />

Weisen, die Vater leise mitbrummte. Ich ahnte<br />

selig die Bedeutung der Geburt Christi für die<br />

Gläubigen, das große Geheimnis seiner<br />

Menschwerdung.<br />

Weihnachten begann damals für die Dorfbewohner<br />

am Christtagmorgen mit dem Besuch<br />

der Mette. Dann erst fand zu Hause die Bescherung<br />

in der Familie unterm Weihnachtsbaum<br />

statt. Die Sitte, den Heiligabend zu feiern,<br />

verbreitete sich später auch langsam auf<br />

dem Lande.<br />

Unter den Heiligen, die in der Erziehung eine<br />

Vorbildfunktion hatten, war Sankt Nikolaus der<br />

Beliebteste, aber auch bei den Erwachsenen<br />

genoss er große Verehrung, die teilweise heute<br />

noch erhalten geblieben ist. So erwählten die<br />

Eltern ihn gern zum Schutzpatron für ihre<br />

männlichen Sprösslinge. Die auf seinen Namen<br />

Getauften hießen dann im Dorf Kläs, Nikla,<br />

Klässi, Kloes oder Klaus. Nicht weit von meinem<br />

Elternhaus hatten die Vorfahren ihm zu<br />

Ehren ein Heiligenhäuschen erbaut, wie man<br />

sie vielerorts an der Mosel findet, weil er auch<br />

seit Menschengedenken als Schutzpatron der<br />

Flussschiffer und Reisenden gilt. Von seinem<br />

Sockel schaute er im vollen Bischofsornat auf<br />

den nahen Fährbetrieb, wo Menschen, Tiere<br />

und Fahrzeuge tagaus und tagein übergesetzt<br />

wurden. Zu seinen Füßen stand ein Bottich mit<br />

drei nackten Knaben, die der Legende nach<br />

von ihm auf wunderbare Weise wieder zum Leben<br />

erweckt wurden. (Die gleiche Darstellung<br />

befindet sich auch noch über dem Portal des<br />

St.-Nikolaus-Hospitals in <strong>Bernkastel</strong>-Kues; nur<br />

wurde inzwischen einer der Knaben gestohlen.)<br />

Seit Generationen stand St. Nikolaus dort und<br />

wachte über die Fähre, umrahmt von Weinbergen,<br />

und jeder hatte freien Zugang zu dem Heiligenhäuschen.<br />

Wir Kinder spielten oft darin unter<br />

seiner Obhut, und an seinem Patronsfest<br />

wurde ihm zu Ehren manche Kerze dort entzündet.<br />

Das mildtätige Wirken des Bischofs von Myra<br />

ist uns in mancher Legende überliefert und<br />

führte zu der schönen Sitte, die Kinder am Nikolausabend<br />

zu bescheren.<br />

Die Mosel fließt an meinem Elternhaus vorbei,<br />

das etwas erhöht auf dem »Hiebelchen« steht.<br />

Sie wurde mir zum vertrauten Anblick, aber ich<br />

lernte auch schon früh in der schlechten Jah-<br />

reszeit ihre Tücken kennen. Hochwasser suchte<br />

uns bei starken Regenfällen regelmäßig<br />

heim. Die Keller mussten geräumt und die Kartoffeln<br />

eilig aufgerafft werden, aber der Wein<br />

blieb in den Fässern, wo er war. Vater hatte für<br />

diesen Notfall immer Sandsäckchen bereit, die<br />

auf das Spundloch gelegt wurden. Dann wurde<br />

der Zapfen draufgeschlagen, damit die Öffnung<br />

wasserdicht verschlossen war. Danach<br />

wurden die Weinfässer von der Decke »gesteipt«,<br />

mit besonderen hölzernen Stangen<br />

festgesetzt, damit sie nicht im Wasser gegeneinander<br />

stießen und das kostbare Nass ausfloss.<br />

Vater war immer in großer Sorge, wenn<br />

die Mosel im Keller stand. Sobald sie abfloss,<br />

schaute er nach, ob die Fässer heil geblieben<br />

waren. War dem so, kam er sehr erleichtert aus<br />

dem Keller. Bei kalten Wintern konnte ich vom<br />

Fenster aus beobachten, wie sich Treibeis bildete.<br />

Zunächst bahnte sich der Fährmann, unser<br />

Nachbar, mit seinem Gehilfen noch einen<br />

Weg durch die Schollen, indem sie mit einer<br />

langen Stange, die eine eiserne Spitze hatte,<br />

das Eis vom Kahn oder der Ponte wegstießen.<br />

Wenn das Treibeis immer dichter wurde, musste<br />

der Fährbetrieb eingestellt werden. Ein knirschendes<br />

Reiben und Schieben war bis in die<br />

Häuser zu hören. Immer langsamer bewegten<br />

sich die Schollen. Auf einmal war Stillstand. Die<br />

Mosel war zugefroren. Es war ein ungewohnter<br />

Anblick. Die fließende Bewegung hatte sich in<br />

eisige Starre verwandelt.<br />

Im Februar 1929 wurde Europa von solch einer<br />

sibirischen Kälte heimgesucht, dass alle<br />

großen Flüsse zufroren, so auch die Mosel. Ich<br />

war am Keuchhusten erkrankt und erholte mich<br />

nur langsam. Daher durfte ich nicht wie die anderen<br />

Kinder draußen herumspringen.<br />

Sehnsüchtig beobachtete ich, wie sich Jung<br />

und Alt auf dem Eis tummelten. Ich wollte zu<br />

gerne auch einmal über die zugefrorene Mosel<br />

gehen. Schließlich erfüllten meine Eltern mir<br />

den Wunsch; ich wurde warm eingepackt, und<br />

an ihren Händen schritt ich um die Mittagszeit<br />

in der kalten Wintersonne zum jenseitigen<br />

Flussufer und zurück, ein unvergessliches Erlebnis!<br />

Zeitungsberichte vermitteln einen Eindruck<br />

von der damals herrschenden grimmigen<br />

Kälte:<br />

»Berlin, 10. Februar. In Berlin wurden in den<br />

späten Abendstunden 23 Grad Kälte gemessen.<br />

In den Außenbezirken fiel das Thermome-<br />

111


ter bis auf 32 Grad. Der Frost ist so stark, daß<br />

dicke Äste von den Bäumen wie Glas abbrechen.«<br />

»Breslau, 11. Februar (Drahtloser Pressedienst)<br />

In den frühen Morgenstunden wurde eine<br />

mächtige Detonation am Wilhelmufer wahrgenommen.<br />

Infolge der großen Kälte von -30<br />

Grad ist die Wilhelmbrücke in ihrer vollen Breite<br />

gesprungen...«<br />

»<strong>Bernkastel</strong>-Cues, 13. Februar 1929.<br />

DER STRENGE WINTER: Die ungewöhnliche<br />

Kälte hielt auch gestern an. Das Thermometer<br />

zeigte auf dem Marktplatz -19 Grad Celsius, in<br />

der Mandatstraße -16,5. Die Vereisung der Mosel<br />

ist vollständig. Es sind nur noch einige Wasserlöcher<br />

zu sehen. Kinder versuchten gestern<br />

schon auf dem Eis die Mosel zu überqueren. Es<br />

sei vor diesem Beginnen dringend gewarnt.«<br />

»Erden 21. Febr. Die zugefrorene Mosel, die in<br />

der vergangenen Woche nur von Fußgängern<br />

und Radfahrern überquert wurde, ist nunmehr<br />

von Ufer zu Ufer zur Verkehrsstraße geworden.<br />

So kann man seit Tagen beobachten, wie hier<br />

und auch bei dem benachbarten Lösnich beladene,<br />

mit Pferden bespannte Fuhrwerke über<br />

die Eisdecke fahren. Auch das Auto nutzt bereits<br />

die seltene Gelegenheit, ohne Fahrgeld zu<br />

zahlen, das andere Ufer zu erreichen.« 1<br />

Welch ein liebliches und friedliches Bild bot indessen<br />

die Mosel an warmen Sommerabenden,<br />

wenn die Leute nach getaner Arbeit<br />

draußen saßen und in nachbarlicher Eintracht<br />

miteinander plauderten. Träge und fast unmerklich<br />

floss sie dahin, und die spiegelglatte<br />

Oberfläche geriet zuweilen in Bewegung, wenn<br />

Fische aus dem Wasser sprangen und nach<br />

den Fliegenschwärmen schnappten und beim<br />

Wiedereintauchen Kreise bildeten, die sich<br />

ausdehnten und verliefen. Vertraut war auch<br />

das Klatschen der Ruder, wenn der Fährmann<br />

einen späten Gast übersetzte. Zuweilen geschah<br />

es, dass plötzlich die Frösche aus dem<br />

stehenden Wasser zwischen den Krippen<br />

(Buhnen) vielstimmig ihr Quaken ertönen<br />

ließen. Das Froschkonzert dauerte bis in die<br />

späte Nacht und begleitete uns Kinder in den<br />

Schlaf. Ihr Gequake verkündete gutes Wetter,<br />

so war die Meinung, und das brauchten die<br />

Winzer für die schwere Arbeit.<br />

Wie mühselig war doch zu jener Zeit das Spritzen<br />

der Weinberge, als die Technik noch kaum<br />

Einzug gehalten hatte, die später die Arbeit er-<br />

112<br />

leichtern sollte. Um die Ernte zu sichern, wurden<br />

in dem Spritzfass Gifte gemischt, die auch<br />

für die Winzer schädlich waren. Das hochgiftige<br />

Arsen, das zur Bekämpfung des Sauerwurms<br />

und anderer Blattsauger mit in die<br />

Spritzbrühe kam, wurde später verboten. Wenn<br />

Vater es benutzte, geschah es fast immer, dass<br />

ihm am Abend übel wurde und er die ganze<br />

Nacht erbrechen musste.<br />

Wenn am Morgen das Spritzfass gefüllt war,<br />

zogen die geduldigen Kühe den Wagen die kurvenreichen<br />

Weinbergswege hinauf, die damals<br />

ziemlich holprig waren. An Ort und Stelle wurden<br />

die Spritzgeräte gefüllt, auf den Rücken<br />

genommen, und dann ging der Winzer von<br />

Weinstock zu Weinstock, indem er mit der linken<br />

Hand den Hebel auf und ab zog, der die<br />

Flüssigkeit herausdrückte, und mit der rechten<br />

spritzte. Das ist heute im Zeitalter des Hubschraubers<br />

kaum noch vorstellbar.<br />

Einmal begleitete ich den Vater und meine älteste<br />

Schwester zu dieser Arbeit. Auf der Höhe<br />

schräg über unserem Hause war noch ein kleiner<br />

Weinberg zu spritzen. So begaben wir uns<br />

mit dem Fuhrwerk, ich an der Hand der Schwester,<br />

die schon einige Jahre aus der Schule<br />

war, auf den Weg. Obwohl nicht weit vom Elternhaus<br />

entfernt, war er umständlich und lang.<br />

Unterwegs machte uns bald die aufkommende<br />

hochsommerliche Hitze zu schaffen. Die Kühe<br />

kamen nur langsam den Berg hinauf. Ich<br />

sprang verdrießlich seitlich auf den Wagen,<br />

stürzte herab und das linke Hinterrad fuhr über<br />

meinen rechten Fuß. Da lag ich nun und jammerte<br />

vor Schmerzen. Vater und Schwester<br />

halfen mir besorgt auf die Beine, aber ich konnte<br />

mit dem verletzten Fuß nicht mehr auftreten.<br />

Adelheid musste mich huckepack die steilen<br />

Weinberge hinunter heimbringen. Der Fuß war<br />

angeschwollen, und ich brauchte dringend eine<br />

Behandlung. Der Knochenflicker vom Nachbarort<br />

Minheim musste helfen. Damals rief man<br />

nur in ganz schweren Fällen den Arzt. Wir waren<br />

noch in keiner Krankenkasse, wie die meisten<br />

Familien im Dorf, denn bei der damaligen<br />

Geldknappheit fiel es den Leuten schwer, die<br />

monatlichen Beiträge zu zahlen. Niklaus Hauth,<br />

der wegen seiner Heilkunst im Volksmund<br />

»Minheimer Knochenflicker« hieß, wurde gerufen.<br />

Er kam nach Feierabend mit dem Rad zu<br />

uns gefahren. Dieser bescheidene, freundliche<br />

Mann war ein Naturtalent. Er hatte während


Auf der zugefrorenen Mosel 1929<br />

des Ersten Weltkrieges als Sanitäter in Lazaretten<br />

gearbeitet und sich dabei gründliche<br />

Kenntnisse der menschlichen Anatomie erworben.<br />

Aus dem Krieg zurück, arbeitete er jahrzehntelang<br />

als Knecht bei dem Weinbauern Johann<br />

Schunk.<br />

Nebenbei half er den Leuten bei Verstauchungen<br />

und Knochenbrüchen. So wurde er langsam<br />

wegen seiner Heilkunst in der Umgegend<br />

bekannt, hatte aber nie eine eigene Familie und<br />

blieb zeitlebens ein armer Mann, weil er für seine<br />

Dienste kein Geld nehmen durfte, da ihm die<br />

Approbation fehlte. Dieser einfache Mann war<br />

von einer solchen Herzlichkeit, dass ich gleich<br />

Vertrauen zu ihm fasste. Ich wurde auf einen<br />

Stuhl gesetzt. Er betastete gründlich den verletzten<br />

Fuß. Dann mussten Vater und Mutter<br />

mich gemeinsam festhalten, während er daran<br />

zog und zog und drehte. Es tat schrecklich weh<br />

und ich schrie wie am Spieß. Schließlich hatte<br />

er den Fuß wieder eingerenkt und machte einen<br />

festen Verband darum. In den nächsten<br />

Tagen kam er noch einige Male, um nachzusehen,<br />

ob der Fuß, der mit essigsaurer Tonerde<br />

gekühlt werden musste, auch richtig heilte. Es<br />

dauerte nicht lange, so konnte ich mit Vaters<br />

Spazierstock draußen vor der Türe herumhumpeln<br />

und bald laufen und springen wie vorher.<br />

Noch ein anderes Mal bereitete ich meinem Vater<br />

durch mein schlechtes Betragen Verdruss,<br />

aber dieser Vorfall hatte einen heiteren Hintergrund.<br />

Als ich etwa fünf Jahre alt war, ging ich<br />

sonntags gern mit ihm ins Hochamt. Er besaß<br />

auf der Empore, dem Ducksaal, vorne an der<br />

Lehne seinen Platz, von wo man einen schönen<br />

Blick in das Innere der Kirche werfen konnte.<br />

Damals schmückten noch Darstellungen von<br />

Engeln und Heiligen die Wände, die der Pfarrer<br />

Christoph Huberty in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts selbst »mit kunstfertiger Hand«<br />

gemalt hatte. 2 Auf der gebogenen Stirnwand<br />

zum Chor schwebten Engel hoheitsvoll auf<br />

Wölkchen und hielten aufgerollte Spruchbänder<br />

in den Händen. Über ihnen thronte das<br />

Lamm Gottes. Auf der Rückwand des Chores<br />

stand Christus in einer Mandorla mit einem<br />

geöffneten Buch in der linken Hand, die rechte<br />

mahnend erhoben, kniend verehrt von Sankt<br />

Georg und dem heiligen Josef. Von den Nothelfern,<br />

die von den Seitenwänden des Hochaltares<br />

niederschauten, ist mir die heilige Notburga<br />

noch in Erinnerung, in der linken Hand die<br />

113


mit Ähren gefüllte Schürze haltend, in der rechten<br />

die Sichel. Alle diese Gestalten waren mir<br />

bald ein vertrauter Anblick. Auch konnte ich<br />

meine beiden Schwestern von oben beobachten.<br />

Hedwig kniete bei den Schulmädchen auf<br />

der linken Seite, und einige Bänke dahinter war<br />

Adelheid unter den jungen Mädchen. Danach<br />

kam der Bereich der Frauen, die, unter Hüten<br />

versteckt, nicht zu erkennen waren. Ich beugte<br />

mich vor und erblickte direkt unter mir einen<br />

großen schwarzen Hut. Mich überkam spontan<br />

ein schlimmes Verlangen, schon fiel meine<br />

Spucke hinunter und landete mitten auf der<br />

Kopfbedeckung, ohne dass die Trägerin etwas<br />

davon merkte. Jedoch die Männer links und<br />

rechts hatten es gesehen und amüsierten sich<br />

darüber mit einem dunklen, unterdrückten Lachen,<br />

das mir heute noch in den Ohren klingt.<br />

Ich war über mich selbst entsetzt und schämte<br />

mich. Mein Vater, der über das ungebührliche<br />

Verhalten seiner Tochter sehr verlegen war,<br />

nahm mich seit diesem Vorfall nie mehr mit auf<br />

den Ducksaal.<br />

Der Schrecken meiner frühen Kindertage waren<br />

die Bären mit ihren Treibern, die in der<br />

schönen Jahreszeit durch die Lande zogen. Die<br />

zotteligen Tiere trugen alle einen Maulkorb und<br />

wurden von ihren zigeunerhaften Eigentümern<br />

an Ketten durch die Straßen geführt. Ab und zu<br />

hielten sie an. Wenn genug Neugierige sich um<br />

sie versammelt hatten, schlugen die Männer<br />

auf Tamburinen den Takt, wonach die dressierten<br />

Tiere aufrecht tanzen mussten. Einer der<br />

Treiber ging dann rund, um für ihre furchteinflößende<br />

Darbietung um ein Scherflein zu bitten.<br />

Wenn die Tanzbären kamen, flüchtete ich<br />

immer voller Angst ins Haus und wagte mich<br />

nur an der Hand des Vaters wieder hinaus, um<br />

dem Schauspiel zuzusehen.<br />

Ähnliche Angst empfand ich vor den Zigeunern,<br />

die im Sommer zuweilen mit ihren von<br />

kleinen Panjepferden gezogenen Wagen auftauchten<br />

und auf der anderen Moselseite sich<br />

um das alte Fährhäuschen lagerten. Sie waren<br />

geschickte Korbflechter und konnten sehr<br />

schön musizieren. Trotzdem genossen sie keinen<br />

guten Ruf, denn die Mär war verbreitet,<br />

dass sie heimlich Wäsche von der Leine stahlen<br />

und kleine Kinder entführten. Sie kamen<br />

von drüben herüber ins Dorf, um zu hausieren<br />

und auch zu betteln. Die jungen Zigeunerinnen<br />

boten einen romantischen Anblick in ihren lan-<br />

114<br />

gen, bunten Röcken und dem schwarzen,<br />

lockigen Haar, das ihnen über die Schultern<br />

hing. Sie waren immer von braungebrannten<br />

Kindern begleitet, wovon das Kleinste oft aus<br />

einem um die Schultern geschlungenen Tuch<br />

hervorschaute. Ein Hauch von Exotik umgab<br />

sie. Die jungen Frauen waren schön anzusehen,<br />

aber die alten sahen wie Hexen aus. Eines<br />

Morgens war ich mit der Mutter allein zu Hause.<br />

Sie backte Kuchen und hatte mir Teig für<br />

meine Förmchen gegeben. Ich saß vergnügt an<br />

meinem Tischlein und füllte sie damit, als plötzlich<br />

eine Zigeunerin in der Küche stand. Ich erinnere<br />

mich noch gut, da sie ein weites Kleid<br />

mit großem weißen Blumenmuster trug. Als sie<br />

mich bei meiner glücklichen Beschäftigung erblickte,<br />

sah sie mich mit stechenden Augen an,<br />

dass ich vor Angst erstarrte. Mit dem Zeigefinger<br />

auf mich deutend sprach sie sibyllinisch:<br />

»Das Kind wird dir bereiten großen Kummer,<br />

wenn groß sein.« Als Mutter ungläubig lachte<br />

und abwehrte, wurden ihre Prophezeiungen<br />

über mich immer düsterer, dass ich in große<br />

Not geriet und in meinem kindlichen Sinn bangte,<br />

die Mutter könne ihr doch glauben und mich<br />

nicht mehr lieb haben. Ich litt entsetzlich. Um<br />

ihre Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, zeigte<br />

sie auf ihr großblumiges Kleid und behauptete,<br />

dass sie dies von einer Frau geschenkt bekommen<br />

habe, weil ihre Wahrsagung in Erfüllung<br />

gegangen sei. Mutter blieb zu meiner Erleichterung<br />

unbeeindruckt und schickte sie energisch<br />

fort. Ich aber begann bitterlich zu weinen. Mutter<br />

nahm mich liebevoll in ihre Arme, tröstete<br />

mich und meinte, dass sie der dummen Zigeunerin<br />

doch nicht glauben würde, ich sei doch<br />

ihr gutes, braves Kind. Allmählich beruhigte ich<br />

mich wieder.<br />

Im Herbst 1931 wartete ein besonderes Erlebnis<br />

auf mich, denn ich sollte zum ersten Mal mit<br />

meinen Verwandten nach Trier fahren, die dort<br />

wohnten. Tante Bäbbi und Onkel Reinhard waren<br />

bei uns auf Besuch und boten meinen Eltern<br />

an, mich für die Zeit der Traubenlese mitzunehmen,<br />

dann sei ich bei der Arbeit aus den<br />

Füßen. Ich war gleich damit einverstanden,<br />

denn von meinen älteren Schwestern hatte ich<br />

schon viel von Trier erzählt bekommen und<br />

wollte gar zu gerne mal mit der Straßenbahn<br />

fahren. Dem Klausens Ännichen, mit dem ich<br />

oft spielte, erzählte ich stolz, dass ich verreisen<br />

würde. Ich fügte wichtigtuerisch hinzu: »Eich


engen dir och appes Scheenes met.« So verließ<br />

ich dann mit Onkel und Tante zum ersten<br />

Mal mein Elternhaus. Beim Abschied mischte<br />

sich in die Vorfreude ein unerklärlich wehes<br />

Gefühl. Wir fuhren mit der Moselbahn. Es dauerte<br />

für mich eine Ewigkeit, bis wir endlich in<br />

Trier ankamen. Auf einem großen Platz warteten<br />

wir auf die Straßenbahn, die mit Geklingel<br />

ankam. Ich war ganz aufgeregt als wir einstiegen<br />

und staunte über die breiten Straßen und<br />

die mächtig großen Häuser, an denen wir vorbeifuhren.<br />

Weiter ging die Fahrt über die alte<br />

Römerbrücke auf die andere Moselseite, wo<br />

meine Verwandten wohnten. In ihrer Wohnung<br />

angekommen, wurde ich von Cousine Änni und<br />

Vetter Helmut herzlich begrüßt, denn wir kannten<br />

uns gut, weil sie immer die Sommerferien<br />

bei uns verlebten. Änni hatte sogar für mich ihre<br />

Puppenstube aufgebaut. Es folgten unvergesslich<br />

schöne Tage. Der erste Gang in die<br />

Stadt an der Hand der Tante war für mich überwältigend.<br />

Die Leute in den Straßen waren alle<br />

so fein gekleidet und hatten keine Pinnenschuhe<br />

an, wie die Erwachsenen und auch wir Kinder<br />

sie werktags im Dorf trugen. Ich war richtig<br />

froh, dass Mutter mir nur die Sonntagsschuhe<br />

mitgegeben hatte. Die Frauen und Mädchen<br />

waren schick gekleidet und trugen keine<br />

Schürzen, wie es bei uns wochentags üblich<br />

war. Und die Straßen waren so sauber! Wie sah<br />

bei uns die »Gaaß« werktags aus! Sie war beschmutzt<br />

mit Kuhfladen und Pferdeäpfeln, die<br />

von den vielen Gespannen stammten, die sie<br />

benutzten. Aber samstags oder vor Feiertagen<br />

wurde sie gründlich gekehrt und gesäubert.<br />

Und wenn dann ein Nachzügler von der Arbeit<br />

kommend erneut die Straße beschmutzte, gab<br />

es großes Geschrei und Geschimpfe von den<br />

Anrainern, während sie mit Besen und Schippe<br />

die unerwünschten Spuren wieder beseitigten.<br />

Tante Bäbbi war eine gute Geschichtenerzählerin.<br />

Ich war von ihren anschaulichen Darstellungen<br />

ganz gefesselt. Natürlich gingen wir<br />

auch zum Dom, wo sie mich auf den berühmten<br />

Domstein setzte. Dann erzählte sie mir die<br />

Sage, wie der Teufel ihn vor Wut vor den Eingang<br />

geschleudert habe, weil er um eine arme<br />

Seele geprellt worden war. Sie zeigte mir auch<br />

noch die Porta Nigra, dieses einmalige Wahrzeichen<br />

Triers aus römischer Zeit. Die Römer<br />

hätten sie gebaut. Ich dachte, dass sie Riesen<br />

gewesen sein mussten, weil sie solche großen<br />

Quadersteine aufeinandersetzen konnten. Sie<br />

weckte als erste in mir das Interesse an diesem<br />

alten Kulturvolk, das in der geschichtlichen<br />

Entwicklung unseres Heimatraumes von so<br />

großer Bedeutung war.<br />

Nach der Traubenlese kam meine große<br />

Schwester mich wieder abholen und richtete<br />

mir einen schönen Gruß vom Ännichen aus, ob<br />

ich auch noch daran denken würde, ihr etwas<br />

Schönes mitzubringen. Ich aber hatte mein<br />

Versprechen vergessen. Tante Bäbbi hatte das<br />

mitangehört und gab mir eine Ermahnung für<br />

mein ganzes Leben mit, als sie sagte. »Was<br />

man versprochen hat, muss man auch halten.«<br />

Sie besorgte mir fürs Ännichen ein Säckchen<br />

mit Klickern und einer bunten Glaskugel, das<br />

ich ihr bei meiner Rückkehr von meinem Ausflug<br />

in die große Welt stolz überreichte.<br />

Wir schrieben das Jahr 1932, als ich nach den<br />

Osterferien eingeschult wurde und die frühen<br />

Kinderjahre ein Ende fanden. Vorher war Tante<br />

Bäbbi von Trier gekommen, um mir eine Anzahl<br />

Schulschürzen zu nähen. Sie brachte mir auch<br />

die Fibel mit, die Onkel Reinhard, der Buchbinder<br />

war, mit einem neuen dunkelroten Einband<br />

versehen hatte. Das war nötig geworden, weil<br />

meine beiden Schwestern auch schon mit ihr<br />

lesen gelernt hatten. Die Schürzen waren mein<br />

ganzer Stolz. Sie hatten an den Schultern Volants<br />

und wurden mit einer dicken Schleife hinten<br />

zugebunden. Zu meinem Leidwesen musste<br />

ich sie später immer gleich nach der Schule<br />

ausziehen, was ich nur widerstrebend tat und<br />

bekam dann von Mutter einen ihrer vielen<br />

Sprüche zu hören: »Wer emma well gebotzt<br />

sein, es käs gebotzt.« Endlich war der erste<br />

Schultag gekommen, der für mich ein ganz<br />

großes Ereignis darstellte. Voll freudiger Erwartung<br />

marschierte ich an der Hand meiner<br />

Schwester Hedwig in die Schule, den Ranzen<br />

auf dem Rücken, aus dem seitlich an Kordeln<br />

Schwämmchen und Läppchen der Tafel lustig<br />

hin und her baumelten. Als wir am Geschäft<br />

von Schneidisch Lies vorbeikamen, stand das<br />

Ännichen oben auf der Treppe, denn sie wohnte<br />

damals mit ihren Eltern bei der ledigen Tante.<br />

Freudig rief ich ihr zu: »Eich gehn en de School,<br />

geh met!« Sie war jünger als ich und musste<br />

noch ein Jahr warten. Aber das hielt sie nicht<br />

davon ab, flugs die Treppe hinunter zu laufen,<br />

mich bei der Hand zu fassen und mitzugehen.<br />

Ich nahm sie mit in die Klasse. Die Lehrerin,<br />

115


Fräulein Blau, wusste natürlich, dass sie nicht<br />

zu den ABC-Schützen gehörte und empfing<br />

uns beide mit viel pädagogischem Geschick.<br />

Als sie die kleine Änni fragte, ob sie auch ein<br />

Lied singen könne, legte diese gleich los und<br />

sang alle drei Strophen von dem frommen Lied:<br />

»Einen gold‘nen Wanderstab ich in meinen<br />

Händen hab‘«. Der Text handelte von Glaube,<br />

Hoffnung und Liebe und war damals sehr bekannt.<br />

Fräulein Blau lobte sie für ihre schöne<br />

Darbietung, gab ihr ein paar süße Ostereierchen<br />

und verabschiedete sie mit den Worten:<br />

»Jetzt gehst du schön nach Hause, und nächstes<br />

Jahr darfst du wiederkommen.«<br />

Für mich öffnete sich in den folgenden Tagen<br />

und Wochen eine neue Welt, die im Anfang einen<br />

großen Zauber auf mich ausübte. Die<br />

Volksschule Kesten war zweiklassig. Nach<br />

dem damaligen Trierer System unterrichtete<br />

die Lehrerin die ersten zwei Jahrgänge Jungen<br />

und Mädchen und die Oberstufe Mädchen. Der<br />

Lehrer hingegen hatte das gemischte dritte und<br />

vierte Schuljahr und die Oberstufe Jungen in<br />

seiner Klasse. Das Erlernen von Lesen und<br />

Schreiben machte mir Spaß, aber die schönsten<br />

Stunden erlebte ich, wenn die Lehrerin mit<br />

den großen Mädchen Gedichte durchnahm.<br />

Wir wurden derweil schriftlich beschäftigt, aber<br />

ich war von den Vorträgen der Schülerinnen so<br />

gefesselt, dass ich den Griffel in die Rille der<br />

Schulbank legte und einfach zuhören musste.<br />

Sie lernten aus dem Lesebuch »Die Schatzkammer«,<br />

das mit Recht diesen Namen trug,<br />

denn es barg einen kostbaren Schatz, die<br />

schönsten Gedichte und Balladen der deut-<br />

Der Weber spannt die Fäden,<br />

gibt Anfang und gibt Ende,<br />

die Länge und die Breite<br />

bestimmen seine Hände.<br />

Ob´s farbig wird, ob nüchtern,<br />

ob Muster ziert den Grund,<br />

ob eng gewebt, ob lichter,<br />

das sagt des Meisters Mund.<br />

116<br />

schen Dichtkunst. Den Lehrerinnen und Lehrern<br />

der kleinen Dorfschulen sei an dieser Stelle<br />

gedacht, die damals oft mit viel Können und<br />

Geschick deutsches Kulturgut vermittelten und<br />

in den jungen Herzen die Freude und das Interesse<br />

an der Dichtung erweckten. Noch gut in<br />

Erinnerung ist mir die Schülerin Maria Adam,<br />

als sie Goethes herrliche Ballade »Der Sänger«<br />

vortrug. Mit ihrer klaren Stimme schmetterte<br />

sie die Worte in den Klassenraum, als stünde<br />

sie selbst vor dem König:<br />

»Die goldne Kette gib mir nicht,<br />

die Kette gib den Rittern,<br />

vor deren kühnem Angesicht<br />

der Feinde Lanzen splittern.«<br />

Wie gut verstand ich den Wunsch des Sängers:<br />

»Doch darf ich bitten, bitt ich eins:<br />

laß mir den besten Becher Weins<br />

in purem Golde reichen.«<br />

Dass der Sänger edlen Wein so würdigte und<br />

sogar der goldnen Kette vorzog, erfreute mich<br />

sehr, denn als Winzerstochter wusste ich, wie<br />

stolz Vater auf seinen Naturwein war. Wenn er<br />

von seinem besten Fuder in den Keller eine Flasche<br />

Wein »zaapen« ging, um ihn mit seinen<br />

Freunden zu probieren und zu begutachten,<br />

durfte ich auch ein Schlückchen davon trinken.<br />

Das ist alles lange her. Die Zeiten haben sich<br />

geändert, aber an den Hängen wachsen immer<br />

noch die Reben. Möge das Jahr <strong>2000</strong> den Moselwinzern<br />

eine gute Ernte bescheren und den<br />

Weintrinkern einen edlen Tropfen!<br />

Anmerkungen:<br />

1 Berichte aus der <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung<br />

2 Weinort Kesten, S. 63.<br />

Der große Weber<br />

So ist wohl auch mein Leben<br />

hin in die Zeit gespannt.<br />

Das Schiffchen, das muss weben,<br />

geführt von seiner Hand.<br />

Im Auf und Ab der Stunden<br />

entsteht Tag, Jahr und Zeit,<br />

im Auf und Ab des Schiffchens<br />

entsteht mein Lebenskleid.<br />

Ich darf so ganz mich geben<br />

in seine Meisterhand.<br />

Er wird ein Kleid mir weben,<br />

das niemand noch erfand.<br />

Elisabeth Badura-Zenz


Gedanken an einem Soldatengrab<br />

Während des letzten Weltkrieges waren weltweit<br />

110 Millionen Menschen an den Waffen.<br />

Franz Waschka war einer von ihnen. Sein<br />

Name steht hier für viele. Sein Name steht<br />

für alle, die in diesen Krieg hineingezwungen<br />

worden sind; Franz Waschka, geboren am<br />

17. September 1916, gestorben am 12. Juni<br />

1940.<br />

Hoffnungsvoll lag das Leben vor diesem jungen<br />

Menschen, pulsierendes Leben mit all seinen<br />

bunten Facetten - der Beruf, die Liebe...<br />

Talente und Begabungen wollten erkannt und<br />

gefördert werden. Der Krieg aber strich alle<br />

Pläne durch, rigoros, mit einem harten Stift.<br />

Franz Waschka starb während des Frankreichfeldzuges,<br />

der am 10. Mai 1940 begonnen hatte.<br />

Nach dem Plan des Generals von Manstein<br />

sollte ein Hauptvorstoß durch Südbelgien und<br />

Luxemburg über die Flüsse Maas und Somme<br />

bis zur Kanalküste durchgeführt werden.<br />

Weil Frankreich, genau wie vorher Polen, von<br />

Hitlers Angriffskrieg überrumpelt worden war,<br />

gelang dieser Plan, denn schon am 5. Juni<br />

brach die französische Abwehrfront zusammen,<br />

und am 14. Juni zogen deutsche Truppen<br />

in Paris ein.<br />

In diesen Tagen war Franz Waschka schon tot.<br />

Ein Geschoss oder ein Granatsplitter hatte die<br />

Patronentasche getroffen, die an seinem Koppel<br />

hing. Sein Leib wurde von den explodierenden<br />

Patronen zerrissen. Man hatte ihn<br />

schwerstverwundet von der Front in das Krankenhaus<br />

nach <strong>Wittlich</strong> transportiert, das in jenen<br />

Wochen als Lazarett diente. Sein Schicksal<br />

ergriff die Ärzte und Schwestern, die sich um<br />

ihn bemühten und ihn versorgten. »Franzel«<br />

nannten sie ihn liebevoll. Er zählte damals 24<br />

Jahre.<br />

Die Tante meiner Freundin arbeitete während<br />

dieser Zeit als Schwesternhelferin des DRK in<br />

der Pflege, und durch sie hörten wir von dem<br />

jungen Soldaten. Als zehnjährige Kinder wur-<br />

Marita Schlax–Friderichs<br />

den wir auf diese Weise zum ersten Mal mit<br />

dem Kriegstod konfrontiert. Ich erinnere mich,<br />

dass ich von diesem Soldatenschicksal stark<br />

berührt war. Der Krieg war plötzlich nicht mehr<br />

weit entfernt, sondern er kam mit den verwundeten<br />

Soldaten in unsere Stadt hinein.<br />

Franz Waschka und einige seiner Kameraden<br />

von der Westfront starben im <strong>Wittlich</strong>er Krankenhaus<br />

und wurden auf dem hiesigen Friedhof<br />

beigesetzt.<br />

Seit vierundfünfzig Jahren erleben wir nun eine<br />

Friedenszeit. Wir müssen nicht mehr bangen<br />

um junge Soldaten, die wegen der Idee eines<br />

Machtgewaltigen oder aus Expansionsgelüsten<br />

der Regierung kämpfen und sterben müssen.<br />

Friedensgedanken werden seit dem Ende<br />

des Zweiten Weltkrieges verstärkt ausgesprochen<br />

bis hin zur praktischen Verweigerung des<br />

Wehrdienstes. Wir fühlen uns sicher in unserem<br />

Land. Die Verantwortlichen haben durch<br />

geschickte Politik, Verhandlungen und Zusammenschlüsse<br />

den sogenannten Kalten Krieg<br />

überwunden, der in den ersten Nachkriegsjahren<br />

leicht außer Kontrolle hätte geraten können.<br />

Im Frühjahr 1999 sieht plötzlich alles anders<br />

aus. Das Gespenst des Krieges steht mit dem<br />

Jugoslawienkonflikt vor uns. Ein skrupelloser<br />

Despot führt eine »ethnische Säuberung«<br />

durch. Seine Milizen treiben die Menschen aus<br />

ihren Dörfern und Städten im Kosovo. Hab und<br />

Gut wird geplündert und geraubt. Zahllose<br />

Menschen werden mutwillig gequält und ermordet.<br />

Die Medien sprechen von etwa einer<br />

Million Vertriebenen.<br />

Das infernalische Muster des nationalsozialistischen<br />

Krieges wiederholt sich. Ist das möglich?<br />

Lernen die Menschen nicht aus der Geschichte?<br />

Es sind doch erst vierundfünfzig Jahre<br />

vergangen, seit Jugoslawien im Zweiten<br />

Weltkrieg die Verluste von 1,7 Millionen Menschen<br />

zu beklagen hatte.<br />

117


Eine bittere Bilanz zeigt folgende Statistik:<br />

Kriegstote des Zweiten Weltkrieges, das sind<br />

die an den Fronten gefallenen Soldaten und die<br />

durch Bomben getöteten Zivilisten<br />

Weltweit 52 000 000<br />

Sowjetunion 20 000 000<br />

Deutschland 5 250 000<br />

Polen 4 500 000<br />

Jugoslawien 1 700 000<br />

Frankreich 810 000<br />

Großbritannien 368 000<br />

Italien 330 000<br />

Amerika 259 000<br />

Japan 1 800 000<br />

China etwa 9 000 000<br />

(im China-Japan Konflikt)<br />

Welch eine Tränenflut verbirgt sich hinter diesen<br />

unglaublichen Zahlen!<br />

Ob es den gerechtfertigten Krieg gibt? Wohl<br />

kaum, denn Gewalt löst immer Gegengewalt<br />

118<br />

Was ist das Leben?<br />

Das Leben ist ein Wandern,<br />

ein Wandern durch die Zeit,<br />

ein ständiges Begegnen<br />

mit der Vergänglichkeit,<br />

ein Kommen und ein Gehen,<br />

ein Werden und ein Sein,<br />

ein wieder Neuerstehen,<br />

ein Trauern und ein Freu`n.<br />

Das Leben ist ein Wandern,<br />

durch Finsternis und Licht:<br />

getragen in der Hoffnung,<br />

gebunden in der Pflicht.<br />

Das Leben ist ein Hoffen,<br />

ein Warten auf das Glück,<br />

ein immer Weiterführen<br />

zum letzten Augenblick.<br />

und Hass aus, das ist das grausame Gesetz des<br />

Krieges und des Streitens überhaupt. Jeder<br />

Krieg ist brutal. Seine Sensen schneiden ins Leben<br />

und fragen nicht, ob du jung oder alt bist.<br />

Immer geht es um Unterwerfung, Machtausübung<br />

und Machtmissbrauch einiger Mächtiger.<br />

Dabei verbluten unzählige Ohnmächtige in der<br />

Blüte ihrer Jahre. Fragst du nach dem Sinn des<br />

Krieges, gibt es keine Antwort; umsonst sind<br />

die Opfer, sinnlos das Sterben.<br />

Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz<br />

hat das Liturgische Institut ein Gebet herausgegeben<br />

auf dem Weg zum Jahr <strong>2000</strong>, dessen<br />

letzte Zeilen ich hier als Schluss meiner Gedanken<br />

niederschreiben möchte:<br />

»Gott, lass dein Reich schon in unserer Zeit<br />

spürbar werden - durch Wahrheit und Liebe<br />

unter den Menschen und durch Gerechtigkeit<br />

und Frieden unter den Völkern.«<br />

Die Kriegsgräber als Mahner sowie Gebete um<br />

den Frieden in der Welt sollten nicht vergessen<br />

werden, und so wollen wir den Schritt in das<br />

dritte Jahrtausend wagen.<br />

Katharina Pawelke


Die dicke Eiche von Altrich<br />

Jedes Mal, wenn ich das Reiseziel, meine alte<br />

Heimat, fast erreicht habe und vor mir ausgebreitet<br />

das schöne <strong>Wittlich</strong>er Tal liegt, blinkt er<br />

schon von weitem, der spitze Turm der Kirche.<br />

Es ist so, als riefe er mir mit aufgerichtetem Zei-<br />

Hildegard Kohnen<br />

gefinger aus seinen roten<br />

Mauern zu: »Komm<br />

her, hier stehe ich, und<br />

hier bist du immer noch<br />

ein wenig zu Hause!«<br />

Und mir wird es warm<br />

ums Herz.<br />

Dort habe ich einen Teil<br />

meiner Kindheit und Jugend<br />

verbracht. Der Geburtsort<br />

meiner Mutter<br />

wurde mir Heimat, als<br />

wir im Krieg aus der<br />

Stadt flüchteten, in die<br />

Geborgenheit ihres Elternhauses,<br />

zu den Eltern<br />

und Großeltern.<br />

Denke ich an Altrich,<br />

kommt das Erinnern,<br />

und in der obersten<br />

Schublade liegen die<br />

Geschichten um die<br />

dicke Eiche, die etwa<br />

300 Meter südwestlich<br />

des Dorfes steht. Sie war<br />

der Baum meiner Kindheit,<br />

der meiner Mutter,<br />

Großmutter und auch<br />

der meiner Urgroßmutter.<br />

Ein Generationenbaum<br />

und für uns Kinder das<br />

Maß vieler Dinge. »Nicht<br />

weiter als zur dicken Eiche«,<br />

hieß es, wenn wir<br />

allein weg wollten. Das<br />

galt für a l l e Richtungen.<br />

Altrich ohne dicke Eiche<br />

ist für mich einfach undenkbar...<br />

Wie ein alles<br />

überragendes Wahrzeichen<br />

steht sie mit ihrer prächtigen Krone hoch<br />

und weit sichtbar auf einem freien Feld. Tausend<br />

Jahre alt sei sie und fünf Meter Umfang<br />

habe sie, brachte man uns schon in der Schule<br />

bei, und das ist viele lange Jahre her. Als ein-<br />

119


mal ihr Stamm kränkelte, beauftragte man einen<br />

Baumdoktor, um sie fachgerecht zu verarzten.<br />

Wahrscheinlich scheuerten Wildschweine,<br />

Eicheln suchend, ihre Borsten an<br />

der Rinde und verletzten sie. Vielleicht aber<br />

kam sie auch einfach in die Jahre, wo sie einen<br />

Doktor brauchte. Gott sei Dank blieb sie vorm<br />

Sterben bewahrt. Um sie vor weiterem Unbill<br />

zu schützen, baute man eine Rundbank um<br />

ihren Stamm, der hohl geworden war. Jetzt<br />

konnten sich die Menschen bequem in ihrem<br />

Schatten ausruhen.<br />

Damals, vor mehr als fünfzig Jahren, waren wir<br />

sieben Kinder, die mit dünnen Armen den<br />

dicken Baum umfassten, um so seinen Umfang<br />

zu messen. Es bedurfte mehrerer Versuche, bis<br />

unser Lehrer die richtige Anzahl Kinder mit der<br />

passenden Spannweite gefunden hatte. Die<br />

Jungen drängten sich mächtig vor. Sie waren in<br />

der Überzahl, doch wir Mädchen, vor allem<br />

meine Freundin Christel und ich, behaupteten<br />

lautstark unseren Platz in der Reihe. Gerechterweise<br />

wurden dann Jungen und Mädchen im<br />

Wechsel nebeneinander gestellt. Nur die Fingerspitzen<br />

durften sich berühren. Es entlockt<br />

mir heute noch ein Schmunzeln, wenn sich vor<br />

meinem inneren Auge dieses Bild der von Kindern<br />

umspannten alten Eiche aufbaut, obwohl<br />

ich damals zu den »Stamm-Messkindern«<br />

gehörte und es überhaupt nicht sehen konnte:<br />

sieben achtjährige Menschenkinder, die wie<br />

riesengroße Käfer an der rauhen Rinde der Eiche<br />

klebten und sich die Glieder verrenkten,<br />

weil die Wurzeln den kleinen Füßen keinen<br />

rechten Halt gaben. Stolz kam ich nach Hause<br />

und berichtete meiner Mutter davon.<br />

Wurde Heu eingefahren und eine Regenwolke<br />

drohte am Himmel, murmelte mein Großvater<br />

Tabak kauend in seinen grauen Bart: »Hoffentlich<br />

schaffen wir die Fuhre bis zur dicken Eiche,<br />

ihr Blattwerk lässt keinen Regen durch« und<br />

trieb die Kühe an. Wir Kinder thronten hoch auf<br />

dem Wagen und schlossen Wetten ab, ob wir<br />

rechtzeitig das schützende Laubdach erreichen<br />

würden.<br />

Man erzählt sich viel, auch, dass auf die Frage<br />

nach dem männlichen Erben einmal ein Bauer<br />

antwortete, als seine Frau ihr siebtes Kind erwartete,<br />

sechs Mädchen gab es schon: »Unn<br />

wenn et en Rai Medscher get von Büschder<br />

Sait bis bai de deck Eesch, emol moß et en<br />

Jong gen!« Es wurde ein Sohn!<br />

120<br />

In Vollmondnächten trägt der Wind die »in Sünde<br />

gefallene Nonne« vom Kloster Pfaffenthal<br />

über den Stöppelberg bis hin zur dicken Eiche.<br />

Dort sitzt sie bis zum Morgengrauen in der<br />

mächtigen Baumkrone auf einem Ast und<br />

summt traurige Lieder. Nur hier findet sie Ruhe,<br />

sagt man. Damals, an langen Winterabenden,<br />

lauschten wir Kinder andächtig diesen sagenhaften,<br />

schaurig schönen Geschichten und<br />

rückten ganz nah zusammen, um so die Angst<br />

zu vertreiben, und dennoch hatten wir alle eine<br />

Gänsehaut. Doch was eine »in Sünde gefallene<br />

Nonne« war, wusste keiner, und es scherte uns<br />

kaum, weil es zu den ungezählten Tabus unserer<br />

Jugend gehörte, an denen niemand zu rütteln<br />

wagte.<br />

Als wir noch in der Stadt wohnten und nur in<br />

den Ferien zu den Großeltern kamen, führte der<br />

erste Weg immer zur dicken Eiche. In der Weihnachtszeit<br />

ging von Haus zu Haus die Mär,<br />

dass an Heiligabend vom Himmel eine Leiter<br />

direkt zur dicken Eiche führe und das Christkind<br />

heruntersteige.<br />

Wir Kinder glaubten das felsenfest. Meist erzählten<br />

die Großmütter es uns, und die konnten<br />

nicht lügen. Höchstens mal schwindeln, aber<br />

nur an Ostern und Weihnachten, aber das<br />

merkten wir erst viel später.<br />

Wenn an warmen Sommerabenden verliebte<br />

Pärchen ein heimliches Stelldichein hatten,<br />

wurde die dicke Eiche zum romantischen Liebesbaum.<br />

Ich weiß es genau ...!<br />

So ranken sich Geschichten und Erinnerungen<br />

um den Baum meiner Kindheit, den Baum meiner<br />

Jugend, der seit Jahrhunderten zu diesem<br />

schönen Dorf und den dort lebenden Menschen<br />

gehört.<br />

Ich wünsche mir, dass die mächtige Krone der<br />

dicken Eiche im neuen Jahrtausend noch viele<br />

Jahre Schatten spenden möge, wenn müde<br />

Wanderer sich auf seiner Rundbank ausruhen<br />

und junge Leute sich unter ihr im Mondschein<br />

treffen.<br />

Dass der Baum seit Generationen Altrichs<br />

Wahrzeichen ist, das weiß nicht nur ich.<br />

Dass er romantischer Treffpunkt für Liebende<br />

geblieben ist, hoffe ich sehr.<br />

Dass er sich aus der Vergangenheit unauslöschlich<br />

in meiner Gegenwart eingenistet hat<br />

und in Gedanken immer ein wenig zu mir<br />

gehören wird, wissen nur wir beide, der Baum<br />

und ich!


Mein sagenhafter Onkel<br />

Es hat ihn wirklich gegeben, und es wäre auch<br />

fast unmöglich, ihn zu erfinden: meinen Onkel<br />

Juppes oder Josef, je nachdem. Er war weit<br />

über die Grenzen seines Heimatkreises bekannt<br />

und noch heute - über 30 Jahre nach seinem<br />

Tod - werde ich von den verschiedensten<br />

Leuten auf ihn angesprochen.<br />

Während des Krieges, als wir alles verloren hatten,<br />

wohnten wir für eine kurze Zeit bei meinen<br />

Großeltern. Mein Onkel Juppes kümmerte sich<br />

um den kleinen Bauernbetrieb, der jüngste Onkel<br />

war in russischer Gefangenschaft. Da<br />

sprach meine Großmutter aus, was sie von<br />

ihren Söhnen hielt: »Dä enen hott neist, der anneren<br />

duuch neist un dä dritten os un der weider<br />

Welt.«<br />

Der, der nichts taugte, war Juppes.<br />

Diese Beurteilung war jedoch nur nach gewissen<br />

Maßstäben richtig. Eigentlich taugte er für<br />

eine ganze Menge von Dingen, auch für solche,<br />

von denen wir nichts ahnten. Offiziell war er<br />

Viehhändler. Er kam überall herum, prügelte<br />

sich auf Märkten und Kirmessen und machte<br />

sich so zweifelsfrei einen Namen. Ich bewunderte<br />

ihn. Damals kam er manchmal mit Bündeln<br />

von Geldscheinen heim, die nur ich nachzählen<br />

durfte. Er konnte in Sekundenschnelle<br />

ausrechnen, wie viel er mit Zins und Zinseszins<br />

zurückbekam, wenn er Geld verlieh - und das,<br />

obwohl er allgemein als ziemlich dumm galt.<br />

Meine Kinderträume hat er oft durch große Versprechungen<br />

angereichert, die er natürlich nie<br />

hielt. Er hatte mir ein Pferd in Aussicht gestellt<br />

und auch eine Geige. Ich weiß nicht mehr,<br />

wann ich aufhörte, mir ein Leben als Kunstreiterin<br />

oder als Konzertgeigerin vorzustellen... Er<br />

war der beste Lügner, den ich je gekannt habe.<br />

Auch die Leute, die er mitbrachte und stets<br />

großzügig zu bewirten imstande war, brachten<br />

alle einen Hauch von Abenteuerlust und Verworfenheit<br />

mit in die Bauernstube. Sein Temperament<br />

war aufbrausend, aber nur zweimal<br />

habe ich ihn wirklich toben gesehen. Einmal<br />

hatte meine Großmutter eigenmächtig eine<br />

Kuh verkauft - unter Preis, wie Juppes fand.<br />

Was sie zu hören bekam, hatte nichts mehr mit<br />

Ingrid Schumacher<br />

kindlicher Ehrfurcht zu tun. Sie nahm es gelassen:<br />

»Os Juppes os en Brausekopp, äwwer en<br />

häält net noh.« Das stimmte. Die Opfer seiner<br />

Wut wurden stets reichlich entschädigt.<br />

Ein anderes Mal war er kurz davor, alles kaputt<br />

zu schlagen. Er hatte nämlich Zahnweh und<br />

machte Gott, die ganze Welt und vor allem uns<br />

dafür verantwortlich. Er unterstellte uns sogar<br />

Schadenfreude, was der Wirklichkeit noch am<br />

nächsten kam.<br />

Nach dem Krieg, als wir längst nicht mehr dort<br />

wohnten, pflegte er von Zeit zu Zeit völlig zu<br />

verarmen und zu verwahrlosen. Ziemlich verlottert<br />

hatte er immer ausgesehen, aber nun<br />

war sein Zustand manchmal mitleiderregend,<br />

besonders für meinen Vater, wenn er ihn so<br />

traf. Mein Vater war irgendwie immer arglos<br />

und ohne Misstrauen gewesen. Er schenkte<br />

Juppes einen neuen Mantel, ließ ihm immer<br />

mal wieder einen guten Anzug schneidern und<br />

gab ihm sicher auch Geld. Juppes starb wenige<br />

Jahre nach dem Tod meines Vaters an den<br />

Folgen eines Unfalls.<br />

Damals erhielt ich einen Brief von einem mir<br />

völlig fremden Notar: Mein Onkel hatte mich<br />

enterbt. Es tat mir nicht weh, aber es erstaunte<br />

mich. Irgendwie hatte ich immer ein besonderes<br />

Verhältnis zu ihm gehabt. »Dou wärsch och<br />

besser en Jung jänn«. Das hatte er oft zu mir<br />

gesagt in Anerkennung der Tatsache, dass ich<br />

weder Dreck noch Strapazen scheute, wenn es<br />

galt, etwas Abenteuerliches zu erleben. Es war<br />

ein zweifelhaftes Kompliment, aber sicher das<br />

höchste, das er an ein kleines Mädchen zu vergeben<br />

hatte.<br />

Nun ja, dachte ich nach meiner Enterbung traurig.<br />

Irgendwie ist das schon sonderbar, aber<br />

das war´s dann.<br />

Doch die Geschichte mit ihm war noch nicht zu<br />

Ende.<br />

Während eines Sommerurlaubs, den ich mit<br />

meiner Mutter in einem Landgasthof verbrachte,<br />

dessen Eigentümerin auch als »Zeitung« bekannt<br />

war, stellte uns jemand die unvermeidliche<br />

Frage: »Sie sind doch sicher mit dem Viehhändler<br />

verwandt?« Meine Mutter zuckte zu-<br />

121


sammen. Sie hasste es zutiefst, auf ihren<br />

Schwager angesprochen zu werden. Ihr »Ja«<br />

klang so hochmütig, dass der Frager sich verzog.<br />

Am Abend kam die Wirtin mit einer Flasche<br />

Rotwein zu uns an den Tisch. »Ihren<br />

Schwager Josef, dat war en eigenartigen<br />

Mensch.« Dass sie »Eifeler Hochdeutsch«<br />

sprach, ließ darauf schließen, dass sie Wichtiges<br />

mitzuteilen hatte. »Den hat ja bei mir immer<br />

sei Zimmer jehabt. Wussten Se dat denn net?«<br />

Natürlich war ihr klar, dass wir es nicht wussten<br />

und sie genoss es, dass wir sie sprachlos anstarrten.<br />

»Dat war en feinen Herr, dä Josef. Immer<br />

tip-top in seine juten Anzüjen. Mit em<br />

weißen Hemd un em silberne Schlips. Da sah<br />

dä richtig vornehm aus.«<br />

Weißes Hemd? Silberkrawatte? Das konnte<br />

doch nicht er gewesen sein!<br />

Aber er war es. Alle Zweifel wurden von der<br />

Wirtin schnell ausgeräumt.<br />

122<br />

Déppeflécker! Kriedeler!<br />

Bäsemsbänner! Piedeler!<br />

Lompekriemer! Schnésspitter!<br />

Dou bés e Kräizgewitter!<br />

Schmearlappen! Lompepack!<br />

Soubeidel! Dämelsack!<br />

Härnerbock! Drääkpanz!<br />

Dou bés en Schlappschwanz!<br />

Fluderkätt! Traatsch!<br />

Schnoaderbix! Knaatsch!<br />

Troufnaos! Knaoterer!<br />

Dou aalen Taoterer!<br />

Dat sät ma net<br />

Moselfränkische Mundart<br />

»Den iss dann immer abjeholt worden mit<br />

große Autos.«<br />

»Abgeholt? Von wem? Wohin?«<br />

»Na, von de anneren. Amis oder Franzose oder<br />

och Deutsche. Da könnt´ ich Euch noch paar<br />

nenne, die da dabei ware.«<br />

»Mit den Amerikanern und Franzosen konnte er<br />

sich doch gar nicht verständigen.«<br />

»Dat glauben Sie. Dat konnt der sehr gut. Mit<br />

dene spreche, mein´ ich.«<br />

»Und wo sind sie hingefahren?«<br />

»Nach Neuenahr natürlich. In et Spielkasino.<br />

Un wenn se jewonne hatte, da war hier watt los,<br />

kann ich Ihne sare! Aber als er jestorbe is,<br />

muss er en Haufe Spielschulde hinterlasse<br />

habe.«<br />

Jetzt verstand ich. Die hatte er mir nicht vermachen<br />

wollen und darum enterbte er mich. Und<br />

wenn mich heute jemand auf ihn anspricht, frage<br />

ich zuerst: Juppes oder Josef?<br />

Altgewäner! Bratscheler!<br />

Boxeschésser! Tratscheler!<br />

Duderaosch! Tutdeler!<br />

Dou aale Futdeler!<br />

Awer dat darf ma saon:<br />

Mäi Happesjen! Mäi Trutschelschie!<br />

Rouschdebeidel! Mutschelschie!<br />

Hämelmaissie! Liebesjen!<br />

Dou mäi Boxekniebesjen!<br />

Josefine Wittenbecher


Ein kleines Stück vom Schlaraffenland<br />

Das kleine Mädchen findet mit seinen hohen<br />

Schnürschuhen kaum Halt auf der gepflasterten<br />

abschüssigen Straße. Im Gleiten und Rutschen<br />

blickt es doch noch mal ganz schnell<br />

zum Elternhaus zurück. Außer ein paar Hühnern,<br />

die vom Misthaufen auf den Hof flattern,<br />

bleibt alles ruhig. Niemand hatte gemerkt, dass<br />

sich die Vierjährige alleine davongemacht hatte.<br />

Langsam rieseln dicke Schneeflocken auf<br />

ihre Strickmütze, die schief auf dem langen feinen<br />

Blondhaar sitzt, und auf die bunte Wolljacke.<br />

Die ist über ihrem Schürzchen falsch zugeknöpft,<br />

die untersten drei Knopflöcher sind<br />

noch frei. Es ging alles so in Eile. Und doch hat<br />

jemand dank seines besonders feinen Riechers<br />

ihr Davonschleichen bemerkt. Er läuft hinter ihr<br />

her und holt sie ein. Es ist der große Schäferhund,<br />

der die Ausreißerin jetzt kläffend umspringt.<br />

»Sei still, Lux, sei still und komm mit!« Clärchen<br />

tätschelt seinen Nacken. Der Hund darf mitkommen,<br />

sonst aber keiner. Ein letzter prüfender<br />

Blick zum Elternhaus, dann laufen beide<br />

an der Kirche vorbei, biegen um die Ecke, gehen<br />

entlang einer alten Steinmauer. Dahinter<br />

hat sich der große gepflegte Pfarrhausgarten<br />

unter einer Schneedecke versteckt. Hier könnte<br />

man sie vom Elternhaus aus wieder sehen,<br />

würde jemand aus dem Fenster schauen. Aber<br />

sie ist eins von elf Geschwistern, da fällt ein<br />

fehlendes nicht sofort auf.<br />

»Sei jetzt bloß still!«, flüstert sie ihrem Hund zu,<br />

der sie mit aufmerksamen Augen ansieht, bereit,<br />

jedes Abenteuer an Clärchens Seite zu bestehen.<br />

Sie erreichen ein kurzes Stück Nebenstraße,<br />

dann biegen sie in die belebte Geschäftsstraße<br />

ein. Hier scheint der Dezemberwind<br />

weitaus kräftiger zu blasen. Die kleine<br />

Ausreißerin steckt ihre zu Fäusten geballten<br />

Hände in die Schürzentaschen, zeigt aber nicht<br />

das geringste Interesse an den warmen Wintersachen<br />

in den Auslagen. An Pelzmuffs und Kragen,<br />

Stulpenhandschuhen und Pelerinenmänteln<br />

läuft sie achtlos vorbei. Sie hat ein ganz anderes<br />

Ziel vor Augen, das Haus mit der großen<br />

verschnörkelten Reklametafel und dem damp-<br />

Wilma Herzog<br />

fenden Kuchen drauf, die Konditorei. Davor<br />

bleibt Clärchen stehen. »Sitz, Lux!« Das gehorsame<br />

Tier setzt sich auf den vereisten Bürgersteig.<br />

Die beschlagenen Scheiben der Konditorei<br />

sind unten mit einem dichten Kranz Frostblumen<br />

geschmückt, lassen in der Mitte aber<br />

durchblicken auf feine Aachener Printen, Teller<br />

voller weiß beschichteter Pfeffernüsse und mit<br />

großen aufgestellten glänzenden Lebkuchen,<br />

auf denen wunderschöne Glanzbilder kleben<br />

sowie ganze Tabletts aufgestapelter Schokoladentafeln<br />

mit goldenen Schriftzügen. Ein<br />

Schlaraffenland. Wie oft ist Clärchen mit der<br />

Mutter bei Besorgungsgängen daran vorbeigegangen<br />

und wollte doch nur einmal stehen bleiben<br />

und schauen, aber Mutter drängte immer<br />

weiter. Jetzt - ihre Rechte umfasst dabei das<br />

Geldstück in der Schürzentasche - jetzt bleibt<br />

sie nicht nur stehen und schaut ausgiebig, sie<br />

wird in den Laden hineingehen. »Kauf dir was<br />

Schönes!« sagte doch letzten Sonntag der Patenonkel<br />

zu ihr, als er ihr die Münze gab. Die tat<br />

sie nicht, wie üblich, in die große Gemeinschaftsspardose,<br />

die brachte sie unbemerkt<br />

hinauf in die Schlafkammer und drückte sie in<br />

den Ritz zwischen den Fußbodendielen, genau<br />

vor ihrem Bett. Und heute ist sie damit hergekommen<br />

zum Einkaufen. Und sie weiß auch<br />

genau, was sie will.<br />

Entschlossen öffnet sie die Ladentür, irgendwo<br />

läuten helle Glöckchen, und gleichzeitig umgibt<br />

sie zimt- und anisduftende Wärme. An der Theke<br />

sagt sie zur Verkäuferin: »Die!« und zeigt dabei<br />

auf die roten Schokoladentafeln in der Auslage.<br />

»Aber das sind doch alles nur Atrappen!«,<br />

erklärt lachend die junge Schwarzhaarige in der<br />

gestärkten weißen Schürze, fügt dann erklärend<br />

hinzu: »Die sind allesamt leer!« »Habt<br />

ihr denn keine r i c h t i g e Schokolade?«, fragt<br />

das Kind ungläubig und wird dabei von ein paar<br />

elegant gekleideten Damen, die am Tisch nahe<br />

der Theke sitzen, beobachtet. »Das hier ist alles<br />

r i c h t i g e Schokolade«, damit öffnet die<br />

Verkäuferin die hohen Glastüren am Oberschrank<br />

hinter der Theke.<br />

123


»Die rote Schokolade!« sagt Clärchen, indem<br />

sie ihr Geldstück auf die Theke legt. »Das ist<br />

aber zu wenig, lauf heim zu deiner Mutter und<br />

sag‘ ihr, sie soll dir noch drei Groschen geben,<br />

sonst kann ich dir die Tafel nicht mitgeben!«<br />

Sie versteht das nicht, die Münze ist doch so<br />

groß, glänzt so schön und soll doch nicht reichen?<br />

»Das ist aber mein Geld!«, kommt es<br />

trotzig aus dem Kindermund.<br />

»Ach Fräulein, schreiben sie den Rest doch auf<br />

meine Rechnung«, ruft eine der Damen. Clärchen<br />

dreht sich in ihre Richtung, deutet einen<br />

Knicks an und sagt artig: »Danke schön!« Dabei<br />

rückt sie sich die Mütze gerade. Die Damen<br />

finden das alles ja so köstlich. Clärchen nimmt<br />

die Schokolade entgegen und läuft rasch aus<br />

dem Laden. »Guck mal«, sie zeigt stolz Lux, der<br />

brav auf seinem Platz geblieben war, ihren Einkauf,<br />

»jetzt gehen wir heim«, sagt sie. Unterwegs<br />

malt sie sich aus, wie sie auf den Küchenstuhl<br />

klettern und, von ihren Geschwistern umringt,<br />

die Tafel Schokolade aufmachen wird.<br />

Erst die bunte Verpackung, dann kommt die<br />

Silberfolie dran, die Geschwister drängeln, fangen<br />

an zu stoßen, lecken sich vor Vorfreude<br />

schon die Lippen. Clärchen legt das erste<br />

Eckchen der glänzendbraunen Köstlichkeit frei.<br />

Die anderen streiten, wer das erste Stück bekommt,<br />

sie bricht es ab...<br />

»Nein, die anderen essen dann die ganze Tafel<br />

auf«, ruft Clärchen laut. Der Hund wittert Ge-<br />

124<br />

fahr in ihrer Stimme, er bellt laut auf. »Ach, Luxi«,<br />

beruhigend streichelt sie das Tier, »dann<br />

weiß ich doch nicht einmal, wie sie überhaupt<br />

geschmeckt hat!« Als sie am Pfarrhausgarten<br />

vorbeikommen, an der alten Mauer, der schon<br />

einige Steine fehlen, wo sich die Rotkehlchen<br />

im Frühjahr ihre Nester bauen, hat Clärchen die<br />

rettende Idee. Sie nimmt einen losen Stein fort,<br />

dahinter findet sich genug Raum für die schmale<br />

Schokoladentafel. Sie legt die Tafel probeweise<br />

hinein und verschließt das Versteck mit<br />

dem Stein. Von außen ist überhaupt nichts zu<br />

sehen. Zufrieden nimmt sie die Schokolade<br />

wieder heraus, macht sie auf und bricht einen<br />

ganzen Riegel davon ab. Der begierig wartende<br />

Hund bekommt ein Eckchen davon. Viel zu<br />

schnell ist es in seinem großen warmen Maul<br />

verschwunden. »Lutschen sollst du die Schokolade,<br />

lutschen!«, erklärt das Kind und steckt<br />

sich mit klammen Fingern das allererste köstliche<br />

Bröckchen davon in den Mund. Dann<br />

kommt die Tafel zurück ins Versteck. Clärchen<br />

schaut sich die Stelle genau an, direkt dahinter<br />

steht ja der große Birnbaum. Sie wird sie ganz<br />

bestimmt wiederfinden.<br />

Und so geht sie in den nächsten Tagen mehrmals<br />

zur alten Mauer, um sich Stück für Stück<br />

von der Schokolade abzubrechen. Bis sie alle<br />

ist. Aber vergessen wird sie es nie, wie sie sich<br />

einmal als Kind eine Tafel Schokolade kaufte<br />

und sie alleine aufaß, eine ganze Tafel.<br />

Zeichnung: Benedikt Heinemann


Erlebnisse einer Reiseleiterin<br />

der »Musikkreis-Kulturreisen«<br />

Sicherlich werden viele Leserinnen und Leser<br />

nachfolgende Erinnerungen amüsiert lesen, da<br />

sie sich bei der einen oder anderen Fahrt mit in<br />

der Gruppe der »Musikkreis-Kulturreisen« befanden!<br />

Vor rund 20 Jahren begann ein musikbegeisterter<br />

Mensch, Gerhard Vockensperger aus<br />

Bengel, zunächst seine Familie, dann Freunde<br />

und Nachbarn in lohnenswerte Veranstaltungen<br />

zu nicht allzu fernen Zielen mitzunehmen.<br />

Ein immer größer werdender Personenkreis<br />

kam seinerseits auf ihn zu mit dem Anliegen,<br />

weiterhin Musikfahrten zu organisieren. Offensichtlich<br />

hatte er Bedürfnisse in den Menschen<br />

geweckt, denn er musste immer größere Busse<br />

anmieten. Nicht lange danach gab er seinen bis<br />

dahin ausgeübten Beruf auf, verband Hobby<br />

mit Beruf und rief die Organisation »Musikkreis<br />

– Kulturreisen« ins Leben. Durch die Medien erfuhr<br />

auch ich von seiner dreitägigen Fahrt nach<br />

Hamburg zu dem Musical »Cats«, an der ich<br />

mit einer Freundin und unseren damals vier<br />

halbwüchsigen Kindern teilnahm.<br />

Beim Verabschieden nach diesen erlebnisreichen<br />

Tagen sagte Gerhard Vockensperger zu<br />

mir: »Wissen Sie schon, dass Sie demnächst<br />

einen von zwei meiner Busse nach Hamburg<br />

zur Aufführung des Musicals »Phantom der<br />

Oper« begleiten werden?« Das traf mich derart<br />

unerwartet, zudem in der immer etwas hektischen<br />

Situation des Aussteigens, Gepäckstücke<br />

einsammelns, Kinder schnappens, dass<br />

mir, außer darauf zu schweigen, nichts einfiel!<br />

Schon wenige Tage später brachte er mir alle<br />

erforderlichen Unterlagen für die »angedrohte«<br />

Reise wie Hoteladresse, Schecks, Namensliste,<br />

aber vor allem Eintrittskarten.<br />

Nun wurde es ernst und ich bereitete mich so<br />

gut, wie man das im Vorfeld konnte, auf die<br />

Aufgabe vor. Ich sammelte Kritiken aus den mir<br />

zur Verfügung stehenden Medien, informierte<br />

mich über die Entstehungsgeschichte des Musicals<br />

und las mir die wichtigsten Aussagen<br />

Ulla Schnitzius-Laqua<br />

über die Stadt Hamburg an, wiewohl uns an allen<br />

Zielen stets eine fachkundige Führung erwartete.<br />

Die Fahrt war ausgebucht, der Busfahrer<br />

und ich waren verantwortlich für ca. 50<br />

Menschen. Ich begann allmählich, mich auf die<br />

Fahrt zu freuen.<br />

Früh am nächsten Morgen rief mich mein Kollege,<br />

der mit einer ebenso großen Gruppe in einem<br />

anderen Hotel Hamburgs untergebracht<br />

war, an und berichtete mir von einem wahren<br />

Horrorszenario anlässlich der Premiere am<br />

Vorabend. Chaoten aus der Hamburger Hafenszene<br />

hatten versucht, mit üblen Mitteln<br />

diese Premiere zu boykottieren. Es wurden Unfälle<br />

initiiert, damit der Verkehr zum Erliegen<br />

kommen sollte. Die Randalierer gingen die Besucher<br />

des Musiktheaters übel an und bewarfen<br />

sie mit Eiern und Farbbeuteln. Mein Kollege<br />

benutzte mit seiner Gruppe - nach Rücksprache<br />

mit der Hamburger Polizei - nur die U-<br />

Bahn, um weitgehend gewährleistet zu wissen,<br />

überhaupt in die Veranstaltung hineinzukommen.<br />

»Wunderbar«, dachte ich, da wir außerhalb<br />

Hamburgs wohnten und überhaupt keine andere<br />

Chance hatten, als den Veranstaltungsort<br />

mit unserem Bus anzufahren. Ich beschloss,<br />

diese heikle Situation totzuschweigen, hatte<br />

aber außer Acht gelassen, dass viele durch<br />

ihren Fernseher im Zimmer über die Tumulte<br />

am Vorabend unterrichtet waren. Die Anspannung<br />

war groß, und dennoch plädierte ich<br />

dafür, sich trotzdem schön zu machen, selbst<br />

wenn rohe Eier an uns herunterlaufen sollten!<br />

Wir erreichten das Musiktheater ohne Zwischenfälle,<br />

jedoch war bis zu diesem Ereignis<br />

niemand von uns unter soviel Polizeiaufgebot<br />

je in eine Veranstaltung gegangen. Es standen<br />

dort mit Schlagstöcken und Schäferhunden<br />

ausgestattete, meist junge Polizeibeamte,<br />

Wasserwerfer und ein großes Aufgebot an<br />

Streifenwagen - man hatte aus dem Vorabend<br />

gelernt. Ich hatte zwei Karten übrig, bot sie<br />

125


auch – eher formal - zwei sympathischen jungen<br />

Beamten an, die dann mit mir bedauerten,<br />

dass sie im Dienst waren! In der Pause konnten<br />

wir uns nur in dem neu erbauten Musiktheater<br />

aufhalten, man hatte uns aus Gründen der Sicherheit<br />

eingeschlossen! Später im Bus gestanden<br />

wir uns, dass sich nahezu jeder Einzelne<br />

nach der Veranstaltung bei den jungen Beamten<br />

für den wirkungsvollen Personenschutz<br />

bedankt hat, aber das nicht ganz ohne eine gewisse<br />

Scham!<br />

Dies war meine »Premiere« als Reiseleiterin, die<br />

sich so glücklicherweise nicht mehr wiederholt<br />

hat.<br />

Eine der darauffolgenden Fahrten ging nach<br />

Verona in die weltberühmte Freilichtarena.<br />

Auch hier trugen der Busfahrer und ich die Verantwortung<br />

für einen reibungslosen Ablauf dieser<br />

Fahrt mit einer ebenfalls großen Gruppe<br />

von Menschen. Seinerzeit waren klimatisierte<br />

Busse eher noch die Ausnahme, und ich erlernte<br />

den größten Respekt vor der Gruppe der Berufsfahrer.<br />

Wenn wir der Sonne entgegenfuhren,<br />

hatten wir nicht selten 45°C hinter der<br />

Frontscheibe. Der Schweiß rann unserem Fahrer<br />

von der Stirn, sein Hemd war durchnässt,<br />

und vor diesem Hintergrund, mit der Verantwortung<br />

all' der Menschen in seinem Rücken,<br />

hieß es beim Fahren und meist größtem Verkehrsaufkommen:<br />

äußerste Konzentration.<br />

Die Opernaufführungen auf dieser gigantischen<br />

Bühne in Verona mit 20 000 Zuschauern erlebten<br />

die meisten von uns tief beeindruckt. Ich<br />

hatte das Glück, mitten in einem italienischen<br />

Familienclan zu sitzen, war sehr schnell integriert<br />

und wurde selbstverständlich mit »abgefüttert«.<br />

Als Gegenleistung lieh ich das mitgebrachte<br />

Jagdnachtfernglas meines Vaters aus<br />

und war damit voll akzeptiert. Es wurde die<br />

Oper Nabucco des italienischen Komponisten<br />

Verdi gegeben. Als dann die letzten zarten Töne<br />

des »Gefangenenchores« (der heimlichen<br />

Nationalhymne der Italiener) verklungen waren,<br />

schlug ein rechts von mir sitzender Italiener begeistert<br />

auf meinen Oberschenkel und sprang<br />

mit tausenden anderer Italiener jubelschreiend<br />

in der Arena auf. Ich hätte nichts dagegen gehabt,<br />

hätte er sich für einen Oberschenkel der<br />

rechts von ihm sitzenden Dame entschieden,<br />

dann hätte es nämlich seine Frau getroffen! Immer<br />

wieder konnte ich mich über ein Hinweisschild<br />

vor der Arena amüsieren, worauf stand<br />

126<br />

»Das Mitnehmen von Kühlschränken ist verboten«<br />

- sicherlich sollte es heißen: »Das Mitnehmen<br />

von Kühltaschen ist verboten«!<br />

Es fasziniert mich jedesmal, wie reibungslos<br />

und schnell derart viele Menschen nach der<br />

Veranstaltung wieder verschwinden! Einmal jedoch<br />

warteten wir über die Maßen lange auf eine<br />

ältere mitreisende Dame, die unter den vielen<br />

tausend Menschen die Orientierung verloren<br />

hatte und den Standort unseres Busses<br />

nicht mehr fand. Kurz entschlossen mietete ich<br />

ein Taxi und ließ mich durch die benachbarten<br />

Straßen der Arena fahren - mit hundertprozentigem<br />

Erfolg! Nicht vergessen möchte ich auch<br />

eine nette gepflegte ältere Dame in der Gruppe,<br />

sie war ehemals Opernsängerin und auf allen<br />

Opernbühnen der Welt zu Hause. Für sie kam<br />

immer nur ein Platz in der Königsloge in Betracht<br />

- nie saß sie im Volk auf den Steinstufen -<br />

und hatte sie uns in der Menge ausgemacht,<br />

winkte sie stets freundlich!<br />

Auch erinnere ich mich an eine Fahrt zu einer<br />

Nachmittagsveranstaltung zur Oper nach Nancy/Frankreich.<br />

Ich bat im Vorfeld eindringlich,<br />

sofort nach der Veranstaltung zum Bus zu<br />

kommen, damit wir nicht allzu spät in der Nacht<br />

nach Hause kommen sollten.<br />

Im Vorfeld der Opernaufführung war es etwas<br />

hektisch, da es noch Karten zu ergattern galt,<br />

so dass ich zeitlich ganz knapp den Sessel im<br />

Opernraum erreichte. Somit hatte ich nach der<br />

Aufführung das große Bedürfnis, mit Zeit den<br />

Waschraum aufzusuchen, um mich wenigstens<br />

für die Heimfahrt frisch zu fühlen. Großzügig<br />

ließ ich einigen Damen den Vortritt, denn ich<br />

gönnte mir auch die Ruhe. Plötzlich gingen<br />

nach und nach alle Lichter aus!<br />

Ich ahnte, dass dies ein Zeichen sein sollte, das<br />

Operngebäude nun zu verlassen. Am Hauptportal<br />

angekommen, war dies bereits - einschließlich<br />

einer vorgelegten Kette - fest verschlossen.<br />

Da auch kein Personal mehr zu finden<br />

war, folgte ich dem Lärm der Umbauarbeiten<br />

im Bühnenraum und fand auch einen mitleidigen<br />

Bühnentechniker, der mich dann durch<br />

ein Labyrinth von teils unterirdischen Gängen,<br />

vorbei an Artisten, Umkleideräumen und<br />

Proberäumen zu einem Nebenausgang begleitete.<br />

Hier stand ich nun in einer nie gekannten<br />

Nebenstraße zwischen hohen Häuserwänden<br />

und brauchte meinen ganzen Orientierungssinn,<br />

um zu wissen, wie ich jetzt gehen musste,


um unseren Bus zu »erwischen«. Nun wartete<br />

einmal die ganze Gruppe auf mich, und es lag<br />

in der Natur der Sache, dass man sich ausgiebig<br />

über meine Geschichte und mich amüsierte.<br />

Durch Paris, meine Lieblingsstadt, mache ich<br />

oft lange nächtliche Wanderungen mit all' denen,<br />

die gut zu Fuß sind und bereit, sich auch<br />

auf kleine Abenteuer einzulassen.<br />

Natürlich gibt es auch schon 'mal Verärgerung,<br />

weil die Platzkarte nicht gut genug ist oder das<br />

Hotelzimmer zu klein, zu laut oder im falschen<br />

Stockwerk. Dann kann es passieren, dass meine<br />

Betroffenheit soweit geht, dass ich die<br />

Gruppe bitte, ihr Leben in den rechten Relationen<br />

zu betrachten. Die Menschen, mit denen<br />

wir - zu immer nur schönen Zielen - unterwegs<br />

sind, stehen stets »auf der Sonnenseite des Lebens«,<br />

wobei zur selben Zeit Menschen unter<br />

Unfreiheit, Folter und Hungersnot von dieser<br />

Welt gehen müssen.<br />

Musikkreis - Kulturreisen - hier hat seinerzeit<br />

ein begeisterter Musikliebhaber, Herr Vockensperger,<br />

eine Organisation ins Leben gerufen,<br />

dank derer viele Menschen in unserer ländlichen<br />

Gegend einzigartige Erlebnisse in ihr weiteres<br />

Leben mitnehmen konnten. Dabei denke<br />

ich aber auch an die vielen alleinstehenden<br />

Menschen, die sich darüber hinaus in der<br />

»Vockenspergschen Großfamilie« stets geborgen<br />

fühlen konnten und dabei häufig neue<br />

Freundschaften schlossen.<br />

Von Menschen, Naturschutz und Heiligen<br />

Eines der Projekte in der Jugendarbeit der Freiwilligen<br />

Feuerwehr Noviand war vor nicht allzu<br />

langer Zeit auf Anregung des Bürgermeisters<br />

der Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues das<br />

Anlegen von Nistplätzen für Wander- und<br />

Turmfalken auf dem Kirchturm der Pfarrkirche<br />

Noviand, die dem heiligen Lambertus geweiht<br />

ist.<br />

Den gefährlichen Teil der Aufgabe übernahmen<br />

die Jugendfeuerwehrmitglieder Gerd und Alfons.<br />

Sie bestiegen den Glockenturm. Oben<br />

angekommen staunten sie beim Einblick in das<br />

hohe Kircheninnere, denn sie sahen dort eine<br />

Vielzahl prächtiger Heiligenstatuen im zentimeterdicken<br />

Vogelunrat stehen. Ihre Gliedmaßen<br />

waren zum Teil abgebrochen und es fehlten ihnen<br />

Köpfe. Gerd war tief beeindruckt und<br />

schlug spontan vor, die besterhaltenen Figuren<br />

vom Turm herunterzuholen und sie wieder in<br />

der Kirche aufzustellen, wo sie früher wohl einmal<br />

ihren Platz hatten.<br />

Doch zunächst wandten sie sich ihrer Aufgabe<br />

zu, die Vogelkästen aufzuhängen. Sie schaufelten<br />

den Vogelkot in Säcke und brachten diese<br />

Hiltrud Wagner<br />

nach unten. Als schon bald ein Dutzend Säcke<br />

vor der Kirche standen, kam ein Noviander<br />

Bürger vorbei, blickte diese neugierig an und<br />

fragte die beiden Jungen vorwurfsvoll: »Watt<br />

schlääft ihr dann lo ous da Kärch rous?« Die<br />

beiden Glockenturmsäuberer antworteten frei<br />

von der Leber weg: »Gold, Weihrauch und<br />

Myrrhe.«<br />

Der Einheimische überlegte nicht lange, sah<br />

sich noch einmal kurz die beiden spinnwebgeschmückten<br />

Feuerwehrmitglieder an und stellte<br />

eindeutig fest: »Nä, nä - datt gläwen eich net,<br />

datt haaten schunn anneren fier eich fattgeschlääft.<br />

Ihr zwei Dabbessen maacht en anner<br />

Orbet.«<br />

Und wer jetzt wissen will, was Menschen, Naturschutz<br />

und Heilige verbindet, der ist herzlich<br />

eingeladen, einmal den Gottesdienst in der St.-<br />

Lambertus-Kirche in Noviand mitzufeiern. Er<br />

wird dort im Altarraum zwei wunderbar restaurierte<br />

Heiligenfiguren sehen, Lambertus und<br />

Josef, zu denen wir vertrauensvoll in dem ansonsten<br />

recht kahlen Kirchenraum aufschauen<br />

können.<br />

127


Die Weihnachtsfeiertage 1997 sind in der Erinnerung<br />

meiner Familie als etwas Besonderes<br />

haften geblieben, denn »Flori« stand am Nachmittag<br />

des 26. Dezember auf unserem Programm.<br />

Wer noch immer nicht weiß, was Flori<br />

ist, dem sei hier erklärt, dass es sich um ein<br />

Rock-Musical handelt, geschrieben und komponiert<br />

im Jahre 1994 von einem musikalisch<br />

begabten jungen Mann namens Thomas<br />

Schwab, der in <strong>Bernkastel</strong>-Kues zu Hause ist.<br />

Zusammen mit seiner Freundin und Partnerin<br />

Michaela Ferres inszenierte er mit Hilfe vieler<br />

Freunde, begabter Sängerinnen und Sänger,<br />

Tänzerinnen und Tänzer und einer eigens gegründeten<br />

Band dieses phantastische Rock-<br />

Musical. Die Premiere fand am 29. März 1996<br />

in <strong>Bernkastel</strong>-Kues statt. Mit der Schlagzeile<br />

»Broadway an der Mosel« lobte die örtliche<br />

Presse diese erste Vorstellung. Viele Tausend<br />

Menschen sahen seitdem im ganzen <strong>Landkreis</strong><br />

das Musical und waren begeistert.<br />

An Weihnachten 1997 wurde Flori über die<br />

Kreisgrenzen hinaus mit einer ganz besonderen<br />

Idee aufgeführt. In der Trierer Europa-Halle<br />

lud die Truppe zu »Floris Fest«, einer Benefiz-<br />

Veranstaltung für ein krankes ausländisches<br />

Mädchen, ein.<br />

Die Europa-Halle platzte bei allen drei Aufführungen<br />

aus den Nähten. Als das Licht langsam<br />

verlosch, die Bühne in zauberhaftem Licht<br />

erstrahlte und zarter wunderschöner Gesang,<br />

getragen von einer einfach schönen Melodie,<br />

einsetzte, befanden wir uns schnell mitten in<br />

Floris Märchenland, das sehr aktuelle Bezüge<br />

hat. Die Geschichte handelt von vielfach herrschender<br />

Gefühlskälte, Egoismus und dem<br />

Raubbau an der Natur. Aber, wie das immer so<br />

in einem Märchen ist, es endet glücklich.<br />

Überwältigt von diesem schönen Musical-Ereignis<br />

gaben wir, wie all die vielen Zuschauer,<br />

mit stehenden Ovationen und lang andauerndem<br />

Beifall unsere Begeisterung über die Leistung<br />

all der jungen Akteure kund. Da soll noch<br />

einmal einer sagen, die Jugend von heute sei<br />

128<br />

»Flori«<br />

das kulturelle Event im <strong>Landkreis</strong><br />

Claudia Schmitt<br />

nur passiv! »Flori« schaffte 1998 kurzfristig den<br />

Sprung in das Rhein-Main-Theater Niedernhausen<br />

bei Wiesbaden. Dort erntete es wie<br />

auch in unserer Gegend von 6 000 Zuschauern<br />

nur Lob und Anerkennung.<br />

In den letzten zwei Jahren war die Flori-Truppe<br />

mit hervorragenden Konzert-Tourneen im<br />

<strong>Landkreis</strong> sehr rührig. So trat sie mit den Programmen<br />

»Musical-Moments«, »Christmas<br />

Moments« und »Movi-Moments« überall auf<br />

Bühnen im <strong>Landkreis</strong> auf. Seit der Uraufführung<br />

haben mehr als 60 000 Menschen im<br />

<strong>Landkreis</strong> sowohl Flori als auch die Konzert-<br />

Programme gesehen.<br />

Den jungen Leuten und ihrem wundervollem<br />

Rock-Musical »Flori« ist ein dauerhafter bundesweiter<br />

Durchbruch zu wünschen.<br />

Die Waldfee aus dem Musical »Flori«


Aus der<br />

Geschichte<br />

des<br />

<strong>Landkreis</strong>es


Stellen Sie sich vor, in allen regionalen und<br />

überregionalen Medien lesen Sie die sensationelle<br />

Meldung, die Jahrtausendfeier würde um<br />

sechs Jahre verschoben werden, da jüngste<br />

Berechnungen des christlichen Kalenders<br />

übereinstimmend ergeben hätten, die Geburt<br />

Christi habe tatsächlich schon im Jahre »6 v.<br />

Chr.« stattgefunden. Käme diese Meldung am<br />

1. April, würde man schmunzelnd zur nächsten<br />

Tagesordnung übergehen, da wohl jeder diese<br />

Nachricht für einen Scherz hielte.<br />

Kennzeichen des – mehr oder minder – intelligenten<br />

Aprilscherzes ist, und das unterscheidet<br />

ihn vom gewöhnlichen »in den April<br />

schicken«, sein Bezug zum aktuellen Tagesgeschehen,<br />

wobei die epochale Bedeutung des<br />

angeführten Beispiels natürlich auch das Mitwirken<br />

überregionaler Medien erforderlich gemacht<br />

hätte, um zumindest eine leichte Unsicherheit<br />

oder gar Zweifel am gültigen Tagesdatum<br />

hervorzurufen.<br />

Es bedarf natürlich nicht eines solchen einmaligen<br />

Jahrtausendereignisses, um die Zeitungsmacher<br />

zu Aprilscherzen zu veranlassen, dafür<br />

liefern schon die Kommunalpolitik oder ganz<br />

einfach die zeitgenössischen Trends genügend<br />

Anhaltspunkte, die als Aufhänger für einen Ulk<br />

dienen können.<br />

Der Blick in die Brockhaus-Enzyklopädie lehrt<br />

uns, dass das früheste Beispiel eines Aprilscherzes<br />

in Deutschland aus dem Jahre 1631<br />

stammt. 1 Bis er jedoch Eingang in das <strong>Wittlich</strong>er<br />

Tageblatt fand, vergingen allerdings exakt<br />

300 Jahre, denn für das Jahr 1931 ist er erstmals<br />

im genannten Medium belegt: »Zur Hebung<br />

des Fremdenverkehrs in <strong>Wittlich</strong> ist man<br />

hier auf eine sehr originelle Idee gekommen«,<br />

heißt es in diesem ersten Bericht, denn mit<br />

»Beginn der schönen Jahreszeit soll die alte<br />

Postkutsche wieder in Funktion treten«. Dazu<br />

sollten die »Straßen mit den herrlichsten Ausblicken«<br />

während eines bestimmten Zeitraumes<br />

für Autos gesperrt werden, damit die Na-<br />

130<br />

Der Aprilscherz als Spiegelbild des<br />

zeitgenössischen Geschehens<br />

Klaus Petry<br />

turfreunde in ihrer Fahrt mit dem alten Postwagen<br />

ungestört die Schönheiten der Mosel- und<br />

Eifellandschaften genießen könnten. 2 Diesem<br />

Bericht folgte unmittelbar ein zweiter: »Die<br />

Stadt <strong>Wittlich</strong> kauft Gold. Wir erfahren aus der<br />

geheimen Stadtratssitzung von vorgestern,<br />

daß beschlossen worden sei, den Überschuss<br />

des letzten Rechnungsjahres in Feingold anzulegen.<br />

Man weiß tatsächlich nicht, was man dazu<br />

sagen soll. In der heutigen Zeit! Bei dieser<br />

Not! Wir würden eine Kundgebung auf dem<br />

Marktplatz heute nachmittag um 5 Uhr empfehlen,<br />

wenn sie nicht durch die Notverordnungen<br />

verboten worden wäre, um den Stadträten<br />

gründlich ihre Aprilscherze zu vertreiben.« 3<br />

Bei diesem Bericht ist es schon fast überflüssig<br />

zu erwähnen, dass der tags zuvor in derselben<br />

Zeitung publizierte Schuldenstand der Stadt<br />

<strong>Wittlich</strong> am 31. März 1931 ganze 801 890, 46<br />

Reichsmark betrug. 4 Die Stadtverordneten hätten<br />

bei Schuldenfreiheit des städtischen Haushaltes<br />

vielleicht ganz gerne einen erwirtschafteten<br />

Überschuss in wertbeständigem Feingold<br />

angelegt, schließlich waren die Erfahrungen<br />

der Inflation von 1923 noch unvergessen.<br />

Ihren Beschluss einen Aprilscherz zu nennen,<br />

darf vielleicht als dezenter Hinweis für den Leser<br />

aufgefasst werden, dass diese Meldung<br />

doch nicht allzu ernst genommen werden sollte.<br />

»Deutschland gilt bekanntlich als das Land,<br />

das an wirklich politischen Köpfen am ärmsten<br />

ist«, so beginnt genau ein Jahr später ein Bericht<br />

5 , der, mit Bild versehen, einen Apparat,<br />

»der Politiker entdeckt«, vorstellt. Sein Geheimnis<br />

beruhe »auf der für den Laien schwer<br />

verständlichen psychophysischen Strahlungstheorie«;<br />

das mag für die – erfundene – Technik<br />

stimmen, für den Wahrheitsgehalt der Meldung<br />

aber bestimmt nicht.<br />

Der nächste Aprilscherz erschien vier Jahre später:<br />

»Genaue Nachmessungen haben ergeben,<br />

dass der 50ste Breite(n)grad, der durch den


Der Apparat, der Politiker entdeckt - abgedruckt im <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt am 1. April 1932<br />

Mainzer Dom läuft, auf der Gemarkung <strong>Wittlich</strong><br />

genau durch den Garten und die Oekonomiegebäude<br />

des alten Burgwirts Wampach geht. Unter<br />

Mitwirkung von interessierten Kreisen wird<br />

deshalb heute mittag um 3 Uhr eine kleine Feier<br />

stattfinden, verbunden mit einer Rede des Herrn<br />

Burgwirtes und mit der Grundsteinlegung für ein<br />

zukünftiges Denkmal. Anschließend wird ein<br />

kleiner Festzug bis Hotel Mürtz sein, wo sich die<br />

Teilnehmer noch zu einem gemütlichen Beisammensein<br />

finden werden. Die Bewohner der Kalkturmstraße<br />

werden gebeten, aus obigem Grunde<br />

die Häuser zu schmücken.« 6<br />

Zur Person des »Burgwirts« ist hier zu sagen,<br />

dass er 1907 den Plan fasste, am Eingang des<br />

Liesertales die »Felsenburg«, eine Sommerwirtschaft,<br />

zu gründen und dort seine »weltberühmten«<br />

Grenadierschnittchen, die man sogar<br />

in Greimerath kannte, seinen Gästen anzubieten.<br />

Der Ausgang des Weltkrieges ließ ihn<br />

die »Felsenburg« aufgeben, seine Versuche anderweitig<br />

tätig zu werden, schlugen fehl, so-<br />

dass er 1931 wieder in das Liesertal zog, wo er<br />

sich neben der »Felsenburg« ein neues Häuschen<br />

baute, das er »Sanssouci« nannte. Wie<br />

schon die »Felsenburg« war auch dieses Haus<br />

als kleine Sommerwirtschaft gedacht, selbstverständlich<br />

mit Grenadierschnittchen. 7<br />

Im Jahre 1937 »erbrachte« eine Tiefenbohrung<br />

in der Lehmgrube der Ziegelei den »Nachweis«<br />

von Erdpech. 8 Die der »Untersuchungsanstalt<br />

für Schizophrenie der Universität Bonn« zugeschickten<br />

Proben hätten einen Rohölgehalt von<br />

88 Prozent, etwa 20 Prozent Asphalt und zwei<br />

Prozent Wasser ergeben, der Rest verteile sich<br />

auf Mineralstoffe. Bei konstantem Zufluss, so<br />

folgerte man weiter, »würde sich ein Industrie-<br />

Konzern die umliegenden Grundstücke sichern«.<br />

1939 wurde bei Ausschachtungsarbeiten<br />

für eine Wassergewinnungsstelle auf dem<br />

Gelände der SA-Dankopfersiedlung am Bergweilerweg<br />

in acht Meter Tiefe sogar eine »Kanone«<br />

aus der »Bronzezeit« gefunden, zusammen<br />

mit fünf Kugeln in der »Größe eines<br />

131


Holländerkäses«. 9 Die Bevölkerung war herzlich<br />

eingeladen, die Fundstelle zu besichtigen,<br />

wozu der »Siedlungsbürgermeister« bereitwilligst<br />

die Begleitung übernehmen wollte; allerdings<br />

sollte beim Betreten des Geländes auf<br />

die bereits fertigen Gartenanlagen Rücksicht<br />

genommen werden.<br />

Aus der Kriegszeit sind keine Aprilscherze bekannt,<br />

verständlich, da die räumliche Nähe der<br />

ersten Gefallenenanzeigen zu dieser Art von<br />

Berichterstattung wohl zu Recht als unpassend<br />

empfunden wurde. 10<br />

1951 wurde dann von einer ergiebigen Wasserquelle<br />

berichtet, die ein Erdbeben in der Eifel<br />

unweit vom Hochbehälter auf dem Afferberg<br />

zum Fließen gebracht hätte. 11 Da es ein Leichtes<br />

wäre, mit einer kurzen Rohrleitung das<br />

Wasser zum Behälter zu führen, könnte die<br />

kostspielige Pumperei vom Schaff zu den Wasserbehältern<br />

am Afferberg und auf dem Gänsberg<br />

entfallen und das Wasser somit billiger<br />

abgegeben werden; außerdem könnte dann<br />

die Stadt auf das Wassergewinnungsgebiet<br />

rechts der Lieser verzichten und dort Baugelände<br />

ausweisen.<br />

Ein Jahr später konnten beim Ortsbürgermeister<br />

von Wahlholz am 1. April »bis 13 Uhr« zwei<br />

Dutzend Bisamratten besichtigt werden, die im<br />

Biberbach bei Wengerohr ausgesetzt werden<br />

und die »Grundlagen zu einer intensiven Zucht«<br />

bilden sollten. 12<br />

Unter dem Titel »Fußmärsche am Pleiner Viadukt<br />

werden entschädigt« wollte die Bahn<br />

1953 allen Personen, die seit 1945 den ganzen<br />

Tarifpreis entrichtet hatten, obwohl sie an der<br />

Umsteigestelle jedesmal etwa 400 Meter zu<br />

Fuß zurücklegen mussten, was bei einer einmaligen<br />

Hin- und Rückfahrt an 300 Fahrtagen<br />

jährlich immerhin einer Wegstrecke von etwa<br />

240 Kilometern entsprach, den zuviel gezahlten<br />

Fahrpreis erstatten. Dazu wurde um die Abgabe<br />

eines ausgefüllten Vordruckes gebeten, der<br />

am 1. April an allen Schaltern der Bahnstrecke<br />

<strong>Wittlich</strong> – Daun erhältlich war. 13<br />

Offensichtlich beflügelten die sichtbaren Auswirkungen<br />

des deutschen »Wirtschaftswunders«<br />

auch die Phantasie der Journalisten,<br />

denn 1954 hieß es: »Ringstraße um das <strong>Wittlich</strong>er<br />

Tal. Ein Großprojekt auf weite Sicht – Viele<br />

Gemeinden werden einbezogen«. Diese<br />

Straße, die eine vorläufige Begrenzung des<br />

Stadtgebietes von <strong>Wittlich</strong> darstellen und von<br />

132<br />

der Nebenstraßen wie Speichen eines Rades<br />

abzweigen sollte, hätte am Industriegebiet bei<br />

Wengerohr begonnen. Ihr weiterer Verlauf hätte<br />

die Ortschaften Belingen, Berlingen, Bombogen,<br />

Dorf, Neuerburg und Lüxem umschlossen,<br />

wäre dann an die bereits bestehende Autobahn<br />

bei Hasborn herangeführt worden, hätte<br />

die Straße Minderlittgen-Großlittgen etwa<br />

auf der Höhe von Musweiler durchschnitten,<br />

diesen Ort jedoch ausgespart, »wogegen sich<br />

die Gemeinde noch zur Zeit heftig wehrt« und<br />

wäre dann unter Einschluss von Hupperath<br />

über die Hupperather Höhe nach Bergweiler<br />

verlaufen. Dieser Ort war für die Errichtung von<br />

Sanatorien und Erholungsstätten vorgesehen.<br />

Im Südosten hätte dieser Ring Altrich mit Büscheid<br />

und Platten umschlossen, um in Wengerohr<br />

wieder auf den Ausgangspunkt zu<br />

stoßen. 14 Ein gewaltiges Projekt, dessen Verwirklichung<br />

sicherlich die Errichtung mehrerer<br />

Straßenbauämter gerechtfertigt hätte. Aber damit<br />

nicht genug, denn in derselben Zeitungsausgabe<br />

war weiterhin zu lesen, der Stadtrat<br />

habe in einer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen,<br />

die »Diäten der Stadtverordneten<br />

um hundert Prozent zu erhöhen.« 15 Der Beschluss<br />

sollte vorläufig nur für ein Jahr gelten,<br />

und Aussprachen und Abstimmung hätten bis<br />

Mitternacht gedauert. Derartiges wäre heute<br />

auf Bundes- oder Landesebene schneller entschieden.<br />

»Kehrt man wieder zu alten Methoden zurück?<br />

Französische Aufkaufkommission wird heute<br />

auch bei uns Buntmetall erfassen«, hieß es ein<br />

Jahr später in Anspielung an die Sammelwut<br />

der Nazis. 16 Dazu sollte in den Städten des französisch<br />

besetzten Gebietes eine Aufbaukommission<br />

zu höchsten Tagespreisen »Abfallweißblech<br />

und Buntmetall sammeln«. Am 1.<br />

April 1955 wurde den <strong>Wittlich</strong>ern die Gelegenheit<br />

gegeben, ab 13 Uhr auf dem Schweinemarkt<br />

gleich neben der städtischen Waage ihre<br />

nicht mehr benutzten Gegenstände aus diesem<br />

Metall wiegen und preislich abschätzen zu<br />

lassen. Die Sammelaktion sollte dazu dienen,<br />

– ähnlich wie es einmal auch bei uns geschah –,<br />

»die knapp gewordenen Metallgegenstände für<br />

die Produktion von Befestigungen in Nordafrika<br />

und von Panzerplatten aufzufüllen, damit im<br />

Rahmen der neuen Rüstungsverträge übernommene<br />

Aufgaben erfüllt werden können.«<br />

Dreizehn Jahre später, 1968, ist in der Zeitung


ein Aprilscherz zu finden, dessen bauliche Dimension<br />

alle Rekorde bricht und die Fantasie<br />

des Berichterstatters auszeichnungswürdig<br />

macht. Diesmal hatte man sich den Nachbarort<br />

Dreis vorgenommen. 17 Hier plante man, da »eine<br />

geeignete Kreisstadt für den angestrebten<br />

Mittelmoselkreis« nicht zu finden war, einen<br />

Wohnturm von 1 050 Meter Höhe zu bauen,<br />

dessen 325 Stockwerke Platz bieten sollten für<br />

7 250 Wohnungen, vier Kirchen, 14 Schulen,<br />

verschiedene Kindergärten, Krankenhäuser, eine<br />

Spezialklinik für Asthmakranke, Hotels,<br />

Theater, zahlreiche Geschäfte und Kaufhäuser,<br />

Kinos und vor allem ein Kursanatorium mit<br />

Wandelhallen und Trinkbrunnen für das bekannte<br />

Dreiser Mineralwasser. Dem 2,2 Milliarden-Projekt<br />

stünde der »dynamische 48jährige<br />

Bürgermeister und Kommunalpolitiker K. S.«<br />

keineswegs ablehnend gegenüber, zumal er<br />

davon überzeugt sei, »daß die zusätzlichen<br />

19 000 Einwohner von der expansionsfähigen<br />

<strong>Wittlich</strong>er Schwerindustrie zum größten Teil<br />

‚geschluckt‘ werden würden.« Man wisse zwar<br />

noch nicht, ob der Bau dieses Wohnturms baupolizeilich<br />

genehmigt werden könne, da es<br />

nach Auskunft des Kreishochbauamtes in den<br />

deutschen Baugesetzen für Projekte dieser<br />

Größenordnung noch keine Gesetze gibt, es<br />

sei jedoch anzunehmen, dass die Baugenehmigung<br />

im Schnellverfahren erreicht werden<br />

könne, da schließlich »die Gemeinde Dreis mit<br />

den zu erwartenden 20 000 Einwohnern die<br />

größte Gemeinde in dem erstrebten Großkreis<br />

darstellt und in dem geplanten Wohnturm<br />

genügend Raum für Verwaltungszwecke und<br />

Repräsentation bieten kann.« Das wäre was<br />

gewesen, wenn die Dreiser den <strong>Wittlich</strong>ern auf<br />

die Köpfe hätten blicken können und ihnen<br />

überdies noch den Rang einer Kreisstadt abgelaufen<br />

hätten!<br />

Von ungleich bescheideneren Dimensionen,<br />

aber geradezu typisch für die Persiflage eines<br />

kurzfristigen Trends, ist der Aprilscherz, den<br />

der Wochenspiegel sich für das Jahr 1998 ausgedacht<br />

hatte. 18 Mit den Worten des Bürgermeisters,<br />

»aber junge Talente müssen schließlich<br />

unbedingt gefördert werden«, begründete<br />

er die »Welt-Premiere« des Schlagersängers<br />

Guildo Horn als Vertreter der naiven Malerei,<br />

dessen Werke am 1. April ab 19 Uhr im Meistermann-Museum<br />

den <strong>Wittlich</strong>ern präsentiert<br />

würden, selbstverständlich mit den Nussecken<br />

von Mama Horn. Der »Künstler«, wie immer mit<br />

Zottelhaaren und unrasiert, war sogar, leicht<br />

schalkig lächelnd, mit einem seiner ersten<br />

»Werke«, »Hommage an Steffi Graf«, abgebildet.<br />

Damit ist die Blütenlese einer Auswahl früher<br />

Aprilscherze in der Zeitung beendet, wobei nur<br />

die beiden letzten eine chronologische Ausnahme<br />

sind, da deren Gigantomanie bzw. typischer<br />

Zeitbezug eine besondere Erwähnung<br />

wert waren. Wie man sieht, waren und sind die<br />

Fantasien dieser schreibenden Ideentalente<br />

unbegrenzt, und so darf man – wie eigentlich<br />

jedes Jahr – gespannt sein, was ihnen noch alles<br />

zu diesem speziellen Datum, nämlich dem<br />

1. April, einfallen wird.<br />

Anmerkungen<br />

1 Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 1, Wiesbaden 1966 17 , S. 629.<br />

2 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1931, Nr. 76, 1 vom 1. April.<br />

3 Ebd.<br />

4 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1931, Nr. 75, 1 vom 31. März.<br />

5 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1932, Nr. 75, 1 vom 1. April.<br />

6 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1936, Nr. 77, 1 vom 1. April.<br />

7 Zur Goldenen Hochzeit des Ehepaares Wambach-Asmann, in:<br />

<strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1942, Nr. 202 vom 29. August.<br />

8 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1937, Nr. 74, 1 vom 1. April.<br />

9 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1939, Nr. 77 vom 1. April.<br />

10 Bezeichnend für das Humorverständnis der Nazis ist die Feststellung,<br />

dass bei der Durchsicht der Jahrgänge 1930 bis 1944 des<br />

(Trierischen) Nationalblattes kein Aprilscherz gefunden werden<br />

konnte.<br />

11 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1951, Nr. 76 vom 31. März/1. April.<br />

12 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1952, Nr. 79 vom 1. April.<br />

13 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1953, Nr. 78 vom 1. April.<br />

14 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1954, Nr. 78 vom 1. April.<br />

15 Ebd.<br />

16 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1955, Nr. 78 vom 1. April.<br />

17 Trierischer Volksfreund 1968, Nr. 78 vom 1. April.<br />

18 Wochenspiegel 1998, 14. Woche vom 1. April.<br />

133


Schon seit Urzeiten machte der Mensch sich<br />

die Nutzbarkeit von Pferden und Kühen zu Eigen,<br />

die gleichzeitig auch als Zugtiere dienten.<br />

Um diese Zugtiere auf rauen, geschotterten<br />

Wegen vor schmerzhaften Verletzungen zu bewahren,<br />

mussten Schutzvorrichtungen für die<br />

Hufe entwickelt werden.<br />

Als optimaler Schutz erwies sich das Hufeisen.<br />

Das »Beschlagen« bzw. »Aufziehen« erforderte<br />

vom Hufschmied handwerkliches Können und<br />

ein gewisses Einfühlungsvermögen im Umgang<br />

mit den Tieren.<br />

Besondere Vorsicht war bei der Nagelung geboten,<br />

denn er durfte dabei »nicht ins Leben«<br />

treffen. Bei Pferden kam es erschwerend hinzu,<br />

dass die Rohlinge glühend angepasst und aufgebrannt<br />

werden mussten.<br />

Vereinzelt wird der Beruf des Hufschmiedes<br />

noch heute ausgeübt, da der Reitsport bei<br />

Jung und Alt beliebt ist.<br />

134<br />

Der Hufschmied<br />

Fritz Werner


1923: Die Inflation schlägt zu!<br />

Not und Elend in den Kreisen <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong><br />

Am 12. Januar 1923 besetzen französische und<br />

belgische Truppen das Ruhrgebiet. Sie wollen<br />

sich mit Gewalt rückständige Kohle- und Holzlieferungen<br />

beschaffen, die Deutschland als<br />

Verlierer des Ersten Weltkrieges den Siegermächten<br />

schuldet. Die Reichsregierung unter<br />

Gustav Stresemann ruft daraufhin die Menschen<br />

an der Ruhr zum »passiven Widerstand«,<br />

also zum Generalstreik, auf. Jetzt muss sie Woche<br />

für Woche Millionen von streikenden Ruhrarbeitern,<br />

Angestellten und Beamten finanziell<br />

unterstützen. In 30 Druckereien werden massenweise<br />

neue Geldscheine gedruckt, so dass<br />

die bereits stark angeschlagene Reichsmark<br />

unaufhörlich an Wert verliert. Preise und Löhne<br />

steigen bei geringem Angebot in unermessliche<br />

Höhen (= Inflation). Die Deutschen werden<br />

über Nacht zu Millionären oder Milliardären und<br />

sind doch »arm wie die Kirchenmäuse«. Stündlich<br />

klettern die Preise weiter – und ein Ende ist<br />

nicht in Sicht. 1<br />

Auch die Kreise <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong>, seit<br />

September 1919 französisches Besatzungsgebiet,<br />

bleiben von den Auswirkungen der Inflation<br />

nicht verschont, und das betont auch Paul<br />

Kuhn, der Volksschullehrer von Brauneberg;<br />

denn seine Aufgabe ist, die Schulchronik immer<br />

auf dem neuesten Stand zu halten. Für seine<br />

Arbeit in der Schule erhält er am 1. Oktober<br />

1923 acht Milliarden Papiermark als Monatsgehalt.<br />

»Ich könnte mich als Milliardär fühlen, aber<br />

das Geld ist nichts wert, und die Zeit ist so trau-<br />

Oliver Jentjens<br />

rig und chaotisch!« Sein Freund, der Küster<br />

Haubrich aus Hetzerath, erhält Anfang November<br />

für das Aufziehen der Gemeindeuhr pro<br />

Stunde 50 Millionen Papiermark. 2<br />

Aber die eigenen Erfahrungen sind Kuhn zu<br />

wenig. Er weiß, dass die Nachwelt sich für das<br />

Inflationsjahr 1923 später interessieren wird.<br />

So beschafft er sich zahlreiche Informationen,<br />

indem er die <strong>Landkreis</strong>e <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong><br />

bereist. Er spricht mit der Frau des Landrats<br />

Dr. Simons; sie erzählt ihm von der »<strong>Wittlich</strong>er<br />

Nothilfe«, die sie mit gegründet hat. »Diese<br />

schwere Zeit können wir nur gemeinsam<br />

überstehen. Vor allem die Kleinkinder, Arbeitslosen<br />

und Kranken sind besonders schlimm<br />

dran, und für die sammeln wir Brot, Speiseöl,<br />

Fett und Geld. Fast jeder, der die abgemagerten<br />

Gestalten in der langen Schlange vor unserem<br />

Schuppen sieht, hat Tränen in den Augen,<br />

weil er so viel menschliches Elend in <strong>Wittlich</strong><br />

nicht vermutet.« 3 Frau Simons Augen glänzen<br />

plötzlich vor Freude, als Metzgermeister Roden<br />

mit zwei Gesellen und großen Papiertüten mit<br />

Knochen erscheint. Die Gründerin der »Nothilfe«<br />

weiß: diese Knochen ergeben heute eine<br />

kräftige Suppe für viele Menschen in der<br />

Schlange. Auch viele Winzer helfen mit. »Dort<br />

in der Ecke«, deutet Frau Simons stolz hin,<br />

»stehen acht Kisten mit Wein, die wir verkaufen,<br />

um den besonders Schwachen, Kranken<br />

und Kindern eine dürftige Fleischmahlzeit zu<br />

geben.« Der Volksschullehrer aus Brauneberg<br />

Vorder- und Rückseite eines Inflations-Geldscheines aus dem Kreis <strong>Wittlich</strong> 1923<br />

135


ist tief erschüttert, als er den Vorratsschuppen<br />

der »<strong>Wittlich</strong>er Nothilfe« verlässt. Dort hat er<br />

auch erfahren, dass es immer noch egoistische<br />

Landwirte gibt, die ihre Produkte lieber im eigenen<br />

Haushalt halten, als sie zu verkaufen oder<br />

zu spenden. Es gibt auch einige, die bereits seit<br />

Kriegsende noch brauchbares Obst, das der<br />

Ernährung hilfsbedürftiger Menschen dienen<br />

kann, zur Herstellung von Branntwein für den<br />

eigenen Gebrauch verwenden, und das ist<br />

streng verboten – in dieser düsteren Zeit müssen<br />

alle Menschen zusammenhalten. 4<br />

Auf seinem weiteren Weg durch die Stadt kommen<br />

dem Mann aus Brauneberg zehn mürrisch<br />

aussehende Bauarbeiter der Firma Stuckert<br />

entgegen, und er ist natürlich neugierig, was<br />

sie so bedrückt. »Seit Anfang März streiken wir.<br />

Das ist ja wohl ein Witz, in dieser Zeit 918 Papiermark<br />

Stundenlohn zu erhalten. Wir verlangen<br />

aber mindestens 1 705 Mark pro Stunde,<br />

sonst sieht uns keiner in dieser Firma wieder.<br />

Mal seh’n, ob der Stuckert uns braucht oder<br />

nicht. Wir halten noch lange durch!« 5 Kuhn weiß<br />

zu genau, dass diese flotten Sprüche nicht<br />

ernst zu nehmen sind, denn die verzweifelten<br />

Männer müssen mit ihren Familien ja überleben.<br />

Da kann es schnell passieren, dass sie<br />

wutentbrannt aufs Land ziehen und bei den<br />

Bauern die Herausgabe von Lebensmitteln gewaltsam<br />

erzwingen. Diese Fälle häufen sich in<br />

letzter Zeit. 6<br />

Der Volksschullehrer ist neugierig und möchte<br />

für seine Chronik noch mehr Einzelheiten erfahren;<br />

sein Wunsch stößt auf Verständnis. Einer<br />

der Männer lädt ihn zu sich nach Hause ein, damit<br />

er sich ein Bild über eine einfache Arbeiterfamilie<br />

machen kann. Was er da sieht, verschlägt<br />

ihm den Atem. Die Wohnung ist sehr<br />

dürftig eingerichtet, Fenster und Dach sind undicht,<br />

modriger Geruch erfüllt die Stube, und<br />

im hinteren Teil der Zweizimmer-Wohnung<br />

stellt der Arbeiter ihm seine schwangere Frau<br />

vor, die kurz vor der Entbindung steht. Das Gesicht<br />

des Gastgebers ist sorgenvoll, weil er<br />

nicht weiß, wie er die Entbindungskosten für<br />

die Hebamme zwischen 12 000 und 25 000<br />

Mark bezahlen soll – und sie können täglich<br />

weiterhin rasant steigen. 7<br />

Kuhn überlegt, wie sich wohl die Kirche in dieser<br />

chaotischen Zeit verhält. Er meldet sich<br />

beim Sitz des Bischofs in Trier an. Bereitwillig<br />

empfängt ihn ein Vertreter des »Oberhirten«<br />

136<br />

Franz Rudolf Bornewasser und erteilt ihm Auskunft:<br />

»Wir alle müssen in dieser schweren Zeit<br />

mit vereinten Kräften riesige Mengen an Lebensmitteln<br />

sammeln. Auf keinen Fall dürfen<br />

wir Alte, Schwache, Kranke und die notleidenden<br />

Kinder vergessen!«, betont der Kirchenmann<br />

eindringlich. »Wohlhabende Familien<br />

sollen aus christlicher Überzeugung Schlafstellen<br />

zur Verfügung stellen! Der gemeinsame<br />

Glaube an Gott wird auch dieses Leid überstehen<br />

helfen!« Nach dem Gespräch sieht es der<br />

Brauneberger als seine Pflicht an, ein kurzes<br />

Gebet im Trierer Dom zu sprechen. Da stellt er<br />

fest, dass die ihm bekannten Opferstöcke umgebaut<br />

sind, damit sie die großen und zahlreichen<br />

Papiermarkscheine aufnehmen können. 8<br />

Der Lehrer fährt in sein Heimatdorf Brauneberg<br />

mit dem Leiterwagen eines Bekannten zurück<br />

und versucht seine zahlreichen Erlebnisse zu<br />

verarbeiten. Einerseits ist er von so viel Leid erschüttert,<br />

andererseits ist er froh, dass er viele<br />

Informationen für seine Chronik erhalten hat;<br />

denn er möchte die bitteren Zustände des Inflationsjahres<br />

1923 für die Nachwelt naturgetreu<br />

niederschreiben.<br />

Mit der Einführung der Rentenmark (= 1 Billion<br />

Papiermark) Ende November 1923 tritt schrittweise<br />

eine Verbesserung der Lage ein. Sparmaßnahmen<br />

und Steuererhöhungen sorgen<br />

wieder für gefüllte Staatskassen; auch die Wirtschaft<br />

erholt sich allmählich im Jahr 1924. 9<br />

Anmerkungen:<br />

1 Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, in: Oldenbourg. Grundriß<br />

der Geschichte, Bd. 16), München 1994, S. 43 ff. Rudolf Müller:<br />

Trier in der Weimarer Republik (1919-1933), in: Kurt Düwell/Franz<br />

Irsigler (Hrsg.): 2 000 Jahre Trier, Bd. 3: Trier in der Neuzeit,<br />

Trier 1988, S. 503.<br />

2 Andreas Wisniewski: Gemeinde Hetzerath; in: Günter Hesse/Andreas<br />

Wisniewski (Hrsg.): Geschichte einer Verbandsgemeinde zwischen<br />

Vulkaneifel und Mosel; <strong>Wittlich</strong>-Land 1990, 793. Franz<br />

Schmitt: Chronik von Brauneberg und Filzen, Brauneberg/Filzen<br />

1988, S. 347.<br />

3 Gerd Bayer: Notgeld von 1918 - 1923 und 1947 im Gebiet des heutigen<br />

Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, <strong>Wittlich</strong> 1994.<br />

4 ebd.; <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt vom 24.02.1923; 18.08.1923;<br />

11.09.1918; 04.10.1919.<br />

5 Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 498, Nr. 383.<br />

6 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt vom 18.08.1923.<br />

7 Bayer, (wie Anm. 3), S. 12 f.<br />

8 Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 1923, Nr. 7 (Beiblatt<br />

Nr. 4), S. 5 und Nr. 8, S. 64; vgl. auch Oliver Jentjens: Die politische<br />

und sozioökonomische Entwicklung in den Anfangsjahren der Weimarer<br />

Republik im Raum des heutigen <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong>. (Hausarbeit für die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an<br />

Grund- und Hauptschulen), Koblenz 1993, S. 143 f. und Anhang<br />

21-23.<br />

9 Helmut M. Müller: Schlaglichter der deutschen Geschichte, hrsg. v.<br />

d. Bundeszentrale f. politische Bildung, 2. Aufl., Bonn 1990, S. 243.


Die Geschichte eines Fotos<br />

Beim Durchblättern eines Kriegsalbums des<br />

ehemaligen Flak-Offiziers Theodor Sissimato,<br />

eines langjähriges Mitglieds des Ortsverbandes<br />

Bonn der Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte<br />

Rheinland, fiel dem Autor ein Foto<br />

ins Auge, das das Wrack eines französischen<br />

Flugzeuges zeigt (s. Abbildung).<br />

Beim Nachfragen erfuhr er, dass es sich um<br />

den Abschuss eines Flakregiments handele,<br />

das damals im Raum Mosel-Hunsrück gelegen<br />

habe. Näheres könne vielleicht ein ehemaliger<br />

Angehöriger dieser Einheit, Ernst Bodensteiner<br />

aus Traben-Trarbach, berichten. Umgehend<br />

gelang es dem Autor, diesen ausfindig zu machen<br />

und mit ihm ins Gespräch zu kommen.<br />

Ernst Bodensteiner, zu Kriegsbeginn Oberleutnant<br />

und Chef einer Stabsbatterie, wirkte seit<br />

Sommer 1938 an der Neuaufstellung der Festungsflak-Abteilung<br />

31 in Trier mit. Im August<br />

1939 wurde die Stabsbatterie mit Nachrichtenzug<br />

und Mess-Staffel nach Traben-Trarbach<br />

verlegt.<br />

Die Festungsflak-Abteilung war in die Luftverteidigungszone<br />

West eingegliedert und<br />

umfasste zu diesem Zeitpunkt neben der<br />

Stabsbatterie eine 1. Batterie (8,8 cm-Geschütze),<br />

eine 4. Batterie (3,7 cm-Geschütze) und ei-<br />

- ein Zeitzeuge berichtet -<br />

Horst Schuh<br />

ne 6. Batterie (Scheinwerfer). Die meisten<br />

Mannschaften und Unteroffiziere stammten<br />

aus Thüringen und Sachsen, die Rekruten wurden<br />

aus dem Rhein-Mosel-Raum eingezogen.<br />

Die Ausbildung der Soldaten und der Aufbau<br />

als Flak-Regiment vollzogen sich schon in Friedenszeiten.<br />

Potez 637 Nr. 25 (Foto: Sissimato/Bodensteiner)<br />

Nach dem deutschen Überfall auf Polen im<br />

September 1939 befand sich das Deutsche<br />

Reich im Kriegszustand auch mit Frankreich<br />

und England. Während im Osten die deutschen<br />

Truppen Polen überrannten, entwickelten sich<br />

die Bodenkämpfe im Westen zum »Sitzkrieg«.<br />

Auch in der Luft beschränkten sich die Bewegungen<br />

überwiegend auf Aufklärungsflüge, die<br />

aber die Jagdflieger und die Flugabwehr auf<br />

den Plan riefen.<br />

Bei Kriegsbeginn wurden das Flak-Regiment<br />

31 mit der 1. (schweren) Batterie nach Lückenberg<br />

bei Thalfang und der 6. (Scheinwerfer-)<br />

Batterie nach Irmenach-Sohren verlegt. Am 20.<br />

September erreichte den Chef der Stabsbatterie<br />

in Traben-Trarbach die Meldung vom Absturz<br />

eines französischen Aufklärungsflugzeuges<br />

– einer Potez 637 – , das die 1. Batterie mit<br />

ihren 8,8 cm-Geschützen im nahen Hunsrück<br />

abgeschossen hatte. Ernst Bodensteiner ließ<br />

137


Oberleutnant Ernst Bodensteiner (rechts) mit dem französischen Flugzeugführer (Mitte) und einem Dolmetscher<br />

(links). (Foto: E. Bodensteiner)<br />

den französischen Piloten zum Regimentsstab<br />

bringen und vernahm ihn mit Hilfe eines Dolmetschers<br />

(siehe Abbildung oben). Der französische<br />

Flieger war sehr zurückhaltend und<br />

machte wenige Aussagen.<br />

Bei der französischen Maschine handelte es<br />

sich um die Potez 637 Nr. 25. Sie gehörte der 1.<br />

Gruppe der 33. Escadre de reconnaissance<br />

(G.R. I/33)* an und war von ihrer Basis Saint Dizier<br />

aus zu einem Aufklärungsflug in den Raum<br />

Pirmasens gestartet. Es sollte keine Wiederkehr<br />

mehr geben. Das Flugzeug ging bei<br />

Thomm zwischen Trier und Hermeskeil nieder.<br />

Der Beobachter, Capitaine Schneider, wurde<br />

tödlich verwundet, die beiden anderen Besatzungsmitglieder,<br />

Sergent Noël und Adjudant Le<br />

Plan, gingen in deutsche Gefangenschaft.<br />

In den 80er Jahren untersuchte Hans-Günther<br />

Ploes aus Traben-Trarbach die Überreste der<br />

Flakstellungen auf dem Mont Royal. Auf einem<br />

Betonsockel, der einmal ein 8,8 cm-Geschütz<br />

getragen hatte, fand er die Silhouette eines<br />

zweimotorigen Flugzeuges mit Doppelleitwerk<br />

– unverkennbar eine Potez 637 – aufgemalt (s.<br />

Abbildung rechts). Vermutlich hatte hier ein Angehöriger<br />

der Festungsflak den ersten Abschuss<br />

seines Regiments markiert und somit<br />

für die Nachwelt dokumentiert.<br />

138<br />

Abschussmarkierung auf Beton. Handelt es sich<br />

um die Potez 637 Nr. 25?<br />

(Foto: Hans-Günther Ploes)<br />

* Diese und die nachfolgenden (Namens-)Angaben sind entnommen:<br />

C.J. Ehrengardt et al., Les Aiglous, Combats aeriens de la drôle de<br />

guerre, Septembre 1939 - Avril 1940, Paris 1983, S. 35.


Erinnerungen an den Stiefelbaum und<br />

die ehemalige Raketenabschussbasis bei<br />

Hontheim<br />

Die Hontheimer Höhe<br />

Auf der Höhe, kurz vor Hontheim, befand sich das<br />

Weidegebiet der Schaf- und Schweineherde des<br />

Dorfes. Ende der 50er Jahre erwarb die Bundes-<br />

Alois Clemens<br />

vermögensverwaltung dieses Gelände und stellte<br />

es den amerikanischen Streitkräften zum Bau einer<br />

Raketenabschussbasis zur Verfügung.<br />

Im <strong>Kreisjahrbuch</strong> 1994 wurde auf Seite 73 über<br />

Der Hontheimer Stiefelbaum in den 70er Jahren. Die große alte Eiche am Eingang der Raketenabschussbasis<br />

hängt voller Schuhe von amerikanischen Soldaten, die ihre Dienstzeit beendet haben.<br />

139


die Vorgeschichte des ehemaligen amerikanischen<br />

Militärstützpunktes Hontheim, an dessen<br />

Stelle sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg<br />

militärische Stellungen postiert waren, und<br />

das von Anfang der 60er Jahre bis 1991 von den<br />

Amerikanern als Raketenabschussbasis gegen<br />

den Osten genutzt wurde, berichtet.<br />

Die Gebäude der Abwehrstation wurden auf einem<br />

interessanten geographischen und heimatkundlichen<br />

Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

der Bundesstraße 421 an einer langgezogenen<br />

Kurve errichtet. Etwa 200 Meter entfernt<br />

liegt der Schiefersteinbruch »Kehrborn«. Im vorigen<br />

Jahrhundert wurden aus diesem Bruch die<br />

erforderlichen Steine zur Errichtung von Häusern<br />

beschafft. Heute bedecken Haselnusshecken<br />

und wildes Gestrüpp den einst von unseren Vorfahren<br />

so geschätzten Steinbruch. Gegenüber<br />

dem Eingang des amerikanischen Stützpunktes<br />

steht allein auf weiter Flur eine große alte Eiche.<br />

Reste eines kleines Gemäuers erinnern daran,<br />

dass sich hier einmal ein Heiligenhäuschen befand.<br />

Bis in die 20er Jahre ging an den Bitttagen<br />

eine Prozession aus Hontheim zu diesem<br />

Gebetsort und gelangte dann durch den Hohlweg<br />

(heute Pappel-Allee) zurück in die Pfarrkirche mitten<br />

im Ort.<br />

Die Amerikaner kommen<br />

Am 15. Juni 1961 lesen wir in der Hontheimer<br />

Amtschronik: »Die militärischen Bauten für die<br />

Raketenstation auf der Gemarkung Hontheim gehen<br />

zügig voran. Riesenkräne sind von weither zu<br />

sehen. (...) Die Gesamtbaumaßnahme soll bis ersten<br />

Dezember dieses Jahres beendet sein.«<br />

Zwei Jahre später finden wir an gleicher Stelle unter<br />

dem 14. März 1963 den Eintrag, dass die<br />

amerikanische Abwehrstation seit einem Jahr in<br />

Betrieb sei.<br />

»Die Bevölkerung hat mit den Soldaten, soweit<br />

sie in die örtlichen Gaststätten kommen, ein gutes<br />

Verhältnis. Von kleineren Zwistigkeiten abgesehen<br />

kam es noch nicht zu Klagen gegen die<br />

Besatzungssoldaten. Es handelt sich, bis auf einige<br />

Feldwebel, nur um junge Soldaten, die hier<br />

aus den verschiedenen Staaten der USA ihrer militärischen<br />

Dienstpflicht genügen, und wie man<br />

hört, sehr starkes Heimweh haben.«<br />

Die Soldaten waren gegenüber der Hontheimer<br />

Bevölkerung sehr hilfsbereit. Mehrmals halfen sie<br />

den Bauern mit Kranwagen und anderen Gefährten<br />

aus. Auch waren sie bemüht, soziale Kontak-<br />

140<br />

te aufrechtzuerhalten. Alljährlich wurden für die<br />

Hontheimer Schulkinder Weihnachtsfeiern in der<br />

Kaserne der Amerikaner abgehalten und die Beteiligten<br />

mit Bussen abgeholt und auch wieder<br />

nach Hause gebracht.<br />

Die Einladungen zum Tag der »Offenen Tür« nahmen<br />

die umliegenden Dörfer gerne an. Einige Soldaten<br />

wohnten zeitweilig in Hontheim. Es waren<br />

junge Familien mit Kleinkindern. Solche mit<br />

schulpflichtigen Kindern konnten hier nicht leben,<br />

da der amerikanische Schulbus nur die Orte in<br />

der Nähe der Flugplätze Bitburg und Spangdahlem<br />

anfuhr.<br />

Der Stiefelbaum<br />

In der Hontheimer Kaserne hatte sich unter den<br />

Soldaten ein besonderes abergläubisches Ritual<br />

etabliert, das jeder, der zur geeigneten Zeit an<br />

dem Stützpunkt vorbeikam, staunend miterleben<br />

konnte:<br />

Die Soldaten warfen am Tag der Entlassung ihre<br />

zusammengeschnürten Schuhe in den Baum.<br />

Blieben sie hängen, so der Soldatenglaube, war<br />

das ein Abschied für immer, fielen sie zur Erde, so<br />

bedeutete dies einen weiteren Aufenthalt im<br />

Stützpunkt Hontheim.<br />

Dieser von weitem zu erkennende »Stiefelbaum«<br />

wurde zu einem sehr menschlichen Denkmal der<br />

militärischen Präsenz der Amerikaner in der Eifel.<br />

Jeder in der Gegend kannte ihn. Sogar den Tagesthemen<br />

der ARD war er einmal einen Bericht<br />

wert.<br />

Schließung der Abwehrstation Hontheim<br />

Am 9. Oktober 1991 wurde die US-Stellung Hontheim<br />

geschlossen und die dort stationierte US-<br />

Delta-Battery aufgelöst. 31 Jahre lang hatte der<br />

amerikanische Stützpunkt auf der Höhe vor Hontheim<br />

bestanden.<br />

Heute erinnern nur noch der große Zaun und der<br />

Stiefelbaum an ihn. Jedoch sieht man immer weniger<br />

Schuhwerk in den Zweigen der Eiche baumeln.<br />

Kurz nach Schließung des Stützpunktes<br />

wurden die weiter unten hängenden Schuhpaare<br />

innerhalb der »Sanierung von Altlasten« auf Anordnung<br />

des Verteidigungs-Kreiskommandos<br />

Traben-Trarbach abgeschnitten. Bald wird uns<br />

nur noch die Erinnerung an dieses von den Soldaten<br />

selbst geschaffene Denkmal und die uns<br />

alle bedrohende Zeit des Kalten Krieges mit Raketenstützpunkten<br />

in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

bleiben.


Die ehemalige Eisenbahnstrecke<br />

Wengerohr-Daun<br />

Bau der Bahn<br />

Anfang des Jahres 1872 war in der Stadt <strong>Wittlich</strong><br />

bekannt geworden, dass die geplante Moselbahn<br />

von Trier nach Koblenz die Stadt nicht<br />

berühren, sondern einige Kilometer davon entfernt,<br />

in Höhe der Ortschaft Wengerohr, vorbeiführen<br />

sollte. Die Bemühungen eines sofort<br />

gebildeten Eisenbahnkomitees, die auf eine<br />

Verlegung der Strecke in Richtung <strong>Wittlich</strong> abzielten,<br />

blieben ohne Erfolg. Sie bewirkten jedoch,<br />

dass das Ministerium für öffentliche Arbeiten<br />

in Berlin der Eisenbahndirektion Saarbrücken<br />

den Auftrag zu »generellen Vorarbeiten<br />

für eine sekundäre Anschlussbahn von<br />

Wengerohr nach <strong>Wittlich</strong>« erteilte. Im November<br />

1878 konnte die Eisenbahndirektion Saarbrücken<br />

dem Minister mitteilen, dass die ca.<br />

4,3 Kilometer lange Strecke Baukosten in Höhe<br />

von 254 200 Mark verursachen würde. Im Gegensatz<br />

zur Stadt und dem Kreis <strong>Wittlich</strong> lehnten<br />

die umliegenden Gemeinden jede Kostenbeteiligung<br />

ab, was dazu führte, dass der Minister<br />

von dem Projekt Abstand nahm. 1882 bot<br />

das Ministerium von sich aus den Bau der Bahn<br />

an, sofern die Kosten des Grunderwerbs komplett<br />

übernommen würden. Am 28. Oktober<br />

1882 beschloss der <strong>Wittlich</strong>er Stadtrat die bedingungslose<br />

Übernahme der Grunderwerbskosten,<br />

wobei der Kreistag einen Zuschuss in<br />

Höhe von 18 000 Mark gewährte. Längere Diskussionen<br />

gab es noch über den Bahnhofsstandort<br />

in <strong>Wittlich</strong>. 1883 entschied das Ministerium,<br />

den Bahnhof, wie ursprünglich auch<br />

vorgesehen, auf dem <strong>Wittlich</strong>er Schloßplatz zu<br />

bauen. Aufgrund der einfachen Geländeverhältnisse<br />

ging der Bau der Strecke zügig voran,<br />

so dass am 14. August 1884 der erste Arbeitszug<br />

von Wengerohr nach <strong>Wittlich</strong> fahren konnte.<br />

Am 12. April 1885 wurde die Strecke dem<br />

öffentlichen Verkehr übergeben.<br />

Sowohl in <strong>Wittlich</strong> als auch in der Kreisstadt<br />

Daun in der Vulkaneifel gab es Überlegungen,<br />

die beiden Städte durch eine Eisenbahnverbin-<br />

Gerd Stein<br />

dung näher zusammenzubringen. Bereits 1884<br />

beantragten Einwohner der Bürgermeisterei<br />

Laufeld den Bau einer Strecke von <strong>Wittlich</strong><br />

nach Plein, weiter über Hasborn, Laufeld, zwischen<br />

Eckfeld und Gillenfeld am Holzmaar vorbei,<br />

über Udler und Schalkenmehren nach<br />

Daun. Dort sollte die Einfädelung in die Linie<br />

nach Mayen und Gerolstein erfolgen. Diese Bestrebungen<br />

hatten zunächst keinen Erfolg. Erst<br />

sechs Jahre später, im Jahr 1890, ließ der Minister<br />

eine überschlägige Kosten- und Ertragsrechnung<br />

für eine Strecke von Daun nach <strong>Wittlich</strong><br />

erstellen. Danach blieb es jedoch still um<br />

die Eisenbahnpläne, bis im Jahre 1896 Einwohner<br />

aus Laufeld und Niederöfflingen das Gesuch<br />

von 1884 wiederholten. Daneben gab es<br />

in Daun auch Überlegungen, alternativ eine Linie<br />

durch das Alftal zu bauen, die bei Bengel in<br />

die Moselbahn einmünden sollte. In <strong>Wittlich</strong><br />

dagegen wurde eine Linie nach Adenau ins Gespräch<br />

gebracht, die jedoch nicht über Daun<br />

führen sollte. Letztendlich hatten diese Vorschläge<br />

keine Chance auf eine Realisierung, da<br />

die Baukosten wesentlich höher ausgefallen<br />

wären, bzw. wichtige Ortschaften von der Linienführung<br />

unberührt geblieben wären. Am 26.<br />

April 1897 gab der Minister der Saarbrücker Eisenbahndirektion<br />

den Auftrag zu allgemeinen<br />

Vorarbeiten für eine Nebenbahn von <strong>Wittlich</strong><br />

nach Daun. Diese wurden im Herbst des gleichen<br />

Jahres abgeschlossen. Nun sollte geprüft<br />

werden, ob die Anliegergemeinden bereit<br />

wären, die Grunderwerbskosten voll zu übernehmen.<br />

Der Kreis <strong>Wittlich</strong> wollte 70 000 Mark<br />

zur Verfügung stellen, der Kreis Daun 30 000<br />

Mark. Trotz dieser angebotenen Kostenbeteiligung<br />

verfolgte das Ministerium für öffentliche<br />

Arbeiten das Projekt nicht weiter. Erst als sich<br />

im April 1901 die beiden Kreise bereit erklärten,<br />

höhere Anteile zu übernehmen (<strong>Wittlich</strong><br />

141 000 Mark, Daun 40 000 Mark), wurde das<br />

Ministerium wieder aktiv. Dennoch dauerte es<br />

noch bis zum Juni des Jahres 1904, ehe der<br />

141


Bahnbau per Gesetz beschlossen wurde.<br />

8 216 000 Mark wurden als Kosten für den Bau<br />

der Strecke veranschlagt. Als die Bauarbeiten<br />

bereits angelaufen waren, gab es noch einige<br />

Auseinandersetzungen in einzelnen Gemeinden<br />

über die Lage und die Benennung der<br />

Bahnhöfe. Besonders heftig waren diese Auseinandersetzungen<br />

in Manderscheid und<br />

Schalkenmehren. Die Bauarbeiten gingen jedoch<br />

planmäßig voran, und am 20. September<br />

1909 war die Strecke für Arbeitszüge bereits<br />

befahrbar. Am 1. Dezember 1909 wurde die<br />

Teilstrecke Daun - Gillenfeld dem Verkehr<br />

übergeben. Die weitere Teilstrecke Gillenfeld -<br />

Manderscheid wurde am 1. Mai 1910, die Reststrecke<br />

Manderscheid - <strong>Wittlich</strong> am 1. Juli 1910<br />

eröffnet. Bereits 1914 wurde der Bahnhof <strong>Wittlich</strong><br />

vergrößert, in den Jahren 1929 und 1930<br />

erfolgte eine teilweise Verlegung der Strecke<br />

zwischen Wengerohr und <strong>Wittlich</strong>, wozu ein<br />

neuer Bahndamm aufgeschüttet wurde.<br />

Streckenbeschreibung<br />

Ausgangspunkt der Strecke war der Bahnhof<br />

Wengerohr an der Moselbahn von Trier nach<br />

Koblenz. Direkt nach Verlassen des Bahnhofs<br />

Am Bahnhof <strong>Wittlich</strong> um 1920<br />

142<br />

zweigte die Strecke nach rechts ab und überquerte<br />

die Bundesstraße auf einer Stahlbrücke.<br />

Größtenteils parallel zur Bundesstraße nach<br />

<strong>Wittlich</strong> verlief die Trasse, ehe das <strong>Wittlich</strong>er Industriegebiet<br />

erreicht wurde. Hier zweigten<br />

mehrere Anschlussgleise ab. So zu den Firmen<br />

Ideal-Standard, Thyssen-Schulte und Becker-<br />

Loosen. Kurz darauf wurde bei Kilometer 4,2<br />

der Bahnhof <strong>Wittlich</strong> erreicht. Die Einfahrt war<br />

mit Flügelsignalen gesichert. <strong>Wittlich</strong> verfügte<br />

über ein großes Bahnhofsgebäude mit angebautem<br />

Güterschuppen, diverse Nebengebäude<br />

und einen dreiständigen Lokschuppen. Dazu<br />

gab es einen überdachten Mittelbahnsteig<br />

und ausgedehnte Gleisanlagen. Mit einer Steigung<br />

von 1 : 40 ging es nach einem Linksknick<br />

weiter durch Weinberge, danach durch zahlreiche<br />

Kurven in einem Waldstück bis zum Haltepunkt<br />

<strong>Wittlich</strong>-Grünewald bei Kilometer 7,6,<br />

der vor dem Zweiten Weltkrieg und in den 50er<br />

Jahren recht bedeutend war, weil sich hier eine<br />

Kinderheilstätte befand. Hier stand auch ein<br />

kleiner Warteraum mit einer Toilette. Bis zum<br />

drei Kilometer weiter entfernt liegenden Bahnhof<br />

Plein (KM 10,9) sind zwei große Viadukte<br />

(Talbrücke <strong>Wittlich</strong>, fünf Bögen, Höhe 26,40


Die Bauleiter (mit Ehefrauen) der Eisenbahnstrecke <strong>Wittlich</strong>-Daun und die Bauarbeiter, darunter auch<br />

italienische Gastarbeiter, vor dem im Bau befindlichen Pleiner Viadukt.<br />

Meter, Pleiner Viadukt, fünf Bögen, Höhe 32,60<br />

Meter) und drei Tunnels (Grünewald-Tunnel<br />

125 Meter, Unkenstein-Tunnel 140 Meter und<br />

Pleiner-Tunnel 585 Meter) zu passieren. Hinter<br />

Plein geht es durch mehrere Einschnitte fast<br />

geradeaus weiter, bis bei Kilometer 14,8 der<br />

Bahnhof Hasborn erreicht wurde. Auch hier<br />

war die Einfahrt durch Signale gesichert. Der<br />

Bahnhof war mit einem Überholgleis und einem<br />

Ladegleis ausgestattet. Nach Verlassen des<br />

Bahnhofs Hasborn stieg die Strecke wieder<br />

leicht an. In sanften Kurven ging es durch einen<br />

dichten Laubwald, ehe der Bahnhof Laufeld<br />

(KM 19,3), der auf der südlichen Seite ebenfalls<br />

durch ein einfaches Signal und auf der Nordseite<br />

durch Vor- und Hauptsignal gesichert<br />

war, in Sicht kam. Auch hier gab es ein Überhol-<br />

und ein Ladegleis. Hinter Laufeld bot sich<br />

nach beiden Seiten ein freier Blick auf die Eifellandschaft.<br />

Bei Streckenkilometer 20,2 lag das<br />

Anschlussgleis der Fensterwerke Meeth. Vor<br />

Manderscheid knickte die Strecke nach links<br />

ab, führte durch einen Einschnitt und erreichte<br />

den Bahnhof Manderscheid-Pantenburg bei<br />

Streckenkilometer 22,2. Hier befanden sich<br />

ebenfalls Formsignale zur Sicherung sowie ein<br />

Überholgleis. Hinter Manderscheid-Pantenburg<br />

folgte eine scharfe Rechtskurve. Unterhalb<br />

des früheren Klosters Buchholz ging es<br />

weiter zum Haltepunkt Eckfeld. Der Haltepunkt<br />

war mit einem kleinen Warteraum für die Reisenden<br />

ausgestattet und lag bei Streckenkilometer<br />

24,6. Nun fiel die Strecke stetig ab. Auf<br />

der linken Seite folgte kurz darauf das Holzmaar.<br />

Nach Durchquerung eines längeren<br />

Waldstücks verliefen die Gleise in einem weiten<br />

Linksbogen ins Alfbachtal bis zum Bahnhof Gillenfeld<br />

bei Kilometer 29,5. Hier befand sich<br />

auch ein Hochbehälter, wo die Dampfloks ihre<br />

Wasservorräte ergänzen konnten. Es gab mehrere<br />

Rangiergleise und ein Überholgleis. Die<br />

südliche Bahnhofseinfahrt war durch ein Vorund<br />

ein Hauptsignal gesichert, die nördliche<br />

Einfahrt durch ein einfaches Signal. Die Trasse<br />

folgte dem Alfbach, bis bei Kilometer 31,8 der<br />

Haltepunkt Udler-Saxler auftauchte, wo ein<br />

kleines Wartehäuschen stand. Nun kam der<br />

landschaftlich schönste Teil der Strecke. Es<br />

ging durch Wiesen und Felder nach Schalkenmehren<br />

(KM 35,4). Ein Überhol- und ein Lade-<br />

143


gleis sowie Signale waren auch auf dieser Station<br />

vorhanden. Die Strecke stieg nun wieder<br />

an und passierte bei Kilometer 37,4 den 559<br />

Meter langen Schalkenmehrener Tunnel. Nach<br />

einem tiefen Einschnitt fiel sie wieder ab ins<br />

Liesertal. Auf der linken Seite war die weithin<br />

bekannte Kapelle am Weinfelder Maar (Totenmaar)<br />

zu sehen. Nach einer Rechtskurve folgte<br />

ein hoher Damm, ehe die Trasse durch den<br />

Wald am Hang des Mühlenberges entlang weiterführte.<br />

In einer weiten Linkskurve wurde das<br />

imposante Viadukt von Daun (Überquerung der<br />

Straße Daun - Darscheid) befahren. Das Viadukt<br />

hat fünf Öffnungen und eine Höhe von<br />

24,70 Meter. Vorbei am Dauner Lokschuppen<br />

(durch Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg<br />

stark beschädigt, ohne Dach weiter benutzt bis<br />

zum Abriss in den 80er Jahren) ging es in den<br />

Bahnhof Daun (KM 40,7), den Endpunkt der<br />

Strecke. In Daun gab es zwei Stellwerke, einen<br />

Hochbehälter und zwei Mittelbahnsteige mit<br />

Unterführungen. Daun lag an der Bahnstrecke<br />

von Mayen nach Gerolstein, der sogenannten<br />

Eifelquerbahn. Auch hier waren die Bahn–<br />

hofseinfahrten durch Vor- und Hauptsignale<br />

gesichert.<br />

Betrieb<br />

Nach der Eröffnung wurde die Gesamtstrecke<br />

bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges von<br />

täglich fünf Personenzugpaaren befahren. Zusätzlich<br />

wurden Personenzüge auf dem Teilstück<br />

Wengerohr - <strong>Wittlich</strong> eingesetzt. Im Jahre<br />

1927 waren es beispielsweise sieben zusätzliche<br />

Züge. Für die Gesamtstrecke benötigten<br />

sie ca.1 1 /2 Stunden Fahrzeit. Neben den Personenzügen<br />

fuhr täglich ein Güterzugpaar. Einige<br />

Personenzüge beförderten ebenfalls Güterwagen.<br />

An Gütern wurde vor allem Holz befördert.<br />

Daneben Steine, Lavasand und landwirtschaftliche<br />

Erzeugnisse wie Hafer, Kartoffeln, Tierdünger,<br />

Obst und Wein. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg waren erhebliche Kriegsschäden an<br />

der Strecke entstanden. Besonders stark in<br />

Mitleidenschaft gezogen waren die Viadukte<br />

bei Plein. So führte die Zerstörung des Alterbach-Viaduktes<br />

bei Kilometer 9,25 bei Plein<br />

dazu, dass der Verkehr an dieser Stelle unterbrochen<br />

wurde. Aus <strong>Wittlich</strong> kommend mussten<br />

die Reisenden den Zug vor dem Viadukt<br />

verlassen und es zu Fuß überqueren, ehe sie<br />

auf der anderen Seite einen Zug besteigen<br />

144<br />

konnten, der nach Daun weiterfuhr. Erst am 6.<br />

Dezember 1953 endete dieses Provisorium,<br />

und die Gesamtstrecke war wieder durchgehend<br />

befahrbar. Bereits in den 50er Jahren<br />

wurde das Verkehrsaufkommen im Personenverkehr<br />

immer geringer. So standen im Sommerfahrplan<br />

1959 auf der Gesamtstrecke nur<br />

drei durchgehende Verbindungen. Daneben<br />

wurden Züge von Daun nach Gillenfeld, von<br />

<strong>Wittlich</strong> nach Manderscheid-Pantenburg und<br />

von <strong>Wittlich</strong> nach Gillenfeld angeboten. Zwischen<br />

Wengerohr und <strong>Wittlich</strong> hingegen bestand<br />

werktäglich 28 Mal die Möglichkeit, hinund<br />

zurückzufahren. Der erste Zug fuhr um<br />

0.27 Uhr in Wengerohr ab, der letzte Zug erreichte<br />

<strong>Wittlich</strong> um 22.56 Uhr. Dieses Verkehrsangebot<br />

blieb auch in den 60er und 70er Jahren<br />

ohne große Änderungen erhalten, obwohl<br />

aufgrund des geringen Aufkommens bereits<br />

1965 und 1969 Überlegungen zur Stilllegung<br />

der Strecke angestellt worden waren. Der letzte<br />

Fahrplan aus dem Jahr 1981 weist noch vier<br />

durchgehende Zugpaare Daun - Wengerohr<br />

aus, daneben fast stündlich eine Verbindung<br />

zwischen Wengerohr und <strong>Wittlich</strong>. Am 31. Oktober<br />

1981 wurde der Personenverkehr von<br />

<strong>Wittlich</strong> nach Daun eingestellt. Heute verkehren<br />

Linienbusse auf der Strecke <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr.<br />

Der Güterverkehr wurde von Anfang an nur in<br />

bescheidenem Umfang abgewickelt. Die<br />

Anschließer im Industriegebiet zwischen Wengerohr<br />

und <strong>Wittlich</strong> sorgten für einiges Aufkommen,<br />

aber auch hier erfolgte bereits in den 70er<br />

Jahren eine Verlagerung der Transporte auf die<br />

Straße. Großen Anteil hieran hatte auch der<br />

Ausbau der A 48 von Koblenz nach Trier. Der<br />

letzte durchgehende Güterzug befuhr die<br />

Strecke am 22. Mai 1982. Danach wurde nur<br />

noch von Daun nach Gillenfeld und ab Mitte der<br />

80er Jahre bis Schalkenmehren und zurück gefahren.<br />

Auf dieser Relation sind insbesondere<br />

die bis zuletzt gefahrenen langen Züge, bestehend<br />

aus Schüttgutwagen, die mit Salz beladen<br />

waren, zu erwähnen. Auf dem unteren<br />

Streckenabschnitt wurde nur noch von Wengerohr<br />

bis <strong>Wittlich</strong> gefahren.<br />

Fahrzeugeinsatz<br />

Über den Fahrzeugeinsatz in den Anfangsjahren<br />

der Strecke ist wenig bekannt. In den späteren<br />

Jahren kamen planmäßig Dampfloks der


Baureihen 86, 78, 50 und 52 zum Einsatz. Die<br />

Maschinen stammten hauptsächlich vom<br />

Bahnbetriebswerk Mayen. Auch Loks aus Koblenz<br />

und Trier kamen auf der Strecke zum Einsatz.<br />

Mit Erscheinen der Schienenbusse wurden<br />

die lokbespannten Personenzüge immer<br />

seltener. Hier waren meist dreiteilige Einheiten<br />

der Baureihen 795 und später 798 im Einsatz.<br />

Jedoch befuhr noch im Jahre 1970 ein planmäßiger<br />

Personenzug, bestehend aus einer<br />

Lok der Baureihe 23 und einem Silberling, die<br />

Strecke. In den ersten Nachkriegsjahren bestanden<br />

die Personenzüge zeitweise aus einer<br />

Köf mit zwei Bi-Wagen. Im Volksmund wurden<br />

diese Züge auch als »Sambaexpress« bezeichnet.<br />

Interessant ist auch der Einsatz des Schienen/Straße-Busses.<br />

Er kam im Winterfahrplan<br />

1954/55 im Zugpaar 4003/4004 zum Einsatz.<br />

Befahren wurde die Verbindung <strong>Bernkastel</strong>-<br />

Kues - <strong>Wittlich</strong> - Daun - Adenau - Bad-Neuenahr<br />

- Remagen. Das Fahrzeug fuhr von <strong>Bernkastel</strong><br />

bis <strong>Wittlich</strong> auf der Straße, danach bis<br />

Daun auf Schienen, bis Adenau wieder auf der<br />

Straße und von dort über die Ahrtalbahn bis<br />

Remagen auf der Schiene. Insbesondere in<br />

den Wintermonaten konnte das Fahrzeug jedoch<br />

den Erwartungen nicht gerecht werden.<br />

Bei Nässe blieb der Schienen/Straße-Bus häufig<br />

hängen, von daher wurde er nach einer<br />

Fahrplanperiode wieder abgezogen. In den<br />

letzten Jahren wurden die Güterzüge meist von<br />

Dieselloks der Baureihe 290 des BW Trier gezogen.<br />

Seltener sah man Dieselloks der Baureihen<br />

211/212, 215 und 218.<br />

Neben dem Planbetrieb war die Strecke, insbesondere<br />

als die Stilllegung absehbar war, sehr<br />

beliebt für Sonderfahrten. Die in Daun ansässigen<br />

»Eisenbahnfreunde Vulkaneifel« veranstalteten<br />

in den letzten Betriebsjahren eine Vielzahl<br />

von Sonderfahrten, bei denen interessante<br />

Fahrzeuge die Strecke befuhren. Besonders<br />

hervorzuheben sind hier der WUMAG-Triebwagen<br />

VT 175 mit Beiwagen der Buxtehude-Harsefelder-Eisenbahn<br />

im Jahr 1986, oder der<br />

TEE-Triebzug VT 601 im Jahr 1988. Bereits<br />

1972 befuhr ein Sonderzug der DGEG mit der<br />

Lok 38 2383 die landschaftlich schöne Strecke.<br />

Heutige Situation<br />

Nach der Stilllegung wurde die Strecke bis Mai<br />

1990 zwischen Daun und <strong>Wittlich</strong> komplett ab-<br />

gebaut. Die Gleise von Wengerohr bis <strong>Wittlich</strong><br />

liegen noch. Sie werden heute als Anschlussgleis<br />

bei Bedarf von Wengerohr aus bedient.<br />

Der Rest der Strecke war innerhalb weniger<br />

Jahre zugewuchert. Wenn man die Autobahn A<br />

48 befährt, kann man die Trasse an vielen Stellen<br />

noch gut erkennen. Auch die ehemaligen<br />

Bahnhofsgebäude stehen noch alle. Sie wurden<br />

verkauft und werden heute als Wohnhäuser<br />

genutzt. Im ehemaligen Dauner Bahnhof<br />

befindet sich ein Jugendzentrum. Nach jahrelangen<br />

Diskussionen über die Anlage eines<br />

Radwanderweges auf der ehemaligen Trasse<br />

gaben die Behörden im vergangenen Jahr grünes<br />

Licht für das Projekt. Die Anliegergemeinden<br />

haben die ehemalige Trasse übernommen.<br />

Der Radweg ist derzeit im Bau. Aufwendig saniert<br />

wurde dabei das Dauner Viadukt, das<br />

gleichzeitig auch das Wahrzeichen der Stadt<br />

Daun ist. Aus heutiger Sicht könnte man darüber<br />

streiten, ob der Abbau der Strecke voreilig<br />

war. Als Touristikbahn wäre die Verbindung<br />

von der Urlaubsregion Vulkaneifel mit dem<br />

Zentrum Daun zur Urlaubsregion Mosel ideal<br />

gewesen. Alle damaligen Bemühungen um den<br />

Erhalt der Strecke blieben jedoch erfolglos. So<br />

wird in den kommenden Jahren bei manchem<br />

Benutzer des Radwanderweges Wehmut aufkommen,<br />

wenn er sich vorstellt, statt mit dem<br />

Drahtesel mit dem Dampfross die wunderschöne<br />

Eifel-Mosel-Region zu durchfahren.<br />

Der Dauner Viadukt kurz vor Fertigstellung 1909<br />

145


Bau der Strecke<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts war der Hunsrück<br />

von bedeutenden Eisenbahnlinien umgeben.<br />

Das Gebiet selbst war jedoch eisenbahnmäßig<br />

noch unerschlossen und wurde nur in den<br />

Randlagen von der Stichstrecke Trier-Hermeskeil<br />

und seit Oktober 1889 von der Strecke<br />

Langenlonsheim-Simmern berührt. Als nächstes<br />

Ziel bot sich nun eine Verbindung dieser<br />

beiden Stichbahnen an, eine Hunsrückquerbahn<br />

also. Erste Bitten um einen Bahnanschluss<br />

wurden schon 1883 von der kleinen<br />

Stadt Kirchberg an den zuständigen Minister in<br />

Berlin gerichtet. Bevor jedoch die Verbindung<br />

von der Rhein-Nahe-Bahn nach Simmern nicht<br />

fertiggestellt war, hatte dieses Ansinnen keine<br />

Aussicht auf Erfolg. Einem erneuten Versuch im<br />

Jahre 1889 war deshalb mehr Erfolg beschieden.<br />

Nachdem man sich darüber beklagt hatte,<br />

dass aller Verkehr, der früher Kirchberg zugute<br />

gekommen sei, nun Simmern zufließe, gab das<br />

Ministerium für öffentliche Arbeiten eine Studie<br />

für die »billigste und zweckmäßigste Fortsetzung<br />

der Linie Langenlonsheim-Simmern« in<br />

Auftrag. Ein Jahr später waren die Untersuchungen<br />

abgeschlossen, und dem Minister lagen<br />

Vorschläge für die Linien Simmern-Kastellaun<br />

und Simmern-Kirchberg vor. Es wurden<br />

auch Alternativen für eine sinnvolle Weiterführung<br />

der Kirchberger Variante aufgezeigt.<br />

Ins Auge gefasst wurden die Projekte Kirchberg-Bullay-Zell<br />

(Mosel), Kirchberg-Kirn (Nahe)<br />

und Kirchberg-<strong>Bernkastel</strong> (Mosel). In Kirchberg<br />

wurden die Pläne gutgeheißen, und man hoffte<br />

insgeheim auch auf eine Weiterführung der<br />

Kirchberger Strecke bis Hermeskeil. Aus Geldmangel<br />

wurde der Bau der beiden Linien jedoch<br />

erst am 3. Juni 1896 beschlossen. Im<br />

Frühjahr 1897 erfolgte der Beschluss für den<br />

146<br />

Hunsrückquerbahn von<br />

Morbach bis Hermeskeil<br />

Geschichte der Gesamtstrecke<br />

von Simmern bis Hermeskeil<br />

Gerd Stein<br />

Weiterbau der Strecke von Kirchberg über<br />

Morbach nach Hermeskeil. Für dieses Teilstück<br />

musste die endgültige Linienführung<br />

noch festgelegt werden. Zu Streitigkeiten kam<br />

es hier insbesondere über den Streckenverlauf<br />

zwischen Hermeskeil und Dhronecken. Die<br />

Saarbrücker Eisenbahndirektion war für eine<br />

direkte Streckenführung von Hermeskeil über<br />

Abtei nach Dhronecken, während der Trierer<br />

Regierungspräsident für eine Trassierung über<br />

Pölert und von dort zwischen Rascheid und<br />

Beuren durch das Bruderbachtal nach<br />

Dhronecken plädierte.<br />

Diese zweite Variante war 2,5 Kilometer länger<br />

und ca. 700 000 Mark teurer. Trotzdem entschied<br />

sich das Ministerium letztendlich für<br />

diese Variante. Die vier von der Linie berührten<br />

<strong>Landkreis</strong>e Trier, <strong>Bernkastel</strong>, Zell und Simmern<br />

sollten den für den Bahnbau erforderlichen<br />

Grund und Boden unentgeltlich zur Verfügung<br />

stellen. Folgende Summen wurden schließlich<br />

bewilligt:<br />

- <strong>Landkreis</strong> Trier 139 545,50 Mark<br />

- <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong> 192 475,50 Mark<br />

- <strong>Landkreis</strong> Zell 140 350,50 Mark<br />

- <strong>Landkreis</strong> Simmern 52 576,50 Mark<br />

Die Bauzeit für die Strecke betrug vier Jahre. In<br />

drei Etappen wurde die Linie fertiggestellt:<br />

1. Simmern - Kirchberg 10, 18 km<br />

am 15. Juli 1901<br />

2. Kirchberg - Morbach 31,03 km<br />

am 15. Dezember 1902<br />

3. Morbach-Hermeskeil 37,47 km<br />

am 1. Oktober 1903.<br />

Die exakten Baukosten lassen sich nicht mehr<br />

ermitteln, jedoch waren allein für den Abschnitt<br />

Kirchberg-Hermeskeil 5 595 000 Mark veranschlagt.<br />

Bemerkenswert ist, dass die Strecke<br />

trotz beachtlicher Steigungen (max. 1 : 40) mit


nur einem Tunnel (zwischen Hoxel und Deuselbach)<br />

auskommt.<br />

Streckenbeschreibung<br />

Ausgangspunkt ist der Bahnhof Simmern. Neben<br />

der Strecke nach Hermeskeil begannen<br />

hier auch die in der Zwischenzeit stillgelegten<br />

Linien nach Gemünden und Boppard. Weiterhin<br />

endet hier die noch existierende Strecke<br />

nach Langenlonsheim. Da die Strecke Simmern-Hermeskeil<br />

als Fortsetzung der Linie<br />

Langenlonsheim-Simmern anzusehen ist, beginnt<br />

die Zählung in Simmern bei km 37,7. In<br />

den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg wurde<br />

die Gesamtstrecke umfassend restauriert und<br />

ausgebaut, um den umfangreichen Verkehr zu<br />

bewältigen, der beim Bau der Hunsrückhöhenstraße<br />

und des Westwalls anfiel. Die in dieser<br />

Zeit angelegten Gleisanlagen waren natürlich<br />

für den normalen zivilen Reise- und Güterverkehr<br />

weit überdimensioniert. Zunächst verlaufen<br />

die Schienen parallel zur Linie nach Boppard<br />

in südwestlicher Richtung. Links wird das<br />

Schienenbus zwischen Hoxel und Deuselbach<br />

erhöht liegende ehemalige Bahnbetriebswerk<br />

passiert. Die Anlagen dieses Betriebswerkes,<br />

das 1982 geschlossen wurde, sind komplett<br />

abgebaut. Der noch erhaltene Lokschuppen<br />

wird heute als Garage und Werkstatt für Busse<br />

benutzt. Kurz darauf schwenkt die Bopparder<br />

Strecke nach rechts, während die Strecke nach<br />

Hermeskeil über eine Brücke den Simmerbach<br />

überquert und nach einer Steigung bei km 41,2<br />

den Haltepunkt Nannhausen erreicht. Das<br />

Bahnhofsgebäude wurde abgerissen, das<br />

ebenfalls vorhandene Ausweichgleis abgebaut.<br />

Durch das Bieberbachtal führt die<br />

Strecke an Nickweiler vorbei zum ehemaligen<br />

Bahnhof Unzenberg bei km 43,7. Diese Station<br />

wurde vor dem Zweiten Weltkrieg groß ausgebaut.<br />

Sie besaß ausgedehnte Gleisanlagen und<br />

eine Militärrampe. Übrig geblieben ist nur das<br />

Durchgangsgleis und das Bahnhofsgebäude,<br />

das sich in Privatbesitz befindet. Nach Verlassen<br />

von Unzenberg folgt die Trasse dem Kauerbachtal,<br />

führt entlang dem Kirchberger Ortsteil<br />

Denzen bis zum Bahnhof Kirchberg. Das<br />

147


Gebäude steht noch, befindet sich jedoch in einem<br />

desolaten Zustand. Nach Passieren der<br />

B 421 (Kirchberg-Zell) fällt die Strecke leicht<br />

ab. Bevor bei km 51,2 der Haltepunkt Niederkostenz<br />

erreicht wird, führt die Trasse über den<br />

bekannten Viadukt mit sieben Bögen, der das<br />

Tal des Kyr-Baches überspannt. Vor der<br />

Brücke gab es früher eine Ladestelle, deren<br />

Trümmer noch erkennbar sind. Am Haltepunkt<br />

selbst steht noch ein Wellblechwartehäuschen.<br />

Hier war während des Krieges auch ein Wasserkran<br />

für die Dampfloks installiert. Reste des<br />

gesprengten Wasserturmes sind zwischen den<br />

Bäumen noch erkennbar. Unter der B 50 führt<br />

die Strecke durch den Hallschieder Forst Richtung<br />

Sohren. Hier war in früheren Jahren eine<br />

Holzverladestelle. Bei km 54,7 wird der Haltepunkt<br />

Niedersohren erreicht, an dem noch ein<br />

kleines Wartehaus vorhanden ist. In mehreren<br />

kleinen Krümmungen geht es talwärts, dann<br />

wird auf einer fünfbogigen Brücke das Grundbachtal<br />

überquert. Der Bahnhof Sohren liegt im<br />

oberen Ortsbereich. Das Empfangsgebäude ist<br />

zwischenzeitlich zu einer Gaststätte umgebaut.<br />

Der alte Wasserturm steht noch auf Privatbesitz.<br />

Einer der größten deutschen Möbelhersteller,<br />

die Firma Felke, hat ihre Werksanlagen<br />

direkt an den Gleisen und sorgte in früheren<br />

Jahren für ein umfangreiches Güteraufkommen<br />

auf dem Bahnhof Sohren. Heute wird alles per<br />

Lkw ausgeliefert, und im Bahnhof Sohren liegt<br />

nur noch das Durchgangsgleis. Weiter geht es<br />

zum Bahnhof Büchenbeuren bei km 59,9. Das<br />

Gleisfeld ist auch heute noch vierfach verzweigt.<br />

Das Bahnhofsgebäude im Stil der<br />

preußischen Länderbahnzeit steht noch. Es<br />

enthielt eine Zeit lang das einzige Gleisbildstellwerk<br />

im Hunsrück. Dies hing damit zusammen,<br />

dass in Büchenbeuren eine Anschlussstrecke<br />

zum Flugplatz Hahn von der Hunsrückbahn abzweigt.<br />

Solange der Flugplatz von den Amerikanern<br />

genutzt wurde, fand hier ein umfangreicher<br />

Güterverkehr statt. Seit der Flughafen in<br />

privater Hand ist, wird die Strecke kaum noch<br />

befahren. Es gibt jedoch Pläne für eine Reaktivierung,<br />

falls auf dem Flugplatz Hahn ein geplantes<br />

Frachtzentrum realisiert werden kann.<br />

Vorbei an den nördlichen Ausläufern des Idarwaldes<br />

mit dem 756 Meter hohen Idarkopf führt<br />

die Strecke zum Bahnhof Hirschfeld. Der Bahnhof<br />

hat noch ein Ausweichgleis und ein Anschlussgleis<br />

zu einem großen Getreidelager<br />

148<br />

des Bundes. Das in Privatbesitz befindliche<br />

Empfangsgebäude steht noch und ist in gutem<br />

Zustand. Der Ort Hirschfeld selbst liegt relativ<br />

weit vom Bahnhof entfernt. Die Strecke läuft<br />

jetzt durch ein Waldgebiet weiter, bis die Station<br />

Hochscheid bei km 67,8 erreicht wird. Das<br />

Bahnhofsgebäude ist abgetragen, die früher<br />

umfangreichen Gleisanlagen sind auf das<br />

Durchgangsgleis und ein Verladegleis für Holz<br />

reduziert. Bei km 70,5 wird die ehemalige Holzverladestelle<br />

»Zolleiche« erreicht. Das schon<br />

lange abgebaute Ladegleis wurde von der<br />

NATO 1988/89 wieder aufgebaut. Während<br />

des Golfkrieges wurden hier Rüstungsgüter in<br />

erheblichem Umfang von der Straße auf die<br />

Schiene verladen. Täglich gingen von hier Militärzüge<br />

zum Nordseehafen Nordenham ab.<br />

Sobald der Wald verlassen wird, erreicht die<br />

Strecke den Bahnhof Hinzerath. Das in Privatbesitz<br />

befindliche Stationsgebäude wurde<br />

1996 umfassend renoviert und befindet sich in<br />

tadellosem Zustand. Vorhanden sind noch<br />

mehrere Ladegleise für Holz und die zwei<br />

großen am Ort befindlichen holzverarbeitenden<br />

Betriebe. Gleich hinter dem Bahnhof beginnt<br />

ein Stück Hochwald. Mitten im Wald liegt bei<br />

km 76,9 der ehemalige Haltepunkt Bischofsdhron.<br />

Reste des Bahnsteigs sind noch erkennbar.<br />

Nach Verlassen des Waldes wird der<br />

größte Bahnhof zwischen Simmern und Hermeskeil,<br />

Morbach, erreicht. Früher war das<br />

Gleisfeld fünffach verzweigt, geblieben sind<br />

neben dem Durchgangsgleis noch ein Ausweich-<br />

und ein Ladegleis. Das Bahnhofsgebäude<br />

befindet sich äußerlich in gutem Zustand,<br />

steht jedoch leer. Ein großer holzverarbeitender<br />

Betrieb sorgte bis Anfang der 90er<br />

Jahre für ein ansprechendes Frachtaufkommen<br />

(zu Schnitzeln verarbeitete Holzabfälle, die<br />

durch ein Rohrsystem in Waggons geblasen<br />

wurden), heute werden Lkw eingesetzt. Nach<br />

Angaben Einheimischer soll es beim Morbacher<br />

Bahnhof früher ein kleines Betriebswerk<br />

mit Lokschuppen gegeben haben. Spuren sind<br />

jedoch keine mehr zu erkennen. Nach Verlassen<br />

des Bahnhofs Morbach überquert die Trasse<br />

eine Straße, und kurz vor dem Ortsausgang<br />

zweigt noch ein Anschlussgleis zu einem weiteren<br />

holzverarbeitenden Betrieb ab. Das nun<br />

folgende Streckenstück bis Hermeskeil dürfte<br />

der landschaftlich schönste Teil der Gesamtstrecke<br />

sein. Durch Felder und Wiesen läuft die


Strecke bis zum Bahnhof Hoxel bei km 83,9.<br />

Das Bahnhofsgebäude ist in Privatbesitz. Ausweich-<br />

und Stumpfgleise sind abgebaut. Es<br />

folgen drei große Viadukte. Die »Talbrücke Hoxel«,<br />

der Hoxeler Viadukt, hat eine Länge von<br />

160 Metern. Er ist 40 Meter hoch, hat acht Bögen<br />

und überspannt das Hachenbachtal. Kurz<br />

hinter dem Viadukt folgt im Wald der »Hoxeler<br />

Tunnel« mit einer Länge von 240 Metern. Unmittelbar<br />

dahinter folgt der zweite Viadukt über<br />

ein Waldtal. Er ist 86 Meter lang, 37 Meter hoch<br />

und hat vier Öffnungen. Etwa einen Kilometer<br />

weiter verlässt die Strecke den Wald, überquert<br />

die Straße nach Deuselbach und erreicht den<br />

gleichnamigen Bahnhof bei km 89,7. Das Empfangsgebäude<br />

aus rotem Sandstein steht noch<br />

und ist in ausgezeichnetem Zustand. Ein ehemals<br />

vorhandenes Ausweichgleis wurde Mitte<br />

der 80er Jahre abgebaut. Die frühere Bedeutung<br />

dieser Station rührte vom Wintersportbetrieb<br />

her. Direkt bei Deuselbach liegt das große<br />

Wintersportgebiet »Erbeskopf«. Für die Wintersportler<br />

und Sommerurlauber gibt es dort mehrere<br />

Hotels, eines davon steht direkt am Bahnsteig<br />

des Bahnhofs Deuselbach. Weiter geht es<br />

nach Thalfang. Der Bahnhof war früher mit umfangreichen<br />

Gleisanlagen versehen. Geblieben<br />

sind nur noch zwei Gleise und das schöne restaurierte<br />

Bahnhofsgebäude. Bis vor wenigen<br />

Jahren befand sich in dem Gebäude eine Gaststätte,<br />

in der viele alte Eisenbahnrequisiten zu<br />

besichtigen waren. Das Bahnhofsgebäude von<br />

Thalfang weist eine Besonderheit auf, die an<br />

vielen Bahnhofsgebäuden auf dem Hunsrück<br />

und in der Eifel zu beobachten ist. Es handelt<br />

sich um an der Bahnsteigseite nachträglich angebaute<br />

Unterkünfte für Stellwerke. Die Anbauten<br />

wurden einstöckig mit Flachdach und Fenstern<br />

rundum ausgeführt. Diese Arbeiten wurden<br />

in den 30er Jahren getätigt, als der gestiegene<br />

Verkehr eine Fernbedienung der Signale<br />

und Weichen erforderlich machte. Hinter Thalfang<br />

führt die Strecke talwärts, entlang des<br />

Thalfanger Baches, bis bei km 97,5 der Bahnhof<br />

Dhronecken erreicht wird. Der kleine Ort<br />

liegt idyllisch unter einer Burgruine. Das Bahnhofsgebäude<br />

samt Nebengebäude und ein<br />

großer Wasserturm sind in Privatbesitz und<br />

hervorragend restauriert. Hinter Dhronecken<br />

folgt die Trasse dem Röderbachtal, passiert<br />

den ehemaligen Haltepunkt Geisfeld, wo noch<br />

ein kleines massives Wartehäuschen steht,<br />

und führt dann über die »Talbrücke Rascheid«<br />

(auch Geisfelder Viadukt genannt). Sie ist 80<br />

Meter lang, 28 Meter hoch und hat vier Bögen.<br />

Am Rande des Bruderbachtales liegt bei km<br />

101,3 der Bahnhof Rascheid. 1989 wurde das<br />

Überholgleis ausgebaut. Das Bahnhofsgebäude<br />

wird von einem ehemaligen Eisenbahner<br />

bewohnt und befindet sich in gutem Zustand.<br />

Unter einer Straßenbrücke geht es weiter ins<br />

Liebenbachtal bis zum Bahnhof Pölert. Vom<br />

früher ausgedehnten Gleisfeld ist nur noch das<br />

Durchgangsgleis übrig geblieben. Im Dritten<br />

Reich erlangte die Station traurige Bedeutung,<br />

weil hier Häftlinge des Konzentrationslagers<br />

Hinzert-Pölert zugeführt wurden. Hinter Pölert<br />

bei km 107,8 trifft die Strecke auf die aus Trier<br />

kommende Bahn aus dem Ruwertal. Mit dieser<br />

läuft sie parallel bis zur Endstation Hermeskeil.<br />

Der ausgedehnte Bahnhofsbereich liegt bei km<br />

110,4. Die Bahnanlagen entsprechen der<br />

früheren Bedeutung dieser Station. Neben der<br />

Strecke von Simmern enden hier auch die<br />

Strecken von Trier und von Türkismühle. Das<br />

frühere Bahnbetriebswerk mit Drehscheibe,<br />

Lokbehandlungsanlagen, Stellwerk und vielen<br />

Abstellgleisen ist heute in Privatbesitz und beherbergt<br />

seit über zehn Jahren das Dampflokmuseum<br />

Hermeskeil mit fast 50 Lokomotiven.<br />

Das Hermeskeiler Empfangsgebäude ist das<br />

größte des ganzen Hunsrücks. Es ist zum Teil<br />

vermietet. Hermeskeil hat eine Bahnsteigunterführung<br />

(von hier erfolgt heute der Zugang zum<br />

Museum). Die früher vorhandene Bahnsteigüberdachung<br />

wurde im Krieg zerstört und nicht<br />

wieder aufgebaut.<br />

Betrieb<br />

Der erste Fahrplan sah sechs durchgehende<br />

Züge zwischen Simmern und Hermeskeil (je<br />

drei in jeder Richtung) vor. Ferner wurden je<br />

zwei Züge zwischen Hermeskeil und Morbach<br />

und zwischen Morbach und Simmern eingesetzt.<br />

Zusätzlich waren noch Lokalzüge vorgesehen.<br />

Die Gesamtfahrzeit zwischen Simmern<br />

und Hermeskeil betrug 2 Stunden und 50 Minuten.<br />

Am Ausgangs- und Endpunkt der Strecke<br />

befand sich jeweils ein Bahnbetriebswerk. Beide<br />

waren zuständig für die Bespannung der<br />

Züge auf der Hunsrückquerbahn. Der Personenverkehr<br />

hatte auf der Strecke immer nur eine<br />

untergeordnete Bedeutung. So gab es z. B.<br />

nie durchgehende Züge von der Nahe (Langen-<br />

149


lonsheim) über die Hunsrückstrecke nach Trier.<br />

Die in den beiden Betriebswerken Simmern<br />

und Hermeskeil stationierten Lokomotiven waren<br />

deshalb auch überwiegend Güterzugloks.<br />

In Simmern gab es anfangs nur eine kleine Lokstation<br />

auf dem Bahnhofsgelände, direkt gegenüber<br />

dem Empfangsgebäude gelegen. Mit<br />

Eröffnung der Strecke nach Hermeskeil erfolgte<br />

der Neubau des Bahnbetriebswerkes südwestlich<br />

des Bahnhofs auf einer kleinen Anhöhe.<br />

Errichtet wurde ein 15-ständiger Halbrundschuppen<br />

mit einer 16,20 Meter Drehscheibe.<br />

Dazu kamen Kohlebansen mit Kran<br />

und Kohlehunten. Beheimatet waren in Simmern<br />

Lokomotiven der Baureihen 57, 91, 93<br />

und 94. Die 93er wurden überwiegend im Personenzugdienst<br />

eingesetzt und waren bis 1964<br />

auf der Strecke nach Hermeskeil im Einsatz.<br />

Ende 1952, Anfang 1953 kamen die ersten<br />

Schienenbusse der Baureihe VT 95 in den<br />

Hunsrück. Sie wurden dem Betriebswerk (BW)<br />

Simmern fabrikneu zugeteilt. Die Leistungen<br />

der Dampfloks im Personenverkehr nahmen<br />

immer mehr ab, bis die Schienenbusse schließlich<br />

den Gesamtverkehr übernommen hatten.<br />

1955 kamen auch neue zweimotorige VT 98<br />

nach Simmern. Sie besaßen zusätzlich eine<br />

Steilstreckenausrüstung, die einen Einsatz neben<br />

der Hunsrückquerbahn auch auf der Steilstrecke<br />

Buchholz-Boppard ermöglichte. Die<br />

Simmerner Schienenbusse versahen den kompletten<br />

Personenverkehr bis zur Einstellung am<br />

30. Mai 1976. Für den Güterverkehr war die<br />

Strecke Simmern-Hermeskeil von weitaus<br />

größerer Bedeutung als für den Personenverkehr.<br />

Aufgrund der umfangreichen Waldbestände<br />

machte die Holzabfuhr jeweils den<br />

Löwenanteil am Güterverkehr aus. So verließen<br />

noch 1985 täglich bis zu 30 Waggons mit Langholz<br />

allein den Bahnhof Simmern. Auch die Getreidetransporte<br />

zum Lager beim Bahnhof<br />

Hirschfeld sorgten für entsprechendes Aufkommen.<br />

Der Flugplatz Hahn wurde über das<br />

in Büchenbeuren abzweigende Anschlussgleis<br />

fast komplett über die Schiene versorgt. Lange<br />

Kesselwagenzüge mit Treibstoff und Containerganzzüge<br />

mit Munition und sonstigem<br />

Material gehörten zum täglichen Bild. Die<br />

großen holzverarbeitenden Betriebe in Morbach<br />

und Hinzerath wurden über ihre Anschlussgleise<br />

ebenfalls fast täglich bedient.<br />

1962 hielten die ersten Dieselloks für den Ein-<br />

150<br />

satz auf der Hunsrückbahn im BW Simmern<br />

Einzug. Sechs fabrikneue V 100.10 konnten ab<br />

sofort eingesetzt werden. Zwei Dampfloks der<br />

BR 93 wurden noch sporadisch eingesetzt. Am<br />

14. Dezember 1964 wurde mit 93 637 die letzte<br />

Dampflok abgestellt. Neben den Streckendieselloks<br />

waren auch immer einige Kleinlokomotiven<br />

in Simmern stationiert. Als das BW Simmern<br />

am 31. Oktober 1982 endgültig geschlossen<br />

wurde, kamen die Lokomotiven für die<br />

Hunsrückbahn aus dem BW Kaiserslautern.<br />

Anfänglich hauptsächlich Loks der BR 212, in<br />

den neunziger Jahren überwiegend Fahrzeuge<br />

der BR 218. Für die schweren Militärzüge oft<br />

sogar in Doppeltraktion. Die Entwicklung des<br />

BW Hermeskeil am anderen Ende der Strecke<br />

verlief ähnlich wie die in Simmern. Auch in Hermeskeil<br />

gab es anfänglich nur eine kleine Lokstation<br />

mit zweiständigem Lokschuppen und<br />

kleiner 13 Meter Drehscheibe. Mit dem durch<br />

die Eröffnung der Hunsrückbahn gestiegenen<br />

Verkehrsaufkommen wurde der Schuppen auf<br />

sechs Gleise erweitert und die Drehscheibe<br />

durch eine Scheibe mit 16 Metern Durchmesser<br />

ersetzt. Das BW Hermeskeil erlangte nie die<br />

Bedeutung von Simmern. So waren in Friedenszeiten<br />

meist zwischen vier und sechs Lokomotiven<br />

hier stationiert. Zum Einsatz kamen<br />

Maschinen der Reihen 74, 57, 86 und 93. Oft<br />

übernachteten jedoch Maschinen aus Simmern<br />

oder anderen Betriebswerken in Hermeskeil.<br />

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, im Februar<br />

1945, wurden das BW und die Bahnhofsanlagen<br />

bei einem schweren Bombenangriff<br />

fast vollständig zerstört. Bei diesen Angriffen<br />

wurden auch fast alle Brücken der Hunsrückbahn<br />

beschädigt. Die BW-Anlagen wurden<br />

nach dem Krieg wieder nach und nach aufgebaut.<br />

Erst 1950 war die Bahnlinie wieder durchgängig<br />

befahrbar, nachdem alle Schäden beseitigt<br />

waren. 1956 wurde Hermeskeil als<br />

selbstständiges BW aufgelöst und als Außenstelle<br />

des BW Simmern geführt. Am 1. April<br />

1959 erfolgte die endgültige Auflösung des<br />

Bahnbetriebswerkes. Die letzten verbliebenen<br />

Maschinen der BR 86 wurden an das BW Mayen<br />

in der Eifel abgegeben. Ab Mitte der 80er<br />

Jahre wurde die Hunsrückquerbahn häufig von<br />

Sonderzügen befahren. Neben Dampfloks der<br />

Reihe 41 kamen der TEE-Triebzug BR 601,<br />

Dieselloks der BR V 200, verschiedene Schienenbustypen<br />

sowie Neubautriebwagen der BR


628 zum Einsatz. Planmäßiger Güterverkehr<br />

fand zuletzt nicht mehr statt. Nur noch bei Bedarf<br />

wurde von Simmern aus bis Morbach gefahren,<br />

der Abschnitt Morbach-Hermeskeil<br />

überhaupt nicht mehr bedient. Das verbliebene<br />

Simmerner Stellwerk wurde an diesen Tagen<br />

mit einem Fahrdienstleiter besetzt. Nachdem<br />

die Amerikaner den Flugplatz Hahn geräumt<br />

haben, ist auch die strategische Bedeutung der<br />

Strecke verloren gegangen. Somit fließen auch<br />

keine Bundesmittel mehr für den Erhalt der<br />

Strecke. Mitte der 90er Jahre schien die endgültige<br />

Stilllegung kurz bevorzustehen. Ab<br />

Sommer 1997 wurde die Strecke von Langenlonsheim<br />

nach Morbach jedoch einem privaten<br />

Betreiber (Bahngesellschaft Waldhof AG) verpachtet,<br />

der den Güterverkehr mit eigenen<br />

Fahrzeugen durchführt. Für diesen Zweck wurde<br />

von der Hohenzollerischen Landesbahn eine<br />

Maschine angemietet, die in Bad Kreuznach<br />

stationiert ist. Hier ist auch der Übergabepunkt<br />

an die Deutsche Bahn AG. Ein regelmäßiger<br />

Museumsbetrieb an Wochenenden durch die<br />

Eisenbahnfreunde Nahetal ist eingerichtet.<br />

Ein TEE auf dem Bahnhof Morbach<br />

Hierfür wurden bereits ein dreiteiliger Uerdinger-Schienenbus<br />

(ex Hersfelder Kreisbahn)<br />

und zwei MAN-Schienenbusse (ex WEG) beschafft,<br />

die in Stromberg stationiert sind.<br />

Zum 31. Dezember 1997 hat die Deutsche<br />

Bahn den Abschnitt Morbach-Hermeskeil stillgelegt.<br />

Auch die Strecke von Hermeskeil<br />

durchs Ruwertal nach Trier wurde zum gleichen<br />

Termin stillgelegt. Hunsrückrundfahrten<br />

sind somit nicht mehr möglich. Auf dem Abschnitt<br />

zwischen Morbach und Hermeskeil befinden<br />

sich die großen Viadukte, deren Unterhaltung<br />

der Bahn nur für den Sonderverkehr zu<br />

teuer war. Die Bahngesellschaft Waldhof AG,<br />

die auch an diesem Streckenabschnitt und an<br />

der Weiterführung nach Türkismühle Interesse<br />

hatte, konnte jedoch die notwendigen finanziellen<br />

Mittel zur Sanierung der Brücken nicht<br />

aus eigenen Mitteln bestreiten. Bei den letzten<br />

Fahrten zwischen Weihnachten und Neujahr<br />

1997 kam noch einmal eine V 100 mit grünen<br />

Umbauwagen zum Einsatz, dazu Schienenbusse<br />

und als Höhepunkt der neue Neigetechnikzug<br />

der Baureihe 611.<br />

151


Als der Förderverein Dorfentwicklung Berglicht<br />

e.V. Informationen über einen früheren Schieferbergbau<br />

in Berglicht fand, plante man den<br />

Ausbau der ehemaligen Schiefergrube, um interessierten<br />

Bürgern die Möglichkeit zu geben,<br />

sich ein Bild von der damaligen Bergmannsarbeit<br />

zu machen. Doch leider war dies nicht<br />

möglich, da heute über dem Stollenmundloch<br />

ein Weg verläuft und es aus Sicherheitsgründen<br />

zu gefährlich wäre, die Schiefergrube zu<br />

betreten. Bei den Nachforschungen war man<br />

im Bergamt in Koblenz auf alte Berichte gestoßen,<br />

die die Grubenbetreiber jährlich abliefern<br />

mussten. Da mich die ehemalige Schiefergrube<br />

neugierig gemacht hatte, recherchierte<br />

ich weiter und stieß auf interessante Informationen<br />

über die Entwicklung des Schieferbergbaus.<br />

Die Verwendung des Schiefers von der<br />

Römerzeit bis heute<br />

Die erste Verwendung fand der Schiefer bei<br />

den Römern, die ihn nutzten, um die Dächer ihrer<br />

Türme und Wehrgänge damit zu decken.<br />

Selbst heute sind die Bearbeitungstechniken,<br />

die die Römer damals anwendeten, noch gebräuchlich.<br />

Schon der römische Dichter Ausonius,<br />

der um 368 n. Chr. von Kaiser Valentin<br />

aus Bordeaux nach Trier gerufen wurde, beschreibt<br />

in seinem Gedicht »Mosella« die<br />

»schroffaufragenden Dächer« 1 Das römische<br />

Grabmal in Igel in der Nähe von Trier besitzt ein<br />

aus Sandstein nachgebildetes Schieferschuppendach.<br />

Funde weisen auf mögliche römische<br />

Schiefergruben bei Bundenbach hin. Über den<br />

Schieferbergbau nach der römischen Zeit bis<br />

zum 14. Jahrhundert sind keine Erkenntnisse<br />

vorhanden. Wehranlagen, bei denen Schiefer<br />

benutzt wurde, sind die einzigen Hinweise auf<br />

seine Verwendung. Erst ab dem Spätmittelalter<br />

zeugen zahlreiche Schieferbedachungen und<br />

viele Stadtrechnungen von der Nutzung des<br />

Schiefers. Im Jahre 1363 gab es in Trier bereits<br />

24 Schieferdecker, aber nur einen Strohdecker.<br />

Ab dem Jahr 1605 war der Schieferbergbau im<br />

152<br />

Schieferbergbau im Hunsrück<br />

Julia Mauell<br />

ganzen Land weit ausgedehnt und der Schiefer<br />

wurde ins gesamte Land geliefert. Im Zeitalter<br />

des Absolutismus (17./18. Jh.) wurden Fassaden<br />

von Burgen, Schlössern, Kirchen, Klöstern<br />

und vielen anderen Gebäuden mit Schiefer verkleidet,<br />

um die Macht und den Wohlstand der<br />

damaligen Herrscher zu zeigen.<br />

Schon 1520 verboten viele Landesherren das<br />

bis dahin übliche Strohdach. Schiefer- und<br />

Dachziegeldächer wurden Vorschrift. Bis ins<br />

19. Jahrhundert bewirkten diese Vorschriften<br />

im ländlichen Bereich jedoch wenig. Zwar kam<br />

es aufgrund des Feuerschutzes zu einer Verbreitung<br />

des Schieferdaches in der ländlichen<br />

Gegend, doch blieb die Stadt immer noch der<br />

Hauptabnehmer des Schiefers. Noch heute<br />

werden Prachtbauten in den Städten mit<br />

Schiefer gedeckt und geschmückt.<br />

Ab dem Industriezeitalter, also dem letzten<br />

Drittel des 18. Jahrhunderts, kam es zu einer<br />

Erweiterung der Dachschiefergewinnung. Der<br />

Dachschieferbergbau diente vielen Bauern im<br />

Winter als saisonaler Nebenerwerbszweig. Das<br />

Anwachsen der Bevölkerung und der Rückgang<br />

der Landwirtschaft förderten die Entwicklung<br />

des Schieferbergbaus ebenfalls.<br />

Die Gewinnung erfolgte schon damals fast ausschließlich<br />

unter Tage, da die senkrechte Aufrichtung<br />

der Schieferlager im Zuge der Gebirgsfaltung<br />

den Tagebau nur begrenzt ermöglichte.<br />

Über die bestehenden Wasserwege<br />

(Rhein und Mosel) wurde der Schiefer verfrachtet.<br />

Gerade als sich der Schieferbergbau in der<br />

ländlichen Region ausgebreitet hatte, führte die<br />

Wirtschaftskrise von 1846-1849 zum vollständigen<br />

Erliegen der Schieferindustrie.<br />

Durch die zusätzliche Konkurrenz von Dachziegeln<br />

ging die Nachfrage an Schiefer noch weiter<br />

zurück.<br />

Erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg<br />

und der Reichsgründung im Jahre 1870/71<br />

kam es zu einer erneuten Konjunktur im Schieferbergbau.<br />

Der in der Bevölkerung verbreitete<br />

nationale Stolz führte dazu, dass man wieder


vermehrt Schiefer, nach altdeutscher Manier,<br />

zur Dachdeckung verwendete. Zeitgleich mit<br />

dem Aufschwung des Schieferbergbaus verlief<br />

auch der Aufschwung in Technik, Wirtschaft<br />

und Wissenschaft. Die Eisenbahn bot sich als<br />

neues schnelles Transportmittel für den Schiefer<br />

an. Die Technik, die in den Gruben zum Abbau<br />

angewandt wurde, durchlief einige Verbesserungen.<br />

Man trieb nicht mehr wahllos in den<br />

Stollen hinein, sondern ging dabei systematisch<br />

vor. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte<br />

der Übergang vom Tagebau zum Untertagebau.<br />

Der Transport geschah seitdem mit<br />

Dampfmaschinen. Nach 1900 wurde der<br />

druckluftbetriebene Abbauhammer im Tiefbau<br />

eingesetzt.<br />

Da die Transportwege für den Schiefer nicht<br />

immer günstig waren, blieb der Schieferbergbau<br />

oftmals hinter den anderen Wirtschaftszweigen<br />

zurück.<br />

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise und der damit<br />

verbundenen Inflation setzten viele Betriebe ihre<br />

Produktion zurück oder stellten sie ganz ein.<br />

Durch die Kriegspolitik der Nationalsozialisten<br />

fand der Schiefer noch Einsatzmöglichkeiten<br />

beim Kasernenbau. Wie bereits während des<br />

Ersten Weltkrieges, war wiederum das Militär<br />

der Hauptabnehmer von Schiefer. Der Beginn<br />

des Zweiten Weltkrieges führte zu starken Einschränkungen<br />

im Schieferbergbau, 1943 kam<br />

er fast ganz zum Erliegen.<br />

Nach Kriegsende wurde Schiefer verwendet,<br />

um die Kriegszerstörungen wieder zu reparieren.<br />

Seit dieser Zeit dominieren bereits die<br />

Großbetriebe. Kleinbetriebe konnten sich nur<br />

für kurze Zeit über Wasser halten. Nach 1958<br />

wurde die größte Zahl der Kleinbetriebe geschlossen,<br />

aber auch einige Großbetriebe<br />

mussten die Produktion einstellen. Der niedrige<br />

Ölpreis der 60er Jahre brachte den Kunststoffschieferprodukten<br />

einen großen Marktvorteil,<br />

so dass der natürliche Dachschiefer von synthetischen<br />

Dachdeckungsprodukten verdrängt<br />

wurde.<br />

Weiterhin bot das Wirtschaftswunder der jungen<br />

Generation neue Arbeitsplätze, die wesentlich<br />

reizvoller als die des Schieferbergbaus<br />

waren. Ein Großteil der Arbeiter wanderte in andere<br />

Wirtschaftszweige ab. Nach 1970 waren<br />

nur noch zwei Schieferbetriebe in Mayen, eine<br />

Grube am Rhein und zwei Gruben im Hunsrück<br />

in Betrieb. Man verarbeitete in ihnen allerdings<br />

oftmals auch Rohmaterial aus Spanien und<br />

Portugal.<br />

Die Ölkrise von 1973 ließ die Preise der synthetischen<br />

Dachdeckungsprodukte ansteigen. In<br />

der Bevölkerung suchte man nach anderen<br />

Wärmeisolationsmitteln. Da die Isolationseigenschaften<br />

des Schiefers sehr hoch sind,<br />

stieg seine Nachfrage wieder. Man verarbeitete<br />

allerdings keine Inlandprodukte, sondern importierte<br />

den billigeren Schiefer aus Spanien<br />

und Portugal. Zwar nahmen in Deutschland danach<br />

wieder einige Betriebe die Produktion auf,<br />

doch ist mit einer Verbesserung der Schieferbergbausituation<br />

kaum mehr zu rechnen. 2<br />

»Schiefer«, ein bedeutender Rohstoff<br />

in unserer Region<br />

Gerade in unserer Region ist Schiefer ein Material,<br />

das fast jeder kennt. Bis in die 50er Jahre<br />

gehörte der Schieferbergbau noch zu den bedeutendsten<br />

Wirtschaftszweigen des Hunsrücks.<br />

Im 19. Jahrhundert stellte er einen günstigen<br />

Nebenerwerb zur kaum Ertrag bringenden<br />

Landwirtschaft dar und war für den Großteil der<br />

ländlichen Bevölkerung eine zusätzliche Einnahmequelle.<br />

Auch im Bauwesen kam man zur<br />

Nutzung des Schiefers als Mauergestein, da<br />

die Lehmvorkommen in der Region nicht ausreichten.<br />

In der Dach- und Wanddeckung findet<br />

der Schiefer noch heute aufgrund seiner<br />

hohen Verwitterungsbeständigkeit viele Einsatzmöglichkeiten.<br />

3<br />

Der Hunsrückschiefer setzt sich aus tonigen<br />

und sandigen Schichten zusammen und hat eine<br />

graue bis schwarzblaue Färbung.<br />

Der Schieferabbau erfolgte weitestgehend<br />

durch Handarbeit und war daher sehr mühselig<br />

und gefährlich. Der beim Abbau entstehende<br />

Schieferstaub, der oftmals chronische Lungenentzündungen<br />

verursachte, erschwerte die Arbeit<br />

zusätzlich. Im Schieferbergbau wurden nur<br />

unzureichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen.<br />

Daher ist es nicht verwunderlich, dass<br />

die Krankheits- und Sterberate der Bergbauarbeiter<br />

relativ hoch lag.<br />

Abbauverfahren und<br />

Gewinnungsmethoden<br />

Die einzelnen Arbeitsschritte bei der eigentli-<br />

153


chen Gewinnung sind zum größten Teil nicht<br />

mechanisierbar, sondern nur von der geschulten<br />

Handwerkerhand durchführbar.<br />

Die Verarbeitung des Rohschiefers erfolgt in<br />

mehreren Arbeitsschritten. Im Großen und<br />

Ganzen kann man fünf Arbeitsschritte: Gewinnung,<br />

Förderung, Reißen, Köpfen, Spalten<br />

und letztendlich das Zurichten unterscheiden.<br />

Weiterhin gibt es zwei grundverschiedene Gewinnungsprinzipien:<br />

den Firstenkammerbau<br />

und den Strossenkammerbau.<br />

Beim Firstenkammerbau, auch als »schwebendes<br />

Abbauverfahren« bezeichnet, erfolgt nach<br />

dem abgeschlossenen Sohlenabbau die Erweiterung<br />

des Stollens in die Höhe. Man baut den<br />

Schiefer fortan im Gewölbe ab.<br />

Im Gegensatz dazu wird beim Strossenkammerbau,<br />

auch »fallendes Abbauverfahren« genannt,<br />

der Schieferabbauraum in die Tiefe erweitert.<br />

Da bei dieser Kammerherstellung kein<br />

Versatz eingebracht werden kann, wird die Abbaumethode<br />

eigentlich seltener angewandt.<br />

Schiefer wurde ursprünglich nur im Tagebau<br />

gewonnen. Vermutlich stieß man auf der Suche<br />

nach Haus- und Mauerbaumaterial auf Lagerstätten<br />

von leicht »dünnspaltbarem« Schiefer. 4<br />

Der Tagebau wurde immer tiefer in den Berg<br />

hineingetrieben. Als man entdeckte, dass die<br />

tieferliegenden Schieferschichten eine höhere<br />

Qualität als der über Tage gewonnene Schiefer<br />

aufwiesen, begann man mit dem Untertagebau.<br />

Durch sogenannte Suchstollen versuchte man<br />

auf geeignete Schieferlager zu stoßen. Man<br />

trieb den Stollen täglich etwa 30 - 40 cm in den<br />

Berg hinein. Die Arbeit war sehr anstrengend<br />

und mühselig, da in einem solchen sehr eng<br />

angelegten Stollen nur eine Arbeitskraft ihrer<br />

Arbeit nachkommen konnte. Mit Körben und<br />

Schlitten entfernte man den Abraum aus dem<br />

Stollen und lagerte ihn auf Halden vor den Stollen<br />

ab. Stellte sich die Suchstollenanlegung als<br />

erfolgreich heraus, so wurde der Stollen erweitert<br />

und der eigentliche Schieferabbau begann.<br />

Als erster Arbeitsschritt erfolgte das »Schrämen«,<br />

d. h. mit einem Schrämhammer wurden<br />

in die Schieferwand etwa 50 cm tiefe Schrämschlitze<br />

gehauen. Mit Pickel, Keil und Brechstange<br />

wurde der Schieferblock von der Wand<br />

abgetrennt. Falls man mit dieser Methode keinen<br />

Erfolg hatte, setzte man zum Lösen des<br />

Schiefers Schwarzpulver ein.<br />

154<br />

War der Sohlenabbau völlig ausgeschöpft, so<br />

erweiterte man den Stollen in die Höhe oder<br />

Tiefe. In unserer Region wurde der »Firstenabbau«<br />

angewandt, der im gesamten rheinischen<br />

Gebiet weit verbreitet war. Der Stollen wurde<br />

systematisch First für First abgeräumt. Dabei<br />

kam es zur Entstehung von Abbaukammern, in<br />

denen sich das taube Gestein als Versatz ansammelte.<br />

Der beim Abbau gewonnene Schieferblock<br />

wurde mit Meißeln, Keilen und Hämmern für die<br />

Förderung in kleinere »Köpfe« zerlegt. Mit<br />

Pickel und Säge wurden abermals Sollbruchstellen<br />

und »Schrämschlitze« angebracht. An<br />

ihnen wurde der Schiefer mit einem gezielten<br />

Hammerschlag oder durch das Einschlagen<br />

von »Köpfkeilen« in möglichst große, aber dennoch<br />

transportfähige »Köpfe« zerteilt. Nach der<br />

Aufspaltung des Schiefers erfolgte die Schieferförderung.<br />

Zuerst bestand nur die Möglichkeit,<br />

den schweren Schiefer »herauszubuckeln«,<br />

d. h. auf dem Rücken aus der Abbaukammer<br />

ins Freie zu tragen. Jene Arbeitsmethode<br />

wurde jedoch aus Gesundheitsgründen<br />

von der Bergbaubehörde verboten. Als weitere<br />

Transportmöglichkeit boten sich Schlitten, die<br />

mit Seilen an die Oberfläche gezogen wurden,<br />

oder Schubkarren, die auf hölzernen Bahnen<br />

gezogen wurden, an. Später folgte dann der<br />

Transport des Schiefers mit Loren, die auf ausgelegten<br />

Schienen mit Menschenkraft geschoben<br />

wurden. Zu manchen Stellen im Stollen<br />

konnte man jedoch nicht mit der Lore gelangen,<br />

so dass das »Buckeln« doch noch notwendig<br />

war. Je größer die einzelnen Abbaukammern<br />

wurden, desto mehr Versatz fiel auch<br />

in den Gruben an. Mit Trockenmauerung mussten<br />

die Schächte geschützt werden, damit kein<br />

Abraum auf die Förderstrecke gelangen und<br />

die Förderung blockieren konnte.<br />

Wenn die Lore gegen einen leichten Anstieg<br />

geschoben werden musste, so setzte man einoder<br />

zweimännige Haspeln ein, die sie an Ketten<br />

und Drahtseilen hochzogen.<br />

Über Tage wurden die Loren direkt in die<br />

Spalthäuser gerollt, da Schiefer immer »bergfeucht«<br />

verarbeitet werden muss. Bei einer<br />

Austrocknung des Schiefers kommt es zu Änderungen<br />

der technischen und physikalischen<br />

Eigenschaften des Schiefers und er verliert an<br />

Elastizität und Spaltbarkeit, kann also somit<br />

nicht mehr zu den gewünschten dünnen Schie-


Die Dachschiefer-Produktionsgebiete im rheinischen Schiefergebirge, aus: Fossilien in Hunsrückschiefer-Dokumente<br />

des Meereslebens im Devon (Karte nach Bartels 1986 ergänzt und verändert).<br />

ferplatten weiterverarbeitet werden. In den<br />

Spalthäusern wurde der Schiefer erstmals in<br />

die etwaige Größe der gewünschten Schieferplatten<br />

gebracht. Sollbruchstellen wurden<br />

senkrecht zur Schieferungsebene angebracht,<br />

und mit einem gezielten Hammerschlag wurde<br />

der Schieferblock in die richtige Größe gehauen.<br />

Diese zerteilten Schieferblöcke gingen weiter<br />

zum Schieferspalter, dessen Arbeitsmethode<br />

eine Jahrhunderte lange Tradition besitzt<br />

und noch heute angewendet wird. Auf einem<br />

Schemel hockend, den Schieferblock zwischen<br />

den Beinen geklemmt, wurde das Spalteisen<br />

in den Schiefer hineingetrieben und mit<br />

einem Hammer in etwa 4 - 6 mm dicke Platten<br />

zerteilt. Später setzte man ein pressluftbetriebenes<br />

Spalteisen ein.<br />

Für die entstandenen Rohschuppen wurden<br />

dann, meistens von Kindern, Schablonen an-<br />

gefertigt, die die richtige Größe für die Schieferplatten<br />

besaßen, und mit Reißnägeln die<br />

endgültige Form auf die Schieferplatten nachgezeichnet.<br />

Die vorgezeichneten Platten<br />

»schnitt« der Zurichter auf der Haubrücke mit<br />

Hammer und Hebelschere in die richtige Form.<br />

Die fertigen Schieferplatten wurden senkrecht<br />

aufgereiht und später per laufendem »Reis«<br />

oder per Gewicht verkauft. Gerade für große<br />

Schieferplattenformate und dünne Schieferplatten<br />

konnte man einen guten Preis erzielen,<br />

da diese Formate eine schnelle und ergiebige<br />

Dachdeckung ermöglichten. 5<br />

Bergbauregeln und Bergbaugesetze<br />

Der Hunsrück war im Verlauf seiner Geschichte<br />

im Besitz vieler verschiedener Großmächte. Bis<br />

zum Jahre 1792 gehörte der Hunsrück zum<br />

Kurfürstentum Trier. Gerade die rechtlichen<br />

155


Bestimmungen und Verordnungen hatten<br />

großen Einfluss auf seine wirtschaftliche Entwicklung<br />

und auch auf die Lebensbedingungen<br />

der hier ansässigen Bevölkerung.<br />

In der Goldenen Bulle von 1356 wurde eindeutig<br />

festgelegt, dass der Dachschiefer nicht zu<br />

den Mineralien zählt, die dem Landesherrn vorbehalten<br />

sind. Ebenso wenig wird er im kurtrierischen<br />

Bergrecht des 22. Juli 1564 zu den Regalien<br />

gezählt. Im kurtrierischen Landesrecht<br />

vom 22. April 1713 wird erklärt, dass der Dachschiefer<br />

dem Grundeigentümer vorbehalten<br />

sei. Allerdings hielten sich viele der Kurfürsten<br />

nicht an das geltende Recht. Der Trierer Kurfürst<br />

übte wider die Verordnungen ein Dachschieferregal<br />

aus. Die gesamte Bevölkerung<br />

hatte an die kurfürstliche Finanz- und Güterverwaltung<br />

den sogenannten »zehnten Teil« zu<br />

entrichten.<br />

Wenig später wurde im gesamten Kurfürstentum<br />

die »Verordnung Leyenbrüchebearbeitung«<br />

festgelegt. Dadurch erhielt jeder Bürger<br />

das Recht, Brüche zu bauen bzw. alte Brüche<br />

aufzuräumen.<br />

Es gab Bestimmungen über die zugelassene<br />

Feldgröße einer Grube. Sie durfte die Größe<br />

von 180 x 180 Fuß (das entspricht etwa einer<br />

Größe von 60 x 60 Metern; ein Fuß hat etwa die<br />

Länge von 33,28 cm) nicht überschreiten.<br />

Als Betreiber einer Schiefergrube war man verpflichtet,<br />

sein Vorhaben der zuständigen Kellnerei<br />

zu melden, die dann das kurfürstliche<br />

Oberbergamt informierte. Die Belehnung der<br />

Grube war an keinen bestimmten Zeitraum gebunden,<br />

sie blieb von einer Generation zur<br />

nächsten in Familienbesitz.<br />

Als 1792 die Landübernahme durch die Franzosen<br />

erfolgte, wurde das damals geltende Gesetz<br />

von den französischen Verordnungen ersetzt.<br />

Die Abgabe des »zehnten Teils« wurde<br />

abgeschafft und das französische Bergrecht<br />

vom 18. Juli 1791 trat in Kraft. Am 21. April<br />

1810 erschien eine neue Fassung des Gesetzes,<br />

in dem geschrieben stand, dass der Bergbau<br />

nicht dem Staat unterstehe, sondern ganz<br />

dem Grundbesitzer überlassen sei. Schieferbergbau<br />

wurde abermals zum Grundeigentümerbergbau.<br />

In § 81 der Gesetzgebung von<br />

1810 wurde eine sicherheitstechnische Überwachung<br />

der Tagebauschiefergruben durch<br />

die Ortspolizeibehörden festgelegt. In § 82 der<br />

gleichen Gesetzesschrift wurde angeordnet,<br />

156<br />

dass eine Überwachung der Untertagegruben<br />

durch die Bergbehörden als Bergpolizeibehörde<br />

erfolgen müsse.<br />

Bis heute hat sich an dem Prinzip des Grundeigentums<br />

an Schiefergruben nichts verändert.<br />

Selbst als Preußen das linke Rheingebiet übernahm,<br />

blieben die bis dahin geltenden französischen<br />

Bestimmungen rechtskräftig. Der Schutz<br />

des Bergbaugewerbes vor Staatseingriffen förderte<br />

die wirtschaftliche Entwicklung des<br />

Schiefers in vorteilhafter Weise, so dass er an<br />

Bedeutung gewann.<br />

Zahlreiche Unfälle führten zum Erlass von neuen<br />

Gesetzgebungen: am 16. September 1824<br />

erließ man das »Bergpolizei-Reglement für die<br />

Dachschieferbrüche«, am 6. Dezember 1825<br />

folgte eine weitere Verfügung, die das regelmäßige<br />

Einreichen von Produktionsübersichten<br />

forderte. Am 19. November 1833 kam es zu<br />

ersten gesetzlichen Regelungen in Sicherheitsfragen.<br />

Bei der Sprengarbeit wurde das Benutzen<br />

von eisernen Nadeln untersagt, da es beim<br />

Herausziehen des Werkzeuges manchmal zur<br />

frühzeitigen Entzündung des Schwarzpulvers<br />

kam. Zum Einbringen des Schwarzpulvers in<br />

die Bohrlöcher durften nur noch kupferne Nadeln<br />

verwendet werden.<br />

Das französische Bergrecht verlor am 24. Juni<br />

1865 seine Rechtskraft. Es wurde durch das<br />

preußische allgemeine Bergrecht ersetzt.<br />

Es folgten noch einige Gesetzgebungen, die<br />

die Bergpolizeiverordnung von 1871 novellierten<br />

und dem aktuellen technischen Entwicklungsstandard<br />

anpassten. Die letzte die Regeln<br />

des Bergbaus ändernde Gesetzgebung erfolgte<br />

am 7. Juli 1902. Die Novelle zum preußischen<br />

allgemeinen Bergrecht ermöglichte es<br />

den Grubenbesitzern, das sogenannte Hilfsbaurecht<br />

und ein beschränktes Enteignungsrecht<br />

in Anspruch zu nehmen. Im Klartext bedeutete<br />

dies, dass ein Grubenbesitzer ohne<br />

Landbesitz, der Hilfsbauten (zur Wasserhaltung<br />

oder zur Bewetterung) benötigte, das<br />

Recht hatte, die Grundstücke fremder Eigentümer<br />

zu unterfahren und wenn es sich nicht vermeiden<br />

ließ, durchaus auch die Oberfläche des<br />

fremden Grundstücks zu benutzen. 6<br />

Der Schieferbergbau in Berglicht<br />

Die Schiefergrube Kröschelfeld<br />

Die Schiefergrube besteht aus einem oberen


und unteren Stollen. Der obere Stollen besitzt<br />

eine Länge von 45 m und besteht aus zwei Abbaukammern.<br />

Die erste Abbaukammer aus<br />

dem Jahre 1898 ist 1 m tief und 9 m hoch,<br />

während die zweite Abbaukammer des Jahres<br />

1900 eine Tiefe von 4 m erreicht und 2,5 m<br />

hoch ist.<br />

Im Vergleich zu dem etwa 12,5 m unterhalb liegenden<br />

unteren Stollen ist der obere Stollen<br />

nur sehr klein. Der untere Stollen besitzt eine<br />

Gesamtlänge (ohne den Querschlag von ca. 30<br />

m) von etwa 117,5 m. Wie man aus der Lagekarte<br />

von 1906 ersehen kann, begann man bereits<br />

1884 mit dem Vorantrieb des Stollens in<br />

den Berg. Nach etwa 40 m knickt der eigentliche<br />

Hauptstollen nach links ab, da ein direkter<br />

Eintrieb in den Berg hinein durch Wasserzulauf<br />

nicht möglich war. Doch bereits nach ungefähr<br />

7,5 m konnte der Stollen wieder geradlinig in<br />

den Berg hineingetrieben werden. 1886 kam es<br />

zum Anlegen einer ersten Abbaukammer, die<br />

eine Tiefe von 6 m besaß. Zum Erschließen einer<br />

weiteren Abbaukammer kam es im Jahr<br />

1887. Anfangs wurde die Abbaukammer um<br />

2,5 m in die Höhe erweitert, doch schon nach<br />

kurzer Zeit ging man abermals zum Tiefbau<br />

über und erreichte hierbei eine Abbautiefe von<br />

etwa 8 m. Eine weitere 3 m hohe und 2 m tiefe<br />

Abbaukammer wurde im Jahr 1888 abgeteuft.<br />

Zwischen 1889 und 1894 legte man eine Abbaukammer<br />

in einer Höhe von 3 m an. Im Jahr<br />

1895 stieß man dann auf eines der beiden<br />

größten Schieferlager des Berges und baute<br />

den Schiefer hier in einer Abbaukammer mit einer<br />

Höhe von 1,2 m und einer Tiefe von 6,5 m<br />

ab. Zu dem zweiten großen Schieferlager kam<br />

man kurz darauf im Jahr 1898. Die Abbaukammer<br />

erreichte hier eine Höhe von etwa 5,8 m<br />

und eine Tiefe von 1,2 m. In den beiden letztgenannten<br />

Abbaukammern fand man auch<br />

gleichzeitig den hochwertigsten Schiefer der<br />

gesamten Schiefergrube. Bei dem anfänglich<br />

gewonnenen Schiefer handelte es sich oftmals<br />

um qualitativ minderwertigeren gelblichen<br />

Schiefer. Der letzte Eintrag auf der Lagekarte<br />

stammt von 1900, in diesem Jahr fand man in<br />

der Nähe der Knickstelle des Hauptstollens ein<br />

weiteres Schieferlager, das man in einer Abbaukammer,<br />

die eine Tiefe von 6 m besaß, abbaute.<br />

Genauere Angaben über die Grubentätigkeit<br />

gibt es erst seit 1904. Dies kommt daher, dass<br />

zu jener Zeit das Saarländische Bergamt das<br />

hiesige Land komplett pachtete, um es nach<br />

Erdschätzen zu durchforsten. Da sich das Gebiet<br />

»Kröschelfeld« jedoch bereits seit vielen<br />

Jahren im Besitz der Familie Ludes aus Berglicht<br />

befand, konnte es hier keine Suche beginnen.<br />

Stattdessen musste der Familienbetrieb<br />

ständig Berichte über seine Abbautätigkeit in<br />

der Schiefergrube an das Bergamt senden.<br />

Aus diesen Berichten, die im Archiv in Koblenz<br />

aufbewahrt wurden, geht hervor, dass man in<br />

diesem Jahr abermals 30 m in den Berg hineingetrieben<br />

war, man jedoch bereits nach 20 m<br />

auf etwa sechs Meter tiefen Mutterboden traf.<br />

Im darauf folgenden Jahr ruhte der Betrieb gegen<br />

Ende August, da der Boden des Stollens<br />

unter Wasser stand und ein Vorantrieb nicht<br />

möglich war. Man wollte zwar das Wasser mit<br />

Hilfe von Pumpen aus dem Stollen entfernen,<br />

doch da zu jener Zeit die finanziellen Mittel<br />

nicht ausreichten, konnte man dies nicht tun.<br />

Im Jahr 1908 war man bereits 70 m vom Stollenmundloch<br />

entfernt. An dieser Stelle bog der<br />

Stollen nach Südosten ab und fuhr nach Nordosten<br />

weiter. Nur sechs Meter von dieser Abzweigung<br />

entfernt begann man mit dem Abbau<br />

einer Kammer von sieben Metern, in der man<br />

insgesamt ungefähr zehn Kubikmeter Schiefer<br />

abtrug. Der Abbauraum wurde mit fünf Schieferpfeilern<br />

gestützt. Noch im gleichen Jahr begann<br />

man mit dem Anlegen von zwei weiteren<br />

Abbaukammern. Die Ausbeute des Jahres<br />

1908 betrug 368 (345) m 3 , für die man einen Betrag<br />

von 1 383 (1314) Mark erzielen konnte, der<br />

Schiefer kostete also pro m 3 etwa 3,80 Mark.<br />

1910 verließ man die Stollensohle und begann<br />

mit dem Abbau von zwei Kammern. Diese wollte<br />

man bis zum kommenden Frühjahr komplett<br />

abgeteuft haben. Man baute in diesem Jahr<br />

rund 465 m 3 ab, für die man 1 822 Mark erhielt<br />

(Preis pro m 3 : etwa 3,90 Mark). Im darauf folgenden<br />

Jahr war der Stollen größtenteils außer<br />

Betrieb. Der Eigentümer spielte sogar mit dem<br />

Gedanken, die Schiefergrube zu verkaufen.<br />

1914 war die Ausbeute wesentlich geringer.<br />

Man baute lediglich 240 m 3 Schiefer ab. Grund<br />

für diese geringe Menge war der eingetretene<br />

Erste Weltkrieg. Seit der Mobilmachung ruhte<br />

der Betrieb, da die Betreiber der Grube in den<br />

Krieg ziehen mussten.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Abbautätigkeit<br />

der Grube wieder aufgenommen.<br />

157


Zu Beginn des Jahres 1919 wurde sie nur zeitweise<br />

betrieben. Ihre Tätigkeit richtete sich<br />

nach dem Bedarf an Schiefer. Mitte Mai wurde<br />

der Betrieb wieder vollständig aufgenommen,<br />

doch schon im September des gleichen Jahres<br />

wurde er erneut eingestellt. Man gewann in diesem<br />

Jahr etwa 339 m 3 Schiefer und erhielt<br />

dafür 1 860 Mark. Aufgrund des hohen Bedarfs<br />

an Schiefer durch die Kriegszerstörungen stieg<br />

der Preis rasch in die Höhe (Ein Quadratmeter<br />

Schiefer kostete 5,48 Mark). Seit Mitte Dezember<br />

des Jahres 1921 wurde dann abermals<br />

Dachschiefer gefördert. Die Grube wurde von<br />

vier Brüdern betrieben, die den Schiefer erneut<br />

abbauten, um das Dach des Hauses ihrer<br />

Schwester zu decken, welches zuvor durch einen<br />

Brand zerstört worden war. Allerdings wurde<br />

die Grube nur saisonal betrieben, da im<br />

Sommer die anfallenden Arbeiten in der Landwirtschaft<br />

erledigt werden mussten. Mitte März<br />

des Jahres 1922 verlangte das Bergamt Koblenz<br />

die Anschaffung einer Sprengkiste, da<br />

größere Mengen Schwarzpulver im Stollen sicher<br />

gelagert werden mussten. Doch da die<br />

Sprengtätigkeiten der Grube Kröschelfeld den<br />

festgelegten Rahmen nicht überschritten, wurde<br />

der Antrag zurückgezogen. Das benötigte<br />

Schwarzpulver konnte jederzeit im nahe gelegenen<br />

Nachbarort Thalfang erworben werden.<br />

Im April des gleichen Jahres erging die Forderung<br />

zum Erstellen eines neuen aktualisierten<br />

Grubenbildes durch das Bergamt Koblenz. Eine<br />

Neuerstellung war jedoch nicht möglich, da<br />

der Hauptstollen der Schiefergrube eingestürzt<br />

war. Da die Betreiber der Grube schwere<br />

Kriegsverletzungen erlitten hatten und dadurch<br />

größtenteils arbeitsunfähig waren und die finanziellen<br />

Mittel nicht ausreichten, um andere<br />

Arbeitskräfte einzustellen, konnte eine Freiräumung<br />

des Stollens nicht erfolgen.<br />

Weitere schriftliche Belege über die Entwicklung<br />

des Betriebes fehlen. Der Sohn des ehemaligen<br />

Grubenbesitzers, Alois Ludes, erinnert<br />

sich, dass die Grube nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

abermals in Betrieb genommen wurde<br />

und die gesamte Umgebung mit Schiefer versorgen<br />

konnte. Doch mit zunehmendem Abbau<br />

stieg der Abraum und stellte ein Lagerungsproblem<br />

dar. Zwar sollte dieser genutzt werden,<br />

um zu Ziersteinen verarbeitet zu werden, doch<br />

durch unglückliche Umstände konnte der Plan<br />

nicht realisiert werden. Deshalb kam es kurz<br />

158<br />

darauf zum Erliegen des Schiefervertriebs. Als<br />

letzte Zeugen der Schiefergrube Kröschelfeld<br />

sind noch die Lagekarte von 1906 sowie eine<br />

»Verordnung zur ersten Hilfe bei Unfällen« in<br />

Besitz der Familie Ludes erhalten.<br />

Die Schiefergrube Berensrech<br />

Über die Abbautätigkeiten der Schiefergrube<br />

Berensrech sind nur wenige schriftliche Belege<br />

erhalten. Seit Mitte des Jahres 1911 wurde die<br />

Schiefergrube von den Gebrüdern Bier aus<br />

Berglicht betrieben. Josef Bier war zu der Zeit<br />

der Aufseher der Grube. Im Jahre 1911 wurden<br />

120 m 3 Schiefer abgebaut, für die ein Preis von<br />

480 Mark erzielt werden konnte (1 m 3 Schiefer<br />

kostete 4 Mark). Im darauf folgenden Jahr wurde<br />

wesentlich weniger Schiefer abgebaut.<br />

Größtenteils handelte es sich bei dem gewonnenen<br />

Schiefer nur um den wertloseren gelblichen<br />

Schiefer, der als Schiefer- und Mauerstein<br />

verwendet wurde. Die Ausbeute des Jahres<br />

1912 betrug lediglich 20 m 3 , die 100 Mark<br />

brachten. Im Jahre 1913 wurden insgesamt<br />

183 m 3 Schiefer gefördert, die einen Ertrag von<br />

604 Mark brachten. Während des Ersten Weltkriegs<br />

war der Stollen außer Betrieb, da die Betreiber<br />

der Schiefergrube zum Kriegsdienst eingezogen<br />

wurden. Ebenso wie für die Schiefergrube<br />

Kröschelfeld wurde auch für die Schiefergrube<br />

Berensrech die Abnahme eines sicheren<br />

Sprengstofflagerraumes gefordert. Im Jahre<br />

1919 kam es erneut zu einer Befahrung des<br />

Stollens, bei der nur einige wenige Stollen vorangetrieben<br />

wurden. 1925 kam es nochmals<br />

kurzzeitig zu einigen Arbeiten über Tage, doch<br />

letztendlich wurde der Schieferbergbau eingestellt.<br />

Anmerkungen<br />

1 Nach der Übersetzung von M. W. Besser (Marburg 1908) zitiert, S.<br />

9.<br />

2 Bartels, Christoph und Brassel, Günther: Fossilien im Hunsrückschiefer<br />

– Dokumente des Meereslebens im Devon; Idar-Oberstein;<br />

Band 7, 1990 (1. Auflage), S. 12 - 21.<br />

3 Bartels, Christoph: Schieferdörfer – Dachschieferbergbau im<br />

Linksrheingebiet vom Ende des Feudalzeitalters bis zur Weltwirtschaftskrise<br />

(1790-1929); Reihe Geschichtswissenschaften, Band<br />

7; Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft, 1986, S. 10 - 17<br />

4 Hoppen, Ewald A. und Dr. Wagner, Wolfgang: Forschungen zur<br />

Modernisierung des Schieferbergbaus – AuT-Forschungsvorhaben;<br />

Heft 73 der GDMB Gesellschaft Deutscher Metallhütten und<br />

Bergleute, S. 38<br />

5 Schweicher, Theophil: Stein und Wein – Dachschieferbergbau in<br />

Fell, herausgegeben 1995 vom Förderverein Besucherbergwerk<br />

Fell e.V., S. 12 - 24.<br />

6 Bartels (wie Anm. 3), S. 28 - 35.


»Gedachte« Aussichtstürme für<br />

den Erbeskopf<br />

Eine erste Idee und ein früher Plan<br />

Vom 26. bis 28 Juni 1852 weilte König Friedrich<br />

Wilhelm IV. von Preußen zu einem Besuch im<br />

Regierungsbezirk Trier. Sein Besuch bescherte<br />

manchem Beamten der Königlichen Regierung<br />

in Trier, besonders aber dem Regierungspräsidenten<br />

Sebaldt unruhige und anstrengende<br />

Tage. Er stand zu dieser Zeit gerade drei Jahre<br />

im Amt. 1 Dennoch war er mit den Verhältnissen<br />

in seinem Verwaltungsbezirk gut vertraut, weil<br />

er bis zu seiner Ernennung der Königlichen Regierung<br />

in Trier bereits mehrere Jahre als Regierungsrat<br />

angehörte.<br />

Diesen mit dem Besuch verbundenen Mühen<br />

stand - dem Geist der Zeit gemäß -, quasi als<br />

Lohn, ein außergewöhnliches, seltenes Ereignis<br />

gegenüber: Die Begegnung mit dem regierenden<br />

Monarchen und - nicht minder bedeutsam<br />

- mit den die Königliche Majestät begleitenden<br />

Ministern. Sie konnte für die weitere<br />

Laufbahn durchaus hilfreich und eine tragfähige<br />

Sprosse auf der Karriereleiter sein.<br />

Dem Regierungspräsidenten Sebaldt schien es<br />

nach dem Besuch ratsam, den bei dem »Allerhöchsten«<br />

Besucher hinterlassenen vermeintlich<br />

günstigen Eindruck nicht nur wachzuhalten,<br />

sondern, einem Nachhall gleich, noch zu<br />

verstärken. Das lässt ein Bericht vermuten, den<br />

Sebaldt bereits am 30. Juni 1852 dem »Königlichen<br />

Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Herrn<br />

von Kleist-Retzow Hochwohlgeboren in Coblenz«<br />

mit einer wortreich verpackten Idee zuleiten<br />

ließ. 2<br />

Er schrieb: »Bei dieser Gelegenheit erlaube ich<br />

mir, Ew. Hochwohlgeboren eine Idee zur geneigten<br />

Würdigung zu unterbreiten, welche mir<br />

viele entsprechende Seiten zu haben scheint.<br />

Der Eindruck, welchen die Anwesenheit und<br />

die herz gewinnende Huld Sr Majestät<br />

des Königs auf die Einwohner des hiesigen Bezirks<br />

gemacht hat, ist ein fühlbar tiefer, und,<br />

nach meiner, auf genauer Kenntniß der hiesi-<br />

Norbert Leduc<br />

gen Verhältniße gebauten Auffaßung, von den<br />

wohlthätigsten und gedeihlichsten Folgen für<br />

die Zukunft. Ich wünschte für diesen Eindruck<br />

ein dauerndes Erinnerungszeichen und sähe es<br />

gern, wenn dasselbe in folgender Weise realisirt<br />

würde.<br />

Der höchste Punkt des Hochwaldes zwischen<br />

Thalfang und Allenbach (der sogenannte Erbsenkopf<br />

= 2500‘ 3 über der Meeresfläche)<br />

ist zugleich der höchste Punkt der Rheinprovinz,<br />

und würde, wenn auf der Spitze etwas gelichtet,<br />

resp mit einer Warte ausgestattet<br />

wäre, eine der ausgedehntesten Fernund<br />

Rundsichten Deutschlands darbieten, vielleicht<br />

nur von dem Brocken übertroffen. [Der<br />

genannte Punkt trug in französischer Zeit ein<br />

Telegraphen-Haus 4 und wurde damals schon,<br />

so auch in der neueren Preußischen Zeit als trigonometrischer<br />

Punkt I. Klasse für die Kataster-Meßungen,<br />

nicht bloß von Preußen, sondern<br />

auch von dem benachbarten Auslande<br />

benutzt. 5 ]<br />

Meine Idee ist nun, Im Einverständnis mit der<br />

höchsten Kataster- und Forstbehörde, einen<br />

massiven Wartthurm von etwa 100‘ auf diesem<br />

Punkte errichten und diesen Bau als Erinnerung<br />

an die Anwesenheit Sr. Majestät im hiesigen<br />

Bezirke am 26. 27. 28ten Juni d. Js. Königs-Warte<br />

nennen zu laßen. Die Kosten /: mit<br />

500 - 600 Reichsthaler würde der Aufwand voraussichtlich<br />

gedeckt sein:/ dürfte ich mit Leichtigkeit<br />

durch freiwillige Beiträge patriotisch gesinnter<br />

Männer des Bezirks decken und erbitte<br />

daher vorerst eine geneigte Aeußerung, ob<br />

Hochdenselben gegen Ausführung dieser Idee<br />

irgend ein Bedenken beigeht.«<br />

Oberpräsident von Kleist-Retzow setzte am 9.<br />

Juli 1852 auf den Rand des Berichtes als Entwurf<br />

für eine Verfügung an Sebaldt dies:<br />

»...... daß ich die Ausführung Ihres Vorhabens,<br />

zur Erinnerung an die Anwesenheit Ihrer Maje-<br />

159


stät des Königs am 26. 27. 28. vorigen Monats<br />

im Regierungsbezirk Trier auf dem Erbsenkopf<br />

einen Wartthurm erbauen und denselben<br />

den Namen Königswarte beilegen zu laßen, für<br />

unbedenklich halte, und hiezu meinerseits einen<br />

Beitrag von 5 Thalern zur Errichtung dießes<br />

Denkmals ergebenst spende«. 6<br />

Diese Verfügung erhielt Regierungspräsident<br />

Sebaldt nach der Rückkehr von seiner vierwöchigen<br />

Badereise Anfang August. Wenn er<br />

auch von der Spende der 5 Thaler des höchsten<br />

Königlichen Beamten in der Rheinprovinz<br />

nicht überwältigt sein konnte, so signalisierte<br />

sie doch dessen ausdrückliche persönliche Zustimmung<br />

zu dem Vorhaben. Offiziell hielt er es<br />

jedoch »nur« für »unbedenklich«.<br />

Ohne die Meinungsäußerung des unmittelbaren<br />

Vorgesetzten abzuwarten, erließ Regierungspräsident<br />

Sebaldt in dieser Angelegenheit<br />

bereits am 1. Juli 1852 eine »Ansprache«. 7<br />

Darin begründete er seine Idee und lud dazu<br />

ein, die Kosten für das Vorhaben »im Wege patriotischer<br />

Beiträge« zu sammeln.<br />

Er ließ Angaben zu den Besonderheiten des<br />

von ihm ausgewählten Standortes folgen. Im<br />

Wesentlichen wiederholte er, nur weitaus wortreicher,<br />

das, was er am Tage zuvor dem Oberpräsidenten<br />

zu Wissen gegeben hatte. Diesmal<br />

aber nannte er den Standort »Erbeskopf« und<br />

nicht »Erbsenkopf«. Er gab nunmehr für dessen<br />

Kuppe eine Höhe von 2600 Fuß an, womit er<br />

unter Zugrundelegung des Fuß-Maßes von<br />

31,50 cm dem modernen Messungsergebnis<br />

der Höhe von 818 m 8 sehr nahe kam. Schließlich<br />

präzisierte er seine Vorstellungen für das<br />

Erinnerungszeichen und dessen Finanzierung.<br />

Er sagte: »Mein Vorschlag ist:<br />

1. daß auf dem genannten höchsten Gipfel des<br />

Hochwaldes, im Einverstädniße mit den<br />

betreffenden Forst- und Kataster-Behörden,<br />

eine Warte von wenigstens 100 Fuß Höhe erbaut<br />

werde - kein Luxusbau, aber massiv<br />

und dauerhaft genug, um Jahrhunderte zu<br />

trotzen;<br />

2. daß diese Warte, als Erinnerungszeichen an<br />

die beglückende Anwesenheit Sr. Majestät<br />

des Königs im Regierungsbezirk Trier am 26.<br />

27. und 28ten Juni 1852, den Namen ‘Königs-Warte’<br />

erhalte;<br />

3. daß die Kosten zu dem Bau im Wege patriotischer<br />

Beiträge gesammelt werden.«<br />

Danach lud er die »Bürgermeister und Ortsvor-<br />

160<br />

steher des Bezirkes, sowie alle diejenigen, welche<br />

sich für diese Idee interessiren«, ein, sich<br />

»der Sammlungen von Beiträgen anzunehmen<br />

und solche, unter specieller Angabe der einzelnen<br />

Geber an den Herrn Rechnungs-Rath Emmerich<br />

hierselbst einzusenden«.<br />

Er hielt es für zweckmäßig, noch dies zum Ausdruck<br />

zu bringen. Bei dem »mäßigen Kostenaufwande«<br />

sei auch die »kleinste Gabe annehmbar<br />

und förderlich«. Wichtig sei nicht die<br />

Höhe der einzelnen Beiträge, sondern die »Zahl<br />

der Beitragenden«. Sie allein verleihe dem »Unternehmen<br />

die eigentliche Bedeutung«. Von einer<br />

»Hauscollekte« könne nicht die Rede sein,<br />

vielmehr wünsche er, »daß nur von solchen<br />

Personen Beiträge angenommen werden<br />

möchten, deren Gesinnung als patriotisch bekannt«<br />

und von denen zu erwarten sei, »daß die<br />

Gabe aus treuem, aufrichtigem Herzen« komme.<br />

Sebaldt schloss seine »Ansprache« mit der<br />

Feststellung, sobald die Sammlung den Betrag<br />

von 600 Thalern erreiche, solle »mit der Fertigung<br />

des Planes und Kostenanschlages vorangeschritten<br />

werden«.<br />

Regierungspräsident Sebaldt verwendete für<br />

das von ihm erdachte und propagierte »Erinnerungszeichen«<br />

an den Königsbesuch stets den<br />

Begriff »Warte«. Das erstaunt besonders, weil<br />

er an einer Stelle seiner »Ansprache« von der<br />

durch die »Warte« zu gewinnenden »ausgedehntesten<br />

Fern- und Umsicht Deutschlands«<br />

schwärmte. »Warte« bedeutete nach Brockhaus'<br />

Bilder-Conversations-Lexikon von 1841 9<br />

»erhabener Ort, hochgelegener Standpunkt,<br />

von welchem aus die umliegende Gegend<br />

übersehen werden kann«. Damit war der Hochpunkt<br />

selbst gemeint, der zur Verbesserung<br />

der Sicht von eventuellem Bewuchs freigehalten<br />

wurde. Sebaldt übernahm diese Bezeichnung<br />

auch für das gedachte »wenigstens 100<br />

Fuß hohe« Bauwerk. Der Begriff »Aussichtsturm«<br />

für eine solche Anlage war damals noch<br />

nicht geprägt.<br />

Positive und negative Folgen der<br />

»Ansprache«<br />

Nach der Rückkehr von seiner Badereise bat<br />

Sebaldt gewiss recht bald den Rechnungsrat<br />

Emmerich zu sich, um die Höhe der eingegangenen<br />

»Beiträge« für das von ihm initiierte »Erinnerungszeichen«<br />

zu erfahren. Das Ergebnis


muss ihn nicht recht zufrieden gestellt haben.<br />

Er trat nämlich mit einer weiteren »Ansprache«<br />

am 29. August 1852 an die Öffentlichkeit, der er<br />

folgende Fassung gab 10 :<br />

»Die Beiträge zu dem, von mir vorgeschlagenen,<br />

Baue einer »Königs-Warte« auf dem sogenannten<br />

Erbeskopf, als Erinnerungszeichen<br />

an die beglückende Anwesenheit Sr. Majestät<br />

des Königs im Regierungsbezirk Trier am 26.<br />

27. 28. Juni d. Js., gehen so reichlich ein, daß<br />

man schon jetzt das Unternehmen als gesichert<br />

ansehen darf.<br />

Ich säume nicht, dieses erfreuliche Resultat zur<br />

Kenntniß der patriotischen Theilnehmer zu<br />

bringen und drücke zugleich meine Freude darüber<br />

aus, daß die Idee in allen Claßen der Bevölkerung,<br />

an mehreren Orten selbst bei der<br />

Schuljugend, warmen Anklang findet.<br />

Da ich hieraus zu folgern berechtigt bin, daß<br />

der Vorschlag ins Besondere durch die Herren<br />

Geistlichen und Lehrer ein wohlgesinnter und<br />

thätiger Vorschub zugewendet wird, so nehme<br />

ich gern Veranlaßung, schon jetzt in dieser<br />

Richtung ein dankendes Anerkenntnis auszusprechen.<br />

Die Pfennige wiegen schwer, welche aus Kindeshand<br />

dem Unternehmen zugewendet werden,<br />

denn sie geben Zeugniß von einer gesunden<br />

patriotischen Erziehung und einem früh<br />

geweckten Sinn für Heimath und heimathliche<br />

Wahrzeichen.«<br />

Die erneute »Ansprache« des Regierungspräsidenten<br />

trug schon fast moderne Züge. Er<br />

wandte sich an eine Klientel, die auch eine wesentliche<br />

Zielgruppe für die heutige Fernsehwerbung<br />

ist, die Kinder und Jugendlichen. Es<br />

lässt sich im Augenblick nicht prüfen, wie erfolgreich<br />

er damit gewesen ist. Ausgehend von der<br />

Erklärung Sebaldts in seiner »Ansprache« vom<br />

1. Juli 1852 »mit der Fertigung des Planes und<br />

Kostenanschlages« voranzuschreiten, sobald<br />

die Sammlung den »Betrag von 600 Thalern erreicht<br />

haben wird«, war dieser Status anscheinend<br />

erst Anfang September 1852 erreicht.<br />

Am 7. September 1852 nämlich sprach er in einer<br />

ausführlichen Aktennotiz 11 die »ergebene<br />

Bitte« an mehrere Herren aus, sich »gefälligst<br />

als Bau Commission für die Königs Warte zu<br />

constituiren«. Der gesamte Inhalt dieser Aktennotiz<br />

soll wegen der vielschichtigen Details<br />

hiernach im Wortlaut folgen:<br />

»Die von mir angeregte Idee einer auf dem<br />

höchsten Gipfel des Hochwaldes zu erbauenden<br />

Warte (»Königs-Warte«) findet so lebhaften<br />

Anklang, daß ich die Ausführung für gesichert<br />

betrachte, und, meinem Versprechen gemäß,<br />

schon jetzt Einleitungen treffen darf, um dem<br />

Projecte näher zu treten.<br />

Da hierbei neben baulichen Fragen, auch Interessen<br />

der Forst- und Kataster-Verwaltung nahe<br />

liegen, ich auch wünschen muß, daß der zu erbauende<br />

Thurm (diese Vokabel erscheint erstmals)<br />

so angelegt werde, daß er eventuell zu<br />

wissenschaftlichen Zwecken dienen könne, so<br />

erachte ich es für zweckmäßig, wenn mehrere<br />

Herren vom Fache sich zur Formirung eines<br />

Bauprojektes vereinigen, und ich richte daher<br />

an nachgenannte Herren die ergebene Bitte,<br />

Sich gefälligst als Commission /: Bau Commission<br />

für die Königs Warte :/ zu constituiren, und<br />

mir seiner Zeit die Ergebniße ihrer Berathungen<br />

in Form eines motivirten Plans und Kosten Anschlags<br />

zu kommen zu lassen. Was die Baumittel<br />

anbelangt, so hängen diese zum Theil<br />

von der Ausdehnung ab, welche man der Bestimmung<br />

des Baues giebt; unterdeßen glaube<br />

ich, daß es mir unter allen Umständen nicht<br />

schwer werden wird, einen Gesamtfonds von<br />

2 000 - 2 500 Reichsthaler flüssig zu machen,<br />

was ich bei der Projektirung zu berücksichtigen<br />

bitte. Meines Erachtens, kann der Bau im Rauhen<br />

gelassen werden, und Hausteine möchten<br />

nur zur Thüre, den Fensteroeffnungen und der<br />

Krönung erforderlich werden. Höhe circa 100<br />

Fuß. Eine Verjüngung der Verhältniße nach<br />

oben scheint mir nicht rathsam, vielmehr dürfte<br />

der Thurm nur durch möglichst massenhafte<br />

Verhältnisse imponiren p. - ich wünsche daher,<br />

daß man durch einfache Formen zu Gunsten<br />

der Masse möglichst Ersparnisse mache. Die<br />

Commission wolle unter sich einen Vorsitzenden<br />

wählen.<br />

Da der Bau später jedenfalls unter einige Aufsicht<br />

gestellt werden muß, so wünsche ich, daß<br />

namentlich der Herr Oberforstmeister darauf<br />

reflektire, ob nicht forstliche Interessen /:etwa<br />

Vereinigung eines forstlichen Etablissements :/<br />

mit dem Bau nützlich verbunden werden könnte<br />

- äußersten Falls müßte man etwa auf Gründung<br />

eines Invaliden Postens reflektiren, für<br />

welchen die Dotation höheren Orts zu erwirken,<br />

mir voraussichtlich gelingen dürfte, wenn das<br />

Unternehmen im Uebrigen ein gelungenes zu<br />

nennen sein wird.« Diese Aktennotiz erhielten<br />

161


nach dem Willen Sebaldts der Oberforstmeister<br />

Waßerburger, der Regierungsrat Hoff, der<br />

Direktor Dr. Viehoff, der Gymnasial-Oberlehrer<br />

Flesch und der Regierungs-Sekretär Vassen im<br />

Umlaufverfahren zur Kenntnis.<br />

Ihr waren zwei Kartenausschnitte beigefügt,<br />

die über die Lage des Erbeskopfes und dessen<br />

Einbindung in das Gefüge der verschiedenen<br />

trigonometrischen Netze Auskunft gaben.<br />

Bei dieser Sachlage, so ließ sich vermuten,<br />

Auszug aus<br />

dem Haupt-<br />

Dreiecknetz<br />

1. Ordnung<br />

Der Erbeskopf,<br />

zentraler Punkt<br />

in den trigonometrischen<br />

Netzen<br />

um 1850<br />

könnte mit der Errichtung des »Erinnerungszeichens«<br />

in der Form der »Königs-Warte« im<br />

kommenden Jahr begonnen werden. In Wirklichkeit<br />

aber nahm die Angelegenheit einen<br />

gänzlich anderen Verlauf.<br />

In der ersten Novemberhälfte des Jahres 1852<br />

ging dem Regierungspräsidenten Sebaldt ein<br />

Brief des Ministers des Innern aus dem fernen<br />

Berlin unmittelbar zu. Dass der nicht auf dem<br />

Dienstweg zu ihm kam, ließ etwas Besonderes<br />

erwarten. Dem war auch so. Der Brief enthielt<br />

einen Erlass des Ministers, den dieser am 6.<br />

November 1852 unterzeichnet hatte. 12<br />

Sein Inhalt bedeutete das Aus für die Errichtung<br />

eines »Erinnerungszeichen an den beglückenden<br />

Besuch Sr. Majestät des Königs«,<br />

der »Königswarte« auf dem Erbeskopf!<br />

Der Erlass des Innenministers hatte folgenden<br />

Wortlaut:<br />

»Se. Majestät der König haben aus dem von<br />

der dortigen Regierung unterm 10ten v<br />

Mts. für die Monate August und September<br />

d. J. erstatteten Zeitungsberichte 13 ent-<br />

162<br />

nommen, daß der durch Ew. Hochwohlgeboren<br />

angeregte Plan, zur Erinnerung an die Allerhöchste<br />

Anwesenheit in dem dortigen Regierungsbezirke<br />

während des Monats Juni und<br />

Juli ein Denkmal unter dem Namen »Königswarte«<br />

zu errichten, zur Ausführung kommen<br />

soll und daß zu deßen Verwirklichung bereits<br />

Subscriptionen Behufs Aufbringung der Kosten<br />

im Gange sind. Wenngleich Se. Majestät die<br />

patriotischen Gefühle gern anerkennen, die<br />

diesem Plan zu Grunde liegen, so haben Allerhöchstdieselben<br />

es doch nicht für angemeßen<br />

erachten können, daß zum Andenken an einen<br />

gewöhnlichen, durch kein Ereigniß irgendeiner<br />

Art bezeichneten Besuch einer Allerhöchst Ihrer<br />

Provinzen ein sichtbares Monument errichtet<br />

werde. Dabei habe Se. Majestät zu bemerken<br />

geruht, daß wenn etwa beabsichtigt werden<br />

sollte, zum Andenken an jenen Allerhöchsten<br />

Aufenthalt an der Mosel, anstatt jenes<br />

sichtbaren Monuments eine wohlthätige Stiftung<br />

zu errichten und solche nach dem Allerhöchsten<br />

Namen zu benennen, hiergegen gar<br />

nichts zu erinnern sein, solches vielmehr gerne<br />

gestattet werden sollte. (...)« . . . »Daß Ew.<br />

Hochwohlgeboren es überdem zu vermeiden<br />

wißen werden, die Entschließung Sr. Majestät<br />

des Königs in auffallender eine öffentliche Kritik<br />

hervorrufender Weise bekannt zu machen, setze<br />

ich voraus.«<br />

Es muss für Sebaldt schmerzlich gewesen<br />

sein, erkennen zu müssen, wie die mit großem<br />

Pathos in die Öffentlichkeit getragene Idee von<br />

der entscheidenden Instanz wie eine Schimäre,<br />

ein Hirngespinst bewertet wurde. Statt des erwarteten<br />

rühmenden Echos die nüchterne<br />

Feststellung, es sei nichts geschehen, woran<br />

ein »sichtbares Monument« ein Andenken bewahren<br />

könnte. Die mit auffälliger Hast von Sebaldt<br />

in Gang gesetzte Spendensammlung, die<br />

wohl vollendete, unumkehrbare Tatsachen<br />

schaffen sollte, beeinflusste die negative Entscheidung<br />

nicht. Statt der erwarteten »Allerhöchsten«<br />

Anerkennung wurde ihm nicht ohne<br />

Zynismus aufgegeben, für das Scheitern des<br />

Projektes eine für die Öffentlichkeit kritikfreie<br />

Ursache zu finden. Die konnte nur im Eingeständnis<br />

eines Fehlverhaltens, einer Fehlleistung<br />

gefunden werden.<br />

Regierungspräsident Sebaldt muss, wenn ihn<br />

sein Projekt nicht gänzlich blind für die Realitäten<br />

machte, erkannt haben, dass ein solches


Bauwerk ohne jeglichen wirtschaftlichen Nutzen<br />

war. Es konnte nur dazu dienen, unter günstigen<br />

Witterungsbedingungen einen einmalig<br />

weiten, herrlichen Blick in die umgebende, vielgestaltige<br />

Landschaft zu tun.<br />

Dieses Manko, diesen Makel sollte die Deklaration<br />

des Bauwerks als »Erinnerungszeichen«,<br />

als weithin sichtbares Denkmal, als ehrwürdige<br />

»Königswarte« tilgen.<br />

Aber die aus Ehrgeiz und Berechnung geborene,<br />

aber dennoch von einem gewissen romantischen<br />

Zauber umfangene Idee Sebaldts eilte<br />

der Zeit zu weit voraus! Einen Fremdenverkehr,<br />

den das herausragende Bauwerk hätte beleben<br />

helfen, gab es nicht; für »Erholung« im heutigen<br />

Sinne fehlte jegliches Verständnis, vor allem<br />

aber fehlten Zeit und Geld; wer letzteres<br />

besaß, unternahm »Badereisen«. Wozu also in<br />

einer wenig entwickelten Gegend mit geringer<br />

Bevölkerungsdichte und ungünstigen Verkehrsverhältnissen<br />

ein Bauwerk errichten, ohne<br />

praktischen Nutzen, für das es nicht einmal<br />

eine plausible Bezeichnung gab? Das waren<br />

die Kriterien, die die »Allerhöchste« Entscheidung<br />

bestimmt haben müssen. Die erkannten<br />

Antriebskräfte für Sebaldts Handeln riefen Unwillen<br />

in Berlin hervor. Der ablehnende Erlass<br />

des Ministers des Innern zwang Regierungspräsident<br />

Sebaldt, die Öffentlichkeit über das<br />

Scheitern des von ihm initiierten Projekts zu<br />

unterrichten. Doch bevor er dies tat, unternahm<br />

er in der ersten Jahreshälfte 1853 noch zwei<br />

Versuche, zu einer positiven Entscheidung zu<br />

kommen. 14 Er wandte sich an den Prinzen von<br />

Preußen und danach an den Innenminister v.<br />

Westphalen. Diese Bemühungen müssen trotz<br />

oberpräsidialer Unterstützung ergebnislos geblieben<br />

sein, denn am 14. November 1853 15 trat<br />

er mit einer »Ansprache« an die Öffentlichkeit.<br />

Er hatte sich somit mehr als ein Jahr Zeit dazu<br />

genommen, plausible Gründe für die Aufgabe<br />

des von ihm am 1. Juli 1852 so wortreich beschriebenen<br />

Vorhabens zu finden.<br />

Er begann seine Ansprache damit, den »namhaften<br />

Nettobestand« der gesammelten<br />

»Beiträge« mitzuteilen, der sich auf »1 664<br />

Reichsthaler, 1 Silbergroschen, 2 Pfennige«<br />

belief. Dieser Betrag, so führte er weiter aus,<br />

übersteige »um ein Bedeutendes« die Summe,<br />

die ursprünglich als Kostenaufwand ins Auge<br />

gefasst worden sei, um dann zu den in langem<br />

Nachdenken gefundenen »Gründen« für den<br />

Rücktritt von seinem aus »patriotischer Gesinnung«<br />

entwickelten Vorhaben zu kommen.<br />

Er sagte: »Gleichwohl findet die Ausführung<br />

des Baues ein Hindernis darin, daß die wesentlichen<br />

BauMaterialien in der Nähe der Baustätte<br />

theils gar nicht, theils nur durch mühsame<br />

Aussonderung beschafft werden können, und<br />

daß durch diesen unvorhergesehenen Umstand<br />

der ursprüngliche Überschlag um das<br />

Mehrfache überschritten werden müßte.<br />

Bei der Wärme, mit welcher das Projekt in allen<br />

Classen der Bevölkerung aufgenommen worden<br />

ist, halte ich mich zwar überzeugt, daß es<br />

nur nöthig sein möchte, den Zutritt zu der<br />

Sammlung offen zu erhalten, um selbst den unvorhergesehenen<br />

Aufwand zu decken; allein<br />

ich muß Bedenken tragen, diesen Weg einzuschlagen,<br />

und zwar aus doppelten Gründen:<br />

Zunächst verpflichten mich die Zeitumstände,<br />

selbst bei der Ansprache an freiwillige Leistungen,<br />

schonende Grenzen zu beobachten; dann<br />

- und dies ist wohl der Hauptgesichtspunkt -<br />

läßt es die Natur der Beiträge, welche überall<br />

aus williger, zum Theil aber selbst aus dürftiger<br />

Hand gefloßen sind, nicht gerechtfertigt erscheinen,<br />

daß ein unverhältnismäßig großer<br />

Theil der Sammlung den örtlichen Schwierigkeiten<br />

zum Opfer gebracht werde.«<br />

Diese vielen Wörter brauchte Sebaldt, um<br />

nicht, so wie ihm befohlen war, sagen zu müssen:<br />

»Der König hielt es nicht für angemessen,<br />

zur Erinnerung an einen ereignislosen Besuch<br />

im Regierungbezirk Trier ein sichtbares Monument<br />

zur errichten!«<br />

Damit war die Realisierung der Idee einer »Königswarte«,<br />

also die Errichtung eines ersten<br />

»Aussichts-Turmes« auf dem Erbeskopf, auch<br />

von ihrem Urheber aufgegeben. Er wählte für<br />

die Bekanntgabe erstaunlicherweise schon eine<br />

Form, die manchen heutigen öffentlichen<br />

Verlautbarungen eigen ist. -<br />

Ein Einwohner aus Deuselbach schrieb, wie<br />

Chr. und H. Keller berichteten 16 , am 23. August<br />

1852 in einem nicht abgesandten, an einen<br />

Ausgewanderten adressierten Brief: »Auf dem<br />

Erbeskopf wird ein Thurm gebaut, welcher die<br />

Königswarte genannt wird und 100 Fuß hoch<br />

wird..... «.<br />

Dieses »wird« stand für den beabsichtigten<br />

Bau eines Turmes und nicht für den etwa schon<br />

im Gange befindlichen Bau. In mehreren Berichten<br />

über die »Türme des Erbeskopf«, die<br />

163


seit Mitte der 1930er Jahre in verschiedenen<br />

Zeitschriften erschienen, wurde gesagt - wahrscheinlich<br />

im Hinblick auf den erwähnten Brief<br />

vom Jahre 1852 -, es sei 1852 oder 1854 ein<br />

Turm auf dem Erbeskopf errichtet worden,<br />

was, wie vorstehend nachgewiesen, nicht geschehen<br />

ist. Die »Königswarte« auf dem Erbeskopf<br />

blieb eine nicht realisierte Idee!<br />

Der Verbleib der gesammelten Beiträge<br />

Der Erlass des Ministers des Innern vom 6. November<br />

1852 enthielt den Hinweis, »Seine Majestät«,<br />

der König, erhebe keine Einwendungen,<br />

wenn statt eines »sichtbaren Monuments«<br />

zur Erinnerung an den »Allerhöchsten Aufenthalt<br />

an der Mosel« eine »wohlthätige Stiftung«<br />

errichtet und »solche nach dem Allerhöchsten<br />

Namen« benannt werde. In seiner »Ansprache«<br />

über die Aufgabe des Projektes »Königswarte«<br />

unterbreitete Regierungspräsident Sebaldt den<br />

»patriotischen Theilgebern«, den Spendern der<br />

Beiträge, deshalb einen zweiten Verwendungsvorschlag.<br />

Nach seinen Vorstellungen sollte<br />

der Ertrag der Sammlung zu einer »Prämienstiftung<br />

für die Elementar-Schullehrer des Regierungsbezirks<br />

Trier« verzinslich angelegt werden,<br />

um aus den Zinserträgen Lehrern Prämien<br />

zu gewähren, die eine »jährlich« auszuschreibende<br />

Preisfrage mit »Auszeichnung lösen«.<br />

Bevor er jedoch in einer weiteren »Ansprache«<br />

17 vom selben Tage das Vorgehen beschrieb,<br />

auf welche Weise die »weit über<br />

14 000 Beitragenden« 18 sich zu seinem neuen<br />

Vorschlag erklären und ablehnendenfalls ihren<br />

Beitrag zurückerhalten könnten, sagte er noch<br />

dies:<br />

»Ich thue dies mit um so größerer Zuversicht,<br />

als ich hoffen darf, daß das, durch geniale<br />

Hand 19 bereits technisch entworfene, Bauprojekt<br />

deßhalb keineswegs aufgegeben seie, vielmehr<br />

beim Wiedereintritte günstiger Zeitumstände,<br />

in Folge huldreicher Anerkennung der<br />

gesunden und patriotischen Grundidee, sicher<br />

seinen Bauherrn finden wird.«<br />

Die Zeilen zeigen, wie sehr Sebaldt in seine ursprüngliche<br />

Idee verliebt war, und wie sehr ihn<br />

deren »Allerhöchste« Ablehnung verletzt hatte.<br />

Nach diesen Verlautbarungen vergingen fast<br />

drei Jahre, ohne von der Etablierung der »Prämienstiftung<br />

für Elementar-Schullehrer« etwas<br />

zu vernehmen.<br />

164<br />

Gänzlich unvermittelt tauchte dagegen in einer<br />

Verfügung des Ober-Präsidenten von Kleist-<br />

Retzow an den Regierungspräsidenten Sebaldt<br />

vom 5. September 1856 20 noch einmal die Idee<br />

der »Errichtung eines Thurmes« in Form eines<br />

hölzernen Gerüstes auf dem Erbeskopf auf.<br />

Diese Verfügung enthielt einen Satz, der von<br />

besonderer Pikanterie für Sebaldt sein musste:<br />

»Da Euer Hochwohlgeboren vor mehreren Jahren<br />

bereits Sammlungen zur Errichtung eines<br />

steinernen Thurmes auf dem Erbeskopfe veranstaltet<br />

haben, so ersuche ich um eine gefällige<br />

Mittheilung ergebenst, inwieweit der durch<br />

letztere gebildete Fonds etwa disponibel ist<br />

resp ob aus demselben der ermittelte<br />

Plan des ersten »thurmartigen Gerüstes« auf dem<br />

Erbeskopf vom 14. August 1856


geringere Kostenbetrag von 549 Reichsthaler<br />

zu dem angegebenen Zwecke event verwendet<br />

werden könne.«<br />

Der Inhalt der Verfügung des Ober-Präsidenten<br />

und der ihr beiliegende Entwurf müssen Regierungspräsident<br />

Sebaldt überrascht und zugleich<br />

außerordentlich erstaunt haben.<br />

In seiner Antwort 21 kam Sebaldt sofort zum<br />

Kern der Sache. Er legte dar, dass er außerstande<br />

sei, aus den »für die Errichtung einer<br />

massiven Warte (Königswarte) auf dem Erbeskopf<br />

gesammelten Beiträgen, dem jetzt<br />

projektirten Holzbaue etwas zuzuwenden«. Er<br />

führte weiter aus, der Fond sei mit 1 600<br />

Reichsthaler verzinslich angelegt zur Begründung<br />

einer »Prämienstiftung für die Elementar-<br />

Schullehrer des Bezirks«. Und da er zu deren<br />

Begründung innerhalb von fast drei Jahren<br />

nichts veranlasst hatte, erklärte er die fehlende<br />

Festsetzung und Vorlage der Statuten mit der<br />

Vakanz »der hiesigen katholischen Schulratsstelle«.<br />

Er teilte weiter mit, seine öffentlichen<br />

Ansprachen wegen der gesammelten Beiträge<br />

hätten lediglich zur Rückforderung von 68<br />

Reichsthalern und 9 Silbergroschen geführt.<br />

Darin sehe er einen Beweis dafür, welche Zustimmung<br />

seine Idee in der Bevölkerung gefunden<br />

hätte.<br />

Er schrieb dazu: »Offen gestehe ich, daß ich es<br />

noch heute nicht zu erklären weiß, warum die<br />

von mir 1852 angeregte Idee, welche im Bezirk<br />

mit wahrhaft rührender Wärme aufgenommen<br />

wurde, höheren Orts mit so viel Kaltsinn aufgenommen<br />

wurde, und doppelt leid thut es mir<br />

deßhalb, der Absicht Ew. Hochwohlgeboren<br />

nicht förderlich sein zu können, denn, wenn<br />

auch ein bloser Holzbau der ursprünglichen<br />

Idee nicht genügt, so wird er jedenfalls doch<br />

geeignet sein, den großartigen Gesichtskreis<br />

des Erbeskopfes zu erschließen und den Beweis<br />

zu liefern, daß die Stelle von mir wohlgewählt<br />

war, um eine ‚Königs-Warte‘ zu tragen.« -<br />

Aus den in dieser Sache gewonnenen Erfahrungen<br />

über den Wahrheitsgehalt von öffentlichen<br />

Verlautbarungen muss man Sebaldt's Bericht<br />

nicht als eine wahrhaftige Erklärung betrachten.<br />

Sie reizt zu einigen spekulativen Erwägungen.<br />

Die Errichtung eines die Baumwipfel<br />

überragenden »Thurmes« auf dem Erbeskopf<br />

in der Form eines »hölzernen Gerüstes«<br />

von immerhin 75 Fuß Höhe hätte durchaus<br />

dem Zweck dienen können, »eine der aus-<br />

gedehntesten Fern- und Rundsichten Deutschlands<br />

darbieten, vielleicht nur vom<br />

Brocken übertroffen«, wie dies Sebaldt dem<br />

Ober-Präsidenten am 30. Juni 1852 berichtet<br />

hatte. Dem stand auch nicht der Erlass des Ministers<br />

des Innern vom 6. November 1852 entgegen.<br />

Es war in ihm nicht die Errichtung einer<br />

»massiven Warte«, die den überwältigenden<br />

Rundblick ermöglichen sollte, missbilligt worden,<br />

sondern ihre Errichtung als »Erinnerungszeichen«<br />

an den, wie Sebaldt es auszudrücken<br />

beliebte, »beglückenden Besuch Seiner Majestät<br />

im Regierungsbezirk Trier« und dessen Benennung<br />

als »Königswarte«. Der Erlass enthielt<br />

auch nicht den Auftrag, eine »wohlthätige Stiftung«<br />

zu begründen, der die Bezeichnung<br />

»Friedrich-Wilhelm-Stiftung« gegeben werden<br />

könne. Bei dieser Sachlage konnte der Ober-<br />

Präsident durchaus davon ausgehen, mit seinem<br />

Vorhaben auf der Linie des Sebaldtschen<br />

Interesses zu liegen. Die Frage, »ob aus demselben<br />

der vorgenannte geringere Betrag zu<br />

dem angegebenen Zwecke eventuell würde<br />

verwendet werden können«, war daher in keiner<br />

Weise unlauter. Den Mangel, den Turm, der<br />

Kosten wegen, nicht in massiver, sondern nur<br />

in einfacher Bauweise ausführen, ihn deshalb<br />

nicht als »Erinnerungszeichen« bestimmen und<br />

nicht »Königswarte« nennen zu können, hätten<br />

die Spender der Beiträge gewiss ohne den geringsten<br />

Widerspruch hingenommen.<br />

Dies wäre die einzige Voraussetzung für einen<br />

Zugriff auf den angesammelten Fonds gewesen.<br />

Dem Regierungspräsidenten Sebaldt passte es<br />

jedoch absolut nicht in den Kram, einem anderen<br />

die Ausführung seiner Idee, und dazu noch<br />

in einer solch abgetakelten Weise zu ermöglichen. Er versteckte<br />

sich hinter Vorwänden, weil er, so scheint es,<br />

die Verfügungsgewalt über den Fonds von<br />

1 600 Reichsthalern und den daraus fließenden<br />

Zinsertrag unangetastet behalten wollte. Er<br />

hegte wohl die nicht unbegründete Hoffnung,<br />

bei einer Änderung der politischen Konstellation<br />

- der König war krank und Ober-Präsident<br />

von Kleist-Retzow stand im Gegensatz zum<br />

Hofe des in Koblenz residierenden Prinzen von<br />

Preußen 22 - doch noch »seine« Warte auf dem<br />

Erbeskopf errichten zu können, wie er es in seiner<br />

»Ansprache« vom 14. November 1853 an-<br />

165


gedeutet hatte. Deshalb zögerte er anscheinend<br />

die Konstituierung der von ihm so benannten<br />

»Prämienstiftung« hinaus; und das gedachte<br />

er auch noch eine Weile zu tun.<br />

Daran hinderte ihn allerdings der ob der Reaktion<br />

leicht verschnupfte Ober-Präsident. Der<br />

drängte ihn fortan wiederholt, der beabsichtigten<br />

Stiftung die nötige Rechtsgrundlage zu verschaffen.<br />

Das tat Sebaldt dann auch. Am 9.<br />

September 1857 23 erlangte die Stiftung durch<br />

die landesherrliche Genehmigung ihre Rechtsfähigkeit.<br />

Ohne aus dem Regierungsbezirk Trier dazu angestoßen<br />

worden zu sein, wandte sich Ober-<br />

Präsident von Kleist-Retzow am 24. März<br />

1858 24 an den »Königlichen Wirklichen Geheimen<br />

Staatsminister und Finanzminister, Herrn<br />

von Bodelschwingh Hochwohlgeboren in Berlin«.<br />

Mit Bezugnahme auf den in der Sache<br />

»mündlich gehaltenen Vortrag« bat er unter<br />

Überreichung der Pläne und des Kostenanschlages<br />

des Baurates Hoff, durch Überlassung<br />

»des erforderlichen Holzes die Herstellung<br />

jener Warte ermöglichen zu wollen«.<br />

Der Ober-Präsident flocht eine anschauliche<br />

Schilderung der Situation in den Bericht ein.<br />

Er schrieb: »Bei meiner Anwesenheit im Regierungsbezirke<br />

Trier im Jahre 1856 hatte ich Gelegenheit,<br />

den gedachten Punkt in Augenschein<br />

zu nehmen und mich zu überzeugen,<br />

wie die Lage dieser mit schoenen alten Buchen<br />

bestandenen Höhe, welche eine weite Umschau<br />

ins Land bis nach Baiern und Frankreich<br />

gestatten wird, wenn ein Thurm welcher die<br />

umstellenden Bäume überragt, dort ausgeführt<br />

werden könnte, - außerordentlich geeignet ist,<br />

als landschaftlich ausgezeichneter Punkt zu einer<br />

Anlage benutzt zu werden, die den Besuchern<br />

von nah und fern die Freude an den Naturschoenheiten<br />

der Gegend in erhöhtem<br />

Maaße zu Theil werden lassen könnte.«<br />

Die Antwort des Ministers fiel hiergegen karg<br />

und kurz aus. Sie kam ungewöhnlich schnell,<br />

datierte vom 10. April 25 und besagte, dass keine<br />

Mittel zur Verfügung ständen.<br />

Der Erbeskopf tauchte danach für lange Zeit in<br />

den Vorgängen der Kanzleien der Ministerien<br />

der preußischen Metropole nicht mehr auf.<br />

Der Plan des Regierungsrats Hoff war die erste<br />

konkrete Darstellung eines Aussichtsturms auf<br />

dem Erbeskopf. Er landete nach zwei vergeblichen<br />

Versuchen der Verwirklichung in den Ak-<br />

166<br />

ten des oberpräsidialen Archivs. Damit blieb<br />

auch dieser zweite Turm nur eine nicht realisierte<br />

Idee!<br />

Im Oktober 1857 hatte der bisher in Koblenz residierende<br />

Prinz Wilhelm von Preußen anstelle<br />

seines königlichen Bruders provisorisch und<br />

am 7. Oktober 1858 endgültig die Regentschaft<br />

in Preußen übernommen. Wenige Tage nach<br />

dem 7. Oktober 1858 erhielt Oberpräsident von<br />

Kleist-Retzow seine Entlassung. Mit ihm schied<br />

der wirkliche Förderer eines Aussichtsturmes<br />

auf dem Erbeskopf aus dem Amt.<br />

Danach mussten noch mehr als 30 Jahre vergehen,<br />

ehe ein erster Aussichtsturm den<br />

schwärmerisch gelobten weiten Blick ins Land<br />

gestattete.<br />

Die »Prämienstiftung für Elementarschul-Lehrer<br />

im Regierungsbezirk Trier«, »Friedrich-Wilhelm-Stiftung«<br />

benannt, bestand bis in unser<br />

Jahrhundert fort.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Amtsblatt Regierung Trier, 1849, S. 137.<br />

2 Landeshauptarchiv Koblenz (LHK), Best. 433, Nr. 2733, S. 1 ff.<br />

3 »2 500´« bedeutet: 2 500 Fuß; Fuß = ca 31,50 cm.<br />

4 In der Tranchotkarte, Blatt Nr. 208 von 1811/1812 als »S(t)at. La<br />

lste Ordre« bezeichnet.<br />

5 Damit waren u. a. die Großherzogl. Oldenburgischen (Birkenfeld),<br />

Hessen-Nassauischen Gebiete gemeint.<br />

6 Wie Anm. Nr. 2, S. 1.<br />

7 »Ansprache«, etwas aufgeplustert für Verlautbarung, Bekanntmachung;<br />

im übrigen wie Anm. Nr. 2, S. 11 ff.<br />

8 Höhenangaben für den Erbeskopf wechseln zwischen 816 und 818<br />

m ü.NN; die TK 1 : 25.000 von 1959 gibt 817,7 m an, die TK 1 :<br />

50.000 von 1970 weist 818 m ü.NN aus; Meyers Enzyklopädisches<br />

Lexikon, Bd. 8, 1973, S. 59 sagt ebenfalls 818 m ü.NN.<br />

9 Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 4, Leipzig 1841, S. 658.<br />

10 Wie Anm. Nr. 2, S. 15.<br />

11 Wie Anm. Nr. 2, S. 17ff.<br />

12 Wie Anm. Nr. 2, S. 25.<br />

13 »Zeitungsberichte« erstatteten die Bürgermeister den jeweiligen<br />

Landräten, die Landräte solche den Regierungspräsidenten und<br />

diese dem Minister des Innern. Darin war über die wesentlichsten<br />

Vorgänge innerhalb der Verwaltungsbezirke zu feststehenden Terminen<br />

zu berichten. Auf diese Weise wurde die jeweils vorgesetzte<br />

Behörde über wesentliche Geschehnisse, Pläne usw. informiert.<br />

14 Wie Anm. Nr. 2, S. 27 ff.<br />

15 LHK, Best. 403, Nr. 1413, S. 17 ff.<br />

16 Deuselbach, eine Dorfchronik, Trier 1961, S. 64.<br />

17 Wie Anm. Nr. 15, S. 18.<br />

18 Wenn es wirklich »weit über 14 000« Spender gegeben haben sollte,<br />

dann betrug der durchschnittliche Spendenbetrag etwa drei Silbergroschen.<br />

19 Ein solcher Plan konnte bisher nicht aufgefunden werden.<br />

20 Wie Anm. Nr. 15, S. 11 f.<br />

21 Wie Anm. Nr. 15, S. 13 ff.<br />

22 Meyers Konversations-Lexikon, Bd. 11, Leipzig 1905.<br />

23 Wie Anm. Nr. 15, S. 41.<br />

24 Wie Anm. Nr. 15, S. 43 f.<br />

25 Wie Anm. Nr. 15, S. 47.


»De Bollerjaunes jaahn«<br />

Ein alter kirchlicher Osterbrauch in Bischofsdhron<br />

Gern erinnert man sich als Erwachsener an Ereignisse,<br />

die einen in der Kindheit beeindruckt<br />

haben oder die sehr geheimnisvoll erschienen.<br />

So auch das Folgende:<br />

Ab dem »Gloria« der Gründonnnerstagsmesse<br />

schweigen die Glocken in allen katholischen<br />

Kirchen. Die Glocken sind nach Rom geflogen,<br />

heißt es im Volksmund. Die »Rufer Gottes«<br />

trauern um den Tod Jesu.<br />

Nun beginnt die Zeit der Kläpperjungen (heute<br />

auch -mädchen). Es sind immer die Messdiener.<br />

Sie ziehen an drei Tagen während der Grabesruhe<br />

Jesu mit Kläppern und Raspeln<br />

durchs Dorf und rufen zur hl. Messe: »Et kläppert<br />

ahn« und beim zweitenmal: »Et kläppert<br />

sesahme«. Morgens und abends erklingt der<br />

Ruf: »Et kläppert Betglock« und mittags: »Et<br />

kläppert Mettisch«. Am Karsamstagmorgen<br />

gehen sie dann gemeinsam den Lohn ihrer Arbeit<br />

im Form von Geld, Eiern oder Süßigkeiten<br />

einsammeln.<br />

Das Kläppern schließen sie am Ostersonntagmorgen<br />

mit dem letztmaligen Ausrufen: »Et<br />

kläppert ahn und sesahme« und mit dem Verkünden<br />

der Osterbotschaft: »Steht auf, steht<br />

auf, ihr lieben Leut, der Heiland ist erstanden<br />

heut«.<br />

Dieser Brauch hat sich auch bis heute nicht<br />

wesentlich geändert, außer dass früher der<br />

letzte Kläppergang durchs Dorf zügiger gehen<br />

musste, damit die Messdiener noch zeitig vor<br />

der Auferstehungsmesse, die meistens um<br />

sechs Uhr begann, an der Prozession um die<br />

Kirche teilnehmen konnten. Hier beginnt die eigentliche<br />

Geschichte des »Bollerjaunes jagens«.<br />

Diese Prozession, die sich aus den Messdienern,<br />

einem Teil des Kirchenchores und dem<br />

Pastor zusammensetzte, ging dreimal mit Gesang<br />

und Gebet um die Kirche. Die Gläubigen<br />

waren derweil schon im Gotteshaus. Am Osterfeuer,<br />

das noch von den Weihezeremonien der<br />

Karsamstagnacht brannte und mit alten Holz-<br />

Eduard Wagner<br />

grabkreuzen und Buchsbaumzweigen (Palm)<br />

gespeist wurde, entzündete man die Osterkerze.<br />

Jedesmal, wenn die Prozession am Kirchenportal<br />

vorbei kam, pochte der Priester mit dem<br />

Kreuz an die Kirchentür und sang dabei: Tollite<br />

portas principes vestras: et introibit rex gloriae:<br />

Öffnet die Türe, denn einziehen will der König<br />

der Herrlichkeit.<br />

Aus dem Inneren der Kirche wurde geantwortet:<br />

Quis est iste rex gloriae?<br />

Wer ist dieser König der Herrlichkeit?<br />

Nach der dritten Antwort rief der Priester:<br />

Dominus virtutum, ipse est rex gloriae:<br />

Der Herr der Heerscharen ist der König der<br />

Herrlichkeit.<br />

St. Paulinus-Kirche in Bischofsdhron<br />

167


Dann öffnete sich die Kirchentür und der »Bollerjaunes«,<br />

der die ganze Zeit den Einlass der<br />

Prozession verhinderte, ergriff beim Anblick<br />

des Kreuzes polternd über die Treppe (damals<br />

noch im Turm), die zur Empore führte, die<br />

Flucht. Dort angekommen, wurde er mit Kläppern,<br />

Raspeln und Fußgetrampel, ja mit einem<br />

ohrenbetäubenden Lärm durchs Kirchenfenster<br />

zum nahe gelegenen Donnersberg in die<br />

Flucht getrieben.<br />

Mit Glockengeläut, Orgelmusik und dem Lied<br />

»Christus ist erstanden« zog der Priester mit<br />

seinem Gefolge feierlich in die Kirche ein. Die<br />

Auferstehungsmesse begann. Für uns Kinder<br />

war dieses angsterregende Spektakel jedes<br />

Jahr ein Erlebnis. Vermuteten wir doch, dass<br />

der »Bollerjaunes« bei der Jagd getreten, geschlagen,<br />

ja sogar aufs Schwerste misshandelt<br />

wurde.<br />

Zu Hause auf die Frage an meinen Vater, ob er<br />

den »Bollerjaunes« schon mal gesehen hätte,<br />

168<br />

antwortete dieser: »Nur den Schwanz!«, was in<br />

uns den Eindruck erweckte, der »Bollerjaunes«<br />

sei ein Wesen ähnlich der Gestalt des Teufels.<br />

War er für uns doch nie sichtbar, so lebte er in<br />

unserer Vorstellung als ein leibhaftiges Geschöpf.<br />

Der »Bollerjaunes« wurde bei uns viele Jahre<br />

von Josef Eibes (wegen seines starken Bartes<br />

auch »Eibes Bär« genannt) und später von Johann<br />

Braun dargestellt. Dieser alte Osterbrauch<br />

war bis Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

in der Pfarrkirche St. Paulinus Bischofsdhron<br />

und darüber hinaus nur in der trierischen Kirche<br />

vorzufinden. Er basiert wohl auf einem alten<br />

vorchristlichen heidnischen Brauch, der dann<br />

bei der Christianisierung als Zugeständnis an<br />

die heidnische Kultur übernommen wurde. Leider<br />

ist der Brauch heute in keiner Pfarrei im<br />

Bistum Trier mehr anzutreffen. Er ist es aber<br />

wert, aufgeschrieben zu werden, damit er nicht<br />

ganz in Vergessenheit gerät.<br />

Das »Bürgermeister-Amtslocal«<br />

in Thalfang<br />

Die Thalfanger Verwaltungsstandorte früher und heute<br />

Das Zusammenleben der Menschen in großen<br />

oder kleinen Gemeinschaften hatte zu allen<br />

Zeiten eine zentrale Stelle, an der Verhaltensregeln<br />

für die Gemeinschaft organisiert wurden.<br />

»Rathaus« ist heute die Bezeichnung für die<br />

Dienststelle der Gemeinde, von der das Organisieren<br />

nach des Volkes Wille ausgeht. Es mag<br />

verwundern, dass diese allein im 19. Jahrhundert<br />

an acht verschiedenen Stellen im Amtsort<br />

Thalfang untergebracht war. Heute befindet<br />

sich das Rathaus in der Saarstraße in Thalfang,<br />

und die jetzige Generation meint, es sei immer<br />

dort gewesen. Dem ist aber nicht so.<br />

Der Ursprung der Verbandsgemeinde Thalfang<br />

geht zurück zur Mark Thalfang. Diese ist erstmals<br />

1112 urkundlich nachgewiesen und existierte<br />

als Verwaltungseinheit bis zum Auslauf<br />

Walter Freis<br />

der Feudalzeit 1794, als die französische Revolutionsarmee<br />

u. a. auch die Mark Thalfang eroberte<br />

und besetzte, so nachweislich den Ort<br />

Hilscheid am 8. Oktober 1794. 1 Während dieser<br />

Zeit (12. Jh. bis 1794) war die Verwaltungsstelle,<br />

von der alle Weisungen für die Menschen in<br />

der Mark Thalfang ausgingen, im Schloss<br />

Dhronecken untergebracht. Die Wildgrafen,<br />

danach die Wild- und Rheingrafen, unterhielten<br />

dort einen übermächtigen Amtmann als Organisator<br />

und Verwaltungschef. Seine Tätigkeit<br />

endete mit der Übernahme der Herrschaft<br />

zunächst durch die französischen Besatzungstruppen<br />

(1794) und dann durch den französischen<br />

Staat (1802). Dieser schuf in den auf der<br />

linken Rheinseite eroberten Gebieten neue Verwaltungseinrichtungen<br />

nach seinem Muster.


Das waren zunächst neben den Departements<br />

1798 die Kantone, zwei Jahre danach auf der<br />

örtlichen Ebene die Mairien (Bürgermeistereien)<br />

als unterste gemeinschaftliche Verwaltungseinheiten.<br />

Dabei wurde das Gebiet der<br />

Mark, dessen Landesherr die Wild- und Rheingrafen<br />

waren, geteilt und mit anderen Gemeinden<br />

aus dem kurtrierischen Gebiet zusammen<br />

in je eine Mairie Thalfang und Talling gegliedert.<br />

Es gab also bei diesen sogenannten kommunalen<br />

Anfängen nach der Feudalzeit und dann<br />

ab 1800 in der Mark Thalfang, weil auf der linken<br />

Rheinseite gelegen und nach 1802 offiziell<br />

dem französischen Staat zugehörig, zwei Mairien<br />

mit je einem Maire (Bürgermeister). Die Geschäftsräume<br />

dieser beiden Mairien nannte<br />

man auch »französische Amtsstuben«.<br />

Für die Mairie Thalfang (Gemeinden Thalfang,<br />

Bäsch, Burtscheid, Deuselbach, Etgert, Hilscheid,<br />

Immert, Malborn und Rorodt) war diese<br />

Amtsstube im Schlossbereich Dhronecken und<br />

befand sich dort bis 1819. Nachgewiesen ist<br />

dies durch die Personenstandsurkunden, die<br />

nach Einführung der französischen Verwaltung<br />

gemäß Beschluss des französischen Generalkommissars<br />

ab dem 1. Mai 1798 nicht mehr bei<br />

der Kirche, sondern bei dem Staat, das heißt<br />

bei der Mairie (Gemeindeverwaltung) zu führen<br />

waren. 2 Die Beurkundungen sind sichere Quellen<br />

für den Nachweis des Verwaltungssitzes.<br />

Für die Mairie Talling (Gemeinden Berglicht,<br />

Gielert, Lückenburg, Neunkirchen, Schönberg<br />

und Talling) waren nach der Umstellung die<br />

Geschäftsräume zunächst wahrscheinlich<br />

auch noch in Dhronecken. Die Personenstandsurkunden<br />

zwischen 1800 und 1805 geben<br />

hierüber keine Auskunft. In ihnen ist nur die<br />

Erklärung »vor dem Maire der Mairie Talling«<br />

aufgenommen, hingegen nicht, wo dies erfolgte.<br />

Ab 1805 aber, und zwar bis einschließlich<br />

1812 wurden alle Beurkundungen in Talling<br />

vorgenommen. 3 Der Dienstraum oder die französische<br />

Amtsstube des Maire war demnach<br />

während dieser Zeit in Talling. In welchem<br />

Haus und an welcher Stelle, ließ sich bisher<br />

nicht feststellen. Es existieren zwei Hinweise.<br />

Zunächst gibt es in Talling ein Anwesen mit<br />

dem Hausnamen »Mairisch«. Es wird angenommen,<br />

dass der Name von »Maire« abgeleitet<br />

und sich während nunmehr 200 Jahren so<br />

erhalten hat. Es handelt sich um ein Haus an<br />

der Straße nach Neunkirchen, das allerdings<br />

keine Merkmale aufweist, aus denen man einen<br />

öffentlich-rechtlichen Bezug herleiten könnte.<br />

Dabei muss man auch bedenken, dass es sich<br />

bei der Mairie Talling um nur sechs Gemeinden<br />

handelte und der damalige Maire diese in seiner<br />

Wohnung, der sogenannten französischen<br />

Amtsstube, verwaltet hat.<br />

Über eine zweite Möglichkeit berichtete dem<br />

Verfasser eine Zeitzeugin: Gegenüber ihrem<br />

Wohnhaus auf der anderen Straßenseite hätte<br />

das Bürgermeister-Haus gestanden. Davor sei<br />

ein Brunnen gewesen, in den ein Kind des Bürgermeisters<br />

hineingefallen sei. Das habe sie<br />

von ihren Eltern und Großeltern erzählt bekommen.<br />

4<br />

Auch 1813 und 1814 wurden die Beurkundungen<br />

nachweislich noch in Talling vorgenommen,<br />

wobei die Person des Maire wechselte,<br />

bis 1819 in Schönberg und vorwiegend in<br />

Berglicht. Der Maire wohnte zu dieser Zeit in<br />

Berglicht.<br />

Das Ende der Feudalzeit 1794, die offizielle Zugehörigkeit<br />

zu Frankreich ab 1802 sowie,<br />

gemäß der Entscheidung des Wiener Kongresses<br />

1814, die Übernahme durch das Land<br />

Preußen waren große geschichtliche Ereignisse<br />

auch in der Mark Thalfang.<br />

Die Preußen übernahmen die französischen<br />

Verwaltungsstrukturen im Wesentlichen unverändert.<br />

Im anderen Falle wären die Turbulenzen<br />

vom Ende des 18. Jahrhunderts erneut aufgetreten<br />

und vielleicht unübersehbar gewesen.<br />

Dazu kam aber auch die Erkenntnis, dass die<br />

von Frankreich geschaffenen organisatorischen<br />

Einrichtungen zumindest zum Teil<br />

zweckmäßig und gut waren. Man denke dabei<br />

nur an das allgemeine Zivilrecht, den »Code civil«,<br />

das französische Zivilgesetzbuch vom 21.<br />

März 1804, das auf dem linken Rheinufer bis<br />

zur Übernahme des Gebietes durch das Land<br />

Preußen im Jahre 1815 galt. Danach trat das<br />

Preußische Allgemeine Landrecht in Kraft und<br />

galt bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

in Deutschland am 1. Januar 1900.<br />

Natürlich wurde die deutsche Sprache wieder<br />

Amtssprache. Die Mairien Thalfang und Talling<br />

mit ihren französischen Amtsstuben in<br />

Dhronecken und im Bereich Talling blieben<br />

zunächst auch im Hinblick auf ihren Standort<br />

im Land Preußen unverändert.<br />

Das Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung<br />

in Trier erschien erstmals am 22. April<br />

169


1816. Darin gab die Regierung bekannt, dass<br />

sie »mit dem heutigen Tag in förmliche Dienstwirksamkeit<br />

getreten ist«. Beide französischen<br />

Mairien wurden in preußische Bürgermeistereien<br />

umbenannt. Die früheren französischen<br />

Amtsstuben hießen jetzt Bürgermeister-Amtslocale.<br />

Diese Amtslocale der beiden Bürgermeistereien<br />

in Dhronecken und im Bereich Talling<br />

wurden am 1. April 1819 an ihren bisherigen<br />

Standorten aufgehoben, zusammengefügt<br />

und für beide zusammen in Thalfang neu eingerichtet.<br />

Von dem Ende der Feudalzeit im Jahre 1794<br />

bis zum erstmaligen Einrichten eines Bürgermeister-Amtslocales<br />

in Thalfang für zwei Bürgermeistereien<br />

in Personalunion ab dem 1.<br />

April 1819 war insgesamt ein Vierteljahrhundert<br />

vergangen.<br />

Es konnte bisher nicht festgestellt werden, in<br />

welchem Thalfanger Haus das Bürgermeister-<br />

Amtslocal sich zunächst etablierte. Dies liegt<br />

noch im Dunkel der Geschichte. Nach den Beweisen,<br />

die für die Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

geführt werden konnten, muss angenommen<br />

werden, dass es sich von 1819 bis<br />

1852 jeweils in der »besseren Stube der Bürgermeister-Wohnung«<br />

befand.<br />

Am 15. Juli 1852 verfügte die Königlich Preußische<br />

Regierung zu Trier: »Die Verlegung des<br />

Bürgermeisterei-Amtslocals zu Thalfang [...] in<br />

das Wohnhaus des Kaufmanns Philipp Ackermann«.<br />

5 Zeitzeugen berichten, dass es den Namen<br />

Ackermann noch in der ersten Hälfte unseres<br />

Jahrhunderts in der Friedhofstraße in<br />

Thalfang - im Bereich der früheren Synagoge -<br />

gab. Da kein anderes Hausgrundstück Ackermann<br />

bekannt ist, wird angenommen, dass<br />

sich dort das Amtslocal bis 1857 befand.<br />

Danach, ab 1858 bis 1869,finden wir es an einem<br />

dritten Standort in Thalfang, nämlich im<br />

Hause des Bürgermeisters Wentzel. 6 Der Umzug<br />

dorthin stand im Zusammenhang mit der<br />

Vereinigung der beiden Bürgermeistereien<br />

Thalfang und Talling im Jahre 1859. 7 Bereits am<br />

5. Mai 1857 beschäftigten sich beide Bürgermeistereiräte<br />

mit dem Thema Amtslocal. Die<br />

Unterbringung im Hause Ackermann war nicht<br />

mehr möglich, weil es sich hier um ein Mietverhältnis<br />

handelte. In der Ratssitzung wurde festgestellt,<br />

dass ein Neubau zu teuer sei und nicht<br />

vorgenommen werden könne. Dem damals<br />

amtierenden Bürgermeister Heinrich Wentzel<br />

170<br />

schlug man vor, selbst zu bauen und ein Bürgermeister-Amtslocal<br />

in diesen Neubau einzubeziehen.<br />

Die Bürgermeistereien sagten ihm einen<br />

Zuschuss von 550 Thalern zu. 8 Er ging auf<br />

den Vorschlag ein und errichtete sich an der<br />

heutigen Hauptstraße in Höhe des Marktplatzes<br />

ein Haus.<br />

Im Jahre 1869 schied Bürgermeister Wentzel<br />

aus dem Amt, und das Mietverhältnis bezüglich<br />

des Amtslocals zwischen der Bürgermeisterei<br />

und ihm musste gelöst werden. Ein vierter<br />

Standort wurde gesucht. Dieser ergab sich für<br />

die Zeit von 1869 bis 1870 im Hause des Kaufmanns<br />

Georg Philipp Kehrein in Thalfang 9 , Eckplatz<br />

Hauptstraße/Im Eck, das auch heute als<br />

Haus Kehrein bekannt ist. Es war offensichtlich<br />

eine Übergangslösung vom Zeitpunkt des Ausscheidens<br />

des Stelleninhabers bis zum Etablieren<br />

eines neuen Amtslocales. Dies geschah<br />

dann 1870 an einem fünften Standort im Hause<br />

Albert Simon in Thalfang Nr. 68. 10 Das ist zum<br />

Teil das heutige Anwesen des Friedrich Weinig-Keuper,<br />

Hauptstraße Nr. 26. Von diesem<br />

Amtslocal berichten Zeitzeugen, 11 dass ihre<br />

Großeltern dort vor Bürgermeister Loch die<br />

Ehe geschlossen haben und danach 1873 die<br />

»Bürgermeisterei ausgezogen sei«.<br />

Der Umzug zur nächsten Station nach rund 50<br />

Jahren ging in Richtung kath. Pfarrhaus. Die<br />

Königlich Preußische Regierung zu Trier veröffentlichte<br />

am 26. Mai 1873 eine Bekanntmachung<br />

darüber im Amtsblatt der Königlich<br />

Preußischen Regierung zu Trier.<br />

In jenem Jahr stand das katholische Pfarrhaus<br />

neben dem jetzigen Pfarrhaus auf dem heutigen<br />

Grundstück Rösler/Eckstein in der<br />

Lückenburger Straße Nr. 6. Es war wegen »Vakanz«<br />

der katholischen Pfarrstelle Thalfang seit<br />

1865 unbewohnt. 12 Die Verwaltung der Pfarrei<br />

erfolgte 1873 durch den Pfarrverwalter Altmann<br />

in Schönberg. Er führte die Verhandlungen<br />

mit Bürgermeister Loch einerseits und<br />

dem Generalvikariat in Trier andererseits wegen<br />

der vorübergehenden Verwendung des<br />

Vermögens der katholischen Kirchengemeinde<br />

Thalfang. Das Pfarrhaus war, weil nicht bewohnt,<br />

sehr reparaturbedürftig, so dass der<br />

Mietwunsch von Bürgermeister Loch dem Generalvikariat<br />

in Trier günstig erschien und es auf<br />

Dauer der Vakanz zu einem Preis von 40 Mark<br />

je Jahr vermietet wurde. 13<br />

Die Verhandlungen wurden nach den Nieder-


Rathaus Thalfang, Aufnahme ca. 1930 (oben)<br />

Das heutige Verwaltungsgebäude der Verbandsgemeinde Thalfang (unten)<br />

171


schriften in den Akten in großer Einmütigkeit<br />

geführt, obschon der Kirchenrechner Schäfer<br />

aus Lückenburg im Benehmen mit dem Fußgendarmen<br />

aus der Bürgermeisterei Thalfang<br />

sich gegen den angeblich zu geringen Mietpreis<br />

bei dem Generalvikariat in Trier für die katholische<br />

Kirchengemeinde – allerdings erfolglos<br />

– beschwerte. So war der sechste Standort<br />

für das Amtslocal im kath. Pfarrhaus bis 1877<br />

gefunden. 14<br />

In diesem Jahr erwarb die Bürgermeisterei<br />

erstmals Eigentum, um das »Umherziehen« zu<br />

beenden. Sie kaufte das heute mit Haus Nr. 4 in<br />

der Bahnhofstraße gelegene Anwesen (damals<br />

Haus Nr. 11) 15 , das nunmehr siebte Amtslocal,<br />

später wurde es Bürgermeisterei genannt.<br />

Während einer langen Periode, nämlich weitere<br />

50 Jahre bis 1927 bestand es. Nur wenige Zeitzeugen<br />

können sich daran noch erinnern.<br />

Die 20er Jahre in unserem Jahrhundert brachten<br />

die kriegsbedingten negativen Besonderheiten<br />

im Bereich von Wirtschaft und Verwaltung,<br />

aber auch Entwicklung und Fortschritt.<br />

Die Bürgermeisterei von 1877 in der Bahnhofstraße<br />

mit einem Bürgermeisterzimmer und einem<br />

Sekretärzimmer konnte den neuen Aufgaben<br />

in der Weimarer Republik nicht mehr gerecht<br />

werden. Deshalb wurde am 9. März 1927<br />

ein Neubau beschlossen.<br />

Es handelt sich um das heutige Dienstgebäude<br />

Anmerkungen<br />

1 Familienchronik von Johann Georg Platt aus Hilscheid, anno 1765<br />

2 Personenstandsregister im Archiv der Verbandsgemeindeverwaltung<br />

Thalfang<br />

3 Ebd.<br />

4 Die Zeitzeugin war Frau Erna Zimmermann, geborene Klein, geb.<br />

am 26.11.1904<br />

5 Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Trier Jahrgang<br />

1852, S. 241<br />

6 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1858, S. 371<br />

7 Bis dahin waren es zwei rechtlich selbstständige Körperschaften<br />

(Thalfang und Talling), die seit 1819 in Personalunion geführt worden<br />

sind. Die Vereinigung beider Körperschaften wurde durch Mitteilung<br />

der Königlich Preußischen Regierung zu Trier im Amtsblatt<br />

derselben am 3. Februar 1859 »zur Ausführung gebracht«.<br />

8 Beschlussbuch der Bürgermeisterei von 1857<br />

9 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1869, S. 59<br />

172<br />

in der Saarstraße. 16 Diese achte Verwaltungsstelle<br />

aus dem Jahre 1927, jetzt mit der Funktionsbezeichnung<br />

»Rathaus«, hat zwar ein<br />

schwarzes Schieferdach, wurde aber von einem<br />

»roten« Dachdecker mit hergestellt. Erich<br />

Honecker, der Staatsratsvorsitzende der früheren<br />

DDR war es, der während seiner Dachdeckerlehrzeit<br />

von 1926 bis 1928 als Lehrling in<br />

der Dachdeckerfirma Müller/Becker in Wiebelskirchen<br />

beschäftigt war und bei dem Neubau<br />

des Thalfanger Rathauses mitwirkte. 17<br />

Der zweite Umbruch im Bereich der öffentlichen,<br />

örtlichen Verwaltung ergab sich um 1970<br />

durch die Gebietsreform im Lande Rheinland-<br />

Pfalz. Das aus der Bürgermeisterei hervorgegangene<br />

»Amt« wurde »Verbandsgemeinde«<br />

und um sechs Gemeinden vergrößert. Eine Erweiterung<br />

des Rathauses war notwendig und<br />

wurde durchgeführt. Die Dienstwohnungen<br />

sind in Büroräume umgewandelt worden. Der<br />

achte Standort hingegen blieb unverändert.<br />

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts, genau<br />

1996/97, erfolgte ein weiterer Umbau, der erneut<br />

den Bedürfnissen einer modernen Verwaltungsstruktur<br />

entsprach. Auch hierbei blieb der<br />

Standort unverändert, obwohl sich seit 1988<br />

ein besonderes Verwaltungsgebäude für die<br />

Verbandsgemeindewerke 18 und seit 1995 auch<br />

ein Verwaltungsgebäude für die Ortsgemeinde<br />

Thalfang 19 in der Nähe des Rathauses befinden.<br />

10 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1870, S. 278<br />

11 Frau Lina Weinig geborene Keuper aus Thalfang<br />

12 Bischöfliches Archiv Trier, Abt. 70 Nr. 6127, Band I, Blatt 57 bis 64,<br />

Protokoll über den Zustand der »erledigten Pfarrei Thalfang« vom<br />

30.10.1865<br />

13 Bischöfliches Archiv (wie Anm. 12), Blatt 310 bis 317<br />

14 Bischöfliches Archiv (wie Anm. 12), Band II, Blatt 1<br />

15 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1877, S. 214<br />

16 Früher: Hermeskeiler Straße<br />

17 Honecker; Aus meinem Leben, Seite 26 und 101 sowie Zeitzeugen/Bewohner:<br />

Dachdeckermeisterin Morawitz, Tochter des<br />

Dachdeckerobermeisters Franz Ecker aus Wiebelskirchen und<br />

Heinrich Werth aus Spiesen,<br />

18 Für die Betriebszweige Wasser und Abwasser<br />

19 »Hans der Begegnung«, Verkehrsamt und Postamt (letzteres ab<br />

1998)


200 Jahre Grenzstreit zwischen<br />

Schönberg und Breidt<br />

Die Wilden und Hecken uff Herrl<br />

Ein Wort aus Kindertagen ist die letzte Erinnerung<br />

an diesen Streit: Brädter Aarssen hieß unser<br />

Reizwort und von der anderen Talseite kam<br />

prompt die Antwort: Schemerijer Kaapesbauern.<br />

Bei der Kartoffelernte im Herbst, wenn wir<br />

in der Wandel 1 waren, und auf der anderen Talseite<br />

Leute aus Breidt ebenfalls Kartoffeln gruben,<br />

dann war eine gute Gelegenheit für dieses<br />

Neckspiel. Während der Kartoffelernte gingen<br />

wir nicht nach Hause zum Mittagessen, sondern<br />

das Essen wurde auf das Feld gebracht.<br />

Zuerst wurden Kartoffelsäcke aus grobem Leinen<br />

auf dem Boden ausgebreitet, ein sauberes<br />

Tischtuch darüber gelegt, dann - wie daheim<br />

an dem großen Tisch - Teller und die Speisen<br />

hingestellt. Alle setzten sich auf den Boden<br />

oder auf schon gefüllte Kartoffelsäcke, das<br />

Tischgebet wurde gesprochen, und, Hunger ist<br />

der beste Koch, dann schmeckte es. Während<br />

oder nach dem Essen riefen wir Kinder dann oft<br />

im Chor, damit es auf der anderen Talseite<br />

auch gehört wurde: Brädter Aarssen. Oft kam<br />

nur die Anwort: Schemerijer Kaapesbauern.<br />

Aber manchmal drohten uns die Leute von der<br />

anderen Talseite. Der Großonkel und die<br />

Großtante, die bei uns im Feld waren, mahnten<br />

uns, nicht solche Schimpfworte hinüberzurufen.<br />

Die Mahnung war wirklich ernst gemeint,<br />

denn das spürten wir am Ton und an der Miene<br />

unserer Großtante. Das Verhalten der älteren<br />

Leute hüben und drüben zeigte, bewusst oder<br />

unbewusst, dass zwischen Breidt und Schönberg<br />

einmal eine Auseinandersetzung stattgefunden<br />

haben musste, die noch wurmte. Es<br />

wurde niemals darüber gesprochen, was wirklich<br />

geschehen war. Wollte man sich nicht<br />

mehr erinnern oder war das Geschehen schon<br />

vergessen? Unserer Generation war von dem<br />

Streit nichts mehr bekannt. Nur die Redewendung:<br />

Brädter Aarssen, war uns lebhaft in Erinnerung.<br />

Robert Schmitz<br />

Die Ursachen zu dieser Redewendung finden<br />

sich in den Akten der Archive. In den Prozessakten<br />

2 des Reichskammergerichts (RKG) zu<br />

Wetzlar, wo der Fall von Januar 1726 bis 1808<br />

verhandelt wurde, ist die Geschichte festgehalten.<br />

Das RKG zu Wetzlar der damaligen Zeit<br />

entspricht dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe<br />

unserer Tage.<br />

Die Streitursache - die Wilden und Hecken uff<br />

Herrl - muss für unsere Vorfahren von großer<br />

Bedeutung gewesen sein, weil sie durch alle<br />

Gerichtsinstanzen bis zum obersten Gericht,<br />

dem RKG, appellierten. Für die Prozessführung<br />

am RKG wurden alle Unterlagen, die mit diesem<br />

Prozess zu tun hatten, zu einer Prozessakte<br />

zusammengetragen. Zu diesen Unterlagen<br />

gehörten: die Protokolle und Urteile aus früheren<br />

Verhandlungen am churfürstlichen Hofgericht<br />

zu Koblenz und am Maximiner Amtsgericht<br />

in Trier, Urkunden und Weisthümer, Kartenzeichnungen<br />

und Zeugenvernehmungen. In<br />

der vorliegenden Grenzstreitigkeit zwischen<br />

Schönberg und Breidt umfasst die Prozessakte<br />

fast 1 000 Seiten. Neben dem eigentlichen Prozessverlauf<br />

ist die Akte eine Fundgrube für den<br />

Heimatforscher. Die Akte enthält: Namen der<br />

Deputierten und Namenslisten der Haushaltsvorstände<br />

beider Dörfer, Namen der Zeugen<br />

und Zeugenaussagen, die über die Sozialstruktur<br />

der damaligen Zeit Auskunft geben; Flurnamen,<br />

Grenzbeschreibungen und erste kartographische<br />

Zeugnisse der Gemarkung. Auch<br />

Spuren der großen Politik sind zu finden. Zwei<br />

große Ereignisse fanden während des fast 200<br />

Jahre währenden Streits statt: der 30-jährige<br />

Krieg und die Französische Revolution.<br />

Anhand der vielen Protokolle, Urteile, Zeugenaussagen<br />

und Notizen der Advokaten soll der<br />

zeitliche Verlauf des Grenzstreits beschrieben<br />

werden. Tugenden und Untugenden unserer<br />

Vorfahren sollen beleuchtet werden. Flurna-<br />

173


men und Wegbezeichnungen, die unsere Vorfahren<br />

unserer Heimat gaben, sollen aus der<br />

Vergessenheit zurückgeholt werden.<br />

Wann der Streit zwischen Schönberg und<br />

Breidt um die Wilden und Hecken uff Herrl begann,<br />

liegt im Dunkeln. Die erste schriftliche<br />

Nachricht ist datiert vom 25. Januar 1628. Sie<br />

enthält eine Abschrift des Urteils der Klage<br />

Breidt gegen Schönberg aus dem Jahre 1626.<br />

In dem Urteil heißt es: ...wird erklärt, daß den<br />

Beklagten (Schönberg) nit geziehmen noch gebühren<br />

wollen, klagende Gemeinde (Breidt) der<br />

in actis bemelten streitiger Wilden und Hecken<br />

uff Herrl zu turbiren (behindern), sondern darahn<br />

zu viel und unbillig gethan, ...die klagende<br />

Gemeinde soll den strittigen Ort erhalten und<br />

schirmen, die beklagte Gemeinde muß die erwachsenen<br />

Unkosten tragen.<br />

Für unser heutiges Verständnis war das Urteil<br />

nicht präzise formuliert. Eine einigermaßen genaue<br />

Grenzbeschreibung des strittigen Ortes<br />

fehlte. Auch in unserer Zeit umfasst die Distriktbezeichnung<br />

in der Wild und in der Heck, - der<br />

Bereich der Wilden und Hecken uff Herrl aus<br />

der Streitsache -, ein größeres Gebiet mit vielen<br />

Einzelflurnamen. So ist es nicht verwunderlich,<br />

dass trotz dieses Urteils der Streit weiterging.<br />

Am 18. Mai 1629 richteten Zender und Ge-<br />

174<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

meinde des Dorfs Schönberg eine hochnotwendige<br />

Bittschrift an den Maximiner Amtmann<br />

mit folgendem Inhalt: Zender und Gemeind<br />

des Dorffs Schönberg haben eine pferdeswayd<br />

bey Trittschel ahn die 20 Jahre, jetzt<br />

mit einer lebendig gewachsenen Hecke umgeben<br />

ohne Nachteil für die benachbarten Dörfer,<br />

mit unseren Pferden und Viehe abgenutzt. des<br />

ungeachtet haben Zender und Gemeinde zu<br />

Breidt heutigen Tags 18. Mai 1629 gelüsten lassen<br />

die pferdesperg niederzuhauen, auszuwerfen,<br />

zu vertilgen, ihr Vieh dorthin zu führen, abzuweiden<br />

...sie haben ihren Hirten zum hüten<br />

hingeschickt, andere gemeine Hauffen haben<br />

sich dort versteckt und aufgelauert, ob jemand<br />

pfändung gegen ihr Vieh deswegen wollte vornehmen.<br />

Als drei von unseren Nachbarn kommen<br />

solche turbation und Gewalttaten in effectu<br />

befinden, wir billig deswegen mit pfändung<br />

gegen sie und ihren Hirten und das Vieh verfahren<br />

sollen, seyend beklagte Gewalttäter und<br />

turbatores herauff gewischt gesagte unsere<br />

Nachbarn nit allein die pfand mit gewalt uff unserer<br />

Hoheit und bann entschlagen, sondern<br />

auch ganz feindlicherweis angelaufen, übel geschlagen<br />

und verwund, ja einer mit namen...<br />

hat mit einer Schiffel hauen, hinderwerths auf<br />

das Haupt geschlagen, das wohl sagen mögte<br />

wär ein Mörders Streich gewesen ...deshalb<br />

Abb.1:<br />

� Diesen Bezirk nennen<br />

die Breidter uff Herrl;<br />

� gehört den Breidter,-<br />

Schönberger Kappesstücker-,<br />

die Schönberger<br />

Heck;<br />

� Locus pignorationis<br />

(Ort, wo gepfändet wurde),<br />

grauen Stein;<br />

� Kalenborn, Breidter<br />

Eigenland, Wacken,<br />

Breidterwieß<br />

� der Brimmen bei dem<br />

ronden baum;<br />

� Grenzen/Marken: bitzenborn,<br />

Mark, buchenreiß,<br />

Scheidborn, Scheidweg,<br />

Mark, Saltzborn


unser unterthänig Bitt, euer Hochwürden und<br />

Gnaden wollen von rechts und billigkeit wegen<br />

beklagte und gemeine Thäter dahin anhalten<br />

zwingen und dringen sich mit dem Vieh aussenhalten,<br />

wegen zugefügter Schmerzen und<br />

...die wohlverdiente Buss mit allen Unkosten<br />

Schadens abtragen sollen... Das Urteil erging<br />

am 17. Juni 1629 und darin steht: In Sachen<br />

Schönberg gegen Breidt wird zu recht erkannt,<br />

daß beklagte schuldig seyn sollen...und die Kosten<br />

zu tragen haben.<br />

Nach diesen ersten Auseinandersetzungen fragen<br />

wir uns: Was sind die Ursachen für diese<br />

und die noch viele Jahre dauernde Streitigkeit?<br />

Dazu einige Informationen: Schönberg und<br />

Breidt, die mit Büdlich eine Meyerei bildeten,<br />

gehörten beide zum Amt Maximin. Offensichtlich<br />

gab es in einem Grenzbereich zwischen<br />

beiden Dörfern Maximinisches Land, das gemeinweidig<br />

war, d. h. beide Dörfer durften dort<br />

ihr Vieh weiden, nämlich in den Wilden und<br />

Hecken uff Herrl. Aber wie verliefen die Grenzen<br />

dieses Bezirks? Grenzsteine wie heute gab<br />

es nicht. Der Grenzverlauf wurde von den älteren<br />

Leuten mündlich weitergegeben und im sogenannten<br />

Jahrgeding festgelegt.<br />

Als Grenzpunkte wurden Quellen (Brunnen),<br />

markante Bäume und Wegführungen angesehen.<br />

Und so sagten die Zeugen, die von der<br />

Gemeinde benannt und zu der Auseinandersetzung<br />

vom 18. Mai 1629 gehört wurden:<br />

...daß der Distrikt vom Kalenborn zum Buchenreis<br />

bis zum Bitzenborn uff Herrl genannt wird,<br />

daß der Bezirk gemeinwaydig seyend, und daß<br />

die Perg nit alda gewesen... Der Zeuge<br />

Schohmachers Wilhelm von Haff zu Fell sagte:<br />

als er vor 27 Jahren zu Breidt gewohnt und die<br />

Kühen und Geissen gehütet, sei die strittige<br />

Perg nit gewesen, er sei gewarnt worden, er<br />

solt nit holz hauen uff hanen trainen landt, so in<br />

dem Broch gelegen, denn es würde dort eine<br />

seltsame Frau gesehen ... dies Buchenreis<br />

scheid nicht allein beyde Dörfer Schönberg und<br />

Breidt sondern auch das landbezirk Trier und<br />

Maximin. Der Zeuge Schieffer Jakob aus Geisfeld<br />

sagte: das hanenland liege nicht in der jetzt<br />

strittigen perg und dem Bruch, sondern in der<br />

Herrler Heck. Die perg sei vor etwa 16 Jahren<br />

gemacht worden und die Breidter hätten etliche<br />

male Löcher in die Hecken gehauen, welche<br />

die Schönberger wieder zugemacht haben,<br />

er der Zeuge war aber nicht dabei.<br />

Wie in den Akten vermerkt, wurde bei diesen<br />

Verhandlungen im Jahre 1629 Abbildung 1 als<br />

Karte beigefügt. Die Skizze verdeutlicht das<br />

Problem: Nach den Zeugenaussagen bildet der<br />

Breidenweg mit dem Heidenbergerweg die<br />

Grenze zwischen Schönberg und Breidter<br />

Weidgang. Die Grenzpunkte der Bitzenborn,<br />

die Mark, das Buchenreis (rechts oben im Bild)<br />

bilden die Grenzen zu dem Dorf Berg-Licht.<br />

Dazwischen liegen die Schönberger Heck, die<br />

Schönberger Kappesstücker, Breidter (Eigen)land,<br />

der Landstrich, um den gestritten wird uff<br />

Herrl und die Schönberger Pferdesperg. Diese<br />

ist ganz wichtig, deshalb ist sie auch groß gezeichnet.<br />

Die hier genannten Orientierungspunkte wie<br />

Kalenborn, Bitzenborn und Broch waren auch<br />

uns noch bekannt. Wenn wir in diesem Distrikt<br />

auf den Feldern waren, gingen wir zum Kalenborn<br />

und holten Trinkwasser. Der Weg durch<br />

»das sumpfige hanen trainen land« zum Kalenborn<br />

war für uns Kinder auch unheimlich, denn<br />

die seltsame Frau, die dem Zeugen Schohmacher<br />

Wilhelm um 1600 Furcht einflößte, geisterte<br />

noch im Moor. Die Perg war ein uns bekannter<br />

Flurname. Nur wusste wohl niemand um<br />

den Ursprung des Namens. In dem Gebiet haben<br />

wir öfter kleine Hufeisen gefunden. Weil in<br />

unmittelbarer Nähe eine Römerstraße vorbeiführt,<br />

konnten die Hufeisen ihre Erklärung<br />

nur in einer stattgefundenen Römerschlacht<br />

finden. Der genannte Broch, ein sumpfiges,<br />

mooriges Wiesengelände, wurde vor dem<br />

Zweiten Weltkrieg vom Reichsarbeitsdienst<br />

durch Dränagerohre entwässert und trockengelegt.<br />

Die Streitigkeiten aus den Jahren 1626 bis<br />

1630 fallen in die Zeit des 30-jährigen Krieges.<br />

In den Prozessakten wird der Krieg nicht direkt<br />

erwähnt. Spätere Zeugenaussagen beziehen<br />

sich auf die Auswirkungen dieses Krieges in<br />

den Dörfern Schönberg und Breidt. So schreibt<br />

der Maximiner Amtmann im Protokoll vom 14.<br />

Juni 1670, dass, nachdem wegen der eingefallenen<br />

Kriegsleute und Kriegstroublen die Angelegenheit<br />

liegengeblieben war, die klagenden<br />

Parteien vor dem Amt Maximin den Prozess<br />

vom Jahre 1629 wieder aufnehmen wollten.<br />

Dies wurde ihnen gestattet, damit er zu einem<br />

Ende kommen mochte.<br />

Die Verhandlungen von 1670 brachten auch<br />

keine endgültige Klärung. Immer wieder taucht<br />

175


die Frage auf: Liegt die Schönberger Pferdesperg<br />

im Bereich uff Herrl, wie die Breidter behaupten,<br />

oder liegt sie außerhalb auf Schönberger<br />

Bann, wie die Schönberger behaupten?<br />

Der Streit ging weiter, und die nächsten Gerichtsverhandlungen<br />

begannen im Jahre 1708<br />

und zogen sich hin bis 1725, als die Gemeinde<br />

Breidt an das RKG appellierte. Ob Breidt oder<br />

Schönberg als Kläger auftrat, die Anklage lautete<br />

immer: ...betreffend den Waidstrich auf sogenannter<br />

Herrler Heck. Im Folgenden sollen<br />

nicht alle Klagen und Gegenklagen und die dazu<br />

ergangenen Urteile aufgelistet werden. Die<br />

Streitursache blieb und die Urteile wiederholten<br />

sich. Einmal wurde die Gemeinde Schönberg<br />

verurteilt, weil sie dem Hirten von Breidt<br />

ein Pferd gepfändet oder ihn beim Weiden auf<br />

dem strittigen Gelände gehindert hatte. Dann<br />

wurde die Gemeinde Breidt verurteilt, weil sie<br />

ihre Behauptungen nicht beweisen konnte,<br />

welches Gelände zur Herrler Heck gehört, oder<br />

weil sie Gewalt angewendet und die Umzäunung<br />

der Schönberger Pferdesperg oder Kappesgärten<br />

eingerissen hatten. Wichtiger und interessanter<br />

sind bei diesen Verhandlungen die<br />

Zeugenaussagen, aufgrund derer man Rückschlüsse<br />

auf die zeitlichen Verhältnisse und<br />

Gewohnheiten der Leute ziehen kann.<br />

Die folgenden Zeugenaussagen wurden in den<br />

Verhandlungen der Jahre 1708 bis 1711 gemacht.<br />

Sie beschreiben Erinnerungen an die<br />

Zeit nach dem 30jährigen Krieg bis etwa 1700.<br />

Deshalb vorab einige geschichtliche Hintergrundinformationen<br />

aus dieser Zeit, die das<br />

Erzstift Trier und das Trierer Land und damit<br />

auch die Dörfer Breidt und Schönberg betreffen.<br />

Als Grenzland zwischen Frankreich und<br />

Deutschland geriet unsere Heimat oft zwischen<br />

die Mahlsteine der großen Politik und wurde<br />

deshalb wundgerieben und ausgesaugt. Von<br />

1623 bis 1652 regierte Philipp Christoph von<br />

Sötern als Kurfürst und Bischof in Trier. Um<br />

seine Macht zu vergrößern, wollte er 1625 von<br />

der Abtei St. Maximin Besitz ergreifen. Maximin<br />

wehrte sich und suchte Hilfe bei der Schutzmacht<br />

Luxemburg, das mit Belgien und den<br />

Niederlanden zu Spanien gehörte. Daraufhin<br />

rückten spanische Truppen in Trier ein. 1632<br />

verbündete sich der Kurfürst mit Frankreich,<br />

und die spanische Besatzung musste der französischen<br />

Übermacht weichen. Das Land litt<br />

176<br />

dann unter der Herrschaft der Franzosen. Diese<br />

wurden 1635 ein weiteres Mal besiegt, und<br />

es zogen wieder spanische Truppen in Trier<br />

ein. 1645 wandte sich die Lage erneut. Der Kurfürst<br />

zog unter dem Schutz französischer Truppen<br />

wieder in Trier ein. Das Land litt erneut unter<br />

französischer Einquartierung. Der ersehnte<br />

Friede nach dem 30-jährigen Krieg brachte unserer<br />

Heimat keine lange Ruhepause. Der Sonnenkönig<br />

Ludwig XIV. von Frankreich benutzte<br />

das Trierer Land in seinen Eroberungskriegen<br />

gegen die spanischen Niederlande als Aufmarsch-<br />

und Durchzugsgebiet. So wurde das<br />

Land ab 1670 wieder durch Kriege ausgeraubt<br />

und geplündert. Ein Bericht des Amtmanns von<br />

St. Maximin aus dem Jahre 1673 beschreibt<br />

die Situation folgendermaßen: Alle Dorfschaften<br />

des Amts St. Maximin sind überfüllt mit<br />

Kriegsvolk, Mußgetiers und Leibgarde des Königs.<br />

Es sind Häuser, worin 6 oder 8 zugleich<br />

und so viel Knecht und Pferd inlogiert sein. Sie<br />

verzehren und verderben die ganze Ernte. Es ist<br />

ein Jammer zu sehen und zu hören der armen<br />

verderbten Unterthanen Geschrei und Lamentation.<br />

In Trier lebten 1675 nur noch etwa 3 600 Einwohner.<br />

Auch in den Dörfern des Trierer Landes<br />

waren sehr viele Menschen in den Kriegswirren<br />

umgekommen oder verhungert. So sagte<br />

der Zeuge Thömmes Peter: ...es wären damals<br />

nur acht oder neun hausstätten alda (in<br />

Schönberg) gewesen. Wegen der Kriegszeiten<br />

wären wenig Leuthe und wenig Vieh gewesen.<br />

Diese Aussage wird bestätigt durch eine Erhebungsliste<br />

3 des Amts St. Maximin aus dem<br />

Jahre 1654, also direkt nach dem 30-jährigen<br />

Krieg. Darin werden in Schönberg 6 Hausstätten<br />

(Familien) mit Namen genannt. Wie viele<br />

Familien vor dem 30-jährigen Krieg in Schönberg<br />

lebten, müsste noch untersucht werden.<br />

Aus Angaben des Klosters St. Maximin geht<br />

hervor, dass in der Zeit um 1200 mindestens 25<br />

Familien in Schönberg wohnten. Geht man davon<br />

aus, dass die Einwohnerzahl in den folgenden<br />

Jahrhunderten mäßig zunahm, dann sind<br />

in den Kriegswirren 3 /4 der Bevölkerung umgekommen.<br />

Die Aussagen von zwei weiteren<br />

Zeugen beziehen sich ebenfalls auf die Kriegswirren.<br />

Johann Ohleris sagte: ...er habe vor 40<br />

Jahren etwa fünf Jahre lang die Schafe zu<br />

Breidt gehütet, die Thüringischen Völker (Soldaten)<br />

hätten bei ihrem Durchzug die Breidter


Herden hinweggenommen.... Ein anderer sagte:<br />

...er habe um das Jahre 1674 oder 1675 die<br />

Schafe zu Breidt geführet, das Kriegsvolk hätte<br />

dieselben und die Schönberger genötigt ihr<br />

Vieh ins gewälds zu fliehen.<br />

Andere Zeugen berichten, dass sie in dem besagten<br />

Gebiet das Vieh gehütet hätten, ohne<br />

von den Schönbergern gestört worden zu sein.<br />

Ein Zeuge sagte: ... er erinnere sich auch einmal<br />

bei dem Buchenreis mit dem Vieh gehalten,<br />

die Schönberger von Büdlich auf einen Sonnoder<br />

Feiertag mit großer Menge aus der Büdlicher<br />

ihrer Pfarrkirchen kommen und langst sie<br />

gangen, hätten aber darahn nicht gestört und<br />

sie weiden lassen. Er hätte unterschiedlich<br />

mahlen gesehen, daß die Breidter Kühe und<br />

Schafe mit den Schönberger Kühen und Schafen<br />

in dem Bezirk miteinander geweidet, da<br />

niehmalen von einem Streit wegen gemeinwayden<br />

gehört, er hätte mit dem Breidter Vieh zu<br />

Mittag im onner gelegen und hetten die Schönberger<br />

mit ihrem Vieh bei ihm gelegen.<br />

Aus den Zeugenaussagen wird deutlich, daß<br />

der Streit in den Jahren von 1650 bis 1700 ruhte,<br />

weil, wie oben geschildert, wenige Familien<br />

in den Dörfern wohnten, deshalb wenig Vieh da<br />

war, und das Weideland für beide Dörfer reichte.<br />

Um 1710 scheint sich Schönberg von den Wirren<br />

der Kriege erholt und die Einwohnerzahl<br />

wieder zugenommen zu haben. Schönberg begründet<br />

am 4. Februar 1710 seine erneute Klage<br />

gegen Breidt mit dem Argument: ...daß wan<br />

die Breidter berechtiget seyen und auch die<br />

Herrler Heck platzen nach belieben fahren sollen,<br />

die Schönberger bei jetzt angewachsener<br />

Einwohnerzahl unmöglich das notwendige Viehe<br />

halten könnten.<br />

In den Verhandlungen der Jahre 1710 und 1711<br />

wurden noch einmal Zeugen vernommen. Am<br />

30. September 1710 wurde auch die Karte<br />

nach Abb. 1 vorgelegt. Weiterhin wurden am<br />

7. Februar 1711 auf der churfürstlichen Kantzley<br />

zu Trier die Deputierten beider Gemeinden<br />

befragt. 4<br />

Das Ergebnis der Befragung war: der strittige<br />

Ort bei bitzenborn blieb zu beider Dörfer Bann<br />

und Bezirk gemeinweidig. Breidt war mit dem<br />

Ergebnis der Befragung nicht zufrieden und<br />

appellierte am 16. Februar 1711 an das churfürstliche<br />

Hofgericht in Koblenz. An die Gemeinde<br />

Schönberg erging die Aufforderung,<br />

am 21. Tag nach Verkündigung morgens vor<br />

den churfürstlichen Hofgerichts-Directoren zu<br />

erscheinen, um auf die Anklagen zu antworten.<br />

Im Urteil vom 28. April 1718 wurde die Appellation<br />

zurückgewiesen. Der Urteilsspruch lautete:<br />

... in puncto limitum (grenzen) wird aus den vorliegenden<br />

acten hiermit zu recht erkennt, daß<br />

vom Richter voriger Instanz wohl gesprochen,<br />

übel davon appelliert, darumb die Urteil dahin<br />

zu bestätigen, daß die appellation in dem<br />

Schieffelland oben dem liegenden Scheid oder<br />

bitzenborn, auch in dem streitigen Kappesgarten<br />

wohl gepfändet, appellantes den Zaun allda<br />

mit Unrecht abgeworfen, und darum appellati<br />

von dem weg so langs der appellantes pferdesperg<br />

gehet bis an den Salzborn, davon jetziger<br />

Quellen nach die linie zu ziehen, davon dannen<br />

bis an den Scheidstein ... Koblenz am Churfürstlichen<br />

Hofgericht 28. April 1718. Hier wird<br />

der Kappesgarten genannt, der schon in Abb. 1<br />

eingezeichnet ist und auf ihn geht der Breidter<br />

Schlachtruf: Schemerijer Kappesbauern<br />

zurück, der oben genannt wurde.<br />

Die Akten zeigen weiterhin, dass Schönberg<br />

langsam des Streitens müde wird. Es wird beklagt,<br />

dass Breidt sie zu zwei Prozessen an das<br />

Hofgericht nach Koblenz gezogen hat. Der eine<br />

Prozess aus dem Jahre 1711 beziehe sich auf<br />

das Weiderecht (puncto pascui), der andere<br />

aus dem Jahre 1714 beziehe sich auf Grenzstreitigkeit<br />

(puncto limitum). Schönberg drängt<br />

auf Beendigung des Streits. Es schlägt vor,<br />

beide Parteien sollen sich einigen, was in dem<br />

Maximiner Urteil von 1628 enthaltenen Wilden<br />

und Hecken uff Herrl zu verstehen sei, das soll<br />

von beiden Dörfern unterschrieben werden.<br />

Am 1. Juli 1718 werden die Vertreter beider<br />

Gemeinden zum Vertreter des Hofgerichts Coblentz<br />

nach Trier eingeladen. Es wird ihnen der<br />

Vorschlag gemacht, neutrale Beobachter einzuladen<br />

und eine Ortsinspektion vorzunehmen.<br />

5 Das Schema nach Abb. 2 wurde visitiert<br />

von Mark zu Mark, von Zeichen zu Zeichen und<br />

am 7. Juli den Gemeinden zur Unterschrift vorgelegt.<br />

Abbildung 2 zeigt, dass die Vertreter der beiden<br />

Gemeinden sich weitgehend geeinigt haben.<br />

Der Streit um die Schönberger Pferdesperg<br />

scheint ausgeräumt worden zu sein. Der<br />

strittige Bezirk Herrler Heck ist durch Markierungen<br />

gekennzeichnet. Dieser Bezirk bleibt<br />

weiterhin gemeinweidig.<br />

177


Bis zum Jahre 1718 haben unsere Vorfahren<br />

schon etwa hundert Jahre um die Herrler Heck<br />

gestritten und viel Geld dafür bezahlt. Wie sich<br />

die Sache für den Notar Geyfgens, Bevollmächtigter<br />

des Hochgerichts Coblentz in Trier,<br />

darstellte, zeigt folgende Mitteilung von ihm, in<br />

dem er bemerkt, dass die Gemeinde Breidt das<br />

genannte Schema (Abb. 2) angenommen habe.<br />

Weiter schreibt er: ... der rechte Streit bestehet<br />

in dem ganzen Bezirk der sogenannten Herrler<br />

Heck, allwo beide Gemeinden gemeinwaydig<br />

seien sollen. Und ich für solchen ganzen Bezirk<br />

wan zu Breidt oder Schönberg wohnen thäte<br />

nit zehn Reichsthaler dafür geben wollte, liegt<br />

hoch auffm Berg, ist gar rauw, dürr druckene<br />

(trockene) wilde Erde, gar wenig Weid auszunutzen<br />

ist, seyend beiderseits - wan mit Wahrheit<br />

reden darf - hartnäckige Leuth, keiner dem<br />

anderen weihwill (wohlwollend), selbsten beide<br />

gemeinde bekennet daß der Ort mehr als 200<br />

Reichsthaler allbereits gekostet hette, dennoch<br />

sich nit untereinander accomodieren (einigen)<br />

können. Breidt den 7. Juli 1718 Geyfgens.<br />

Notar Geyfgens hatte Recht, wenn er sagte, es<br />

sind hartnäckige Leuth, denn schon am 8. Februar<br />

1719 zogen beide Dörfer wieder vor Gericht.<br />

Wieder die gleiche Frage: wo liegt die<br />

Herrler Heck? Die Gemeinde Breidt hatte in Er-<br />

178<br />

fahrung gebracht, dass in der gräflichen Wittgenstein<br />

Neumagischen repositur (Aktenarchiv)<br />

zu Berleburg uralte Dokumente und Briefschaften<br />

befindlich sein sollen, woraus man<br />

Auskünfte bezüglich der Herrler Heck bekommen<br />

könnte. Die wollten sie einsehen. Es wird<br />

sogar genau angegeben, wo sich die Akten befinden;<br />

und zwar: achte lade darauf geschrieben<br />

Neumagen. Ein pergament Brief mit anhangendem<br />

Siegel, die Verpfändung der Dörfer<br />

Büdlich und Breidt und der zwey Neuweiler<br />

(Naurath) groß und klein, Bach und Schönberg<br />

betreffend aus dem Jahre 1458. Dieser Hinweis<br />

bezieht sich auf die Zeit, als die Vögte von Hunolstein<br />

die genannten Dörfer zu Lehen hatten.<br />

Der Notar in Neumagen bestätigte, dass die<br />

Herrschaft Wittgenstein in der Gemeinde Büdlich<br />

und Breidt Ländereien hatte. Es geht aber<br />

nicht daraus hervor, dass die Herrler Heck zu<br />

den Ländereien derer von Wittgenstein gehörten.<br />

So geschehen zu Neumagen 6. Mai 1719.<br />

Weiterhin werden Weisthümer aus dem Kayserlichen<br />

Dorf zu Detzem aus den Jahren 1537<br />

und 1562 zu Rate gezogen. Darin steht der Bericht<br />

über das freie Jahrgeding. Vertreter der<br />

Meyereien: Detzem, Poelich, Büdlich, Breidt<br />

und Schönberg kamen dabei zusammen und<br />

legten die Banngrenzen fest. Interessant ist ei-<br />

Abb. 2:<br />

� Grenzbezeichnungen: A)<br />

Ein Mark an der Römerstraß;<br />

B) Salßborn; C) ein Mark;<br />

D) ein bohr oder brunnen;<br />

�<br />

E) der bitzenborn; F) ein<br />

Mark; G) buchenreis und ein<br />

Mark; H) die sogenannte<br />

Römerstraß; J) Schönberger<br />

Pferdesperg; K) Dorff<br />

�<br />

Schönberg; L) breidter pferdesperg;<br />

M) Dorff breidt;<br />

� Hoc schema approbatur<br />

�<br />

nomine Communitatis in<br />

Breidt zender Meyer in Trittenheim.<br />

Dieses Schema<br />

�<br />

halte ich namens der Gemeinde<br />

Schönberg vor gutt,<br />

außerhalb, daß kein Herrler<br />

Heck und kein römerstraß so zum Zeichen oder Scheid dienen solle erkennen. Breidt den 7. Juli 1718<br />

� Daß ich unterschriebener vor ahngefehr drei oder 4 Jahren auf requisition....Junck ...von Trier in loco<br />

quath (strittiger Ort) in beysein desselben also in dieser Form gegenwärthiges Schema eingereicht habe,<br />

wird hiermit beschienen. Trier den 23. Mai 1718 Tilmanns


ne Formulierung, die damals für diese Dörfer<br />

gebraucht wurde, nämlich: das St. Maximinische<br />

Kirchspiel. Eine Bezeichnung, die sich in<br />

anderen Gegenden bis heute erhalten hat.<br />

In Urteilen des Hofgerichts zu Koblenz vom 20.<br />

Oktober 1722 und vom 11. Oktober 1725 wurde<br />

der strittige Bezirk bei Bitzenborn der Gemeinde<br />

Schönberg zuerkannt, weil er auf ihrer<br />

Hoheit liegt, so das Gericht. Mit diesem Urteil<br />

war die Gemeinde Breidt nicht einverstanden<br />

und appellierte an das RKG in Wetzlar. Am 20.<br />

Januar 1726 wurde der Prozess am RKG eröffnet.<br />

Am 27. Februar 1726 um 10 Uhr erschien<br />

der Gerichtsbote Jacob Michel in Schönberg<br />

beim dortigen Bürgermeister Jakob Matheiß<br />

und informierte über den Appellationsprozess.<br />

Er zeigte das Beglaubigungsschreiben und Unterlagen.<br />

Die Gemeinde Breidt wurde vertreten<br />

durch den Advokaten am RKG, Joh. Wilhelm<br />

Weilach. Die Vollmacht für Weilach wurde von<br />

24 Breidter Bürgern unterschrieben. Die Bürger<br />

von Schönberg bevollmächtigten den Advokaten<br />

am RKG, Wilhelm Brack. Alle bis zu diesem<br />

Zeitpunkt angefertigten Unterlagen - Klageschriften,<br />

Urteile, Zeugenaussagen, Protokolle<br />

- wurden zusammengestellt und zu einem Votum<br />

zusammengefasst. Am 21. März 1730<br />

schien der Streitfall entscheidungsreif, denn er<br />

wurde mit completum (d. h. vollständig) vermerkt.<br />

Ein Urteil wurde aber noch nicht gesprochen,<br />

denn im Prozessverlauf wurde vermerkt,<br />

dass in den folgenden Jahren nichts geschehen<br />

sei (19. Juni 1754). Am 21. April 1769 stand<br />

der Prozess am RKG zwar wieder auf der Tagesordnung.<br />

Aber in diesem und den darauf<br />

folgenden Jahren geschah nichts mehr. Beide<br />

Dörfer waren während der vielen Jahre arm und<br />

des Streitens müde geworden. Am 5. Oktober<br />

1808 wurde ein Urteil gesprochen. Darin wurden<br />

zwei Aussagen gemacht: 1. das Petitionsgesuch<br />

wurde gewährt, d. h. Breidt durfte - wie<br />

anno 1626 schon bestätigt - auf Herrler Heck<br />

das Vieh weiden (ius compascui) 2. das Possesionsgesuch<br />

- d. h. der Antrag, die Herrler Heck<br />

als Breidter Bezirk zu erklären, wurde abgelehnt.<br />

In dem Urteil wurde den Parteien freigestellt,<br />

die offenen Fragen in einem weiteren Prozess<br />

gerichtlich klären zu lassen. Es sind aber keine<br />

weiteren Unterlagen vorhanden und daraus<br />

folgt, es wurde nicht weiter prozessiert. Oder<br />

wurde dieser 200jährige Streit von der großen<br />

Politik überrollt? 1814/15 ging wieder einmal<br />

eine französische Besatzung des Trierer Landes<br />

zu Ende, es kam zu Preußen. Das RKG<br />

wurde aufgelöst und die Akte um die Wilden<br />

und Hecken uff Herrl geschlossen.<br />

Uns bleibt die Frage, warum haben unsere Vorfahren<br />

so lange um diese dürre, trockene und<br />

wilde Erde, keine zehn Thaler wert, wie Notar<br />

Geyfgens sagte, gestritten? Sicher war es der<br />

Wille, in schwieriger Zeit zu überleben, und die<br />

Grundlage dafür war ihr Land und ihr Vieh. Aber<br />

von unserer Wohlstandswarte aus betrachtet<br />

werden wir diesen Überlebenskampf unserer<br />

Vorfahren wohl nie ganz verstehen.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Flurname in Schönberg.<br />

2 Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 96, Nr. 256.<br />

3 Stadtbibliothek Trier.<br />

4 Befragung:<br />

1. erstlich wurden die Schönberger erfragt ob sie denen von Breidt<br />

die Übertrift ihres Viehes über die Wacken in ihr der Breidter aigenland<br />

zur Wayd geständig? Antworten die Schönberger: sie gestunden<br />

den Breidter die Übertrifft zur wayden in der Breidter aigenland,<br />

so sich in den wacken nennet bis zum Kalenborn, gleichmäßig<br />

in der Breidter wiesen so viel den Breidter aigen ist, und seie bei<br />

diesem Ort kein Streit.<br />

2. gestunden die Schönberger auf erfragen denen Breidter aigenland<br />

zu bitzenborn zu auf Schönberger Hoheit, welches sie die<br />

Schönberger Heck nennen, den Breidter aber gestunden die<br />

Schönberger keineswegs die Übertrifft daselbst.<br />

3. Die breidter werden gefragt, ob der strittige Ort auf Schönberger<br />

jurisdiction (Hoheit) gelegen seye geständig oder nicht? Sie antworten,<br />

daß die Hoheit, auf welcher der strittige Ort gelegen den<br />

Schönbergern und den Breidtern gemein seye.<br />

4. wurden die Breidter gefragt, warumb sie dan in der acte angeben,<br />

daß sie über der Schönberger land zu ihren Eigenland zur wayden<br />

fahren müßten, und warumb sie in der acte angaben solche<br />

Gerechtigkeit von den Schönbergern erkauft zu haben? Antworten<br />

sie, daß der strittige district außer ihrem Eigenland, dem Schönberger<br />

eigenthümblich zugehöre, sie hätten aber die Mitweid darauf<br />

gleich wie die Schönberger auch auf ihrem Breidter land die Mitweid<br />

hätten.<br />

5. seyend die Schönberger geständig, daß zwar eine Hoheit nemblich<br />

St. Maximinisch seye, beyde Gemeinde aber hetten ihren besonderen<br />

Bezirk und auf ihrem Schönberger Bezirk seie das strittige<br />

Land gelegen.<br />

6. Breidter wurden gefragt warumb sie laut protokoll vom 14. Juni<br />

1670 die gemeinwayd auf dem strittigen Ort weiter nit als auf ihrem<br />

Eigenland begehrt anjetzo aber auch darüber auf der Schönberger<br />

Eigenland die Mitweid forderten. Antworten die Breidter sie wüßten<br />

nicht wie weit ihr eigenland sich erstrecke, Schönberger aber offerierten<br />

zu zeigen wie weith der Breidter eigenland gehe.´<br />

5. Die eingeladenen Vertreter von Breidt waren: Theis Haubrick, Alten<br />

Class und Muhlers Theis. Auf Seiten der Schönberger: Hans Peter<br />

Schömer und Theobald Peter. Am 6. Juli findet die Besichtigung<br />

statt. Als neutrale Beobachter waren anwesend: Johann Georg<br />

Martini Hochgerichtsland Zender von Morbach vom Commissar<br />

des Hofgerichts benannt. Niclas Zender Meyer zu Trittenheim auf<br />

Seiten Breidt. Auf Seiten der Gemeinde Schönberg Henser Ambtmann<br />

zu Drohnecken. Doctor Molitor als Advokat der Gemeinde<br />

Schönberg.<br />

179


Seit dem 16. März 1961 darf Wenigerath, Ortsbezirk<br />

der verbandsfreien Einheitsgemeinde<br />

Morbach (so seit dem 31. Dezember 1974, vorher:<br />

Verbandsgemeinde) ein eigenes Wappen<br />

führen 1 . Damals hatte der Bonner Kommunalbeamte<br />

Dr. Decku für die Gemeinden des Amtes<br />

Morbach eigene Wappen nach den Regeln<br />

der Heraldik entworfen, so auch das Wenigerather:<br />

In der oberen Hälfte zeigt es auf silbernem<br />

Grund ein rotes Balkenkreuz, also das<br />

Wappen des ehemaligen Erzbistums Trier, zu<br />

dessen Territorium Wenigerath bis 1794 gehörte.<br />

In der unteren Hälfte hat es auf grünem<br />

Grund zwei schragenförmig gekreuzte silberne<br />

Rodehacken. Damit weist es auf den zweiten<br />

Namensbestandteil hin, es ist ein sogenanntes<br />

redendes Wappen.<br />

In dieser spärlichen Form passt es eigentlich<br />

auf alle –rath-, -ert-, und –roth-Orte des Trierer<br />

Landes. Diese haben gewöhnlich noch einen<br />

Hinweis auf den Kirchenpatron, den anderen<br />

Namensteil oder sonst etwas Ortstypisches.<br />

Wenigeraths Wappen jedoch fällt auf durch<br />

das Weniger an weiteren Symbolen. Ja, dieses<br />

180<br />

Kapellenjubiläum bringt Wenigeraths<br />

Geschichte an den Tag<br />

Rudolf-Vitus Schabbach<br />

Weniger könnte man geradezu als versteckten<br />

Hinweis auf die ortsübliche Erklärung des Ortsnamens<br />

auffassen: Der Boden der Gemeinde<br />

sei so gut gewesen, dass man weniger als in<br />

der Nachbarschaft roden wollte, damals, als<br />

die Orte Hundheim, Bischofsdhron und Morbach<br />

in der zweiten fränkischen Landnahme<br />

darangingen, Tochtergemeinden 2 zu gründen.<br />

Klaus-Peter Schommer, einer der Autoren<br />

der Wenigerather Ortsbezirks-Chronik (1997),<br />

macht jedoch auf Folgendes aufmerksam: Bei<br />

der Namensgebung wird man wohl schwerlich<br />

das spätere Ergebnis der Rodung vorweggenommen<br />

haben, sondern diese Wenigerather<br />

Rodung wird wohl, wie bei allen anderen umliegenden<br />

Rodungsorten auch, als ersten Namensbestandteil<br />

den Namen des für die Rodung<br />

verantwortlichen Franken bekommen haben.<br />

3 Dem Versuch der Namensdeutung geht<br />

eine ausführliche Analyse der Schreibweisen<br />

des Ortsnamens zwischen 1315 und 1800 voraus.<br />

4 Demnach wird der erste Franke in Wenigerath<br />

den erschlossenen Personennamen<br />

Vingo (meine Deutung) oder den mit dem altdeutschen<br />

»Hoffnung« verwandten Personennamen<br />

Wanig (Schommers Deutung) getragen<br />

und der von ihm gegründeten Hofstelle eingebracht<br />

haben.<br />

Wie dem auch sei, die Autoren der Wenigerather<br />

Ortschronik gehen davon aus, dass die<br />

Siedlungsstelle Wenigerath nach einem Franken,<br />

der etwa im 12. Jahrhundert lebte, benannt<br />

wurde.<br />

So weit kommt man an schriftlichen Zeugnissen<br />

für unsere Dorfschaften des Morbacher<br />

Raumes allerdings nicht zurück. Eine der<br />

frühesten Nennungen ist die der Höfe des Grafen<br />

von Castel / Nonnweiler in »Morscheit«<br />

und in »Merscheit« im Jahre 1215. 5 Die meisten<br />

umliegenden Orte werden in der Salmschen<br />

Pfändung von 1281 genannt. 6 Das vermutlich<br />

»kleine« Wenigerath ist nicht dabei,<br />

sondern wird erst 1315 indirekt in einem Weis-


tum genannt durch die Angabe »zwene<br />

(Fryhoffe) zu wengeraid«. 7 Wie Klaus-Peter<br />

Schommer nach den Vorarbeiten des Altmeisters<br />

Heinrich Sturm sehr schön herausgearbeitet<br />

hat, sind durch die beiden Freihöfe in Wenigerath<br />

größere Bezirke eigenen Rechts herausgehoben.<br />

8 Das Weistum sagt aus, dass die auf<br />

dem Gebiet der Freihöfe wohnenden Leute<br />

dem Hof zu Drone hilfspflichtig waren.<br />

Sollten damals schon neben den Freihöfen andere<br />

Siedler oder Helfer für die Höfe gewohnt<br />

haben, so waren sie den entsprechenden Leuten<br />

in (dem späteren Bischofs-)Dhron zugeordnet.<br />

Denn zehntmäßig wurden Bischofsdhron<br />

und Wenigerath immer als eine Samtgemeinde<br />

9 behandelt, die die Abgaben nach<br />

der Kopf- oder Familienzahl aufteilen musste.<br />

Der älteste bekannte Einigungsvertrag bezüglich<br />

gemeinsamer Viehweiden nach offensichtlichen<br />

Streitigkeiten datiert von 1608. 10 (Durch<br />

den zweiten Winterschullehrer in Wenigeraths<br />

Geschichte, Georg Seuß, gelangte das Wenigerather<br />

Exemplar 1672 nach Bischofsdhron.)<br />

11 Ein Jahrhundert später waren die<br />

Streitigkeiten der beiden Gemeindeteile wiederum<br />

so stark angewachsen, dass ein siebenjähriger<br />

Prozess in Trier geführt wurde, der<br />

nach Wenigeraths Anrufung des »gnädigsten<br />

Landesvaters« durch Trierer Rechtsanwälte<br />

und unter Mithilfe der beiden ältesten Gerichtsschöffen<br />

des Bischofsdhroner Schöffengerichts,<br />

das bis Ende des 18. Jahrhunderts seine<br />

Kompetenz für die Umgebung zu behaupten<br />

wusste, im Jahr 1707 entschieden wurde und<br />

zur Aufteilung der gemeinsamen Weiden beider<br />

Ortsteile führte. 12<br />

Die Aufteilung der Samtgemeinde Bischofsdhron-Wenigerath<br />

war damit aber noch nicht<br />

verbunden, sondern der gemeinsame Zehnte<br />

blieb für beide bestehen und musste nach der<br />

Umwandlung des Zehnten in Geldzahlung<br />

gemäß der Anzahl der Haushalte umgelegt<br />

werden. Heinrich Sturm hatte Belege dafür gefunden,<br />

dass die Loslösung Wenigeraths von<br />

der Muttergemeinde Bischofsdhron erst um<br />

1790 gelang. 13 Leider machte er keine genauere<br />

Angabe über die Fundstelle. Aber in Zusammenarbeit<br />

mit dem zuständigen Archiv, dem<br />

Landeshauptarchiv in Koblenz, ist es Klaus-Peter<br />

Schommer gelungen, die endgültige<br />

Waldaufteilung zwischen Wenigerath und Bischofsdhron<br />

aufzufinden: Sie datiert vom 25.<br />

August 1828. 14 Weiter hat die Aufarbeitung von<br />

Wenigeraths Vergangenheit für die Erstellung<br />

der Chronik aus dem Anlass heraus, dass die<br />

neue (!) Wenigerather Kapelle 1997 gerade 250<br />

Jahre alt wurde 15 , dazu geführt, dass eine Fülle<br />

von Material vorgelegt werden konnte mit reichen<br />

historischen Erkenntnissen über Wenigerath.<br />

16<br />

Wie das Bischofsdhroner Schöffenweistum<br />

von 1560 17 belegt, hat sich inhaltlich in den vergangenen<br />

Jahrhunderten auch durch Balduins<br />

Organisation des Morbacher Landes (s. a.<br />

Schöffenweistum von 1431 18 ) kaum etwas<br />

geändert. Die Steuerlisten offenbaren, dass<br />

1651 bzw. 1654 19 beide Freihöfe noch existieren.<br />

Der eine, oberhalb der Kapelle gelegen,<br />

war 1588 20 und auch 1668 21 wieder an vier Rapperather<br />

verpachtet (als »die Hoube«). Durch<br />

die spätere Erweiterung Wenigeraths an der<br />

Straße entlang kam er von der Randlage immer<br />

mehr in die Ortsmitte und war wohl schon vor<br />

1700 an mehrere Wenigerather verkauft. Der<br />

andere Freihof, unterhalb der (alten) Kapelle 22<br />

ganz am unteren Ortsrand gelegen, war der sogenannte<br />

Hunolsteiner Hof, den Hunolsteiner<br />

Vögten, später deren Erben, den Herren von<br />

Züsch, bis um 1773 zugehörig. Er war seit 1603<br />

in der Hand der Leineweber- und Schmiedefamilie<br />

Herrig. 23 Im Dreißigjährigen Krieg zerstört,<br />

wurde er von Carl Caspar von der Leyen (1652<br />

bis 1676 Erzbischof von Trier) einem Förster<br />

»Meister Nicolas« zum Wiederaufbau übergeben,<br />

auf dass er hier in Wenigerath seinen Sitz<br />

nähme als der kurfürstliche Förster für den<br />

Idarwald. 24 Die Försterfamilie Pfeiffer, mit<br />

Schabbach verschwägert, stammte ursprünglich<br />

aus Senterfer (= St. Avold in Lothringen 25 ).<br />

Dieser zweite Hof, später auch (kurfürstlicher)<br />

Kameralhof genannt, hatte seinen Bestand bis<br />

zur Franzosenzeit. Um 1800 wird er wohl ganz<br />

an die Försterfamilie gelangt sein. Denn die<br />

Merscheider Familie Pfeiffer, Erbe der Wenigerather<br />

Familie Pfeiffer, hier inzwischen Herlach<br />

mit Familiennamen, lag laut Urkataster von<br />

1829 im Streit mit den Miterben. 26<br />

Es wird wohl nicht mehr zu klären sein, ob die<br />

Freihöfe oder hofunabhängige Siedler in Wenigerath<br />

zuerst zu finden waren. Jedenfalls hat<br />

die rechtliche Institution der Freihöfe nach Notund<br />

Zerstörungszeiten mit Sicherheit dafür gesorgt,<br />

dass der Wohnplatz Wenigerath wieder<br />

aufgebaut wurde und die Siedlungskontinuität<br />

181


gewahrt blieb. Nach dem Feuerbuch von<br />

1556 27 gab es in Wenigerath schon 12 Hausstätten,<br />

also etwa 60 Einwohner. In der Steuerliste<br />

1624 28 sind 13 Familien genannt, darunter<br />

die des späteren Jägers Paulus Jhanes. Nach<br />

dem seit 1583 geführten Buch der Taufen in<br />

Wenigerath 29 (Sie müssen in einer Hofkapelle<br />

oder in einer kleinen Vorläuferkapelle der heutigen,<br />

die bei den Visitationen nicht eigens erwähnt<br />

wird, durchgeführt worden sein.) waren<br />

darunter viele ältere Familien. Das brachte<br />

mich schon einmal auf die Idee, dass es vielleicht<br />

in Wenigerath ein Hospital oder eine Pflegestation<br />

gegeben habe, wofür es aber keinen<br />

konkreten Hinweis gibt. Jedenfalls war Wenigerath<br />

einer der kleineren Orte des Morbacher<br />

Landes und bisweilen sogar etwas größer als<br />

der eigentliche Pfarr- und Mutterort Bischofsdhron.<br />

1556 werden in Wenigerath schon ein Zender,<br />

ein Meier und ein Müller genannt. Spätestens<br />

zwei Generationen danach ist ein Jäger in Wenigerath<br />

ansässig. So ist es also keine große<br />

Besonderheit, wenn ab etwa 1652 Wenigerath<br />

aus der gesamten Umgebung durch den Erzbischof<br />

dadurch herausgehoben wird, dass es<br />

Sitz des für den ganzen kurfürstlichen Idarwald<br />

zusammen mit dem Hottenbacher Forst zuständigen<br />

Jägers wird, der auch die Aufsicht<br />

über den Fünfgemeinden-Wald hatte, den Leuten<br />

das Brand- und Bauholz anwies, für die<br />

Hochwild- und für die Auerhahnjagd zuständig<br />

war, die Bäche beaufsichtigte und für den<br />

<strong>Bernkastel</strong>er Kellner Forellen und Fische fing<br />

und dort auch lebendig einlieferte. Dr. Valentin<br />

Palm unterstreicht das, indem er sagt, dass die<br />

Leute der umliegenden Ortschaften nicht sagten,<br />

sie gingen zum kurfürstlichen Jäger, sondern<br />

sie gingen zum Wenigerather Jäger. 30<br />

In der Steuerliste von 1663 31 wird der Jäger<br />

Pfeiffer unter den sieben Steuerpflichtigen als<br />

»Meister Nicolas Waldfürster« genannt. Er war<br />

wohl am Aufbau Wenigeraths wesentlich beteiligt.<br />

Die wenigen Überlebenden und die Neusiedler<br />

in Wenigerath vollbrachten nach V.<br />

Palm 32 eine vorbildliche Kulturtat: Sie begründeten<br />

im Trierer Land eine der ersten Winterschulen<br />

im Jahr 1649, 20 Jahre vor der Verordnung<br />

der beiden Schulen der Pfarrei in Bischofsdhron<br />

bzw. in Rapperath 33 , indem sie mit<br />

einem Schreib- und Lesekundigen (vielleicht<br />

einem Hirten oder auch Handwerker) einen<br />

182<br />

Vertrag auf 14 Jahre zur Unterrichtung ihrer<br />

Kinder im Winterhalbjahr schlossen. Die Existenz<br />

der Wenigerather Winterschule wird bestätigt<br />

für 1672 34 im 1707 entschiedenen Weidestreit<br />

mit Bischofsdhron (s. o.). In Wenigerath<br />

ist heute noch aus dem Jahr 1736 ein Rechenbuch<br />

überliefert, das der Wenigerather<br />

»Schullmeister franciscus jung« für den (24jährigen)<br />

Matthias »pfeyffer« geschrieben hatte,<br />

um ihm das Zehnersystem und die vier<br />

Grundrechenarten zu erklären. 35<br />

Leineweberei besaß Wenigerath schon 1617 36<br />

und spätestens 1650 eine Schmiede mit dem<br />

Schmiedemeister Mathias Herrig, bei dem der<br />

jüngere der ersten beiden Brüder Schappach/Schabach<br />

das Schmiedehandwerk erlernt<br />

hat. 37 Wenn in Wenigerath nicht schon wie<br />

zum Beispiel in Bischofsdhron zur damaligen<br />

Zeit das Zimmermanns-Handwerk gepflegt<br />

worden war, brachte dies möglicherweise der<br />

ältere der beiden Schabbach-Brüder im Jahre<br />

1662 aus Gutenthal mit; er wird wohl auch Wirt<br />

in Wenigerath neben der alten Wenigerather<br />

Kapelle gewesen sein, die spätestens 1691 38<br />

als renommierter Kapitalgeber für den mittleren<br />

Moselraum nachgewiesen ist.<br />

So ist Handwerk also schon früh in Wenigerath<br />

vertreten, zwar nicht professionell, zur Besteuerung<br />

verwertbar, aber doch für die Nachbarschaftshilfe<br />

der Eingesessenen nutzbar.<br />

Spätestens gegen 1750 kommt auch in Wenigerath<br />

private Gerberei (Lohmühle Martini) 39<br />

dazu, wie sie bis Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

nach Erzählungen der Leute noch präsent ist<br />

(Flesch). 40 Während die Schmiedetradition in<br />

der Familie Schabbach im 19. Jahrhundert<br />

nach sechs Generationen zu Ende geht 41 (und<br />

von anderen Familien fortgeführt wird, z. B.<br />

Martini, Mettler, Marx), zeichnet sich ab 1780<br />

eine Wenigerather Schustertradition in dieser<br />

Familie ab, die hier allerdings auch nur noch in<br />

mehreren Hausnamen weiterlebt und längst in<br />

der Schabbach-Familie nach Bischofsdhron<br />

und von hier nach Hermeskeil weitergewandert<br />

ist, hier in sechster Generation noch blühend. 42<br />

Dass ein Schmied, ein Müller, ein Wagner am<br />

Ort wirkten, war nichts Besonderes, denn diese<br />

Dienste brauchte die Allgemeinheit. 1743 wurde<br />

in das Steuerprotokoll von Wenigerath aufgenommen,<br />

dass der Schmied sein Handwerk<br />

nicht professionell betrieb (sondern nur für sich<br />

und die Nachbarschaft) und deshalb nicht zur


Alte Wenigerather Mühle<br />

Gewerbesteuer veranlagt werden wollte; andernfalls<br />

würde er sein Handwerk ganz niederlegen<br />

43 (mit der Konsequenz, dass die anderen<br />

Steuerzahler dann in ihrem Bauernberuf unversorgt<br />

gewesen wären, was Pferd und Wagen<br />

und Hausgeschirr anging)!<br />

183


In Wenigerath scheint aber die Schmiedetradition<br />

noch einen tieferen Grund zu haben: Denn<br />

der heute etwas zurückgedrängte Flurname<br />

Iser 44 deutet auf früheres Erzschürfen hin, wie<br />

es auch aus der Nachbarschaft bekannt ist<br />

(Heinzerath, Hunolstein). Möglicherweise wurde<br />

auch Silber dabei gewonnen, was V. Palms<br />

Äußerung, Wenigerath habe ein mittelalterliches<br />

Bankinstitut für den Moselraum besessen,<br />

erklären und stützen würde. 45<br />

So wäre auch verständlich, dass Wenigerath<br />

schon 1556 Zender, Meier und Müller hatte.<br />

Während die alte Mühle (spätestens seit dem<br />

18. Jahrhundert Gemeinde- [Genossenschafts-]<br />

Mühle 46 ), an der Hunsrück-Höhenstraße<br />

gelegen und dadurch dem Autofahrer so<br />

vertraut, durch die Unterschutzstellung 1987<br />

erhalten bleibt und damit direkt auf ihre Tradition<br />

hinweist, erfährt man von einer anderen Wenigerather<br />

Einrichtung, der »Segmühl« an der<br />

Grenze zu Heinzerath, erst aus den Flurbezeichnungen<br />

im Wenigerather Urkataster von<br />

1829. 47 Zu dieser Zeit war aber schon kein Wenigerather<br />

mehr Anlieger dort, weil die schon<br />

vor 1720 erbaute Bischofsdhroner Sägemühle<br />

48 viel günstiger gelegen war.<br />

Dass Wenigerath schon vor der heutigen Kapelle<br />

aus dem Jahr 1747 49 eine alte Kapelle besaß,<br />

belegen Notizen zur Steuerveranlagung<br />

1773. 50 Vermutlich stammen die Holztafeln der<br />

Vierzehn Nothelfer des 17. Jahrhunderts, die<br />

im Lagerbuch der Pfarrei Bischofsdhron erwähnt<br />

werden 51 und von denen H. Vogts Ende<br />

der 1920er Jahre noch (alle?) vier gesehen<br />

hat 52 , aus der Zeit um 1660, als die Försterfamilie<br />

Pfeiffer aus St. Avold (Stadtpatron: hl. Hilarius)<br />

zugezogen war. Denn unter den von Pfarrer<br />

Finken († 1962) auf dem Emporenboden wiederentdeckten<br />

Holztafeln vom Anfang des 19.<br />

Jahrhunderts, also Erneuerungen der ganz alten,<br />

ist, abweichend vom gewöhnlichen Zyklus<br />

der Nothelfer, der hl. Ägidius durch den hl. »Hilarion«<br />

(!) ersetzt. 53<br />

Vom religiösen Leben in Wenigerath zeugen<br />

auch die namhaften Geldspenden, die Wenigerather<br />

Frauen und Männer der 1719 für die<br />

Pfarrei Bischofsdhron gegründeten Rosenkranzbruderschaft<br />

vermachten. 54<br />

Nach der Errichtung der neuen Kapelle bemühten<br />

sich die Wenigerather 1753, sechs Jahre<br />

später, angeführt von sechs namentlich Genannten,<br />

mit Erfolg um die Genehmigung einer<br />

184<br />

von ihnen gemeinschaftlich zu stiftenden<br />

Werktagsmesse und einer jährlichen Sonntagsmesse<br />

in ihrem Filialort zu Ehren der Vierzehnheiligen<br />

(vom Bischof wurde an erster<br />

Stelle der hl. Dionysius bestimmt). 55 Ein Bürger<br />

der Gemeinde (Nicolaus Schabbach) stiftete einen<br />

goldenen Kelch in barocker Form, ein anderer<br />

ein Messbuch.<br />

Aus dem kleinen Ort sind vier Geistliche hervorgegangen:<br />

Pfarrer und Definitor Matthias<br />

Schabbach, *1798; Pfarrer, Reichstags-Abgeordneter<br />

und Kirchengründer in USA, Johannes<br />

Greber, *1874 56 ; bischöflicher Notar, Dechant<br />

Johann Zerwes, *1879 und Prof. Dr.<br />

theol. Friedrich Andres, *1882. Außerdem sind<br />

aus Wenigerath sieben geistliche Schwestern<br />

und Brüder bekannt geworden sowie vier weitere<br />

noch mit einer Wenigerather Wurzel gefunden.<br />

57<br />

Wenigeraths materieller Reichtum bestand seit<br />

je in seinem Wald, der nach der Enteignung der<br />

geistlichen und weltlichen Herren um 1800 etwas<br />

über 160 Hektar umfasste. Wenn auch<br />

1955 für gut eine Generation 35 ha an das Munitionslager<br />

weggefallen waren (bei Bischofsdhron<br />

war es ebenso, bei Rapperath waren es<br />

sogar 90 ha 58 ), so wurden durch den Wald dennoch<br />

jährlich ca. 50 000 DM erwirtschaftet.<br />

Hiervon finanzierte die Gemeinde manche fortschrittliche<br />

Einrichtung. Besonders das erste<br />

Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg brachte<br />

eine Fülle von Maßnahmen unter dem rührigen<br />

Bürgermeister Matthias Martini: Wasserleitung<br />

und Kanalisation, Ausbau der Dorfstraße, Bau<br />

des Feuerwehrgerätehauses, Erweiterung der<br />

Kirche, nach der unendlichen Baugeschichte<br />

schließlich 1954 den Bau des Schulhauses,<br />

dann das Gefrierhaus.<br />

Wenn auch hiervon schon wieder vieles der<br />

Vergangenheit angehört und sich die wirtschaftliche<br />

Existenz vom ländlichen Hauptoder<br />

Nebenerwerb stark verlagert hat 59 , z. B.<br />

auf dem Dienstleistungssektor, so hat Wenigerath<br />

seine Größe doch gehalten und bietet sich<br />

darüber hinaus mit seinem Neubaugebiet als<br />

Wohnort an. Mehrere Gewerbebetriebe, darunter<br />

ein Omnibusbetrieb, ein Babyshop, ein Taxiunternehmen<br />

und ein Computerhandel, bieten<br />

30 Personen Arbeitsplatz. Das schmucke<br />

Örtchen ist lebendiger Bestandteil der aufstrebenden<br />

Hunsrückgemeinde Morbach am Erbeskopf.


Altar in der Kapelle Wenigerath<br />

185


Anmerkungen:<br />

1 Urkunde im Gemeindearchiv.<br />

2 S. a. Heinrich Sturm: Die Zenderei-Markgenossenschaft Bischofsdhron,<br />

in: Jahrbuch des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1987, S.<br />

246.<br />

3 Materialien zur Vergangenheit und Gegenwart von Wenigerath,<br />

Chronik von Wenigerath, 1997, herausgegeben von der Ortsgemeinde<br />

Wenigerath, S. 51.<br />

4 Chronik Wenigerath, S. 49 f.<br />

5 F. Toepfer, Urkundenbuch der Vögte von Hunolstein, Bd. 1 (1866),<br />

S. 7.<br />

6 F. Toepfer, a.a.O., S. 55.<br />

7 Landeshauptarchiv Koblenz (LHA), Bestand 1 A, Nr. 355.<br />

8 Chronik Wenigerath, S. 39.<br />

9 Siehe z. B. H. Sturm, wie Anm. 2 (s. a. Chronik Wenigerath, S. 109<br />

unten).<br />

10 LHA, 1C, 1409 (Chronik Wenigerath, S. 111).<br />

11 Chronik Wenigerath, S. 199.<br />

12 LHA, 1C, 13 242 (Chronik Wenigerath, S. 116 ff.).<br />

13 H. Sturm: Die Zenderei-Markgenossenschaft Bischofsdhron – Die<br />

Teilung des Gemeindenwaldes -, in: Jahrbuch des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

1990, S. 171.<br />

14 Chronik Wenigerath, S. 45; LHA, Best. 655, 172, Nr. 261.<br />

15 Türsturz der heutigen Kapelle.<br />

16 »Chronik von Wenigerath, herausgegeben von der Ortsgemeinde<br />

1997« mit 382 S., 250 Abbildungen, vielen Tabellen, Zeichnungen<br />

und Graphiken und fünf Beilagen, ist erhältlich bei der Ortsvorsteherin,<br />

Hildegard Nauerth-Mettler, oder im Gasthaus Gemmel,<br />

54497 Morbach-Wenigerath. Sie enthält auch die Geschichte aller<br />

Häuser seit wenigstens 1800, die Lotte Prohaska erforscht und dokumentiert<br />

hat. Nach dem Urteil der Deutschen Zentralstelle für<br />

Genealogie im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, der rund 1 500<br />

ähnliche Arbeiten zum Vergleich vorliegen, ist »die Chronik von<br />

Wenigerath eine Leistung in der Spitzengruppe« (Brief vom<br />

19.03.1998). Weiter schreibt Dr. Weiß: »Was die Organisation und<br />

Motivation einer erfolgreichen Gruppenarbeit von freiwilligen Mitarbeitern<br />

anbetrifft, scheint Ihre Leistung deutschlandweit am besten<br />

dazustehen.«<br />

17 LHA, 1C, 1314 (s. a. Chronik Wenigerath, S. 106 ff.).<br />

18 LHA, 1C, 1312 (Faksimile betr. Wenigerath: Chronik Wenigerath, S.<br />

103 ff.).<br />

19 Stadtarchiv Trier, Abt. L 10/1.<br />

20 LHA, 1C, 1314.<br />

21 LHA, 1C, 1317.<br />

186<br />

22 LHA, 1C, 1318, S. 45 und S. 108’.<br />

23 Stadtarchiv Trier, Steuerliste Wenigerath 1651.<br />

24 LHA, 1C, 10 512.<br />

25 Chronik Wenigerath, S. 71.<br />

26 Urkataster Wenigerath, LHA, Außenstelle Kobern-Gondorf, Best.<br />

732, Nr. 48.<br />

27 LHA, 1C, 12 928.<br />

28 LHA, 1C, 1311.<br />

29 Kirchenbucharchiv Trier, Best. 71, Nr. 202,1.<br />

30 Valentin Palm: Wenigerath und seine restaurierte Filialkirche, Manuskript<br />

1963 (am 18.01.1966 dem Verfasser zur Veröffentlichung<br />

überlassen).<br />

31 Stadtarchiv Trier.<br />

32 Brief vom 30.01.1964 und unveröffentlichtes Manuskript.<br />

33 Kirchenbucharchiv Trier, 40,8.<br />

34 LHA, 1C, 1409.<br />

35 Chronik Wenigerath, Abb. S. 127.<br />

36 Wie Anm. 29.<br />

37 LHA, 1C, 1409, S. 12 (Faksimile: Chronik Wenigerath, S. 117).<br />

38 Chronik Wenigerath, S. 83 ff. (mit Faksimile).<br />

39 LHA, 1C, 1692 (Chronik Wenigerath, S. 197).<br />

40 Chronik Wenigerath: Hausgeschichte von Lotte Prohaska, S. 139<br />

f., besonders interessanter Beitrag.<br />

41 Rolf (= R.-V.) Schabbach: Familientafel Schabbach, Göttingen<br />

1963 (auch Beilage zur Chronik Wenigerath).<br />

42 Ebenso.<br />

43 LHA, 1E, 554 (Chronik Wenigerath, S. 74 f.).<br />

44 Wie Anm. 26.<br />

45 Brief vom 18.01.1966.<br />

46 LHA, E, 533 (Jahr 1733).<br />

47 Wie Anm. 26.<br />

48 Chronik Wenigerath, S. 120.<br />

49 Türsturz.<br />

50 LHA, 1C, 1318, S. 45 und S. 108’.<br />

51 Lagerbuch 1, 1995 ff., S. 160.<br />

52 Kunstdenkmäler des Kreises <strong>Bernkastel</strong>, 1935, S. 153.<br />

53 Siehe heutige, restaurierte Tafeln in der Kapelle.<br />

54 Chronik Wenigerath, S. 88 ff.<br />

55 LHA, 1C, 12604; Faksimile: Chronik Wenigerath, S. 93.<br />

56 Johannes Greber hat sogar eine eigene Bibelübersetzung herausgegeben.<br />

57 Chronik Wenigerath, S. 277 bis 294.<br />

58 Chronik Wenigerath, S. 317 ff.<br />

59 1997 existierten nur noch zwei landwirtschaftliche Vollerwerbsbe-


Vor 110 Jahren: Neubau einer Kapelle<br />

in Pohlbach<br />

Wenn man von Salmtal kommend das Dorf<br />

Pohlbach erreicht, ist ein stilvoll gestaltetes<br />

Ortsschild mit dem Namen »Klausen Wallfahrts-<br />

und Fremdenverkehrsort« nicht zu übersehen.<br />

Bei der Gebietsänderung von Gemeinden<br />

im Jahre 1969 wurde aus den Gemeinden<br />

Pohlbach und Krames die neue Gemeinde<br />

Klausen gebildet. 1 Bis zu diesem Zeitpunkt war<br />

der Wallfahrtsort kommunalpolitisch zweigeteilt.<br />

Die Ortsstrasse in Klausen war gleichzeitig<br />

die Grenze zwischen den Gemeinden Krames<br />

und Pohlbach.<br />

Die pfarrliche Zuordnung dieser beiden Orte<br />

nach Klausen erfolgte bereits vor fast 200 Jahren.<br />

Nach der Besetzung des linksrheinischen<br />

Gebietes durch die französischen Truppen im<br />

Jahre 1794 wurde das Kloster Klausen 1802<br />

aufgelöst. Die zum Kloster gehörigen Gebäude<br />

und Ländereien wurden versteigert. Die Kloster-<br />

und Wallfahrtskirche Klausen blieb nur dadurch<br />

erhalten, dass sie 1803 Pfarrkirche der<br />

neu errichteten Sukkursal(Hilfs)pfarrei Klausen<br />

mit den Filialorten Pohlbach und Krames wurde.<br />

2 Über Jahrhunderte gehörte Krames zur<br />

Pfarrei Piesport und Pohlbach zur Pfarrei Kirchhof-Altrich.<br />

In beiden Orten bestanden damals<br />

schon Kapellen als Filialkirchen, die aber baulich<br />

in einem schlechten Zustand waren. Bis<br />

zum Jahre 1803 beerdigten die Einwohner ihre<br />

Toten auf den Kirchhöfen neben den Kapellen.<br />

Der Kirchenvorstand der Pfarrei Klausen unter<br />

der Leitung von Pfarrer Richard Fisch (1865-<br />

1896) beauftragte 1887 den Kreisbaumeister<br />

Köchling zu <strong>Wittlich</strong> mit der Planung für den<br />

Neubau einer Kapelle in Pohlbach. Am 28. April<br />

1887 lag der Plan dem Kirchenvorstand vor.<br />

Der Kostenvoranschlag betrug 12 000 Mark.<br />

Nach eingehender Beratung stimmte der Kirchenvorstand<br />

am 8. Mai 1887 der Planung zu<br />

und beschloss den Neubau einer Kapelle. Am<br />

gleichen Tage stimmte auch die Gemeindevertretung<br />

diesem Beschluss zu. Das bischöfliche<br />

Generalvikariat genehmigte den Neubau um-<br />

Hermann Hoffmann<br />

gehend mit der Einschränkung, dass »nur<br />

10 000 Mark aus dem Fonds der Kapelle« ausgegeben<br />

werden durften. Nach der Ausschreibung<br />

des Bauvorhabens reichten drei Firmen<br />

Angebote ein: Johann Rauen zu Dörbach<br />

10 640 Mark; Matthias Kohl zu Monzel 10 630<br />

Mark; Stefan Nicolay zu Zeltingen 10 600 Mark.<br />

Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, der<br />

auch Ortsvorsteher von Pohlbach war, und einige<br />

weitere Mitglieder des Kirchenvorstandes<br />

entschieden sich für den Bauunternehmer Matthias<br />

Kohl, weil bei ihm die Einwohner von<br />

Pohlbach mehr verdienen würden, denn der<br />

Kapellenbau sei von Anfang an darauf angelegt,<br />

den armen Leuten in Pohlbach Verdienstmöglichkeiten<br />

zu schaffen. Die Mehrzahl der<br />

übrigen Mitglieder des Kirchenvorstandes<br />

neigte jedoch dazu, dem Unternehmen Rauen<br />

den Auftrag zu erteilen. Die Entscheidung des<br />

Kirchenvorstandes fiel am 5. Februar 1888. Der<br />

Bauunternehmer Johann Rauen erhielt den<br />

Auftrag zum Preis von 10 400 Mark. Weil der<br />

Kirchenvorstand nicht über mehr als 10 000<br />

Mark verfügen durfte, wurde die bischöfliche<br />

Behörde um Bewilligung der noch fehlenden<br />

kleinen Summe gebeten. Die Gemeindevertretung<br />

weigerte sich jedoch, den Vergabebeschluss<br />

des Kirchenvorstandes zu unterschreiben.<br />

Dadurch musste das Generalvikariat die<br />

Unterlagen nach den damals geltenden Gesetzen<br />

dem Regierungspräsidenten zur Entscheidung<br />

vorlegen. Dieser entschied am 5. Juni<br />

1888 und setzte den »Voranschlag der Filialkirche<br />

zu Pohlbach bei der Weigerung der Gemeindevertretung<br />

und des Vorsitzenden des<br />

Kirchenvorstandes (...) zwangsweise« auf<br />

10 400 Mark fest. 3 Die alte Kapelle wurde abgebrochen<br />

und der Neubau in den Jahren<br />

1888/89 durchgeführt. Ein jahrhundertealter<br />

Lindenbaum, »dieses altehrwürdige Wahrzeichen<br />

von Pohlbach, mußte leider beim Neubau<br />

der Kapelle weichen«. 4 Der Zeitpunkt der Fertigstellung<br />

und das Weihedatum konnten noch<br />

187


Die Kapelle in Pohlbach<br />

189


nicht festgestellt werden. Die Kapelle ist<br />

schlicht und einfach ausgestattet. Auffällig sind<br />

die Spitzbogenfenster und das spitzbogige Gewölbe<br />

des Kirchen- und Chorraumes. Daran ist<br />

die Vorliebe für vorangegangene Stilformen<br />

beim Kirchenbau des 19. Jahrhunderts erkennbar.<br />

Der Altar im Chorraum trägt einen angemessenen<br />

Holzaufbau mit Tabernakel.<br />

An die vorkonziliare Zeit erinnert die Kommunionbank<br />

als Abgrenzung des Chorraumes.<br />

Eine kleine Figur der heiligen Margaretha als<br />

Schutzpatronin der Kapelle schmückt die rechte<br />

Seitenwand. Eine Figur der heiligen Theresia<br />

vom Kinde Jesu ist auf der gegenüberliegenden<br />

Seite angebracht. Großfiguren zur Herz-<br />

Jesu- und Marienverehrung bilden beidseitig<br />

den Abschluss des Kapellenraumes. An der<br />

Rückwand der Kapelle über dem Eingangsportal<br />

hängt ein Bild mit der Darstellung der Flucht<br />

der heiligen Familie. Die Kapelle besaß zwei<br />

Glocken. Eine davon stammte aus dem Jahre<br />

1432 und trug die Aufschrift »Maria heiß ich. Nikolaus<br />

von Esch goß mich.« Die beiden<br />

Glocken mussten 1943 zu Kriegszwecken abgeliefert<br />

werden. Heute sind wieder zwei neue<br />

Glocken vorhanden. 5<br />

In den vergangenen Jahren hat das äußere Erscheinungsbild<br />

der Kapelle durch die Gestaltung<br />

des Vorplatzes gewonnen. Im Inneren des<br />

Gotteshauses aber hat der Zahn der Zeit durch<br />

bedrohliche Risse im Mauerwerk deutliche<br />

Spuren hinterlassen. Um die Bauschäden nicht<br />

unnötig zu vergrößern, muss das Läuten der<br />

Glocken unterbleiben. Bauliche Maßnahmen<br />

sind dringend erforderlich, um ein Gotteshaus<br />

zu erhalten, in dem Menschen seit 110 Jahren<br />

über Generationen hinweg durch ihren Glauben<br />

und ihr Beten Trost in der Not, Sicherheit in<br />

der Angst und Hoffnung in der Verzweiflung<br />

fanden.<br />

Der Bau der Kapelle in Pohlbach vor 110 Jahren<br />

reicht weit in die Vergangenheit zurück. Unsere<br />

Erinnerung reicht nicht so weit. Sie wirft<br />

aber Fragen über die geschichtliche Entwicklung<br />

auf, macht neugierig und regt an, in unserer<br />

schnelllebigen Zeit den Spuren der eigenen<br />

Vergangenheit nachzugehen und die Wurzeln<br />

der Gegenwart zu erkennen.<br />

So wird Pohlbach erstmals im Jahre 1250 als<br />

Kapellengemeinde »Polenbach« urkundlich erwähnt.<br />

Der Erzbischof von Trier hatte dort einige<br />

Besitzungen. Als Schutzheilige der Kapelle<br />

188<br />

werden im Jahre 1569 die heilige Margaretha,<br />

1656 der heilige Stephanus genannt. 6 Erzbischof<br />

Balduin belehnte 1325 den Johann Hutzink<br />

von der Neuerburg unter anderen Gütern<br />

auch mit dem Dorfe »Polimbach«. Mit dem halben<br />

Dorfe »Polimbach« wurde 1340 Heinrich<br />

Mul von der Neuerburg belehnt. 7 Am 6. Mai<br />

1450 verpflichteten sich Bernhard von Pallandt<br />

und seine Hausfrau Anna von Wiltperg, ihre der<br />

Kapelle zu Eberhards-Clausen verpfändeten<br />

Güter zu »Polembach« wieder einzulösen. 8 Das<br />

Kloster Eberhards-Clausen besaß ein bedeutendes<br />

Gut und eine Mühle zu Pohlbach. Das<br />

Gut wurde am 20. Juli 1805 für 10 000 Francs<br />

(= 2 666 Thaler) und die Mühle mit zwei Gärten<br />

und Wiesen für 2 190 Francs (= 584 Thaler) versteigert.<br />

9 In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts<br />

zählte Pohlbach 407 Einwohner in 78<br />

Wohnhäusern. 10<br />

Diese wenigen geschichtlichen Daten schlagen<br />

einen großen Bogen über die Jahrhunderte. Sie<br />

gleichen Meilensteinen auf dem Weg der Geschichte<br />

und geben bruchstückhaft Auskunft<br />

über das Werden des Heimatortes. In gleichem<br />

Umfang wecken sie das Interesse für geschichtliche<br />

Zusammenhänge und stärken die<br />

Verbundenheit mit der Heimat.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Karl Becker: Vom Amt zur Verbandsgemeinde. Die Verbandsgemeinde<br />

<strong>Wittlich</strong>-Land; in: Günter Hesse, Andreas Wisniewski: <strong>Wittlich</strong>-Land.<br />

Geschichte einer Verbandsgemeinde zwischen Vulkaneifel<br />

und Mosel. <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1999, S. 538.<br />

2 Peter Dohms: Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes<br />

Eberhardsklausen an der Mosel, Ludwig Röhrscheid Verlag, Bonn<br />

1968, S. 176<br />

3 Bistumsarchiv Trier (BAT) Abt. 70, Nr. 2808, Blatt 364<br />

4 J. Gansen: Wallfahrts- und Andachtsbuch. Trier 1922; S. 49<br />

5 Günter Hesse, Andreas Wisniewski: <strong>Wittlich</strong>-Land. Geschichte einer<br />

Verbandsgemeinde zwischen Vulkaneifel und Mosel. <strong>Bernkastel</strong>-Kues,<br />

1990, S. 892.<br />

6 Ferdinand Pauly: Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum<br />

Trier; Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung,<br />

Trier 1961, S. 387.<br />

7 N. Hebler: Burg Neuerburg »novum castrum« und Dorf Neuerburg<br />

bei <strong>Wittlich</strong> 2. Auflage 1933, S. 80.<br />

8 ebd. S. 83.<br />

9 Georg Bärsch: Eiflia illustrata. Neudruck der Ausgabe 1855, S. 120.<br />

10 ebd. S. 110.<br />

Dank sage ich Herrn Franz Schmitt für die Literaturangaben und Frau<br />

Monika Bollig für die freundliche Führung in der Kapelle.


Seit Menschengedenken kennen wir die Sicherung<br />

des Überlebens durch Solidarität unter<br />

Generationen, Familien, Alten/Jungen, Gesunden/Kranken.<br />

Der Solidaritätsgedanke und seine<br />

praktische Umsetzung ist und bleibt ein<br />

Grundpfeiler für die Existenzsicherung der<br />

Menschheit überhaupt.<br />

Die Sozialversicherung – als Zweig dieser Versicherung<br />

die gesetzliche Krankenversicherung<br />

– gibt es nun seit mehr als 100 Jahren.<br />

Auch sie baut auf den Solidaritätsprinzipien<br />

auf. Alle Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

haben grundsätzlich gleiche<br />

Leistungsansprüche, wobei die Finanzierung<br />

über Beiträge nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

des einzelnen Versicherten erreicht<br />

wird. Unsere Sozialversicherung ist ein<br />

wichtiger Garant für die freiheitlich-soziale<br />

Rechtsordnung und den Erhalt des sozialen<br />

Friedens in unserer Bundesrepublik Deutschland.<br />

Die AOK <strong>Wittlich</strong> hatte ihre Geburtsstunde Anfang<br />

des Jahres 1899. Über 100 Jahre wird in<br />

unserer Region durch das Krankenversicherungsunternehmen<br />

»AOK« das Risiko »Krankheit«<br />

abgesichert. Damit einher geht die Zuteilung<br />

und Umschichtung von Finanzmitteln zwischen<br />

Gesunden und Kranken, Einkommensschwachen<br />

und Besserverdienenden.<br />

Die gesetzliche Krankenversicherung<br />

von heute<br />

Im Laufe von 100 Jahren ist die gesetzliche<br />

Krankenversicherung groß geworden. Strukturen,<br />

Zuständigkeiten und Verwaltungen haben<br />

sich seither stetig verändert. Immer wieder ist<br />

der Gesetzgeber gefordert und bemüht, seine<br />

Sicherungskonzepte an die Fortentwicklung<br />

des Staates und die sich ändernden wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen anzupassen. Heu-<br />

190<br />

AOK – Die Gesundheitskasse im Kreis<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Ein 100-jähriges Krankenversicherungsunternehmen ist<br />

auch für das nächste Jahrtausend gerüstet<br />

Edgar Schneider<br />

te wird die soziale Krankenversicherung erheblich<br />

beeinflusst durch die hohe Arbeitslosigkeit,<br />

die Überalterung der Gesellschaft und die insgesamt<br />

angespannte öffentliche Finanzlage.<br />

Der Reformbedarf der letzten Jahrzehnte war<br />

gewaltig und tangierte auch überwiegend den<br />

Leistungsbereich der Krankenversicherung.<br />

Der medizinische Fortschritt mit neuen Therapieangeboten<br />

war zu bewerten und über den<br />

Leistungskatalog der Krankenversicherung für<br />

die Versicherten verfügbar zu machen. Zu den<br />

Spielregeln der Reformierung gehörte aber immer<br />

auch die Berücksichtigung der vorhandenen<br />

Finanzmittel. Der Gesundheitsstandort<br />

»Deutschland« hat eine im internationalen Vergleich<br />

hohe Abgabenlast. So wurden durch Kostendämpfungs-<br />

und Strukturänderungsgesetze<br />

– sozialverträglich – Eigenbeteiligung und<br />

Zuzahlungen für die Versicherten eingeführt.<br />

Hier ging der Gesetzgeber gleichfalls davon<br />

aus, das verantwortungsvolle Handeln – die Eigenverantwortung<br />

– der Versicherten zu fördern<br />

und zu stärken.<br />

Für die Finanzierung der Leistungsausgaben<br />

erhebt die Krankenversicherung Beiträge. Am<br />

Gesamtbeitrag beteiligen sich Versicherte und<br />

Arbeitgeber je zur Hälfte. Die Unterstützung<br />

des Bundes durch Zuschüsse kennen wir hier<br />

nicht. Kassenartenübergreifend findet ein Risikostrukturausgleich<br />

statt. Dabei geht es in erster<br />

Linie um eine annähernde Gleichstellung<br />

der Krankenkassen auf der Einnahmenseite.<br />

Nur die Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung<br />

kennt eine ausgedehnte Trägervielfalt.<br />

Die Krankenversicherung wird –<br />

nach gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

– durchgeführt von Orts-, Innungs-, Betriebskrankenkassen,<br />

Ersatzkassen, den Landwirtschaftlichen<br />

Krankenkassen, der Bundesknappschaft<br />

und der See-Krankenkasse.


Vorteile für die Versicherten brachte die jüngst<br />

eingeführte Wahlfreiheit. Seit 1996 kann jeder<br />

Versicherte selbst bestimmen, welcher Krankenkasse<br />

er angehören möchte. Das Wahlrecht<br />

kann grundsätzlich einmal jährlich ausgeübt<br />

werden.<br />

Durch diese Einführung des Wettbewerbs in<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung kam es<br />

zu erheblichen Strukturveränderungen in der<br />

Krankenkassenlandschaft. Gerade bei den<br />

Ortskrankenkassen wurden in den letzten Jahren<br />

größere Organisationseinheiten geschaffen.<br />

Die seinerzeit meist für einen <strong>Landkreis</strong><br />

bzw. eine Stadt gebildeten Ortskrankenkassen<br />

– insgesamt bundesweit 270 – wurden zu Landes-Ortskrankenkassen<br />

vereint. So ist die<br />

AOK-Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> heute<br />

eingegliedert in die AOK Rheinland-Pfalz.<br />

Der Sprung in das nächste Jahrtausend<br />

Die Höhe der öffentlichen Abgaben (Steuern<br />

und Sozialabgaben) hat in der Bundesrepublik<br />

derzeit einen Höchststand erreicht. Unser gesamtes<br />

Sozialsicherungssystem steht mehr<br />

denn je auf dem Prüfstand. In gesundheitspolitischen<br />

Diskussionen wird der Eindruck erweckt,<br />

dass unser Gesundheitssystem an seinen<br />

Grundstrukturen erkrankt ist. Richtungsweisend<br />

soll die anstehende Gesundheitsreform<br />

<strong>2000</strong> sein. Die schwierige Aufgabe der<br />

Politik lautet »eine optimale medizinische Versorgung<br />

zu gewährleisten und gleichzeitig die<br />

Beitragssätze stabil zu halten.« Wenn wir eine<br />

qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung<br />

für die Zukunft absichern wollen, dann ist<br />

eine Steigerung der Effizienz und der Qualität<br />

unerlässlich. Ein wirtschaftlicher Mitteleinsatz –<br />

Rationalisierung – erfordert eine bessere Verzahnung<br />

der einzelnen Versorgungsbereiche<br />

und auch den Abbau von Überkapazitäten. Die<br />

Förderung verantwortungsvollen Handelns für<br />

den Erhalt der wichtigen Gesundheitsziele wird<br />

von allen am Gesundheitswesen Beteiligten<br />

eingefordert. Wichtig ist in jedem Falle, die Solidarziele<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

zu erhalten. Dies bedeutet<br />

• jeder erhält die Leistung, die er benötigt;<br />

• die Finanzierungslast wird je nach Leistungsfähigkeit<br />

der Mitglieder verteilt;<br />

• paritätische Finanzierung durch Arbeitnehmer<br />

und Arbeitgeber;<br />

• bestimmte Personengruppen werden entsprechend<br />

dem Solidaritätsprinzip beitragsfrei<br />

mitversichert;<br />

• das Sachleistungsprinzip bleibt erhalten, die<br />

Kosten werden unmittelbar von den Krankenkassen<br />

gezahlt.<br />

AOK- Die Gesundheitskasse in<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Die AOK Rheinland-Pfalz mit Sitz in Eisenberg/Pfalz<br />

betreut insgesamt 1 274 000 Versicherte,<br />

einschließlich 396 000 Familienversicherte.<br />

Das Ausgabenvolumen beträgt insgesamt<br />

4,95 Milliarden DM. Größter Einzelposten<br />

sind die Kosten für stationäre Behandlung mit<br />

1,81 Milliarden DM (36,6 %). Durchgeführt werden<br />

ebenfalls eine Lohnfortzahlungsversicherung<br />

für Arbeitgeber mit einem Finanzvolumen<br />

von 138 Mio. DM und seit 1995 die Pflegeversicherung<br />

mit einer Ausgabensumme von 768<br />

Mio. DM jährlich.<br />

Für die Geschäftsführung verantwortlich sind<br />

drei hauptamtliche Vorstände.<br />

Die Grundziele der AOK lauten: optimale Kundenbetreuung<br />

und Kundenzufriedenheit, Leistungsgewährung<br />

auf einem hohen Niveau,<br />

Präventionsmaßnahmen und besondere Unterstützungsaktivitäten<br />

bei Krankheit und Rehabilitationsmaßnahmen.<br />

Strukturell ist die AOK Rheinland-Pfalz so gegliedert,<br />

dass die Kundenbetreuung und Aufgabenbewältigung<br />

wohnortnah durch 25 Regionaldirektionen,<br />

104 Geschäftsstellen und<br />

600 Mitarbeiter-Servicestellen mit umfassender<br />

Fachkompetenz sichergestellt werden<br />

kann. Selbstverständlich ist ebenfalls die Beratung<br />

bei dem Versicherten zu Hause oder bei<br />

dem Arbeitgeber im Betrieb.<br />

Die AOK-Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

betreut in ihrer Hauptverwaltung in <strong>Wittlich</strong><br />

sowie in drei weiteren Geschäftsstellen in<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues, Morbach und Traben-Trarbach<br />

insgesamt mehr als 46 000 Versicherte.<br />

Dies entspricht einem Anteil von 41 % der<br />

Kreisbevölkerung. Unsere Kunden sind zudem<br />

auch 2 700 Arbeitgeber und 400 Vertragspartner.<br />

Die AOK-Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> mit ihren Geschäftsstellen beschäftigt<br />

95 Mitarbeiter sowie neun Auszubildende und<br />

trägt somit zu einem beachtlichen Arbeitsplatzangebot<br />

in der hiesigen Region bei. Verantwortlich<br />

für die laufenden Verwaltungsgeschäf-<br />

191


te ist der Regionalgeschäftsführer. Er arbeitet<br />

mit der Direktion und dem Vorstand eng zusammen.<br />

Der Dienstleistungsbetrieb der AOK wird ständig<br />

an die neuen Herausforderungen angepasst.<br />

Trotz Rationalisierungsmaßnahmen ist der<br />

Standort <strong>Wittlich</strong> nicht gefährdet. So wurde<br />

auch kürzlich das Verwaltungsgebäude in <strong>Wittlich</strong><br />

modernisiert. Überregionale Aufgabengebiete<br />

konnten in <strong>Wittlich</strong> angesiedelt werden.<br />

Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der<br />

AOK-Regionaldirektion stehen unsere Kunden<br />

im Mittelpunkt: Versicherte, Arbeitgeber, Leistungsanbieter<br />

und Vertragspartner. Wir sind<br />

sicher, mit gut ausgebildetem Personal und einer<br />

optimalen Erreichbarkeit die Kundenwünsche<br />

und -anliegen zufrieden stellen zu können.<br />

Die Angebote der AOK werden im Rahmen der<br />

gesetzlichen Möglichkeiten zusätzlich erweitert<br />

durch Gesundheitsangebote der Sekundärund<br />

Tertiärprävention. Zielgerichtet bietet die<br />

AOK Gesundheitsleistungen für ihre Mitglieder<br />

an. Im Bereich der Arbeitgeberbetreuung genießt<br />

die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren<br />

einen hohen Stellenwert. Dies<br />

führte vor ca. zwei Jahren dazu, dass eine Kooperation<br />

mit der Kreishandwerkerschaft <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

eingegangen wurde und in diesem<br />

Bereich gemeinsame Zielsetzungen optimal<br />

verwirklicht werden konnten.<br />

Die AOK will ihre wichtigen Gesundheitsziele<br />

weiterverfolgen. Dabei steht uneingeschränkt<br />

die Gesundheit und die Lebensqualität der Versicherten<br />

im Vordergrund.<br />

Die Selbstverwaltung der AOK<br />

Jüngst haben wiederum Sozialwahlen zu den<br />

Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger<br />

stattgefunden. Als Besonderheit<br />

zu erwähnen ist, dass auch bei der AOK Rheinland-Pfalz<br />

auf der Versichertenseite erstmals<br />

eine sogenannte »Urwahl« stattgefunden hat.<br />

870 000 versicherte Mitglieder der AOK waren<br />

aufgerufen, ihre Stimme für die Wahl zur<br />

Selbstverwaltung abzugeben. Die Wahlbeteiligung<br />

betrug 25,6 %. Die Arbeitgeberseite einigte<br />

sich auf eine Besetzung ohne Wahlhandlung,<br />

in einer sogenannten Friedenswahl.<br />

Die Selbstverwaltung bei der AOK ist paritätisch<br />

besetzt, je zur Hälfte aus Vertretern der<br />

Versicherten und der Arbeitgeber. Wichtigstes<br />

Selbstverwaltungsorgan ist der Verwaltungsrat<br />

192<br />

der AOK Rheinland-Pfalz, der aus 30 Mitgliedern<br />

besteht. Aus dem Verwaltungsrat heraus<br />

bilden sich verschiedene Ausschüsse. Ebenso<br />

wird ein Regionalbeirat für jede der 25 Regionaldirektionen<br />

berufen. Er besteht vor Ort für<br />

die Regionaldirektionen und ist in die Aufgabenabwicklung<br />

eingebunden. Der Regionalbeirat<br />

unserer Regionaldirektion setzt sich aus je<br />

zehn Versicherten und Arbeitgebern zusammen.<br />

Aus diesem Regionalbeirat hat sich ein<br />

Widerspruchsausschuss gebildet, je zwei Arbeitnehmer-<br />

und Arbeitgebervertreter. Er ist für<br />

die Durchführung des sogenannten »Vorverfahrens«<br />

zuständig.<br />

Die Mitarbeit in einem Selbstverwaltungsorgan<br />

ist ein Ehrenamt. Durch ihre Mitarbeit schließen<br />

die Mitglieder der Organe eine wichtige Lücke<br />

in der Ausgestaltung des Krankenversicherungsrechts.<br />

Ihnen ist die wichtige Aufgabe<br />

übertragen, Satzungen zu erlassen und auch<br />

aktiv die Haushalts- und Verwaltungspolitik<br />

mitzubestimmen.<br />

Anfang 1999 konnten wieder einmal verdiente<br />

Mitglieder des Regionalrates unserer Regionaldirektion<br />

für ihre jahrzehntelange Mitarbeit in<br />

der Selbstverwaltung geehrt werden. Durch die<br />

Ausübung dieses Ehrenamtes werden die Interessen<br />

unserer Versicherten und Arbeitgeber<br />

in hervorragender Weise vertreten. Sie bestimmen<br />

mit großer Kompetenz die Geschicke der<br />

AOK vor Ort mit. Die AOK-Regionaldirektion<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> ist mit der Selbstverwaltungsarbeit<br />

zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen<br />

gewachsen.<br />

Blick in die Zukunft<br />

Die AOK als Teil der sozialen Krankenversicherung<br />

wird sich angesichts der vielfältigen Herausforderungen<br />

ihren sozialpolitischen und gesundheitspolitischen<br />

Zielen – zum Wohle der<br />

Versicherten – verpflichtet fühlen. Sie wird ihre<br />

Position und ihren Einfluss als größtes Krankenversicherungsunternehmen<br />

in die Sicherung<br />

und erforderlichenfalls in die Umgestaltung<br />

des Gesundheitssystems einbringen.<br />

Unser Blickwinkel wird sich selbstverständlich<br />

auf die Region des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

ausrichten. Hier wollen wir im Gesundheitsbereich<br />

als modernes Dienstleistungsunternehmen<br />

noch viele Jahrzehnte agieren. Wir bauen<br />

auf das Vertrauen unserer Kunden in die AOK<br />

Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.


Herbst an der Mosel<br />

Wie mattes Gold<br />

leuchten in der Herbstsonne<br />

die weitgestreckten Berge<br />

an den Ufern des Stromes<br />

Die Reben<br />

an den steilen Hängen<br />

lassen leise<br />

schon die ersten Blätter fallen<br />

Doch die Beeren<br />

wachsen noch der letzten Reife zu<br />

wandeln täglich sich<br />

zu Saft und größerer Süße<br />

In der Stille der Morgennebel<br />

warten sie<br />

bis die Sonne durchbricht<br />

und das milde Licht dieser späten Tage<br />

sie der Vollendung näher bringt<br />

Zur Zeit der Lese<br />

wenn die Kelter<br />

ihre letzte Wandlung wirkt<br />

wird ihr Duft sich erheben<br />

und die Dörfer am Fluss<br />

durchströmen<br />

und füllen<br />

Elisabeth Badura-Zenz<br />

241


<strong>Wittlich</strong>er Synagoge - gebaut vor 90 Jahren<br />

Als um die Jahrhundertwende in <strong>Wittlich</strong> Hausnummern<br />

eingeführt wurden, wohnten in 45<br />

Häusern 47 Judenfamilien. 1 Seit 1831 benutzte<br />

die <strong>Wittlich</strong>er Judengemeinde die ehemalige<br />

Kirche des Hospitals Sancti Wendelini als Gotteshaus<br />

in der Himmeroder Straße 499a als ihr<br />

Gotteshaus. 2 Im Jahre 1906 zählte <strong>Wittlich</strong><br />

6 235 Einwohner. Davon waren 5 560 Katholiken,<br />

448 Nichtkatholiken und 227 Juden. 3 Der<br />

Anteil der jüdischen Bürger an der Gesamtbevölkerung<br />

betrug demnach 3,6 %. Angesichts<br />

des stetigen Wachstums der jüdischen Gemeinde,<br />

die sich in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts um das Vierfache vergrößert hatte,<br />

dachte man an den Neubau einer Synagoge.<br />

4 Dieses Vorhaben war auch deshalb notwendig,<br />

weil sich die bisherige Synagoge in einem<br />

sehr schlechten und unwürdigen Zustand<br />

befand. 5 Bereits 1909 hatte die jüdische Gemeinde<br />

in der Himmeroder Straße ein geeignetes<br />

Grundstück erworben und die Baupläne bei<br />

Kreisbaumeister Hans Vienken in Auftrag gegeben.<br />

Der Neubau war veranschlagt auf ca.<br />

Bau der <strong>Wittlich</strong>er Synagoge im Jahr 1910<br />

Franz Schmitt<br />

40000 Mark. 6 Baumeister der Synagoge waren<br />

die Gebrüder Philipp und Josef Bungert aus<br />

<strong>Wittlich</strong>, die auch das Kreishaus errichteten. 7<br />

Die neue Synagoge wurde am 25. und 26. November<br />

1910 eingeweiht. Lehrer Kahn wünschte,<br />

dass das neue Gotteshaus eine Stätte der<br />

Andacht und des Friedens werde. 8 Beim Festbankett<br />

am Abend begrüßte Pastor und Dechant<br />

Friedrich Stein seine jüdischen Mitbürger<br />

in hebräischer Sprache und stellte seine Festrede<br />

unter den Spruch: »Gepriesen sei der Ewige,<br />

der seinem Volke Israel den Frieden gegeben<br />

hat«. 9 Die Presse stellte fest, »daß ganz besonders<br />

die auswärtigen Gäste voller Erstaunen<br />

und Bewunderung darüber waren, daß man in<br />

<strong>Wittlich</strong> solche Feste zu feiern verstehe. Dies sei<br />

nur möglich, weil hier alle Konfessionen einträchtig<br />

und friedlich zusammenwirkten.« 10<br />

1975 erwarb die Stadt <strong>Wittlich</strong> von der Rechtsnachfolgerin,<br />

der ehemaligen in der NS-Zeit<br />

vernichteten jüdischen Gemeinde das Synagogengebäude<br />

und richtete darin eine städtische<br />

Kultur- und Begegnungsstätte ein. 11<br />

Anmerkungen:<br />

1 M. J. Mehs, in: Der Säubrenner 1971.<br />

2 M. J. Mehs, Das <strong>Wittlich</strong>er Spital, <strong>Wittlich</strong> 1924 (Sonderdruck);<br />

ders., Kleine <strong>Wittlich</strong>er Stadtchronik, in: Die schöne Eifel, <strong>Wittlich</strong>er<br />

Land, Köln 1958, S. 5-13, hier S. 12.<br />

3 Handbuch des Bistums Trier (BT) von 1906, S. 152-153.<br />

4 Nach W. Knopp (Bearb.), Statistische Materialien zur Geschichte<br />

der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland,<br />

Koblenz 1955, S. 132; vgl. auch Handbuch BT Trier 1912, S.<br />

178/79.<br />

5 K. Freckmann, Die ehemalige Synagoge zu <strong>Wittlich</strong>, in: Jahrbuch<br />

1978 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 57-64, hier S. 58.<br />

6 Freckmann, wie Ziff. 5, S. 58.<br />

7 Im Aufsatz des Verfassers »In <strong>Wittlich</strong> geht die Post ab«, in: Jahrbuch<br />

1998 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 140-148, hier S.<br />

146, wird lediglich Philipp Bungert als Erbauer der Synagoge und<br />

des Kreishauses angegeben. Es ist zu ergänzen, dass auch dessen<br />

Bruder Josef, also die Gebrüder Bungert, diese Gebäude errichteten.<br />

So wurde es bereits im Artikel »Die Judengemeinde in <strong>Wittlich</strong>«<br />

vom selben Autor, in: Jb. 1991, S. 164-185, hier S. 176, berichtet.<br />

An gleicher Stelle (Jb. 1998) wurde irrtümlich angegeben, dass<br />

Frau Johanna Marg. Bungert, geb. Fier, Ehefrau des Philipp Bungert,<br />

die Poststelle in <strong>Wittlich</strong> innegehabt habe. Richtig ist jedoch<br />

nach glaubwürdiger Aussage von Walburga Pfeiffer-Bungert aus<br />

<strong>Wittlich</strong>, dass Margarethe Bungert, geb. Kunsmann, die Mutter der<br />

Gebrüder Bungert, die Postbesitzerin war. Sie und nicht Johanna<br />

Bungert, geb. Fier, starb am 28. März 1932 in <strong>Wittlich</strong>, Kurfürstenstraße<br />

25, im Alter von 81 Jahren (StA-Nr. 19/1932).<br />

8 Freckmann, wie Ziff. 5, S. 58-59.<br />

9 <strong>Wittlich</strong>er Kreisblatt vom 01.12.1910.<br />

10 <strong>Wittlich</strong>er Kreisblatt, wie Ziff. 9.<br />

11 Freckmann, wie Ziff. 5, S. 60.<br />

245


Nach dem Libellus de rebus Treverensibus<br />

vom Ende des 11. Jahrhunderts 1 schenkte König<br />

Dagobert I. (623-639) dem Bistum Trier und<br />

St. Paulin die Villen Altrich, <strong>Wittlich</strong>, Platten,<br />

Salmrohr, Maring und Noviand. Die Gesta Treverorum<br />

nennen die gleichen Orte dieses geschlossenen<br />

Gebiets links der Lieser von <strong>Wittlich</strong><br />

bis zur Liesermündung als Schenkung<br />

Dagoberts ans Bistum. 2 Aber die früheste<br />

Pfarrorganisation ist nicht mehr erkennbar, da<br />

auch Salmrohr, Noviand und <strong>Wittlich</strong> früh<br />

selbstständige Pfarreien wurden. 3 <strong>Wittlich</strong> und<br />

Plein lagen auf dem linken Lieserufer und mögen<br />

zunächst zur Pfarrei Bombogen gehört haben.<br />

Nach <strong>Wittlich</strong> war Plein eingepfarrt. 4 Denn<br />

nach dem Grimotestament zu Anfang des 7.<br />

Jahrhunderts besaß das Trierer Kloster St. Maximin<br />

Weinberge an der Lieser. Damit ist ein<br />

Hinweis auf den 940 bezeugten Besitz von<br />

Bombogen gegeben. 5 Erzbischof Ruotbert von<br />

Trier (931-956) nennt Altrich 952 »sedes nostra«.<br />

6 Das Bistumsurbar um 1200 lässt Grundherrschaften<br />

mit den Zentren Altrich und <strong>Wittlich</strong><br />

erkennen, unter denen Altrich den Vorrang<br />

246<br />

Beginn der Pfarrei St. Markus <strong>Wittlich</strong><br />

Innenansicht der Pfarrkirche St. Markus, <strong>Wittlich</strong><br />

Franz Schmitt<br />

hat. 7 Wegen der Stellung des erzbischöflichen<br />

Zentralhofes in Kirchhof – ein Kilometer vor<br />

Altrich – wird ebenso angenommen, dass <strong>Wittlich</strong><br />

ursprünglich zur Pfarrei Altrich gehörte.<br />

Aber auch die Bezeichnung Kirchhof-Altrich<br />

weist auf eine alte Pfarrkirche hin. Schon Lamprecht<br />

betonte, dass Altrich in älterer Zeit eine<br />

größere Bedeutung hatte als <strong>Wittlich</strong>. 8 Ende<br />

des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts<br />

stieg neben Altrich auch <strong>Wittlich</strong> auf: Erzbischof<br />

Johann I. (1189-1212) von Trier erwarb<br />

einen Teil des Zehnten in <strong>Wittlich</strong> für bischöflichen<br />

Gebrauch. 9 Um 1220 ist ein Schultheiß in<br />

<strong>Wittlich</strong> bezeugt, was größeren erzbischöflichen<br />

Besitz dort erwarten lässt. 10 Damals war<br />

<strong>Wittlich</strong> schon Marktort und Zollstätte. König<br />

Rudolf von Habsburg verlieh am 29. Mai 1291<br />

dem Marktflecken <strong>Wittlich</strong> die Rechte einer<br />

Stadt. 11 Im Zuge dieses Aufstiegs ist wohl auch<br />

die Entwicklung <strong>Wittlich</strong>s zur Pfarrei zu sehen.<br />

Am 27. Mai 1152 bestimmte Papst Eugen III.,<br />

dass die Eifelabtei Himmerod niemandem zinspflichtig<br />

sei und nur freiwillige Abgaben zu leisten<br />

habe, darunter im Bereich des Hofes <strong>Wittlich</strong><br />

dem Pfarrer jährlich einen<br />

Malter Weizen und einen Malter<br />

Hafer. Hier erscheint urkundlich<br />

erstmals ein <strong>Wittlich</strong>er Pfarrer<br />

(clericus), dessen Name aber<br />

nicht genannt ist. 12 Anno 1157 bestätigt<br />

Erzbischof Hillin von Falmagne<br />

(1152-1169), Legat des<br />

Apostolischen Stuhles, im Sinne<br />

seines Vorgängers Albero von<br />

Montreuil (1131-1152) sowie der<br />

Päpste Innozenz II. (1130-1143)<br />

und Eugen III. (1145-1153) dem<br />

Kloster Himmerod die jährlichen<br />

Zinsabgaben, darunter auch im<br />

Bereich des erzbischöflichen Hofes<br />

zu <strong>Wittlich</strong> an den Pastor (pastori!)<br />

einen Malter Weizen und einen<br />

Malter Hafer. 13 Auch die Pastöre<br />

(pastores) von Großlittgen<br />

und Altrich werden erwähnt. Weil<br />

also schon Papst Innozenz II. eine<br />

solche Verfügung traf, hat be-


eits zwischen 1130 und 1143, wohl unter dem<br />

trierischen Erzbischof Albero von Montreuil, ein<br />

Pfarrer von <strong>Wittlich</strong> die Abgabe von Himmerod<br />

erhalten. Erzbischof Boemund I. von Warsberg<br />

bestätigte am 5. Januar 1293 erneut dem Kloster<br />

Himmerod nach dem Beispiel seiner Vorgänger<br />

Albero von Montreuil (1131-1152), Hillin<br />

von Falmagne (1152-1169), Arnold I. von Walcourt<br />

(1169-1212), Theoderich II. von Wied<br />

(1212-1242), Arnold II. von Isenburg (1242-<br />

1259) und Heinrich II. von Finstingen (1260-<br />

1286), dessen Besitzungen, darunter in der<br />

Stadt <strong>Wittlich</strong> (die unter Boemund I. die Stadtrechte<br />

erhalten hatte) einen Hof und zwei<br />

Mühlen, die früher dem Kloster Springiersbach<br />

gehörten. Ferner die festen Abgaben, die das<br />

Kloster wegen des Zehnten an die betreffenden<br />

Pastöre oder weltlichen Zehntherren nach<br />

getroffener Vereinbarung leistet, auch: dem<br />

Pastor in <strong>Wittlich</strong> wegen des Klosterhofes einen<br />

Malter Weizen, einen Malter Hafer und eine<br />

Ohm Wein (160 Liter) oder einen Weingarten,<br />

aus dem sich pro Jahr etwa eine Ohm Wein<br />

ernten lässt. 14<br />

Damit steht fest, dass ausweislich der lückenlosen<br />

Bestätigungen seit Erzbischof Albero,<br />

dessen Amtszeit 1131 begann, in <strong>Wittlich</strong> ein<br />

Pfarrer tätig war, aber auch, dass <strong>Wittlich</strong> Pfarrei<br />

geworden war.<br />

Unabhängig davon findet sich im Bistumsurbar<br />

um 1220 die etwas sonderbare Notiz: »Der Erzbischof<br />

ist Gründer (fundator) der Kirche in<br />

<strong>Wittlich</strong> und erhält deshalb zwei Drittel des<br />

Zehnten. Dafür muss er das Dach der Kirche<br />

decken«. 15 Das letzte Drittel bekam dann wohl<br />

der Pfarrer. 16 Als Erzbischof ist wohl Johann I.<br />

gemeint, der auch »fundator« der Pfarrkirche<br />

zu Andernach genannt wird, die er wenige Jahre<br />

vorher aus dem Besitz des Reiches für Trier<br />

erhalten hatte. 17 Da »fundator« sich in Andernach<br />

auf den Erwerb und das Patronatsrecht<br />

bezieht und unter Johann I. der Neubau der Kirche<br />

begonnen wurde, liegt der Gedanke an einen<br />

ähnlichen Vorgang auch in <strong>Wittlich</strong> nahe,<br />

der die Verlegung des Pfarrzentrums von<br />

Altrich nach <strong>Wittlich</strong> zur Folge hatte. Unter Erzbischof<br />

Johann I. wurde auch der alte Pfarrsitz<br />

auf dem Petersberg im Zeller Hamm aufgegeben<br />

und nach Zell verlegt. Zell, das vorher Filialort<br />

der Peterskirche war, wurde Pfarrort und<br />

Sitz der kurtrierischen Amtsverwaltung. 18 Bekanntlich<br />

wurde <strong>Wittlich</strong> unter Erzbischof Bal-<br />

duin von Luxemburg (1307-1354) um 1320<br />

ebenfalls Sitz eines kurtrierischen Amtes. Auch<br />

im Vergleich mit der ersten Erwähnung eines<br />

Pfarrers wurde die Pfarrei <strong>Wittlich</strong> wahrscheinlich<br />

um 1150 vom Trierer Erzbischof begründet.<br />

Am 27. Mai 1222 stiftete Erzbischof Theoderich<br />

II. von Wied mit seinen kirchlichen Einkünften<br />

»zum ewigen Lohne« an der Kirche des heiligen<br />

Petrus (der Domkirche zu Trier) eine dauernde<br />

Vikarie, »der wir die Kirche (ecclesia) in Witheliche<br />

zur Hilfe für den Geistlichen überweisen. Er<br />

hat mit den Höherstehenden als Letzter den<br />

Platz inne (er stand demnach unter den Herren<br />

des Domkapitels). Am Hochaltar hat er wie ein<br />

Kanoniker das Privileg des Singens. Der Pleban<br />

oder Leutepriester ist zum Dienst an Sonntagen,<br />

Montagen und Samstagen verpflichtet.<br />

Wenn die Vikarie frei wird, soll sie der Domdechant<br />

mit einigen ehrenwerten Leuten vom<br />

Domkapitel an eine geeignete Person vergeben.<br />

Diese soll den Dienst in eigener Person<br />

versehen und die Erinnerung an uns festhalten«.<br />

19<br />

Weil die Urkunde betont, »in der Zeit werde<br />

leicht etwas vergessen, deshalb halten wir die<br />

beständige Erinnerung fest«, muss der Inhalt<br />

der Urkunde folgerichtig zeitlich weiter zurückliegen.<br />

Die Eheleute Simon und Osilia von <strong>Wittlich</strong>,<br />

Bürger in Trier, und ihre Kinder, namentlich der<br />

Priester Theoderich Berwicus und Simon, bekunden<br />

am 11. August 1280, dass sie kein<br />

Recht an den beiden Mühlen zu <strong>Wittlich</strong> haben,<br />

sondern dass diese allein dem Kloster Himmerod<br />

gehören. Die Siegelbitte der Aussteller ergeht<br />

an die Zeugen: Werner, Propst von St. Castor<br />

in Koblenz; Theoderich, Sohn der oben genannten<br />

Eheleute und Pfarrer (Pleban) von<br />

<strong>Wittlich</strong>; Ferghinus, Trierer Schöffe. 20 Theoderich<br />

erscheint als der erste namentlich bekannte<br />

Pfarrer von <strong>Wittlich</strong>.<br />

Am 14. Juni 1293 bestätigt der Offizial der Trierer<br />

Kurie, dass Konrad Scherer (tonsor) und<br />

seine Ehefrau Adelheid, Angehörige der Pfarrei<br />

<strong>Wittlich</strong>, ihre Schenkung an das Kloster Himmerod<br />

vom Jahre 1282 erneuern. 21 Am 4. Februar<br />

1304 ist Hermann, Pleban (Leutepriester)<br />

in <strong>Wittlich</strong>, neben anderen Zeuge in einem Verkaufsakt<br />

an das Kloster Himmerod. 22 Anno<br />

1326 bestätigen die Pfarrer Aegidius von <strong>Wittlich</strong><br />

und Theoderich von Wintrich (rectores<br />

247


ecclesiarum), dass der Stiefvater, Knappe (armiger)<br />

Georg von Veldenz, die Schenkung von<br />

Gütern in Wintrich durch Benedikta an das Kloster<br />

Himmerod genehmigt hat. 23<br />

Reppere und seine Frau Katharina, Bürger in<br />

<strong>Wittlich</strong>, bekunden am 15. September 1332,<br />

dass Abt und Konvent des Klosters Himmerod<br />

ihnen ein Haus, das vordem der <strong>Wittlich</strong>er Pfarrer<br />

Hermann bewohnte und das frei ist von allen<br />

Lasten und Verpflichtungen, auf Lebenszeit<br />

als Wohnstätte und Besitz gegeben haben. 24<br />

Der in der Urkunde genannte Pleban oder Leutepriester<br />

Hermann ist 1304, 1308, 1311 und<br />

1317 als Seelsorger von <strong>Wittlich</strong> erwähnt. 25<br />

Am 16. Juli 1343 richtet Papst Clemens VI.<br />

(1342-1352) an den Kleriker Jakob, Sohn des<br />

Balduin Ellinscheidir von <strong>Wittlich</strong>, seinen Gruß.<br />

Auf Bitten des Trierer Erzbischofs Balduin von<br />

Luxemburg providiert der Papst den Priester (in<br />

sacerdotio constituto) Jakob Ellinscheidir mit<br />

einem Kanonikat an St. Paulin zu Trier und mit<br />

der Anwartschaft auf eine dort bei Vakanz innerhalb<br />

eines Monats zu vergebende Präbende.<br />

26 Weder der Erzbischof noch sonst jemand<br />

haben in die dem Kanoniker zustehenden<br />

Rechte einzugreifen oder sie ihm streitig zu<br />

machen, nicht einmal aufgrund anders lautender<br />

apostolischer Briefe und Indulte. Der Provision<br />

mit dem Kanonikat an St. Paulin steht<br />

auch nicht im Wege, dass Jakob Ellinscheidir<br />

die Pfarrkirche zu <strong>Wittlich</strong> innehat. Zum selben<br />

Datum ergeht an die Äbte von St. Maximin und<br />

St. Martin in Trier sowie an Robert von Adria,<br />

Kanoniker von Neapel, die Aufforderung, den<br />

Kanoniker in seine Rechte einzusetzen und ihn<br />

darin zu schützen. 27 Papst Bonifaz IX. gestattet<br />

am 1. März 1404 dem Conemann von <strong>Bernkastel</strong>,<br />

Rektor der Pfarrkirche zu <strong>Wittlich</strong>, einen<br />

Tragaltar. 28 Zu allen Zeiten besaß der Erzbischof<br />

das Patronatsrecht. So stellt es noch die<br />

Beschreibung des Amtes <strong>Wittlich</strong> von 1786<br />

fest: »In der Pfarrkirche ist ein regierender Erzbischof<br />

ordentlicher Pastor. Er ordnet lediglich<br />

einen vicarium residentem zur Seelsorge an. 29<br />

Demnach war der eigentliche Pfarrer von <strong>Wittlich</strong><br />

der Erzbischof, der durch einen dortselbst<br />

residierenden Vikar (Vizepastor, Pleban) die<br />

Seelsorge in seinem Namen ausüben ließ. Von<br />

1568 bis 1587 war Gerlach Loerich zuerst Vizepastor,<br />

dann auf Bitten der <strong>Wittlich</strong>er Sendschöffen<br />

Pfarrer. 30<br />

Ursprünglich scheint der Erzbischof den ge-<br />

248<br />

samten Zehnten im Besitz gehabt zu haben,<br />

später fielen an ihn zwei Teile, das letzte Drittel<br />

an die Domvikare zu Trier, denn diese mussten<br />

aus ihrem Zehntanteil sechs Malter Weizen<br />

zum Unterhalt des <strong>Wittlich</strong>er Pastors abgeben.<br />

Sie waren auch verpflichtet, das Chor der Kirche<br />

zu unterhalten, was sonst üblicherweise<br />

der Pfarrer zu besorgen hatte. Vom kleinen<br />

Zehnten erhielt der Erzbischof zwei und der Pastor<br />

ein Drittel. Außer diesen sechs Malter Weizen<br />

bezog der Pastor nach den Angaben der<br />

Visitation von 1715, die am genauesten sind,<br />

an Einkommen: in Altrich 15 Joch Land und einige<br />

Wiesen = zwei Malter Korn und ein halbes<br />

Malter Hafer, in Platten 13 Joch und einige<br />

Wiesen = 2 Malter Korn, in Crames 15 und in<br />

Salmrohr acht Achtel Korn; in Niederöfflingen<br />

abwechselnd sechs Achtel Korn und vier Achtel<br />

Hafer; aus dem Hospital <strong>Wittlich</strong> wegen einer<br />

Monatsmesse vier Achtel Korn, aus dem<br />

Himmeroder Haus zu <strong>Wittlich</strong> wegen der Salvestiftung<br />

15 Achtel Korn, in Plein ein Malter Hafer<br />

und sieben Wagen Holz sowie aus einem<br />

abgegrenzten Bezirk den ganzen Zehnten =<br />

zwei Malter, aus zwei Morgen Land bei der Kapelle<br />

Heiligkreuz in der Pfarrei Bombogen den<br />

ganzen Zehnten = zwei Achtel, in Lüxem fünf<br />

und in Neuerburg 3 /4 Joch Ackerland = vier<br />

Achtel; aus den <strong>Wittlich</strong>er Weinbergen »zwei<br />

ganze Pichtere«. Er musste aber davon 48 Sester<br />

(1 Sester = 5,3 Liter) an den Erzbischof abgeben.<br />

Er hatte einen Weinberg »in pettgel«,<br />

und deren vier »in tratschert«; ein Drittel Traubenzehnten<br />

bezog er »in der kung« und in einem<br />

kleinen Distrikt »karfelt«. Von Himmerod<br />

erhielt er jährlich wegen des Hofes Vailtz ein<br />

halbes Fuder Wein. In Kröv hatte er in einem<br />

Distrikt den dritten Teil der Trauben und 15<br />

Krüge Weinrenten. Außer einer halben Ohm (=<br />

80 Liter) hatte er in <strong>Wittlich</strong> 35 Morgen Ackerland<br />

und sechs 1 /2 Wagen Heu; im Distrikt Grampert<br />

bezieht er den ganzen Heuzehnten. Dazu<br />

kamen noch etwa 112 Florenen aus Stiftungen.<br />

Außerdem teilte sich der Pfarrer mit den Altaristen<br />

bestimmte Einnahmen. 1569 bestanden sie<br />

in 21 Maltern Frucht und 30 Florenen. 1641<br />

musste der Pfarrer auch die Stolgebühren (die<br />

dem Geistlichen für Taufen, Trauungen, Beerdigungen<br />

etc. zukamen) mit den Altaristen teilen.<br />

31 Der Rang der Pfarrkirche <strong>Wittlich</strong> ergibt<br />

sich aus dem Steuerregister des Landkapitels<br />

Piesport, welches unter Erzbischof Balduin von


Luxemburg um 1350 aufgestellt wurde. Hiernach<br />

ist <strong>Wittlich</strong> als Mutterkirche (matrix ecclesia)<br />

bezeichnet, die 30 Solidi zu bezahlen hatte.<br />

Damit hatte <strong>Wittlich</strong> alle Pfarrrechte, während<br />

Altrich als halbselbstständig mit Teilbesitz (semimatrix)<br />

erscheint. Demzufolge hatte es seinen<br />

ehemals höheren Rang an <strong>Wittlich</strong> abgeben<br />

müssen. 32 Als Mutterkirche im weiten Umkreis<br />

war dem Pfarrer Vollmacht durch den Erzbischof<br />

erteilt, alle Sakramente zu spenden.<br />

Die Pfarrangehörigen waren verpflichtet, die<br />

Sakramente nur von einem Priester der Pfarrkirche<br />

bzw. in der Pfarrkirche zu empfangen,<br />

besonders die Taufe. Die Pfarrei war selbstständig<br />

in der Vermögensverwaltung. Sie besaß<br />

das Zehntrecht und die Pfarrsendgerichtsbarkeit.<br />

33<br />

Der Visitationsbericht von 1569 nennt als Patron<br />

der Pfarrkirche St. Markus. 34 Sein Fest wird<br />

am 25. April gefeiert. Die Stadt, in der seine Gebeine<br />

ruhen, hat von jeher ihren Stolz darein<br />

gesetzt, sein Andenken zu verherrlichen. »Republik<br />

San Marco« nannte sich Venedig auf der<br />

Höhe seiner Macht und seines Glanzes. Die<br />

Stadt Venedig trägt noch heute den geflügelten<br />

Löwen im Wappen, das Symbol des Evangelisten.<br />

An seinem Festtag ziehen hierzulande die<br />

Markusprozessionen über die Ackerfluren und<br />

Weingärten und flehen um seinen Schutz und<br />

seine Fürbitte. 35 Das Haus seiner Mutter Maria<br />

bildete in den Jahren der Verfolgung den Versammlungs-<br />

und Zufluchtsort der Jerusalemer<br />

Christengemeinde, als Jakobus getötet und<br />

Petrus ins Gefängnis gebracht worden war. 36<br />

Auf der Reise nach Kleinasien begleitete er<br />

Paulus, verweigerte diesem nach einem erregten<br />

Wortwechsel den Gehorsam und kehrte<br />

nach Jerusalem zurück. 37 Als er sich zu einer<br />

weiteren Missionsreise meldete, lehnte Paulus<br />

jedoch ab. 38 Markus hielt sich später in der<br />

Nähe des Apostels Petrus zu Rom auf. 39 Indem<br />

er dessen Vorträge aufzeichnete, entstand sein<br />

Evangelium. Er schrieb es volkstümlich nieder.<br />

40 Nach der Überlieferung zog er nach<br />

Ägypten, organisierte in Alexandria die erste<br />

christliche Zelle. Nach einem Jahrzehnt missionarischer<br />

Tätigkeit am unteren Nil starb er als<br />

Blutzeuge. Seine sterblichen Überreste wurden<br />

829 nach Venedig überführt und im Dom der<br />

Stadt beigesetzt. 41<br />

Das Markuspatrozinium in <strong>Wittlich</strong> könnte ins<br />

12. Jahrhundert zurückreichen. 42 Damit weisen<br />

alle Urkunden und Indizien, welche die Gründung<br />

der Pfarrei <strong>Wittlich</strong> betreffen, in die Mitte<br />

des 12. Jahrhunderts.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Gesta Henrici archiepiscopi Trev. MG SS XIV., S. 103.<br />

2 Eugen Ewig, Trier im Merowingerreich, Civitas, Stadt, Bistum, in:<br />

Trierer Zeitschrift 1952, Heft 1-2, S. 166 und 249.<br />

3 E. Ewig, wie Ziff. 2, S. 249, Anm. 69.<br />

4 E. Ewig, wie Ziff. 2, S. 249, Anm. 68.<br />

5 E. Ewig, wie Ziff. 2, S. 167.<br />

6 MUB I, Nr. 193.<br />

7 MUB II, Nr. 15 des Nachtrags, S. 391-428.<br />

8 K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben DWL II, S. 172, 178 ff.;<br />

Edmund Müller, Seit wann ist <strong>Wittlich</strong> eine Pfarrei, in: Jahrbuch<br />

1982 des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 98-102; TV vom<br />

20.08.1949; Klaus Petry, Altrich hatte mal die Nase vorn, in: Jahrbuch<br />

1998 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 167-173; E. Ewig,<br />

wie Ziff. 2, S. 249, Anm. 67.<br />

9 Emil Zenz (Herausgeber), Die Taten der Trierer, Bd. 3, Trier 1959, S.<br />

41.<br />

10 Lamprecht, wie Ziff. 8, DWL II, S. 171.<br />

11 F. Schmitt, Wann hat <strong>Wittlich</strong> Stadtrechte bekommen, in: Jahrbuch<br />

1988 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 130-134.<br />

12 Stadtarchiv Trier, Urk. Q 2. Abschrift und Regest: G. Kortenkamp,<br />

<strong>Wittlich</strong>, 1989; Jaffé-Löwenfeld, Regesta pontificum ... Nr. 8112;<br />

MUB I, Nr. 563; MRR II, Nr. 7.<br />

13 StA Trier, Urk. F 3; Abschrift und Regest von G. Kortenkamp; MUB<br />

I, Nr. 604; MRR II, Nr. 117.<br />

14 StA Trier, Urk. K 12; Abschrift und Regest von G. Kortenkamp;<br />

MRR IV, 2114.<br />

15 MUB II, Nr. 15 des Nachtrags, S. 421; Ferdinand Pauly, Siedlung<br />

und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier, Landkapitel Piesport<br />

u. a., Trier 1961, S. 56-60.<br />

16 A. Lennarz, Die Entstehungszeit des Liber annalium iurium archiepiscopi<br />

et ecclesiae Trevirensis, in: Trier. Archiv 28/29, 1919,<br />

S. 1-58, hier S. 42.<br />

17 MUB II, S. 413.<br />

18 F. Pauly, wie Ziff. 15, Landkapitel Kaimt-Zell, Trier 1957, S. 136.<br />

19 Visitation von 1569; de Lorenzi, Beiträge I, 1887, S. 675-676; MUB<br />

III, Nr. 183 und E. Lichter, Das Urkundenverzeichnis des Domkapitels<br />

zu Trier im 14. Jahrhundert, in: Festschrift für Alois Thomas,<br />

Trier 1967, S. 245-258, hier S. 251.<br />

20 LHAK, Abt. 96, Nr. 2204, fol. 51; Abschrift und Regest von G. Kortenkamp;<br />

MRR IV, Nr. 733. Bei den Mühlen handelt es sich um die<br />

Hasenmühle und die Stadtmühle.<br />

21 LHAK, Best. 96, Nr. 2204, Nr. 63, S. 52; Abschrift und Regest von<br />

G. Kortenkamp; MRR IV, Nr. 2183.<br />

22 LHAK, Best. 96, Nr. 544, Abschrift und Regest von G. Kortenkamp.<br />

23 E. Müller, Himmerod in Wintrich, in: Unsere liebe Frau von Himmerod<br />

39, 1969, S. 24-27; Arch. Himmerod, Copiar Siebenborn 141.<br />

24 LHAK, Best. 96, Nr. 757; Abschr. und Reg. von G. Kortenkamp.<br />

25 Vgl. Verzeichnis der Pfarrer von St. Markus (lückenhaft), in: Festschrift<br />

der Pfarrkirche St. Markus; für 1308: LHAK, Best. 96, Nr.<br />

580.<br />

26 Vat. Archiv, Suppl. V, fol. 94; Abschr. u. Regest von G. Kortenkamp.<br />

27 Vat. Archiv, Reg. 161, fol. 273, Nr. 16 (Cop.); Abschrift u. Regest<br />

von G. Kortenkamp; H. V. Sauerland, Regesten 3, Nr. 220.<br />

28 Vat. Archiv, Reg. Lat. 118, fol. 177; Abschrift u. Reg. von G. Kortenkamp;<br />

H. V. Sauerland, Regesten 7, Nr. 428.<br />

29 Karl Brückmann, <strong>Wittlich</strong> als kurfürstliche Residenz, III. Die Pfarrei,<br />

Zehntverhältnisse (MS), S. 6.<br />

30 K. Brückmann, wie Ziff. 29, S. 6; Müller, Pfarrei, 1982.<br />

31 Brückmann, wie Ziff. 29, S. 7.<br />

32 F. Pauly, wie Ziff. 15, S. 14.<br />

33 F. Pauly, wie Ziff. 15, S. 56, Anmerk. 1.<br />

34 F. Pauly, a.a.O., S. 33.<br />

35 H. Hümmler, Helden und Heilige, Bonn 1938, S. 208; V. Schrauber,<br />

H. M. Schindler, Die Heiligen und Namenspatrone im Jahresverlauf,<br />

München 1985, S. 209.<br />

36 S. Apostelgeschichte (Apg.) 12, 12.<br />

37 Apg. 13, 13.<br />

38 Apg. 15, 36-38.<br />

39 Kol. 4, 10; 1 Petr. 5, 13; Tun. 4, 11.<br />

40 Vgl. Markus 1, 29, 33, 36ff.; 4, 38; 5, 3; 9, 3; 11, 4.<br />

41 H. Hümmler, wie Ziff. 35.<br />

42 F. Pauly, wie Ziff. 15, S. 227, A. 80.<br />

249


Drei Fotografen des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> haben<br />

vor dem geplanten Abriss der alten Holzindustrie<br />

in der Kalkturmstraße eine umfangreiche<br />

Foto-Dokumentation erstellt, aus der einige<br />

Abbildungen hier gezeigt werden. Das ehemalige<br />

Sperrholzwerk Kümmel & Co. wurde im Jahre<br />

1913/14 erbaut und in den zwanziger Jahren<br />

von Ernst Braun übernommen. Bis zu 600 Arbeiter<br />

waren Mitte der dreißiger Jahre in der<br />

derzeit größten <strong>Wittlich</strong>er Industrieanlage beschäftigt.<br />

Zu Beginn der sechziger Jahre musste<br />

die Firma schließen. Die riesigen Produktionshallen<br />

dienten seitdem als Lagerraum oder<br />

250<br />

Die ehemalige Holzindustrie in <strong>Wittlich</strong><br />

Paul Valerius<br />

standen leer. Im Laufe der Jahre zeigten sich<br />

deutliche Spuren des Verfalls an den Gebäuden.<br />

Der Stadtrat stimmte daher mehrheitlich<br />

dem Planentwurf zum Bebauungsplan »Holzindustrie«<br />

zu und gab so dem Investor »Eifelhaus«<br />

grünes Licht zum Abriss und zur Errichtung<br />

einer stadtnahen Wohnanlage. Dann wird<br />

lediglich noch die Fabrikanten-Villa an die Zeit<br />

der Holzindustrie erinnern.<br />

Quellen:<br />

TV <strong>Wittlich</strong>,<br />

Heimatbücherei der Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />

Blick vom Pichterberg auf das <strong>Wittlich</strong>er Holzunternehmen Kümmel & Co. mit Fabrikschornstein<br />

(Foto: Helmut Krütten, Plein)


Haupttor der Holzfabrik Kümmel & Co. in <strong>Wittlich</strong> mit Windenhäuschen (oben und unten links). In ihm<br />

befand sich die Seilwinde (unten rechts), die die Güterwaggons von den an der Fabrik entlanglaufenden<br />

Bahngleisen auf firmeneigene Schienen in die Fabrikationshalle zog. (Fotos: Paul Valerius, Dreis)<br />

251


Blick in die ehemalige Produktionshalle, die zuletzt als Lager genutzt wurde<br />

(Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)<br />

252<br />

Der ehemalige Kesselraum (Foto: Paul Valerius, Dreis)<br />

Die Fabrikhallen (vom Hahnerweg aus gesehen) sind heute<br />

aus dem <strong>Wittlich</strong>er Stadtbild verschwunden.<br />

(Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)


Zur Lage<br />

Örtlich lässt sich die ehemals »Leiderath« genannte<br />

Hofsiedlung in etwa in den Bereich zwischen<br />

Hof Mellich und Bruch, südlich der Verbindungsstraße<br />

zwischen den beiden Orten<br />

einordnen. Der Hof liegt etwa einen Kilometer<br />

südöstlich des heutigen alten Hofguts Mellich,<br />

in der Nähe des sogenannten Ledertbaches.<br />

Am 23. April 1657 wurden die Felder, Wiesen<br />

und Wälder des Leiderather Hofes begangen.<br />

Die Güter lagen auf kurfürstlich trierischem Gebiet<br />

und stießen an das Hofgut Mellich, »dies<br />

teilweise umschließend« sowie an den Arenrather<br />

und Niersbacher Bann, den Niersbach<br />

(heute wird der Bach Dörbach genannt) und<br />

das Hofgut Hassau. 1<br />

Aus der Schulchronik der Gemeinde Bruch ist<br />

über die Lage von Leiderath Folgendes zu entnehmen:<br />

»Eine Flurbezeichnung `Leidert` gibt<br />

es jetzt noch in Bruch. Der so bezeichnete Berg<br />

liegt rechts der Straße nach Arenrath, kurz vor<br />

der Abzweigung nach Niersbach. Näheres über<br />

einen dort gelegenen Hof ist aber nicht zu erfahren.«<br />

Der Chronist geht davon aus, dass<br />

Leiderath eine alte Hofwüstung war.<br />

Auf den heutigen topographischen Karten, die<br />

teilweise auf den Urkatasterkarten basieren,<br />

wird die Siedlung »Unterer Hof Mellich« genannt.<br />

Besitzverhältnisse<br />

Eine alte vergessene Hofsiedlung<br />

im <strong>Wittlich</strong>er Land<br />

Die erste urkundliche Nennung des Hofes<br />

stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.<br />

Leiderath war damals im Besitz des<br />

Erzstifts Trier. Die Grenze zwischen Kurtrier<br />

und dem Herzogtum Luxemburg war identisch<br />

mit der südlichen Hofgrenze. Das Weistum der<br />

Herrschaft Bruch aus dem Jahre 1497 liefert<br />

uns den genauen Grenzverlauf: »Und der Zender<br />

van Hedwiler (Heidweiler) ist vermandt were<br />

wydt und ebne breidt das der vorgen land<br />

Hof Leiderath bei Arenrath<br />

Andreas Wisniewski<br />

hochgerechtigkeit wist.... van der Landt mure<br />

[Die römische Langmauer, wahrscheinlich ein<br />

von einer ca. 72 km langen bis 90 cm starken<br />

Mauer umgebener abgegrenzter Jagdbezirk<br />

beiderseits der Kyll] an biß an den ußeltzbach<br />

byß in die Nersbach die Nersbach zu bis in die<br />

Salm und alle die Salm mitten in bis zu ovedorff<br />

(?)....«<br />

Von Schannat-Bärsch erhalten wir einen<br />

Überblick über die Besitzverhältnisse des Hofs<br />

im 16. Jahrhundert: »Der Hof Leiderath gehörte<br />

dem Erzstifte Trier und wurde den 14. Februar<br />

1571 vom Erzbischof Jakob III. (von Eltz) sowie<br />

am 16. Juni 1590 von dem Erzbischof Johann<br />

VII. (von Schönenberg) einem Thernuß Richter<br />

in Erbpacht vergeben. Letzterer verglich am 8.<br />

Juli 1597 den Hof mit der Gemeinde Arenrath<br />

wegen der Viehdrift. 2<br />

Die Besitzer der Herrschaft Bruch, die den Hof<br />

und Teileinkünfte des Hofes vom Erzstift erhalten<br />

hatten, machten in der Folgezeit mehrmals<br />

von ihrem Recht Gebrauch, den Hof als Lehen<br />

zu vergeben. Im Jahre 1664 nahm Wolf Heinrich<br />

von Metternich, Herr der Herrschaft Bruch,<br />

Carl Dietrich von Manderscheid als seinen<br />

Amtmann zu Bruch an. Als Lohn verschrieb er<br />

ihm den Lämmerzehnten des Hofes Leiderath. 3<br />

Als Wolf Heinrich von Metternich kurz darauf im<br />

Jahre 1699 starb, kam die Herrschaft Bruch<br />

und mit ihr der Hof Leiderath in den Besitz der<br />

Familie von Kesselstatt. Der Kurfürst bestätigte<br />

im Jahre 1700 den Erwerb der Lehen.<br />

Der Besitz der Familie von Kesselstatt wurde<br />

nach dem Einmarsch der Franzosen im Jahre<br />

1794 zunächst von der damaligen Departementsverwaltung<br />

eingezogen. Nachdem die<br />

Rheinlande im Jahre 1815 an Preußen gelangten,<br />

wurden der Familie von Kesselstatt große<br />

Ländereien und Waldungen als Besitz zugewiesen.<br />

Hierzu gehörte auch der Hof Leiderath.<br />

Im Jahre 1834 wurde die Fideikommiss und<br />

253


Majoratsstiftung gegründet, der Graf Edmund<br />

von Kesselstatt 4 365 Morgen Besitz zuwies. 4<br />

Hofwirtschaft und Hofleute<br />

Der Hof hatte eine wechselvolle Geschichte im<br />

16. und 17. Jahrhundert. Wirtschaftlich geriet<br />

er anscheinend in Schwierigkeiten. Im Jahre<br />

1601 wird von der »verfallen Hofstatt« berichtet.<br />

Die Ländereien und die Besitzungen bestanden<br />

jedoch weiter und wurden in der Folgezeit<br />

mehrmals als Tauschobjekte eingesetzt.<br />

Auch Abgaben von den Pächtern der Hofländereien<br />

wurden an die Lehensherren entrichtet.<br />

In einer Brucher Rechnung des Jahres 1697<br />

hieß es »Leyderath von dasigen verfallenen<br />

Hofgütern nytziger Zeit ahn Korn 3 Ächtel, ahn<br />

Hafer 3 Ächtel«. Der Hof war damals schon<br />

über 100 Jahre verfallen. Die Ländereien wurden<br />

jedoch weiterhin als Abgabeneinheit behandelt.<br />

Dieser Zustand sollte auch noch weiter<br />

so bleiben.<br />

Im Jahre 1714 wurde mit dem Hofmann Follmann<br />

vereinbart, dass er den Hof aufbauen<br />

sollte. 5 Ob dies erfolgte, ist zunächst unklar.<br />

Der Hofmann Follmann wurde aber weiterhin<br />

als »Hoffmann auf Leiderath« in den Akten und<br />

Urkunden genannt. Aus einer Urkunde über eine<br />

Wiesenverpachtung aus dem Jahre 1731<br />

entnehmen wir: »Am 7. November 1731 wurden<br />

die Hassauer Wiesen auf 6 Jahre für die<br />

jährliche Pacht von 36 Rtlr. und 12 Pfund<br />

Wachs durch Anna Maria von Berg an .... [es<br />

folgen mehrere Pächter]... an Hans Peter Vollmann<br />

(Leiderath) ...« verpachtet. 6 In der Folgezeit<br />

scheint es mit dem Hof wieder wirtschaftlich<br />

aufwärts gegangen zu sein. Ein Verzeichnis<br />

der Schatzungsgelder und Schirmgulden des<br />

Hofes aus dem Jahre 1744 7 nennt ganz erträgliche<br />

Einnahmen des Hofbesitzers aus den<br />

Pacht- und Schatzungseinnahmen. Der Hof<br />

war in der Zwischenzeit, wie bei der Verpachtung<br />

zu Anfang des 18. Jahrhunderts als Bedingung<br />

festgehalten, wieder aufgebaut worden.<br />

Ein Beleg für die Anwesenheit von Hofleuten<br />

auf Leiderath findet sich im Taufbuch der Pfarrei<br />

Arenrath. Mit Eintrag vom 15. Juni 1758 wird<br />

ein Täufling mit dem Zusatz »ex Leidenrath«<br />

aufgelistet.<br />

Das Recht, seine Schweine und Viehherden in<br />

bestimmten Distrikten weiden zu lassen, war<br />

zur damaligen Zeit äußerst wichtig. Man prakti-<br />

254<br />

zierte noch nicht, wie heutzutage, eine geregelte<br />

Stallhaltung und Weidewirtschaft mit eingezäunten<br />

Wiesen. Die Herde des Hofes oder einer<br />

Siedlung wurde von einem Viehhirten zu<br />

den besten Weidegründen geführt und dort beaufsichtigt.<br />

Kam es hierbei jedoch zu Ungereimtheiten<br />

und Unklarheiten über den Grenzverlauf<br />

zwischen benachbarten Höfen und<br />

Siedlungen, war Streit vorprogrammiert.<br />

Des Öfteren hatten die Hofleute von Leiderath<br />

mit ihren Nachbarn, der Gemeinde Arenrath<br />

und dem Hofgut Mellich, Streitigkeiten um die<br />

Weidegerechtigkeit. Der letzte Vergleich des<br />

Hofgutes Leiderath mit dem Hof Mellich datiert<br />

aus dem Jahre 1807. 8<br />

Die Familie Follmann blieb als Pächter bis zum<br />

Jahre 1843 auf dem Hof, der ab dem Anfang<br />

des 19. Jahrhunderts »Unterer Hof Mellich« genannt<br />

wurde. Die Bezeichnung »Leiderath« verschwand<br />

gänzlich. Lediglich die Flurbezeichnung<br />

»Leidert« hat sich erhalten.<br />

Von 1850 bis 1874 war Jakob Legrand Pächter,<br />

anschließend sein Sohn Adam bis zum Jahre<br />

1887. Ab dem Zeitpunkt war Johann Buchholz<br />

für 13 Jahre, bis 1890, in den Pachtverträgen<br />

eingetragen, von 1890 bis 1902 Johann Freis,<br />

während der letzten Jahre die Witwe Freis. Im<br />

Jahre 1890 erfuhr der Hof als »geringes Gut«<br />

eine Taxierung von 28 656 Mark. Im Jahre 1902<br />

wurde der Pachtvertrag mit Johann Buchholz<br />

erneuert. Der Pachtpreis belief sich damals auf<br />

jährlich 750 Mark.<br />

Die Kesselstättische Majoratsverwaltung gab<br />

einige Jahre später den Hof ganz auf. Franz<br />

Heinen kaufte ihn im Jahre 1914 mit einer<br />

Größe von 40 Morgen Ackerland für 17 100<br />

Mark. Einige Restflächen des Hofes wurden<br />

von Brucher und Arenrather Bauern ersteigert. 9<br />

Anmerkungen:<br />

1 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />

Seite 1091.<br />

2 Eiflia Illustrata Bd. 1 S. 46 und Landeshauptarchiv Koblenz , Bestand<br />

1 A 2606.<br />

3 Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 54 K 5197.<br />

4 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />

Seite 190.<br />

5 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />

Seite 1091.<br />

6 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />

Seite 1087.<br />

7 DK = Depositien Kesselstatt im Stadtarchiv Trier Nr. 705.<br />

8 DK Nr. 920.<br />

9 Akten und Unterlagen betreffs Hof Leiderath und Hof Mellich Dep.<br />

Kesselstatt im Stadtarchiv Trier.


Wie <strong>Bernkastel</strong>-Kues Fremdenverkehrsund<br />

Weinfestmetropole der<br />

Mittelmosel wurde<br />

Die <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung vom 24. Mai 1888 teilt<br />

unter »Vermischtes« mit: »Wie sehr unser schönes<br />

Moselthal immer mehr und mehr bekannt<br />

und gewürdigt wird, beweist der große Zug von<br />

Touristen, welche während der Feiertage unsere<br />

Stadt besuchten. Aus aller Munde ist aber<br />

auch zu hören‚ hier ist es schön, wirklich<br />

schön, das müssen wir unseren Freunden und<br />

Bekannten sagen, daß dieselben auch einmal<br />

hierhin kommen, um hier die guten Moselweine<br />

zu kosten, die so froh und munter machen, um<br />

sich hier an Gottes schöner Natur zu laben und<br />

diese zu bewundern. Es herrscht, wie uns unsere<br />

Hoteliers und Wirthe erzählen, nur eine<br />

Stimme darüber, daß es wirklich schön hier sei<br />

und wundern sich die Touristen nur darüber,<br />

daß die <strong>Bernkastel</strong>er Geschäftsleute nicht<br />

mehr Kapital aus der schönen Gegend zu<br />

schlagen wissen und nicht alles aufbieten, um<br />

den Touristenbesuch noch zu vergrößern, da<br />

doch jeder mit der größten Befriedigung unsere<br />

Stadt verläßt.«<br />

Es sollte noch eine geraume Zeit dauern, bis<br />

die angesprochenen Geschäftsleute diese<br />

Mahnung verstanden und in die Tat umsetzten.<br />

Nicht nur das naturgegebene reizende Landschaftsbild<br />

zieht Touristen und Fremdengäste<br />

an, sondern auch das innere Aussehen eines<br />

Ortes und die verkehrsmäßige Erschließung<br />

und Infrastruktur spielen eine große Rolle. Der<br />

einzige Verkehrsweg nach <strong>Bernkastel</strong> führte im<br />

19. Jahrhundert noch über die Mosel. 1874<br />

verband die erste Brücke <strong>Bernkastel</strong> mit dem<br />

gegenüberliegenden Ort Cues. 1883 fand die<br />

Stadt Anschluss an das überörtliche Eisenbahnnetz<br />

durch die Strecke Wengerohr-Cues.<br />

Mit der Kleinbahn zwischen Trier und Bullay<br />

wurde in den Jahren 1904 und 1905 ein weiterer<br />

Zugang nach <strong>Bernkastel</strong> geschaffen, das<br />

1905 mit Cues zur Mittelmoselstadt <strong>Bernkastel</strong>-Cues<br />

zusammengelegt wurde. Der ge-<br />

Franz Schmitt<br />

gründete Verschönerungsverein erschloss<br />

dem Publikum die Umgebung. Er schuf bequeme<br />

und sichere Wanderwege und ermöglichte<br />

dadurch herrliche Ausflüge und Gebirgstouren.<br />

Innerhalb der Burg Landshut entstanden Anlagen,<br />

ihre Mauern wurden wieder hergestellt. 1<br />

Am Moselgestade ließ derselbe Verein 1892<br />

eindrucksvolle Uferalleen herstellen. 1908 gaben<br />

Gewerbeverein und Verschönerungsverein<br />

einen praktischen Führer heraus: »<strong>Bernkastel</strong>-<br />

Cues, die Perle der Mosel und seine Umgebung«.<br />

Darin heißt es: »<strong>Bernkastel</strong>-Cues, 4 700<br />

Einwohner, alte Stadt mit sehenswerten Bauten.<br />

Prächtige hochromantische Lage zu beiden<br />

Ufern der Mosel inmitten grüner Weingelände.<br />

Beliebter Ausflugsort für Touristen<br />

und weinfröhliche Sommerfrischler. Ausgangspunkt<br />

einer Reihe herrlicher Ausflüge in das<br />

weingesegnete Moseltal, das Hunsrück- und<br />

Eifelgebiet. Gelegenheit zu Hochwildjagden<br />

und Angelsport«.<br />

Besonders verdient um die Entwicklung <strong>Bernkastel</strong>s<br />

zur Fremdenverkehrsstadt machte sich<br />

Amtsgerichtsrat Dr. Hermann Bresgen. Sein<br />

Buch »Das schöne, lustige <strong>Bernkastel</strong>« vom<br />

Jahre 1891 und andere seiner literarischen Arbeiten<br />

trugen wesentlich dazu bei, dass <strong>Bernkastel</strong><br />

am Ende des 19. Jahrhunderts an der<br />

Spitze der Fremdenverkehrsorte an der Mosel<br />

stand. Mit Oberförster Heinrich Bauer war er<br />

Begründer des Verschönerungsvereins. Bauer<br />

stellte Wegeverbindungen her zum Schlosshotel<br />

(jetzt Jugendherberge), durch den Barbelnberg<br />

zum Goldenen Kreuz, durch den Altenwald,<br />

den Antoniusberg und den Cueser Wald<br />

auf <strong>Bernkastel</strong>er Seite. Er ließ an geeigneten<br />

Stellen Ruhebänke aufstellen und hatte durch<br />

seine Tätigkeit erheblichen Anteil an der Steigerung<br />

des Reiseverkehrs an die Mosel. Unter<br />

den Hoteliers und Gastwirten der Stadt, die<br />

sich eifrig für den Fremdenverkehr und seine<br />

255


Benkasteler Weinfest 1937, Festumzug in nationalsozialistischer Zeit<br />

256


Entwicklung einsetzten, muss pars pro toto Johann<br />

Fritz erwähnt werden. Er war Eigentümer<br />

des Hotels »Römischer Kaiser« und eines<br />

größeren Weingutes. Auch Christian Veltin, Leiter<br />

der Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>, war eifrig<br />

bemüht um die Verschönerung der Doppelstadt.<br />

2 Im Zuge dieser Entwicklung etablierten<br />

sich Gaststätten und Weinstuben in der Stadt:<br />

1896 die Metzgerei und Gastwirtschaft Peter<br />

Huwer (vorher Engel) in der Römerstraße<br />

34/35 3 , 1904 das Schlosshotel über der Burg<br />

Landshut des Franz Josef Blau, 1906 erwarb<br />

Peter Schömann aus Lösnich das Hotel »Römischer<br />

Kaiser« und baute es 1914 um 4 , 1911<br />

Metzgerei und Gastwirtschaft Josef Binz in der<br />

Brückenstraße 5 , 1912 eröffnete Witwe Anton<br />

Lauer im Hotel Landshut einen großen Saal 6 ,<br />

1914 stand der Ratskeller dem Publikum offen,<br />

1929 konnte die Gastwirtschaft in der Burg<br />

Landshut aufgesucht werden 7 . Auch Einrichtungen<br />

für die Weiterentwicklung des Weinbaus<br />

siedelten sich in <strong>Bernkastel</strong>-Cues an:<br />

1911 im Distrikt »Cueser Wasem« die königliche<br />

Rebenveredlungsanstalt 8 , 1925 wurde die<br />

Biologische Reichsanstalt von Trier nach <strong>Bernkastel</strong>-Cues<br />

verlegt 9 . Die im 19. Jahrhundert<br />

wegen Brandgefahr verputzten Häuser wurden<br />

wieder freigelegt und verwandelten <strong>Bernkastel</strong><br />

in ein Schmuckkästchen: 1906 die Anwesen<br />

Klerings in der Römerstraße 48, Gerhard Hansen,<br />

Alte Römerstraße 3, Nikolaus Rau sowie<br />

Peter Stöck, Am Markt 5 und 3. 10 Im gleichen<br />

Jahr wurde der Marktbrunnen von 1606 renoviert,<br />

von dem es heißt, »er sei das schönste<br />

Baudenkmal unserer Stadt, die Zierde des<br />

Marktplatzes und der Anziehungspunkt aller<br />

Besucher« 11 . 1914 erschienen in früherer Fachwerkpracht<br />

das Spitzhäuschen und das Anwesen<br />

des Peter Rapedius in der Römerstraße<br />

51. 12 Die beiden Weltkriege (1914-18 und 1939-<br />

1945) brachten diese Entwicklung zum Erliegen.<br />

Aber zwischen diesen und danach ging<br />

die Freilegung der Häuserfassaden weiter:<br />

1934 das stattliche Haus des Johann Meyer-<br />

Plein am Marktplatz 13 , 1939 das Café Michel in<br />

der Römerstraße 31. 14<br />

Um den Reiseverkehr zu fördern und zu ordnen,<br />

beschloss der Stadtrat am 30. September<br />

1925, ein städtisches Verkehrsbüro einzurichten<br />

15 , das am 1. April 1926 seine Tätigkeit aufnahm.<br />

Stadtbürgermeister Dr. Anton Ley, der<br />

am 1. März 1949 seinen Dienst begann, hatte<br />

fest vor, der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues die Geltung<br />

als Fremdenverkehrsort wiederzugeben, die<br />

sie vor dem Kriege hatte. Er ließ die Kriegsschäden<br />

beseitigen, das Rathaus, soweit es<br />

durch Bomben beschädigt war, wieder aufbauen<br />

und weitere Fachwerkhäuser freilegen: 1950<br />

die Häuser des Uhrmachermeisters Nikolaus<br />

Kronser am Markt 15 und des Johann Nikolaus<br />

Simon am Markt 6 16 , 1951 das Anwesen Josef<br />

Lauer in der Alten Römerstraße 9, die Buchhandlung<br />

Karl Engel, Am Markt 10, das Haus<br />

Piesbach am Markt 9, das Haus des Peter Höfing<br />

am Markt 8, das Haus Peter Rapedius zwischen<br />

Alter Römerstraße und ehemaligem Präsenzgäßchen,<br />

Am Markt 12 sowie das Anwesen<br />

des Peter Pfeiffer in der Römerstraße 16<br />

und das Café Coblenz, Moselstraße 10 und<br />

Kirchhof 3. 17 Es folgten 1954 das Haus des<br />

Theo Pastor am Britannieneck 18 , 1957 das<br />

Haus Wintrath, Am Markt 11 19 , 1958 das Haus<br />

des Johann Burg in der Moselstraße 3 20 und<br />

1962 das Doppelhaus in der Burgstraße<br />

95/96. 21 Diese Renovierungsarbeiten veränderten<br />

das innere Gesicht der Stadt vollkommen<br />

und gaben ihr das spätmittelalterliche Aussehen<br />

zurück. Bisher feierten die <strong>Bernkastel</strong>er am<br />

Sonntag nach dem 29. September ihre Michaelskirmes,<br />

das Fest ihres Kirchen- und Stadtpatrons.<br />

Wie die <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung vom 28.<br />

September 1931 berichtet, »ist die Stadt in den<br />

schönen Herbsttagen auch das Reiseziel vieler<br />

Fremden. Sie empfinden und würdigen die milden,<br />

farbenfrohen Herbsttage an der Mosel als<br />

köstliches Geschenk. Gerade jetzt, wo die<br />

Abende schon etwas länger sind, finden sich in<br />

den behaglichen Weingaststätten frohe weinkundige<br />

Zecher aus dem Rheinland und dem<br />

übrigen Deutschland ein, die nach dem Genuß<br />

der herrlichen Natur bei frischen Walnüssen<br />

gute Moseltropfen schlürfen. Es ist also, wenn<br />

die Trauben und Nüsse reifen, Weinkirmes in<br />

<strong>Bernkastel</strong>. .. Der Not der Zeit folgend hat es<br />

sich die Stadtverwaltung im Einvernehmen mit<br />

dem Gewerbeverein und den interessierten<br />

Kreisen besonders angelegen sein lassen, im<br />

weiten Umkreise auf die diesjährige Weinkirmes<br />

besonders aufmerksam zu machen, um an<br />

diesem Tage einen verstärkten Fremdenstrom<br />

nach <strong>Bernkastel</strong> zu leiten, im Interesse des<br />

Weinkonsums und der Besserung der gewerblichen<br />

Lage, die durch den ungünstigen Ausfall<br />

der diesjährigen Reisesaison besonders gelit-<br />

257


ten hat.« Der Aufruf zum Besuch der <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Weinkirmes hatte sich gelohnt. Denn<br />

das gleiche Blatt gab am 5. Oktober 1931 bekannt,<br />

der gestrige Kirmestag habe die alte<br />

Zugkraft <strong>Bernkastel</strong>s als Wein- und Moselstadt<br />

erneut bestätigt: »Noch nie hat es an der Kirmes«,<br />

so heißt es weiter, »in seinen Mauern einen<br />

solch starken Fremdenbesuch zu verzeichnen<br />

gehabt. Schon am Samstag trafen die Wochenendausflügler<br />

ein. Am Sonntag sah man<br />

von morgens bis abends Hunderte von Autos<br />

parken. Zu beiden Seiten des Gestades und in<br />

der Brückenstraße stand Wagen an Wagen. In<br />

allen Gaststätten herrschte Hochbetrieb;<br />

abends hatte man Mühe, noch ein Plätzchen in<br />

den Tanzlokalen zu finden. Bis spät hielten die<br />

Fremden in weinfroher Stimmung aus. Ein Zeichen,<br />

daß in dieser düsteren Zeit der Wein als<br />

probater Sorgenbrecher die ihm gebührende<br />

Wertung und Anerkennung findet. Bei aller Beteiligung<br />

jedoch war der Zug der Sparsamkeit<br />

festzustellen, da viele Besucher sich auf den<br />

Verzehr der sogenannten ‚Anstandsflasche‘<br />

beschränkten. Alles verlief in schönster Harmonie,<br />

so daß keinerlei Ausartungen zu beklagen<br />

sind. Auf dem Kirmesplatz am Moseltalbahnhof<br />

entwickelte sich in den Nachmittagsstunden<br />

ein außergewöhnlich starker Verkehr. Die Einladung<br />

zur <strong>Bernkastel</strong>er Weinkirmes zeigte auch<br />

hier ihre günstige Auswirkung. Durch die Anwesenheit<br />

von Karussell, Schießbuden,<br />

Glücksrädern und Verkaufsständen war – in einer<br />

im Vergleich zu früheren Jahren beschränkten<br />

Weise – Gelegenheit zur Volksbelustigung<br />

gegeben.«<br />

Das war die Geburtsstunde der <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Weinkirmes. Im Jahr 1932 wurde in <strong>Bernkastel</strong><br />

die zweite Weinkirmes gefeiert. Nach Mitteilung<br />

der <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung vom 17. September<br />

1932 »steht die Zugkraft der <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Weinkirmes als Mittel der Fremdenwerbung<br />

außer Zweifel. Im vorigen Jahr war ihr<br />

ein voller Erfolg beschieden, so daß die weitere<br />

Ausgestaltung derselben allen, denen das wirtschaftliche<br />

Gedeihen unserer Stadt am Herzen<br />

liegt, eine Selbstverständlichkeit sein muß. ...<br />

Der Vorschlag des Fremdenausschusses geht<br />

dahin, die Weinkirmes zu einem moselländischen<br />

Volks- und Trachtenfest auszubauen.<br />

Der erste Schritt in dieser Richtung soll bereits<br />

in diesem Jahre erfolgen.« Der städtische Verkehrsausschuss<br />

teilte der Presse mit, für die<br />

258<br />

Weinkirmes dieses Jahres – verbunden mit<br />

moselländischem Trachtenfest – habe eine<br />

umfassende Werbetätigkeit eingesetzt. Einem<br />

Misserfolg müsse durch starke Beteiligung der<br />

Bevölkerung vorgebeugt werden, denn dieses<br />

Fest, in seiner jährlichen Wiederholung gedacht,<br />

solle für die Zukunft das große Weinfest<br />

der Mosel werden. »Darum richten wir an alle,<br />

die sich unserer schönen Moselheimat und<br />

ihrem Weinbau verbunden fühlen, die Aufforderung,<br />

in ihren Familien für das Trachtenfest<br />

zu werben und darüber hinaus auch den Hausund<br />

Betriebsangehörigen die Beteiligung zu<br />

empfehlen und zu ermöglichen. Die moselländischen<br />

Trachten müssen das ganze Straßenbild,<br />

die Tanzlokale und Gaststätten beherrschen.<br />

Jeder Fremde, der an diesem Tage unsere<br />

alte Stadt betritt, soll den Eindruck empfangen,<br />

daß es sich hier um ein Volksfest ursprünglichster<br />

Art handelt, um ein Stück bodenständiger<br />

Kultur, um ein Bekenntnis der<br />

Heimatliebe, das alle ohne Unterschied des<br />

Standes umschließt.« 22 Am 29. September beschloss<br />

der Verkehrsausschuss u. a. das Programm<br />

der Weinkirmes. Dazu gehörte: ein<br />

Platzkonzert am Kriegerdenkmal (vor dem<br />

Kreishaus) durch die Musikvereinigung Cues<br />

und ein Festzug, an dessen Spitze der Mandolinenclub,<br />

dahinter der Schülerchor, dann die<br />

Kapelle der Musikvereinigung, gefolgt von den<br />

in Tracht teilnehmenden Moselblümchen und<br />

Winzerburschen in Viererreihen über das Gestade<br />

durch die Hebegasse, Graacherstraße<br />

zum Marktplatz um den Marktbrunnen herum<br />

marschierte. Sie klang aus in dem gemeinsamen<br />

Gesang des Moselliedes. 23 Die Idee des<br />

Weinfestes der Mittelmosel mit Umzug war aus<br />

der Taufe gehoben. Am 2. Oktober 1932 wogte<br />

eine festlich bewegte Menge von über 4 000<br />

Menschen unter Fahnen und Flaggen durch die<br />

Straßen. Sie kamen zu Fuß, mit dem Fahrrad<br />

und mit der Bahn aus den Nachbarorten von<br />

Mosel und Hunsrück, mit dem Kraftwagen und<br />

Motorrad von Trier, aus dem Saargebiet, aus<br />

Luxemburg, vom Rhein und selbst aus Holland.<br />

Die Gasthäuser und Hotels waren überfüllt. In<br />

althergebrachter Weise wurde die Kirmes<br />

durch einen feierlichen Gottesdienst in der St.-<br />

Michaels-Kirche eingeleitet. Nachmittags<br />

spendete der Markbrunnen Wein. Die <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Weinkirmes fand in der Bevölkerung<br />

und bei den Kirmesgästen begeisterten Wider-


hall. Die Presse nannte sie »Das Weinfest der<br />

Mosel«. 24 Damit hatte das <strong>Bernkastel</strong>er Weinfest<br />

auch seinen Namen erhalten. Im Folgejahr<br />

wurde das Weinfest der Mosel ebenso festlich<br />

begangen. 25<br />

1934 erschien die Burg Landshut im nächtlichen<br />

Feuerschein, die Uferhäuser leuchteten in<br />

tausend Flämmchen auf, Fackelboote trieben<br />

auf der Mosel, der BdM (Bund deutscher Mädel)<br />

präsentierte einen Feuerreigen, die Kreisfeuerwehrkapelle<br />

gab ein Konzert. Der Festzug<br />

bestand aus 35 Wagen, welche die Weinbergsarbeit<br />

während des Jahres, die Schädlingsbekämpfung,<br />

die Winzernot, die Beziehung von<br />

Winzer und Weinkommissionär, die Schröter,<br />

das Stadtwappen, die Weinlagen von <strong>Bernkastel</strong>-Kues:<br />

<strong>Bernkastel</strong>er Schloßberg, Cueser<br />

Weißenstein, <strong>Bernkastel</strong>er Badstube, <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Held und <strong>Bernkastel</strong>er Rosenberg,<br />

<strong>Bernkastel</strong>er Doktor sowie Cueser Königsstuhl<br />

symbolisierten. 26<br />

Vom Jahre 1935 ab wurde die Weinkirmes als<br />

das Fest der deutschen Traube und des Weines<br />

gefeiert. Im Zuge der Weinpatenschaften<br />

kamen 1936 (vom 26. bis 28. September) Sonderzüge<br />

aus Hannover, Lüneburg, Bad Harzburg<br />

und Witten nach <strong>Bernkastel</strong>-Kues und beteiligten<br />

sich am Festzug. 27<br />

Aus allen Weinbaugebieten der Westmark warben<br />

70 Gruppen mit Wagen und Musikkapellen<br />

für ihre Weine. Abgesandte der zwölf Weinbaukreise<br />

des Westmarkgaues begleiteten ihn.<br />

Denn dieses Fest sollte in jedem der Folgejahre<br />

in einem anderen Kreis stattfinden. 28 20 bis<br />

25 000 Menschen weilten in der Stadt. Der anderthalb<br />

Kilometer lange Zug nahm seinen<br />

Weg durch die Burgstraße, Römerstraße,<br />

Marktplatz, Moselbrücke, Friedrichstraße, Martertal,<br />

Adolf-Hitler-Straße (Goethestraße), Kardinalstraße,<br />

Nikolausufer, Saarallee, wieder<br />

über die Moselbrücke zurück zum <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Gestade und marschierte an den Ehrengästen<br />

im Amt <strong>Bernkastel</strong>-Land vorbei.<br />

Mit einer prächtigen Burgbeleuchtung, Illumination<br />

der Häuser, buntstrahlenden Bootsauffahrt<br />

und Uferbeleuchtung endete das erste<br />

glanzvolle Weinfest der Westmark. 29 Erst nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg konnte die Tradition<br />

fortgeführt werden. Seit 1950 bis heute wird jeweils<br />

am ersten Wochenende des September<br />

das <strong>Bernkastel</strong>-Kueser Weinfest der Mittelmosel<br />

begangen. 30<br />

Festumzug 1950 in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

Anmerkungen:<br />

1 Vgl. F. Schmitt, <strong>Bernkastel</strong> im Wandel der Zeiten, Trier 1985, S.<br />

421-423.<br />

2 S. ebenda, S. 424/25.<br />

3 <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung (BZ) vom 02.04.1896.<br />

4 BZ vom 09.10.1906; Gebäudebeschreibung vom 07.10.1907, R.<br />

Nr. 9 beim Katasteramt <strong>Bernkastel</strong>.<br />

5 Gebäudebeschreibung wie vor, R. Nr. 13.<br />

6 Gebäudebeschreibung wie vor, R. Nr. 6.<br />

7 Gebäudebeschreibung wie vor, R. Nr. 462.<br />

8 BZ vom 26.10.1911.<br />

9 BZ vom 29.12.1925.<br />

10 BZ vom 12.04.1952.<br />

11 BZ vom 02.08.1906.<br />

12 BZ vom 26.05.1914.<br />

13 BZ vom 19.03.1934.<br />

14 BZ vom 21./22.01.1950.<br />

15 BZ vom 30.09.1925.<br />

16 BZ vom 26.08.1950; TV vom 21./22.08.1954.<br />

17 BZ vom 30.05.1951.<br />

18 BZ vom 21./22.08.1954.<br />

19 BZ vom 10.07.1957.<br />

20 BZ vom 04.06.1958.<br />

21 BZ vom 30.03.1962.<br />

22 BZ vom 23.09.1932.<br />

23 BZ vom 30.09.1932.<br />

24 BZ vom 03.10.1932.<br />

25 BZ vom 01.10.1933.<br />

26 BZ vom 03.10.1934.<br />

27 Erwin Schaaf: Weinpatenschaften; in: Jahrbuch 1998 des Kreises<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 154-166, hier S. 161.<br />

28 BZ vom 27.08.1937; E. Schaaf, wie Ziff. 27.<br />

29 BZ vom 27.08., 30.09., 16.10., 18. u. 19.10.1937.<br />

30 F. Schmitt: <strong>Bernkastel</strong> im Wandel der Zeiten; Trier 1985, S. 432;<br />

ders.; Chronik von Cues, <strong>Bernkastel</strong>-Kues 1981, S. 283.<br />

259


Von »Hurerey Sachen«, »Dieberey« und<br />

dem Prozess um einen Mistplatz....<br />

Der Hut, den man am Morgen des 6. März 1726<br />

bei der »kleinen leyen« am Wegesrand zwischen<br />

Wolf und Trarbach fand, erinnerte als<br />

einziger Hinweis an das nächtliche Missgeschick<br />

von Johann Justus Lorenz: Offensichtlich<br />

war der Gerichtsschöffe aus Wolf auf dem<br />

Heimweg in der Dunkelheit volltrunken in die<br />

Hochwasser führende Mosel gefallen – die Leiche<br />

des 40-jährigen entdeckte erst Wochen<br />

später zufällig ein Schiffer an der Untermosel...<br />

Mit diesem unglücklichen Todesfall erreichte<br />

die jahrelange Fehde zwischen dem Wolfer<br />

Schultheißen Johann Max Artopoeus 1 und dem<br />

dortigen Pfarrer Johann Carl Giel 2 einen weiteren,<br />

traurigen Höhepunkt. Schließlich hatte<br />

sich der verunglückte Gerichtsschöffe auf dem<br />

Rückweg von einem Verhör des Hochfürstlichen<br />

Konsistoriums in Trarbach befunden, um<br />

über die jüngste Auseinandersetzung der beiden<br />

Streithähne auszusagen. Der unerquickliche<br />

Zwist unter den beiden kommunalen Würdenträgern<br />

der Moselgemeinde war längst<br />

auch zum Ärgernis der Obrigkeit geworden. Im<br />

Jahre 1722 kam es in dieser Sache sogar zu einer<br />

ordentlichen Verhandlung vor den Räten<br />

des Hochfürstlichen Konsistoriums in Trarbach,<br />

die daraufhin die Wolfer Bürgerschaft offiziell<br />

aufforderten, »sich künfftighin ihren Herrn<br />

Pfarrer friedfertiger zu erweisen« (siehe: »Fehde<br />

zwischen Schultheiß und Pfarrer« im Jahrbuch<br />

1999, S. 167-172). Doch die in diesem Zusammenhang<br />

von den Räten ebenfalls ausgesprochene<br />

Hoffnung, dass damit »ruhe und ein gutes<br />

Vernehmen wieder in eurer gemein hergestellet<br />

werde«, erwies sich durchaus als verfrüht.<br />

Nach zwei Jahren der trügerischen Ruhe war<br />

es eine »Hurerey Sache« – dies die damals übliche<br />

Bezeichnung für jeden außer- oder vorehelichen<br />

Kontakt – über die Pfarrer und Schultheiß<br />

erneut aneinander gerieten: Am 27. No-<br />

260<br />

Aus der Wolfer Ortsgeschichte des 18. Jahrhunderts<br />

Christof Krieger<br />

vember 1724 erschien der Wolfer Bürger Johannes<br />

Arentz im Pfarrhaus mit der Anzeige,<br />

dass dessen noch ledige, 23-jährige Tochter<br />

Maria Margaretha von dem ebenfalls aus Wolf<br />

stammenden Küfergesellen Johann Caspar<br />

Karp geschwängert worden sei. Noch am selben<br />

Abend ließ der Pfarrer den jungen Burschen<br />

samt dessen Vater Max Peter Karp rufen.<br />

Doch zu einem ordentlichen Verhör des<br />

Beschuldigten kam es erst gar nicht. Kaum<br />

hatte Giel den Küfergesellen von dessen »bösen<br />

Ruff mit gedachter Arentzin« unterrichtet,<br />

als dieser mit den Worten »Johannes Arentz<br />

wäre ein unnützer Mann« auch schon wieder<br />

die Türklinke ergriff. Vergebens ermahnte ihn<br />

der Pfarrer zum Bleiben. »[...] der Vatter griff<br />

Ihm beym Arm, Er aber risse sich loß, und gienge<br />

fort, zum Zeügnus, wie ein wildes ungezogenes<br />

gemüth Er Habe«, hielt Giel den ungehörigen<br />

Vorfall sogleich im Zensurprotokoll fest.<br />

Wie man später erfuhr, hatte Johann Caspar<br />

Karp noch am selben Abend sein Bündel geschnürt<br />

und das Dorf verlassen.<br />

Trotz dieses offensichtlichen, indirekten<br />

Schuldeingeständnisses des Küfergesellen begannen<br />

der Pfarrer und die örtlichen Zensoren 3<br />

nun eine umfassende Untersuchung des Falles.<br />

Bereits am folgenden Tag unterzogen sie<br />

die Schwangere einem peinlichen, fast inquisitorischen<br />

Verhör, das von der Frage, »ob gedachter<br />

Karp mehrmahlen in Unzucht Ihr beygewohnet?«,<br />

bis hin zu der genauen Erkundigung,<br />

»wann Hat sich das Geblüt gestellet?«,<br />

reichte.<br />

Eine Woche darauf, am 5. Dezember 1724, an<br />

dem weitere Zeugen verhört werden sollten,<br />

warteten Pfarrer und Zensoren jedoch vergebens<br />

im Pfarrhaus. Nur durch Zufall erfuhr Giel,<br />

dass Schultheiß Artopoeus den selben Fall an<br />

sich gezogen hatte und zeitgleich vor dem örtlichen<br />

Schöffengericht verhandelte. Nachdem


der Pfarrer diesen ungehörigen Eingriff in seine<br />

Amtsbefugnisse selbstredend sofort dem Inspektor<br />

4 (= Superintendenten) anzeigte, erhielt<br />

er von diesem die Anweisung, sich eine Kopie<br />

des Gerichtsprotokolls vom Schultheißen anfertigen<br />

zu lassen und diese dann zusammen<br />

mit seinem eigenen Protokoll dem Trarbacher<br />

Konsistorium zu übersenden.<br />

Nicht ahnend, »daß Gottes gerechter Zeigefinger<br />

zur Entdeckung der boßheit des Schultheisen<br />

Hierinn walten sollte«, machte sich Giel<br />

daran, den Auftrag zu erfüllen. Aber wie es das<br />

Schicksal wollte, fand der Pfarrer bald eine Unstimmigkeit<br />

in beiden Protokollen! Giel, der Artopoeus<br />

bereits zuvor der Urkundenfälschung<br />

überführt zu haben glaubte, witterte hierin bald<br />

eine erneute Schandtat des Schultheißen. Als<br />

nun die Weihnachtsfeiertage des Jahres 1724<br />

näher rückten, ersuchte er den Bürgermeister<br />

deshalb, sich gegenüber der Kirche über diesen<br />

schweren Vorwurf offiziell zu erklären. Eine<br />

Bitte, der Artopoeus – wie leicht zu denken ist –<br />

schwerlich nachkam. In seinem Antwortschreiben<br />

an den Pfarrer stellte er vielmehr klar, »daß<br />

der H[err] Gevatter mir nichts zu befehlen noch<br />

vor zu schreiben in meinem ambt« habe, da er<br />

als Schultheiß »nicht dependiere [= abhängig<br />

sei] von Ihme« und so auch nicht der »sachen<br />

halber bey censur antwort schuldig« sei.<br />

Giel, der in diesem Punkt durchaus anderer<br />

Meinung war, nahm die Weigerung des Schultheißen<br />

kurzerhand zum Anlass, Artopoeus<br />

künftig solange vom heiligen Abendmahl auszuschließen,<br />

bis dieser die geforderte Erklärung<br />

gegeben haben würde. 5 Schließlich<br />

müsse er die Sache mit den unterschiedlichen<br />

Protokollen als nichts anderes »alß eine schwere<br />

und Gott Verhaste Sünde« betrachten, begründete<br />

der Seelsorger seine Entscheidung<br />

und wies im Weiteren darauf hin, dass Artopoeus,<br />

falls er denn »ohne Erkantnus und bekantnus<br />

der Sünden« vor den Tisch des Herrn trete,<br />

»das Gericht [Gottes] über sich nur vergrössern«<br />

würde. Dass er als Pfarrer »bey ausspendung<br />

des H. Abendmals ein Diener abgeben<br />

soll«, um »die Vergrosserung der Gottlichen gerichte<br />

wider die Absicht des H. Abendmahls zu<br />

befördern«, hielte er mit seinem seelsorgerischen<br />

Gewissen schlichtweg für unvereinbar.<br />

Auch ansonsten zeigte sich der Gottesmann<br />

sehr um das Seelenheil des Schultheißen<br />

bemüht. Dass dieser ihm als Hauptgrund für<br />

die Abweisung »einem alten eingesessenen<br />

Groll« unterstellt hatte, verzieh der Pfarrer bereitwillig<br />

in christlicher Großmut und erklärte, er<br />

wolle »doch solches lieber einem übereilenden<br />

Eyffer zu schreiben und es nach der liebe deüten«.<br />

Schließlich würde ja auch Artopoeus eines<br />

Tages erkennen müssen, »daß ein dergleichen<br />

gerechter Eyffer [des Pfarrers], den Er [der<br />

Schultheiß] bißher alß seinen Feind angesehen<br />

[hat], Ihme wahre Freündstücke erwiesen [habe]«.<br />

Von dieser Art des Freundschaftsbeweises<br />

wollte Artopoeus jedoch verständlicherweise<br />

nichts wissen. Dieses Mal war er es, der einen<br />

Beschwerdebrief an den Inspektor nach Trarbach<br />

schrieb. Hierin erklärte er, dass er »sich<br />

keiner beleidigung bewust sey, womit er sich<br />

an demselben [= Pfarrer Giel] vergriffen hette,<br />

und demselben auch die versöhnung, so [=<br />

falls] [et]was wider sein wissen geschehen<br />

wär[e], angeboten habe«. Liernur, der seinem<br />

Amt und seiner Persönlichkeit entsprechend<br />

um Ausgleich und Versöhnung bemüht war,<br />

wies daraufhin Giel an, »wenn demnach keine<br />

weiteren obstacula [= Hindernisse] vorhanden«<br />

seien, den Schultheißen künftig wieder zum<br />

Abendmal zuzulassen. Zähneknirschend, jedoch<br />

nicht ohne die Bitte zu Gott, »Er werde<br />

sein blut auf den fall nicht erfolgender busse<br />

nicht von meinen Händen fordern«, kam Giel<br />

der Anweisung nach – diese Auseinandersetzung<br />

der beiden Streithähne hatte offensichtlich<br />

mit einem Punktsieg des Bürgermeisters<br />

geendet.<br />

Doch schon bald darauf wurde bereits die<br />

nächste Runde der Fehde eingeläutet: Um den<br />

Katalog der in Wolf verübten Laster zu vervollständigen,<br />

war es im Jahre 1726 der Diebstahl,<br />

der den Gemeindehirten ernsthaft um das Seelenheil<br />

der ihm anvertrauten Schäflein bangen<br />

ließ. Pfarrer Giel wäre nicht er selbst gewesen,<br />

wenn er in diesem Zusammenhang nicht bald<br />

auch den Schultheißen als »werckzeüg« des<br />

Teufels entlarvt zu haben glaubte. Tatsächlich<br />

war der Geistliche überzeugt, dass »nicht allein<br />

der Ruff, sondern auch viele Umstände [...] es<br />

deütlich genug gaben, das der Schultheis dieser<br />

Diberey u[e]berzuhelffen suchte.« Und der<br />

wackere Gottesmann war keineswegs gewillt,<br />

»dem Feind, der Unkraut zu s[a]ehen beflissen«,<br />

tatenlos zuzuschauen. »[Ich erachtete] mich<br />

verpflichtet, das zum besten der Kirchen Christi<br />

261


Wolfer Pfarrhaus aus dem 18. Jahrhundert. Es wurde vor ca. 40 Jahren abgerissen.<br />

262


nach aller gelegenheit zu thun was mir möglich«,<br />

begründete Giel später seinen Entschluss,<br />

ausgerechnet im Rahmen eines Gottesdienstes<br />

vor der gesamten versammelten<br />

Gemeinde »wider solche Gottlosigkeit [ebenso]<br />

alß wider den Dibstall zu eyfferen«.<br />

Um, wie er es selbst nannte, »des Feindes [=<br />

Teufels] anschläge zu zernichten und Christi<br />

reich zu pflantzen«, predigte der Wolfer Pfarrer<br />

am 10. Februar 1726 über das Pauluswort »es<br />

gehet ein gemein geschrey, das Hurerey, Dieberey,<br />

und Hegung der Dibe, unter Eüch seye«<br />

– und fügte mit eigenen Worten hinzu: »wollte<br />

Gott, ich ha[e]tte nicht Ursach, mit Paulo [dasselbe]<br />

auch zu sagen!« Würde der unaufhörliche<br />

Diebstahl in Wolf, »wo man nun über dieses<br />

den Dieben unterschleiff gebe«, nicht abgestellt<br />

werden, so stellte der Seelsorger im<br />

Weiteren unmissverständlich klar, »so würde<br />

es eine Diebs Höhle werden und der Bann über<br />

uns seyen«. War bereits mit dieser Feststellung<br />

Giels jedem Gottesdienstbesucher klar, wen<br />

genau unter den Anwesenden der Pfarrer der<br />

»Hegung der Diebe« bezichtigte, so sorgte<br />

dessen abschließende Mahnung, »wie ferne<br />

sich diejenigen durch schweigen versündigen<br />

und theil an der Sünden nehmen könten, welchen<br />

das Gericht anbefohlen [sei]«, schlichtweg<br />

für einen Eklat.<br />

Bereits am folgenden Montag lud der Schultheiß<br />

seine Gerichtsschöffen zur Krisensitzung<br />

ins Rathaus. Sie würden »wegen solches üblen<br />

auffbürden und meynung sich beschweret finden,<br />

so stand es auf einem von ihnen rasch formulierten<br />

Beschwerdeschreiben an den Pfarrer<br />

zu lesen, in dem sie weiterhin berichteten, auch<br />

dem Oberamt in Trarbach ein entsprechendes<br />

Protokoll überschickt zu haben mit der Anklage,<br />

dass Giel »auff der Cantzel die Richter zu<br />

Wolff vor [= als] Vertuscher und Verheler der<br />

Dieb« bezeichnet habe. Mit diesem Zettel<br />

schickten sie ausgerechnet einen Boten ins<br />

Pfarrhaus, der selbst im Ruf stand, wegen gestohlener<br />

Räder vom Schultheißen gedeckt zu<br />

werden. Hatte bereits die ausgesprochene<br />

Drohung mit dem Oberamt den Kampfgeist<br />

des Pfarrers geweckt, so ließ ihn diese Frechheit<br />

geradezu in Rage geraten.<br />

Am 14. Februar ergriff er selbst die Initiative,<br />

um dem Hochfürstlichen Konsistorium ebenso<br />

wie dem Fiskalbeamten Patrick zu berichten,<br />

»wie bund und graus es in unserm Wolff zum<br />

Verderb der Gemeinde, und Kränkung der justitia<br />

hergehe«. »Anerwogen der Schultheis damit<br />

umgehet, dem Pfarrer daß maul zu stopffen,<br />

und die Diebe so frech machet, daß Sie mit<br />

schelmen [= Schimpfworten] in Angesicht des<br />

Pfarrers so um sich werffen, daß nichts mehr<br />

fehlet, alß daß Sie den Pfarrer nicht deütlich einen<br />

Schelmen heissen!« Doch die Aufregung<br />

des Pfarrers erwies sich schon bald als durchaus<br />

verfrüht. Denn in Trarbach zeigte man sich<br />

von einer etwaigen Klageschrift des Schultheißen<br />

völlig ahnungslos, wie Inspektor Liernur<br />

in seinem Antwortschreiben an den Pfarrer bekennen<br />

musste.<br />

Der Grund, warum der Schultheiß offensichtlich<br />

auf seine Klage vor dem Hochfürstlichen<br />

Konsistoriums verzichtet hatte, offenbarte sich<br />

einige Zeit später. Johann Max Artopoeus hatte,<br />

wie er glaubte, schließlich noch ein anderes<br />

Eisen im Feuer, um an Pfarrer Giel für die Bloßstellung<br />

vor der ganzen Gemeinde Vergeltung<br />

zu üben. Ihm war es nämlich gelungen, »die<br />

schwachheit eines sehr wunderlichen Alters«,<br />

bei Giels hochbetagtem Vater, Johann Burkhard<br />

Giel 6 , der über Jahrzehnte hinweg das<br />

Schulmeisteramt in Wolf versah, zu Nutze zu<br />

machen. Der offensichtlich geistig schon etwas<br />

verwirrte Greis ließ sich vor dem Wolfer Schöffengericht<br />

zu einer Klage gegen seinen eigenen<br />

Sohn überreden. Dieser sei, so lautete die Anklage,<br />

mit den bei der Übergabe der Güter zwischen<br />

Vater und Sohn vereinbarten jährlichen<br />

Unterhaltszahlungen säumig geworden. Als<br />

nun der Schulmeister einen »Ehrlichen Mann«<br />

zu dem Pfarrer geschickt habe, um seine Güter<br />

zurückzufordern, habe dieser ihm sein berechtigtes<br />

Begehren »mit kurtzen Worten abgeschlagen«.<br />

Dass das Gericht in diesem Fall die Schuld des<br />

Pfarrers »zu Recht erkant[e]«, mag im Weiteren<br />

kaum verwundern. Der Beklagte wurde von ihnen<br />

kurzerhand dazu verurteilt, »seine Güter so<br />

wohl mütterlicher alß vätterlicher[seits] zu extradieren<br />

[= zurückzugeben]«. Doch als nun der<br />

Gerichtsbote dem Pfarrer das Urteil überbringen<br />

wollte, zerriss Giel kurzerhand das Dokument<br />

in aller Öffentlichkeit und schickte den<br />

Boten mit den Papierfetzen zum Schultheißen<br />

zurück. Da waren nicht wenige im Ort, die das<br />

weitere Schicksal des Geistlichen bereits zu<br />

bedauern begannen, zumal Artopoeus ihnen<br />

glaubhaft versicherte, dass Pfarrer Giel mit<br />

263


dem Zerreißen eines rechtskräftigen Gerichtsurteils<br />

nichts anderes als ein Majestätsverbrechen<br />

begangen habe. Nachdem der Streit des<br />

Pfarrers und Schultheißen auf diese Weise eskaliert<br />

war, wurde ein erneutes Eingreifen der<br />

Obrigkeit in dieser Sache unumgänglich. Der<br />

weiteren Anklage des Seelsorgers, der sich unter<br />

anderem bei Inspektor Liernur über diese,<br />

so wörtlich, »abgeschmackt[e] und unbefugte<br />

Klage« und »Geschmiers« beschwerte und im<br />

Weiteren forderte, dass sein »Ampt von ferneren<br />

solchen tollkühnen Anschlägen mehr gesichert<br />

werden« möge, hätte es da gar nicht<br />

mehr bedurft.<br />

Für den 5. März 1726 war der Wolfer Schultheiß<br />

mitsamt seinen Gerichtsschöffen Johann Justus<br />

Lorenz, Justus Weyrich, Johann Kaspar<br />

Comes und Ruprecht Homburger von den Räten<br />

des Hochfürstlichen Konsistoriums zum<br />

Verhör nach Trarbach bestellt worden. Nachdem<br />

ihnen dort vorgehalten wurde, dass sie als<br />

»incompetente Richter« zu dem Gerichtsverfahren<br />

gegenüber dem Pfarrer gar nicht befugt<br />

gewesen seien und das hierüber geführte Protokoll<br />

und Urteil von ihnen offiziell ausgestrichen<br />

werden sollte, musste Artopoeus auch eine<br />

weitere Niederlage einstecken. Da er vor der<br />

Obrigkeit nicht hatte beweisen können, dass<br />

Pfarrer Giel auf der Kanzel tatsächlich »die<br />

Richter in Wolff [als] Hehler und vertuscher der<br />

diebe außgescholten«, wurde ihm zu seinem<br />

besonderen Verdruss darüber hinaus befohlen,<br />

sich für diese Behauptung schriftlich bei Pfarrer<br />

Giel zu entschuldigen.<br />

Der Schultheiß und seine Schöffen hatten,<br />

nachdem das offizielle Verhör noch vor 11 Uhr<br />

vormittags beendet war, offensichtlich allen<br />

Grund, ihren Ärger im Alkohol zu ertränken.<br />

Noch in Trarbach kehrten sie so zum gemeinschaftlichen<br />

Frühschoppen ins Wirtshaus<br />

»dem wilden Mann« ein, wo sie mit Ausnahme<br />

von Ruprecht Homburger, der gegen zwei Uhr<br />

nachmittags nach Wolf zurückkehrte, den<br />

ganzen Tag über sitzen blieben. Als sie sich zu<br />

später Stunde dann endlich doch noch auf den<br />

Heimweg machten, waren die beiden Schöffen<br />

Johann Justus Lorenz und Johann Kaspar Comes<br />

so betrunken, dass sie schon vor der Tür<br />

des Gasthauses stolperten und zu Boden fielen.<br />

Einige Trarbacher Bürger, die dieses gesehen<br />

hatten, boten daraufhin an, die beiden<br />

nach Wolf zurückzubringen. Doch während<br />

264<br />

sich Comes stützen ließ, wollte sich Lorenz<br />

nicht halten lassen. Er machte sich schwankenden<br />

Schrittes in der Dunkelheit allein auf<br />

den vier Kilometer langen Weg, auf dem der<br />

Schultheiß ein Stück vor ihm und der Schöffe<br />

Justus Weyrich ein wenig dahinter gingen.<br />

Angekommen in Wolf ist Johann Justus Lorenz<br />

jedoch nie! Sein am nächsten Morgen am Wegesrand<br />

gefundener Hut legte die Vermutung<br />

nahe, dass der Schöffe offensichtlich in die<br />

Hochwasser führende Mosel gefallen und ertrunken<br />

war. Hierfür sprach schließlich auch<br />

die Tatsache, »daß Er [= Lorenz] wenige Wochen<br />

zuvor, von Trarbach gehend, gleichfalls<br />

trunckener Weise ins Wasser, welches groß<br />

war, gefallen und in Gefahr gewesen [ist],schon<br />

damals zu ersauffen, wo [= wenn] nicht Johann<br />

Görg Moltz in beystand eines Fremden Ihn damals<br />

gerettet Hätten, denen Er aber anfangs<br />

statt des Dankes unnütze Wort gegeben«, wie<br />

Pfarrer Giel im Sterberegister des Wolfer Kirchenbuches<br />

vermerkte.<br />

Dieser bedauerliche Unglücksfall ließ die beiden<br />

Streithähne jedoch ebenso wenig zur Besinnung<br />

kommen, ihre jahrelange, unerquickliche<br />

Fehde endlich zu beenden, wie die gegenüber<br />

Giel ausgesprochene ernste Mahnung<br />

des Konsistoriums, dass nach Abschluss des<br />

jüngsten »streitthändels« nun endlich der »weg<br />

zur vereinigung zwischen Euch und H[er]rn<br />

Schultheißen gebahnet« werde. Ganz im Gegenteil:<br />

Als wenige Monate darauf Niklas Michels<br />

als Hausnachbar von Giels hochbetagtem<br />

Vater dem bald 80-jährigen Schulmeister<br />

erklärte, dass »im alten [Gerichts-]Protokoll<br />

sich etwas finde, daß der Mistenplatz«, den dieser<br />

bislang benutzt habe, in Wirklichkeit »Ihme<br />

gehöre«, war der Pfarrer sofort von neuem<br />

überzeugt, dass auch in dieser Sache »des<br />

Schultheisen Arglistigkeit unter der Decken läge«.<br />

Ein Verdacht, der sich kurze Zeit darauf durchaus<br />

bestätigte. Denn als sich Michels am 17.<br />

August 1726 tatsächlich »erkühnte«, Mist von<br />

dem eigenen Mistplatz auf den des Schulmeisters<br />

zu ziehen, gab dessen Frau sogar offen<br />

zu, »h[err] Schultheiß habe sie geheissen, den<br />

Mist auf den Platz zu ziehen«. Daraufhin beauftragte<br />

der Pfarrer kurzerhand seine Magd, den<br />

fremden Mist einfach auf die Straße zu werfen,<br />

wo dieser dann vorerst liegen blieb. Schließlich<br />

habe Michels »doch endlich sich des Mists wie-


der an- und selbigen zu sich genommen«, notierte<br />

Giel später mit Befriedigung.<br />

Aber erledigt, wie der Pfarrer glauben mochte,<br />

war dieser Streit damit noch keineswegs: Die<br />

Auseinandersetzung um den Mistplatz wurde<br />

nun Gegenstand eines ordentlichen Gerichtsverfahrens.<br />

Und da sich Giel weigerte, vor dem<br />

örtlichen Schöffengericht auch nur zu erscheinen,<br />

wurde der Prozess sofort an das Oberamt<br />

überwiesen. Niemand anderer als der sponheimische<br />

Oberamtmann Ernst von Koppenstein<br />

unterzeichnete schließlich höchstpersönlich<br />

das Urteil über den strittigen Mistplatz – der,<br />

zum Ärger Giels, dann tatsächlich dem Nachbarn<br />

zugesprochen wurde.<br />

Mochte diese für Pfarrer Giel sicherlich etwas<br />

peinliche »Niederlage« die Ursache gewesen<br />

sein oder, was durchaus wahrscheinlicher sein<br />

dürfte, die Kriegsereignisse, die bald darauf<br />

unsere Heimatregion heimsuchten – jedenfalls<br />

endete die jahrelange Fehde der beiden kommunalen<br />

Würdenträger von Wolf den vorhandenen<br />

Dokumenten nach mit dieser Auseinandersetzung.<br />

1733 übernahm Johann Carl Giel<br />

das Pfarramt in Traben. Darüber, ob und wie er<br />

Eigenhändige Skizze des strittigen<br />

Mistplatzes in Wolf von Pfarrer Giel.<br />

Legende:<br />

A. Der Weg<br />

B. Peter Mäürers Maur am Hauß<br />

C. Der Hofgang zum Haus<br />

D. Das Oderloch<br />

E. Der Mistenplatz quaestionis<br />

F. Der Anstossende<br />

Peter Grossen Platz<br />

G. Peter Grossen Hauß<br />

H. Ein Platz zum verkauften<br />

Hauß gehörig<br />

a. das scheüren Thor<br />

b. die Haußthür<br />

c. die Kellerthür<br />

sich mit dem dortigen Schultheißen vertragen<br />

hat, ist jedoch bislang nichts bekannt...<br />

Anmerkungen:<br />

1 Die genauen Lebensdaten von Johann Max Artopoeus konnten<br />

bislang noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Sicher ist jedoch,<br />

dass er nicht in Wolf geboren wurde.<br />

2 Johann Carl Giel: * 11.08. 1681 in Wolf, 1708 bis 1718 Pfarrer in Alterkülz,<br />

1734 bis 1743 in Traben, † 1743 in Traben.<br />

3 Anstelle des heutigen Presbyteriums besaßen die evangelischen<br />

Kirchengemeinden im 18. Jahrhundert eine Art Kirchengericht, die<br />

»Zensur«, der die Ahndung insbesondere von Sittlichkeitsdelikten<br />

unterlag.<br />

4 Inspektor war damals Christoph Adolph Liernur: * 27.04. 1680 in<br />

Winningen, † 22.11.1748 in Zweibrücken.<br />

5 Der Ausschluss vom Abendmahl galt als eine der schwereren Strafen<br />

des Kirchengerichtes.<br />

6 Johann Burkhard Giel: * 02.05. 1647 in Kleinich, Sohn des dortigen<br />

Schulmeisters Johann Peter Giel. Johann Burkhard Giel trat 1678<br />

die Schulmeisterstelle in Wolf an, † 1737 in Wolf.<br />

Quellen:<br />

Archivstelle Boppard der Evangelischen Kirche im Rheinland:<br />

Best. 119 Nr. 1, 2 (Kirchenbücher)<br />

Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Traben-Trarbach/Wolf:<br />

Best. A Nr. 1.2, 1.3 (Zensurprotokolle)<br />

Best. 160 (kirchliche Sitte und Ordnung)<br />

Best. 195 (Verfassungen und Verordnungen)<br />

Best. 207a (Beleidigungsklagen)<br />

Dem Archivbetreuer der ev. Kirchengemeinde Traben-Trarbach/Wolf,<br />

Uwe Hauth, gilt für die freundliche Unterstützung besonderer Dank.<br />

265


Oberhalb von Traben-Trarbach auf der Starkenburger<br />

Höhe, befinden sich am Rande eines<br />

Ackers zwei mächtige alte Steine, ein<br />

schwarzer liegender Schieferstein in Spindelform<br />

und ein weißer stehender Quarzstein. Sie<br />

bewachen seit Menschengedenken eine keltische<br />

Grabstätte. Man nennt sie »Kampsteine«.<br />

Bereits in den frühen romantischen Moselbeschreibungen<br />

nahm die Starkenburger Höhe<br />

wegen dieser Steine als Schauplatz eines dramatischen<br />

Geschehens Raum ein. Der »große<br />

Schwarze« soll einst von dem »strahlend<br />

Weißen« in einem Schwertkampf besiegt worden<br />

sein, darum seine liegende Stellung.<br />

Vor einigen Jahren konnte ich einen Naturfreund<br />

dazu bewegen, einmal die der Straßenseite<br />

abgekehrte, völlig zugewachsene Seite<br />

des liegenden schwarzen Kampsteines mit einer<br />

starken Motorsäge von Gesträuch und<br />

Laubgewächsen zu befreien und zu säubern.<br />

Für das schöne Foto von »vorn«, von Ernst Havenstein,<br />

war die Arbeit von über einer Stunde<br />

mit der »Wingertsscheer« nötig. Groß war meine<br />

Freude, als ich die bisher im feuchten Schatten<br />

wuchernden Flechten abziehen konnte.<br />

Nach der Bearbeitung mit einer Drahtbürste<br />

kam ein ca. 40 bis 60 cm langer und bis 20 cm<br />

breiter goldgelber Einschluss zum Vorschein.<br />

Nach 1918 wurde wahrscheinlich mit Schwarzpulver<br />

ein Sprengversuch unternommen, um<br />

266<br />

Der Kampstein auf der<br />

Starkenburger Höhe<br />

Helmut Wendhut<br />

aus den Schieferstücken einen Hühnerstall zu<br />

bauen. Die Maße des Steines betragen in der<br />

Höhe 3,80 m (liegend), in der Breite 1,00 m und<br />

im Durchmesser 0,80 m. Die nach Süden gerichtete<br />

Spitze ist gebrochen, das verdickte<br />

Ende (wahrscheinlich die ehemalige Standfläche)<br />

zeigt nach Norden.<br />

Einst dürfte dieser Kampstein der im Nordosten<br />

aufgehenden Sonne als Morgengruß gedient<br />

haben.<br />

Als nach der Flurbereinigung um 1970 zum ersten<br />

Mal die Wiese zwischen Straße und dem<br />

liegenden Stein umgepflügt wurde, kam um die<br />

Hügelmitte im Abstand zwischen 20 bis 30 Meter<br />

eine kreisförmige braune Bodenverfärbung,<br />

vermutlich eine einstige Palisadenabgrenzung,<br />

zum Vorschein. Im Hochsommer bei fast untergegangener<br />

Sonne ist der Hügel in der Ansicht<br />

von Nord-Ost nach West-Nord für ein geübtes<br />

Auge noch gut zu erkennen.<br />

Eines Tages brachte ein Urlauber mit einem<br />

Fußtritt aus einem dicken Erdklumpen, der aus<br />

den Hinterrädern eines landwirtschaftlichen<br />

Großfahrzeuges gefallen war, einen verzierten<br />

Kinderbronzearmreif ans Licht. Eine Begutachtung<br />

durch das Rheinische Landesmuseum<br />

Trier erbrachte das Ergebnis, dass dieser um<br />

400 bis 600 vor Christus gefertigt worden war.<br />

Er stammt vermutlich aus der Grabstätte bei<br />

den zwei keltischen Kampsteinen.<br />

Der schwarze Kampstein auf der Starkenburger Höhe bewacht eine keltische Grabstätte


Ein alter Streitfall um die Glocken der<br />

Trabener Simultankirche<br />

Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde<br />

Traben-Trarbach-Wolf aufgefunden<br />

Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde<br />

Traben-Trarbach-Wolf findet sich eine alte Beschreibung<br />

des Ortes Traben aus dem Jahre<br />

1826, die ein Trabener mit Namen Georg Knod<br />

im Jahre 1826 einem Freund auf dessen Bitte<br />

anfertigte. Darin schildert er unter anderem die<br />

Kirche in anschaulichen Worten und einen gar<br />

absonderlichen Streit zwischen den Trabener<br />

Katholiken und Evangelischen um die Glocken<br />

des gemeinsam genutzten Gotteshauses. Der<br />

Text wird in der originalen Schreibweise des<br />

Jahres 1826 im Folgenden wiedergegeben:<br />

Die Kirche, ein altes dunkles in gotischer Manier<br />

erbautes, von dem Kirchhofe umgebenes<br />

Gebäude, befindet sich mit dem daran gebauten<br />

Spitzturm, worin drei Glocken hangen, und<br />

eine Kirchenuhr ausgestellt ist, an der nordöstlichen<br />

Seite des Ortes, zählt 12 Fenster, vier<br />

Thüren, hat im Inneren eine steinerne gewölbte<br />

Decke, eine Emporkirche, eine Kanzel, einen<br />

kleinen Hochaltar, eine Orgel, welche 12 Register,<br />

ein Manual, ein Pedal und zwey Bälge hat,<br />

und die von den beyden hiesigen evangelischen<br />

Schullehrern bey dem öffentlichen Gottesdienst<br />

gespielt wird. Sie ist für die volle Anzahl<br />

der hiesigen evangelischen Christen nicht<br />

geräumig genug und gleicht eher etwas anderem<br />

als einem Tempel des Herren. Sie diente<br />

früherhin, und zwar von der Zeit an, als die<br />

durch Doctor Martin Luther bewirkte Reformation<br />

auch hier, als einem zu der Grafschaft<br />

Sponheim gehörigen Orte unter dem Pfalzgrafen<br />

Friedrich dem Zweiten im Jahre 1557 weiten<br />

Fuß gewonnen hatte, und der damalige katholische<br />

Geistliche Namens Christoph Kreich<br />

mit seiner ganzen Pfarrgemeinde zu den<br />

Grundsätzen der verbesserten evangelischen<br />

Kirche übergetreten war, bis zur Erbauung der<br />

Festung Montroyal, nur den hiesigen evangelischen<br />

Christen zur Ausübung ihres Gottesdienstes,<br />

weil keine Katholiken damals mehr<br />

Uwe Hauth<br />

vorhanden waren. Der mit vieler Grausamkeiten<br />

geführte dreißigjährige Krieg, welcher vieles<br />

Elend über Traben und die Umgebung gebracht,<br />

und der darauf erfolgte, von Ludwig<br />

dem XIV im Jahre 1681 aus Eroberungssucht<br />

angefangene sogenannte französische Reunionskrieg<br />

waren dem evangelischen Kirchenwesen<br />

hier sehr nachteilig, denn während desselben<br />

wurden die hiesigen Evangelischen in<br />

ihren kirchlichen Rechten mehr als auf eine Art<br />

offenbar gekränkt und geschmälert, indem die<br />

französischen Prister, welche mit den französischen<br />

Herren aus Frankreich hierher gekommen<br />

waren, es ohne alle Befugniß wagten, blos<br />

auf die Stütze und Beyhülfe ihrer Eroberer<br />

rechnend, den katholischen Gottesdienst in<br />

der hiesigen evangelischen Kirche wieder einführen,<br />

den steinernen Altar der Evangelischen<br />

wegzunehmen und in einen sogenannten<br />

Hochaltar zum ausschließlichen Gebrauche der<br />

Katholiken zu verwandeln, so daß sich seitdem<br />

bis jetzt die hiesigen Evangelischen bey der<br />

Taufe, dem Abendmahl, der Confirmation usw.<br />

eines tragbaren hölzernen Tisches bedienen<br />

müßen.<br />

Der zu Ryswijk im Jahre 1697 geschlossene<br />

Friede endigte zwar den Reunionskrieg, was<br />

aber in kirchlicher Hinsicht den Katholiken<br />

während desselben mit Gewalt verschafft worden<br />

war, nämlich die öffentliche Religionsausübung<br />

in der hiesigen Kirche usw. nun da ihnen<br />

durch Ludwig des XIV Religionseifer und Übermuth<br />

in gedachtem Friedensschlusse auch für<br />

die Zukunft geliefert, so daß sie seitdem ihren<br />

Gottesdienst so wie die Evangelischen in der<br />

hiesigen Kirche ausüben dürfen, ohne irgend<br />

etwas zur Unterhaltung derselben betragen zu<br />

müssen. Am schmerzlichsten für die Evangelischen<br />

ist es, daß sie des feststehenden Altares,<br />

eines wesentlichen Stückes einer evangelischen<br />

Kirche bisher entbehren und die Unter-<br />

267


Bauzeichnung vom 29. April 1890<br />

268


haltungskosten derselben aus geringen Mitteln<br />

bis jetzt allein (daher sie sich in einem ziemlich<br />

schlechten Zustand befindet) tragen mußten!<br />

Der Gottesdienst derselben wird von zwei Predigern<br />

von welchen der erste seit 25 Jahren,<br />

und der zweite seit zwei Jahren im Segen dahier<br />

gewirkt hat, abwechselnd versehen. Nur<br />

beklagen die Evangelischen sehr, daß sie, statt<br />

wie früher, das Zeichen zur kirchlichen Versammlung<br />

mit allen Glocken, seit beinahe sieben<br />

Jahren, nur mit zweien, nämlich der zweiten<br />

und dritten Glocke erhalten. Die Ursache<br />

davon ist folgende: Im Jahre 1818 ließ der Vorstand<br />

dahier mit Einwilligung der hiesigen Einwohner,<br />

aus dreyen ziemlich kleinen Glocken,<br />

welche den hiesigen Evangelischen eigenthümlich<br />

gehörten, und wovon die Katholiken<br />

nur den beschränkten Mitgebrauch hatten,<br />

zwei gießen. Weil aber die Absicht des hiesigen<br />

Vorstandes war, sie um ein Beträchtliches<br />

größer als die vorige gießen zu lassen, und deshalb<br />

noch Glockenstoff gekauft werden mußte,<br />

so beschloß derselben mit Einwilligung der<br />

Bürger dahier, das damals von der Behörde für<br />

Verpflegung des Militairs zurück erhaltene Geld<br />

dazu anzuwenden. Alle evangelischen Einwohner<br />

waren damit sehr zufrieden, nur die katholischen<br />

nicht, und forderten und erhielten ihren<br />

gebührenden, verlangten Antheil von den Verpflegungsgeldern.<br />

Die Evangelischen ließen<br />

darauf die Glocken ganz auf ihre eigenen Kosten<br />

gießen. Nachdem sie fertig und auf dem<br />

Thurme aufgehängt waren, läuteten die Evangelischen<br />

wie früher gewohnt mit denselben.<br />

Die Katholiken verlangten dasselbe thun zu<br />

dürfen, es wurde ihnen aber von den Evangelischen<br />

aus triftigen Gründen, nur das Läuten mit<br />

der zweiten und dritten Glocke gestattet.<br />

Die Katholiken damit nicht zufrieden, versuchten<br />

einigemale in den Glockenturm einzubrechen<br />

um sich gewaltthätiger Weise den Gebrauch<br />

aller Glocken zu verschaffen, weil ihnen<br />

aber die Evangelischen von ihrer Seite pflichtgedrungen<br />

durch alle sich ihnen darbietende,<br />

erlaubten Mittel dagegen Wiederstand zu leisten<br />

dachten: so fragten sogar die Katholiken<br />

bei der Obrigkeit um die Erlaubnis an, ob sie<br />

sich nicht mit Gewalt in den Besitz der Glocken<br />

setzen dürften! Was ihnen aber von denselben<br />

gänzlich untersagt wurde. Die Evangelischen,<br />

immer gewohnt sich schonend, nachsichtig<br />

und liebevoll gegen die Katholiken zu bezeigen<br />

und lieber etwas von ihren Rechten fahren zu<br />

laßen, als Zwist und Unruhe zu stiften, erklärten<br />

ihnen freiwillig in Gegenwart des Herrn Landrath<br />

zu Zell, im Beisein der evangelischen und<br />

katholischen Geistlichen so wie des evangelischen<br />

und katholischen Presbyteriums daß,<br />

wenn sie ihren kleinen Altar aus der Kirche<br />

wegräumen, und den Raum desselben den<br />

Evangelischen zu ihrer Benutzung geben wollten,<br />

die ihnen den Mitgebrauch aller Glocken<br />

gestatten wollten. Damit sehr zufrieden, wurde<br />

von dem Herrn Landrath Moritz und dem Cantonspfarrer<br />

Herr Schunk in Zell, den beiden in<br />

den Sachen ernannten Commisarien, sogleich<br />

diese Übereinkunft beider Religionsparteien zu<br />

Papier gebracht und von beiden Theilen unterschrieben.<br />

Es dauerte aber nur einige Tage, so<br />

hoben die Katholiken diese, förmliche Übereinkunft<br />

einseitig auf, und verlangten von der Regierung,<br />

daß sie die Evangelischen mit Gewalt<br />

anhalten sollte, ihnen den Mitgebrauch der<br />

größten umgegossenen Glocke, ohne Rücksicht<br />

auf die von ihnen mit den Evangelischen<br />

getroffene Übereinkunft, zu gestatten, da aber<br />

dieselbe solches zu bewirken nicht im Stande<br />

war: so baten sie dieselbe um Ermächtigung,<br />

ihre Ansprüche auf besagte Glocke vor den Gerichten<br />

geltend zu machen. Sie erhielten die<br />

selbe im Jahre 1822 und seit dieser Zeit ist die<br />

Sache bei den Gerichten anhängig und in diesem<br />

Augenblick noch nicht entschieden. Zum<br />

Beweis der großen Friedensliebe der Evangelischen<br />

haben sie, während die schon vor die Justizbehörden<br />

gebracht wurden war, um die<br />

Quelle des Streites auf immer zu verstopfen,<br />

den Katholiken, für die Verzichtsleistung auf alle<br />

Ansprüche an die Kirche die Summa von 1800<br />

Thalers Preußisch cur: zu zahlen sich erboten,<br />

allein sie sind damit nicht zufrieden, sondern<br />

fordern 2500 Thaler und 18 Ruthen Land. Simultankirchen<br />

zwischen Protestanten und Katholiken<br />

waren, sind und bleiben eine unversiegbare<br />

Quelle unseliger Streitigkeiten. So<br />

lehrt die Geschichte derselben in aller Zeit.<br />

Pfarrer Bessel konnte durch einen Vertrag mit<br />

der katholischen Kirchengemeinde vom 8. Juni<br />

1889 das Simultaneum auflösen. Die katholische<br />

Kirchengemeinde durfte noch bis zum<br />

Bau einer eigenen Kirche in Traben die Glocken<br />

weiterläuten.<br />

Quellenangabe:<br />

Abt. Traben 4.5. Nr. 21<br />

269


Die lange Zeit der Fähre, eine der ältesten Verkehrseinrichtungen,<br />

ging auf weiten Strecken<br />

des Mosellaufs mit dem Brückenbau und der<br />

Schiffbarmachung des Flusses zu Ende. Am<br />

26. Mai 1964 wurde bei einem glanzvollen<br />

Festakt in Trier der Verkehr auf der neuen Moselwasserstraße<br />

durch die Staatsoberhäupter<br />

von Deutschland, Frankreich und Luxemburg<br />

eröffnet. Durch Stauregelung – 14 Staustufen<br />

zwischen Koblenz und Thionville (Diedenhofen)<br />

– ist der Fluss für 1500-t-Schiffe und Schubverbände<br />

von 172 m Länge und 11,40 m Breite<br />

mit einem Tiefgang von 2,50 m ausgebaut worden.<br />

Durchgehender Schiffsverkehr bei Tag<br />

und Nacht machte die behäbigen Pontenfähren<br />

nun für ihre Aufgabe untauglich. Ihre Antriebskraft,<br />

die natürliche Strömung, wurde<br />

durch den Stau der Mosel so vermindert, dass<br />

sie nicht mehr verkehren konnten. Die Gierfähren<br />

waren nicht mehr beweglich genug, um<br />

der Großschifffahrt hinreichend schnell aus<br />

dem Wege zu gehen. Fährponten, bislang ans<br />

Seil gebunden, mussten motorisiert werden,<br />

um bei Überfahrt notfalls ausweichen und beschleunigen<br />

zu können. Die Mosel verlor ein<br />

idyllisches Bild; die einst ruhig über den Fluss<br />

treibende Ponte gehört der Vergangenheit an.<br />

Wenige Fährtürme und Fährhäuschen erinnern<br />

noch an den einstigen Fährbetrieb und stehen<br />

als Merkzeichen an den Ufern.<br />

Von der Fähre zur Brücke<br />

Die Überquerung von fließenden Gewässern<br />

mittels Fähren ist so alt wie die Herstellung<br />

tragfähiger Übersetzgeräte. Die Fähre war das<br />

einfachste Mittel zur Beförderung von Personen<br />

und Waren von Ufer zu Ufer. Brücken, die<br />

aufwendig und teuer zu bauen waren, konnten<br />

nur an den wichtigsten Übergängen geschaffen<br />

und unterhalten werden. Je weniger<br />

Brückenbauten es gab, umso dringlicher wurden<br />

Fähren und Ponten für den allgemeinen<br />

270<br />

Von Fähren und Brücken an der Mosel<br />

Blick in die Geschichte der Moselfähren von<br />

Trittenheim bis Reil<br />

Heinz H. Grundhöfer<br />

Verkehr. Sie hatten aber den Nachteil, dass sie<br />

nicht ganzjährig genutzt werden konnten, dann<br />

nämlich, wenn Eistreiben und Hochwasser es<br />

verhinderten. Bis weit in die zweite Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts gab es nur zwei steinerne<br />

Brücken über die Mosel, die Römerbrücke in<br />

Trier und die Balduinbrücke in Koblenz. 1<br />

Da Weinberge und Äcker der vorwiegend<br />

Weinbau treibenden Moselorte häufig auf der<br />

gegenüberliegenden Flussseite liegen, waren<br />

die Bewohner von alters her auf die Benutzung<br />

von Fährnachen und Ponten angewiesen. Fast<br />

jedes Moseldorf hatte seine Fähre; sie wurde<br />

Fahr, Fähre oder Pont genannt. Zuerst wurden<br />

die im Zuge regional bedeutender Straßen<br />

stark frequentierten Moselfähren durch<br />

Brücken ersetzt. <strong>Bernkastel</strong> und Kues wurden<br />

schon 1874 durch eine Straßenbrücke miteinander<br />

verbunden. 2 Traben-Trarbach feierte<br />

1899 Brückenweihe. 3 1909 erhielt der Moselü-<br />

Alter Fährturm an der Brücke Trittenheim, 1996


ergang bei Trittenheim eine feste Brücke. 4<br />

1913 folgten Piesport und – verhältnismäßig<br />

spät – 1929 Zeltingen-Rachtig. 5 Die Winzerorte<br />

Wehlen (1915) 6 und Niederemmel-Müstert<br />

(1922) erleichterten sich den Weg zu den ganz<br />

oder überwiegend auf der anderen Moselseite<br />

gelegenen Weinbergen durch kommunale<br />

Brücken. Von Wehlen heißt es: »Sie konnten es<br />

sich leisten, sich eine Brücke zu bauen, die<br />

Wehlener, die einzige zwischen <strong>Bernkastel</strong> und<br />

Trarbach.« Die Brücke Niederemmel-Müstert 7<br />

dient, wie man sagt, nur dem Wein und ist aus<br />

»Wein erbaut«. Schließlich verschafften sich<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg die Moselorte Reil<br />

1953, Wolf 1963, Kinheim 1966, Erden-Lösnich<br />

1968, Mülheim-Lieser 1968, Minheim 1979 und<br />

Neumagen-Dhron 1964 anstelle der Fähren eine<br />

Brücke, eine feste hochwasserunabhängige<br />

Verbindung ans jenseitige Ufer.<br />

Altes Sprachgut<br />

Spätestens seit dem 13. Jahrhundert sind<br />

Fährstellen an der Mosel aktenkundig. Im älteren<br />

lateinischen Urkundenbestand erscheint<br />

die Fähre als Flussübergang: transitus (fluminis)<br />

oder passagium (Überfahrt). Moselfränkisch<br />

heißt die Fähre Fohr bzw. Fear, in der Schriftform<br />

Fahr. 8 In Urkunden und Ratsprotokollen<br />

des 18. Jahrhunderts erscheint sie 1744 in Kues<br />

als gemeine Fahr (Gemeindefähre) 9 , 1710 in<br />

<strong>Bernkastel</strong> als städtische Fahr oder Stadtpont.<br />

10 Bemerkenswert ist, dass der so unentbehrliche,<br />

an festem Landungsplatz angesiedelte<br />

Fährbetrieb sich auch in den Flurnamen<br />

niedergeschlagen hat. Der Flurname Fahr für<br />

das jeweilige Areal an der Überfahrtstelle ist<br />

nicht selten an der Mosel überliefert. Häufig<br />

lautet die Flurbezeichnung auf´m Fahr (Rachtig),<br />

unter´m Fahrborn (Minheim), hinter‘m Fahrhaus<br />

(Trittenheim), unter´m Fahrfels (Brauneberg).<br />

11 Auch die Ponte, die breite, rechteckig<br />

gebaute Fähre für Fuhrwerke und größere<br />

Personengruppen (Wagenfähre), wurde namensgebend<br />

für Flure, so in Dhron: Ackerland<br />

in der Punt, in Graach: Weingart in der Pondt. 12<br />

Das Wort Ponte 13 kommt vom lateinischen ponto<br />

(Transportschiff), ponton französisch<br />

(Brückenschiff, flacher offener Kahn), niederdeutsch<br />

punte. Von einer »fliegenden Schiffsbrücke«<br />

(städtische Ponte) ist im <strong>Bernkastel</strong>er<br />

Schöffenbuch von 1526 die Rede. Der Fährmann<br />

begegnet uns an der Mosel als<br />

Ferge/Ferger 14 , mundartlich Ferja, in <strong>Bernkastel</strong><br />

1712 Föhriger, in Kues 1744 Faerger/Färger 15 ,<br />

mittelhochdeutsch verje, verige. Ortsüblich<br />

wurde der Fährmann, heute würde man sagen<br />

der Fährbetreiber, mit dem Vorwort Fehr/Ferja<br />

gerufen: Fehrjupp, Ferjakloas. 16<br />

Der Fährmann war eine wichtige Persönlichkeit,<br />

von deren Einsatz Handel und Wandel in<br />

einem Moseldorf abhing. Er musste ja stets<br />

und ständig bereit sein, Menschen und Menschenschicksale<br />

herüber und hinüber zu geleiten.<br />

Das Reglement über die Fähranstalten für<br />

den Regierungsbezirk Trier von 1851 17 schreibt<br />

ausdrücklich vor: »Das Übersetzen muß zu jeder<br />

Tages- und Nachtzeit, wie auch bei gutem<br />

als üblem Wetter ohne Zeitverlust geschehen.«<br />

Ausgenommen blieben natürlich Fahrten mit<br />

augenscheinlicher Lebensgefahr. »Hol über!«,<br />

war gemeinhin der Ruf nach dem Fährmann an<br />

der Mosel.<br />

Fährenrecht<br />

Schon in alten Zeiten nahmen die Landesherren<br />

das Hoheitsrecht für sich in Anspruch, über<br />

die Einrichtung des Fährverkehrs zu bestimmen.<br />

Da die Fähre jedermann zu dienen hatte,<br />

sollte es dem Fährmann als dem alleinigen<br />

Nutznießer eines Flussübergangs verwehrt<br />

sein, über Gebühr daran zu verdienen. Um die<br />

Frage zum Nutzen der Allgemeinheit zu regeln,<br />

wurde schon unter den fränkischen Königen<br />

das Recht, Fähren zu halten, den Regalien des<br />

Königs, später des Staates, zugezählt (Fährregal).<br />

18 Die Ausübung des königlichen Regals<br />

wurde weitervergeben durch Lehen/Erblehen<br />

oder Privilegien. So kam die Fährgerechtigkeit<br />

an die verschiedenen Grundherren. Sie hatten<br />

die Fähre zu stellen, den Fährmann in Dienst zu<br />

nehmen und die Aufsicht zu führen. Über<br />

Fährenrecht und -pflichten in alter Zeit unterrichten<br />

örtliche Weistümer, später Moselfährverordnungen.<br />

Einige Weistümer berichten uns<br />

über die Größe der Fähren. Eine solche musste<br />

»sechzehn Schuhe lang und acht Schuhe weit<br />

sein, dass man mit einem Wagen aus- und einfahren<br />

mag«. Außerdem musste auf jeder<br />

Flussseite ein Brückenkopf sein, »daß die Leute<br />

keinen Schaden bekommen«. 19 Die Fährgerechtsame<br />

blieben in der Regel bis zum Ende<br />

der Feudalzeit unverändert.<br />

Durch Gesetz vom 6. Frimaire des Jahres VII<br />

(26. November 1798) wurden sämtliche Fähren<br />

271


Die Fähre von Zeltingen im Jahre 1900. Sie war die einzige Verbindung zu den auf der linken Moselseite<br />

liegenden Weinbergen.<br />

für staatlich erklärt. 20 Nach 1815 übernahm<br />

Preußen an der Mosel die ehemaligen Regalien<br />

gemäß dem späteren Wasserstraßen-Staatsvertrag<br />

vom 29. Juli 1921 21 , der die Fähren an<br />

natürlichen Wasserstraßen sowie das Fährregal<br />

von dem Übergang auf das Deutsche Reich<br />

ausschloss. Seit 1947 übt das Land Rheinland-<br />

Pfalz die Fährrechte aus und lässt den Fährbetrieb<br />

durch die Behörden der Wasser- und<br />

Schifffahrtsverwaltung überwachen. So geschah<br />

dies bei allen Fähren, mit Ausnahme der<br />

von Brauneberg und Rachtig. 22 Hier waren die<br />

beiden Gemeinden von alters her Besitzer der<br />

Privatfährgerechtsame und konnten selbst<br />

über die Nutzung des Fährrechts bestimmen.<br />

Der staatlichen Aufsicht unterlagen aber auch<br />

sie; denn Fähren und Fährleute auf der Bundeswasserstraße<br />

Mosel unterstanden in schifffahrtspolizeilicher<br />

Hinsicht ausnahmslos der<br />

Verordnungsbefugnis des Bundes. Das Fährrecht<br />

– Fährregal, Fährgerechtigkeit, Fährgerechtsame<br />

– wurde für Rheinland-Pfalz durch<br />

das Landeswassergesetz (LWG) vom 1. August<br />

1960 geregelt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1969<br />

sind schließlich die staatlichen Fährrechte am<br />

gesamten Mosellauf zur finanziellen Entlastung<br />

der Fährbetriebe aufgehoben worden. 23 Die mit<br />

den Fährbetriebsinhabern abgeschlossenen<br />

Pachtverträge über das Fährrecht wurden mit<br />

272<br />

gleichem Zeitpunkt gegenstandslos. Eine<br />

Pachtzahlung an das Land entfiel hiermit.<br />

Betrieb der Fähren<br />

Mittelalterliche Fähren wurden hauptsächlich<br />

durch Menschenkraft betrieben. Von alters her<br />

bediente man sich dazu der Ruderfähren. Zur<br />

Erleichterung der Ruderarbeit setzte man gelegentlich<br />

neben der Muskelkraft auch noch Segel<br />

ein. Seit dem 17. Jahrhundert sind die von<br />

der Wasserkraft betriebenen Gierfähren oder<br />

Gierponten wohl die meistbenutzten an der<br />

Mosel. Ihre Einrichtung lässt sich u. a. zwischen<br />

<strong>Bernkastel</strong> und Kues nachweisen.<br />

Eine Gierfähre pendelt hier zwischen beiden<br />

Ufern an einem in der Flussmitte verankerten<br />

Tiefseil, das von Buchtnachen getragen wird. In<br />

alten Stichen und Bildern finden wir häufig in<br />

romantischem Stil Moselfähren dieser Konstruktion<br />

und Betriebsart abgebildet. Gierponten<br />

gab es zumeist an einem quer über den<br />

Fluss gespannten Seil, also nicht als Pendel mit<br />

einem Fixpunkt am Seilende. Die grundsätzliche<br />

Technik ist dabei nicht verändert worden.<br />

An einem Führungsseil, das entweder als<br />

Hochseil von Fährturm zu Fährturm (oder Fährmast)<br />

straff über den Fluss gespannt oder als<br />

Tiefseil im Fluss befestigt war, wurde die Fähre<br />

leicht schräg gegen die Stromrichtung gestellt,


Pendelfähre auf der Mosel zwischen <strong>Bernkastel</strong><br />

und Kues, Kartenausschnitt, altkolorierte Zeichnung<br />

von J. P. Dilbecker 1774; LHAK Best. 702,<br />

Nr. 323.<br />

sodass sie durch die Strömung seitwärts zum<br />

anderen Ufer gedrückt wurde, während sie,<br />

durch ein Laufrollseil festgehalten, nicht flussabwärts<br />

treiben konnte. Ähnlich gierten auch<br />

größere Personennachen zum jenseitigen Ufer<br />

und nutzten so geschickt die Wasserkraft aus,<br />

wie z. B. die Nachenfähren in Kröv und Ürzig. In<br />

Trittenheim erinnern noch heute die beiden<br />

Fährtürme am Flussufer unterhalb der Brücke<br />

an die alte Hochseilfähre. Nach dem ersten<br />

Giernachenfähre Ürzig<br />

Brückenbau im Jahre 1909 wurde die gemeindeeigene<br />

Pontenfähre eingestellt.<br />

Die Ponte, ein breites, flaches Fährschiff, wurde<br />

in preußischer Zeit oft als Prahm (kastenartiges<br />

Transportschiff) bezeichnet. Auch die Begriffe<br />

Übersetzgerät und Fahrgefäß 24 tauchten<br />

im Amtsdeutsch auf. Durch das günstige Verhältnis<br />

von Breite und Tiefe war die Ponte ein<br />

sehr belastbares Fahrzeug. Aus Sicherheitsgründen<br />

führte sie einen Handkahn als Beiboot<br />

im Schlepp mit. Zur Moselfähre gehörte aber<br />

auch das Fährhaus, das ufernahe Wohnhaus<br />

des Fährmanns, oder ein kleines Wachthaus.<br />

»Oberhalb dem Dorf [Wintrich] steht ein Fahrhaus,<br />

worin ein zwischen Wintrich und Minheim<br />

gemeinschaftlicher Färger wohnet« 25 , so lesen<br />

wir in der kurfürstlichen Amtsbeschreibung<br />

<strong>Wittlich</strong> von 1784. Gegenüber Rachtig, bei Altmachern,<br />

steht noch an der Uferstraße das<br />

ehemalige Fährhäuschen unter dem Schutz<br />

des hl. Nikolaus (Fährpatrozinium). 26<br />

Fährenbestand 1893 und 1914<br />

Ende des 19. Jahrhunderts verkehrten auf der<br />

Mosel von Koblenz bis Trier nach einem Verzeichnis<br />

im »Führer auf den Deutschen Schifffahrtsstraßen«<br />

27 von 1893 insgesamt 61 Personen-<br />

und Wagenfähren. Neben dem Bestandsregister<br />

der alten Moselfähren wurde die jeweilige<br />

Betriebsart mit angeführt. Im Bereich des<br />

heutigen <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> fuhren<br />

1893 die Moselfähren: Reil (Gierponte mit<br />

hohem Querseil), Burg (Nachenfähre), Enkirch<br />

(Gierponte mit hohem Querseil), Trarbach<br />

(Gierbrückenfähre mit Buchtnachen), Wolf<br />

(Pontenfähre), Kinheim, Erden, Rachtig, Zeltingen<br />

und Wehlen (alle desgl.), Graach (Nachenfähre),<br />

Kues (desgl.), Lieser (Ponten- und Nachenfähre),<br />

Dusemond, seit 1925 Brauneberg<br />

genannt (Pontenfähre), Kesten (desgl.), Geierslay-Wintrich<br />

(Nachenfähre), Reinsport (Pontenfähre),<br />

Müstert, Piesport, Neumagen und Trittenheim<br />

(alle desgl.). Am 13. Dezember 1899<br />

wurde zwischen Trarbach und Traben der<br />

Fährbetrieb mit der fliegenden Brücke eingestellt,<br />

weil eine feste Brücke von nun an die beiden<br />

Orte miteinander verband.<br />

Im Jahre 1914 wurden zusätzlich die weiteren<br />

Fähren verzeichnet 28 : Litzig (Nachenfähre),<br />

Kröv (desgl.), Lösnich (Pontenfähre), Ürzig<br />

(Nachenfähre), Minheim (Pontenfähre).<br />

Die große Bedeutung der Fähren für die Mosel-<br />

273


Die eiserne Fährponte Enkirch-Kövenig bei einer Überfahrt um 1938.<br />

orte geht mittelbar aus den obigen Aufstellungen<br />

hervor. Der Weinbau ist und war stets die<br />

Lebensgrundlage der Moselanrainer. Manche<br />

Fähre diente ausschließlich oder überwiegend<br />

dem landwirtschaftlichen Verkehr zur Bewirtschaftung<br />

der gegenüberliegenden Weinberge.<br />

Das gilt besonders für die gemeindeeigenen<br />

Fähren bei Erden, Rachtig, Brauneberg und<br />

Niederemmel.<br />

Bei Kriegsende 1945 waren sämtliche Eisenbahn-<br />

und Straßenbrücken über die Mosel –<br />

mit Ausnahme der Römerbrücke in Trier und<br />

der Balduinbrücke in Koblenz – zerstört. Die<br />

Fähren hatten wieder erhöhte Bedeutung erlangt,<br />

war man doch an der gesamten Mittelmosel<br />

auf das Übersetzen mit Fähren angewiesen.<br />

Auch die Städte Traben-Trarbach und<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues, durch die Brückenzerstörung<br />

vom jeweiligen Stadtteil am jenseitigen Ufer<br />

abgeschnitten, richteten mit behelfsmäßigen<br />

Mitteln wieder einen Personenfährbetrieb ein.<br />

Ende Mai 1945 wurde in <strong>Bernkastel</strong>-Kues eine<br />

Fährverbindung mit dem aus St. Marien (Trier)<br />

angelandeten Fährnachen »Jupp Seiler« geschaffen.<br />

29 An einem Leitdraht gierte bis September<br />

1947 der Personennachen unterhalb<br />

der kriegszerstörten Brücke über die Mosel.<br />

Fährmann war der <strong>Bernkastel</strong>er Heinrich Ham-<br />

274<br />

mes. Die nach dem Ausbau der Mosel zur<br />

Großschifffahrtsstraße geänderten Wasserverhältnisse<br />

machten eine Umstellung der vorhandenen<br />

Gierfähren auf Motorfähren erforderlich.<br />

Durch den Aufstau des Flusses und die Ausbaggerung<br />

der Fahrrinne wurde der Abflussquerschnitt<br />

beträchtlich vergrößert, wodurch<br />

eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit der<br />

Mosel und dadurch eine Verminderung der<br />

Gierwirkung an den Fähren eintrat. Um den<br />

Fährverkehr zu erhalten, mussten deshalb die<br />

Fähren motorisiert werden. Das bedeutete<br />

natürlich eine große Umstellung für das Fährpersonal.<br />

Die Anhebung des Wasserspiegels<br />

machte zudem eine Anpassung der bestehenden<br />

Fährrampen (Fährköpfe) 30 an den Stauspiegel<br />

der ausgebauten Mosel erforderlich.<br />

Die durch die Umstellung entstandenen Kosten<br />

trug die Ausbauunternehmerin der Mosel, die<br />

Internationale Moselgesellschaft m.b.H., durch<br />

die Zahlung von Entschädigungsbeiträgen. Der<br />

Neubau von Brücken machte an einigen Stellen<br />

die Fähren überflüssig. Hier zahlte die Ausbauunternehmerin<br />

Ablösebeiträge zu den<br />

Brückenbauten, so u. a. zum Brückenneubau<br />

in Wolf, Kinheim, Erden-Lösnich, Neumagen<br />

und Lieser-Mülheim.<br />

Mit der Stilllegung der Moseltalbahn bzw. des


Die Ponte von Traben-Trarbach um 1895<br />

Schienenverkehrs auf der Teilstrecke Trarbach-<strong>Bernkastel</strong><br />

(31. Dezember 1962) kam<br />

auch das Ende der Kröver Fahr. Mit der am<br />

Hochseil geführten Nachenfähre hatten die<br />

Leute nicht nur übergesetzt, um zu den jenseitigen<br />

Weinbergen, sondern auch zum Kröver<br />

Bahnhof der Moseltalbahn zu gelangen. Fährpächter<br />

Edmund Römer und Sohn Helmut waren<br />

die letzten Fährmänner. Die Gemeindefähre<br />

Wolf (Gierponte) stellte am 19. Oktober 1962<br />

den Fährbetrieb ein. Die feierliche Einweihung<br />

der Moselbrücke Wolf erfolgte am 1. Juni<br />

1963. 31 Gleichzeitig mit der Brückenweihe war<br />

die offizielle Verkehrsfreigabe verbunden. Der<br />

Ruf »Hol über« zum Fährmann Franz Sausen in<br />

Kinheim-Kindel hallte am 21. Mai 1966 letztmals<br />

über die Mosel, am Tag der Brückenweihe<br />

in Kinheim. 32 Die gemeindeeigene Pontenfähre<br />

Lösnich wurde schon zum 31. Dezember<br />

1966 außer Betrieb genommen. Das Fährpersonal<br />

waren damals Alfred Coen und Erwin<br />

Roth. Die Pontenfähre der Gemeinde Erden<br />

stellte am 15. Mai 1967 den Betrieb ein. Die<br />

letzten Fährleute waren Walter Melcher und<br />

Egon Schwab. Die Verkehrsübergabe der neuen<br />

Brücke Erden-Lösnich erfolgte am 16. März<br />

1968. 33 Die Giernachenfähre (für 40 Personen)<br />

der Gemeinde Ürzig unter Fährmann Johann<br />

Friedrich aus Wehlen wurde Anfang 1964 für<br />

immer stillgelegt. 34 Die Neumagener Ponten-<br />

fähre stellte mit der Verkehrsfreigabe der Moselbrücke<br />

Neumagen-Dhron Ende Juni 1964<br />

den Fährbetrieb ein. Letzter Fährmann auf der<br />

gemeindeeigenen Gierponte NOVIOMAGIUS<br />

war Peter Basten aus Neumagen. 35<br />

Fähren 1964 nach dem Moselausbau 36<br />

Enkirch-Kövenig (Motor-Fährnachen), Traben-<br />

Trarbach (Fährnachen, privat, für 18 Personen),<br />

Kinheim-Kindel (Ponte am Hochseil), Lösnich<br />

(desgl.), Erden (desgl.), Ürzig (Nachenfähre am<br />

Hochseil), Rachtig (Ponte am Hochseil), <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

(Rudernachen für zwölf Personen),<br />

Lieser-Mülheim (Ponte am Hochseil), Brauneberg,<br />

Kesten, Minheim und Neumagen (alle<br />

desgl.)<br />

Nach dem Bau der Straßenbrücke Lieser-Mülheim,<br />

Inbetriebnahme 28. August 1968, wurde<br />

der Fährbetrieb am 9. April 1968 eingestellt.<br />

Letzter Fährmann der Motor-Wagenfähre war<br />

Karl König aus Lieser. 37 Die motorisierte Pontenfähre<br />

St. Nikolaus in Kesten (Matthias<br />

Becker) wurde zum 31. März 1969 stillgelegt.<br />

Fähren 1969 38 :<br />

Enkirch-Kövenig (Motor-Fährnachen für 26<br />

Personen), Traben-Trarbach (Motor-Fährnachen,<br />

privat, 18 Personen), Rachtig (ab 1967<br />

Personen-Motorfähre, 22 Personen), <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

(Rudernachen, 12 Personen), Brauneberg<br />

(Motorponte am Hochseil), Kesten (Motorponte<br />

am Hochseil), Minheim (Motorponte<br />

freifahrend).<br />

Am 21. September 1979, dem Tag der festlichen<br />

Brückenweihe in Minheim, kam die Fähre<br />

»St. Nikolaus« der Gemeinde Minheim außer<br />

Betrieb. Letzter Fährmann auf der freifahrenden<br />

Fährponte war Johann Sausen, sein Fährgehilfe<br />

Josef Göbel. 39 Der städtische Fährnachen<br />

am Kueser Hafen wurde 1982 stillgelegt. 40<br />

Fährmann war Franz Port aus Kues. Für die<br />

Motor-Fährponte Brauneberg kam am 31. Dezember<br />

1970 das Ende; letzter Fährmann war<br />

hier Bernhard Reuter. 41 Die Hochseil-Pontenfähre<br />

der Gemeinde Rachtig wurde Ende 1967,<br />

der motorisierte Personennachen St. Maria im<br />

Jahre 1971 außer Betrieb genommen. Letzter<br />

Rachtiger Fährmann war Heinrich Gessinger.<br />

Fähren 1999:<br />

Nach Angaben im Schifffahrtskalender Weska<br />

’99 sind auf der gesamten Mosel bis zur Bun-<br />

275


Ab Mai 1945 wurde der Personenfährbetrieb mit dem Fährnachen »Jupp Seiler« zwischen <strong>Bernkastel</strong><br />

und Kues eingerichtet.<br />

desgrenze zu Frankreich, Moselkilometer<br />

242,21, nur noch die folgenden Fähren in Betrieb:<br />

Koblenz Deutsches Eck (Personenfähre),<br />

Lay (Wagenfähre), Klotten (Wagenfähre), Cochem-Cond<br />

(Personenfähre), Beilstein-Ellenz<br />

(Wagenfähre), Bullay (Personenfähre), Briedel<br />

(Wagenfähre), Pünderich (Wagenfähre), Enkirch-Kövenig<br />

(Personenfähre), Oberbillig-<br />

Wasserbillig (Wagenfähre). Die motorisierte<br />

Nachenfähre zwischen Enkirch und Kövenig –<br />

sie verkehrt nur im Sommer – ist noch die einzige<br />

Fähre, die im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

betrieben wird. 42<br />

An der Mittelmosel, flussaufwärts Enkirch, gibt<br />

es keine Fähre mehr. Dafür überspannen in<br />

dem Moselabschnitt Reil-Trittenheim heute 14<br />

moderne Straßenbrücken den Moselfluss; so in<br />

Reil, Traben-Trarbach, Wolf, Kinheim, Erden-<br />

Lösnich, Zeltingen-Rachtig, Wehlen, <strong>Bernkastel</strong>-Kues,<br />

Lieser-Mülheim, Minheim, Niederemmel-Müstert,<br />

Piesport, Neumagen-Dhron und<br />

Trittenheim. 43<br />

276<br />

Versteigerung der Fährbohlen und Laufplanken<br />

der alten Fährponte Lösnich am 12. August 1967<br />

am Moselufer.


Anmerkungen:<br />

1 Johann B. Keune: Moselverkehr in alter und neuer Zeit, Trier 1925,<br />

Anhang, S. 50 f. Schon in römischer Zeit war die Mosel nachweislich<br />

in Koblenz, Trier und Metz überbrückt.<br />

2 Heinz H. Grundhöfer: Die Moselbrücke <strong>Bernkastel</strong>-Kues – Historisches<br />

vom Brückenbau; in: Festschrift Moselbrücke <strong>Bernkastel</strong>-<br />

Kues, hrsg. von der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1995.<br />

3 Willi Westermann: Die Ankerfehde von Traben-Trarbach; in: Jahrbuch<br />

Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1983, S. 345 f. - Am Morgen des 13.<br />

März 1945 wurde die alte Moselbrücke Traben-Trarbach (Baujahr<br />

1899) durch Sprengung von deutschen Truppen zerstört.<br />

4 Der erste feste Moselübergang bei Trittenheim wurde in den Jahren<br />

1907-1909 durch den Bau einer Betonbogenbrücke hergestellt.<br />

Bis zur Fertigstellung der Brücke musste der Verkehr über<br />

den Fluss durch eine Pontenfähre bewältigt werden. Überörtliche<br />

Bedeutung erhielt die Brücke in den Jahren 1930-1933 nach dem<br />

Ausbau der Mittelmoselstraße (B 53) von Schweich nach Trittenheim.<br />

Die Brücke war der einzige feste Moselübergang zwischen<br />

Schweich und <strong>Bernkastel</strong>. Gegen Kriegsende, Anfang 1945, wurde<br />

die Brücke gesprengt.<br />

5 Erst 1927 kam es zum Bau einer Brücke bei Zeltingen-Rachtig. Am<br />

19.09.1929 wurde das Brückenbauwerk, eine Beton-Bogenbrücke,<br />

für den Verkehr freigegeben. Bis dahin hatten die beiden<br />

Ortsteile Zeltingen und Rachtig eine eigene Gierfähre betrieben.<br />

6 In den Jahren 1913-1915 erfolgte der Bau der ersten massiven<br />

Brücke in Wehlen. Durch ein Missgeschick und einer Reihe ungünstig<br />

zusammenwirkender Umstände stürzte die Betonbogenbrücke<br />

am 15.01.1920 bei einem starken Hochwasser ein und wurde<br />

total zerstört. Untersuchungen ergaben, dass die nicht auf den<br />

Fels gegründeten Pfeiler unterspült wurden und den Einsturz herbeiführten.<br />

Zum Übersetzen richtete die Gemeinde Wehlen wieder<br />

eine Wagenfähre ein. Der zweite Wehlener Brückenbau erfolgte in<br />

den Jahren 1925/26. Diese Brücke wurde gegen Kriegsende am<br />

12. März 1945 beim Rückzug von deutschen Truppen gesprengt.<br />

Zum Übersetzen wurde ein Personenfährbetrieb eingerichtet. Am<br />

17. September 1949 erfolgte die Freigabe der dritten Brücke (Hängebrücke)<br />

für den Verkehr.<br />

7 Der gesamte Weinbergsbesitz des Winzerdorfes Niederemmel, rd.<br />

55 ha, lag auf der linken Moselseite. Vor dem Brückenbau hatte die<br />

Gemeinde zum Übersetzen eine Wagenfähre. Infolge der ungünstigen<br />

Wasserverhältnisse (geringe Strömung) konnte der Fährbetrieb<br />

als Wagenfähre nicht immer genutzt werden. 1921 erteilte die<br />

Gemeinde Niederemmel den Auftrag zum Bau einer massiven<br />

Brücke. Ende 1922 war das Bauwerk fertiggestellt und konnte dem<br />

Verkehr übergeben werden. Am 12. März 1945 wurde das<br />

Brückenbauwerk (Bogenbrücke) durch Sprengung von deutschen<br />

Truppen zerstört. 1945 Einrichtung eines Personenfährbetriebes<br />

und ab 1947 einer Wagenfähre. 1949/50 erfolgte der Wiederaufbau<br />

der Moselbrücke Niederemmel-Müstert, eine Blechträgerbrücke<br />

mit aufgelegter Stahlbetonfahrbahn.<br />

8 Josef Müller (Hrsg.): Rheinisches Wörterbuch, 9 Bde., Bonn 1929-<br />

1971, hier Bd. 2, Sp. 251.<br />

9 Franz Schmitt: Die Cueser Gemeindeordnung vom 19. Mai 1744;<br />

in: Chronik von Cues, hrsg. von der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1981,<br />

S. 197, Nr. 41 f.<br />

10 Valentin Palm: Das <strong>Bernkastel</strong>er Schöffenbuch von 1526, hrsg. von<br />

der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1962, S. 73, Nr. 28.<br />

11 Flurbezeichnungen in Katasterplänen der Mosel.<br />

12 Werner Schuhn: Fähren im Trierischen; in: Kurtrierisches Jahrbuch<br />

1985, S. 260.<br />

13 Wolfgang Jungandreas: Historisches Lexikon der Siedlungs- und<br />

Flurnamen des Mosellandes, Trier 1963, S. 823 f.<br />

14 Siehe Rheinisches Wörterbuch (wie Anm. 8) zu Ferger: Bd. 2, Sp.<br />

386. Der Ausdruck verge wird schon im Nibelungenlied für den<br />

Fährmann an der Donau verwandt.<br />

15 Schmitt (wie Anm. 9), S. 197.<br />

16 Eigene Kenntnis.<br />

17 Reglement über die Fähranstalten im Amtsblatt des Reg. Bez.<br />

Trier vom 24. September 1851, § 7.<br />

18 Josef Mergen: Die Fähren hatten eigene Rechte; in: Beilage »Mosella«<br />

im TV vom 18./19. November 1961.<br />

19 Jakob Grimm: Weisthümer Bd. 1-6, Göttingen 1840-1869, hier Bd.<br />

2, S. 82.<br />

20 Schuhn (wie Anm. 12), S. 265.<br />

21 Gesetz über den Staatsvertrag betr. den Übergang der Wasserstraßen<br />

von den Ländern auf das Reich vom 29. Juli 1921; RGBl.<br />

Nr. 80 vom 3. August 1921.<br />

22 Heinrich Rüffler: Fähren auf der Mosel; in HKB 1959, S. 93.<br />

23 Aufhebung der staatlichen Fährrechte an der Mosel durch Anordnung<br />

des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 27. Januar<br />

1969; in: Staatsanzeiger Rheinland-Pfalz, Nr. 6 vom 9. Februar<br />

1969.<br />

24 Fährreglement (wie Anm. 17), S. 474.<br />

25 Gottfried Kentenich: Das kurtrierische Amt <strong>Wittlich</strong>, in: Trierische<br />

Chronik 10, 1913/14, S. 182.<br />

26 Fährhäuschen = Schutzhäuschen an Fähren. Eine Bürgerinitiative<br />

renovierte das Rachtiger Fährhäuschen am linken Moselufer im<br />

Jahre 1983 vorbildlich. Ein neues Nikolaus-Relief für die Nische<br />

über dem Eingang wurde vom Bildhauer Bernd Wendhut, <strong>Bernkastel</strong>-Kues,<br />

geschaffen. (TV vom 8. Dezember 1983)<br />

27 Führer auf den Deutschen Schifffahrtstraßen, 1. Teil, Berlin 1893,<br />

S. 61.<br />

28 Führer auf den Deutschen Schifffahrtstraßen, 1. Teil, Berlin 1914,<br />

S. 104 ff.<br />

29 Heinz Grundhöfer: <strong>Bernkastel</strong>-Kues – Die Stadt in Bildern vergangener<br />

Tage, hrsg. von der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1991, S. 96 f.<br />

30 Fährrampe oder Fährkopf = Der in den Fluss vorspringende feste<br />

Damm oder Kribbenkopf zum Anlegen der Fähre.<br />

31 Festschrift Einweihung Moselbrücke Wolf, 1. Juni 1963.<br />

32 Festschrift Brückeneinweihung Kinheim-Kindel, 21.-23. Mai 1966.<br />

33 Festschrift Moselbrücke Erden-Lösnich, Brückenfest: 25.-27. Mai<br />

1968.<br />

34 Mitteilung Ernst Weiskopf, Ürzig.<br />

35 Mitteilung der Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron.<br />

36 Westdeutscher Schiffahrts- und Hafenkalender (Weska ’64), Duisburg-Ruhrort<br />

1964.<br />

37 Mitteilung Karl König, Lieser.<br />

38 Weska ’69 (wie Anm. 36), S. 651-655.<br />

39 Walter Feilen: Fährgeschichte von Minheim; in: Festschrift<br />

Brückenweihe Minheim vom 21.-24. September 1979, S. 59 ff.<br />

40 Die Stadtgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues pachtete am 1. April 1928 das<br />

staatliche Fährrecht zu <strong>Bernkastel</strong>-Kues. Fährleute der stadteigenen<br />

Nachenfähre am Kueser Hafen waren Jakob Günther (bis März<br />

1946), Johann Thiesen (bis Juni 1951) und Franz Port (bis zur<br />

Außerbetriebnahme der Nachenfähre 1982). Der von Hand geruderte<br />

Personennachen verkehrte überwiegend nur in den Sommermonaten.<br />

41 Mitteilung Kurt Thomas, Brauneberg.<br />

42 Walter Zelter: Chronik über die Moselfähre zwischen Enkirch und<br />

Kövenig von 1816-1993, Enkirch 1993.<br />

43 Mancherorts, wo heute eine Brücke die Mosel überspannt, erinnert<br />

eine »Fährstraße« an den einstigen Fährbetrieb. So in Wolf, Lösnich,<br />

Erden und Zeltingen.<br />

277


Vor langer Zeit unternahm die Herzogin Mathilde<br />

de Toscane (1046-1115) eine Jagdpartie<br />

durch ein romantisches Tal im heutigen Belgien.<br />

Als sie Rast an einem Brunnen machte, fiel<br />

ihr durch ein Missgeschick ihr goldener Ring<br />

hinein. Alle Versuche, den Ring zurückzuholen,<br />

blieben erfolglos. Nach einem Gebet im nahe<br />

gelegenen Oratorium ging sie zum Brunnen<br />

zurück, als plötzlich ein Fisch aus dem Wasser<br />

emporsprang mit dem Ring im Maul. In diesem<br />

Augenblick soll die glückliche Herzogin ausgerufen<br />

haben: »Vraiment, c'est ici un Val d'Or!«,<br />

was bedeutet: »Das hier ist ja ein richtig goldenes<br />

Tal!« Diese Anekdote stammt aus der<br />

Chronik der belgischen Trappistenabtei Orval<br />

(einst gehörte sie zu Luxemburg), die ihren Na-<br />

278<br />

Forelle und Wolfsangel -<br />

Kurfürsten und Heilige<br />

Grenzsteine - Wegweiser zur Ortsgeschichte<br />

Benedikt Heinemann / Rudolf Meiers<br />

men (Val d'Or = Orval) u. a. auf den besagten<br />

Ausruf der Herzogin zurückführt. Auf einem<br />

Grenzstein von 1676, der heute im Abteimuseum<br />

von Orval steht, finden wir den Ring der<br />

Herzogin wieder. Der runde Kreis symbolisiert<br />

einerseits den Ring und bildet mit dem eingearbeiteten<br />

»R« die Anfangsbuchstaben für »Orval«.<br />

(Abb. 1)<br />

Bevor wir von Belgien nach Deutschland<br />

Abb. 1 Grenzstein von Orval Abb. 2 Grenzstein von St. Gereon<br />

zurückkehren, machen wir noch einmal Halt in<br />

Stavelot. Die Benediktinerabtei St. Remaclus,<br />

von deren Kirche heute nur noch eine Ruine<br />

emporragt, hatte einst, mit der Abtei von Malmedy<br />

einen gemeinsamen Abt. Die Äbte von<br />

Stavelot/Malmedy besaßen den Rang von<br />

Reichsäbten. Stavelot hatte im Mittelalter eine


Abb. 3 Grenzstein von St. Remaclus, Stavelot<br />

übermächtige Stellung. Insofern erstreckten<br />

sich die Besitztümer bis in die Eifel. Ähnlich wie<br />

in Orval hat man auch hier einen besonders<br />

schönen Grenzstein im Abteimuseum untergebracht.<br />

Das »SR« für Sankt Remaclus erinnert<br />

an den Gründer der Abtei. (Abb. 3)<br />

Zahlreiche Kölner Klöster und Stifte hatten Besitztümer<br />

in der Eifel. Stellvertretend für die vie-<br />

len Klöster soll St. Gereon genannt werden,<br />

weil wir hier wieder einen sehr interessanten<br />

Grenzstein vorstellen können. (Abb. 2)<br />

Auf dem Grenzstein von St. Gereon sieht man<br />

ein Kreuz, das mit einer Dolchspitze abschließt.<br />

Zwei Geschichten sind damit verbunden: Der<br />

fränkische König Theudebert II. kam Anfang<br />

des 7. Jahrhunderts nach seinem Sieg über<br />

seinen Bruder, den er getötet hatte, nach St.<br />

Gereon, um sich dort huldigen zu lassen. Plötzlich<br />

empfand er einen starken Schmerz in der<br />

Seite und meinte, den Stich eines Dolches zu<br />

spüren. Er starb auf der Stelle. Am Körper des<br />

Toten fand man jedoch nur eine kleine gerötete<br />

Stelle. Den Brudermörder hatte die gerechte<br />

Strafe ereilt. Die zweite Geschichte, weniger<br />

grausam, handelt vom heiligen Norbert von<br />

Xanten, der archäologische Grabungen in St.<br />

Gereon durchführen ließ, um die Reliquien des<br />

heiligen Gereon zu finden. Als man schließlich<br />

die sterblichen Überreste entdeckte, waren sie<br />

mit einem purpurfarbenen Gewand bekleidet.<br />

Auf dem Gewand war noch ein Kreuz in Goldgewebe<br />

zu erkennen, und auch die Reste eines<br />

Schwertes hat man gefunden.<br />

In beiden Geschichten kann man Erklärungen<br />

für das Emblem auf dem Grenzstein finden.<br />

Der Kurtrierische Kanzler Ludolph von Enschringen<br />

(gest. 1504) gründete bei Trier das Kloster<br />

Helenenberg vom Orden des heiligen Kreuzes,<br />

das Kreuzherren aus Köln 1488 übernahmen.<br />

Das Wappen der Kreuzherren findet sich<br />

auf einem Grenzstein, der in der Nähe vom<br />

Helenenberg gefunden wurde. (Abb. 4) Heute<br />

ist das Kloster Helenenberg eine Sozialpädagogische<br />

Schul- und Berufsausbildungsstätte der<br />

Salesianer Don Boscos. Wie weit der Einfluss<br />

Kölns in den Bereich des heutigen Kreises<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> reichte, wird am Beispiel<br />

von Zeltingen-Rachtig deutlich. Hier gibt es<br />

heute als Erinnerung eine »Churkölner-Straße«.<br />

Allen Interessierten können wir empfehlen, in<br />

die Gestadestraße in Rachtig zu fahren. Dort hat<br />

man neben dem »Europabaum« diesen kurfürstlichen<br />

Grenzstein aufgestellt. (Abb. 6)<br />

An die Adelsfamilie der Manderscheider erinnert<br />

ein Grenzstein mit Wolfsangel, der bei<br />

Spangdahlem gefunden wurde. Die Wolfsangel,<br />

auch »Doppelhaken« genannt, ist ein Wappenmotiv,<br />

das dem Weidwerk entnommen ist.<br />

Die Wolfsangel taucht in vielen Wappen auf,<br />

u. a. in dem der Manderscheider. (Abb. 5)<br />

279


Abb. 4 Grenzstein vom Kloster Helenenberg<br />

Abb. 6 Grenzstein von Zeltingen-Rachtig Abb. 7 Grenzstein der Abtei St. Maximin<br />

280<br />

Abb. 5 Grenzstein mit Wolfsangel


An den Besitz der ehemaligen Trierer Abtei St.<br />

Maximin erinnert der Grenzstein am Ortsausgang<br />

von Detzem (an der Grenze des Kreises<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>). Der Stein wurde, wie es<br />

uns Anwohner berichteten, beim Straßenbau<br />

im Erdreich gefunden und in die nahe gelegene<br />

Mauer eingebaut. Das »MX« steht für »Maximin«,<br />

das »X« erinnert zusätzlich an den Ursprung<br />

des Ortsnamens »Detzem«, der auf die<br />

römische Zahl 10 zurückgeführt werden kann.<br />

Aus »decem« für die 10. römische Meile wurde<br />

»Detzem«. (Abb. 7)<br />

Bereits in unserem letzten Artikel erwähnt,<br />

möchten wir nun noch eine Abbildung eines<br />

Metternicher Grenzsteins zeigen. Im Kloster<br />

Machern findet man über jedem Fenster an der<br />

Außenseite der Kirche Jakobsmuscheln als<br />

Metternicher Wappen. (Abb. 8)<br />

Mit diesem Artikel schliessen wir die Grenzsteinartikelserie,<br />

die seit 1996 in den Kreisjahrbüchern<br />

erschienen ist. Für den besonders interessierten<br />

Leser geben wir noch einige Museen<br />

an, in denen Grenzsteine zu besichtigen<br />

sind. Die meisten Grenzsteine sind jedoch tief<br />

in den Wäldern verborgen und werden dort<br />

hoffentlich als Zeugen der Vergangenheit die<br />

nächsten Jahrhunderte überdauern.<br />

Museen mit Grenzsteinen:<br />

Kreismuseum Bitburg<br />

Enkircher Heimatstube<br />

Heimatmuseum Speicher<br />

Kreismuseum Neuwied<br />

Genovevaburg Mayen<br />

Abteimuseum Orval (Belg.)<br />

Abteimuseum Stavelot (Belg.)<br />

Durchs Astgewirr ein rosa Schimmer glüht.<br />

Ein zartes Farbenspiel im dunklen Grau.<br />

Ein kühler Wind, der durch den Morgen weht<br />

und manchmal scheint ein Stückchen Blau.<br />

Im hohen Baum ein Amsellied erklingt<br />

so hoffnungsfroh in diese frühe Zeit.<br />

Der Haselbusch die gelben Kätzchen schwingt.<br />

Der Weidenstrauch zeigt sich im Silberkleid.<br />

März<br />

Abb. 8 Metternicher Grenzstein<br />

Zeichnungen: Benedikt Heinemann<br />

Literatur:<br />

Schäfke, Werner: Kölns romanische Kirchen-Architektur, Ausstattung,<br />

Geschichte. DuMont-Buchverlag, Köln 1986.<br />

Wendt, Christoph: Reisebuch Ardennen. Meyer & Meyer Verlag, Aachen<br />

1993.<br />

Petri / Droeger (Hrsg.) Rheinische Geschichte, Bild- und Dokumentarband.<br />

Schwann-Verlag, Düsseldorf 1978.<br />

Informationsschrift der Abtei Orval, Editions Abbaye d'Orval, Druck:<br />

De Windroos, Beernem 1987.<br />

Ein Sonnenstrahl huscht über Berg und Tal.<br />

Verzaubert all mit seinem goldnen Schein.<br />

Und sind auch noch die weiten Wälder kahl,<br />

die Veilchen blühn, bald wird es Frühling sein.<br />

Eleonore Mertes<br />

281


Mit diesem Beitrag soll an die Weinleseordnung<br />

erinnert werden, die heute schon fast in<br />

Vergessenheit geraten ist. Wann an der Mosel<br />

erstmals eine Leseordnung eingeführt wurde,<br />

ist nicht mehr genau zu ermitteln. Eine einheitliche<br />

Anwendung ist schon deshalb nicht möglich<br />

gewesen, weil bis zur Französischen Revolution<br />

die verschiedensten Territorialherren hier<br />

an der Mosel das Sagen hatten.<br />

Im Brauneberg wird erstmals im Jahre 1779 ein<br />

Lesetermin genannt. Dort heißt es:<br />

Octobris 1779 »Dieses Jahr hat die Weinlese<br />

im Brauneberg ab dem 5ten mit der Vorlese<br />

und ab dem 9ten mit der allgemeinen Lese angefangen.«<br />

Also muss eine Leseordnung bestanden<br />

haben, sonst wären nicht die beiden<br />

Termine genannt worden.<br />

Nach Paragraph fünf der Polizeiverordnung<br />

des Regierungspräsidenten von Trier, betr.<br />

Schließung der Weinberge vom 7. Oktober<br />

1890, war in jedem Weinbauort ein Leseausschuss<br />

zu wählen. So auch in Brauneberg. Er<br />

setzte sich zusammen aus vier Gemeinderatsmitgliedern<br />

und sechs der Meistbegüterten.<br />

Die Leseordnung wurde sehr streng gehandhabt.<br />

War doch der Brauneberg wegen seiner<br />

Lage auf der anderen Moselseite gut zu kontrollieren<br />

und außerdem auch nur mit der Moselfähre<br />

zu erreichen.<br />

Ab Mitte August wurden die Weinberge geschlossen<br />

und der Fährbetrieb eingestellt. Das<br />

war aber nur möglich, weil sich die Fähre im Eigentum<br />

der Gemeinde befand und ausschließlich<br />

der Bewirtschaftung des Braunebergs<br />

diente. Nur einmal, zwischen der Schließung<br />

der Weinberge und dem Beginn der Lese, wurde<br />

die Fähre für einen Tag in Betrieb genommen,<br />

nämlich am ersten Montag im Oktober,<br />

dem Kirmesmontag. An diesem Tag wurden<br />

die Weinberge auf der anderen Moselseite zur<br />

Besichtigung freigegeben.<br />

Der Brauneberg war in vier Leseabschnitte<br />

(Banne) eingeteilt. Die vorhandenen Fußpfade<br />

282<br />

Eine alte Weinleseordnung aus<br />

Brauneberg<br />

Ernst Schiffmann-Junk<br />

trennten sie voneinander. Diese Fußpfade waren<br />

teilweise gut ausgebaut und dienten bis zur<br />

Flurbereinigung der Bewirtschaftung des Berges.<br />

War die Lesezeit durch den Ausschuss bestimmt,<br />

so hieß es zum Beispiel: Beginn der Lese<br />

im Brauneberg: Montag 1. Bann: vom Hoscheter<br />

Pfad bis Mötscherter Pfad. Dienstag 2.<br />

Bann: vom Mötscherter Pfad bis Pferdschünner<br />

Pfad. Mittwoch 3. Bann: von Kestener<br />

Grenze bis Hoscheter Pfad. Donnerstag 4.<br />

Bann: vom Pferdschünner Pfad bis zur Scheresbach.<br />

Noch nach dem Zweiten Weltkrieg ist morgens<br />

um 7.30 Uhr in den Weinberg und um 17 Uhr<br />

aus dem Weinberg geläutet worden. Vorher<br />

und nachher durfte sich niemand mehr im Berg<br />

aufhalten.<br />

Waren die letzten Trauben eingebracht, wurde<br />

durch die Ortsschelle der Berg zum Gelönnen<br />

freigegeben. Das Gelönnen geht auf einen alten<br />

Brauch nach einem ungeschriebenen Gesetz<br />

zurück.<br />

Nachdem die Freigabe des Berges erfolgt war,<br />

konnte jedermann die in den Wingerten übersehenen<br />

Trauben einsammeln und sich so<br />

noch einige Groschen verdienen. Aufkäufer<br />

postierten sich mit Bütte und Waage am Fährkopf,<br />

um die »gelönnten« Trauben aufzukaufen.<br />

Diese waren in einzelnen Jahren von hoher<br />

Qualität.<br />

Das Gelönnen war noch in den 50er Jahren üblich.<br />

Teilweise sind die Trauben aufgekauft<br />

worden, oder einzelne Vereine stellten Bütten<br />

auf, um so ihre Kasse zu füllen.<br />

Der Sportverein Brauneberg rief im Jahre 1953<br />

die Bevölkerung zum Gelönnen auf, weil ihm<br />

Trikots und Fußballschuhe fehlten. Franz<br />

Baum, Weinkommissionär und Winzer, erklärte<br />

sich bereit, dieses Vorhaben mit durchzuführen.<br />

Bütte und Waage wurden aufgestellt,<br />

die gelönnten Trauben gewogen und zusammengeschüttet.<br />

Was bei dieser Kelterung her-


aus kam, war von einmaliger Qualität - 550 Ltr.<br />

Most , Mostgewicht : 110° Öchsle. Der Most<br />

floss wie Sirup - war doch der Jahrgang 1953<br />

einer der Besten in unserem Jahrhundert.<br />

Der Preis für ein Kilogramm Trauben betrug eine<br />

DM. Das besserte die Kasse des Vereins für<br />

die damalige Zeit erheblich auf.<br />

Dies war das letzte Mal, dass gelönnt wurde.<br />

Im Jahre 1954 lohnte es sich nicht, denn der<br />

Jahrgang war zu gering an Qualität und 1955<br />

begann schon die Zeit des Wirtschaftswunders.<br />

Eine sehr aufschlussreiche Auflistung über Aufkäufe<br />

gelönnter Trauben aus dem Jahre 1796<br />

ist erhalten geblieben (siehe Abbildung). Hierbei<br />

handelt es sich um Eintragungen in der<br />

Hauskladde des Christian Arnoldi, Einnehmer,<br />

Winzer und Schnapsbrenner zu Dusemond.<br />

Inzwischen ist im Brauneberg die Flurbereinigung<br />

durchgeführt und jede Parzelle ist durch<br />

ein neues Wegenetz erschlossen. Keiner muss<br />

mehr durch des Nachbarn Grundstück. Damit<br />

wurde die strenge Leseordnung überflüssig.<br />

Auflistung der Aufkäufe<br />

gelönnter Trauben aus<br />

dem Jahr 1796<br />

Oktober:<br />

29. Hat man in Brauneberg gelundt.<br />

Hab ich kauft erstlich<br />

Michael Schreiber Thl. Alb.<br />

. – 33<br />

Johannes Nees . – 27<br />

Henrikus Heil 2. – 24<br />

Conrad Michelsen Kinder . – 45 1 /2<br />

Nickel Ostermann . – 7 1 /4<br />

Heinrich Heilen Witib 1. – 50<br />

Mein Knecht sein . – 24<br />

31. Daniel Schmidt . – 29<br />

Sein Schwestern . – 39<br />

Michel Fehres . – 22<br />

Peter Nees . – 39<br />

November:<br />

1. Julianna Bauerin . – 36<br />

Sophia Bauerin . – 20<br />

Conrad Michelsen Kinder . – 94<br />

Mathes Ostermann Kinder . – 96<br />

Peter Schneider Tochter . – 18<br />

Seit acht Jahren ist der örtliche Leseausschuss<br />

abgeschafft, der Regierungspräsident bestimmt<br />

den frühestmöglichen Lesetermin.<br />

So kann nach diesem Termin jeder nach seinen<br />

Vorstellungen Trauben lesen, wann und wo er<br />

will.<br />

Mit dieser neuen Regelung beginnt die Traubenlese<br />

sehr zögerlich, denn nun ist der eine<br />

Winzer hier und der andere mal dort bei der Lese.<br />

Dagegen setzte früher die Lese schlagartig ein.<br />

An den einzelnen Pfaden stand immer eine Reihe<br />

von Fahrzeugen, ein Feuer brannte, um den<br />

Krug mit Wein zu erwärmen. Während der Lesezeit<br />

war es an der Mosel früher immer sehr<br />

beschaulich, und den Moselanern merkte man<br />

an, dass sie sich dann am wohlsten fühlten.<br />

Die Weinleseordnung gehört der Vergangenheit<br />

an. Ein wenig schade ist es schon. Aber<br />

ohne Flurbereinigung und moderne Bebauung<br />

wäre der Moselweinbau in der heutigen Zeit<br />

nicht mehr den Wettbewerbsbedingungen gewachsen.<br />

283


Seit die römische Kelter in der Flurlage »im<br />

Briesch« entdeckt wurde, wird oft gefragt, wo<br />

dieser Lagename sich herleitet. Gebräuchlich<br />

ist er schon lange nicht mehr. Der Distrikt wird<br />

jetzt »hinter den Heimeshäusern« genannt. Nur<br />

die Parzellen oberhalb heißen heute noch »of<br />

Preesch«, und nicht wie Jungandreas schreibt<br />

»auf Brösch«. Diese Bezeichnung kann wohl<br />

auf die römische Zeit zurückgeführt werden.<br />

Aber die Römer kannten den Zischlaut »sch«<br />

nicht. Nur ihre Nachfahren, die Italiener und die<br />

Moselromanen, machten ein »c« vor i und e, zu<br />

einem Zischlaut: z. B. das italienische centro<br />

wird tschentro ausgesprochen oder das lateinische<br />

piscis, zu deutsch Fisch, italienisch pesce,<br />

wird pesche ausgesprochen oder cucina,<br />

gesprochen cutschina = Küche.<br />

So gibt es viele Beispiele, besonders im Dialekt<br />

der unteren Po-Ebene. Geht man also von<br />

Preesch zurück auf prec-, findet man im lateinischen<br />

Wörterbuch von Langenscheidt: preciae<br />

= Weinreben. Das lateinische Lexikon von Forcellini:<br />

»Totius latinitatis lexicon« gibt weitere<br />

Auskunft. Vergil, der nur 15 der über 100 antiken<br />

Rebsorten aufführt, die durch Columella<br />

bekannt sind, erwähnt die preciae als purpureae,<br />

also als rote Trauben. Er bezeichnet sie<br />

»quasi praecoquae, quod ante alias coquantur«,<br />

d. h. als frühreife, weil sie früher als andere<br />

reifen. Plinius und Columella berichten: Preciae<br />

oder auch Pretiae gibt es in zwei Arten, die sich<br />

in der Größe der Beeren unterscheiden und<br />

nennen sie »uva generosa«, also eine edle<br />

Traube, die schnell reift, ihr Blatt der Sellerie<br />

ähnlich und bestens für die Aul geeignet ist. Die<br />

aula oder auch olla war ein Tongefäß mit<br />

Deckel und diente zum Frischhalten von Obst<br />

und ähnlichem. Sie ist die Vorläuferin unseres<br />

Römertopfes.<br />

Die Bezeichnung »im Briesch«, ehemals »in<br />

preciis«, war also eine Ortsbestimmung, wie<br />

man heute sagt: »in den Müller-Thurgauern«<br />

oder »in den Kernern«. Das »e« in preciis wurde<br />

durch Lautangleichung zum »im Briesch«, und<br />

damit auch die Weinbergslage mit den roten<br />

Trauben. Damit wird auch die Annahme von Dr.<br />

284<br />

<strong>2000</strong> Jahre Rotwein in Piesport<br />

Reinhold Haart<br />

Gilles (Oberkustos des Rhein. Landesmuseums<br />

Trier) bestätigt, dass die Holunderbeeren,<br />

deren Kerne die Paläoethnobotanikerin Dr.<br />

M. König bei der Ausgrabung der römischen<br />

Kelteranlage in Piesport unter den Traubenresten<br />

fand, der kräftigeren Farbgebung des Weines<br />

dienten.<br />

Während seiner Moselreise im 6. Jahrhundert<br />

beschreibt Venantius Fortunatus die Trauben:<br />

»inde coloratas decerpit vinitor uvas« = wo der<br />

Winzer die farbigen Trauben pflückt.<br />

Jahrhundertelang war die vorherrschende<br />

Rebsorte der Römer an der Mosel die uva alba,<br />

Alba, Elba, Elbling, auch Kleinberger, bei uns<br />

Klemprich genannt. Sie war ertragreicher und<br />

früher reif und deshalb nicht so der Gefahr der<br />

Frühfröste ausgesetzt. Heute wächst sie noch<br />

an der Obermosel. In Piesport wurde sie schon<br />

früh vom Riesling verdrängt. Christian von<br />

Stramberg schreibt 1835: »Um die Mitte des<br />

vorigen Jahrhunderts galt der Piesporter Wein<br />

für den ersten beinahe unter allen Moselweinen.<br />

Damals wurde beinahe ausschließlich<br />

Rießling gebauet, wie ich glaube, daß der ursprünglich<br />

wohl von dem Libanon (durch<br />

Kreuzritter) eingeführte Moselrießling hier zuerst<br />

das Bürgerrecht erlangt habe.« Er bemerkt<br />

weiter: »... darunter befindet sich auch, in geringer<br />

Quantität freilich, ein ganz guter rother<br />

Wein zum Glück kam in den 60er Jahren (1765!)<br />

ein neuer Pastor nach Piesport, J. Hau, später<br />

seit 1779 auch Landdechant, und dieser hielt<br />

es für seine Pflicht, der Gemeinde in zeitlichen,<br />

wie in geistlichen Dingen vorzustehen ... es gelang<br />

ihm, unterstützt von einem durch sein Ansehen<br />

durchgesetzter Gemeindebeschluß, jene<br />

verderblichen Rebensorten (gemeint war der<br />

Klemprich!) auszurotten.«<br />

Als er nämlich im Jahr 1765 seine Pfarrstelle<br />

antrat, fand er in den Lagen »im Heimeshäuser«<br />

2 116 Stöcke und im »Michelsberg« 1 889<br />

Stöcke mit Rieslingreben vor, neben vielen kleineren<br />

Parzellen, die z. T. mit Riesling und auch<br />

mit roten Rebstöcken bepflanzt waren. Insgesamt<br />

gibt er etwa 10 000 Stöcke an. Hier kann<br />

der Stock einem Quadratmeter gleichgesetzt


werden. Darunter befand sich auch ein Wingert,<br />

über den geschrieben steht: »1699 am 24.<br />

März kauft Pastor J. M. Berlo von Peter Wintrich<br />

in Piesport für die Pfarrkirche einen Weingarten<br />

hinter Heimeshäuser enthaltend 180<br />

Stock, das Hundert per 54 Imp. thut 97 Imp.10<br />

Albus 6 2 /5 Pf.« Diese Parzelle, genannt »der<br />

kleine Heimeshäuser«, war noch 1818 mit roten<br />

Reben bestockt. Im Arbeitsvertrag mit seinem<br />

Baumann betont Pastor Hau: »...auch sind die<br />

toten Reben aus dem großen Heimeshäuser<br />

und dem Michelsberger per parte Pastorei vorbehalten...«<br />

Bei diesen »toten Reben« handelt es sich um<br />

die beim winterlichen Rebschnitt anfallenden<br />

Reben, die dann in die Erde zur Wurzelbildung<br />

eingelegt und dann als Setzreben (»Raiflinge«)<br />

verwendet wurden. Käufer dieser »Raiflinge<br />

grüner Riesling« waren u. a. kurfürstliche<br />

Hofräte aus Trier (von Anethan, von Sohlern,<br />

Eschermann, von Pidoll). Ebenso vermittelte er<br />

Piesporter Winzerweine an diese, den hohen<br />

Klerus und an auswärtige Weinhändler in Köln,<br />

Aachen, Essen, Roermond u. a.. Die Tätigkeit<br />

als »Weinhändler« wusste er auch für seinen<br />

Kirchenneubau, der 1777 begonnen wurde, zu<br />

nutzen. Die reiche Ausmalung und Ausschmückung<br />

des Kirchenraumes brachte ihn<br />

oft in finanzielle Not, die er dank der regen<br />

Nachfrage nach Piesporter Rieslingweinen lindern<br />

konnte. Darum ließ er auch aus einem Pilasterkapitell<br />

einen Rieslingstock in bemaltem<br />

Stuck herauswachsen, diesem gegenüber zum<br />

Ausgleich eine Rebe mit roten Trauben. Trotz<br />

der regen Nachfrage nach dem Riesling behauptete<br />

sich die rote Traube bis in unser Jahrhundert,<br />

wenn sie auch weniger angebaut wurde.<br />

Im Jahr 1774 schreibt Pastor Hau, er habe bereits<br />

am 10. Juli rote Trauben gesehen, die Lese<br />

begann aber erst am 15. Oktober, die der<br />

weißen Trauben am 18. Oktober. Als Ergebnis<br />

dieser Ernte gibt er an: »5 plaustra albi et amam<br />

rubri, optima nota«, das sind fünf Fuder (5 mal<br />

960 l) Weißwein und eine Ohm (160 l) Rotwein,<br />

beste Qualität. Das zeigt bereits den Rückgang<br />

des Rotweinanbaus an.<br />

»Im Jahr 1818 betrug der Ertrag im Reg. Bezirk<br />

Trier gewonnenen Weines nach den eigenen<br />

Angaben der Besitzer 67 Fuder rothen und<br />

6 954 Fuder weißen Weines.«<br />

1865 notiert Wilhelm Hamm in seinem »Wein-<br />

buch«: »Rhote Moselweine liefert nur Piesport<br />

und das Untermoselgebiet; sie ähneln dem<br />

Ahrweine ohne diese an Körper zu erreichen.«<br />

Weiter heißt es bei Hamm: »Unter sich reihen<br />

sich seine einzelnen Lagen folgendermaßen; I.<br />

Classe: Brauneberg, Pisport, Zeltingen, Oligsberg,<br />

Dusemont, Berncasteler-Doctor,.....«<br />

Im Jahre 1913 legte mein Großvater das letzte<br />

Fuder Rotwein, wofür er alle rote Trauben der<br />

örtlichen Winzer kaufen musste. Als Kinder<br />

freuten wir uns in den 20er Jahren, wenn wir bei<br />

der Lese noch vereinzelt einen roten Stock fanden,<br />

dessen Beeren allerdings klein waren. Die<br />

Entdeckung eines Klemprichstockes erfreute<br />

uns aber mehr. Zwar waren seine Beeren dann<br />

schon meist faul oder ausgelaufen, die restlichen<br />

aber saftreicher als die roten.<br />

Derzeit ist der Rotwein überall wieder im Kommen.<br />

An der Mosel wird er wohl keine Blüte erleben.<br />

Denn: »Gerade der Riesling findet an der<br />

Mosel-Saar-Ruwer an Klima und Boden die beste<br />

Voraussetzung, die Vielfalt seiner Eigenschaften<br />

zu entwickeln.« (Pigott)<br />

»Dieser Saft der edelsten Rebe concentriert alles<br />

in sich, was die Natur an Gewürz, Geruch,<br />

Geschmack und Liebreiz möglich zu erzeugen<br />

vermag. Die Dichter preisen diesen Nektar alter<br />

geistigen Flüssigkeiten als den wahren Göttertrank«,<br />

stellt Benedikt Kölges in seinem Handbuch<br />

der Deutschen Weincultur und Weinausbildung<br />

im Jahr 1857 fest. Gute Rotweine brauchen<br />

andere Voraussetzungen an Boden und<br />

Klima als der Riesling. Das haben die Winzer<br />

spätestens im vorigen Jahrhundert erfahren.<br />

Literatur:<br />

Bassermann-Jordan: Geschichte des Weinbaus Bd. I. – III.<br />

J. Robinson: Das Oxford Weinlexikon.<br />

F. Caspers: »Mötschert« und »Briesch«, in: <strong>Kreisjahrbuch</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> 1994.<br />

Forcellini: Totius latinitatis Lexicon, Bd. III.<br />

Felix Meyer: Weinbau und Weinhandel an Mosel-Saar-Ruwer.<br />

Pfarrarchiv St. Michael, Piesport.<br />

Christian von Stramberg: Das Moseltal zwischen Zell und Konz.<br />

Wilhelm Hamm: »Das Weinbuch«.<br />

Stuart Pigott: Die großen deutsche Rieslingweine.<br />

285


Wer in Springiersbach die hohe tonnengewölbte<br />

Durchfahrt im ehemaligen Haus Nicolay<br />

durchschreitet, entdeckt linker Hand ein Gartenportal<br />

aus dekorativ bearbeitetem Sandstein.<br />

Leider hat die Witterung die Ornamente<br />

so zernagt, dass sie fast nicht mehr zu erkennen<br />

sind. Das war vor zwei Jahrzehnten noch<br />

ganz anders. Damals bot die gut erhaltene<br />

Steinmetzarbeit auf dem Gestein dem Zeichner<br />

ein noch reizvolles Motiv. Inzwischen hat der<br />

saure Regen unserer Tage gründlich sein Zerstörungswerk<br />

getan. (Abb. 1) Nicht lange mehr<br />

wird es dauern, und ein Zeugnis Springiersbacher<br />

Geschichte wird endgültig ausgelöscht<br />

sein. Deshalb sei es wenigstens hier für die<br />

Nachwelt festgehalten.<br />

Das hoch aufgerichtete Gartenportal gibt Rätsel<br />

auf, die zu entschlüsseln ein um 1900 angefertigtes<br />

Foto hilft, auf dem sich eine junge Frau<br />

aus dem ehemaligen Hotel Nicolay durch das<br />

Portal einrahmen lässt (Abb. 2). 1 Dieses zeigt<br />

286<br />

Ein Gartenportal aus Architekturresten<br />

der ehemaligen Abtei Springiersbach<br />

Abb. 1: Gartenportal in Springiersbach im heutigen<br />

Zustand<br />

Erwin Schaaf<br />

sich – von weitem betrachtet – als durchaus<br />

harmonisch zusammengesetzt. Oben abgerundete<br />

Pfeiler, seitlich gestützt durch schwungvolle<br />

Voluten, tragen einen mit Giebelprofil geschmückten<br />

Sturz, gekrönt durch einen würfelförmigen<br />

Aufsatz. Dieser in sich stimmige Gesamteindruck<br />

löst sich bei näherem Hinsehen<br />

rasch auf. Unterschiedliche Stilelemente im<br />

Dekor und zweckentfremdet senkrecht zu Pfeilern<br />

aufgestellte Steine machen deutlich, dass<br />

hier Architekturreste aus verschiedenen Bauperioden<br />

der ehemaligen Augustiner-Chorherren-Abtei<br />

Springiersbach zusammengefügt<br />

worden sind. Dieses Stückwerk suchte ein<br />

Steinmetz dadurch zu harmonisieren, dass er<br />

die Laibungen des Portals einheitlich profilierte,<br />

den ursprünglich kantigen rechten Seitenpfeiler<br />

oben abrundete und in beide Pfeiler Sockel<br />

einmeißelte.<br />

Der streng geradlinig gestaltete Portalsturz<br />

(145 cm x 30 cm) mit seinem klassischen Giebelprofil<br />

verweist in die Zeit der Renaissance<br />

bzw. Spätrenaissance, was die eingemeißelte<br />

Jahreszahl 1629 und der ins Giebelfeld gesetzte<br />

Wappenschild des Abtes Johann Eberhard<br />

von Deusternau (1611-1638) bestätigen. Deusternau<br />

hat 1629 abgesondert vom alten Gebäudekomplex<br />

der Abtei ein Abtshaus errichten<br />

lassen, das sich links neben der heutigen<br />

tonnengewölbten Durchfahrt befindet (Abb. 4).<br />

Ein im Renaissancestil gestaltetes Portal mit<br />

der Jahreszahl 1629 in der Rückseite dieses<br />

Hauses ist erhalten geblieben. Die Vorderseite<br />

des fünfachsigen Gebäudes hingegen besitzt<br />

heute einen auffallend schlicht gestalteten Eingang,<br />

der sich sehr von den schmuckvollen<br />

Fenstereinfassungen mit dem Wappen Deusternaus<br />

in den gewölbten Fensterstürzen unterscheidet.<br />

Dieser Hauseingang ist sicher erst<br />

in jüngerer Zeit geschaffen worden. Vieles<br />

spricht dafür, dass der Sturzbalken des heutigen<br />

Gartenportals ursprünglich zum Eingangstor<br />

in der Vorderseite des Deusternaugebäudes


Abb. 2: Gartenportal in Springiersbach um 1900<br />

gehörte. Der rechte Pfeiler des Gartenportals,<br />

mit barockem Rankenwerk und dem Wappen<br />

des Abtes Hermann von Kortenbach (1638-<br />

1657) belegt, setzt sich aus zwei Teilen zusammen.<br />

Der obere Teil (136 cm x 42 cm) befindet<br />

sich in relativem Originalzustand. Veränderungen<br />

zeigen sich insofern, als der Stein unten<br />

abgebrochen ist und oben rechts – zur Anpassung<br />

an den linken Portalpfeiler – nachträglich<br />

abgerundet wurde. In seinem ursprünglichen<br />

Zustand war dieser Stein 182 cm lang. Der untere<br />

Teil des Pfeilers (56 cm x 42 cm) ist bei Er-<br />

richtung des Portals mit Dekor<br />

versehen worden; das<br />

Rankenwerk des oberen<br />

Steins wurde recht unbeholfen<br />

ergänzt und ein Sockelprofil<br />

aufgesetzt.<br />

Es fragt sich, welchem<br />

Zweck der mit Ranken und<br />

Wappen versehene Stein ursprünglich<br />

diente. Die Vermutung<br />

drängt sich auf,<br />

dass er als Türsturz in das<br />

Eingangsportal der von Kortenbach<br />

errichteten Abtswohnung<br />

eingesetzt war.<br />

Dieses Gebäude mit vierachsiger<br />

Vorderfront schließt<br />

sich rechts an das Deusternauhaus<br />

an. (Abb. 4) Nur das<br />

Fenster über der Durchfahrt<br />

im Erdgeschoss ist unverändert<br />

erhalten geblieben. In<br />

seinem barock aufgewölbten<br />

Sturz findet sich das<br />

Kortenbachwappen in gleicher<br />

Gestaltung wie im rechten<br />

Pfeiler des Gartenportals.<br />

Die Sandsteinfassung<br />

des heutigen Hauseingangs<br />

ist neueren Datums. Zur vormaligen<br />

barocken Fassung<br />

könnten auch die mit hängenden<br />

Fruchtbündeln dekorierten<br />

Konsolensteine<br />

gehört haben, die das Gartenportal<br />

seitlich stützen.<br />

Gleiches Fruchtwerk findet<br />

sich in den Stuckdecken der<br />

Abtswohnung Kortenbachs.<br />

Der linke Pfeiler des Gartenportals<br />

unterscheidet sich durch seine Stilelemente<br />

deutlich von dem rechten und diente sicher<br />

einem anderen Zweck als dieser. Er setzt<br />

sich aus zwei Steinen zusammen; der obere<br />

(102 cm x 42 cm) ist mit Rankenwerk und einem<br />

Ankerkreuz belegt, der untere (88 cm x 42<br />

cm) lässt ein Medaillon mit Inschrift erkennen,<br />

unter dem nachträglich ein Säulenfuß eingemeißelt<br />

wurde. Die heute restlos verwitterte Inschrift<br />

ist auf dem Foto von ca. 1900 noch gut<br />

lesbar; sie lautete: PAX · INTRANTIBVS · SAL-<br />

VS · EXEVNTIBVS · ANNO 1644 (Friede den<br />

287


Eintretenden, Heil den Hinausgehenden, im<br />

Jahre 1644).<br />

Die Frage nach der ursprünglichen Verwendung<br />

dieser Steine lenkt den Blick auf ein<br />

Durchfahrtstor, das freistehend auf dem von<br />

Bengel zur Abtei führenden Weg errichtet war.<br />

Ernst Wackenroder, der auf die Architekturreste<br />

des Gartenportals eingeht, hält die zu seiner<br />

Zeit in Springiersbach geäußerte Überlieferung<br />

fest, der Türsturz mit der Jahreszahl 1629<br />

solle »zu einer Torfahrt gehört haben, die nach<br />

der Mosel führte«. 2 Diese Torfahrt ist heute<br />

durch eine Kartenskizze von 1771 belegt 3 ; sie<br />

stand etwa 100 m vor dem Gebäudekomplex<br />

der Abtei. (Abb. 3) Doch es war sicher nicht der<br />

schmale Türsturz von 1629, der sie abdeckte,<br />

sondern der Stein mit der Inschrift von 1644,<br />

die in der Zeit, als die Söldnerhaufen des<br />

Dreißigjährigen Krieges aufs Ärgste Land und<br />

Leute schikanierten, ihren besonderen Sinn<br />

Abb. 3: Die Abtei Springiersbach. Ausschnitt aus<br />

einer Karte von 1771 (Quelle: LHAK, Best. 702,<br />

Nr. 6096).<br />

288<br />

hatte. Es ist durchaus denkbar, dass der Springiersbacher<br />

Konvent das vor die Klosteranlage<br />

gestellte Portal vorsorglich zur Besänftigung<br />

bedrohlicher Eindringlinge errichten ließ. Ein<br />

anderer Zweck ist dem ansonsten funktionslosen<br />

Portal kaum beizumessen. Die Kartenskizze<br />

von 1771 zeigt auf der Torfahrt zwei Aufsätze.<br />

Ist einer von diesen womöglich derjenige,<br />

der den Sturz unseres Gartenportals krönt? Er<br />

zeigt einen Würfel, umfasst von einem gekreuzten<br />

Band, dem eine Art Rosette aufgesetzt ist.<br />

Diese stellt einen Flammenkranz dar, in den ein<br />

Herz, in einer Rose stehend, eingefügt ist. Auf<br />

dem Würfel ist erkennbar, was eine sich nach<br />

oben verjüngende Abdeckung vermuten lässt,<br />

dass er als schmückender Aufsatz jener Torfahrt<br />

diente. Wie das Ankerkreuz im linken Pfeiler<br />

des Gartenportals symbolisiert er mit seinem<br />

Kreuzband den Glauben an Christus, den<br />

Gekreuzigten. Während darüber hinaus der Anker<br />

die im Glauben festgemachte Heilssicherheit<br />

andeutet, spricht der Flammenkranz mit<br />

Herz und Rose für die christliche Liebe und<br />

überdies wohl auch für die Liebe zur Gottesmutter<br />

Maria, der Schutzpatronin der Abtei<br />

Springiersbach.<br />

Das Gartenportal, so fassen wir zusammen, ist<br />

aller Wahrscheinlichkeit nach aus Architekturüberresten<br />

zusammengefügt, die zum Haus<br />

Deusternau (Sturz von 1629), zum Haus Kortenbach<br />

(rechter Pfeiler) und zur Torfahrt vor<br />

der Abtei (linker Pfeiler und Aufsatz auf dem<br />

Sturz) gehörten.<br />

Mit der Säkularisation zu Anfang des 19. Jahrhunderts<br />

kam der Großteil der ehemaligen Abteigebäude<br />

in bürgerlichen Besitz. Die von den<br />

Äbten Deusternau und Kortenbach gebauten<br />

Häuser gehörten in der Mitte des Jahrhunderts<br />

einem Hubert Kiesgen, der in Springiersbach<br />

Landwirtschaft sowie eine Lohmühle und Gerberei<br />

betrieb. 4 Vermutlich war es dieser Kiesgen,<br />

der bauliche Veränderungen an den vormaligen<br />

Abtshäusern vornahm und auch die<br />

ursprünglichen Hauseingänge umgestaltete,<br />

weil sie wohl zu aufdringlich an die klösterliche<br />

Vergangenheit erinnerten. Es ist denkbar, dass<br />

um diese Zeit auch die nicht nur funktionslose,<br />

sondern auch verkehrsbehindernde Torfahrt<br />

von 1644 eingerissen wurde. Diese Vermutung<br />

stützt sich auf die Jahreszahl 59, die in der<br />

Schreibweise des 19. Jahrhunderts der Inschrift<br />

von 1644 hinzugefügt worden ist. Es ist


Abb. 4: Das Hotel Nicolay in Springiersbach um 1920. Links neben der Hausdurchfahrt das ehemalige<br />

Abtshaus Deusternau, rechts daneben das ehemalige Abtshaus Kortenbach.<br />

anzunehmen, dass die Zahl (18)59 das Jahr der<br />

Errichtung des Gartenportals festhält. Sicher<br />

indes ist, dass man die reich dekorierten Architekturreste<br />

für wert befand, sie in der Gestalt<br />

eines schmucken Gartenportals zu erhalten.<br />

Den Hubert Kiesgen beerbte ein Johann Nicolay<br />

aus Ürzig, seit 1882 verheiratet mit Anna<br />

Maria Barzen aus Reil. Im gleichen Jahr zog<br />

das junge Ehepaar in Springiersbach ein und<br />

eröffnete wenige Jahre später das weithin bekannte<br />

Hotel Nicolay in den ehemaligen Abtshäusern.<br />

Ihre älteste Tochter, Johanna, ließ<br />

sich eingerahmt durch das Gartenportal fotografieren.<br />

Dieser Tatsache verdanken wir das<br />

aufschlussreiche Lichtbild von ca. 1900, das<br />

Zeugnisse der Springiersbacher Baugeschichte<br />

dokumentiert. (Abb. 2)<br />

In den 60er Jahren unseres Jahrhunderts hat<br />

Erwin Koch, Leiter des mittlerweile in ein Familien-Ferienwerk<br />

des Bistums Köln umgewandelten<br />

Hotels Nicolay, das wohl zwischenzeitlich<br />

baufällig gewordene Gartenportal beton-<br />

verstärkt wieder herrichten lassen. Der Beton<br />

hat den heutigen Witterungseinflüssen getrotzt,<br />

nicht aber der über 350 Jahre alte Sandstein,<br />

der Dreifaches zu erzählen weiß: Ausschnitte<br />

aus der abteilichen Baugeschichte,<br />

Episoden über bauliche Veränderungen in der<br />

bürgerlichen Zeit Springiersbachs und die Geschichte<br />

des heutigen Verfalls alten wertvollen<br />

Gesteins durch schädliche Umwelteinflüsse.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Dieses Foto wurde dankenswerterweise von Frau Marianne Melsheimer,<br />

deren Mutter aus dem Hotel Nicolay stammte, zur Verfügung<br />

gestellt.<br />

2 Ernst Wackenroder: Die Kunstdenkmäler des Kreises <strong>Wittlich</strong>,<br />

Düsseldorf 1934, S. 306.<br />

3 Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 702 Nr. 6096; Näheres siehe Erwin<br />

Schaaf: Die Abtei Springiersbach um die Wende vom 18. zum<br />

19. Jahrhundert; in: Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Jahrbuch 1988, S.<br />

234-238.<br />

4 Marianne Melsheimer: Die Familie Nicolay in Springiersbach; in:<br />

Das Alftal in Gegenwart und Geschichte, Chronik der Alftalgemeinden<br />

1994/95, S. 147-153, hier S. 147.<br />

289


Die prächtige Barockkirche in Springiersbach,<br />

1772 von Augustiner-Chorherren als Abteikirche<br />

vollendet, dann nacheinander Stifts-,<br />

Pfarr- und vernachlässigte Filialkirche, erfuhr<br />

am 8. September 1922 ihre Wiederbelebung:<br />

Der erste Prior des heutigen Karmelitenklosters<br />

celebrierte hier seine erste Messe am kirchlichen<br />

Festtag »Mariä Geburt«. Vorerst verkörperte<br />

sich in ihm ein »Ein-Mann-Konvent«, der<br />

noch nicht einmal von allen Amtsbrüdern im<br />

Umfeld mit Wohlwollen aufgenommen, geschweige<br />

denn unterstützt wurde. Ist es eine<br />

ungewollte Symbolik, dass der messefeiernde<br />

Pater sich selbst als erster in das Verzeichnis<br />

der »durchreisenden Priester« eintrug? 1<br />

Als dieses Gründungsdatum im Jahre 1997 in<br />

hochfestlichem Rahmen als Jubiläum begangen<br />

wurde, konnte der zuständige Diözesanbischof,<br />

der u.a. mit den Karmeliten, dem Abt<br />

von Himmerod und dem Regionaldekan den<br />

Festgottesdienst celebrierte, in der Festpredigt<br />

nicht nur den Karmeliten für ihren Dienst in etlichen<br />

Pfarreien und der Krankenseelsorge danken,<br />

sondern auch »die Ausstrahlung, die das<br />

Haus auch ins Bistum hinein habe, hervorheben«.<br />

2 Der Regionaldekan fügte hinzu, eine solche<br />

klösterliche Einrichtung in der Region zu<br />

haben, sei ein wahrer Segen. 3<br />

Die Entwicklung des Klosters in diesen spannungsreichen<br />

Jahrzehnten soll hier skizziert<br />

werden. 4<br />

Am Anfang der Geschichte des neuen Klosters<br />

Springiersbach steht ein irischer Karmelit, der<br />

Oberste des Ordens in Rom, der an die Zeit vor<br />

der Säkularisation anknüpfen wollte, als in der<br />

damaligen Niederdeutschen Ordensprovinz allein<br />

im Bistum Trier sechs Karmelitenniederlassungen<br />

bestanden. Er gab die Suche nach einem<br />

geeigneten Ort - die neue Niederlassung<br />

sollte keinen Neubau erfordern - im November<br />

1920 dem Wiener Konvent auf. Der dortige<br />

Subprior - er stammte aus Rommersheim bei<br />

Prüm - knüpfte die Verbindung zum bischöflichen<br />

Stuhl in Trier. Eine Ansiedlung in Trier<br />

selbst, wo früher ein Karmelitenkonvent bestand,<br />

und an anderen Orten mit aufgelösten<br />

290<br />

Das Karmelitenkloster Springiersbach<br />

Winfrid Blum<br />

Karmelitenklöstern kam nicht zustande, u.a.<br />

auch deshalb, weil die ehemaligen Klöster jetzt<br />

alle mit einer Pfarrei verbunden waren. Der Bischof<br />

bot schließlich Springiersbach an, wo<br />

Kirche und Pfarrhaus (damals zwei Mietparteien<br />

überlassen) zur Verfügung standen. Im Juli<br />

1922 kam es schließlich zum Abschluss des<br />

Kaufvertrags mit der Pfarrei Bengel, der beide<br />

Gebäude und Grundbesitz gehörten, und zur<br />

Zahlung des Kaufpreises. Der kleine Friedhof<br />

mit seinem künstlerisch bedeutenden Christus<br />

am Kreuz blieb bei der Pfarrei. Der eingetragene<br />

Verein »EV Carmel« musste durch Erklärung<br />

dem Staat gegenüber auf den Ankauf<br />

weiterer Besitzungen verzichten und den<br />

Schutz des übernommenen Baudenkmals gewährleisten,<br />

bei Vermeidung einer »Geldstrafe«,<br />

diese gesichert durch eine Hypothek. Dafür<br />

stellte der Regierungspräsident Beihilfen des<br />

Staates und der Provinz in Aussicht. Ein später<br />

gefertigtes Inventarverzeichnis gemäß Verordnung<br />

zum Schutz von Denkmalen und Kunstwerken<br />

zeigt auf, was trotz der widrigen Zeiten<br />

erhalten war und in Zukunft gepflegt sein wollte:<br />

von Altären über Weihwasserbehältern in<br />

der Kirche bis zu »Steinkisten mit Deckel« in<br />

der Gruft. Unter dem 12. April 1923 wurde der<br />

Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen.<br />

Die Ordensspitze errichtete formell am 21.<br />

Februar 1924 den neuen Konvent als kanonische<br />

Einrichtung.<br />

In der Zwischenzeit hatte der »Gründungsprior«<br />

eine schwierige Last zu tragen: Der letzte<br />

Mieter war Anfang 1923 ausgezogen; die Umbaupläne,<br />

von einem Architekten und einem<br />

Mitbruder gefertigt, waren endlich genehmigt.<br />

Der Umbau erwies sich als zwingend notwendig.<br />

Im Erdgeschoss des nunmehrigen Klostergebäudes<br />

befanden sich Schweine- und Hühnerstall<br />

nebst Kartoffelkeller zum Garten hin,<br />

nach hinten lagen Backofen und Waschküche.<br />

Sakristei und Kirche waren hinsichtlich des beweglichen<br />

Guts, das zum Celebrieren benötigt<br />

wird, sozusagen leer: kein Speisekelch, keine<br />

Messkännchen, auf dem Kerzenständer nur<br />

sechs kleine Stumpen usw. Die Balkone zu bei-


Kloster Springiersbach (Zeichnung: E. Schaaf)<br />

291


den Seiten des Kirchturms waren undicht,<br />

Denkmalschutz-Vertreter kamen und »empfahlen«<br />

wasserdichte Abdeckungen. Das Turmkreuz<br />

drohte herunterzufallen. Der Umbau war<br />

durchzuziehen, wurde aber wegen Geldmangels<br />

zeitweise eingestellt.<br />

Die personelle Vergrößerung des Konvents<br />

vollzog sich in kleinen Schritten, als endlich ein<br />

Bruder und ein weiterer Pater 1922/23 nach<br />

Springiersbach versetzt wurden. Der geplagte<br />

Prior schaffte es, den Grundstock des neuen<br />

Konvents zu legen. Er kennzeichnete eine der<br />

sicher zahlreichen Unterredungen mit einem<br />

Behördenvertreter so: »Diese Aussprache war<br />

gerade keine sehr höfliche, aber eine nützliche.«<br />

Der Orden hatte dem Generalvikariat Trier gegenüber<br />

die Errichtung des neuen Konvents<br />

u.a. mit dessen folgenden Zielen begründet:<br />

Möglichkeit des beschaulichen Lebens, Verbreitung<br />

der Marienverehrung (der Karmeliterorden<br />

trägt den offiziellen Titel »Brüder und<br />

Schwestern Unserer Lieben Frau vom Berge<br />

Karmel«), Aushilfen in der Seelsorge, Exerzitienkurse.<br />

Darüber hinaus sollte in Springiersbach<br />

das Noviziat für die gesamte Ordensprovinz<br />

eingerichtet werden. 1928 folgte für etliche<br />

Jahre die Etablierung eines ordensinternen<br />

Philosophiestudiums.<br />

Das neue Kloster hatte also sehr schnell mit<br />

seiner personellen Stabilisierung einen festen<br />

Stellenwert im Ordensgefüge bekommen. Diese<br />

Feststellung soll den Abschluss einer Phase<br />

charakterisieren, in der häufiger konventualer<br />

Wechsel die Regel und unangebrachtes Misstrauen<br />

von Dekanatsgeistlichen üblich waren.<br />

Nach Beurkundungen des Priors fürchteten<br />

diese die »Abwanderung« von Pfarrangehörigen<br />

und damit finanzielle Nachteile. Hier musste<br />

mehrfach das Ordinariat eingreifen. Der endlich<br />

begonnene Umbau wurde aus Geldmangel<br />

unterbrochen, bis die aufgelaufenen Schulden<br />

bezahlt waren. Aber bei aller Armut im Alltag:<br />

Das Kloster bestand, die Insassen wuchsen zu<br />

einem Konvent zusammen.<br />

Die Karmeliten fassten im schulischen Religionsunterricht<br />

und in der Seelsorge in umliegenden<br />

Pfarreien und bei dem »Pfarrvolk« Fuß. Um<br />

schlecht honorierten Aushilfen (z. B. für dreimalige<br />

Aushilfen im Beichtstuhl bei langem Anweg:<br />

ein Liter Öl!), von denen nicht ein Mann,<br />

geschweige denn das Kloster, hätte leben kön-<br />

292<br />

nen, zu entgehen, übernahmen die Karmeliten<br />

die zur Pfarrei Cröv gehörige Filiale Cövenig.<br />

Hier war Pater Dr. Clemens Martini jahrelang<br />

tätig und bekam laut Zeitungsberichten bei seinem<br />

Fortgang eine überwältigende Verabschiedung.<br />

Er vollendete übrigens in dieser Zeit<br />

sein Geschichtswerk über den Deutschen Karmel<br />

und bereitete die Herausgabe der »Karmelstimmen«<br />

vor. (heute »Karmel-Kontakt«).<br />

Im Mai 1924 war in Springiersbach die »Skapulierbruderschaft«<br />

eingerichtet worden. Die Mitglieder<br />

(Laien) trafen sich an jedem zweiten<br />

Sonntag im Monat zu einer Marienfeier (Andacht,<br />

Predigt, Prozession). Diese über Pfarrgrenzen<br />

hinausgehende Bruderschaft führte<br />

damit zu einer starken Verwurzelung der Marienverehrung<br />

und der sie tragenden Karmeliten<br />

in der Region.<br />

Als äußeres Zeichen der inzwischen erreichten<br />

Klosterstabilität kann die Gestaltung (Erweiterung)<br />

des Hochaltars mit der beherrschenden<br />

Stellung der Madonna 1935 gesehen werden.<br />

Beliebt wurde die Klosterkirche auch als Trauungskirche.<br />

Bis zum Kriegsbeginn fand im<br />

Durchschnitt fast jede Woche eine Trauung in<br />

der immer anziehender werdenden Kirche<br />

statt.<br />

Der wachsende Zuspruch, auch von überörtlichen<br />

Besuchern, ermöglichte dem Kloster,<br />

Ausstattung und Umgebung der Kirche zu verbessern<br />

und zu verschönern. Hervorzuheben<br />

sind das neue Geläut mit drei Glocken, die Anschaffung<br />

einer Orgel, die Herstellung eines<br />

klösterlichen Innenhofs in dem ehemals abteilichen<br />

Geviert, das damals neben dem Karmelitenkloster<br />

vier weitere Eigentümer hatte. Jeden<br />

Donnerstag hielten die Patres für Wallfahrer ein<br />

eigenes Amt. Ihre Mithilfe in der Seelsorge wurde<br />

nun in steigendem Maße von nahe und ferner<br />

gelegenen Pfarreien gesucht. Eine klosterinterne<br />

Übersicht, mit dem Jahr 1946 abschließend,<br />

zählt gelegentliche und ständige<br />

Aushilfen in 84 Eifel- und Moselorten auf. 5 Die<br />

Karmeliten waren in das »Volk« (z. B. Messe-<br />

Stiftungen) und die Pfarreien hineingewachsen,<br />

die Pfarrangehörigen kamen gerne zu kirchlichen<br />

Feiern und Festen, besonders auch zum<br />

Beichten vor Ostern.<br />

Welche Erschwernisse und Verfolgungen das<br />

Naziregime und der Kriegsbeginn nach sich<br />

ziehen würden, war erst in Umrissen erkennbar,<br />

da traf ein unerwarteter Schlag Kirche,


Am 10./11. März 1940 verwüstete ein Brand die Abtei Springiersbach<br />

Kloster und den gesamten ehemaligen Abteikomplex:<br />

ein vernichtender Brand am 10./11.<br />

März 1940, dem im Mai der Einsturz des kostbar<br />

bemalten Gewölbes in der Kirche folgte. 6<br />

Das gesamte blühende Werk schien vernichtet,<br />

der Prior beim Einsturz des Gewölbes lebensgefährlich<br />

verletzt. Bistum und Orden hatten<br />

diese Niederlassung bereits aufgegeben und<br />

den Springiersbacher Karmeliten das (frühere)<br />

Kloster Beilstein als neue Wirkungsstelle zugedacht.<br />

NS-Parteistellen zeigten Interesse am<br />

Wiederaufbau zur Einrichtung eines eigenen<br />

Zentrums in Springiersbach.<br />

Aber niemand hatte mit der Zähigkeit wiederum<br />

des Priors gerechnet. Er gesundete nicht<br />

nur, er kämpfte nach allen Seiten um »sein«<br />

Kloster - und gewann! Was ehedem für das neu<br />

gegründete Kloster eine schwer erträgliche<br />

Last schien - Erhaltung und Pflege des Baudenkmals<br />

Kirche/Kloster - wurde nun der Rettungsanker:<br />

Das Kunstdenkmal wurde - heute<br />

fast unglaublich! - im Krieg wieder aufgebaut.<br />

Es bleibe dahingestellt, welche Hintergedanken<br />

Parteigrößen dabei hatten. Zähigkeit, Verhandlungskunst,<br />

Menschenkenntnis des Priors<br />

auf der einen Seite, kunstbeflissene, verständi-<br />

ge, versteckt sympathisierende Partner auf<br />

Behördenseite - das Werk gelang! Außenstehende<br />

mögen den Rest zum Gelingen »Glück«<br />

nennen; die Karmeliten - die »Liebfrauenbrüder«-<br />

sahen darin das Wirken ihrer »Schutzmantel«<br />

- Madonna!<br />

Am 18. August 1946 fand in bedrückender Zeit<br />

die erhebende Marienfeier - mit hochrangiger<br />

Beteiligung des Bistums und des Weltklerus -<br />

zur (vorläufigen) Vollendung des Wiederaufbaus<br />

von Kirche und Kloster statt. M. J. Mehs<br />

aus <strong>Wittlich</strong> gab in einer »Tagebuchaufzeichnung«<br />

genannten Zeitungsveröffentlichung<br />

diesem Feiertag eine nachjubelnde Begeisterung,<br />

die im Schlusssatz gipfelt: »Dieser Tag in<br />

Springiersbach wird bei allen Teilnehmern einen<br />

tieferen Eindruck machen als die Ankündigung<br />

des neuen Dogmas.« 7 (Der Weihbischof<br />

hatte eine Andeutung auf das zu erwartende<br />

Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den<br />

Himmel gemacht.)<br />

In den Nachkriegsjahren füllten sich die Kirchen.<br />

Auch die Springiersbacher Klosterkirche<br />

zog immer mehr Gläubige an. Andachten, Wallfahrten,<br />

Ansprachen, Kirchenführungen nahmen<br />

zu. Zahlreiche Pfarreien baten um Aushilfe<br />

293


zu Beicht- und Gottesdiensten, zur feierlichen<br />

Gestaltung von Patronatsfesten und Jubiläen.<br />

Die Seelsorge im Zeller Krankenhaus, die Übernahme<br />

von Pfarrvertretungen, die Betreuung<br />

der verschiedenen Schwestergemeinschaften:<br />

der kleine Konvent - lange Zeit in der Besetzung<br />

drei Patres, zwei Brüder - hätte sich vervielfältigen<br />

müssen, wollte er all dem nachkommen.<br />

Eine Vergrößerung war unvermeidlich.<br />

Der nächste Schritt war die Verlegung des Noviziats<br />

von Straubing nach Springiersbach im<br />

Herbst 1961. Zur behelfsmäßigen ersten räumlichen<br />

Erweiterung dienten die bis dahin vermieteten<br />

Räume im ausgebauten Dachgeschoss<br />

des Klostergebäudes. Ab 1962 konnte<br />

geplant und dann auch gebaut werden: die<br />

Verlängerung des Karmelitenklosters über den<br />

gesamten Ostflügel des ursprünglichen Abtei-<br />

Karrees, schließlich der Erwerb des Nordflügels<br />

- und damit war das Geviert wieder in einer<br />

Hand. Was sich hier in einen Satz drängt, ist die<br />

nach jahrelangen, geduldigen Verhandlungen<br />

mit mehreren Eigentümern, kirchlichen, staatlichen<br />

und kommunalen Behörden und Geldgebern<br />

glücklich erreichte Endstation. 8<br />

Die Eröffnung eines »großen Hauses« (Kirche,<br />

Kloster, Tagungsstätte usw.) war vorausschauend<br />

konzipiert und im glücklich gewählten Zeitraum<br />

begonnen und durchgeführt worden. Bei<br />

einleuchtender Zielvorgabe war es in den 60er<br />

Jahren leichter als 1922 oder gar 1940/41,<br />

wohlwollende Unterstützung und finanzielle<br />

Beihilfen zu erhalten.<br />

Was geschaffen wurde, stellte sich aller Öffentlichkeit<br />

offen, begehbar und einladend dar.<br />

Exerzitien, Tagungen, Einkehrtage, Besinnungswochenenden<br />

und vieles mehr konnten<br />

nun einem breiten überörtlichen Kreis angeboten<br />

werden. Das Gästebuch spiegelt Unterschiedlichkeit<br />

und Vielfalt der Besucher wider,<br />

in Texten und Bildern!<br />

Der Orden, der Konvent, der einzelne Konventuale<br />

haben frühzeitig die Konsequenz aus der<br />

Tatsache gezogen, dass das Kirchenvolk nicht<br />

mehr von sich aus in die Kirche strömt, wie jahrelang<br />

nach dem Zusammenbruch 1945. Der<br />

Einzelne ist kritisch geworden, verlangt andere<br />

als nur schematische Katechismus-Antworten,<br />

sieht sich damit aber in einem Pulk Gleichgesinnter,<br />

die bereit sind, neue Antworten entgegenzunehmen,<br />

sie zu verarbeiten und letztlich<br />

auch anzunehmen, wenn die Antwortenden<br />

294<br />

ernst, engagiert und überzeugend als kompetent<br />

angesehen werden. Die Umstellung auf<br />

Seelsorge dieser Art hat das Kloster Springiersbach<br />

offenbart, offen-gelegt, damit jeder<br />

Mensch in einer neuen »Spiritualität« Wege suchen,<br />

finden, oder auch nur aufgezeigt bekommen<br />

kann.<br />

Aufgabenstellung dieser Art und der praktizierte<br />

Ansatz zu Lösungen werden mit Sicherheit<br />

über die Jahrtausendwende Bestand haben.<br />

Die geschichtliche Entwicklung hielt für die<br />

Schwierigkeiten, unter denen das Karmelitenkloster<br />

sich seit 1922 behaupten musste, einen<br />

damals nicht für möglich gehaltenen »Ausgleich«<br />

bereit: Die Klosteranlage hat die alten<br />

Abteiausmaße annähernd erreicht; die drei<br />

Alftal-Pfarreien Bausendorf, Kinderbeuern und<br />

Bengel mit ihren Filialen werden von den Karmeliten<br />

betreut. Das Kloster kann seine Barockkirche<br />

mit dem beschwingten Rokoko-Dekor<br />

und der neuen Orgel, seinen wiedererrichteten<br />

Kapitelsaal mit z. T. Original-Säulen und<br />

-Kapitellen, seinen versteckten Innenhof dem<br />

Musikkreis Springiersbach (private Träger) für<br />

viel beachtete und z. T. einmalige musikalische<br />

Darbietungen zur Verfügung stellen. Und siehe<br />

da, die Musik passt in diese Räume so fugenlos<br />

hinein, als hätten sie und ihre Ausstattung immer<br />

schon auf diese Ergänzung gewartet. Der<br />

Gründungsprior konnte mit solch einer Entwicklung<br />

nie rechnen; aber die klösterliche<br />

Identität der »Liebfrauenbrüder« unter bisher<br />

15 weiteren Prioren, die nun über ein Dreivierteljahrhundert<br />

hinweg besteht, hat er begründet.<br />

Anmerkungen<br />

1 Erster Eintrag in »Liber sacerdotum peregrinantium qui S. Missam<br />

celebraverunt«. Dieses Buch sowie die als Quelle hier und weiterhin<br />

benutzten maschinen- und handgeschriebenen Vermerke des<br />

ersten Priors der Karmeliten, Schriftverkehr mit Behörden und Notar<br />

u.a. befinden sich im Archiv des Priorats im Karmelitenkloster<br />

Springiersbach.<br />

2 Paulinus - Trierer Bistumsblatt, 19.10.1997, S.22<br />

3 Trierischer Volksfreund 30.09.1997<br />

4 Dazu: P. Clemens Martini: Der neue Karmel von Springiersbach<br />

a.d. Mosel, Aschaffenburg, 1923, Dr. Adalbert Deckert: 50 Jahre<br />

Karmeliten in Springiersbach, Volkach 1972. Zur Geschichte des<br />

Karmelitenordens allg.: P. Clemens Martini: Der deutsche Carmel,<br />

Bamberg 1922/26, Günter Benker (Hrsg.): Die Gemeinschaften des<br />

Karmel, Mainz 1994<br />

5 Archiv des Provinzialats in Bamberg<br />

6 Ausführliche Beschreibung von Karl Laas in Chronik der Alftalgemeinden<br />

1989 S.75 ff.<br />

7 Archiv des Priorats (wie Anm. 1)<br />

8 Näheres siehe Deckert (wie Anm. 4)


Die Eckfelder Stockgüter<br />

Manderscheider Notariatsakten als Quelle<br />

heimatkundlicher Forschungen 1<br />

Unter dem Titel »Die Eifelsachsen« erschien im<br />

Jahrbuch 1990 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

ein Artikel von Gregor Brand 2 , der sich mit der<br />

rechtlichen und sozialen Situation von Stockgütern<br />

befasste, indem er Forschungsergebnisse<br />

vorstellte, wonach die Bauern der Südwesteifel<br />

überwiegend von durch Karl den<br />

Großen zwangsweise umgesiedelte Sachsen<br />

abstammen. Am deutlichsten belegt die besondere<br />

Verwaltung des landwirtschaftlichen<br />

Hofes, das Stockgut genannt wurde, den sächsischen<br />

Ursprung. Stockgüter wurden nach<br />

speziellen Regeln bewirtschaftet. Die größte<br />

Einschränkung der Stockbauern bestand darin,<br />

dass sie teilweise 800 Jahre lang Grund und<br />

Boden bewirtschafteten, der ihnen nicht gehörte,<br />

sondern im Eigentum des Landesherrn verblieb.<br />

Am Anfang der Bewirtschaftung der<br />

Stockgüter stand die gemeinsame Rodung von<br />

Wald und Busch, um Siedlungen anzulegen.<br />

Daraus entwickelte sich eine gemeinsame Bewirtschaftung<br />

des Gemeindewaldes und auch<br />

zum Teil von Feldern, um die Bedürfnisse der<br />

Gemeinde, die Nachfrage nach Bau- und<br />

Brandholz und die Versorgung der Viehherden<br />

zu gewährleisten. Diese Form des bäuerlichen<br />

Rechtes gab es in Sachsen, nicht aber in der<br />

Eifel. Die Grafschaft Manderscheid nimmt wegen<br />

der starken Präsenz ihrer Stockgüter eine<br />

besondere Stellung ein. Auch hier war es die<br />

Ansiedlung von Leibeigenen, die unter sehr<br />

harten Lebensbedingungen Land rodeten und<br />

Siedlungen schafften. Im Laufe der Jahrhunderte<br />

änderte sich das Verhältnis zwischen Untertan<br />

und Herr. Die Rahmenbedingungen wurden<br />

für die Bewohner der Grafschaft günstiger,<br />

der Bauer gewann neue Freiheiten. Am Ende<br />

des 18. Jahrhunderts waren die im Obereigentum<br />

eines Grundherrn gestandenen Güter allmählich<br />

fast vollständiges Eigentum der »nur<br />

besitzenden« bäuerlichen Untereigentümer geworden,<br />

deren Abgabepflicht fast nur noch den<br />

Charakter einer Rente trug. Von den ursprüngli-<br />

Karl Oehms<br />

chen Regelungen blieb vor allem das Verbot<br />

der Realteilung bestehen. Der Hof musste »ungeteilt«<br />

an den Erben weitergegeben werden.<br />

Die Vorschriften überließen es dem Bauern, ob<br />

er das älteste oder jüngste Kind, den Sohn<br />

oder die Tochter als Erben einsetzte, auch<br />

wenn die Erbfolge in der Regel auf den ältesten<br />

Sohn fiel. Er konnte den Hof an »das Kind, das<br />

ihm am besten gefalle« weitergeben. Alle anderen<br />

Kinder durften auf dem Hof bleiben und<br />

ihren Lebensunterhalt als Knecht oder Magd<br />

verdienen. Kinder, die nicht auf dem Hof bleiben<br />

wollten, hatten Anrecht auf einen Anteil am<br />

Vermögen. Dabei blieb das »Betriebsvermögen«:<br />

Haus, Hof, das Vieh und die landwirtschaftlichen<br />

Geräte dem Hoferben vorbehalten<br />

und gehörten nicht zur Vermögensmasse. Geteilt<br />

wurden Möbel, Haushaltsgeräte, Wäsche<br />

und Geld. Kinder, die ihren Anteil am Vermögen<br />

erhalten hatten, mussten den Hof verlassen<br />

und konnten nie mehr zurück. Natürlich konnten<br />

auch verheiratete Geschwister auf dem Hof<br />

bleiben, häufig wohnten sie »auf dem Backes«<br />

und erhielten so den Namen Backesleute oder<br />

Backes. Sie hatten kein Mitspracherecht bei<br />

den Entscheidungen des »Herrn« oder der<br />

»Frau«, wie der jeweilige Stockbesitzer genannt<br />

wurde. Durch den Verbleib des Hofes innerhalb<br />

einer Familie war der ursprüngliche Familienname<br />

so fest mit dem Hof verbunden,<br />

dass eingeheiratete Schwiegersöhne oder neue<br />

Hofbesitzer ihren eigenen Namen ablegen mussten<br />

und nur noch mit dem »Hausnamen« geführt<br />

wurden. Das Verbot der Realteilung stellte<br />

sich schließlich als großer Vorteil heraus, weil<br />

das Betriebsvermögen - der Hof - wirtschaftlich<br />

erstarkt, zu Wohlstand geführt hatte. Am Ende<br />

der Feudalzeit konnten die Bauern auf den<br />

Stockgütern über den Hof nach Gutdünken verfügen,<br />

obwohl sie nur Besitzer, nicht Eigentümer<br />

waren. Die Abgaben, die sie für den fremden<br />

Boden zu leisten hatten, bestanden häufig<br />

nur noch aus einer »Grundrente«. 3<br />

295


Die Französische Revolution mit ihren Wirren<br />

beendete das »Ancien Regime«, schaffte bewusst<br />

alles Alte ab und wollte die von Adel und<br />

Geistlichkeit erlöste Bevölkerung mit den<br />

Wohltaten der französischen Republik beglücken.<br />

4 Die Folgezeit belegt häufig genug das<br />

Gegenteil: die Realteilung führte zur Zersplitterung<br />

des Hofes und des Vermögens. Das Wegbrechen<br />

der alten Märkte ins soziale Abseits<br />

der Bevölkerung, Missernten und Hungersnöte<br />

zwangen die Menschen schließlich zum Verkauf<br />

von Hab und Gut, um in Brasilien, Algerien<br />

oder den Vereinigten Staaten von Nordamerika<br />

ihr besseres Glück zu suchen. Wie wenig die<br />

chaotischen Verhältnisse nach 1794 Denken<br />

und Handeln der Menschen änderten, zeigen<br />

auch einige Akten aus dem Manderscheider<br />

Notariat.<br />

Die Manderscheider Schöffenbücher belegen<br />

bereits vor 1600 die Residenz eines Notars, der<br />

häufig auch Lehrer, Schreiber oder Bote war,<br />

denn die Notarstätigkeit alleine nährte nicht<br />

ihren Mann. 5 Viele der heutigen Notarsaufgaben<br />

wurden auch durch die Gemeindeschöffen<br />

wahrgenommen, die die bäuerlichen Erbangelegenheiten<br />

unserer Vorfahren oder vermögensrechtliche<br />

Übergänge auf Kinder und Erben<br />

im Schöffenbuch 6 festhielten. Manderscheid<br />

war ein kleines Notariat, denn die ab<br />

1838 erhaltenen Urkunden im Landeshauptarchiv<br />

Koblenz belegen, dass in Dudeldorf etwa<br />

die dreifache Anzahl an Beurkundungen vorzunehmen<br />

war. Nach dem Tod des Manderscheider<br />

Notars Joh. Peter Pütz am 31. Januar 1843<br />

folgten unzählige preußische Beamte, deren<br />

Verweildauer oft nur wenige Jahre betrug. Häufig<br />

wird es sich um die erste Amtsstelle der<br />

Kandidaten gehandelt haben. Ganz im Gegensatz<br />

zu dem »Manderscheider« Notar Johann<br />

Peter Pütz, der dieses Amt vierzig Jahre versah<br />

und noch an seinem Sterbetag die Verkaufsurkunde<br />

der auswanderungswilligen Eheleute<br />

Joh. Flesch - A. Maria Schmitz handschriftlich<br />

niederlegte. 7<br />

J. Peter Pütz wurde am 18. April 1775 in Niederstadtfeldt<br />

als erstes Kind der Mühlenpächter<br />

Johann P. Pütz und Margaretha Oehms geboren.<br />

Diese Eheleute lassen sich 1783 auf der<br />

Manderscheider Neumühle nieder. 8 Ihr zweiter<br />

Sohn Hubert übernimmt mit seiner Linie die<br />

Müllertradition, die in einer Zwangsversteigerung<br />

im Jahre 1907 ihr vorzeitiges Ende findet. 9<br />

296<br />

Die Neumühle war eine reiche Mühle, und so<br />

verwundert es nicht, dass der Notar J. P. Pütz<br />

nach seiner Eheschließung 1803 mit Maria Josepha<br />

Walscheid bereits 1804 Räumlichkeiten<br />

von der französischen Regierung 10 ersteigern<br />

konnte, um seine [Dienst-] Wohnung einzurichten.<br />

Die Patenschaften bei seinen Kindern oder<br />

deren Eheschließungen belegen, dass die Familie<br />

zur Oberschicht gerechnet wurde. 11 Neben<br />

Anton Thielen, Großgrundbesitzer aus<br />

Dierfeld, zieht Joh. Peter Pütz 1828 als Grundbesitzer<br />

und Notar in den <strong>Wittlich</strong>er Kreistag<br />

ein. 12<br />

Urkunden von 1838 zeigen die wirtschaftliche<br />

Situation der Stockgüter der Gemeinden<br />

Eckfeld und Steinborn<br />

Akten des Notars Pütz sind erst ab 1838 erhalten.<br />

13 Laut Beurkundung Nr. 175 vom 27. Dezember<br />

1838 kaufen die Eckfelder<br />

Einsassen/Stockgüter 14 die Grundrente an<br />

Korn und Hafer des Hillscheider Hofes von Peter<br />

Paul Jurion, Advokat in Diekirch im<br />

Großherzogtum Luxemburg, der durch Anton<br />

Buchholz, Ackerer zu Gelsdorf 15 vertreten wird.<br />

Der Herr Advokat Jurion .... verkauft und überträgt<br />

hierdurch seine auf dem sogenannten Hillscheider<br />

Hof zu Eckfeld 16 zu fünf Malter vier<br />

Sümmer [= vierundzwanzig Scheffel] Korn, und<br />

zehn Malter acht Sümmer [= circa achtundvierzig<br />

Scheffel] Habern haftende Grundrente, welche<br />

ihm von Seiten der Französischen Regierung<br />

.... lt. Beschluß vom 01. May 1810 übertragen<br />

und abgetreten wurde. Als Kaufpreis wird<br />

ein Betrag von 1 050 Preußischen Thalern ausgehandelt,<br />

den die Eckfelder teils in Gold - und<br />

zwar in 10-Thaler-Stücken [dabei hat jedes einen<br />

Wert von elf Thalern zehn Silbergroschen] -<br />

und in preußischen Kassenanweisungen bezahlen.<br />

Anschließend »untersuchte« man die<br />

Geldstücke. Neben der Begutachtung der<br />

Münzen benutzte man auch die Zähne, um sich<br />

von der Echtheit des Goldes zu überzeugen.<br />

Eine weitere Klausel erwähnt, dass die Ernte<br />

des laufenden Jahres noch dem Verkäufer zufalle,<br />

weil .... die laufendjährige Lieferung der<br />

fraglichen Rente, welche Martini Episcopi abhin<br />

anfalle...., d. h. am 11. November waren Raten<br />

und Zinsen aus Verträgen zu zahlen, eine Regelung,<br />

die auch heute noch bei der Übergabe<br />

und Verpachtungen von Grundstücken, Ländereien<br />

oder Gärten Bestand hat. Obwohl


zunächst genaue Ratentermine und Zinsen<br />

festgelegt oder abgesprochen waren, zahlten<br />

die Eckfelder den Betrag in einer Summe. Die<br />

Käufer waren unsicher, ob die Zinsen tatsächlich<br />

nicht zu leisten waren und beauftragten<br />

Peter Hommes, den Bürgermeister, mit der<br />

nachträglichen Klärung.<br />

Die nächste Klausel macht deutlich, dass sich<br />

1838 noch nichts an der Bewirtschaftung<br />

durch die Stockbesitzer geändert hatte. Sie<br />

stellt fest, dass das Hillscheider Land .....von<br />

der fraglichen Grundrente befreyet, nun ihnen<br />

zur freyen Verfügung stehe, so hätten sie unter<br />

sich festgestellt, daß sie dasselbe, sey es als<br />

Wildland, oder in Zuschaffung zu Ackländereyen<br />

nach der bisherigen Benutzungsweise sofort<br />

benutzen und gebrauchen wollten, so lange,<br />

bis die Mehrheit der sechszehn Theilhaber eine<br />

andere Benutzungsweise..... für vortheilhafter<br />

hielte.<br />

Vorausgegangen war diesem Akt eine<br />

Urkunde 17 , mit der die Eckfelder Stockerben einen<br />

Teil des Hillscheider Hofes an Brockscheider<br />

Bürger 18 verkauften, um so überhaupt erst<br />

die finanziellen Mittel zum Kauf der Kornrente<br />

zu erhalten. In dieser Urkunde wird auch das<br />

Wirken der preußischen Verwaltung deutlich:<br />

Die angeführten Einsassen von Eckfeld, die respektierlichen<br />

Ehemänner ihre angeführten<br />

Eheweiber hierzu ermächtigend, verkauffen ...<br />

usw. Im Gegensatz zu der vorherigen Stellung<br />

der Frau, die bereits in den Schöffenbüchern<br />

Manderscheids vor 1700 selbstständig Geschäfte<br />

abschloss, war nun die zumeist als<br />

Haus/Landfrau tätige Ehefrau grundsätzlich<br />

»geschäftslos« und bedurfte generell der Erlaubnis<br />

ihres Ehemannes, um An- oder Verkäufe<br />

zu erledigen. Dies nahm teilweise groteske<br />

Züge an, wenn z. B. der Ehemann seine sterbende<br />

Ehefrau ‚ermächtigte‘, damit diese ein<br />

Testament zu seinen Gunsten ausfertigen 19<br />

konnte.<br />

Die Eckfelder Stockbesitzer verkauften zu dem<br />

ausgehandelten Preis von 940 Thalern<br />

‘Preußisch Kourant‘ das .... gemeinschaftliche<br />

und ungetheilte Grundstück und Wildfeld auf<br />

Hillscheid in der Abseite, Flur drey Nummer<br />

zwey des Gemeinde-Kataster von Eckfeld, welches<br />

durch den Königlichen Wald Herrnloch,<br />

durch die Wiese Hötzbach, durch den Wald<br />

Hillscheid und zu dieser Seite theilweise durch<br />

die Bergrippe und theilweise durch den Hill-<br />

scheider Feldweg begränzt wird, und ferner<br />

[weiter] langst den Wald Herrnloch, über die<br />

Bergrippe, langst den Hillscheider Feldweg und<br />

auf dem unteren jenseitigen Kopf mit einem<br />

Graben abgeschlossen ist. Anhand dieser Beschreibung<br />

lässt sich für den Ortskundigen das<br />

verkaufte Areal auch heute noch im Grenzbereich<br />

zwischen der Gemeinde Brockscheid und<br />

dem Wald Herrnloch nachweisen.<br />

Die Eckfelder verzichteten bei diesem Verkauf<br />

auf den »Waidstrich« der Waldparzellen, das<br />

heißt, sie konnten Kühe und Schweine nicht<br />

mehr zur Mast in diesen Teil der Gemeinde treiben.<br />

Sie reservierten sich aber den Mitgebrauch<br />

des Feldwegs, welcher ..... aus dem<br />

Districkt »Asbachen« über die unteren diesseitigen<br />

Ecken des verkauften Grundstücks führet.<br />

Ebenso wie beim Kauf der Eckfelder wollten<br />

die Brockscheider .... das fragliche Grundstück<br />

in Gemeinschaft kaufen, und zur gemeinschaftlichen<br />

Winnung, Benutzung und Genießung,<br />

sey es in Behandlung als Wildland, Schiffelland,<br />

oder in Umschaftung als Ackerland solange so<br />

zu behalten, als die Mehrheit der Theilhaber damit<br />

einverstanden seyn wird.<br />

Nach Verlesung des Vertrages folgten die Unterschriften<br />

im Beisein der Zeugen. 20<br />

Am Ende des 20. Jahrhunderts können wir uns<br />

kaum vorstellen, dass die Gemeinden um 1840<br />

in einer Rechtsverfassung lebten, als hätte es<br />

weder Französische Revolution, die französische<br />

Republik oder die fast 25-jährige Zugehörigkeit<br />

zu Preußen gegeben. Die preußische<br />

Gemeindeordnung wurde aber 1845 eingeführt,<br />

und die preußische Regierung begann<br />

erst nach 1850 mit Maßnahmen, um die wirtschaftliche<br />

Situation in der Eifel zu verbessern.<br />

In einer Zeit, in der in Folge der Französischen<br />

Revolution, durch wirtschaftlich/sozialen Niedergang<br />

und Missernten das gesamte wirtschaftliche<br />

Leben darniederlag, in der Preußen<br />

sich einem sehr langen Gewöhnungsprozess<br />

unterzog, um das ungewollte »Rheinland« zu<br />

verwalten, in der die Auswanderungswellen<br />

nach Amerika, Brasilien oder Algerien auf einen<br />

ersten Höhepunkt zustrebten, lebten die Menschen<br />

nach den erprobten Mustern oder Rechten<br />

von Vätern und Großvätern: Die Besitzer<br />

der Stockgüter traten nicht unter eigenem Namen,<br />

sondern als Anteilseigner eines Stockgutes<br />

»gemeinsam« als Käufer auf und die erworbenen<br />

Parzellen verblieben »gemeinsames« Ei-<br />

297


gentum. Als »Gehöferschaft« wollte man das<br />

Land nutzen und auch darüber entscheiden, ob<br />

und wie die Nutzung geändert wurde. Die<br />

Rechtsstellung der jahrhundertelang gepflegten<br />

Stockgutverfassung bestimmte den Alltag,<br />

schloss gleichzeitig Fremde, Knechte, Mägde,<br />

Lehrer oder »nicht-am-Stockgut-Beteiligte«<br />

aus. Peter Esch 21 sieht in der Erhaltung der<br />

Stockgüter bis ins 19. Jahrhundert wirtschaftliche<br />

Gründe. Er verweist darauf, dass das traditionelle<br />

Rechtsempfinden der Bauern deshalb<br />

so ausgeprägt war, weil es sich ohne Grundherrschaft‘<br />

(d. h.: Grundeigentum) in Jahrhunderten<br />

bewährt und durchgesetzt hatte. Der<br />

Grund für den Rückkauf der Kornrente durch<br />

die Eckfelder liegt vermutlich in der wirtschaftlichen<br />

Notwendigkeit: Sie benötigten Nutz- und<br />

Brachland des Hillscheider Hofes, um in den<br />

schlechten Zeiten die Versorgung ihrer Familien<br />

zu gewährleisten. Der Verkauf von »Hillscheid<br />

in der Abseite« an Brockscheid finanziert<br />

den Rückkauf weitgehend.<br />

So wenig, wie sich die Vorstellung von rechtlichem<br />

Handeln oder Gepflogenheiten geändert<br />

hatte, hatte sich auch der Ort selbst verändert.<br />

Wir können dem Eckfeld aus der Erhebung des<br />

Jahres 1686 22 (da galt Eckfeld als das größte<br />

Dorf der Grafschaft) das Eckfeld aus dem Jahre<br />

1838 gegenüberstellen und finden kaum Veränderungen.<br />

Die Anzahl der Güter hatte sich<br />

von 17 auf 16 verringert: Aus den Familiennamen<br />

des Jahres 1686 sind nun »Hausnamen«<br />

geworden, die identisch waren mit dem Namen<br />

des Stockgutes. 1686 werden Peter Borns und<br />

Peter Hofmann aufgeführt, deren Namen 1838<br />

fehlen; dafür kommen Peter Hommes, Greins-<br />

Gut, Weyers-Gut und Saurens-Gut hinzu.<br />

Die vorstehenden Angaben widersprechen den<br />

Ausführungen von Franz Josef Zens, der für<br />

Bettenfeld und Eckfeld im Jahre 1790 sechs<br />

Stockhäuser nachweist. 23 Die Notariatsakte belegt<br />

eindeutig 16 Stockgüter für Eckfeld und<br />

kaum Veränderungen bei den Namen. Dies war<br />

nur möglich, weil die eingeheirateten Schwiegersöhne<br />

oder Anerben ihren eigenen Namen<br />

ablegten 24 , um fortan den Namen des Hauses<br />

oder Stockgutes zu tragen. In der Grafschaft<br />

Manderscheid-Blankenheim verbot das Landrecht<br />

noch 1694 die Realteilung, sodass auch<br />

die Anzahl der Güter nahezu unverändert blieb.<br />

Bestätigt wird dies auch am 25. April 1789 in einem<br />

kurfürstlichen Protokollakt, denn ... ganz<br />

298<br />

besonders gilt dieses Vererbungsrecht für die<br />

Schafft- und Lehensgüter. 25 Bei den neuen Familien<br />

im Vergleich zur Aufstellung des Jahres<br />

1686 wird es sich um neue Stockbesitzer handeln,<br />

die in wüst gewordene Güter eingesetzt<br />

wurden.<br />

Die Urkunden zeigen uns - anhand der erwachsenen<br />

Vertragspartner, die »des Schreibens<br />

unerfahren« sind - die katastrophale Bildungssituation:<br />

Die Verbesserungen, die der letzte<br />

Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus ab<br />

1779/80 im Schulwesen bewirkt hatte, waren<br />

durch ihn selbst beim Herannahen der Französischen<br />

Revolution teilweise wieder rückgängig<br />

gemacht worden. Die Zeit nach 1794 zerstörte<br />

jegliche Ordnung. Die französische Republik<br />

und ihre Verbesserungen im Schulwesen<br />

waren zu kurz, um zu greifen, und nach<br />

1815 begannen die Preußen nur zögerlich, ein<br />

geeignetes Schulwesen einzuführen.<br />

In welch schwieriger Situation sich Stockbesitzer<br />

gegenüber ihrer Gemeinde befanden, zeigt<br />

ein weiterer Vertrag des Notars Pütz auf. 26 Vor<br />

dem Notar, der sich auf Ansuchen in das Gemeinde-<br />

und Schulhaus zu Steinborn im Kreise<br />

<strong>Wittlich</strong> [bei Kyllburg] begeben hatte, erschienen<br />

die Steinborner Stockerben 27 . Sie führen<br />

aus, dass sie ....die Dreyzehn alte Einwohner<br />

unter dem Namen von Stockbesitzern, woraus<br />

ihre Gemeinde in früheren Zeiten bestanden,<br />

seyen, und bis auf die neueren Zeiten in dem<br />

guten Glauben, daß ihre Waldungen ihr Privat-<br />

Eigentum gewesen, gelebt hätten. In welchem<br />

Standpunkte sie nicht nur deren Bewirtschaftung<br />

geführt, sondern auch ihre Gemeinde Bedürfnisse<br />

daraus bestritten, und unter anderem<br />

in der jüngsten Zeit eine neue Kirche und ein<br />

Schulhaus erbaut hätten, deren Baukosten sie<br />

in dem Glauben, selbe nach und nach daraus<br />

zurück zu nehmen. Als Ausgleich für die Schulden<br />

und Kosten, die die Stockgüter gemeinsam<br />

eingegangen waren, wollten die Stockerben<br />

den »Schafwald« einschlagen lassen, um<br />

mit dem Erlös die Kosten zu decken. Nach Einspruch<br />

durch die Obrigkeit (Förster?) kam es zu<br />

Prozessen vor dem Appellations-Gerichtshof in<br />

Köln 28 und am Revisions- und Kassationshof in<br />

Berlin 29 , danach ....hätten sie sich Höheren Orts<br />

dafür verwenden müssen, daß die Schulden,<br />

welche sie zur Erbauung ihrer Kirche und ihres<br />

Schulhauses eingegangen seien, auch als Gemeindeschulden<br />

erklärt werden, welches so


nach durch Verfügung der königlichen Regierung<br />

zu Trier vom 14. Juny d. J., unter dem Vorbehalt,<br />

daß sie alle ihre Privat-Ansprüche auf ihre<br />

Kirche und ihr Schulhaus aufgeben und an<br />

die Gemeinde abtreten müßten, geschehen sei.<br />

Die dreizehn Komparenten 30 beurkundeten daher<br />

gemeinschaftlich und einstimmig, dass sie<br />

ihrer Gemeinde die auf solche Art erbaute Kirche<br />

und das Schulhaus übertragen und verpflichteten<br />

sich gleichzeitig, auf weitere Ansprüche<br />

an die Gemeinde zu verzichten. Sie<br />

verpflichteten sich in der Notarsurkunde sogar,<br />

ein Urteil anzuerkennen, das ihnen noch gar<br />

nicht zugestellt worden war .... die beyden Urtheile<br />

nicht nur als rechtskräftig anerkennen,<br />

sondern auch das letztere vom Königlichen Revisions-<br />

und Kassationshof, welches ihnen<br />

noch nicht zugestellt worden seye, als zugestellt<br />

anzusehen.<br />

Hier hatten die Stockgutbesitzer um 1800 auf<br />

ihre Kosten Kirche und Schulhaus bauen lassen.<br />

Peter Esch weist nach, dass die Stockbesitzer<br />

soviel Holz schlagen lassen konnten, wie<br />

für ihren Haushalt, ihre Ackergerätschaften und<br />

für die Errichtung oder Reparaturen der Gebäude<br />

notwendig war. Das Vieh wurde in gemeinschaftlichen<br />

Herden auf die Waldweiden getrieben.<br />

Die Steuern und den Förster bezahlte<br />

man ebenfalls gemeinschaftlich. 32 In preußischer<br />

Zeit legte die Regierung sehr früh Wert<br />

auf eine bessere Bewirtschaftung der Wälder<br />

und ersetzte die Gemeindeförster weitgehend<br />

durch Beamte. Der Wald, den die Steinborner<br />

zur Kostendeckung einschlagen lassen wollten,<br />

war nun aber der ganzen Gemeinde und<br />

nicht den Stockbesitzern gerichtlich zugesprochen<br />

worden. Sie verzichteten mit dieser Urkunde<br />

auf ihr Eigentum an Kirche und Schule,<br />

die sie nun der Gemeinde überschrieben - die<br />

ihrerseits die Kosten für die Schuldentilgung zu<br />

übernehmen hatte.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Nach Kopien der Originalunterlagen im LHAK, Außenstelle Rommersdorf.<br />

2 Verwendete Literatur: Laeis: Die Stock- und Vogteigutsbesitzer der<br />

Eifel, 2 Bände, Trier 1831. F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-,<br />

Schafft- u. Vogteigüter in der Südwesteifel vor der Einführung des<br />

Code Civil, Köln 1938. Peter Esch: Die Stock- und Vogteigüter der<br />

Eifel, Heidelberg 1946. Günter Hesse u. Wolfgang Schmitt-Kölzer,<br />

»Manderscheid«, Geschichte einer Verbandsgemeinde, 1986. Gregor<br />

Brand: Die Eifelsachsen, in: <strong>Kreisjahrbuch</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

1990, Seite 313. Johann Heck, Düsseldorf, 1996: Familienbuch I<br />

Laufeld, mit den Orten Eckfeld, Niedermanderscheid, Oberöfflingen,<br />

Pantenburg, Schladt und Wallscheid 1694 - 1807. Karl<br />

Oehms: Familienbuch Manderscheid, Manderscheider Familien<br />

von 1700 - 1900. Karl Oehms: Manderscheider Geschichte(n),<br />

<strong>Kreisjahrbuch</strong> Bemkastel-<strong>Wittlich</strong> 1999, Seite 103.<br />

3 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter in<br />

der Südwesteifel vor der Einführung des Code Civil, Köln 1938.<br />

4 Aus der Rede des Bürgers Rudler, einem Elsässer Regierungskommissar<br />

für alle Länder zwischen Maas und Rhein, Rhein und Mosel<br />

vom 11. Dez. 1797.<br />

5 Wilhelm Jöntgen: Notarssignete aus dem Kreisgebiet, <strong>Kreisjahrbuch</strong><br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1979, Seite 152.<br />

6 Scheffenbuch Manderscheid, Anno 1570, LHAK Best. 1 C 6124.<br />

7 S. G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 867.<br />

8 Die Familie Pütz wird seit dem 09.02.1773 auf der Neumühle nachgewiesen,<br />

als der Bruder des Johann Peter Pütz-Oehms, nämlich<br />

Johann Peter Pütz mit Gertrud Lenz, Witwe Rollmann, eine Ehe<br />

eingeht.<br />

9 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 858.<br />

10 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 195.<br />

11 Oehms: Familienbuch Manderscheid, Nr. 896.<br />

12 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 344.<br />

13 Hinweise auf den Verbleib von Akten vor 1838 werden gerne entgegengenommen.<br />

14 Die Inhaber der Eckfelder Stockgüter:<br />

Peter Hommes - für sich und als Rechtshaber der Nicolas Lenertz<br />

Erben<br />

Margaretha Schleidweiler, Witwe Blum für Weyers Gut<br />

Friedrich Heyer - Rechtshaber für Lorens Gut<br />

Nicolas Zimmer - Rechtshaber für Muhnen Gut<br />

Peter Scherman - Rechtshaber für Mitterich/Müderichs Haus<br />

Jacob Herres u. Bernard Stadtfeld - für Greins Gut<br />

Jacob Walper - für Saurens Gut<br />

Mathias Borsch und Philipp Borsch - für Walpers Gut<br />

Mathias Gerhards - für Theis Gut<br />

Jacob, Peter und Barbara Gerhards; Nicolas Müller und Peter MüllerRechtshaber<br />

für Pauls Gut<br />

Peter Hohns & Mathias Berg, dieser Wollenweber, wohnhaft zu Niedermanderscheid<br />

- beyde Rechtshaber für Bauers Gut<br />

Margaretha Hammes, Wittib, für sich und ihre Kinder - als Rechtshaber<br />

des Thullen Gut<br />

Nicolas Schermann - für Peters Gut<br />

Johann Nicolas Otten - Rechtshaber für Schmitz Gut<br />

Mathias Schneider, Nicolas Kurtz, Matthias Schmitz & Catharina<br />

Kauffmann - Rechtshaber für Schneiders Gut;<br />

alle Ackersleute, wohnhaft zu Eckfeld & 16 Theilhaber ausmachend,<br />

indem Peter Hommes zu 2/16 partizipiert.<br />

15 Dieser wird bei der Verpachtung der Himmeroder Mühle im Jahre<br />

1845 als »Gastwirt« in Großlittgen geführt.<br />

16 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, S. 144/145, S. 564 f.<br />

17 Laut Notarsakte Nr. 170 vom 07.12.1838.<br />

18 Die Brockscheider Einwohner: Peter Peiffer, Peter Schenk, Mathias<br />

Gillen, Adam Schneider, Adam Schmitz, Peter Mittler, Friedrich<br />

Schneider, Johann Mathias Wallerath, Mathias Schneider,<br />

Adam Thulen, Peter Schmitt, Anna Maria Hommes, Wittib, Martin<br />

Hendges, Sebastian Ackermann, alle Ackersleute & Nicolas Hennen,<br />

Müller und Ackerer, alle wohnhaft zu Brockscheid.<br />

19 Testament der Kath. Oehms geb. Steffens, Notarsakte Nr. 358 v.<br />

31.12.1892, Notariat Manderscheid, Notar Emil Krüll.<br />

20 Nicolas Pauly, Schullehrer zu Buchholz und Peter Becker, Tagelöhner,<br />

Eckfeld, mit Ausnahme ...der Wittib Blum, die Ehefrau<br />

des Peter Schermann, der Ehefrau Stadtfeld und der Ehefrau<br />

Hohns; dann mit Ausnahme der Ankäufer Mathias Gillen, Friedrich<br />

Schneider und A. Hommes, Wittib, welche alle erklärten, wegen<br />

Schreibens-Unerfahrenheit nicht unterschreiben zu können, und<br />

welche sich verhandzeichnet (Sie machten ihr Kreuz, bzw. ein X)<br />

haben. Geschehen zu Eckfeld am 17. Dez. 1838.<br />

21 Peter Esch: Die Stock- und Vogteigüter der Eifel, Heidelberg 1946,<br />

Seite 32.<br />

22 HvCrA Dülmen und G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Seite 564/565.<br />

23 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter,<br />

Seite 18.<br />

24 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter,<br />

Seite 36, nach Anton Hecking: Geschichte der Herren von Schönberg<br />

nebst Beiträgen zur Geschichte der Eifel, St. Vith 1884, S. 6.<br />

25 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter,<br />

Seite 16.<br />

26 Notarsakte Nr. 136 vom 11. Aug. 1838.<br />

27 Steinborner Stockbesitzer: 1.) Johann Schilz 2.) Hugo Eisen genannt<br />

Löwen 3.) Catharina Diedrich, Witwe des Mathias Meyers,<br />

für sich und ihre Kinder, wofür sie sich stark gehalten erklärt 4.) Mathias<br />

Schmitz, genannt Backes 5.) Nicolas Zanders, genannt<br />

Scholzen 6.) Johann Adam Berrens, genannt Even 7.) Georg Clemens,<br />

genannt Keilen 8.) Simon Esch, genannt Schon, 9.) Nicolas<br />

Berrens, genannt Agnessen 1 0.) Catharina Koenig, Witwe von Johann<br />

Heinz 11.) Johann Schwickerath, genannt Neissen 12.) Johann<br />

Hein, genannt Zires, und 13.) Jacob Lenz, genannt Mires.<br />

28 Urteil vom 7. Aug. 1828.<br />

29 Urteil vom 13. Febr. 1838.<br />

30 Vertragspartner.<br />

299


Erzählungen,<br />

Erinnerungen<br />

und<br />

Unterhaltsames


Nauß Kloas un sein Trauwenhäek<br />

Wie et an isem Doaref nach kän Stroaßenlampen<br />

gänn hätt, haaden die jong Burschen, wie<br />

ma su sät, frei Hand fia aowends Deiwelareien<br />

ze maachen. Un d’n Hearest, su bal et frejhja<br />

dejsta guf, hänn se Gebrouch davon gemaach.<br />

Ob waat fia’n ousgefaalen Ideen se an<br />

hiarem Iewamout kommen sejn, daat beweist<br />

die Geschicht, die ich hei obgeschriewen hänn.<br />

Nauß Kloas, von da Natur bößi kurz gehaal,<br />

waat Schienhät oanbelaangt un och naach<br />

schwiar-hiarich, mut ömma rom herhalen. Oan<br />

sei’m Haus, zwöschen Staal un Scheija, hätt<br />

sich en schien Trauwenhäek hichgerankt. Die<br />

hätt de Kloas et ganz Joahr gehegt un geflegt<br />

wie sein Aochäpelchen. Un d’n Herest, wenn<br />

de Trauwen zeidig guwen, hätt’en drob obgepasst<br />

wie en Luchs.<br />

O wieh, et aß moal ejmen mat laange Fangan<br />

der Trauwenhäek ze nikst kommen! Fia dä Faal<br />

haat’en ömma è fäarem Baachschejt griffberät<br />

hanna da Housdia leijen. De Loft broucht blus<br />

deboußen en Äma omzejäjen oder è bößi oan<br />

de Finstaloaden ze roppen; schwupp hätt de<br />

Kloas wie è Wädamäennchen ob da Housdia<br />

gestaan un gefiahrlich mat d’m Baachejd an da<br />

Loft her gefuchtelt.<br />

Daat haaden die Durfjongen och flott spatz, un<br />

se haaden sich viagehuul, de Kloas bös zum<br />

Äußersten ze treiwen.<br />

Et woar rom Hearest, de Trauwen am Kloas<br />

seina Häek hänn schun goldgäl geliecht, un<br />

moanija äm, dän durch de Hönnigtgaaß gung,<br />

aß et Waaßa an da Maul zesoamengeloaf.<br />

Ob da Schear, von jeher Treffpunkt fia die<br />

männlich Durfjugend, hänn änes aowends hiara<br />

veja halefwießija Burschen de Käpp zesoamengestaach.<br />

»D’n Aowend hole ma Nauß<br />

Kloas rous,« hätt äne gesoat. »Ejch hänn de<br />

möttig en Striehpopp an isa Scheija gemaach.<br />

Et aß en Käalen wie Schiewig Michel. Die krejt<br />

de Kloas d’n Aowend ob de Läta oan sein Trauwenhäek<br />

gestallt. Da wölle ma äß sejn, waat’é<br />

mäet.«<br />

Dreiser Mundart<br />

Katharina Pawelke<br />

Schun noah’a knappa Stonn sejn die veja Lausaten<br />

mat der Striehpopp durch et Dräspiedchen<br />

an de Hönnigtgaaß geschlach. Bei Linnen<br />

Haans hänn se de Schobenläta gehul, die bei<br />

de Kloas oan de Trauwenhäek gestallt un doa<br />

die Striehpopp drob. Änen von dä Burschen<br />

duppat mat’a Buhnestang fäarem beim Kloas<br />

oan de Kichefinsta, lißt die Staag faalen un gäht<br />

wie die anan an Linnen Haans sei’m Schoben,<br />

hanna de Bäelichfäesan an Deckung.<br />

Schun kömmt de Kloas, wie awoart mat d’m<br />

Baachschejd ob de Housdia geloaf, kuckt sich<br />

om un sejht joa dat laang Gestäel ob da Läta<br />

oan seina Trauwenhäek stoahn. Hä schlejcht<br />

sich viasichtig roan, just an dem Moment gäht<br />

de Moand an Deckung. En hätt blus naach mat<br />

äm Aoch viawötzig hanna’ra Wolk rousgeblinzelt,<br />

un et aß nommi en foahle Schejn ob die<br />

Trauwenhäek gefaal, su dat die laang Gestalt<br />

nött ze a-käenen woar.<br />

»Daat lao wird ich dia aobgewehnen«, hät de<br />

Kloas gerouf, un du hajt’en dem vermeindlichen<br />

Trauwenströppat kurzerhand än mat dem<br />

Baachschejd iewa de Rommel ,dat' dän hiem<br />

fia de Fejß fäelt.<br />

»Majusebetta! Wenn ich däm weilen ze deck<br />

gedoan hänn,« hätt de Kloas su bei sejch gedoacht,<br />

wie die Gestallt sich nött geriehrt un<br />

bewiecht un kän Tun von sich gänn hätt.<br />

An seina Vazweiwelung gung' é sei Kätt roufen.<br />

Se hänn sich allen zwai, de Kloas un’d Kätt, iewa<br />

die leblos Gestallt gebeckt. De Moand hätt<br />

sich flott ganz hanna en Wolk vastoppt, un de<br />

Kloas woar am Jamman: »Nä, nä! Dut schloan<br />

wollt ich’en nött, wirklich nött! Waat solle ma<br />

nommen maachen? Ejch kommen hanna<br />

Faala, wenn dat lao rouskömmt. Da soa dach<br />

äepes, Kätt, soa dach äepes! Waat solle ma<br />

maachen?!«<br />

»Gih d’n Herr roufen,« hätt et Kätt gesoat, »dat<br />

dän oarme Sünder hei naach de Letzt-Ölung<br />

krejt! Mih wird doa nött mih ze maachen sejn!«<br />

Loa äwa kömmt ous Linnen Haans seim Scho-<br />

301


en è Gelächter, daat die zwai zesoamengefoahr<br />

sejn. De Kloas guf stutzig, un wie endlich<br />

de Groschen gerötscht woar, hätt’é gerouf:<br />

»Die Pänz hänn mia en Sträch gespielt! O woart<br />

dia! Daat krej’da hämgezoahlt!«<br />

Die veja Burschen sejn wie de Rih hanna de<br />

Et woar kurz noah da Währung, wie a Meerfeld<br />

e Musikfest, änt von d'n ischten noahm Kriech<br />

gefeiert guf. Et gung du zwoar nach sia bescheiden<br />

zou. Ob en freie Plaatz beim Doaref<br />

hänn die Mitglieder vom Musikvarejn an Eigenleistung<br />

en Zelt obgebaut, un doadran hätt sich<br />

dat Festchen daan oabgespielt. De Musikvarejn<br />

voa Bäetefeld woar och ageloaden. Äwa<br />

die Nachwuchsspieler woarn nach nött su wejt,<br />

dat se bei em Auftritt matspieln kunnten. D'n<br />

Dirigent hätt se zesoamengehul un hienen die<br />

Sachlage kloar gemaach.» Et sei denn«, hätt'en<br />

denen vaklickat, dat se berät sejn, nach<br />

zousätzlich zwu Stonnen an da Woch an de<br />

Musikproof ze kommen, un och nach dahäm<br />

fäarm ze üben. Die Jongen woarn berät, un se<br />

sejn treu un redlich nött nommen moandes un<br />

freides Aowends an de Proof, se hänn och<br />

nach jed frei Minut ousgenotzt un den Alen<br />

dahäm de Uahne voll gebloasen. Ob jede Faal,<br />

se durften mat noah Meerfeld.<br />

Nou woarn du joa nach de Groschen sia knapp<br />

un Schneida Bebbi guf sei'm Jong, d'm Metti<br />

sechs Groschen mat, dat`en sich och e Gläßi<br />

Beja oda e Wuuschbritchen, wat du veja Groschen<br />

kost hätt, käfen kinnt.<br />

De Metti hätt sich stolz wie Oskar mat dä sechs<br />

Groschen un seina Trompet ob de Weg gemaach.<br />

Beim Durfplaatz hänn sich die Musikannten<br />

getraaf, un von doa ous sejn se mat<br />

em ale klapprije Bus noah Meerfeld getuckat.<br />

Beim Festzug durch et Doaref sejn d'm Metti<br />

beim Spielen, ob der holprija Stroaß, wat joa kä<br />

Wonna woar, alt e poar falscher Tin dazwöschen<br />

geroaden, su dat d'n Dirigent bal an't<br />

302<br />

Sechs Groschen<br />

Dreiser Mundart<br />

Katharina Pawelke<br />

Bäelichfäeßan rousgesprongen, un nejßt wie<br />

ab.<br />

De Kloas aß’en mat d’m Baachschejd durch et<br />

halef Durf noahgeloaf. Un et woar è Gottesgleck,<br />

dat die Jongen flotta woan, soß wiar’et<br />

am Äen äwa nach è Mäläar gänn.<br />

schwitze kommen aß. Äwa den Zuschauern<br />

wird daat nött weida obgefaal sejn. De Hauptsaach,<br />

hän haat et mat seine 17 Joahn geschafft,<br />

dabej ze sejn. Ja dat ischt Musikfest<br />

woar fia de Metti en Erlebnis, wu'en nach laang<br />

davon geziehrt hätt. Un et schinst bei der<br />

Saach, se sejn frejgehaal gänn. Et hätt jedaänen<br />

von dä Nachwuchsspielan è Limo oder è<br />

Beja un è Wuschtbritchen ous da Vareinskass<br />

bezoahlt krejt. Sein sechs Groschen kunnt de<br />

Metti bahalen. Die hänn ob d'm Hämweg am<br />

Bochsesaak su schin woarm gehaal, un die<br />

hätt'en seina Motta den anare Morjen rom<br />

zreckgänn.<br />

De Joahr sejn vagaangen, de Zeiden hänn sich<br />

geäenat, se sejn bessa gänn, un wie de Motta<br />

Bebbi hia'n 80. Geburtsdaach gefeiat hätt, sejn<br />

hia Kanna ous aalen Hiemelsrichtungen hämgeströmt.<br />

Viel schin al Erinnerungen sejn obgefröscht<br />

gänn. De Red kum och ob et ischt Musikfestchen<br />

a Meerfeld. »Motta«, hätt de Metti<br />

gefroacht, »wäß de naach wie's de ma sechs<br />

Groschen gänn haat's, fia noah Mehrfeld ob et<br />

Musikfest ze goahn, un ich hänn se rom mat<br />

hämbroacht un dia den anare Morjen zreck<br />

gänn ?« »Ja«, hätt de Motta gesoat, »ich wäß et<br />

nach! Wäß dou daan och, dat ich die letzt Fennijen<br />

zesoamengeraaf un och nach die zwai<br />

letzta Aja, die ma am Haus haaden vakoat<br />

hänn, dat ich die Groschen zesoamen krejt<br />

hänn, fia dia matzegänn?«<br />

Nä, daat haat de Motta bös haut fia sejch bahaal,<br />

un et woarn'a weilen en etlich an da Runde,<br />

die sich de Trinen ous d'n Aoren gewöscht<br />

hänn.


Mit wenich musst merr sich begnieche,<br />

dat Geld war knapp, die Ärwet schwer,<br />

in Schwierichkeete renn sich fieche,<br />

Maschine ware noch nit heer.<br />

Vier Kieh im Stall, paar Säi un Rinner,<br />

of jerem Hof noch Hinkelsvieh.<br />

En Großfamillich mit peer Kinner,<br />

do hat en jeder so sei Mieh.<br />

Of Äcker Ährereffe sin-merr,<br />

aus Gerscht hot Kaffie merr gebrannt.<br />

Mir ware domols jo noch Kinner.<br />

De Backes, der war niemols kalt.<br />

Un hinnerm Backowe die Derre,<br />

det iewerich Obst hot merr verwandt,<br />

geschniet of Hierdcher, alsmol scherre,<br />

datt war bei alle Leit bekannt.<br />

Jed‘ kleener Grombier is merr nogang,<br />

merr braucht jo Fuurer for det Vieh,<br />

de Fuhr no gehen, so hinnerm Pluch lang,<br />

dat war for Kinner nit zu viel.<br />

For Woll hat merr en Schof rumlofe,<br />

hot se gefärbt, gesponn, verstrickt,<br />

die Kleerung konnt merr nit all keefe,<br />

an Wechschmeiße, do dacht merr nit.<br />

In friehere Joahr<br />

Hunsrücker Mundart<br />

Liesel Franz<br />

Jed‘ Johr wat Naues, war vermesse,<br />

en Auslach hot merr gut bedacht,<br />

von wehe Urlaub, rausgiehn esse,<br />

och Audo kam nit en Betracht.<br />

Merr hat ke Fernsehunerhallung,<br />

hot viel geles un hat mie Ruh,<br />

doch Maiegiehn, dat hat sei Stellung,<br />

ganz ohne Ofwand gong dat zu.<br />

Mit Äppel un de Weihnachtsplätzjer<br />

ist merr bewirt wor un war froh,<br />

vielleicht noch Flubbes aus-sem Keller,<br />

gen Durscht war Kranewasser do.<br />

Mit Schlacht un Sauerkraut im Stänner,<br />

un Grombiere en gut Portion,<br />

so kam merr dorch de längste Winder.<br />

Im Holzwald bot sich bißje Lohn.<br />

Acht Grosche, wenn eich meich besinne,<br />

un spärer dann en Mark un zehn,<br />

sost war ke Ärwet lo se finne,<br />

bis dann de »Hahn« kam of die Been.<br />

Wei is jo alles aus de Fuhe,<br />

kaum eener streckt sich no de Deck,<br />

so geh-ret enne, gieh-ret owe,<br />

wie datt noch wird, merr weß et nit.<br />

303


Als Bonn 1949 zum Sitz der ersten Bundesregierung<br />

Deutschlands bestimmt wurde, wobei<br />

auf den benachbarten Wohnsitz des Kanzlers<br />

Adenauer in Rhöndorf Rücksicht genommen<br />

worden war, trat die kleine Stadt in den allgemeinen<br />

Mittelpunkt und ragte politisch plötzlich<br />

weit über die Großstädte hinaus. Bis dahin<br />

war Bonn eine bekannte Universitätsstadt und<br />

beliebter Altersruhesitz höherer pensionierter<br />

Beamter.<br />

Über die aufwendige Renovierung des Bahnhofes<br />

Bonn wurde damals sehr kritisch in der<br />

Presse berichtet. Diese Veröffentlichungen und<br />

auch die Tatsache, dass ein Bürger unserer<br />

Kreisstadt <strong>Wittlich</strong> - der Politiker Matthias Joseph<br />

Mehs - mit überwältigender Mehrheit mit<br />

Direktmandat in den ersten Deutschen Bundestag<br />

1949 gewählt worden war, veranlassten<br />

mich, auf der Fahrt zu einem erkrankten Verwandten<br />

im Ruhrgebiet, in Bonn kurz Halt zu<br />

machen. Nach der Besichtigung des Bahnhofes,<br />

der meiner Ansicht nach gar nicht so besonders<br />

herausgeputzt war, wie es die Zeitungen<br />

darzustellen versuchten, wollte ich den<br />

heimischen Bundestagsabgeordneten Matthias<br />

Joseph Mehs besuchen, der mir von gemeinsamen<br />

Aktivitäten im Eifelverein her persönlich<br />

bekannt war.<br />

Vor dem Bahnhof stieg ich in einen Bus mit der<br />

Aufschrift: »Zum Bundeshaus«. Die kurze Fahrt<br />

war kostenlos. Die Mitpassagiere waren Abgeordnete,<br />

wie ich von mitgehörten Gesprächsfetzen<br />

vermutete. Beim Aussteigen sprach ich<br />

einen der Herren an und bat ihn, mir beim Eintritt<br />

in das Bundeshaus behilflich zu sein. Es<br />

war der Abgeordnete Dr. Karl Weber aus<br />

Koblenz. Er wurde später Justizminister. Ich<br />

durfte mit ihm durch den speziellen Eingang<br />

der Abgeordneten das hohe Haus betreten. Dr.<br />

Weber ließ mir am Empfangsschalter einen Besucherausweis<br />

ausstellen. Er erzählte mir, dass<br />

der Abgeordnete Mehs im Plenarsaal neben<br />

ihm sitze. Derweil telefonierte der Portier, um<br />

304<br />

Ein Besuch des Bundeshauses in Bonn<br />

im Jahre 1950<br />

Alois Clemens<br />

meinen nicht vorgeplanten Besuch bei M. J.<br />

Mehs anzumelden. Doch leider war der Abgeordnete<br />

nicht zu erreichen. Da stand ich nun<br />

und wusste nicht, was ich weiter tun sollte. Ich<br />

blieb erst einmal bei dem netten Portier stehen<br />

und unterhielt mich eine Weile mit ihm. Derweil<br />

gingen viele Mitglieder des Parlaments an uns<br />

vorbei, hinein und hinaus. Er machte mich auf<br />

damals besonders bekannte Abgeordnete aufmerksam.<br />

Plötzlich grüßte mich ein junger Bursche in<br />

Kellnerkleidung beim raschen Vorbeigehen<br />

überaus freundlich, verschwand mit einem Tablett<br />

Tassen in einem Zimmer, kehrte kurz dar-<br />

Besucherausweis für das Bundeshaus in Bonn für<br />

Alois Clemens aus Hontheim zur Vorsprache bei<br />

dem Abgeordneten Matthias Joseph Mehs.<br />

auf wieder zurück und sprach mich an: Er kenne<br />

mich, denn er komme aus Bad Bertrich, erzählte<br />

er mir. Er arbeite hier, weil ein Bekannter<br />

seines Elternhauses - dieser stamme übrigens<br />

aus Manderscheid - Geschäftsführer des Restaurationsbetriebes<br />

hier im Bundestag sei. Er<br />

habe ihn als Kellnerlehrling eingestellt. Der junge<br />

Mann gab mir Grüße an seine Eltern und<br />

Großeltern mit. Damals gehörte mein Heimatort<br />

Hontheim noch postalisch zu Bad Bertrich.


Auch die ärztliche Betreuung und vieles andere<br />

ging von Bad Bertrich aus. Dadurch kamen die<br />

Hontheimer Bürger sehr häufig in den Kurort<br />

und man kannte sich untereinander.<br />

Ein zufällig vorbeikommender Beamter mit Akten<br />

unter dem Arm ging in den bis dahin noch<br />

verschlossenen Plenarsaal. Der Portier lief ihm<br />

plötzlich hinterher und winkte mir von der Tür<br />

her, ich solle kommen. Er hatte den Bediensteten<br />

gefragt, ob ich mir den Saal einmal ansehen<br />

dürfte. Dieser hatte nichts dagegen. Ich konnte<br />

mich in aller Ruhe umsehen und bekam von<br />

dem Ministerialbeamten alles bestens erklärt.<br />

Als er sich bei mir verabschiedete, empfahl er<br />

mir noch einen Besuch im Restaurationsraum<br />

und im Sonderpostamt des Bundeshauses.<br />

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und erkundete<br />

auch noch in Ruhe das Haus von unten<br />

bis oben.<br />

Lange nach Ende der offiziellen Besuchszeit<br />

verließ ich erst das Bundeshaus. Die Emp-<br />

fangsschalter waren bereits geschlossen. Daher<br />

konnte ich meinen Besucherausweis Nr.<br />

48 149 behalten, der normalerweise beim Verlassen<br />

des Hauses wieder abgegeben werden<br />

musste. Diesen Ausweis und eine Postkarte<br />

mit Sonderstempel sind mir ein bleibendes Andenken<br />

an den so interessanten Besuch im<br />

Bonner Bundeshaus am 11. Dezember 1950.<br />

Poststempel des<br />

Sonderpostamtes<br />

im Bundeshaus vom<br />

11. Dezember 1950.<br />

Kinderbeuerner Anekdoten<br />

Anekdoten sind witzige Kleinstgeschichten, die<br />

das Leben selbst geschrieben hat. Immer haftet<br />

ihnen etwas Originelles, Milieu- und Zeittypisches<br />

an. Zumeist sind es »Originale«, eigensinnige<br />

Menschen, die aus ihrem Alltag den<br />

Stoff für Anekdoten liefern. Diese Geschichten<br />

sind zwar nur erzählte Lebenssplitter, sagen<br />

aber dennoch vieles über die jeweiligen Lebensverhältnisse<br />

aus. Deshalb sollten sie als<br />

Geschichtsquellen eigener Art geschätzt, gesammelt<br />

und bewahrt werden.<br />

Im Volksmund pflanzte sich bisher die Anekdote<br />

über Generationen fort. Als sich die Men-<br />

Erwin Schaaf<br />

schen noch in den Familien und Gasthäusern<br />

selbst unterhalten mussten, erzählten sie sich<br />

die aus ihrem Lebensraum überlieferten Anekdoten<br />

und fügten neue hinzu. Diese Erzählkultur<br />

ist in der heutigen Bildschirmzeit fast gänzlich<br />

abgestorben, und mit ihr geht auch der<br />

Anekdotenschatz verloren. Nur noch einige<br />

wenige alte Leute bewahren ihn in ihrem Gedächtnis.<br />

Einer von diesen ist Josef Könen aus<br />

Kinderbeuern, 85 Jahre alt. In einem Gasthaus<br />

groß geworden, weiß er aus seinen jungen Jahren<br />

noch zahlreiche Anekdoten zu erzählen. Einige<br />

davon seien hier wiedergegeben:<br />

305


Eine Boll voll Kotelett<br />

Um die Jahrhundertwende gab es in Kinderbeuern<br />

viele arme Leute. In den kleinbäuerlichen<br />

Familien war das Geld sehr knapp, und<br />

die Tagelöhner verdienten so wenig, dass sie<br />

ihre Familien kaum ernähren konnten. Da war<br />

Schmalhans Küchenmeister.<br />

Suppen aus Haferbrei, Kartoffeln und Hülsenfrüchten<br />

waren in vielen Häusern das alltägliche<br />

Essen. Fleisch konnten sich nur die wenigsten<br />

leisten. Und waren die Erntevorräte nach<br />

den Wintermonaten aufgezehrt, reichte es bisweilen<br />

nicht einmal mehr für eine Suppe auf<br />

dem Mittagstisch. Dann ließ die Gemeinde bei<br />

den besser gestellten Familien Nahrungsmittel<br />

einsammeln, um wenigstens den hungrigen<br />

306<br />

Schulkindern eine Suppe zu bereiten. So war<br />

es wohl kein Vorwitz, dass der Kinderbeuerner<br />

Lehrer Meilchen seine Schüler des Öfteren<br />

fragte, was sie am Vortage zu Hause gegessen<br />

hatten. Ein Junge aus begütertem Hause sagte:<br />

»Kotelett«, sein armer Nachbar antwortete:<br />

»Suppe«. So ging das ein paar Tage lang, bis<br />

sich der arme Junge seiner immer gleichen<br />

Suppen-Antwort genierte. Als nun der Lehrer<br />

ein weiteres Mal die Mahlzeiten abfragte, erwiderte<br />

er kurzentschlossen: »Kotelett«. »Wieviel<br />

denn?«, wollte der Lehrer wissen. »Ein ganz<br />

Boll voll«, antwortete prompt der arme Kerl und<br />

sah sich endlich seinem reichen Banknachbarn<br />

gleichgestellt.<br />

Der Lehrer verstand und schmunzelte.


Kaninchenfutter<br />

Vor einigen Jahrzehnten blieb im Wald - ganz<br />

anders als heute - kein dürrer Ast liegen; denn<br />

damals lasen die armen Leute alles gefallene<br />

Holz in den Wäldern auf und schleppten es auf<br />

ihren Handkarren nach Hause. Hier schnitten<br />

sie es mühsam mit der Handsäge auf Ofenlänge<br />

und stapelten es für die Wintermonate auf.<br />

Nun war es keineswegs so ohne weiteres erlaubt,<br />

abgestorbenes Holz dem Wald zu entnehmen.<br />

Dazu benötigte man vielmehr einen<br />

»Leseschein«, den der Förster für ein paar Mark<br />

ausstellte. Weil aber mancher arme Mann dieses<br />

Geld nicht hatte, schlich er sich auch ohne<br />

den nötigen Schein mit seinem Karren in den<br />

Wald, hoffend, vom Förster nicht ertappt zu<br />

werden. Das ging nicht immer gut.<br />

Diese Erfahrung musste auch der Tagelöhner<br />

Pitter Z. aus Kinderbeuern machen. Eines Tages<br />

war er wieder einmal ohne Leseschein im<br />

Wald, hatte eifrig dürres Holz zusammengetragen<br />

und war dabei, seinen Karren zu beladen.<br />

Plötzlich herrschte ihn hinter seinem Rücken<br />

eine Stimme an: »Na, was hast du denn da geladen?«<br />

Erschrocken schaute sich Pitter um<br />

und sah den gefürchteten Förster Pepping wie<br />

ein Standbild der grünen Zunft da stehen. Einen<br />

Augenblick verschlug es ihm die Sprache,<br />

doch dann kam es stotternd über seine Lippen:<br />

»Kaneinschesfoder, Herr Förster.« »Wie, das<br />

fressen die Kaninchen doch nicht«, meinte dieser<br />

auf das Holz zeigend. »Eich kann et jo mol<br />

probere«, gab darauf Pitter zu bedenken,<br />

»wenn se et net fräße, dann don ejch et ewwe<br />

verbrenne.«<br />

Diese Logik rang dem Förster dann doch ein<br />

Schmunzeln ab, und er drückte für diesmal ein<br />

Auge zu. Allerdings gab er dem Pitter den guten<br />

Rat, künftig sein Kaninchenfutter nicht<br />

mehr im Wald zu suchen.<br />

307


Das Doppeldach<br />

In der Ännengasse in Kinderbeuern lebte zu<br />

Anfang des Jahrhunderts ein armer Junggeselle<br />

in einem strohgedeckten Häuschen. Eines<br />

Tages zog eine Frau bei ihm ein. Als das der sittenstrenge<br />

Pastor Feuser erfuhr, begab er sich<br />

schnurstracks in die Ännengasse, klopfte den<br />

Junggesellen aus seinem Haus und herrschte<br />

ihn an: »Ich dulde nicht, daß Sie mit einer Frau<br />

unter einem Dach wohnen!« »Dat gäht in Ordnung,<br />

Herr Pastor«, erwiderte der Junggeselle.<br />

Ein paar Tage später war er auf seinem Haus-<br />

308<br />

dach am Werkeln. Aus dem nahen Ewesbüsch<br />

hatte er Stangen herbeigetragen und sich ein<br />

paar Bauschen Stroh besorgt. Nun zimmerte er<br />

ein zweites Dach auf sein Haus.<br />

Wieder erschien der Pastor, um loszupoltern.<br />

Doch der Junggeselle beruhigte ihn: »Watt<br />

wellt Ihr daan, Herr Pastor?<br />

Wei lewwen eich doch met der Frau net mie enner<br />

änem Dach, sonnern enner zwei!« Diese<br />

Geschichte machte schnell die Runde im<br />

ganzen Dorf. Der gewitzte Junggeselle hatte<br />

die Lacher auf seiner Seite.


Koppelkamm und der Wirtze Kloon<br />

Koppelkamms Jupp besaß ein stattliches Haus<br />

am Bahnhof Ürzig, in dem er Weinhandel betrieb.<br />

Seinen Wohlstand demonstrierte er dadurch,<br />

dass er sich wie ein Landbaron kleidete<br />

und auftrat, als wolle er sagen: »Was kostet die<br />

Welt? Ich kaufe sie.« So konnte er indes noch<br />

lange nicht jeden beeindrucken und schon gar<br />

nicht den Kinderbeuerner Gastwirt Johann<br />

Wirtz, einen Junggesellen, den man »den<br />

Kloon« nannte. Eines Tages erschien Koppel-<br />

kamm in seinem Gasthaus, setzte sich an einen<br />

Tisch und bestellte lauthals dem Wirt zurufend:<br />

»Breng die best Flasch, die dou em Keller has!«<br />

Der Wirtze Kloon verschwand für eine Weile,<br />

kehrte mit einer Flasche zurück, griff ein Glas,<br />

stellte beides wortlos dem Koppelkamm auf<br />

den Tisch und drehte sich zum Gehen. »Is dat<br />

och die best Flasch?«, rief ihm Koppelkamm<br />

nach. Da drehte der Wirt den Kopf über die<br />

Schulter, zeigte auf die Flasche und sagte seelenruhig:<br />

»Dou sejfst, wot dou krejst.«<br />

309


Das Schwein an der Leiter<br />

Sobald in früherer Zeit gegen Herbstende die<br />

ersten Frostnächte kamen, begann in unseren<br />

Dörfern das große Schlachten. In den Ställen<br />

standen gemästet die Schweine und warteten<br />

auf den Metzger, der von Haus zu Haus seinem<br />

Handwerk nachging. War die Arbeit getan, hingen<br />

die Schweine nackt und ausgeweidet<br />

kopfunter an einer Leiter, die an die Hauswand<br />

angestellt war. Bisweilen gönnten sich der<br />

Metzger und seine Gehilfen im Gasthaus den<br />

schwer verdienten Feierabendtrunk. So saßen<br />

sie eines Abends im Gasthaus Könen, als der<br />

Kinderbeuerner Schuster Karl Kerner, als »lustiger<br />

Vogel« bekannt, in die Stube trat. »Na,<br />

310<br />

Karl«, rief ihm einer zu, »wann schlachst dou da<br />

dej Schwejn?«, wohl wissend, dass der arme<br />

Schuster kein Schwein im Stall stehen hatte.<br />

»Morje omend«, entgegnete prompt der Herausgeforderte,<br />

»hängt och an mejnem Hous ä<br />

Schwejn. Wette mir im en Flasch Schnaps!«<br />

Gesagt - getan. Am folgenden Tag verrichteten<br />

die Schlachter wie gewohnt ihre Arbeit. Gegen<br />

Abend gingen sie, ihrer Wette sicher, zum Haus<br />

des Schusters, staunten aber nicht wenig, als<br />

sie diesen nackt bis auf die Unterhose kopfunter<br />

an einer Leiter hängen sahen. »Na, hängt hej<br />

nou ä Schwejn oder net!«, hielt ihnen der<br />

Spaßvogel entgegen. Die Schlachter gaben mit<br />

Vergnügen die Wette für verloren.


Reim und Spruch für Topf und Tuch<br />

Ob Waschtrog oder Wassereimer, Möbel oder<br />

Handtuch, Fachwerktürstock oder Aussteuerschrank<br />

– Sprüche gab es früher überall. Man<br />

hatte die Zeit, Becken und Möbelstücke, Türen,<br />

Truhen und sogenannte Überhandtücher damit<br />

zu verzieren oder zu bedrucken einschließlich<br />

Tassen und Tellern und anderen Gebrauchsgegenständen.<br />

Gestickte Sprüchetücher gibt es heute bald nur<br />

noch in Museen zu sehen. »Trautes Heim –<br />

Glück allein« oder »Ordnung ist des Hauses<br />

Zierde« waren wohl die bekanntesten, aber keineswegs<br />

die einzigen. Sprüche gab es wirklich<br />

in Hülle und Fülle. »Die kühle Flut gibt frischen<br />

Mut« stand beispielsweise auf dem Waschzuber.<br />

»Der Tag erwacht mit seiner Pracht« war<br />

unter der Hausglocke eingeritzt, die frühmorgens<br />

das Gesinde weckte und zusammenrief<br />

auf den Höfen. »An Gottes Segen ist alles gelegen«<br />

steht in verblasster Goldschrift auf dem<br />

ältesten meiner ererbten Teller, gerettet aus<br />

Kindertagen.<br />

Nicht immer reimten sich die Sprüche. Oft waren<br />

die Gerätschaften einfach nur mit dem Wort<br />

verziert, das ausdrückte, wofür sie benutzt<br />

wurden. Mich wunderte das immer ganz besonders.<br />

Die Leute mussten doch unverhältnismäßig<br />

dumm sein, dachte ich mir, wenn man<br />

noch »Petroleum« oder »Heißes Wasser« auf<br />

die Kanne schreiben musste, wie auf einer alten<br />

Emailkanne meiner Schwiegermutter steht,<br />

und das in gotischen Zierbuchstaben. Viel<br />

übrig hatte ich dagegen als Kind für prächtige<br />

Stuckaturen mit Goldverzierungen und ebenso<br />

»goldigen« Sprüchen wie beispielsweise »Der<br />

lieben Mutter«, »Dem treuen Vater« auf Tassen<br />

oder gar »Dem lieben Kinde«. Ganz ausgestorben<br />

ist die Sprüchemalerei eigentlich bis heute<br />

nicht. Besonders in Andenkenläden steht diese<br />

Gebrauchspoesie nach wie vor in voller Blüte,<br />

wenn sie auch vielleicht die frühere Derbheit<br />

nicht mehr ganz erreicht. Hierbei erinnere ich<br />

mich an einen Spruch auf einem alten Nachttopf<br />

aus der Zeit der Jahrhundertwende, der<br />

lautet: »So drücket und brunzt mit aller Kraft für<br />

die notleidende Landwirtschaft«.<br />

Gertrud Knobloch<br />

Solchen höchst ungesitteten Reimereien standen<br />

natürlich die frommen Wünsche gegenüber,<br />

wie sie sich besonders in Sprüchen für das<br />

Poesiealbum niederschlugen, deren jedes Kind<br />

auf Anhieb Dutzende hersagen konnte und jederzeit<br />

präsent hatte. »Bin ich dir nah, bin ich<br />

dir fern, kannst sicher sein, ich hab’ dich gern«<br />

beispielsweise oder »Täglich weiser, besser<br />

werden, das ist unser Ziel auf Erden«, »Rede<br />

wenig, aber wahr, vieles Reden bringt Gefahr«<br />

oder ganz banal »Bleibe lustig, lebe froh wie<br />

der Mops im Haferstroh«. Dem Zeitgeist entsprach<br />

wohl am besten folgender Spruch: “Unter<br />

vielen tausend Sachen, die den Menschen<br />

glücklich machen, wünsch’ ich, Liebe, dir nur<br />

drei: lebe lang, gesund und sorgenfrei.« Bei<br />

weitem überwiegen im Poesiealbum einer alten<br />

Tante allerdings die frommen, welche schon<br />

die Kinder verinnerlicht hatten, wie etwa »Sei<br />

treu im Kleinen und arbeite gern, liebe die Deinen<br />

und Gott den Herrn« oder »Unschuld, Demut,<br />

Fleiß und Güte sind des Mädchens Feierkleid,<br />

doch dein Kranz sei Herzensgüte und<br />

dein Kleid sei Frömmigkeit!«<br />

Die frommen Sprüche haben auch heute noch<br />

Hochkonjunktur. Besonders im Monat Dezember<br />

ist hohe Zeit für Spruchweisheiten, denn<br />

dann werden die neuen Kalender unter’s Volk<br />

gebracht. Am meisten von allen Sprüchen beeindruckt<br />

mich aber dieser, der als alter »Haussegen«<br />

gestaltet, auf gelochtem weißen Zelluloid<br />

gestickt und von zwei ebenfalls gestickten<br />

Engeln samt Blumen und Rankenwerk umrahmt<br />

ist: »Wo Glaube, da Liebe, wo Liebe, da<br />

Friede, wo Friede, da Gott, wo Gott, keine<br />

Not!« - Ein Spruch, den man beherzigen sollte.<br />

Und sehr sinnvoll im Gegensatz zu den irreführenden<br />

Bezeichnungen beispielsweise auf<br />

den Topfregalen.<br />

Großmutter und Schwiegermutter hatten solche<br />

Staubfänger, die allmählich wieder Wert<br />

als Antiquitäten gewinnen. Wie viele Topfdeckel<br />

davon habe ich vergeblich aufgehoben.<br />

Nie war das drin, was drauf stand. Vielmehr war<br />

das Puddingpulver unter »Mehl«, das Backaroma<br />

unter »Pfeffer«, die Gelatine unter »Grau-<br />

311


pen« zu finden. Unter »Grieß« dagegen fand ich<br />

Pflaster, unter »Nudeln« Kamillentee – es war<br />

immer die totale Verwirrung vorgeplant, wenn<br />

man auf fremdem Terrain kochen musste, seit<br />

die Verpackungsindustrie immer mehr im<br />

Mehrfarbendruck beschriftete standfeste<br />

Packungen für die Lebensmittelindustrie kreierte.<br />

Für diejenige, die sich in einer fremden<br />

Küche zu kochen genötigt sah, wirklich der totale<br />

Horror!<br />

Inzwischen sind auch diese meistgehassten<br />

Gegenstände, die auch noch einer wöchentlichen<br />

Wäsche durch weibliche Kinderhände be-<br />

312<br />

durften, der man in meiner Jugend unter keinen<br />

Umständen entrinnen konnte, gottlob aus dem<br />

Verkehr gezogen und höchstens noch als dekoratives<br />

Element in Küchen zu finden, desgleichen<br />

die spruchbestickten textilen Küchenzierden<br />

aller Art. Verblasst und vom vielen Waschen<br />

dünn, haben sie nur noch Platz auf dem<br />

untersten Schrankboden, sofern man sie noch<br />

nicht an’s nächste Heimatmuseum abgegeben<br />

hat.<br />

Und ... das ist gut so, wenn auch ihre gestickte<br />

Botschaft noch immer mahnt: »Schönheit vergeht,<br />

Tugend besteht!«<br />

Wunschliste<br />

Anpassung<br />

aber keine<br />

Unterwerfung<br />

Einordnung<br />

aber keine<br />

Unterordnung<br />

Freiheit<br />

aber keine<br />

Rücksichtslosigkeit<br />

Großzügigkeit<br />

aber keine<br />

Verschwendung<br />

Kompromisse<br />

aber keine<br />

Selbstaufgabe<br />

Sparsamkeit<br />

aber kein<br />

Geiz<br />

und Liebe<br />

die wächst<br />

Elisabeth Freitag


Dä Chresbohm Greimerather Mundart<br />

Die Oma säht, et aß suweit<br />

enn Chresbohm moßt dia sochen<br />

un matt där Säch, die sia gohd schneid,<br />

dursch Eschen un dursch Boochen<br />

gihn mia dahn matt langem Schritt<br />

zuar Fischtelenkuldua<br />

un opp däm fresche Polewaschnie<br />

sehn mia enn Gummistiwelenspua<br />

där gihn mia noh un goanet weit<br />

enn Stekschi weida hunnen<br />

reft dä Jupp un hella Freid<br />

Eisch honn mei Bohm schunn funnen.<br />

Ma moß et soan, enn schihne Bohm<br />

dähn groad geschnidden gett<br />

die Zeit die mia vatrenntelt honn<br />

die deht oß weilen Lehd<br />

dahn wia daht ohse Chresbohm gänn<br />

denken mia vagäwens<br />

dä Jupp reift sech wie doll die Hänn<br />

un freut sech seines Läwens<br />

Najoh, et notzt ohs nix, daht ganze lamändieren<br />

Dä Jupp matt seinem dolle Bohm,<br />

dä hott ohs net zo stieren<br />

Su soochen mia de ganzen Daach<br />

et gett duhtdeista Noscht<br />

die Motta sät, waht aß daht loh<br />

joh waht hott dia dahn loh mattbroscht?<br />

Dä Bohm dä aß fia die gruß Stuv<br />

doch ehrlisch vill zo klehn<br />

un seich gedriht, die Spetzt aß ohp<br />

un Äst hott dä bahl kehn<br />

Daht aß enn Gedöns loh matt däm Bohm<br />

ma mäht sech ganz vareckt<br />

die Oma sät, get ohpgewoard<br />

wie dähn sech mäd, geschmekt<br />

Omm Heilisch Ovent, noh da Mäht<br />

dahn aß Bescherungszeit<br />

un opp dä Bohm kuckt kehne mih<br />

nur opp daht Zeisch waht drinna leit<br />

Et aß esu wie all die Joar<br />

denken eisch, als eisch viam Bohm stihn<br />

et aß och dissmoal widda woar<br />

noh Chresdach woaren se all schihn Hans-Peter Schäfer<br />

313


Es gibt Gute und Böse und <strong>Wittlich</strong>er, sagte ein<br />

Mann, der im Jahr 1890 in Maring auf die Welt<br />

kam, wo sich die Lieser der Mosel nähert, und<br />

wo man ein Deutsch redet, das dem der <strong>Wittlich</strong>er<br />

nur scheinbar ähnlich ist - weniger breit<br />

und gedehnt, weniger selbstbewusst und verwegen,<br />

dafür rasch, hurtig und hitzig. Der<br />

Mann, Sohn eines Winzers, war fünfzehn Jahre,<br />

als er nach <strong>Wittlich</strong> ging. Dass die <strong>Wittlich</strong>er<br />

»Städter« wären und von besonderer Art, hatte<br />

man ihn früh gelehrt. Auch hatte man ihm gesagt,<br />

dass die <strong>Wittlich</strong>er Haare auf den Zähnen<br />

hätten und dass es schwer sein würde, sich in<br />

<strong>Wittlich</strong> durchzusetzen. Dort bleibe sein Lebtag<br />

jeder ein Fremder, der nicht das Glück gehabt<br />

hätte, in <strong>Wittlich</strong> geboren zu sein.<br />

Weil er schon in der Schule gut rechnen konnte,<br />

erlernte der Mann aus Maring in <strong>Wittlich</strong> die<br />

Kunst der Buchführung, und da er nicht nur akkurat<br />

und fleißig, sondern auch verschwiegen<br />

war, gewann er das Vertrauen seines Chefs, eines<br />

<strong>Wittlich</strong>er Unternehmers. Ihm und der jungen<br />

Frau, die er am ersten Sonntag im Juni<br />

1920 auf der Reiler Kirmes kennenlernte und im<br />

folgenden Herbst heiratete, blieb er sein Leben<br />

lang treu. In der Trierer Landstraße erwarb er<br />

ein Haus und lebte darin vierundfünfzig Jahre.<br />

Wurde er auch ein <strong>Wittlich</strong>er? Wenn man von<br />

den vier Jahren des Ersten Weltkriegs absieht,<br />

als er bei den Kölner Husaren diente, hat er<br />

mehr als sechzig Jahre in <strong>Wittlich</strong> gelebt. Auch<br />

gewann er Freunde, aber die Sprache der <strong>Wittlich</strong>er<br />

lernte er nicht. Auch noch mit siebzig<br />

Jahren sprach er sein hurtiges, hitziges, moselländisches<br />

Deutsch. Auf seinen alten Tag<br />

sah er bei klarem Himmel an Heiligabend 1944<br />

vom Fenster seines Hauses überm Fallerberg<br />

die amerikanischen Flieger, als sie ihre Bomben<br />

warfen, davon bekam sein Haus einen Riss<br />

vom Fundament bis zum Dach - es ließ sich<br />

noch einmal ausbessern, und alles in allem war<br />

es ein Glück gewesen, dass er mit fünfzehn<br />

Jahren nach <strong>Wittlich</strong> gegangen war. Im Dezember<br />

1976 ist er in seinem Hause gestorben und<br />

wurde auf dem neuen Friedhof von St. Bernhard<br />

begraben - ein <strong>Wittlich</strong>er seit dem Jahre<br />

314<br />

Gute und Böse und <strong>Wittlich</strong>er<br />

Hermann Klippel<br />

1905, sollte man sagen. Doch er wurde, sagte<br />

er, nie das, was man einen <strong>Wittlich</strong>er nennt.<br />

Dass die <strong>Wittlich</strong>er im Umland »Säubrenner«<br />

genannt werden, wusste er schon, als er in die<br />

erste Klasse ging. Sein Lehrer, »der alte Henkel«,<br />

hatte gesagt: Es gibt Gute und Böse und<br />

<strong>Wittlich</strong>er.<br />

Wir wollen sehen, was an der Sache wahr ist.<br />

Was ist das Besondere an den <strong>Wittlich</strong>ern?<br />

Den Leuten in Maring, in Osann, Noviand, Ürzig,<br />

auch in Bergweiler und Hupperath, kurz<br />

gesagt den Dorfbewohnern in der näheren Umgebung,<br />

gelten die <strong>Wittlich</strong>er von jeher als<br />

Städter. Mussten sie, selten genug, nach <strong>Wittlich</strong><br />

gehen, sagten sie: Wir gehn in die Stadt.<br />

Nach <strong>Wittlich</strong> gingen sie, um ein Paar neue Pinnenschuhe<br />

oder den Sonntagsanzug zu kaufen.<br />

Oder man ging zum Herrn Doktor, doch<br />

dann musste man sehr krank sein; denn eigentlich<br />

konnte man sich Kranksein nicht leisten.<br />

Oder man ging zum Notar, um über den Kauf<br />

oder Verkauf eines Stücks Flur einen Akt unter<br />

Dach zu bringen. Aber dann schlug man hernach<br />

die Hände überm Kopf zusammen, wenn<br />

man erfuhr, was der Akt gekostet hatte, und<br />

man nahm sich vor, lieber nicht noch einmal<br />

nach <strong>Wittlich</strong> zu gehen.<br />

In die Stadt gingen sie nicht in ihren Bauernkleidern.<br />

Die Frauen tauschten das Kopftuch gegen<br />

den schwarzen Sonntagshut, den sie sonst<br />

nur auf dem Gang zur Frühmesse oder zum<br />

Hochamt trugen, die Männer ihre Pinnenschuhe<br />

gegen das eine Paar Sonntagsschuhe, das<br />

sie besaßen. Dennoch, wenn sie durch die<br />

Burgstraße gingen, um für ein paar Groschen<br />

ein Ende Wurst zu kaufen, unterschieden sie<br />

sich sehr von den <strong>Wittlich</strong>ern. Auch wenn sie<br />

sich für den Stadtbesuch fein gemacht hatten,<br />

sah jedermann in <strong>Wittlich</strong>, dass sie »Bauern«<br />

waren. Und auch sie spürten, dass »die Säubrenner«<br />

sie von der Seite ansahen. Heute mag<br />

das anders sein, aber vor fünfzig Jahren war es<br />

noch so.<br />

Zwar behaupten die <strong>Wittlich</strong>er, sie hielten »auf<br />

gut Nachbarschaft«, wie es Georg Fischer in<br />

seinem »<strong>Wittlich</strong>er Wörterbuch« überliefert hat,


aber als unser Mann aus Maring in <strong>Wittlich</strong> in<br />

die Lehre ging, galt diese Redensart allenfalls<br />

für den Umgang der <strong>Wittlich</strong>er miteinander. Für<br />

sie war ihre Stadt der Mittelpunkt der Welt. Die<br />

Stadt bot ihnen alles, was sie zu ihrem Glück<br />

brauchten. Man musste nicht in der Welt herumgekommen<br />

sein, um in <strong>Wittlich</strong> etwas zu<br />

gelten. Man musste weder in Bergweiler noch<br />

in Manderscheid noch in Trier gewesen sein,<br />

um in <strong>Wittlich</strong> in den Himmel zu kommen. Einmal<br />

im Jahr die Wallfahrt nach Klausen - das<br />

musste genügen. Den alten <strong>Wittlich</strong>ern konnte<br />

keiner etwas vormachen. Auch die Preußen<br />

nicht. Weltläufig wie die Schwaben waren die<br />

<strong>Wittlich</strong>er nicht. Das muss kein Nachteil sein.<br />

Denn es spricht für Zufriedenheit und Solidität,<br />

freilich nicht nur für Solidität. Also, was ist das<br />

Besondere an den <strong>Wittlich</strong>ern?<br />

Wer diese Stadt einmal im Jahr besucht, um<br />

dabei zu sein, wenn auf dem Markt die Kirmes<br />

gefeiert wird (die den <strong>Wittlich</strong>ern, es kann nicht<br />

anders sein, nicht mehr so recht gemütlich,<br />

nämlich über den Kopf gewachsen ist), wird<br />

diese Frage anders beantworten als einer, der<br />

hier Kind war und in den Gassen, durch die einoder<br />

zweimal am Tag ein Automobil fuhr,<br />

Klicker und Dilldopp und Fußball spielte, in die<br />

alte Volksschule an der Karrgasse ging, dann in<br />

die »höhere Stadtschule«, die sich ihren Pausenhof<br />

mit dem Ferkelmarkt teilte - dennoch<br />

trugen ihre Schüler bis in die dreißiger Jahre<br />

zum Zeichen, sie seien etwas Besseres, ihre<br />

bunten Schülermützen - ich will sagen, es<br />

braucht seine Zeit, um die <strong>Wittlich</strong>er kennenzulernen,<br />

ihre Tugenden und Untugenden (ihre<br />

»Naupen«), ihre Lust zu leben, zu lachen, zu<br />

streiten und sich zu vertragen; ihren Eifer, die<br />

Dinge beim Namen zu nennen und, wenn es<br />

sein muss, zurechtzurücken; ihre Verwegenheit<br />

und Tüchtigkeit und, als Regulativ, ihre Lust zu<br />

spotten und sich gelegentlich wohl auch selber<br />

auf den Arm zu nehmen - und vor allem ihre<br />

Sprache.<br />

Dass <strong>Wittlich</strong> bis in unsere Gegenwart eine kleine<br />

Stadt blieb, hat wenig zu sagen. Auch kleine<br />

Städte bilden eine Welt. Der Ort, in dem sie zur<br />

Welt kommen und ihre Muttersprache erlernen,<br />

prägt die Menschen stärker als ihr Vaterland.<br />

Das Vaterland zu lieben, werden die Menschen<br />

von jeher angehalten. Die Vaterstadt zu lieben,<br />

muss man sie nicht ermahnen. Und es hat weder<br />

mit der Größe noch der Schönheit noch mit<br />

der Gunst der Lage zu tun, ob eine Stadt von<br />

ihren Bewohnern geliebt wird.<br />

Von seinen Bewohnern geliebt wurde <strong>Wittlich</strong><br />

schon, als durch die Kordel und die Karrgasse<br />

noch die Erntewagen rollten, in luftigen Scheuern<br />

im Herbst der Tabak reifte und am Rollkopp<br />

die Kartoffelfeuer glühten - so lange ist es noch<br />

nicht her. Oder, als man, nach Geschlechtern<br />

getrennt, in die alte Badeanstalt zum Schwimmen<br />

ging, wenn nicht in die Lieser am Bürgerwehr,<br />

wo man sich das sanft strömende Wasser<br />

der Lieser mit Schwärmen von Forellen und<br />

Schleien teilte.<br />

Doch die <strong>Wittlich</strong>er sind zu nüchtern, um über<br />

ihre Stadt in Jubel auszubrechen. Heimatdichter<br />

finden hier kein Feld. Hymnische Äußerungen<br />

der Heimatverehrung haben es in <strong>Wittlich</strong><br />

schwer. Hier wurden keine Idyllen, keine Oden<br />

gedichtet. Sie hätten in <strong>Wittlich</strong> keinen Beifall<br />

gefunden. Denn die <strong>Wittlich</strong>er haben für<br />

falsches Pathos ein feines Ohr. So sehr sie<br />

sonst Tüchtigkeit schätzen, das Musische ist<br />

ihnen verdächtig: »Kamedi's Dinger«. Ihr nüchterner<br />

Sinn zielt auf's Praktische. Für sie gilt<br />

nicht, was Heinrich Heine von den Deutschen<br />

gesagt hat, sie fühlten sich mehr »im Luftrevier<br />

des Traums« zu Hause, während die anderen,<br />

Franzosen und Engländer, »sich auf platter Erde<br />

entwickelt« hätten. In diesem Punkt sind die<br />

<strong>Wittlich</strong>er nicht »typisch deutsch«. Sie packen<br />

gern an. Sie verändern, verbessern gern. Bauen<br />

ist ihre Leidenschaft. Da entwickeln sie Fantasie,<br />

da ist das Beste gut genug. Das größte<br />

Krankenhaus, die besten Schulen, der größte<br />

Parkplatz auf einer so schönen Wiese neben<br />

der Lieser, das modernste Altersheim, die läufigste<br />

Fußgängerzone - da will man sich nicht<br />

lumpen lassen, eine verbreitete <strong>Wittlich</strong>er Redensart.<br />

Das Argument, dass man heute nicht brauche,<br />

was man gestern nicht besaß, gilt in <strong>Wittlich</strong><br />

nicht viel. Dass der <strong>Wittlich</strong>er am Alten hängt,<br />

kann man ihm nicht nachsagen. Konservativ ist<br />

er nicht. Er geht gern mit der Zeit. Sein unternehmerischer<br />

Sinn ist bemerkenswert. Auch<br />

mag er es nicht, etwa im Stadtrat, wenn über<br />

das Für und Wider eines Projekts lange debattiert<br />

wird. Bedachtes Erwägen ist seine Sache<br />

nicht. Eher verführen ihn sein Schneid, seine<br />

Umtriebigkeit und sein Ungestüm zu kommunalen<br />

Entscheidungen, die er vielleicht morgen<br />

bedauert. Bereut er sie dann? Eigentlich nicht.<br />

315


Was er im Kopf hatte, war schon gut und richtig.<br />

Aber manchmal geht es in dieser Welt mit<br />

dem Teufel zu.<br />

Der Römer Vitellius tat wohl recht daran, dass<br />

er <strong>Wittlich</strong> nicht auf der Pleiner Höhe, sondern<br />

im Tal der Lieser gründete, so dass sich die<br />

Siedlung, angelehnt an den Schlossberg, der<br />

kein unbezwingbares Hindernis bot, in der<br />

Ebene entfalten konnte. Einen Tagesmarsch<br />

von der Römerstadt Trier entfernt, vielleicht<br />

vom Rotenberg herab, habe Vitellius, so die<br />

freundliche Legende, ausgerufen:<br />

Ein solches Tal bewahrst du auf<br />

Unkultivierten Kelten?<br />

Das Lied wird in <strong>Wittlich</strong> nicht im Ernst, sondern<br />

im Scherz gesungen, von zwei oder drei<br />

Schoppen Wein beflügelt. Dass es jedoch auf<br />

seine holprige, unkultivierte Weise die Wahrheit<br />

sage, daran mag kein <strong>Wittlich</strong>er zweifeln; zu<br />

augenfällig ist ja die günstige Lage, die es erlaubt,<br />

an sanften Hügeln nicht nur kommode<br />

Villen, die teuersten und feinsten weit und breit,<br />

zu errichten, sondern sich in gehörigem Abstand<br />

von diesen Villen auf plattem Grund auf<br />

dem Weg nach Wengerohr auch ein ergiebiges<br />

Industriefeld anzugliedern.<br />

Was die Tallage angeht, so weht in <strong>Wittlich</strong>,<br />

auch meteorologisch betrachtet, ein frischerer<br />

Wind als im Moseltal, und es ist wahr, dass das<br />

weite Tal von einer herben Brise Eifeler Luft<br />

durchmischt wird, so dass kein <strong>Wittlich</strong>er daran<br />

zweifeln mag, man habe von beiden, Eifel und<br />

Mosel, das Beste gewonnen. <strong>Wittlich</strong>er, die es<br />

in »die Welt«, also nach Koblenz, Bonn, Köln<br />

oder weiter verschlagen hat, rühmen, wenn sie<br />

für einige Tage heimkehren, das heimische Klima,<br />

das nicht nur einen gesunden Schlaf fördert,<br />

sondern auch übertriebene Sorgen und<br />

Kopfweh vertreibt.<br />

Unkultivierten Kelten fühlen sich die <strong>Wittlich</strong>er<br />

von Anbeginn nicht zugehörig. Zwar müssen<br />

sie wohl von ihnen abstammen - von wem<br />

sonst? Darüber weiß man nicht viel, und was<br />

Carl Zuckmayer, der Nackenheimer in seinem<br />

Schauspiel »Des Teufels General« die »Völkermühle«<br />

genannt hat, mag auch hier im Spiel gewesen<br />

sein, da sich die Vorfahren der heutigen<br />

<strong>Wittlich</strong>er so früh als Städter fühlten und so<br />

entschieden anders waren als die von ihnen<br />

verwalteten und mitunter verachteten Bauern<br />

im Umland.<br />

Manchmal, in früheren Zeiten, wenn die Wittli-<br />

316<br />

cher Grund zu haben glaubten, sich über einen<br />

Menschen zu erregen, der kein <strong>Wittlich</strong>er war,<br />

sagten sie auch über so einen, er sei ein »Bauer«,<br />

obgleich er kein Bauer war. Als der 1912<br />

gegründete <strong>Wittlich</strong>er Sportverein noch eine<br />

respektable Fußballmannschaft aufbot (mit<br />

Spielern wie dem »Surri«, dem »Babbo« und<br />

seinem Bruder »Zigges« und dem unvergessenen<br />

Franz Fischer, genannt »Stumpen«, einem<br />

kleinen, feinen, technisch hervorragend begabten<br />

Spieler), kam es auf dem Sportplatz am<br />

Bürgerwehr mitunter zu der Widerwärtigkeit,<br />

dass ein <strong>Wittlich</strong>er Spieler von einem »Bauern«<br />

aus Kröv oder Trier gefoult oder von einem<br />

»Bauern«-Schiedsrichter aus Ehrang zurückgepfiffen<br />

wurde, und jedesmal war dann der<br />

Volkszorn der zuschauenden <strong>Wittlich</strong>er groß. In<br />

richtiger Erkenntnis der Sachlage wurde in<br />

<strong>Wittlich</strong> auch einmal ein »politischer Leiter« des<br />

Dritten Reiches, ein »Goldfasan«, als »Bauer«<br />

bezeichnet, also als ein Mann ohne Kultur.<br />

Eigentlich konnte ein geborener <strong>Wittlich</strong>er kein<br />

hundertprozentig überzeugter Nationalsozialist<br />

sein. Denn zu dem Fanatismus, den Hitler forderte,<br />

war er seiner Natur nach nicht fähig.<br />

Auch mussten ihm die hehren Worte, die hymnischen<br />

Töne, die völkische Verzückung und<br />

der nationale Überschwang der Gefühle im<br />

Grunde seiner Seele zuwider sein. »Worüber<br />

lachst du?« fragte ein nicht in <strong>Wittlich</strong> geborener,<br />

nach 1933 zugereister »Gefolgschaftsführer«<br />

der Hitlerjugend meinen damals vierzehn<br />

Jahre alten Freund Rudi, genannt »Gandhi«,<br />

der in der Römerstraße zu Hause war und in<br />

Russland gefallen ist. Wir standen »angetreten«,<br />

er auf »Tuchfühlung« mit mir, und er beobachtete<br />

den »vor der Front« hin und her flitzenden<br />

»Gefolgschaftsführer« - und darüber<br />

musste er lachen. »Worüber lachst du?, wurde<br />

er gefragt, und er antwortete: »Über dein Gedöns.«<br />

In <strong>Wittlich</strong>, wie in anderen kleinen Städten das<br />

Trierer Landes, bedurfte es zahlreicher Appelle,<br />

Aufmärsche, Fackelzüge und Fanfarenchoräle,<br />

um die Mehrzahl der Bürger »in die Reihe« zu<br />

zwingen.<br />

Bei den letzten, halbwegs freien Wahlen am 5.<br />

März 1933 errangen die Nationalsozialisten im<br />

gesamten Reichsgebiet 43,8 Prozent der Stimmen,<br />

sie verfehlten also auch im Reichstag die<br />

absolute Mehrheit. In <strong>Wittlich</strong> wählten die Bürger<br />

11 Abgeordnete des Zentrums, 3 Abgeord-


nete der Wirtschaftspartei und nur drei Nationalsozialisten<br />

in den Stadtrat, dessen erste Sitzung<br />

am 29. März stattfand.<br />

In dieser ersten Sitzung brachten die drei Nationalsozialisten<br />

den Antrag ein, Hitler die<br />

Ehrenbürgerschaft der Stadt <strong>Wittlich</strong> zu verleihen.<br />

Darüber wurde beraten, und der damals<br />

40-jährige Fraktionsführer des Zentrums, Matthias<br />

Joseph Mehs, fand das demokratische<br />

Mittel, um diesen Antrag abzuwürgen. Ein Ausschuss<br />

solle gebildet werden, sagte er, der Hitlers<br />

Verdienste für die Stadt <strong>Wittlich</strong> untersuche,<br />

»denn diese Verdienste«, so lautete sein<br />

im Sitzungsprotokoll festgehaltenes Argument,<br />

»sind hierorts noch nicht ausreichend bekannt«.<br />

Sein Antrag wurde mit neun gegen<br />

sechs Stimmen gutgeheißen. Als dann der<br />

Ausschuss, der Hitlers Verdienste untersuchen<br />

sollte, zu seiner ersten Sitzung zusammentrat,<br />

blieben die Antragsteller fern, und ihr Antrag<br />

wurde zu den Akten gelegt.<br />

Noch einmal spielte Mehs den neuen Machthabern<br />

einen Streich, den sie ihm ebenso wenig<br />

vergaßen wie die verhinderte Ehrenbürgerschaft<br />

ihres Führers. Da trafen im Sommer<br />

1934 zahlreiche höhere Parteiführer zu einem<br />

offiziellen Besuch in <strong>Wittlich</strong> ein, wurden am<br />

Bahnhof mit Musik und großen Worten empfangen<br />

- und staunten nicht schlecht, als sie<br />

am Hause des Matti Mehs statt der befohlenen<br />

Hakenkreuzfahnen die heraldisch exakten<br />

Nachbildungen aller historischen Wappen des<br />

Kreises <strong>Wittlich</strong> erblickten. Zum Rapport befohlen,<br />

sagte Mehs, er habe geglaubt, dass<br />

man die Verbundenheit mit der Heimat mit diesen<br />

Wappen besser unter Beweis stelle als mit<br />

dem reichseinheitlichen Hakenkreuz. Ein Jahr<br />

nach der »Machtergreifung« und Gleichschaltung<br />

gehörte dazu schon Mut.<br />

Mut bewies die alte Frau, die am Morgen des<br />

10. November 1938, nach der »Reichskristallnacht«,<br />

sah, wie uniformierte Männer aus dem<br />

ersten Stockwerk des Hauses einer jüdischen<br />

Familie Stühle und Tische, Gläser und Teller auf<br />

die Straße warfen, und sie rief weinend, wenn<br />

auch vergebens, nach der Polizei. Oder die<br />

<strong>Wittlich</strong>er Lehrer, die all ihren Mut zusammennahmen<br />

und, die stets mögliche Denunziation<br />

nicht scheuend, in ihrem Unterricht Kritik übten.<br />

So der katholische Religionslehrer Peter<br />

Schneider, Sohn eines Eifeler Bauern, der den<br />

Ungeist des Regimes in der nach Nicolaus Cu-<br />

sanus benannten Schule fast in jeder Unterrichtsstunde<br />

hart attackierte und zum Beispiel<br />

erklärte, in vielen Liedern der Hitlerjugend werde<br />

Gott gelästert. So der nach <strong>Wittlich</strong> strafversetzte<br />

Deutschlehrer Josef Wessel. Man hielt<br />

ihm zugute, dass er im Ersten Weltkrieg Führer<br />

einer Sturmkompanie und durch einen Kopfschuss<br />

schwer verwundet worden war, so dass<br />

er, wenn er erregt war, unter einem unbezähmbaren<br />

Schütteln seines Kopfes litt. Im Herbst<br />

1938 sandte die Koblenzer Kulturbehörde einen<br />

Oberschulrat, der Hitlers Parteiabzeichen<br />

am Rock trug, nach <strong>Wittlich</strong>, um die Gesinnung<br />

des Studienrates Wessel zum wiederholten<br />

Mal zu prüfen. Schon der Gegenstand der<br />

Deutschstunde war unerwünscht: Wessel<br />

sprach über Schillers Idee der Humanität und<br />

eines die Nationen überwindenden Weltbürgertums.<br />

Der Oberschulrat, angepasster Bürokrat<br />

und Parteigenosse, unterbrach den Unterricht.<br />

In einer längeren Rede betonte er, der<br />

Dichter Friedrich Schiller hätte solche Ideale<br />

ohne Zweifel nicht gepriesen, wenn ihm das<br />

Glück zuteil geworden wäre, im neuen<br />

Deutschland des Führers zu leben. Während<br />

der Funktionär so sprach, stand Studienrat<br />

Wessel neben ihm, mit ernster Miene und gefurchter<br />

Stirn, die Augen geschlossen, und<br />

hundertmal sagte sein grauhaariger Kopf mit<br />

dem unbezähmbaren Schütteln: nein.<br />

Mut bewiesen auch die Männer der St. Sebastianus-Bruderschaft,<br />

als sie 1933, als so viel<br />

von nationalem Heldentum die Rede war, einen<br />

Wettbewerb für ein Standbild des christlichen<br />

Soldaten und Märtyrers, des heiligen Sebastian,<br />

ausschrieben, und zwar nicht im Innenraum<br />

der Pfarrkirche, sondern als große Außenskulptur.<br />

Der <strong>Wittlich</strong>er Bildhauer Hanns Scherl, ein<br />

junger Mann von 25 Jahren, gewann den Wettbewerb.<br />

Sein Werk wurde Ostern 1935 geweiht,<br />

so dass die aufragende Gestalt des<br />

christlichen Mannes etliche Jahre genau in das<br />

Dienstzimmer des »Kreisleiters« der unchristlichen<br />

Partei blickte - da sei »keine Stelle«, heißt<br />

es in dem Gedicht von Rilke, »die dich nicht<br />

sieht«.<br />

Noch sprechen einige hundert <strong>Wittlich</strong>er ihr<br />

»<strong>Wittlich</strong>er Deutsch«. Wer die Sprache der<br />

<strong>Wittlich</strong>er abschätzig »altmoselfränkisches<br />

Platt« nennt, kennt nicht den reichen Wortschatz,<br />

die Fülle, die lebendige Bildkraft dieser<br />

gewachsenen Sprache, die das Derbe wie das<br />

317


Zarte auf unnachahmliche Art auszudrücken<br />

vermag. Zum Beweis ein paar Beispiele. Sie<br />

sind Georg Fischers »Wörterbuch« entnommen,<br />

das im handschriftlichen Original den Titel<br />

»Wedlia Daitsch« trägt; auch er dachte nicht<br />

daran, die Worte »Platt« oder »Dialekt« zu verwenden.<br />

Diese Beispiele zeigen, dass die hochdeutsche<br />

Entsprechung oft ledern und lahm wirkt im Vergleich<br />

zu den anschaulichen und stets kraftvollen<br />

Wörtern und Redensarten im <strong>Wittlich</strong>er<br />

Deutsch.<br />

Betrachten wir das <strong>Wittlich</strong>er Wort »Bangschesser«.<br />

Die hochdeutsche Übersetzung<br />

müsste wohl »Angsthase« lauten, allenfalls<br />

»Bangemann«, aber so kommt das Wort nur<br />

noch als seltener Familienname vor. Das <strong>Wittlich</strong>er<br />

Wort für »betrügen« heißt »bedubpen«; es<br />

lässt einen Spielraum für augenzwinkernde<br />

Nachsicht, klingt weniger hart. Auch das Wort<br />

»faudteln« für »falsch spielen« (»Faudtlerei befinnd<br />

sisch«) geht dem Ohr ganz anders ein.<br />

Wer erfand so geniale Wörter wie »Moldhiewel«<br />

für den Maulwurfhügel, »Bollesmaan« für den<br />

Polizisten, »Dinnepidter« für die Wirkung von<br />

zuviel »Biereviez«, das verwegene »Flämmsen«<br />

für »Rauchen« (»Nau gäwd nooch 'n Zigga geflämmsd«),<br />

das anschauliche »Fixfaier« für's<br />

Streichholz oder den »Flubbes« für einen minderwertigen<br />

Wein. Ein Höhepunkt lautmalender<br />

Qualität ist »Sämmsen« für das lahme hochdeutsche<br />

»Davonlaufen«. Man versuche, ins<br />

Hochdeutsche zu übersetzen, was die Winzigkeit<br />

von »e klä klidzisch Kriemelschi« oder die<br />

Eigenschaft »knaddschgääkisch« bedeutet!<br />

Unübersetzbar auch »Quiesel« für eine besondere<br />

Frauenart - und das heißt nichts anderes,<br />

als dass eine Besonderheit des Menschseins,<br />

die es ja nach wie vor gibt, nicht mehr »zur<br />

Sprache« kommen kann; es gibt kein hochdeutsches<br />

Wort dafür. Köstlich auch der Vorrat<br />

von sehr zarten Wörtern, die man zu Kindern<br />

sagt, etwa das »gelunge Dudzji« oder das<br />

»Häämelmaisji« oder »dat klä mugkelisch Mädschi«<br />

oder das lebendige Wort »Schdrubpes«<br />

für einen kleinen Jungen - genug der Beispiele,<br />

die zeigen, dass diese Sprache in puncto Genauigkeit,<br />

Anschaulichkeit, Bildkraft und Wärme<br />

der heutigen Normsprache, wie die Schule<br />

sie lehrt, überlegen ist.<br />

Ein sinnfälliges Zeichen für die unverbrauchte<br />

Kraft einer Sprache ist auch ihre Fähigkeit,<br />

318<br />

Fremdwörter zu entlehnen und zu verwandeln.<br />

So passen »kommood« und »duddswidd«,<br />

früher viel gebraucht, wie angegossen in den<br />

heimischen Sprachleib. Ohne Umstände wurde<br />

auch das französische »merci« für »danke« eingebracht<br />

und verwandelt, indem man es<br />

gehörig dehnte und die Betonung auf die erste<br />

Silbe legte. Das Wort ging in eine kleine <strong>Wittlich</strong>er<br />

Geschichte ein, die vielleicht erfunden ist.<br />

Aber sie ist so gut erfunden, dass sie wahr sein<br />

könnte, besitzt also die Eigenschaft, die man<br />

an den Anekdoten rühmt:<br />

Zwar rückten im März 1945 als Erste die Amerikaner<br />

in die Stadt ein, doch schon im Juni folgten<br />

ihnen französische Soldaten. An einem heiteren<br />

Frühsommertag fuhr der erste Jeep mit<br />

einer Handvoll französischer Soldaten auf den<br />

Markt und hielt. Ein <strong>Wittlich</strong>er schaute sich das<br />

an, und als einer der von dem Jeep hinabspringenden<br />

Soldaten ihn in halbem Französisch<br />

und schlechtem Deutsch fragte, wie sie schnell<br />

nach Platten kämen, erklärte es ihm der Mann<br />

aus <strong>Wittlich</strong> so: »No Blaadt'n? Da foard'a hai en<br />

d' Buuaschgaas« (was man damals noch konnte)<br />

»un' bai da Posd foard'a schdrigks hodz un'<br />

daan rischdford da Noohs no.« Ob der Franzose<br />

diese Wegbeschreibung verstand, ist zweifelhaft.<br />

Doch rief er, aufspringend: »Merci«. Da<br />

schüttelte der Mann aus <strong>Wittlich</strong> anerkennend<br />

den Kopf und sagte: »Da sein de Käärl'n noch<br />

kään zwai Minut'n hai un' schwääzn schunst<br />

Wedlia Pladt.«<br />

In <strong>Wittlich</strong> lebte von 1893 bis 1976 ein bedeutender<br />

Mann, Matthias Joseph Mehs - von dem<br />

schon die Rede war - , ein belesener, gebildeter,<br />

dennoch einfacher Mensch, ein geborener<br />

Politiker und Demokrat, ein radikaler Christ und<br />

Patriot. Er war Stadtrat in <strong>Wittlich</strong> von 1929 bis<br />

1933, von 1946 bis 1953 ehrenamtlicher Bürgermeister<br />

seiner Heimatstadt und von 1949<br />

bis 1953 für die Kreise <strong>Wittlich</strong>, Daun, Bitburg<br />

und Prüm Abgeordneter des Deutschen Bundestags.<br />

Als einziger Abgeordneter der Union<br />

verweigerte er am 18. März 1953 sein Ja zur<br />

Wiederbewaffnung, und er begründete seine<br />

Entscheidung mit politischen und moralischen<br />

Bedenken. Sein Nein beendete fast automatisch<br />

seine politische Laufbahn, was ihn<br />

schmerzte, jedoch nicht verbitterte.<br />

Ihn fragte ich im Sommer des Jahres 1968, was<br />

er über seine Landsleute dächte. Wir saßen am<br />

runden Tisch seiner Studierstube. Der Blick


ging über den Schlossplatz, dessen Gestaltung<br />

ihm so sehr am Herzen lag. Wie es seine Art<br />

war, ließ er sich für seine Antwort Zeit. Er schob<br />

die Brille mit den runden Gläsern auf die gewölbte<br />

Stirn und sagte: »An den <strong>Wittlich</strong>ern gefällt<br />

mir, dass sie kritisch sind, dass sie sich<br />

kein X für ein U vormachen lassen; dass sie ein<br />

Gespür dafür haben, wenn eine Sache faul ist.<br />

Ihren Standpunkt können sie mit der Beredsamkeit<br />

eines römischen Advokaten vertreten.<br />

Davon habe ich viel gelernt. Was man demokratische<br />

Auseinandersetzung nennt, hat in<br />

<strong>Wittlich</strong> Tradition. Die <strong>Wittlich</strong>er sind keine<br />

Duckmäuser, keine Leisetreter, sondern aufrichtig<br />

und geradeheraus, was nicht überall in<br />

der Welt als Tugend gilt.«<br />

Andererseits seien sie für eine gute Sache immer<br />

zu haben. Da denke er vor allem an den<br />

Sommer 1945, drei Monate nach Hitlers Krieg,<br />

als er mit der Billigung der amerikanischen Militärbehörde<br />

einen »städtischen Beirat« bilden<br />

konnte, der mit den schwierigen Problemen einer<br />

durch Bomben schwer getroffenen Stadt<br />

mit Vernunft und Sachverstand fertig werden<br />

musste. Dieser Beirat, diese »<strong>Wittlich</strong>er Lösung«<br />

einer demokratischen Selbstverwaltung,<br />

Der Raureif spinnt um Baum und Strauch<br />

ein zartes Silberfiligran.<br />

Der Morgensonne heller Schein,<br />

er zündet tausend Lichter an.<br />

Und zaubert weithin Licht und Glanz,<br />

der leuchtend übers Schneeland rinnt.<br />

Am Himmel zwischen grau und blau<br />

die Wolkenschatten jagt der Wind.<br />

Rau greift er in den Flockentanz,<br />

der wirbelnd sich im Kreise dreht.<br />

Der weite Wald im Schneegewölk<br />

und übers Feld der Nebel weht.<br />

Ein Wintertag<br />

habe gute Arbeit geleistet, und im Grunde habe<br />

diese Lösung als Modell für den Aufbau der<br />

kommunalen Selbstverwaltung in der gesamten<br />

Französischen Zone gedient. »So sind die<br />

<strong>Wittlich</strong>er in schwerer Zeit in die Geschichte<br />

eingegangen«, schloss er, »ohne es zu wollen<br />

und ohne dass sie es merkten, und sie haben<br />

Recht, wenn sie das Nächstliegende, und das<br />

ist ihre Stadt, für die wichtigste Sache auf der<br />

Welt halten.«<br />

Darüber, was die wichtigste Sache auf der Welt<br />

sei, kann man sich einigen; wie sie zu betreiben<br />

sei, darüber sind die Ansichten, nicht nur in<br />

<strong>Wittlich</strong>, verschieden. In vielen Städten<br />

glaubte man eine Zeit lang, die wichtigste Sache<br />

sei das Auto, und so sehen diese Städte<br />

jetzt aus.<br />

Die Gunst der Lage und die Tüchtigkeit der<br />

<strong>Wittlich</strong>er haben aus ihrem kleinen Gemeinwesen<br />

eine ins Tal ausufernde Stadt gemacht.<br />

Wie sagte Vitellius? Nicht Wachstum, nicht<br />

Größe ist das Wichtigste. Unkultivierten Planern<br />

darf man das einst ländlich-schöne Tal<br />

nicht überlassen. Die <strong>Wittlich</strong>er müssen noch<br />

lernen, mit ihrer Tüchtigkeit fertig zu werden.<br />

Dann geht es ihnen gut.<br />

So tief verschneit liegt hingeduckt<br />

das kleine Dorf im Wiesental.<br />

Zum kalten Himmel steigt der Rauch,<br />

zu Eis erstarrt der Brunnenstrahl.<br />

Laut lärmend zieht ein Krähenschwarm<br />

mit seinem dunklen Flügelschlag.<br />

Die Dämmrung blaue Schatten wirft,<br />

im Abendrot vergeht der Tag.<br />

Eleonore Mertes<br />

319


Es waren drei Gespanne, die flussauf unterwegs<br />

waren. Die unberittenen Pferde gingen an<br />

Handleinen. Vornweg ritt der kleine Rensch.<br />

Der Junge trug seines Vaters Lederhut mit der<br />

wippenden Feder. Dem Jungen fehlte Erfahrung.<br />

Der Rothaarige in der Mitte war barhäuptig.<br />

Zwar hatte er am Kummet für den Notfall<br />

die Heeb hängen. Ob er aber mit dem Haumesser<br />

die Taue zu kappen wüsste, sollte eine starke<br />

Strömung das Schiff rückwärts ziehen und<br />

auf dem Treidelpfad die Pferde ins Straucheln<br />

bringen, war eine andere Frage. Ohne Hut war<br />

das kein gelernter Halfe.<br />

Dem Jakob Polch tat der Hintern weh. Morgen<br />

würde er umgekehrt auf dem Pferd sitzen, morgen<br />

würde er rückwärts auf das Schiff blicken,<br />

das sie dann im Schlepptau hatten. Doch so<br />

oder so, die alten Knochen waren den breiten<br />

Sattel nicht mehr gewöhnt. Er richtete sich in<br />

den Steigbügeln auf und zog die Hutkrempe in<br />

die Stirn. Unter der sinkenden Sonne war der<br />

Fluss aus gleißendem Silber.<br />

Das Dorf war näher gekommen. Vom Pferderücken<br />

aus sah man die Dächer, die im<br />

Abendlicht glänzten, und gegen den Weinberg<br />

die Kirche. Das Schiff ankerte oberhalb des<br />

Krans und der Ufermauer, die Mosel hatte wenig<br />

Wasser. Die Männer waren zu erkennen,<br />

die beim Entladen vom Schiff an Land wateten<br />

und die Böschung hochstiegen. Man konnte<br />

auch die Weinfässer ausmachen, die an der<br />

Straße bei dem großen Nussbaum lagen.<br />

Der alte Polch pfiff auf zwei Fingern. Die Pferde<br />

merkten auf, das Hufgestampf klang fester, als<br />

ob sie begriffen hätten, dass es dem Stall zuging.<br />

Der in der Mitte wandte den ziegelroten<br />

Kopf und an der Spitze des Zuges drehte der<br />

Junge Hut und Feder.<br />

Der Jakob Polch hielt die Hände vor den Mund:<br />

»Die laden noch Kalkstein aus. Dann müssen<br />

wir Weinwach halten.«<br />

In Kesten wurden sie erwartet. Die Sonne war<br />

hinter die bewaldete Bergkuppe gewandert.<br />

Der Grad Liesemer beaufsichtigte das Entladen.<br />

Das Schiff zeigte geleichtert das nassdunkle<br />

Holz der Bordwand, am Bug strammte<br />

320<br />

Die Weinwach<br />

Roland Steines<br />

die Ankerkette flussauf ins Wasser. Die Männer<br />

kamen mit den Körben auf der Schulter die<br />

Uferböschung hoch gestiegen. Es staubte<br />

weißlich, wenn sie die Körbe auskippten. Dem<br />

karrenartigen Wagen waren zwei Kühe vorgespannt,<br />

um das Gestein in das Dorf zum Kalkofen<br />

zu fahren. Die Weinfässer lagen beiderseits<br />

des Nussbaums in einer Reihe. »Noch<br />

drei Fuhren, dann sind wir fertig! Und Jakob?<br />

Altes Herz wird wieder jung, wenn man auf nem<br />

Gaul sitzt und die Musel daneben, oder?«<br />

»Mein Arschbacken sagn wat anneres!« antwortete<br />

der Jakob Polch und vertrat sich die<br />

lahmen Beine. »Wenn et net für dich wär, hätt<br />

ich dem alten Rensch net den Gefallen getan.<br />

Wat haste denn die Fässer noch an Land liegen?«<br />

»Et war kein Vorankommen mit dem<br />

Schiff. Et is kaum Strömung bei dem niedern<br />

Wasser. Ich hatt in Pelm schon weniger Stein<br />

geladen. An den Stromschnellen aber is de<br />

Strömung umso schalkiger, da müssen wir<br />

morgen höllisch aufpassen!« »Mal den Deiwel<br />

net an die Wand! Wie kriegste de Fässer auf dat<br />

Schiff?«<br />

»Wir däuen zwei Wagen ins Wasser und legen<br />

Balken, da rollen die Männer, die ausladen, die<br />

Fässer drüwer, die sind in aller Früh wieder da.<br />

Lauter Umständ, die net wären bei normalem<br />

Wasser! Da läg das Schiff beim Kranen an der<br />

Mauer.« Wenn die Kestener Männer an der<br />

Bordwand den gefüllten Korb auf die Schulter<br />

nahmen, reichte ihnen das Wasser bis zum<br />

Bauch. Der Schiffer wandte sich dem jungen<br />

Rensch zu: »Will der Vater net mehr? Das ist<br />

doch sein Hut, ich kenn nämlich die weiß Reiherfeder!«<br />

Er bezog den Rothaarigen, der noch<br />

im Sattel saß, in die Begrüßung mit ein und<br />

wies auf die Weinfässer: »Ihr seht ja, was euch<br />

erwartet!«<br />

Die Fässer waren mit Kreide beschriftet, neben<br />

den Kestener Lagen waren die guten Wingertslagen<br />

aus der Nachbarschaft vertreten, Brauneberger,<br />

Lieserer, auch Piesporter. »Wer soll<br />

denn in der Nacht die Fässer klauen?«, maulte<br />

der Rothaarige. »Es ist immer so gehalten worden<br />

mit der Weinwach, außerdem wird sie gut


ezahlt«, antwortete der Schiffer. Der Grad<br />

hielt sich gebückter, als es der Jakob in Erinnerung<br />

hatte, und abgemagert war er bis auf die<br />

Knochen. »Geld? Das bisschen Kupfer!« Der<br />

Rothaarige sprang mit Schwung vom Pferd.<br />

»Dat Gezänk bringt nix«, sagte der alte Polch<br />

schlichtend. »De Sonn is weg, et wird schnell<br />

dunkel. Wo kommen die Perd in den Stall?«<br />

Ins Dorf hinein lag auf ein paar Schritte, mit<br />

dem Fachwerkgiebel und dem aus behauenem<br />

Sandstein gefügten Erdgeschoss auf die Mosel<br />

ausgerichtet, ein größeres Anwesen mit Hof<br />

und seitlicher Stallung und Scheune.<br />

Der Schiffer wies auf den Torbogen: »Ihr seid<br />

im Himmeroder Hof angekündigt.«<br />

Der kleine Rensch und der Rothaarige führten<br />

ihre Gespanne hinüber.<br />

»Ich komm nach«, rief der alte Polch.<br />

»Es gibt nur noch den Himmeroder Hof«, sagte<br />

der Liesemer, »die Konkurrenz hat dicht gemacht.<br />

Weniger Fracht und Fahrten, weniger<br />

Halfen, die in Kesten die Perd einstellen. Seitdem<br />

die Eisenbahn transportiert, ist mit dem<br />

Treideln nix mehr zu verdienen. Wat war dat<br />

früher ein Betrieb.« Der Jakob Polch klatschte<br />

seinem Wallach auf die trockene Flanke, der<br />

ruhige Ritt hatte die Pferde nicht in Schweiß<br />

gebracht, das würde morgen bei der gefürchteten<br />

Wintricher Strömung anders sein, da würden<br />

die Taue ächzen.<br />

»Grad«, sagte er, »so is halt dat Leben. Die Zeit<br />

setzt allem ein End! Wenn du dein Dampfschiff<br />

hast, geht der hier zum Perdsmetzger.«<br />

Die schweren Kaltblüter waren hinter dem Torbogen<br />

verschwunden. Aus dem Dorf kam ein<br />

leerer Kuhwagen, die Dämmerung hatte die<br />

Schieferdächer bläulich eingetönt.<br />

»Wie is et, Jakob? Haste wieder ne Kuh im<br />

Stall?«<br />

»Erst muss der Stall wiederaufgebaut sein. Dat<br />

verflucht Gewitter! Wir habn Wochen gebraucht,<br />

bis dat Geröll und der Schlamm weg<br />

waren.«<br />

»Gegen Feuer wärst du versichert gewesen?«<br />

Der alte Polch winkte ab: »Wärst du versichert,<br />

wenn du mal vom Schiff fällst und ersäufst? Na<br />

also! Grad, wat machen die Frau und die Kinner?«<br />

»Danke der Nachfrage. Und in Premm?« »Dito«,<br />

sagte der alte Polch. »Aber du bist dünn<br />

geworden seit der Beerdigung.«<br />

»Wat ich im Sommer aufm Schiff verlier, futter<br />

ich mir im Winter wieder an. Tut mir wegen der<br />

Weinwach leid. Ich übernehm mit dem Rensch<br />

die erst Hälft von der Nacht. Wenn es hell wird,<br />

haust du dich nochmal aufs Ohr, bis die Fässer<br />

aufm Schiff sind. Dann sehn wir weiter. Oder<br />

hast du Bedenken?« »Ein Anfänger und zwei<br />

Aushilfen, der Rothaarige ist auch net vom<br />

Fach!«<br />

»Stell dein Licht net unter den Scheffel, du bist<br />

doch ein alter Fuhrmann! Bei dem wenigen<br />

Wasser kann ich gar net so viel Fässer laden,<br />

dass die neun Perd in die Knie gingen. Schlaf<br />

gut, Jakob!«<br />

Es war ein Stück nach Mitternacht, als sie von<br />

dem Jungen geweckt wurden. Die Nacht war<br />

warm. Die gebückte hagere Gestalt wartete unter<br />

dem Torbogen. Vom Hofeingang aus sah<br />

man die Schattenmauer der Weinfässer, im<br />

Nussbaum war der Widerschein eines Feuers,<br />

lang und dunkel hob sich das Schiff von dem<br />

helleren Wasser ab. Am Himmel zog lichtes<br />

Gewölk, das eine Mondsichel verschleierte<br />

oder freigab, die schief hing. Im Stall klopfte ein<br />

Pferd gegen Holz.<br />

Der Schiffer verabschiedete sich flüsternd. Seine<br />

Schritte verloren sich in einer Nebengasse.<br />

Der Rothaarige zog den Jakob am Ärmel: »Geh<br />

mal vor und, hier, nimm meinen Mantel mit!«<br />

Die Nacht war still. Der Fluss vermied längs des<br />

Schiffes jegliches Geräusch. Im Licht des<br />

schmalen Mondes verwirbelte unter der Ankerkette<br />

die Wasserfläche. Nur ab und an war ein<br />

Platschen zu hören, die großen Fische waren<br />

zugange. Wäre nicht der Sommer vorbei gewesen,<br />

hätte vom jenseitigen Ufer her eine Nachtigall<br />

geschlagen.<br />

Der alte Polch schob mit den Absätzen Glut<br />

und Holz zusammen. Dann setzte er sich auf<br />

seinen Mantel und lehnte, wobei er den Hut<br />

nach vorn schob, Rücken und Hinterkopf gegen<br />

die Fasswand. Er war sich nicht im Klaren,<br />

was er von dem Rothaarigen halten sollte, ganz<br />

katzgrau war der nicht. Je länger er auf die<br />

Lichtflecken starrte, die vor der Bordwand<br />

längs trieben, umso stärker war der Anschein,<br />

dass die Kette das Schiff stromauf zog.<br />

Lautlos war der andere unter dem Nussbaum<br />

aus dem Dunkel heraus aufgetaucht. »Gläser«,<br />

sagte er, »waren im Schankraum, das Schläuchelchen<br />

musst ich im Keller suchen.«<br />

»Dat kannst de net machen!«, sagte der Jakob.<br />

»Im Gegenteil«, sagte der andere und hockte<br />

321


sich neben ihn, »ich muss! In puncto Wein kenn<br />

ich mich aus, aber ich bin noch lang nicht gut<br />

genug.«Der alte Polch verkniff sich die Frage,<br />

woher er Ahnung vom Wein hätte. Stattdessen<br />

fragte er nach dem fehlenden Hut. »Was soll<br />

ich damit? Um aufzufallen hab ich die roten<br />

Haar geerbt. Deinem speckigen Deckel nach<br />

warst du immer bei dem Verein?« Das Feuerchen<br />

war aufgeflammt. »Bei den Halfen? Als<br />

ich freien ging, bin ich mitgeritten, um zu zeigen,<br />

dass ich in das Reiler Haus pass. Und wie<br />

ist dat bei dir?« »Komplizierter.« »Redst du net<br />

gern drüwer?« »Wie man es nimmt.« »Kannst<br />

de kein Platt?« »Ist Hochdeutsch verboten?«<br />

»Wieso verstehste denn wat vom Wein?« »Wieso?<br />

Durch Probieren.« »Dat geht über Studieren.«<br />

»Eben. Deswegen geh ich einen Stein suchen.«<br />

»Dat kannst du net machen!«, wiederholte<br />

der Jakob Polch. »Halt die Gläser und sei<br />

kein Spielverderber!«<br />

Als sie das dritte Fass probierten, war der alte<br />

Polch rasch zur Hand mit seinem Urteil, indem<br />

er ausspuckte. »Nicht nur viel zu sauer! Auch<br />

zu flach im Abgang!«, sagte der Rothaarige, er<br />

schüttete im Aufstehen das Glas aus, es roch<br />

jetzt nach Wein und dem Rauch des Holzfeuers.<br />

»Das Fass machen wir schnellstens wieder<br />

zu!« Man vernahm das leise Zuklopfen und<br />

dann am nächsten Weinfass das vorsichtige<br />

Anpochen, um obenauf den Holzpropf zu lösen.<br />

Dass der Rothaarige den Wein durch den<br />

Schlauch ansaugte, war dagegen nicht zu<br />

hören. »Und?« »Um Stufen besser!« »Das ist eine<br />

Brauneberger Juffer.« Der Rothaarige<br />

schlürfte nochmals mit hörbarem Genuss.<br />

»Noch frisch und jugendlich, aber mit der notwendigen<br />

Balance zwischen Säure und Süße,<br />

schon sehr harmonisch, sehr. Natürlich zu<br />

warm, dem fehlt entschieden Kellertemperatur.«<br />

»Dillenburger«, sagte der alte Jakob<br />

Polch, »du redest wie ein ausgepichter Weinkenner.<br />

Woher kenn ich deinen Namen?« »Vielleicht<br />

hast du meinen Vater gekannt.« »Deinen<br />

Vater?« »Der war 21 geboren. Das ist ungefähr<br />

dein Jahrgang, oder?«<br />

»Gib mir dein Glas her! Ich hol nochmal aus<br />

dem Brauneberger Fass.«<br />

Das Feuer knackte. Der Rothaarige kam<br />

zurück. Sie saßen und tranken und schwiegen.<br />

Einmal war, drüben am Ufer, im Wasser ein<br />

heftiges Platschen und Springen. »Die Großen<br />

fressen die Kleinen«, sagte der Rothaarige, »ich<br />

322<br />

geh die nächste Probe ziehen!« »Trink allein<br />

weiter! Nach der Kolik bei der Beerdigung hat<br />

mir de Doktor Sauferei verboten. Du meinst, ich<br />

könnt deinen Vater kennen?« »Gekannt haben.«<br />

»Is er tot?« »Leider. Hör mal, was sie über<br />

den geschrieben hatten:<br />

Johann Dillenburger, Tagelöhner und Landwehrmann<br />

1. Aufgebot, geboren und wohnhaft<br />

zu <strong>Wittlich</strong>, fünf Fuß sechs Zoll groß, mit rötlichen<br />

Haaren, breiter Stirn, grauen Augen,<br />

dicker Nase, gesunden Zähnen, rundem Kinn,<br />

gesunder Gesichtsfarbe, starker Gestalt.«<br />

»Wie gemalt!«, sagte der Jakob. »Den sieht<br />

man leibhaftig vor sich. Sogar im Dusteren.<br />

Und wer hat dat geschriewen?« »Erinnerst du<br />

dich, was 49 war?« »Da ging et mancherorts<br />

drunner unn driewer.« »Richtig! Und wo Prüm<br />

liegt, weiß du auch? Also! Mein Vater war 49<br />

mit dabei, wie sie das Zeughaus gestürmt haben.<br />

Meine Mutter war damals im Mai mit mir in<br />

der Hoffnung. Die haben das Zeughaus gestürmt,<br />

um an Gewehre zu kommen. Und das<br />

ist gelungen, obwohl es bewacht war, die Soldaten<br />

wollten nämlich nicht auf Landsleute<br />

schießen. Die Beschreibung ist aus der Anklageschrift.«<br />

»Kam dein Vater deswegen vor Gericht?«<br />

»Angeklagt, aber freigesprochen. Mein<br />

Vater hat dem Richter erzählt, dass er zufällig<br />

unter den Haufen geraten wär, er wär an dem<br />

Tag zu Fuß nach Prüm, um eine Geiß zu kaufen.«<br />

»Statt sich auf dem <strong>Wittlich</strong>er Viehmarkt<br />

umzugucken? Der war aber schön tappig, der<br />

Richter!« »Der Richter hat eher mit den Augen<br />

gezwinkert. Der Rädelsführer in Prüm war nämlich<br />

ein Rechtsanwalt aus Trier. Und eine Krähe<br />

hackt der anderen kein Auge aus. Bei den Soldaten<br />

allerdings wurd nicht gezwinkert. Das<br />

Militärgericht kannte keinen Pardon. Die wurden<br />

verurteilt und erschossen!« »Jesses! Die<br />

mussten sterben, weil se deiner Mutter deinen<br />

Vater nicht totschießen wollten?« »So ist es«,<br />

sagte der Rothaarige.<br />

»Jesses! Et gibt Sachen, die gibt et net! Ich war<br />

mal in Trier bei einer komischen Sach dabei. Da<br />

hat der Scharfrichter beim Marktkreuz einem,<br />

der war nach Amerika gefloh und der war auch<br />

wegen politischer Sachen zum Tod verurteilt,<br />

den Kopp abgeschlagen.«<br />

Der Dillenburger lachte. Er hatte den dünnen<br />

Schlauch um den Hals hängen. Das Feuer war<br />

abgebrannt, der Rest von Glut verlieh auch seinem<br />

Gesicht eine dunkelrote Färbung. »Der


Scharfrichter hat die groß Axt in de Richtblock<br />

gehau und so getan, als wär der Kopp ab. »Dadrauf<br />

trinken wir einen, Alter!« »Dat is aber endgültig<br />

mein letztes.« »Was ist, wenn ich eine<br />

Beerenauslese erwische?« Er verschwand wieder<br />

in der Dunkelheit unter dem Nussbaum. Die<br />

Mondsichel war aus den Wolkenschleiern herausgetreten.<br />

Nach einer Weile erst kam er<br />

zurück und war leise am Fluchen. »Probier mal!<br />

Riech erst! Das ist ein Reinfall!« Im Stehen<br />

nahm er erneut einen Probeschluck auf die<br />

Zunge. Der Jakob Polch roch, schlürfte, spuckte<br />

weg: »Da war zuviel Mist am Stock! Und du<br />

hast mir eine Beerenauslese in Aussicht gestellt!«<br />

Der Rothaarige setzte sich wieder. »Was hattest<br />

du wissen wollen? Woher ich mich beim<br />

Wein auskenn! Jakob, ich hab immer versucht,<br />

als Kellner in guten Häusern zu arbeiten, in<br />

besseren Hotels und so. Mit roten Haaren ist<br />

das nicht einfach. Aber wenn ich rausgeflogen<br />

bin, hatte ich gründlichst den Weinkeller studiert.<br />

Warst du schon mal bei einer großen Weinprobe<br />

dabei, wo auf dem Damasttischtuch die Sil-<br />

Da geh ich hin mit Augen<br />

die nicht sehn,<br />

mit einem Lächeln,<br />

das mir nicht bewusst,<br />

mit Worten<br />

die ich nicht gedacht,<br />

und einem Kleide,<br />

das mir völlig fremd. –<br />

Da geh ich hin<br />

und weiß nicht mal den Weg, –<br />

da geh ich hin,<br />

und weiß nicht mal das Ziel<br />

Da geh ich hin<br />

berkübel stehen, um den besten Wein auszuschütten?«<br />

Der Jakob verneinte. »Da müsstest<br />

du mal dabei sein! Meine Herren, ich bitte um<br />

Aufmerksamkeit für die nächste Probe! Wir verkosten<br />

nun eine 73er Essigkupp, eine hochgezuckerte<br />

Sauerampferbrühe aus dem Weingut<br />

Panscher, Besitzer Dr. von und zu Beschiss.«<br />

Da musste der Jakob doch prusten vor Lachen,<br />

obgleich er seit einiger Zeit schon dieses Sodbrennen<br />

im Hals spürte: »Bist du ein Ulkiger!«<br />

»Pass mal auf, ich geh nochmal ziehen, dann<br />

leg ich erst richtig los: Meine Herren, ich bitte<br />

um Aufmerksamkeit für die nächste Probe. Wir<br />

haben nun einen Riesling der Bischöflichen<br />

Weingüter im Glase aus dem Jahre Dominusvobiscum,<br />

mit einem reifen Weihrauchton in<br />

der Blume, während wir seitlich auf der Zunge<br />

den Geschmack von hochfeiner Nonnen ...«<br />

»Hör auf! Ich trink nichts mehr.« »Dann eben<br />

nicht! Dann lass uns schlafen, Alter!«<br />

Das Schiff war nur noch Schatten und Schemen,<br />

über dem nächtlichen Fluss woben Nebelfahnen.<br />

Aus dem Nussbaum fiel Kälte herab.<br />

Es roch nach Wein und nach dem strengem<br />

Blattwerk des dunklen Nussbaumes.<br />

Maria Kern-Steenvoort<br />

323


Wie fruh es dä Wallfahrer, dä bäi de Motdergotdes<br />

nao Klausen gäht, wenn en von weidem<br />

dä Klausener Kerchturm säiht. Wenn en dann<br />

immer nichsder kimmt, da saiht en owen of der<br />

Kerchturmspétz dat Fääßie, jao, e richdich run<br />

Wäinfääßie. Wie kimmt nou ousgerechent e<br />

Wäinfääßie lao of dä Kerchturm? Dat wéll ich<br />

äich erzehlen:<br />

Dat es nou schun mieh wie finefhunnert Joahr<br />

her, du waor en däm klänen Dorf Ferres nichst<br />

bäi Pejsbert innen aon der Musel en frume<br />

Mann, Eberhard, dä es jeden Daach dä Berch<br />

erofgedout bäi dä Graf Gottfried von Ääsch, fier<br />

bäi däm als Knäächt ze schaffen. Dä frumen<br />

Eberhard haat sich én en décke Baom, dä aon<br />

seinem Wääch gestan haot, en Motdergotdesfigur<br />

gestallt, en Schmerzhaft Mutdergotdes,<br />

on dao haot en jed Tour, wenn en draon vorbäigang<br />

es, gebäät, morgens on aowens.<br />

Änes Daochs, wie en mejdgeschafft von der<br />

Aorbet kum, haot en sich dao bäi däm Bildchie<br />

nejergeknejt, on du waor et em mät änemaol,<br />

als wie wenn en en Stimm hieren diet: »Meine<br />

gouden Eberhard, hei of der Plaaz sélls dou mir<br />

en Kerch bauen. Graod hei of der Plaaz séllen<br />

vil Lait bei mich kummen on bääden, on aalen,<br />

die mir ihr Nuut saon, séll geholf gen.«<br />

Helf-mer-stieh-mer-bäi, haot dä Eberhard gedaocht,<br />

lejv Motdergotdes, ich wéll jao alles<br />

gear fier dich doun, awer wie séll ich dat lao<br />

daorkrejn! On du haot en namaol die Stimm gehiert:<br />

»Maach nummen, et wird schun gaohn,<br />

äich helfen dir dabäi.«<br />

On du haot dä Eberhard sich mät Äifer draongen.<br />

Dä Pasdur von Ääsch waor sofort of seiner<br />

Sait. Dä Graf Gottfried haot em e Grundstéck<br />

geschenkt. On aal de Lait ous der ganzer Gejend<br />

hon aongepackt, Stään bäigeschlääft on<br />

bäim Bauen geholf, wu se nummen kunnten.<br />

Jeden Aorbeter, dä epbes schafft, es et wert<br />

dat en beluhnt get, on jed Aorbet es et wert, dat<br />

se esdamiert get, dat stäht schun en der Bibel.<br />

Su haot dä Eberhard däne Laiden, die su<br />

fläißich aongepackt hon, e Fääßie Wäin spen-<br />

324<br />

Dat Eberhardsfääßie en Klausen<br />

En Sage of Muselfränkisch erzehlt<br />

Josefine Wittenbecher<br />

diert. »Et wird net laang daorgaohn, dihr lejv<br />

Lait«, haot en gesaot, »awer et es doch mieh<br />

wie näist.«<br />

On, wat mänt dihr? Haot et daorgang fier änen<br />

Daach? Fier zwien? Oh Wunner, fier vil mieh!<br />

Die Bou-lait kunnten su laang ous däm Fääßie<br />

zaapen, bis dat dä ganze Kerchebou feerdich<br />

waor, on kaum waor de letzden Handgréff gedaon,<br />

kum kän Dréps mieh ous dem Kraonen.<br />

Lejv Motdergotdes, haot dä Eberhard bäi säich<br />

gedaocht, äich hon meint gedaon, on dou<br />

daint. Of däich es Verlaoss.<br />

Wat séllten se nou mät däm ledije Fääßie maachen?<br />

Dat waor flott beschloss: Et sollt owen of<br />

die Kerchturmspétz. On dao es et nach haut.<br />

Wenn nou en Wallfahrer nao Klausen bäi de<br />

Motdergotdes gäht on ä säiht dat Fääßie lao<br />

owen, dann séll en sich daodraon erinnern: Die<br />

Motdergotdes wääß, wat Menschen brouchen,<br />

on se helft, wu´t niedich es.<br />

In der Klosterkirche<br />

Sommerblumen<br />

blühen von<br />

der hohen Decke<br />

Während das<br />

Licht der Nachmittagssonne<br />

durch die bunten Scheiben<br />

fällt<br />

Auf mich<br />

die ich<br />

auf einer Bank sitzend<br />

nach vorne schaue<br />

Ich bin zwar unten<br />

aber keineswegs<br />

am Boden zerstört<br />

Elisabeth Freitag


Käremeß in Cues fia fofzesch<br />

Joare un mee<br />

Et iß schun mee wie en hallef hunnat Joar häa,<br />

datt in Cues Käremeß gefajat iß gänn. Vill iß net<br />

dohäa gemaach gänn, wail dä Käremeßdaach<br />

maaßdens in die Zäjt gefalle iß, wenn die Trauwe<br />

gelääse säj gänn. Un datt woa anfangs Novämba.<br />

Dä Kirjehällije von Cues iß dä Brixius.<br />

Dää woa Bischef von Tour in Frankräjsch noa<br />

däm hällije Meades. Däm Meades sajne Noamensdaach<br />

iß oam ällefde un däm Brixius sajne<br />

oam dräjzejnde Novämba. Dää Sunndaach<br />

troff odda dafia iß dann Käremeß gewääß. In<br />

däa Kiresch säjn dann all die Foahne offgehang<br />

gänn: vom Kirjekoa, von däa Broudaschaft, un<br />

so waida. Wie noch en Kaploahn in Cues woa,<br />

iß en dräjspännisch Hochamt gehaalt gänn. All<br />

die Kloahge säjn gelout gänn. Ma moost se<br />

noch meet Stregge zeje. Die Orejel hott fajalischa<br />

wie soaß gespillt. Un wail se doahfia mee<br />

Loft gebroucht hoat, moost dä junge Kärl, wo<br />

dä Ballesch geträäde hott, flodda maache wie<br />

on Wäadääsch. Noah dääm Hochamt woaret<br />

Zäjt fia ze ääse. Die Fraalajt haaden sesch<br />

schun dääschlang fiahäa geploacht: dat Hous<br />

gebotzt, Kuche gebaak un dä Proahde feadesch<br />

gemaach. En Daal von däne Lajde haat<br />

en Schwäjn geschloahcht. Un wämma noah<br />

däa Meeß durresch die Stroase iß gang, iß aanem<br />

dat Waasa in däa Maul zesoahmegelauf.<br />

So gout hoaddet iiwerall geruch noah Käremeßbroahde<br />

un roode Kaabeß odda Weeschem.<br />

Wail doahmoahls in Cues noch so en<br />

rischdesch Dorrefkäremeß gefajat iß gänn, koahmen<br />

och die Vawande von oußwäatz haj hin<br />

un worren gäa dabäj. Noah däm Ääse hoan die<br />

Vaddare en Zigga geraucht, genauso, wänn se<br />

en Fouda Wäjn vakauft haade. Meddes um<br />

zwoo Aua woa dann die Vääsba. Doah haaden<br />

die Lajt net vill droan, wail die Psaleme off Ladäjn<br />

gesung säj gänn. Dannoah iß Kaffee getrunk<br />

gänn. Die Fraalajt haaden doafia en Woahn<br />

voll Kuche gebaak: Zimmetkuche, Aabel-<br />

Cueser Mundart<br />

Franz Schmitt<br />

kuche, Bunt, Rosienekuche, Kasdekuche,<br />

Kranz un alles, wat dazou geheat. Dann hoan<br />

die Kinna en Krosche krejt un kunde off de<br />

Käremeßplaatz goahn. Dää woa bäjm Juuchenthajm.<br />

Träj odda veja Buude hoan doah<br />

gestanne un en Karressell. Äjsch waaß noch,<br />

wie die Käale on dääne Buude gerouf honn:<br />

»Hau den Lukas, dann dreht sich der Baias, der<br />

Sohn des Zacharias« odder: »Dreimal gedreht<br />

ist viermal gewonnen!« Oan aanem Stant haat<br />

dää Mannskäal zejn leedesch Bixe offgestallt:<br />

inne veja, doa troaff träj, dann zwoo un dalätzt<br />

aan Bix. Via en Krosche kunnt ma träj Balle ous<br />

Stoff kaufe und doameet off die Bixe schmäjse.<br />

Wemma all Bixe roahfgeschmeeß haat, hott ma<br />

en Bäa krejt. Doahmoahls woa in Cues en junge<br />

Mannskäal, dä kunt bäßa schmäjse wie all<br />

die annere. Däßwäje hoan sen Staaneknibbat<br />

genannt. Jeedesmoahl, wänn dää träj Bällscha<br />

geschmeeß haat, worren die Bixe vaschwunde.<br />

Die Kinna hoan zougekuukt. Dann hoan se gesoaht:<br />

»Joaggeb (ää hott Kriebse odda Härriese<br />

Joaggeb gehaaß), schmäjß aaß fia<br />

mähjsch!« Jeet Kinnt bekoahm en Bäa. Off aamoahl<br />

säat dää Mannskäal hinna däa Teek:<br />

»Heeren se off, se maachen mesch bankrott!«<br />

Dä Joaggeb hoatt noch en Bäa krejt un hott dä<br />

Mann in Rou geloaß. In mannije Joahre woa<br />

och en Schougel doa. Die Cueser Kinna haaden<br />

Gescheck fia se schougele. Iare Vadda<br />

haat hinnerem Haus on aanem Boahm en<br />

Heetschel fia sie gemaach. Dat haaßt, ää haat<br />

on aanem Boamaast en Streck ongekneppt un<br />

inne en Präät in dat Saal gezooche, datt die<br />

Kinna sisch troffsetze kunnde. Dann honnse<br />

geheetschelt. Noa via die Baan gestraakt un<br />

noa hinne oangezooche. Wat woa dat en<br />

scheen Zäjt, die Cueser Käremeß. Wie dat<br />

Bärekässeler Wäjnfästsche oaffkumme iß, dat<br />

woa näjnzejnhunnatahnunfoffzesch, woaret<br />

meet däa Cueser Käremeß ouß.<br />

325


Natur<br />

im<br />

<strong>Landkreis</strong>


Tal der kleinen Kyll<br />

Idyllische Bachtäler im Kreis<br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Zu den landschaftlichen Sehenswürdigkeiten<br />

unseres <strong>Landkreis</strong>es gehören sicherlich die in<br />

Eifel und Hunsrück eingeschnittenen Bachtäler,<br />

die sich durch ihre natürliche Ursprünglichkeit<br />

und Schönheit zum Wandern geradezu<br />

anbieten und eignen. Im Hunsrück sind es die<br />

Täler der Kleinen und Großen Dhron, das Tal<br />

des Hölzbaches, des Veldenzer Baches, das<br />

Hinterbachtal mit seinen Mühlen zwischen<br />

Gonzerath und Veldenz, das Tiefenbachtal<br />

zwischen Longkamp und <strong>Bernkastel</strong>, das Trabener<br />

Bachtal von Wederath nach Kautenbach,<br />

das Kautenbachtal, das Kleinicher<br />

Bachtal, das Ahringsbachtal zwischen Lötzbeuren<br />

und Enkirch sowie das Großbachtal bei<br />

Enkirch. In der Eifel zieren das Tal der Salm,<br />

des Bendersbaches, des Kailbaches, der Lieser,<br />

der Kleinen Kyll, des Alfbachs zwischen<br />

Eckfeld und Alf und des Ueßbaches zwischen<br />

Arnold Binzen<br />

Strotzbüsch und Alf das landschaftliche Angebot<br />

unseres Kreisgebietes. Ihre verschwiegene<br />

Naturschönheit macht sie zu Oasen der Natur.<br />

Die zahlreichen Mühlen in den Bachtälern<br />

zeugen von der einstigen Bedeutung der Wasserläufe<br />

für den Menschen. In der heutigen<br />

Zeit sind die Mühlen Ferien- und Wochenenddomizile<br />

von Menschen, die ihre Ruhe und Erholung<br />

und die Begegnung mit der Schönheit<br />

unserer Landschaft suchen. Dem Wanderer<br />

und Naturfreund bieten die verträumten Täler<br />

eine beeindruckende Naturlandschaft und Begegnungen<br />

mit der Flora und Fauna von Eifel<br />

und Hunsrück.<br />

Besondere Aufmerksamkeit wollen wir den wenigen<br />

Wasserfällen und Stromschnellen widmen,<br />

die wir in unserem <strong>Landkreis</strong> haben, und<br />

die den romantischen Tälern ihren außergewöhnlichen<br />

Reiz verleihen.<br />

327


Der Wasserfall im Tal der Kleinen Kyll<br />

Der kleine Wasserfall unterhalb der Mündung<br />

des Horngrabens in die Kleine Kyll lässt nur<br />

noch wenige Spuren eines vor einigen zehntausend<br />

Jahren existierenden 30 Meter hohen<br />

Wasserfalles der Kleinen Kyll erkennen.<br />

Ein Lavastrom der Vulkangruppe des Mosenbergs<br />

hatte der Kleinen Kyll den Lauf versperrt<br />

und sie angestaut. Die Strudellöcher in den Felsen<br />

unter der Wanderbrücke und der kleine<br />

Wasserfall sind die letzten Zeugen dieses ehemaligen<br />

Naturschauspiels im Tal der Kleinen<br />

Kyll.<br />

Der Wasserfall in der Hölzbachklamm<br />

Durch die Hunsrücklandschaft fließt die kleine<br />

Hölzbach, die als unscheinbares kleines Rinnsal<br />

in die Große Dhron mündet. Von Merscheid-Hölzbach<br />

her verläuft ein Wanderweg<br />

entlang dieses Baches. Das letzte Drittel dieses<br />

empfehlenswerten Weges führt den Wanderer<br />

durch die sogenannte »Hölzbachklamm«, ein<br />

Wasserfall Hölzbachklamm Rauschkümpel<br />

328<br />

enges Tal, in dem der Bach malerisch durch<br />

das Schiefergestein mäandriert und etwa 100<br />

Meter vor der Mündung einen der schönsten<br />

Wasserfälle des Hunsrücks bildet.<br />

Der Rauschkümpel im Ahringsbachtal<br />

Vorbei an idyllisch gelegenen alten Mühlen, die<br />

den Bachlauf zwischen Enkirch und Lötzbeuren<br />

säumen, trifft der Wanderer auf seinem<br />

Weg zwischen Mosel und Nahe auf einen Wegweiser<br />

mit dem Namen »Rauschkümpel«. Hinter<br />

diesem Begriff verbirgt sich nicht, wie sich<br />

vielleicht annehmen lässt, ein wallender Born,<br />

sondern ein wenig bekannter, aber attraktiver<br />

Wasserfall des Hunsrücks. Begleitet vom lauten<br />

Rauschen des Wassers stürzt der Steierbach<br />

aus einem Seitental des Ahringsbachtales<br />

über eine Felsstufe in sein Auffangbecken,<br />

um sich wenig später durch ein schmales und<br />

glattes Felsbett, einer Rutschbahn ähnlich,<br />

über kleine Kaskaden dem Ahringsbach langsam<br />

zu nähern.


Das Felsenmeer der Großen Dhron<br />

Zwischen Reinhardsmühle und Hunolstein bietet<br />

die Große Dhron in einer landschaftlich reizvollen<br />

Umgebung das Bild eines reißenden<br />

Wildbaches. Ein Felsenmeer von großen Quarzitblöcken,<br />

»Weiße Wacken« genannt, zwängt<br />

den Lauf der Großen Dhron ein und lässt sie<br />

zwischen den großen Brocken hindurchschlängeln.<br />

Der ruhige Fluss wird durch die zahlreichen<br />

Stromschnellen und Verengungen zu einem<br />

lauten und kraftvollen Wildbach.<br />

Die Große Dhron sucht sich ihren Weg durch das Felsenmeer (Bild oben und unten)<br />

329


330<br />

Die Dhron<br />

Ein Plätschern und Springen,<br />

ein Gurgeln und Singen,<br />

ein Schäumen und Purzeln<br />

auf Steinen und Wurzeln.<br />

Nie kann sie verweilen<br />

ein Strömen und Eilen,<br />

es sei denn im Eise,<br />

da flüstert sie leise<br />

und kuschelt sich hin<br />

in träumendem Sinn.<br />

Die D h r o n.<br />

Doch weckt sie die Sonne<br />

des Lenzesschein Wonne,<br />

dann wird sie lebendig,<br />

gesprächig und wendig.<br />

Dem Wand’rer zur Kühle,<br />

den Kindern zum Spiele,<br />

den Tieren zum Labe<br />

ohn’ großes Gehabe.<br />

Die D h r o n.<br />

Durch Wiesen und Felder,<br />

längst Hecken und Wälder<br />

geht schlängelnd ihr Lauf,<br />

sie hält niemand auf.<br />

Tritt früh aus der Enge<br />

und weitet die Zwänge,<br />

strebt rastlos ohn’ Ruh<br />

dem Moselbett zu.<br />

Die D h r o n.<br />

Der Wolken Geleite,<br />

der Bäume Geschmeide,<br />

sie runden das Bild,<br />

von Frieden erfüllt,<br />

das, der D h r o n.<br />

Liesel Franz


Der Allgemeinbegriff des Grünlandes umfasst<br />

eine Vielzahl von Biotoptypen und Pflanzengesellschaften,<br />

die als ökologische Standortanzeiger<br />

zur Bewertung von Landschaftsteilen eine<br />

erhebliche Rolle spielen. Unser heutiges<br />

Grünland ist wie jede Vegetationseinheit Mitteleuropas<br />

nicht stabil, sondern unterliegt einer<br />

ständigen dynamischen Entwicklung, ökologisch<br />

gesehen zum Positiven wie zum Negativen<br />

hin, und zwar abhängig von dem Maß der<br />

Bewirtschaftung. Eine Betrachtung und Analyse<br />

des Grünlandes in einem bestimmten geographischen<br />

Raum muss zwangsläufig von der<br />

Tatsache ausgehen, dass dieser Vegetationstyp<br />

gerade für unseren Kreisraum nicht als<br />

natürlich anzusehen, vielmehr anthropogen bedingt<br />

ist. Dazu sei ein historischer Rückblick<br />

gestattet.<br />

Historie<br />

Grünland im Kreisgebiet<br />

Als Grünland wird gemeinhin die landwirtschaftliche<br />

Nutzfläche bezeichnet, die als Wiese<br />

oder Weide Grundlage für die Viehwirtschaft<br />

in unserem Raum ist; man muss dazu aber<br />

auch Streuwiesen, Hutungen (Magerweiden)<br />

oder Ödland rechnen. Von dieser Feststellung<br />

ausgehend verdanken die meisten Grünländereien<br />

ihre Existenz der Waldrodung durch<br />

Schlag oder Feuer ebenso wie einer Waldzerstörung<br />

durch Weidenutzung (Waldweide).<br />

Wiesen und Weiden sind also vom Menschen<br />

geschaffene Ökosysteme (Klapp, 1965), die<br />

durch bestimmte Nutzungsformen im künstlichen<br />

Gleichgewicht gehalten werden. Wirklich<br />

natürliches Grünland findet sich in Mitteleuropa<br />

heute nur noch an ausgesprochen waldfeindlichen<br />

Standorten, d. h. jenseits der Baumgrenze<br />

in den Alpen bzw. im Überschwemmungsbereich<br />

von Gewässern sowie in Moorgebieten,<br />

wie es sie hier und da in Eifel und Hunsrück<br />

meist in Verbindung mit Fließgewässern noch<br />

gibt, z. B. Dhrontal, Ahringbachtal, Liesertal.<br />

Die Grünlandentwicklung in Mitteleuropa verlief<br />

über mehrere Jahrtausende. Wenn man davon<br />

ausgeht, dass sich die Pflanzendecke in<br />

Mitteleuropa vor etwa 5 000 Jahren unter den<br />

Jochen Hild<br />

vorliegenden natürlichen ökologischen Bedingungen<br />

entwickelte, so hat man damit in etwa<br />

auch den Beginn der Grünlandentwicklung. Wir<br />

wissen heute über die Entwicklung unserer<br />

Kulturlandschaft recht gut Bescheid, so etwa<br />

auch, dass seit Ende der mittleren Wärmezeit<br />

(ca. 3 000 v. Chr.) in klimatisch und bodenmäßig<br />

geeigneten Gebieten die erste ackerbauliche<br />

Bewirtschaftung erfolgte (= neolithischer<br />

Ackerbau). Die beginnende bäuerliche<br />

Kultur bediente sich zunächst und vorwiegend<br />

des Getreideanbaues, der eine nachhaltige<br />

Veränderungswirkung auf die Vegetationsstruktur<br />

hatte, da mit ihm erstmals eine Waldvernichtung,<br />

ausgehend von den Siedlungsbereichen,<br />

verbunden war. Während der späten<br />

Wärmezeit (3 000 bis 500 v. Chr.) verstärkte<br />

sich diese Entwicklung erheblich, und in der<br />

Bronze- und Eisenzeit wurden z. B. auch die<br />

Flussauen vielerorts in eine landwirtschaftliche<br />

Nutzung einbezogen. In zunehmendem Maße<br />

kam zu dieser Zeit auch die Viehhaltung in Mode,<br />

die sowohl in den Auen- als auch in den Hügellandbereichen<br />

nur durch eine mehr oder weniger<br />

intensive Waldweide möglich war. Damit<br />

wurde dann gleichzeitig die Grundlage für die<br />

Entstehung spezieller Biotoptypen wie Zwergstrauchheiden,<br />

Magerrasen und Trockenrasen<br />

geschaffen.<br />

In der Nachwärmezeit (ab ca. 500 v. Chr.)<br />

benötigte man in zunehmendem Maße Holzkohle<br />

zum Schmelzen von Eisen und übernutzte<br />

dazu die mittlerweile in unserem kühlfeuchten<br />

Klima entstandenen Buchenwälder, welche<br />

die Eiche als Hauptholzart verdrängt hatten.<br />

Fast zeitgleich gründeten die Römer die ersten<br />

größeren, auf reine landwirtschaftliche Nutzung<br />

ausgerichteten Gutshöfe. In dieser Zeit<br />

entstanden Ackerflächen, sog. Hochäcker, die<br />

heute mittlerweile alle wieder von Wald überwachsen<br />

sind, da sie wegen ihrer ungünstigen<br />

ökologischen Bedingungen - Klima, Boden -<br />

unrentabel sein mussten. Ein wichtiges Ereignis<br />

für die Landschaft war dann sicherlich die<br />

Völkerwanderung, da in dieser Zeit die »Inkulturnahme«<br />

von Land unterblieb und sich zu-<br />

331


nehmend wieder Buchenwälder ausbreiteten.<br />

Die beiden der Völkerwanderung folgenden<br />

Siedlungswellen im 7./8. und im 11./12. Jahrhundert<br />

hatten dann wieder nicht unerhebliche<br />

Waldrodungen zur Folge, während danach im<br />

Mittelalter Wüstungsperioden einsetzten. Darunter<br />

versteht man die Aufgabe von Nutzland<br />

durch Abwanderung der Landbevölkerung in<br />

größere Siedlungsbereiche oder auch durch<br />

Dezimierung der Bevölkerung infolge Krieg und<br />

Seuchen; eine Klimaverschlechterung vom 15.<br />

bis 17. Jahrhundert tat ein Übriges dazu. Im<br />

Endergebnis waren alle Wüstungsperioden in<br />

besonderem Maße kulturlandschaftsverändernd,<br />

da der Wald immer wieder einmal eine<br />

Chance zur Regeneration erhielt, die meist jedoch<br />

nur über kurze Perioden von wenigen<br />

Jahrzehnten erfolgte.<br />

Entscheidend für die weitere Entwicklung war<br />

die Tatsache, dass die Nutzung des Waldes<br />

durch Vieh, Holz und Laubstreugewinnung andauerte,<br />

sodass sich anstelle der natürlichen<br />

und ursprünglichen Waldgesellschaften Ersatzgesellschaften<br />

bildeten. In unserem Raum<br />

entstanden aus Buchen-Eichenwäldern z. B.<br />

Heidegesellschaften, aus trockenen Eichen-<br />

Birkenwäldern Trockenrasen, aus Kalk-Buchenwäldern<br />

Kalk-Halbtrockenrasen und aus<br />

fichtenreichen Buchen-Wäldern Ginster-Heiden,<br />

wie sie heute noch weit verbreitet im<br />

Kreisgebiet vorkommen. Diese Ersatzgesellschaften,<br />

denen heute sogar ein nicht unerheblicher<br />

ökologischer Wert zukommt, wiesen nur<br />

noch Waldreste auf, z. B. stachelige und dornige<br />

Waldmantelgebüsche, die vom Vieh verschmäht<br />

wurden; die Entwicklung zur sogenannten<br />

Triftweide war damit aber eingeleitet<br />

und blieb bis zur Trennung in landwirtschaftlich<br />

und forstwirtschaftlich genutzte Flächen bestehen.<br />

Erst um 1850 etwa wurden in Mitteleuropa<br />

die Waldweiderechte nach und nach abgelöst.<br />

Damit endete dann eigentlich auch die sog.<br />

Koppel- und die Dreifelderwirtschaft, durch die<br />

man seit dem Mittelalter eine gewisse Ordnung<br />

in die landwirtschaftliche Landnutzung zu bringen<br />

versucht hatte. An die Stelle dieser Bewirtschaftungsformen<br />

trat im 19. Jahrhundert die<br />

Wechselwirtschaft: Getreide, Hackfrucht, Futterpflanzen,<br />

Grünland. Diese Fruchtfolge<br />

brachte bessere Erträge, und auch die Viehwirtschaft<br />

erfuhr eine Erleichterung; eine Waldweide<br />

konnte entfallen, die höhere Futterpro-<br />

332<br />

duktion führte zur Vergrößerung der Viehbestände<br />

und somit auch des anfallenden natürlichen<br />

Düngers, der wiederum dem Ackerbau<br />

zugute kam. Die Wiesen waren in dieser Zeit<br />

um 1850 noch einschürig, da sie nicht gedüngt<br />

wurden; zweischürige Wiesen entstanden erst,<br />

als im Ackerbau die Mineraldüngung eingeführt<br />

wurde, jedoch versuchte man schon, durch<br />

Bewässerung infolge Grabenziehung in trockeneren<br />

Grünlandbereichen eine Ertragserhöhung<br />

der Wiesen zu erreichen; es entstanden<br />

z. B. vorwiegend in Talbereichen Wässerwiesen.<br />

Die zunehmende Industrialisierung gegen Ende<br />

des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

führte vielfach schon kleinflächig zu einer sehr<br />

starken Differenzierung des Grünlandes, da der<br />

Einsatz von Maschinen und die Verwendung<br />

von Mineraldüngern die unterschiedlichsten<br />

Bewirtschaftungsintensitäten und auch die<br />

Nutzung von Extremstandorten - Grenzertragsböden<br />

- erlaubten. Der Begriff der Melioration<br />

wurde insbesondere in den Jahrzehnten vor<br />

und nach dem letzten Weltkrieg groß geschrieben.<br />

Man versteht darunter alle kulturtechnischen<br />

Maßnahmen zur agrarwirtschaftlichen<br />

Bodenverbesserung: Trockenlegung und Entwässerung<br />

ebenso wie Bewässerung und Beregnung,<br />

Intensivdüngung sowie Moor- und<br />

Ödlandkultivierung, letztlich aber auch alle<br />

Maßnahmen der Flurbereinigung. Bedauerlicherweise<br />

erfolgten derlei Kultivierungsmaßnahmen<br />

manchmal sogar trotz besseren Wissens<br />

ohne Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten,<br />

wodurch es zu einer Verarmung<br />

an Grünlandtypen kam, die nur noch<br />

großflächig und einheitlich bewirtschaftet wurden.<br />

Diese Verarmung wirkte sich nicht nur hinsichtlich<br />

der Flora, sondern auch und ganz besonders<br />

im Hinblick auf die Fauna äußerst negativ<br />

aus. Die weitere Intensivierung der Nutzung<br />

- Vielschnittwiesen -, die durch bedenkenlose<br />

organische und anorganische Düngung<br />

möglich wurde sowie der Einsatz von<br />

Herbiziden zur »Unkraut«-Bekämpfung führte<br />

über Jahre zu einer Erschöpfung der Wuchskraft<br />

des Grünlandes; die Flächen wurden wieder<br />

umgebrochen, mit ertragsreicheren Saatgutgemischen<br />

eingesät; es entstand das Saatgrasland,<br />

das in manchen Teilen Mitteleuropas<br />

heute 90 % der Grünlandfläche einnimmt.<br />

Der Rückgang der landwirtschaftlichen Pro-


Grünland-Ackerbau-Landschaft im Hunsrück bei Morbach<br />

Goldhafer-Grünland der Weichholzaue bei Rachtig<br />

333


duktion kam in den letzten beiden Jahrzehnten<br />

jedoch der Natur zugute; extensive Bewirtschaftungsformen<br />

sowie das Offenlassen von<br />

großflächigen Grünlandbereichen führten auch<br />

in unserem Kreisgebiet zu einer zunehmenden<br />

Vernatürlichung der Grünlandstandorte. Zieht<br />

man das Fazit aus der Entwicklung der Landwirtschaft<br />

über viele Jahrhunderte hinweg, so<br />

ergibt sich die Notwendigkeit, alle zukünftigen<br />

Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen sowie<br />

-systeme an ökologischen Eckdaten zu orientieren,<br />

um die Pflege der historisch gewachsenen<br />

Kulturlandschaft und eine Renaturierung<br />

ehemals intensiv genutzter Grünlandflächen sicherzustellen.<br />

Ökologische Eckdaten<br />

Grundsätzlich ist bei Grünland in unserem<br />

Kreisgebiet zwischen Extensiv- und Intensivgrünland<br />

zu unterscheiden. Ersteres unterliegt<br />

heute meist einer ein- oder zweischürigen Nutzung<br />

mit Nachbeweidung oder es dient als<br />

Koppel- bzw. Magerweide; bei Sonderstandorten<br />

verzichtet man vielfach auch auf die jährliche<br />

Nutzung, »bewirtschaftet« stattdessen in<br />

mehrjährigem Abstand und erreicht so eine gewisse<br />

Form von Brachen. Extensivgrünland ist<br />

generell durch standortangepasste, meist artenreiche<br />

Pflanzengesellschaften geprägt. Für<br />

den Arten- und Biotopschutz hat die extensive<br />

Grünlandnutzung deshalb auch eine herausragende<br />

Bedeutung, da es hier zu einer langfristigen<br />

Sicherung von Tier- und Pflanzenarten sowie<br />

ihren Lebensräumen kommt.<br />

Die Intensivnutzung dagegen strebt, da auf Ertrag<br />

ausgerichtet, Grünland mit wenigen leistungsfähigen<br />

Futterpflanzen an, die sowohl<br />

häufigen Schnitt als auch hohe Trittbelastung<br />

ertragen. Das bedeutet, dass sich standortangepasste<br />

Pflanzengesellschaften nicht mehr<br />

entwickeln können und solche Flächen für den<br />

Arten- und Biotopschutz verloren sind.<br />

Aus dem Vorstehenden ergibt sich also, dass<br />

die Art der Nutzung entscheidend für die ökologische<br />

Wertigkeit der einzelnen Grünland-Biotoptypen<br />

ist. Welche Nutzungsformen müssen<br />

nun unterschieden werden? Flächen mit landwirtschaftlicher<br />

Nutzung, d. h. Futterbau und<br />

Beweidung sind als ökologisch minderwertig<br />

anzusehen; sie können nur durch zunehmende<br />

Extensivierung eine ökologische Aufwertung<br />

erfahren. Die Erholungsnutzung, der heute<br />

334<br />

viele Grünlandflächen auch im Bereich von Naturparks<br />

unterliegen, ist in ihrer Wirkung auf<br />

den Arten- und Vegetationsbestand sehr differenziert<br />

zu betrachten. Folgen die »Erholungsuchenden«<br />

den meist vorgegebenen Wanderstrecken,<br />

entstehen keine Schäden, werden<br />

solche Flächen aber durch Modellflugsport,<br />

Drachenflieger, Motocrossfahrer, frei laufende<br />

Hunde »genutzt«, gehen sie in ihrem ökologischen<br />

Wert sehr schnell zurück, insbesondere<br />

dann, wenn es sich um Wiesenvogelschutzgebiete<br />

handelt, die einer für die Wiesenvögel<br />

nicht kalkulierbaren Nutzung unterliegen. Die<br />

militärische und verkehrstechnische Nutzung<br />

hat, so absurd das auch klingen mag, in<br />

vielen Fällen eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt<br />

erhalten. Gerade in den Regierungsbezirken<br />

Koblenz und Trier sind solche ehemaligen<br />

Militärflächen seit Beginn der neunziger<br />

Jahre als ökologisch besonders wertvoll bekannt.<br />

Der Grund für diese hohe ökologische<br />

Bewertung liegt in der über Jahrzehnte erfolgten<br />

extensiven Nutzung mit zum Teil kurzfristig<br />

extremen Einschnitten z. B. durch Panzerbefahrung<br />

oder Schießbetrieb; dadurch entstanden<br />

vielfach Extremstandorte mit entsprechender<br />

Fauna und Flora. Die jagdliche Nutzung<br />

schließlich ist eine der ältesten Nutzungsformen<br />

des Grünlandes und im ökologischen Sinne<br />

positiv zu bewerten, wenn eine extensive<br />

Grünlandnutzung erhalten werden kann, negativ<br />

wirkt sich dabei jedoch die vielfach erfolgende<br />

Anlage von Wildäckern aus, wodurch es zu<br />

einer Entwertung der Grünlandstandorte<br />

kommt, weil damit vielfach auch ein zu hoher<br />

Wildbestand verbunden ist, der wiederum zu<br />

erheblichen Verbissschäden führt.<br />

Im Einzelnen entwickeln sich die Grünland-Biotoptypen<br />

in sehr starker Abhängigkeit von den<br />

ökologischen Gegebenheiten, die über die<br />

pflanzensoziologische Zuordnung entscheiden:<br />

Bodenart, Bodentyp, Wasserhaushalt,<br />

Nährstoffversorgung und Klimaeinflüsse!<br />

Grundsätzlich gilt, dass der Grünlandertrag mit<br />

zunehmendem Tongehalt des Bodens steigt,<br />

und damit verbessern sich dann auch die Nährstoff-<br />

und Bodenwasserverhältnisse, wohingegen<br />

die Neigung zur Bodenverdichtung und<br />

Oberflächenvernässung mit zunehmendem<br />

Tongehalt ansteigt, eine sehr eindrucksvolle<br />

ökologische Beziehungskette, die sowohl positiv<br />

wie negativ zu bewertende Zusammenhän-


ge zeigt. Die Grünlandböden sind in unserem<br />

Raum meist Braunerden mit tief liegendem<br />

Grundwasser, in den Fluss- und Bachlaufbereichen<br />

finden sich zudem Aueböden, die sich<br />

aus Sedimenten verschiedenster Herkunft zusammensetzen,<br />

in grundwassernahen Bereichen<br />

aber auch Gleyböden, die mineralische,<br />

grundwasserbeeinflusste Lehmböden darstellen<br />

und für Feuchtwiesen und Röhrichte charakteristisch<br />

sind. Schließlich finden sich im<br />

Bereich von Verlandungszonen und grundwassernahen<br />

Geländesenken Moorböden verschiedener<br />

Struktur, die je nach Feuchtigkeitsgehalt<br />

wiederum eine ganz spezielle meist torfmoosreiche<br />

Vegetationsform zur Folge haben.<br />

Es bleibt also festzuhalten, dass Bodenart (z.<br />

B. toniger Lehm), Bodentyp (Braunerde) und<br />

Wasserhaushalt (Niederschlagswasser, Grundwasser,<br />

Haftwasser und Stauwasser) sehr wesentlich<br />

Art und Entwicklung des jeweiligen<br />

Grünland-Biotoptyps bestimmen.<br />

Von nicht minder großer Bedeutung sind Nährstoffversorgung<br />

und Klimaeinflüsse. Wesentlichste<br />

Nährstoffe sind Stickstoff, Phosphor,<br />

Schwefel, Kalium, Calcium und Magnesium sowie<br />

eine Reihe von Spurenelementen wie Bor,<br />

Eisen, Mangan, Zink und Kupfer. Diese Nährstoffe<br />

müssen aber verfügbar, d. h. für die<br />

Pflanze aufnehmbar sein, denn die Pflanzen<br />

der Grünlandgesellschaften sind den jeweils<br />

verfügbaren Mengen dieser Nährstoffe angepasst.<br />

Es gibt z. B. Arten mit geringen Stickstoffansprüchen<br />

wie das Borstgras (Nardus<br />

stricta) und solche mit hohen Stickstoffansprüchen<br />

wie das Rote Straußgras (Agrostis<br />

capillaris). Solche stickstoffliebenden Arten beantworten<br />

z. B. eine Stickstoffdüngung mit einem<br />

verstärkten Massenwachstum, wodurch<br />

andere Arten im Extremfall verdrängt werden<br />

und der urspüngliche Grünlandbestand an<br />

Natürlichkeit verliert. Verzichtet man dagegen<br />

auf Düngung und entfernt den jährlichen Aufwuchs<br />

regelmäßig durch Mahd, magert man<br />

den Bestand aus, vernatürlicht ihn also wieder.<br />

In der ökologischen Landschaftspflege des<br />

Grünlandes gilt deshalb: Schützenswertes<br />

Grünland sollte die vom jeweiligen Standort<br />

vorgegebene Nährstoffversorgung als Ausgangsbasis<br />

erhalten mit dem Ziel, die Artenvielfalt<br />

in der jeweiligen Pflanzengesellschaft<br />

sicherzustellen. Ähnliche Wechselwirkungen<br />

lassen sich auch mit anderen Nährstoffen auf-<br />

bauen, z. B. durch Zufuhr von Kalk. So kann<br />

man etwa durch gezielte Stickstoff- oder Kalkgaben<br />

den Charakter einer Grünlandpflanzengesellschaft<br />

manipulieren, etwa die Entwicklung<br />

eines saueren Magerrasens durch Verzicht<br />

auf Kalk und die eines Kalkmagerrasens<br />

durch Zufuhr von Kalk und Verzicht auf Stickstoff,<br />

sofern das Ausgangsgestein für die Bodenbildung<br />

dies überhaupt zulässt.<br />

Unter den Klimaeinflüssen sind die Faktoren<br />

Licht, Temperatur, Klimafeuchte und Wind von<br />

entscheidender Bedeutung. Der Lichtfaktor ist<br />

entscheidend für die Stoffproduktion. In einer<br />

einschürigen Mähwiese haben Pflanzenarten in<br />

den unteren Schichten kaum eine Entwicklungschance;<br />

zur Steigerung des Artenreichtums<br />

ist deshalb eine zweite Mahd/Jahr erforderlich.<br />

Der beste Massenzuwachs im Wirtschaftsgrünlandbestand<br />

erfolgt bei einer Temperatur<br />

zwischen 17 und 21° C; Borstgrasrasen<br />

bevorzugen für eine geschlossene Entwicklung<br />

jedoch niedrigere Temperaturen (< 15 ° C).<br />

Die Verbreitung der Grünland-Biotoptypen ist<br />

in unserem stark strukturierten Raum aber<br />

auch ganz wesentlich von der Höhenlage abhängig.<br />

Grünlandverbreitung und Ertragshöhe<br />

steigen mit den Niederschlägen an, jedoch besteht<br />

hier eine Wechselwirkung mit der Temperatur,<br />

denn abnehmende Temperatur lässt Erträge<br />

trotz erhöhter Niederschläge in größeren<br />

Höhenlagen absinken. Und schließlich der<br />

Windfaktor, der in offenen Grünlandbeständen<br />

z. B. auf flachgründigen Böden und in Höhenbereichen<br />

der Mittelgebirge erodierend wirken<br />

kann.<br />

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass<br />

die meisten Pflanzenarten des Grünlandes<br />

deutlicher Ausdruck der ökologischen Situation<br />

nicht nur ihres jeweiligen Wuchsraumes,<br />

sondern auch ihres Standortes sind. Sog. Zeigerpflanzen<br />

sind in solchen Pflanzenbeständen<br />

ausgezeichnete Indikatoren zur Beurteilung der<br />

Umweltverhältnisse in einem Kleinraum.<br />

Zukunftsperspektiven<br />

Nicht nur während der vergangenen Jahrhunderte,<br />

sondern auch in den letzten 50 Jahren ist<br />

die Landwirtschaft in unserem Raum einem erheblichen<br />

Strukturwandel unterlegen. Dabei<br />

waren insbesondere die Veränderungen der<br />

letzten Jahrzehnte vergleichsweise schnell und<br />

tiefgreifend. Die erste Folge dieses Struktur-<br />

335


wandels war bedauerlicherweise eine »Maximierung<br />

der Uniformität« in der Landschaft.<br />

Dies beginnt mit offen gelassenem, verbrachendem<br />

Nutzland und endet mit großflächigen<br />

Monokulturen von Raps, Mais, Fichten und<br />

Reben. Die landschaftlichen Kleinstrukturen,<br />

die ihren Ursprung in der speziellen bäuerlichen<br />

Wirtschaftsweise Mitteleuropas hatten<br />

und die ökologisch so wichtig sind, wurden in<br />

den letzten Jahrzehnten von Betriebsformen<br />

der Weltmärkte verdrängt, wobei durch die EG-<br />

Bestimmungen derartige Entwicklungen noch<br />

eine Förderung erfuhren. Auf der Strecke blieben<br />

nicht nur viele kleinbäuerliche Betriebe,<br />

sondern auch viele Tier- und Pflanzenarten, wie<br />

die landesweit erstellten Roten Listen erkennen<br />

lassen.<br />

Nach Aufgabe der Grünlandbewirtschaftung<br />

stehen entsprechende Flächen vielfach für eine<br />

Aufforstung zur Verfügung, was einen gewissen<br />

Ertrag erwarten lässt. Diese Vorhaben entsprechen<br />

aber in keiner Weise den Vorstellungen<br />

und Forderungen des Naturschutzes, gehen<br />

dadurch doch wertvolle Biotopflächen verloren<br />

und nimmt die Diversität der Landschaft<br />

immer mehr ab, was auch ökologisch negative<br />

Folgen haben muss und wird.<br />

Wenn Grünländereien brachfallen oder durch<br />

Meliorationsmaßnahmen, z. B. Entwässerung,<br />

verändert werden, verändern sich auch Artenzusammensetzung<br />

und Bestandesstruktur<br />

meist sehr schnell. Endet auf Nass- und<br />

Feuchtwiesen oder auf Trocken- und Halbtrockenrasen<br />

die Bewirtschaftung etwa durch<br />

regelmäßige Mahd, so setzen sich wuchsstarke,<br />

ausläufertreibende Kräuter durch, oder es<br />

kommen je nach Bodenverhältnissen einige<br />

wenige Gras- oder Seggen-Arten zur Dominanz;<br />

das Reitgras ist dafür ein sehr gutes Beispiel.<br />

Das Ergebnis ist auch hier wiederum ein<br />

Rückgang der Diversität im Einzelbestand und<br />

damit eine Einschränkung der ökologischen<br />

Wertigkeit.<br />

Ähnlich verhält es sich mit dem Weideland; aufgelassene<br />

Weiden »verunkrauten« und verbuschen<br />

innerhalb kurzer Zeit und büßen an ökologischem<br />

Wert ein. Es ist deshalb eine von allen<br />

europäischen Ländern erhobene Forderung,<br />

Grünland in extensiver Bewirtschaftung<br />

durch landschaftspflegerische Maßnahmen zu<br />

erhalten und ein Nebeneinander von so genutzten<br />

Flächen sowie jungen Grünland- und<br />

336<br />

Gebüschbrachen, aber auch von Wäldern anzustreben.<br />

Das EG-Extensivierungsprogramm für Landwirtschaft,<br />

Landschaft und Natur, genannt<br />

»MEKA« (= Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich)<br />

des Jahres 1992 bietet für<br />

die Grünlandflächen eine echte Chance. Seine<br />

Hauptelemente sind:<br />

· Erhaltung der Kulturlandschaft durch Grünland-Förderung<br />

· Sicherung landschaftsökologisch günstiger<br />

Nutzungsformen, z. B. Extensivierung<br />

· Bonusregelung für Biotoppflege, d.h. flächenbezogene<br />

Prämienzahlung.<br />

Unterstützt wird dieses Programm auch durch<br />

nationale Wiesen- und Artenschutzprogramme,<br />

die etwa Umfang, Art und Zeitpunkt von<br />

Mahden festlegen, Alternativen zum Grünland-<br />

Management für alle Grünland-Biotoptypen<br />

anbieten und einen Ausgleich zwischen Ökonomie<br />

und Ökologie anstreben, d. h. auch Vermarktungsprogramme<br />

mit einschließen.<br />

Alle diese Programme und die auf ihnen gründenden<br />

Forderungen des amtlichen und nicht<br />

amtlichen Naturschutzes beruhen auf folgenden<br />

Feststellungen:<br />

· Grünland stellt ein altes Natur- und Kulturgut<br />

dar, das des Schutzes bedarf.<br />

· Grünland ist ebenso wie der Wald eine landschaftliche<br />

Nutzungsform, die wesentlichen<br />

Einfluss auf den Wasserhaushalt einer Landschaft<br />

hat.<br />

· Grünland in seinen vielen verschiedenen Ausprägungsformen<br />

trägt erheblich zur Landschaftsdiversität<br />

bei und wertet einen Naturraum<br />

ökologisch auf.<br />

In der nächsten Jahrbuch-Ausgabe werden die<br />

verschiedenen Wiesenarten im <strong>Landkreis</strong><br />

<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> vorgestellt.<br />

Literatur:<br />

Ellenberg, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. Verlag<br />

Eugen Ulmer, Stuttgart.<br />

Hutter, C. P. et al. (1993): Wiesen, Weiden und anderes Grünland.<br />

Weitbrecht-Verlag, Stuttgart.<br />

Klapp, E. (1965): Grünlandvegetation und Standort nach Beispielen<br />

aus West-, Mittel- und Süddeutschland. Parey-Verlag, Berlin/Hamburg.<br />

Klapp, E. (1983): Wiesen und Weiden. Parey-Verlag, Berlin.


Seltene Gesteinsformationen bei Reil<br />

Schon vor 65 Jahren, beim Osterspaziergang<br />

mit seinen Eltern und seinen sechs Geschwistern,<br />

war der damals noch in den Kinderschuhen<br />

steckende Heimatforscher Helmut Wendhut<br />

von der »Steinschlange« und den steinernen<br />

»Brotlaibern« an der Bahnstrecke zwischen<br />

Kövenig und Reil begeistert. Seine<br />

Schwester Dora Ortwein machte 1967 Aufnahmen,<br />

die das Interesse des Verfassers weckten<br />

und zu diesem Bericht geführt haben. Der<br />

Fundort liegt ca. 100 Meter von dem Zufluss<br />

des Burger Baches in die Mosel unterhalb der<br />

Reiler Gemarkung »Pfahlscheid«, ca. zehn Meter<br />

von der Landesstraße Nr. 53 entfernt, in<br />

der Nähe des ehemaligen »Burger Haltestell’chens«.<br />

Nach der Flurbereinigung in Burg<br />

kam am Fels des unteren Weinbergweges<br />

(bergseitig) die »Fortsetzung« quer durch die<br />

Mosel zum Vorschein. Der Fels wurde mit Zementguss<br />

zur Sicherung überzogen.<br />

1991 hat Helmut Wendhut aus Mainz vom Landesamt<br />

für Denkmalpflege (Bearbeiter Dr.<br />

Kuhn) Antwort auf seine Anfrage bekommen,<br />

um welch‘ seltenes Naturdenkmal es sich offensichtlich<br />

handelt:<br />

Schon 1908 wurden diese »Steinwürste« von<br />

Max Lohest als »Boudins« (= Würste, franz.)<br />

bzw. »Boudinage« (= Verwurstelung) bezeichnet.<br />

Es sind Gesteinsgefüge, bei denen feste<br />

Die Reiler »Steinschlange«.<br />

Hubertus Schulze-Neuhoff<br />

Gesteinsschichten, der Tonschiefer, durch den<br />

Jahrmillionen dauernden Druck des Devonmeeres<br />

bzw. die bei der Gebirgsfaltung auftretenden<br />

Dehnungen in einzelne Stücke getrennt<br />

und die Kanten gerundet wurden.<br />

In der Nordeifel bei Dedenborn, zwischen Monschau<br />

und dem Rursee, und in den Ardennen<br />

sind diese »Boudins« bekannt (Meyer, 1986, S.<br />

198 und 502). An der Mosel wurden die seltsamen<br />

»Steinwürste« noch nicht aufgefunden,<br />

soweit die Forschungen dies bisher ergaben.<br />

Liegen die »Würste« fast senkrecht übereinander,<br />

am überkippten Faltenschenkel, so nennt<br />

man sie »Mullions« (nach den Pfeilerbündeln<br />

der Stützbögen gotischer Kirchen, nach G. H.<br />

Nolau, 1891).<br />

Diese seitlich versetzten ellipsenförmigen/ovalen<br />

»Steinbrote« sind beim Bau der Bahnstrecke<br />

freigelegt worden. Das eine davon besteht<br />

aus ringförmigen Strukturen, die nach<br />

Wendhut als aufgerollte Sedimente gedeutet<br />

werden können, die halbschalenförmig von<br />

oben flachgedrückt wurden.<br />

Für meinen Kollegen, Diplom-Geologe Dieter<br />

Hellbach, sind diese möglicherweise ein Indiz<br />

auf sogenannte »Belastungsmarken« = »load<br />

casts« an der Grenze zwischen Ton und Sand.<br />

Diese Marken (casts) entstehen durch ungleiche<br />

Belastung von Meeres- oder Flussschlamm.<br />

Es kann somit angenommen werden,<br />

dass beim »Wachsen« des Devonmeerbodens<br />

dieses Unikum »unter die Räder« der Erdschichten<br />

kam, und in seiner jetzigen Form bei<br />

Naturfreunden die Suche nach weiteren Gesteinsformationen<br />

Fortsetzung findet.<br />

Auf jeden Fall rege ich hiermit an, dass dieses<br />

»Naturdenkmal« auch in den Wanderkarten der<br />

Mittelmoselregion registriert und für die Touristen<br />

und Einheimischen von Seiten des Reiler<br />

Fremdenverkehrsausschusses eine Hinweistafel<br />

auf diese seltene Steinformation errichtet<br />

wird.<br />

Quellen:<br />

Meyer, 1986: »Geologie der Eifel« mit weiteren Literaturangaben.<br />

Wunderlich, H.-G.: »Einführung in die Geologie«, Bd. 2, Endogene Dynamik,<br />

S.93 (»Mullions« und »Boudins« an stark geneigten Faltenschenkeln).<br />

337


338<br />

Ausblick<br />

Hildegard Kohnen<br />

Und morgens wenn alles weiß ist<br />

Lange Läufer flauschigen Neuschnee´s<br />

Sich durch die Weinberge ziehen<br />

Jeder Rebstock ein eisiges Häubchen trägt<br />

Die Häuser niedrig am Waldrand kauern<br />

Fest in Tannen eingeschmiegt<br />

Verwittert altersschwach und wunderbar<br />

Wie Schäferwagen auf Winterweiden<br />

Glaubst du das Kläffen von Hunden zu hören<br />

Die lautstark Schafe in die Herde bellen<br />

Doch es bleibt still<br />

Nur der Wind pfeift<br />

Eintönig ein Lied unterm Dach und<br />

Spielt leise mit den Läden<br />

Dein Blick fällt gedankenverloren<br />

Aus geborgener Behaglichkeit<br />

Durch ein großes Fenster<br />

Auf eine Landschaft<br />

Atemberaubender Schönheit<br />

Als wäre dieses Bild<br />

Dieses kostbare Bild Heimat<br />

Das keines Rahmens bedarf<br />

Alltägliche Selbstverständlichkeit


Blauflügelprachtlibelle<br />

Libellen<br />

fliegende Edelsteine unter den Insekten<br />

Arnold Binzen<br />

339


Ihrer Schönheit und ihrer leuchtenden Farben<br />

wegen dürfen sich Libellen bei Naturfreunden<br />

neben den Schmetterlingen besonderer Wertschätzung<br />

erfreuen. Ihre auffällige Flugweise<br />

und ihre Neigung zu ausgeprägten Segelflügen<br />

schlägt sich in der englischen Namensgebung<br />

»dragonflies« – Drachenflieger nieder. Als relativ<br />

stille Bewohner an unseren Bächen, Flüssen<br />

oder Teichen machen sie durch ihre bemerkenswerten<br />

Flugmanöver auf sich aufmerksam.<br />

Während der Revierverteidigung oder ihrer<br />

Beutejagd steigen sie einem Helikopter<br />

ähnlich auf, kontrollieren im Rüttelflug ihr Revier<br />

und verfolgen eindringende Rivalen oder<br />

Beutetiere in wendigen und schnellen Verfolgungsflügen<br />

bis an die Reviergrenze. Schauspiele<br />

dieser Art können über längere Zeit beobachtet<br />

werden. Besonders bei hartnäckigen<br />

Eindringlingen, die sich vom prächtigen und<br />

leuchtenden Farbenspiel und den eindrucksvollen<br />

Flugbewegungen nicht überzeugen lassen,<br />

wird das Territorialverhalten der Libellen<br />

intensiv herausgefordert und zu einem fantastischen<br />

Schaukampf. Grundlage dieses künstlerischen<br />

Flugvermögens bildet der relativ<br />

schmale und lange Körper mit den vier großen<br />

netzartigen Flügeln, von denen jedes Paar unabhängig<br />

schlägt. Dadurch sind sie in der Lage,<br />

blitzschnell zu manövrieren oder sogar<br />

rückwärts zu fliegen. Die Flügel weisen ein<br />

dichtes Adernetz mit einem dunklem Fleck,<br />

dem Pterostigma, auf und verursachen<br />

während des Flugs allenfalls knisternde Geräusche.<br />

Von den über 5 000 bekannten Arten auf<br />

der Welt können die in Europa vorkommenden<br />

100 Arten den beiden Unterordnungen Kleinlibellen<br />

und Großlibellen zugeordnet werden.<br />

Kleinlibellen unterscheiden sich von den Großlibellen<br />

durch ihren zarten und dünnen Körperbau<br />

und ihre gleich ausgebildeten Vorder- und<br />

Hinterflügel, die sie in Ruhehaltung nach oben<br />

zusammenlegen. Großlibellen lassen sich an<br />

ihrem kräftigeren Körperbau, den etwas breiteren<br />

Hinterflügeln an der Flügelbasis, der flach<br />

ausgebreiteten Flügelhaltung in Ruhestellung<br />

und den großen Netzaugen, die sich zumeist<br />

berühren, erkennen. Die Größe der Augen lässt<br />

auf ein außerordentlich gutes Sehvermögen<br />

schließen, das sie zur Verfolgung ihrer Beute im<br />

Flug benötigen. Die dornigen Beine bilden<br />

während des Flugs einen Fangkorb, den sie<br />

zum Greifen von Mücken und Fliegen ge-<br />

340<br />

schickt einsetzen. Am Körperende der Libellen<br />

befindliche Greifzangen dienen der Paarung.<br />

Das Männchen greift das paarungsbereite<br />

Weibchen mit seinen Greifzangen hinter dem<br />

Kopf und fliegt in der sogenannten Tandemposition<br />

zum Paarungsplatz.<br />

An einem Halm klammernd, führt das Weibchen<br />

seinen Hinterleib zum vorderen Teil des<br />

Hinterleibes des Männchens nahe den Flügeln,<br />

um das dort zuvor vom Männchen in speziellen<br />

Kopulationsorganen abgelagerte Sperma aufzunehmen.<br />

Diese Paarungshaltung wird als<br />

Paarungsrad bezeichnet. Die Tandemposition<br />

kann von den Tieren über längere Zeit bis zur<br />

Eiablage beibehalten werden. Die Eier werden<br />

entweder ins Wasser, in den Gewässerschlamm<br />

oder in den Schlitz eines Pflanzenstengels<br />

abgegeben, überwintern und reifen im<br />

folgenden Frühjahr zu Libellenlarven heran. Die<br />

Entwicklung der Larve dauert wiederum ein bis<br />

zwei Jahre, bei manchen Großlibellenlarven sogar<br />

bis zu 5 Jahren.<br />

Die Larven wachsen im Wasser heran und<br />

ernähren sich von kleinen Flusstieren wie Würmern,<br />

Insekten, Kaulquappen und Krebstieren.<br />

Als Beutegreifer dient ihnen eine mit einer<br />

Greifzange versehene Fangmaske, die ungeheuer<br />

schnell hervorgeschleudert werden<br />

kann. Bis zur vollkommenen Entwicklung der<br />

Nymphe, so die Bezeichnung der ausgewachsenen<br />

Larve, können sich 9 bis 15 Häutungen<br />

vollziehen. Die Metamorphose, d. h. die Wandlung<br />

der Libellenlarve in das fertige Insekt, ist<br />

an äußerlichen Veränderungen zu erkennen<br />

(Veränderungen der Augen, eingeschränkte<br />

Beweglichkeit, Rückbildung der Fangmaske).<br />

Kurz vor dem Schlüpfvorgang klettern die Larven<br />

an einer Pflanze aus dem Wasser und beginnen<br />

mit der Atmung. Die Haut der Larve<br />

trocknet, wird spröde und reißt. Aus der Larve<br />

steigt langsam die Libelle (Imago) als weiches<br />

und bleiches Insekt hervor und unternimmt<br />

nach wenigen Stunden ihren »Jungfernflug«.<br />

Erst in den folgenden Tagen bzw. der ersten bis<br />

zweiten Woche färben sie sich vollkommen<br />

aus, erhalten ihren festen Chitinkörper und erreichen<br />

die Geschlechtsreife.<br />

Ans Wasser zurückgekehrt, beginnt eine dreibis<br />

vierwöchige Reproduktionsphase (Paarungszeit)<br />

der Libellen. Angesichts einer<br />

äußerst kurzen Lebenserwartung von zwei bis<br />

drei Monaten werden sie ca. drei bis vier Wo-


chen nach ihrer aktiven Lebensphase langsam<br />

ihre Kräfte verlieren und sterben. Während dieser<br />

Zeit werden sie zahlreiche Mücken und<br />

Fliegen gejagt, kunstvolle Flüge am Gewässer<br />

unternommen und viele Stunden in der Sonne<br />

gebadet haben. Viele andere werden dagegen<br />

ihren Feinden wie Vögeln, Spinnen, anderen Libellenarten<br />

oder einem Unfall zum Opfer gefallen<br />

sein. In ihrem kurzem Leben gilt ihr Interesse<br />

besonders der Nahrungssuche und der<br />

Fortpflanzung. Jenen Naturliebhabern, die in<br />

ihren Gärten einen Teich angelegt haben, sind<br />

sie äußerst nützliche Tiere und gern gesehene<br />

Gäste. Wenn auch ihre temperamentvollen Revierflüge,<br />

ihr räuberisches Jagdverhalten und<br />

ihre winzigen Greifzangen am Hinterleib einen<br />

angriffslustigen und gefährlichen Eindruck erwecken<br />

können, sind Libellen äußerst harmlose<br />

Tiere, die gerne am Wasser und in der Nähe<br />

des Menschen leben und ihre Nützlichkeit unter<br />

Beweis stellen.<br />

Blattbauchlibelle (m.)<br />

Quelljungfer<br />

341


Adonislibelle<br />

Prachtlibelle (w.)<br />

342


Gebänderte Prachtlibelle<br />

343


Viele Ornithologen zieht es auf der Suche nach<br />

ihnen noch unbekannten Vogelarten hinaus in<br />

die weite Welt. Kein Land, keine Region unserer<br />

Erde bleibt dabei ausgespart. Ein beredtes<br />

Zeugnis für die Reiselust der Vogelkundler ist<br />

die Fülle der Vogelbestimmungsbücher, die inzwischen<br />

für fast jeden Winkel der Erde angeboten<br />

werden. Dass aber nicht nur in fernen<br />

Ländern, sondern bereits vor der Haustür interessante<br />

und spannende vogelkundliche Entdeckungen<br />

möglich sind, soll der nachfolgende<br />

Beitrag aufzeigen. Schauplatz der hier geschilderten<br />

Beobachtungen ist ein mit fünf Einfamilienhäusern<br />

bebautes Areal am südlichen Ortsrand<br />

von Enkirch. In diesem Gebiet, etwa<br />

Gartengelände im Süden Enkirchs<br />

344<br />

Vogelleben vor der Haustür<br />

Heinrich Weitz<br />

3 000 m 2 groß, wechseln die Häuser mit Gärten,<br />

Sträuchern, Bäumen, Rasenflächen und<br />

einem kleinen Teich ab. An zwei Seiten<br />

schließen sich bewirtschaftete Weinberge an.<br />

Insgesamt also ein Gebiet, das eine Vielzahl<br />

kleinräumiger, unterschiedlicher Biotopstrukturen<br />

aufweist und daher für die Tierwelt nicht<br />

uninteressant sein dürfte. So wurde denn auch<br />

das Frühjahr 1999 dazu genutzt, vor allem die<br />

hier vorkommende Vogelwelt einmal etwas genauer<br />

unter die Lupe bzw. vor das Fernglas zu<br />

nehmen.<br />

Anfangs, d. h. Ende Februar, Anfang März, war<br />

es noch relativ ruhig. Die im Garten hängenden<br />

Vogelfutterautomaten waren von uns schon


seit einiger Zeit nicht mehr mit Sonnenblumenkernen<br />

beschickt worden, so dass Buch- und<br />

Grünfinken, Haus- und Feldsperlinge, Kohlund<br />

Blaumeisen ausblieben. Lediglich ein Paar<br />

der Rabenkrähe balzte bereits zu diesem Zeitpunkt<br />

mit lautem »krah, krah«, die übrigen Vögel<br />

verhielten sich noch recht unauffällig, dachten<br />

wohl noch nicht an die bevorstehende Brutzeit.<br />

Als Nistplatz hatten sich die Rabenkrähen<br />

übrigens einen starken Seitenast nahe der<br />

Spitze einer alten, nahezu 10 m hohen Fichte<br />

ausgewählt.<br />

Einen Monat später, an der Wende vom März<br />

zum April, setzten die Aktivitäten der Vögel<br />

dann aber mit Macht ein. Hausrotschwanz,<br />

Bachstelze, Hänfling, Stieglitz und Girlitz waren<br />

aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt und<br />

ergänzten das Vogelstimmenkonzert von Amsel,<br />

Buchfink und Kohlmeise. An zwei Nistkästen<br />

aus Holzbeton - die bereits seit mehreren<br />

Jahren von Kohlmeisen zur Brut benutzt wurden<br />

- erschienen auch Ende März 1999 wiederum<br />

zwei Paare der Kohlmeise und fanden erneut<br />

Gefallen daran, da sie nur kurze Zeit später<br />

mit dem Nestbau begannen. Zu einer Brut<br />

kam es jedoch nicht, da die beiden nahezu fertigen<br />

Nester von anderen Tieren übernommen<br />

wurden. In Nistkasten Nr. 1 quartierte sich ein<br />

Gartenschläfer ein, in Kasten Nr. 2 eine Hummel.<br />

Für die Kohlmeisen blieb daher nichts anderes<br />

übrig, als sich andernorts neue Nistgelegenheiten<br />

zu suchen. Der Gartenschläfer hatte<br />

allerdings nicht sehr lange Freude an seinem<br />

neuen Heim, da er nur wenige Tage später tot<br />

in einem Wasserfass in der Nähe des Nistkastens<br />

gefunden wurde. Es ist zu vermuten,<br />

dass er auf seinen nächtlichen Streifzügen von<br />

der Hauswand oder der Dachrinne abstürzte, in<br />

den darunter stehenden Wasserbehälter fiel<br />

und ertrank. Auch Kasten Nr. 2 war kurze Zeit<br />

später wieder frei. Ob die Hummel ihn freiwillig<br />

oder unfreiwillig verließ, konnte nicht beobachtet<br />

werden. Da die Brutzeit aber gerade erst begonnen<br />

hatte, stand zu erwarten, dass die beiden<br />

künstlichen Nistgelegenheiten doch noch<br />

besetzt werden würden. Während der zwei<br />

Wochen Osterferien konnten keine Beobachtungen<br />

gemacht werden. Nach der Rückkehr<br />

aus dem Urlaub hatten sich an beiden Nistgelegenheiten<br />

erneut Interessenten eingefunden.<br />

Diesmal waren es zwei Paare des Feldsperlings.<br />

Das freute mich besonders, ist doch der<br />

Feldsperling eine Vogelart, die in den letzten<br />

Jahren deutliche Bestandseinbußen erlitten<br />

hat. Als Gründe sind insbesondere die Intensivierung<br />

der Landwirtschaft und der Einsatz von<br />

Spritzmitteln anzuführen. Hinzu kommen erhebliche<br />

Nahrungsengpässe außerhalb der<br />

Brutzeit, da im Herbst durch frühes Unterpflügen<br />

der abgeernteten Getreidefelder keine<br />

Dreschabfälle mehr vorhanden sind. Der Feldsperling<br />

ist kleiner und schlanker als der bekanntere<br />

Haussperling. Männchen wie Weibchen<br />

haben einen rotbraunen Oberkopf und einen<br />

markanten schwarzen Ohrfleck auf den<br />

weißen Kopfseiten. Der Name Feldsperling<br />

weist eindeutig auf dessen bevorzugte Wohngebiete<br />

hin: Das landwirtschaftlich genutzte<br />

Umfeld von Siedlungen und Waldränder mit<br />

angrenzenden Freiflächen.<br />

Während sich die Sperlinge noch nicht so recht<br />

entscheiden konnten, ob sie nun die beiden<br />

Kästen beziehen sollten, waren die Rabenkrähen<br />

bereits mit der Fütterung ihrer inzwischen<br />

geschlüpften Jungvögel beschäftigt.<br />

Auch in Nachbars Garten fütterte ein Amselpaar<br />

seine fünf Jungvögel. Das Nest stand in<br />

einer Edeltanne in etwa 2 m Höhe über dem<br />

Boden.<br />

Bei den Feldsperlingen begann der Nestbau<br />

erst am 1. bzw. 3. Mai. Zuvor erfolgten eine<br />

Vielzahl von Inspektionen beider Nistkästen,<br />

wobei die Vögel anfangs nur für sehr kurze Zeit<br />

in den Höhlen verschwanden, um sie unmittelbar<br />

darauf wieder zu verlassen. Es hatte den<br />

Anschein, als kämen ihnen die künstlichen<br />

Nistgelegenheiten nicht ganz geheuer vor.<br />

Später hielten sich die Vögel dann aber für längere<br />

Zeit im Inneren auf. Aus dem Einschlupfloch<br />

herausschauend nahmen sie eine<br />

kritische Begutachtung ihrer neuen Umgebung<br />

vor. Dabei erinnerten sie durchaus an ältere<br />

Menschen, die das Geschehen vor ihrem Haus<br />

oder ihrer Wohnung aus dem Fenster beobachteten.<br />

Ab dem 15. Mai wurde in beiden<br />

Nistkästen gebrütet. In Kasten Nr. 1 waren<br />

sechs Eier, in Nr. 2 drei Eier gelegt worden. Von<br />

dem 6er-Gelege waren drei Eier unbefruchtet,<br />

da nur drei Jungvögel schlüpften, von denen<br />

wiederum nur zwei erfolgreich ausflogen. Ein<br />

Jungvogel starb in den ersten Tagen. In Kasten<br />

Nr. 2 schlüpften aus allen drei Eiern Jungvögel,<br />

die nach einer Nestlingszeit von 17 Tagen das<br />

Nest verließen.<br />

345


Junge Feldsperlinge im Nistkasten<br />

Junge Hausrotschwänze in Halbhöhle<br />

346<br />

Der Hausrotschwanz hatte sich im Frühjahr<br />

1999 mit drei Brutpaaren im besagten Gebiet<br />

eingefunden. Die Brutplätze befanden sich in<br />

zwei Fällen auf den Firstbalken von Häusern, in<br />

einem Falle wurde das Nest in einem Nistkasten<br />

für Halbhöhlenbrüter angelegt. Männchen<br />

und Weibchen dieses Paares unterschieden<br />

sich nur minimal in der Gefiederfärbung, ein Indiz<br />

dafür, dass es sich um ein sehr junges<br />

Männchen handelte, da diese erst mit zunehmendem<br />

Alter ein überwiegend schwarzgraues<br />

Gefieder mit weißem Flügelfleck bekommen.<br />

Mein Nachbar beobachtete dieses Paar ebenfalls<br />

sehr intensiv bei der Fütterung der Jungvögel<br />

und meinte angesichts der fehlenden Unterschiede<br />

in der Gefiederfärbung, dass es sich<br />

wohl um zwei Weibchen handele: Der Mutter<br />

und der Tante der Jungvögel. Wichtigster<br />

»Nestbaumateriallieferant« für dieses Hausrotschwanzpaar<br />

war übrigens unser Hund Leica,<br />

ein schwarzer Labrador-Schäferhund-Mischling.<br />

Wie alle Hunde verlor auch Leica im Frühjahr<br />

trotz eifrigen Bürstens eine Menge Haare,<br />

die vom Hausrotschwanz aufgesammelt und<br />

zur Auspolsterung des Nestes verwendet wurden.<br />

Besondere Freude machte uns während


Amselweibchen »Trude« auf dem Nest<br />

der Brutperiode 1999 ein Amselweibchen, das<br />

wir Trude getauft hatten. Ihr Nest hatte Trude<br />

beim Nachbarn in einem Kirschlorbeer in 1,80<br />

m Höhe angelegt. Wir fanden es erst am 25. Juni.<br />

Zu diesem Zeitpunkt waren die vier Jungvögel<br />

etwa sechs bis sieben Tage alt. Trude war<br />

ein Vogel, der nahezu keine Scheu vor den<br />

Menschen zeigte. Wenn ich in einem Gartenstuhl<br />

auf der Terrasse saß, kam es häufiger vor,<br />

dass Trude bei der Nahrungssuche direkt unter<br />

meinem Gartenstuhl herlief. Auch an ihrem<br />

Nest zeigte sie keinerlei Scheu. So ließ sie sich<br />

aus nur 50 cm Entfernung beobachten und fotografieren,<br />

ohne die Fütterung ihrer Jungvögel<br />

zu unterbrechen. Das Männchen von Trude beteiligte<br />

sich weit weniger häufig an der Fütterung<br />

der Nachkommen, es zeigte auch nicht<br />

die Vertrautheit des Weibchens. Oftmals saß es<br />

auf der Spitze eines Baumes oder auf einem<br />

der Hausdächer und sang. Das Nest verließen<br />

alle vier Jungvögel erfolgreich am 3. Juli, d.h. in<br />

einem Alter von 14-15 Tagen.<br />

Als Ergebnis der Brutperiode 1999 bleibt festzuhalten,<br />

dass in dem oben beschriebenen Gebiet<br />

im Süden Enkirchs insgesamt neun verschiedene<br />

Vogelarten zur Brut schritten und es<br />

in mindestens 14 gefundenen Nestern zur Eiablage<br />

kam. Ohne Bruterfolg waren Stieglitz,<br />

Hänfling und Dorngrasmücke. Deren Nester<br />

wurden ausgeraubt, wobei die Nesträuber in<br />

allen drei Fällen unbekannt blieben. Nicht gefunden<br />

wurde das Nest eines ständig im Gebiet<br />

anwesenden Girlitzpaares. Als Fazit der erfolgreichen<br />

Bruten bleibt festzuhalten: Aus drei<br />

Hausrotschwanzbruten flogen insgesamt 14<br />

Jungvögel aus, bei zwei Feldsperlingbruten<br />

waren es fünf Jungvögel, bei einem Bachstelzen-<br />

und Rabenkrähenpaar fünf und vier Jungvögel<br />

und bei zwei erfolgreichen Amselbruten<br />

insgesamt neun Jungvögel. Addiert man diese<br />

Zahlen, so ergibt dies einen Wert von 37 ausgeflogenen<br />

Jungvögeln, insgesamt doch ein<br />

recht überraschendes Ergebnis für ein relativ<br />

kleines Gebiet wie das hier vorgestellte.<br />

Die vogelkundlichen Beobachtungen im Frühjahr<br />

und Frühsommer 1999 haben nicht nur viel<br />

Freude gemacht, sie haben zusätzlich gezeigt,<br />

dass auch in bebauten Gebieten vieles zu entdecken<br />

und zu beobachten ist. Wie bei allen<br />

Naturbeobachtungen ist es entscheidend, Geduld,<br />

Ausdauer und Liebe fürs Detail mitzubringen.<br />

347


Lebensläufe<br />

und<br />

Würdigungen


Die Künstlerin Hedwig Schulze<br />

Ich hatte in den vergangenen Monaten mehrfach<br />

Gelegenheit, mit der früheren Kunstlehrerin<br />

am Cusanus-Gymnasium, Hedwig Schulze,<br />

die heute in Koblenz lebt, zu telefonieren und<br />

Briefe über ihre <strong>Wittlich</strong>er Zeit zu wechseln.<br />

In etlichen <strong>Wittlich</strong>er Familien kann man einige<br />

der 50 beeindruckenden Holzschnitte mit <strong>Wittlich</strong>er<br />

Ansichten von ihr bewundern. 13 der<br />

kleinformatigen Meisterwerke fanden Eingang<br />

in das 1993 erschienene »<strong>Wittlich</strong>er Lesebuch«<br />

des ehemaligen <strong>Wittlich</strong>er Bürgermeisters Matthias<br />

Joseph Mehs. Er war es, der Hedwig<br />

Schulze zu diesen Holzschnitten als Illustration<br />

einer Heimatbuchreihe anregte. Aus seiner reichen<br />

Bibliothek stellte er ihr historische Vorlagen<br />

zur Verfügung. Viele Motive aber zeichnete<br />

sie zwischen 1946 und 1949 vor der Natur. Die<br />

Druckplatten aus Birnbaumholz wurden von<br />

dem ortsansässigen Tischler Teusch angefertigt.<br />

Leider hat die Stadt <strong>Wittlich</strong> keinen Gebrauch<br />

vom Angebot der Künstlerin gemacht,<br />

diese Druckstöcke für <strong>Wittlich</strong> zu erwerben.<br />

Immerhin wurden die Holzschnitte selbst im<br />

Rahmen einer Gemeinschaftsausstellung von<br />

Gesellenstücken der Schreinerinnung Bern-<br />

Gerd Bayer<br />

kastel-<strong>Wittlich</strong> mit Gemälden und Aquarellen<br />

des Künstlers Hugo Möhl zwischen dem 15.<br />

August und dem 7. September 1980 in der<br />

<strong>Wittlich</strong>er Synagoge gezeigt.<br />

Hedwig Schulze, die an Ausstellungen ihrer<br />

Werke nie sonderlich interessiert war, ließ sich<br />

vom damaligen Bürgermeister Graf Walderdorff,<br />

der auch die Eröffnungsrede hielt, dazu<br />

bewegen.<br />

Die Resonanz der Bevölkerung auf diese Ausstellung<br />

war groß (1 000 Besucher am ersten<br />

Wochenende), und die Presse würdigte vor allem<br />

die klaren Holzschnitte der Künstlerin, die<br />

damals und heute in <strong>Wittlich</strong> einen guten Namen<br />

hatte und noch hat.<br />

Aus mehreren ausführlichen Briefen erfuhr ich<br />

einiges über ihre Lebensdaten und ihren beruflichen<br />

Werdegang.<br />

Sie wurde am 24. April 1912 in Essen-Rüttenscheid<br />

geboren. Ihr Vater fiel als Soldat des Ersten<br />

Weltkrieges beim Rückmarsch aus Russland<br />

1918, für sie ein »tragisches Erlebnis«, das<br />

sie »stark geprägt« hat. Sie lebte mit ihrer Mutter,<br />

die aus Hinterpommern stammte, zehn<br />

Jahre in dieser Region. Nach dem Abitur be-<br />

Holzschnitt Rathaus <strong>Wittlich</strong> Holzschnitt Türmchen <strong>Wittlich</strong><br />

349


Hedwig Schulze: Stillleben mit Blumen<br />

350


Hedwig Schulze: Blumenbild<br />

351


suchte sie die berühmte Folkwangschule in Essen,<br />

wo sie bei Professor Urbach Akt- und<br />

Pflanzenzeichnen belegte. Das Aktzeichnen<br />

galt in der klassischen Künstlerausbildung immer<br />

als unverzichtbare Grundlage jeglichen<br />

Künstlertums. Hedwig Schulze hat Professor<br />

Urbach besonders wegen seiner strengen Korrekturen<br />

geschätzt. So gehörte folgender Satz<br />

zu seinen typischen Äußerungen: »Es hat keinen<br />

Zweck weiterzumachen, fangen Sie noch<br />

einmal an!« »Das hat später kein Professor<br />

mehr so deutlich ausgesprochen«, sagt sie<br />

noch heute.<br />

Ihre weitere Ausbildung vollzog sich an der<br />

Kunstakademie Düsseldorf. »Sie war für uns<br />

ein schützendes Gehäuse, in dem man von<br />

morgens 8 Uhr bis abends 19 Uhr arbeiten<br />

konnte.« Mehrere Professoren prägten die angehende<br />

Künstlerin und Kunstlehrerin, so Professor<br />

Bindel, Professor Heuser, der spätere<br />

Direktor der Akademie, und Professor<br />

Schmurr.<br />

Otto Coester wurde an der Kunstakademie in<br />

Düsseldorf ihr Lehrer für die Kunst der Radierung,<br />

in der sie Beachtliches vorzuweisen hat.<br />

Schon in dieser Zeit beschäftigte sich Hedwig<br />

Schulze mit der Problematik des reinen Künst-<br />

Die Künstlerin Hedwig Schulze<br />

352<br />

lertums zum Beruf des Kunsterziehers. Sie<br />

schreibt: »... wie ja der Übergang vom freien<br />

Künstler zum Schulbetrieb für jeden schwer ist<br />

(Freiheit contra Zwang?). Ich habe versucht,<br />

diesen Zustand mit Arbeit zu bekämpfen.«<br />

Vor dem Kunstlehrerexamen in Berlin (1939)<br />

legte sie in Hildesheim ihr Werklehrerexamen in<br />

den Fächern Tischlern, Buchbinden und Weben<br />

ab. Das erweiterte in besonderer Weise<br />

ihren späteren schulischen Einsatz. Ihr Referendariat<br />

absolvierte sie in Essen und Remscheid,<br />

schon unter Kriegsbedingungen. Am<br />

Augusta-Gymnasium Trier lehrte sie kurzzeitig<br />

als Assessorin, um dann für zehn Jahre am Cusanus-Gymnasium<br />

in <strong>Wittlich</strong> (1941-1951) vielfältige<br />

Aufgaben zu übernehmen und mit Bravour<br />

auszuführen. Ihr künstlerisches Wirken in<br />

der Schule wurde treffend in einem lokalen Zeitungsartikel<br />

beschrieben:<br />

»Da ist der Zeichensaal. Es klingt viel zu nüchtern,<br />

wenn man das Reich von Stud.-Rätin<br />

Schulze mit dem gängigen Namen ’Zeichensaal’<br />

bezeichnet. Dieser lichtdurchflutete,<br />

große Raum ist viel, viel mehr. Kunstwerke,<br />

Plastiken aus Stein, kantige Sockel, von denen<br />

grünes Pflanzengerank herabrieselt, verändert<br />

die mögliche Nüchternheit eines Lehrsaales<br />

entscheidend. Gute Arbeiten von Schülern aller<br />

Stufen an den Wänden, Tonkrüge auf Simsen,<br />

köstliche Arbeiten aus dem Werkunterricht,<br />

Schlangen, Drachen oder sagenhafte Tierformen<br />

aus Wurzelwerk, Nachgestaltung von Kirchenfenstern<br />

aus Buntpapier, das alles ist wie<br />

eine wertvolle, künstlerische Schau. Eigenwillig<br />

die Anordnung der Zeichentische. Großartig<br />

das ganze und einmalig. Man versteht es, wenn<br />

der Oberschulrat Dr. Schwister sagt, so etwas<br />

habe er noch nicht gesehen. Hier ist kein<br />

Zwang, hier wächst das Verständnis zur Kunst,<br />

elementar.«<br />

Wenn man ihre schulische Arbeit in <strong>Wittlich</strong> betrachtet,<br />

fällt auf, dass Hedwig Schulze sich mit<br />

»Haut und Haaren« der Schule verschrieb. »Da<br />

war für eigene Arbeit keine Zeit, weil man ja<br />

auch schlecht zwei Herren dienen kann.«<br />

Sie kam während des Krieges nach <strong>Wittlich</strong>.<br />

Die Stadt machte auf sie einen landschaftlich<br />

verlockenden Eindruck. Hier war sie vor dem<br />

Kriegsgeschehen, das schon im Ruhrgebiet<br />

tobte, einigermaßen sicher. Sie schreibt: »Darum<br />

kam mir das Angebot ’<strong>Wittlich</strong>’ sehr entgegen.<br />

Der Krieg musste ja bald zu Ende sein


Holzschnitte Wildblumen<br />

(1941?), denn nun wurde er ja fast gegen die<br />

ganze Welt geführt. Ich war froh, nicht in einer<br />

Großstadt leben zu müssen. Meine erste Unterkunft<br />

fand ich im Gasthaus Mehs. Ich arbeitete<br />

weit über mein Soll hinaus, gab am Nachmittag<br />

Werkunterricht. Wir bastelten Kasperlepuppen,<br />

mit Puppenspielen gingen wir dann an<br />

die Öffentlichkeit. Später dann Theaterspiele:<br />

Peter Squenz von Gryphius, sogar ein Freilichtspiel,<br />

wozu wir einen passenden Platz am Walde<br />

zum Amphitheater ausbauten und mit<br />

Scheinwerfern arbeiteten, für Jungen ein besonderes<br />

Vergnügen. Es erregte damals viel<br />

Aufsehen. Auch in der Presse fanden diese Aktivitäten<br />

viel Anerkennung...«<br />

Die bildnerischen Arbeiten von Hedwig Schulze<br />

und ihren Schülern sind in den Kriegs- und<br />

Nachkriegswirren abhanden gekommen:<br />

»Doch sind (im und nach dem Krieg) einige<br />

Aquarelle von <strong>Wittlich</strong> entstanden, aber bei der<br />

Zerstörung und Plünderung der Besatzung von<br />

Amerikanern, Engländern, Franzosen in der<br />

Schule im Keller verloren gegangen samt Ra-<br />

dierplatten, Holzschnittplatten, Fotographien<br />

usw. Nur was ich im Leiterwägelchen nach Ürzig<br />

gebracht hatte, wo ich die letzten Monate<br />

vor dem Zusammenbruch erlebte, ist erhalten<br />

geblieben (Aquarelle, Pinselzeichnungen, Radierungen)«.<br />

In den folgenden Jahren bis zu ihrer Versetzung<br />

an das Hilda-Gymnasium Koblenz (1951-1970)<br />

erfährt die Öffentlichkeit immer wieder vom<br />

Wirken der beliebten Kunstlehrerin Hedwig<br />

Schulze bei Schulfesten, bei Bühnenbildern,<br />

bei Ausstellungen von Schülerarbeiten. Zwischen<br />

1946 und 1949 schuf sie die 50 Holzschnitte<br />

von <strong>Wittlich</strong>. Aus der Notwendigkeit<br />

der Nachkriegszeit heraus, Illustrationen von<br />

Büchern mit alten Techniken und in Schwarzweiß<br />

auszuführen, entstanden Bilder, die jeder<br />

modernen Drucktechnik standhalten, ja sie<br />

übertreffen. Der Holzschnitt kommt im Gegensatz<br />

zur Radierung oder zu den Stichen mit einfachen<br />

Linien aus. Er arbeitet plakativ. Der<br />

Blick auf das Wesentliche einer Ansicht wird<br />

nicht durch überflüssige Linien verstellt. Das<br />

353


gebietet allein schon der Druckstock, der in<br />

diesem Falle aus hartem Birnbaumholz bestand.<br />

Der Holzschnitt erlebte gerade in der<br />

Zeit, in der die angehende Kunstlehrerin ausgebildet<br />

wurde, eine mächtige Renaissance<br />

durch den gestalterischen Willen der Expressionisten,<br />

die schnörkellos den Ausdruck, das<br />

Wesen, die Ausstrahlung eines Menschen, einer<br />

Landschaft, einer Häuserzeile, eines einzelnen<br />

Gebäudes darstellen wollten.<br />

Bei Hedwig Schulze spürt man auch ein besonderes<br />

Anliegen in denjenigen Holzschnitten, die<br />

sie vor der Natur entworfen hat: Eines ihrer Naturwerke<br />

bezeichnete ein Kunsthistoriker in der<br />

Presse als »Kunstwerk von wunderbarer Geschlossenheit,<br />

das ein tiefes Einfühlen in die<br />

Natur zum Ausdruck bringt.« Viele ihrer Holzschnitte<br />

tragen den Ausdruck von Heimeligkeit<br />

und Liebe zur Heimat. Deshalb enthalten einige<br />

der Werke eine anrührende kleinstädtische Idylle,<br />

die dem Menschen in allem Graus der Zeit<br />

Heimatgefühl vermitteln kann.<br />

Überraschend fein fertigte sie daneben eine<br />

Gruppe von zwölf Blumenholzschnitten, vorwiegend<br />

Wildblumen: Anemone, Schlüsselblume,<br />

Campanula, Maiglöckchen, Erika und andere.<br />

Über die Zeit nach ihrer Pensionierung schreibt<br />

sie: »Ich war noch nie so glücklich. Ich wollte<br />

354<br />

Wandern<br />

auf nadelweichem Boden<br />

Feenhaargräser am Rand<br />

vom Winde gewiegt<br />

Märchenhaftes Blau<br />

über hohen Tannen<br />

Bequeme Schuhe<br />

aber unbequeme Gedanken<br />

Nicht nur<br />

die nächste Weggabelung<br />

fordert eine Entscheidung<br />

Wanderung<br />

endlich ganz frei sein. Ich fing an zu malen mit<br />

einer neuen Technik (Acryl). Am liebsten arbeitete<br />

ich im Garten, den ich bei Studienfreunden<br />

fand. Bei Vogelgezwitscher, leichtem Rauschen<br />

der Blätter entstanden meine Blumenbilder<br />

und Stilleben. Nicht nur die Holzschnitte<br />

sind Schwerpunkte in meinem Leben!«<br />

Bei einem Besuch in Koblenz lernte ich die<br />

Künstlerin persönlich kennen und konnte mich<br />

an ihren Bildern aus den 80er Jahren erfreuen.<br />

Die mittelgroßen Formate in Acryl und Aquarell<br />

sind von eher gedämpften Farben geprägt. Ihre<br />

Acryle prunken dagegen in kräftigen Farben.<br />

Fast alle Bilder sind »Stillleben mit Blumen«.<br />

Aus der Stille leben diese Bilder, kein verbaler<br />

Irrtum! Ihre Motive fangen erst in der Zusammenschau<br />

an zu reden. Hortensien, Geranien,<br />

Kapuzinerkresse, Stiefmütterchen oder Pantoffelblümchen<br />

zeigen sich in farbigem Einklang<br />

mit Äpfeln, Birnen, Zitronen und stilvollen Tellern<br />

und Vasen. Hedwig Schulze ist umgeben<br />

von ihren vielen schönen Bildern, die in Farbe<br />

und Komposition eine große Reife ausstrahlen<br />

- dem Schönen verschrieben.<br />

Als ehemalige Kunsterzieherin darf sie sich<br />

freuen, dass einer ihrer früheren Schüler, der<br />

Grafiker Tony Munzlinger, ihr den schönen Satz<br />

geschrieben hat: »Vielen Dank für‘s Sehen lernen!«<br />

Elisabeth Freitag


In der Zeitung liest man heute,<br />

dass zwei hochbetagte Leute<br />

gestern das Jahrhundert voll:<br />

Glückwunsch! Das ist wirklich toll.<br />

Frau Enthaltsam, die im Leben,<br />

sich nicht viel von ihm gegeben,<br />

schöpfte daraus den Gewinn,<br />

dass sie Abstinenzlerin.<br />

So sind beide, ganz verschieden,<br />

alt geworden denn hienieden.<br />

Ein Rezept, was jedem frommt,<br />

man von niemandem bekommt.<br />

Wilfried Hilgert<br />

Wie wird man Hundert?<br />

Von den munt’ren Jubilaren<br />

möchte jeder nun erfahren,<br />

was denn ihr Rezept gewesen,<br />

dass auch andere genesen.<br />

Herr Genussreich sprach hingegen<br />

von dem Wein als einem Segen;<br />

ohne diese Arzenei<br />

wär´ er längst nicht mehr dabei.<br />

Doch wofür, so ist zu fragen,<br />

wird man alt in diesen Tagen,<br />

alt und älter, wenn denn nicht,<br />

dass der Wein uns aufgetischt?<br />

355


Am 17. Januar 1719 wurde dem Ehepaar Nikolaus<br />

Friedrich Meisterburg und Susanna, geb.<br />

Heinz, ein Sohn geboren, der Franziskus Antonius<br />

getauft wurde und am 21. Oktober 1737 in<br />

den Jesuitenorden eintrat. Nach seiner Priesterweihe<br />

1748 ging Pater Meisterburg in die<br />

südamerikanischen Missionen. 1750 landete er<br />

am Amazonas. Als seine Mutter in <strong>Bernkastel</strong><br />

die Nachricht von der glücklichen Ankunft<br />

empfing, ließ sie, wie sie mit dem Sohn vereinbart<br />

hatte, auf dem neuen Altar des Schifferund<br />

Wasserheiligen Nikolaus in der Pfarrkirche<br />

St. Michael eine Statue des Jesuitenheiligen<br />

Franz Xaverius aufstellen. Darunter einen Neger<br />

und einen Indianer, die noch heute dort flehend<br />

die Hände erheben. Am Rio Xingu, dem<br />

letzten rechten Nebenstrom des Amazonas,<br />

leitete Meisterburg die Indianermission Aricara<br />

und später am Rio Madeira die Mission Santa<br />

Cruz de Abacexis. Pater Meisterburg verteidigte<br />

die Indianer gegen die weißen Ausbeuter.<br />

Der portugiesische Minister Pombal hatte seinen<br />

Bruder zum dortigen Statthalter ernannt.<br />

Dieser wurde der schlimmste Feind der Mission.<br />

Er sabotierte die Arbeit Pater Meisterburgs<br />

und sandte Lügenberichte über ihn nach Portugal.<br />

1757 erfolgte unerwartet seine Verhaftung<br />

und Ausweisung. Als Gefangener wurde er in<br />

Ketten nach Portugal gebracht und in die<br />

schauerlichen Verliese von San Julian da Barra<br />

an der Tejomündung 1759 eingeliefert. In sämtlichen<br />

Kolonien ließ der portugiesische Minister<br />

Pombal die Jesuiten verhaften und sperrte sie<br />

in die modrigen Keller der riesigen Festung an<br />

der Tejomündung. Jahrzehnte hörte niemand<br />

mehr was von ihnen. Ohne Gerichtsurteil, ohne<br />

Licht und frische Luft verbrachte Pater Meisterburg<br />

mit noch anderen Leidensgenossen 18<br />

Jahre in unmenschlicher Kerkerhaft. In regelmäßigen<br />

Abständen weidete sich Minister<br />

Pombal am Anblick der gefangenen Jesuiten<br />

356<br />

Von der Mosel zum Amazonas<br />

Zur Erinnerung an den <strong>Bernkastel</strong>er Jesuitenpater<br />

Anton Meisterburg<br />

Wolfgang Gilles<br />

und rief in die stickigen Grüfte hinunter: »Seid<br />

ihr noch nicht verfault?« Was hatten die Gequälten<br />

verbrochen? Nichts als ihrem Orden<br />

die Treue gehalten. Auch an diesem<br />

Schreckensort lebten die Jesuiten den Tag<br />

nach der Ordensregel in Andacht, Gebet und<br />

Buße. Die Feier der hl. Eucharistie aber wurde<br />

ihnen verboten. Pater Meisterburg war es, der<br />

ihr Flehen um das hl. Lebensbrot in einem bewegten<br />

Gebet der Gottesmutter vortrug. Ihrer<br />

Vermittlung schrieben die Eingekerkerten es<br />

zu, dass sie trotz schier unüberwindlicher<br />

Schwierigkeiten schon bald wieder heimlich<br />

das hl. Messopfer vor einem schlichten Marienbild,<br />

das ein Mitbruder vor allen Durchsuchungen<br />

und Kontrollen gerettet hatte, feiern konnten.<br />

Siebenundreißig Jesuiten starben in den<br />

stickigen Höhlen, andere verloren den Verstand.<br />

Als der König von Portugal starb, wurde<br />

sein Minister Pombal gestürzt und die Jesuiten<br />

aus dem Kerker befreit. Die Gläubigen kamen<br />

aus Lissabon herbei, um 1777 im Kerker bei<br />

den »Blutzeugen Christi« die Osterbeichte abzulegen.<br />

Es dauerte einige Monate, bis sich Augen<br />

und Lungen der Befreiten an das Licht und<br />

die frische Luft gewöhnt hatten. Kaiserin Maria<br />

Theresia bezahlte die Kosten der Heimreise für<br />

Pater Meisterburg und einen Mitbruder aus<br />

Köln. Mit dem Schiff fuhren sie bis Amsterdam<br />

und dann den Rhein hinauf in ihre Heimat<br />

zurück. In <strong>Bernkastel</strong> erwartete Pater Meisterburg<br />

seine 85 Jahre alte Mutter, die das priesterliche<br />

Leben ihres verschollen geglaubten<br />

Sohnes in der Heimat noch ein Jahr miterleben<br />

durfte. Am 24. Oktober 1799 verstarb Pater Anton<br />

Meisterburg bei den Kapuzinern in <strong>Bernkastel</strong>.<br />

Sein Schicksal stärkte die Gläubigen für<br />

die kommenden schweren Jahre der Französischen<br />

Revolution. Die Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

hat vor einigen Jahren eine Straße nach ihm<br />

benannt.


Der Bildhauer Peter Knödgen meißelt die<br />

Geschichte seines Dorfes in Stein<br />

Wer durch den Salmtalort Bruch kommt, dem<br />

bietet sich, wenn er von der Salmbrücke abwärts<br />

den Weg nimmt, ein überraschender Anblick,<br />

denn er kann bei gutem Wetter einem<br />

dort wohnenden Steinmetz bei der Arbeit zusehen<br />

und seine Werke, die entlang der Hausfront<br />

zur Freude vieler Vorbeigehender ausgestellt<br />

sind, bewundern. Es ist Peter Knödgen,<br />

Jahrgang 1925, der hier seit noch nicht allzu<br />

langer Zeit seine schon immer in ihm schlummernde<br />

Ader zum künstlerischen Schaffen<br />

ausgegraben hat. Gerne hätte er schon in jungen<br />

Jahren sein künstlerisches Talent entfaltet,<br />

aber – wie es damals üblich war – erwarteten<br />

die Eltern von ihm, dass er einen praktischen<br />

Beruf erlernte. So absolvierte er eine Maurerlehre.<br />

Wie viele andere musste er als Soldat am<br />

Zweiten Weltkrieg teilnehmen. Zurückgekehrt<br />

gründete er eine Familie, baute ein Haus und<br />

ging seiner Arbeit nach. Nachdem er nun im Alter<br />

aus dem Erwerbsleben ausschied, begann<br />

er, sich seinen Jugendtraum zu erfüllen. Er beschäftigt<br />

sich mit Porträt- und Landschaftsmalerei<br />

und dem Modellieren mit Ton. Er schuf eine<br />

Weihnachtskrippe, für die er bei der überregional<br />

bedeutenden Weihnachtskrippenausstellung<br />

»Krippina« den zweiten Preis erhielt.<br />

Die meiste Zeit verbringt er mit der künstlerischen<br />

Bearbeitung des heimischen Sandsteins.<br />

In einprägsamer Art gibt er den rohen<br />

Sandsteinblöcken Form und Gestalt und damit<br />

Leben. Unter seinen Händen entstehen kleine<br />

Kunstwerke, obwohl er ein reiner Autodidakt<br />

ist. Alles was er kann, hat er sich selbst beigebracht.<br />

Seine Werke kommen aus seinem Innersten<br />

heraus. Er hat weder Kurse besucht<br />

noch eine Lehre als Bildhauer hinter sich gebracht.<br />

Der Christophorus auf der Salmbrücke<br />

zählt zu einer seiner ersten Arbeiten. Dieser<br />

weiße Kyllsandstein hat es ihm ein für allemal<br />

angetan. Zeugnisse seines Talents zieren heute<br />

die Brucher Pfarrkirche und Plätze des Dorfes.<br />

In seinen steinernen Gruppenbildnissen und<br />

Einzelfiguren spiegelt sich die Geschichte des<br />

Josef Schmitt<br />

Dorfes Bruch wider, das viele Generationen<br />

lang geprägt wurde von den Krug- und Pfeifenbäckern<br />

und den Händlern, die diese irdenen<br />

Waren im weiten Umfeld verkauften. Daneben<br />

gab es nur noch die mühevolle Landwirtschaft<br />

auf den drei hohen Plateaus um Bruch. Die<br />

Knödgen-Familie kam vor Generationen aus<br />

dem Kannebäckerland, und ihre Nachfahren<br />

sind in Bruch und Niersbach auch heute noch<br />

zuhause.<br />

357


Zur Bedeutung der Volksschullehrer<br />

allgemein<br />

In dem 1916 von dem bedeutenden Pädagogen<br />

W. Petersen herausgegebenen Buch »Der<br />

Aufstieg der Begabten« hat K. Muthesius darauf<br />

aufmerksam gemacht, welche enorme kulturelle<br />

und wirtschaftliche Bedeutung für die<br />

deutsche Gesellschaft den Volksschullehrern<br />

im Kaiserreich zugekommen ist. Er stellte fest,<br />

dass sich in der ganzen Gesellschaft eine spürbare<br />

soziale Höherbewegung vollziehe. Innerhalb<br />

dieser Aufwärtsbewegung nehme der<br />

Volksschullehrerstand eine sehr wichtige Mittelstellung<br />

ein. Über den Beruf des Volksschullehrers<br />

vollzog sich in der Tat oft der Übergang<br />

vom einfachen zum gehobenen Mittelstand<br />

oder sogar zur akademischen Oberschicht,<br />

wobei diese Entwicklung auch nach dem Ersten<br />

Weltkrieg keineswegs beendet war. Die<br />

Volksschullehrer selbst entstammten durchweg<br />

der breiten Bevölkerungsmehrheit der<br />

Bauern und Handwerker, während ihre Söhne –<br />

und gelegentlich auch ihre Töchter – bereits eine<br />

akademische Ausbildung erlangten und damit<br />

in die führenden Berufe aufrücken konnten.<br />

Da es sich bei nicht wenigen Volksschullehrern<br />

um die regsamsten Köpfe der Dörfer handelte,<br />

ist es nicht verwunderlich, dass auch ihre<br />

Sprösslinge in der Regel eine überdurchschnittliche<br />

geistige Befähigung besaßen. 1<br />

Groß war auch die Bedeutung der Volksschullehrer<br />

für das soziale Leben der Gemeinschaft<br />

insgesamt. In vielen Dörfern gestalteten sie das<br />

kulturelle Leben bis vor wenigen Jahrzehnten in<br />

erheblichem Umfang mit. 2 Da schließlich die<br />

überwältigende Mehrheit der Bevölkerung keine<br />

höhere Schulausbildung kannte als die der<br />

Volksschule, hing es außerdem wesentlich von<br />

der Qualität dieses Unterrichts ab, wie gut man<br />

etwa für technische und wirtschaftliche Neuerungen<br />

gerüstet war und auch mit welcher Einstellung<br />

man überhaupt auf Veränderungen<br />

reagierte.<br />

Um die folgenden Ausführungen zum Werde-<br />

358<br />

Der Aufstieg eines Begabten<br />

Lebensstationen des Lehrers Kaspar Hebler<br />

Gregor Brand<br />

gang Kaspar Heblers richtig einordnen zu können,<br />

muss man sich die großen Veränderungen<br />

auch in der Lehrerausbildung vor Augen halten,<br />

die sich im 19. Jahrhundert vollzogen. 3 Bis<br />

nach 1800 hatte es überhaupt keine feste Ausbildung<br />

für Lehrer gegeben. Lehrer konnte jeder<br />

werden, den eine Gemeinde als solchen<br />

einstellte, wobei die Bezahlung meist unter der<br />

für Viehhirten lag. Erst 1810 hatte der Trierer<br />

Domvikar Dewora die erste Bildungsanstalt für<br />

die trierische Eifel gegründet. Diese wurde<br />

1816 zum Königlich-Preußischen Lehrerseminar<br />

erhoben, und es blieb bis 1876 das einzige<br />

Lehrerseminar in der Eifel. Bis nach dem Ersten<br />

Weltkrieg brauchte man für die Zulassung zum<br />

Lehrerseminar keine höhere Schulausbildung<br />

mit Abitur, was andererseits bedeutete, dass<br />

Volksschullehrer auch nicht zur Universität zugelassen<br />

waren. Während also auf der einen<br />

Seite die Volksschullehrer bildungsmäßig die<br />

breite Bevölkerung der Dörfer überragten,<br />

klaffte andererseits zwischen ihnen und den<br />

akademischen Berufen (Arzt, Pfarrer, Apotheker<br />

z. B.) eine spürbare Kluft.<br />

Wie sich der Weg vom Volksschüler zum Volksschullehrer<br />

– und sogar darüber hinaus – in der<br />

Eifel vor über 100 Jahren vollzogen hat, lässt<br />

sich sehr gut anhand des Lebenslaufes des<br />

Bausendorfers Kaspar Hebler darstellen, der<br />

diese Entwicklung in seinen unveröffentlichten<br />

Lebenserinnerungen geschildert hat. Darüber<br />

hinaus sind diese Lebenserinnerungen auch eine<br />

interessante Quelle für manche geschichtlichen<br />

und kulturellen Vorgänge in Heblers Eifeler<br />

Heimat.<br />

Der familiäre Hintergrund 4<br />

Kaspar Hebler wurde am 12. Februar 1857 in<br />

Bausendorf geboren. Die Heblers waren mit<br />

Johann Matthias Hebler, dem Urgroßvater<br />

Kaspars, aus Strotzbüsch nach Bausendorf<br />

gekommen, als dieser dort im Jahr 1764 Anna<br />

Gertrud Warbach, die Witwe von Johann Zirbes,<br />

heiratete. Angehörige der Familie War-


ach zählten zu den bestgestellten Einwohnern<br />

Bausendorfs. 5 Auch in den folgenden Generationen<br />

verbanden sich die Heblers immer wieder<br />

mit Familien der sogenannten dörflichen<br />

Oberschicht (z. B. Moseler, Schmitt). Johann<br />

Matthias Hebler wurde in französischer Zeit<br />

Munizipalagent und starb 1803 infolge einer<br />

durch Franzosen beigebrachten Säbelverletzung<br />

sowie anderer Misshandlungen, die verdeutlichen,<br />

wie spannungsreich das Verhältnis<br />

der Einheimischen zur französischen Besatzung<br />

vielfach war. Sein Sohn Johann Hebler<br />

(1769-1846) gehörte schon zu den wohlhabenderen<br />

Bausendorfern, denn er konnte sich drei<br />

oder vier Pferde halten, die er nicht nur für den<br />

Ackerbau, sondern auch für Holzkohlentransporte<br />

verwendete. Neben dem Ackerbau betrieb<br />

er auch das Küferhandwerk. Er war in<br />

zweiter Ehe mit Anna Maria Moseler verheiratet;<br />

aus dieser Ehe gingen vier Söhne hervor.<br />

Der jüngste Sohn Johann (1825-1902) wurde<br />

der Vater des hier behandelten Kaspar Hebler.<br />

Er arbeitete in der heblerschen Küferwerkstatt,<br />

betrieb daneben Landwirtschaft und bekleidete<br />

zahlreiche Ämter im dörflichen Bereich. So<br />

war er zeitweilig Ortsvorsteher, Kirchenrechner,<br />

Schöffe, Schiedsmann und Vorsteher der<br />

Alftal-Meliorations-Genossenschaft. Er war<br />

verheiratet mit Anna Schmitt aus Bausendorf,<br />

die einer angesehenen Bausendorfer Familie<br />

angehörte, mit der die Heblers mehrfach Heiratsverbindungen<br />

eingingen; auch der später<br />

berühmte Staatsrechtler und politische Philosoph<br />

Prof. Carl Schmitt (1888-1985) entstammte<br />

dieser Familie. 6 Dass mit Carl Schmitt<br />

einmal jemand aus seiner Verwandtschaft zu<br />

weltweiter Berühmtheit gelangen würde, war<br />

Kaspar Hebler offenbar nicht bekannt. Dies ist<br />

insofern nicht verwunderlich, als die Verwandtschaft<br />

damals sehr zahlreich war und man<br />

schnell den Lebensweg einzelner Angehöriger<br />

aus den Augen verlieren konnte. Kaspar Hebler<br />

hatte noch einen jüngeren Bruder Nikolaus, der<br />

ebenfalls Lehrer wurde und der wie sein älterer<br />

Bruder auch heimatgeschichtliche Veröffentlichungen<br />

vorlegte. 7 Nikolaus Hebler hatte sieben<br />

Söhne, die größtenteils studierten und zur<br />

weiteren Verbreitung der Sippe beitrugen. Sowohl<br />

unter den Nachkommen Kaspars als auch<br />

unter denen von Nikolaus befanden sich zahlreiche<br />

weitere Lehrerinnen und Lehrer, so dass<br />

man in gewisser Weise von einer »Lehrerdyna-<br />

stie« sprechen kann. Im Folgenden sollen nun<br />

deren Anfänge dargestellt werden.<br />

Vom Volksschüler zum Volksschullehrer<br />

Einschneidendstes Kindheitserlebnis Kaspar<br />

Heblers war der verheerende Brand in Bausendorf,<br />

den der achteinhalbjährige Junge im Juli<br />

1865 miterlebte und den er später eingehend<br />

beschrieben hat. 8 Die Feuersbrunst war der<br />

Auftakt für weitere Katastrophen, die in den<br />

nächsten Jahren das Alftal heimsuchten. Wie<br />

viele andere Bausendorfer hatten auch die<br />

Heblers ihr Haus durch das Feuer verloren und<br />

verständlicherweise litten die meisten Bausendorfer<br />

besonders im folgenden Winter hart. Als<br />

dieser überstanden war, folgte im Frühjahr<br />

1866 der preußische Krieg mit Österreich und<br />

bald darauf eine Choleraepidemie, die vor allem<br />

in Bengel, das ebenfalls 1865 abgebrannt<br />

war, zahlreiche Todesopfer forderte. Für den<br />

jungen Hebler ging in diesen schlimmen Jahren<br />

in gewisser Weise eine Welt unter. Dies zeigte<br />

sich für ihn auch in dem veränderten Gesicht<br />

der Dörfer nach dem Wiederaufbau. In einer<br />

kulturgeschichtlich interessanten Notiz erwähnt<br />

er in seinen Lebenserinnerungen, dass<br />

mit dem Brand die alten Strohdächer und<br />

Fachwerkhäuser verschwanden und durch mit<br />

Blauschiefer gedeckte Rotsandsteinhäuser ersetzt<br />

wurden. Das von seinen Eltern 1866 neu<br />

erbaute Haus befand sich Anfang der dreißiger<br />

Jahre im Besitz eines alten Schulkameraden<br />

Heblers, des jüdischen Schlossersohnes Salomon<br />

Levi. 9<br />

In der Bausendorfer Schule mit über 100 Jungen<br />

und Mädchen wurde Kaspar – wie sogar<br />

schon seine Eltern – von dem Körpericher Matthias<br />

Bohn unterrichtet. Es wurde viel auswendig<br />

gelernt, insbesondere, wenn es um religiöse<br />

Themen ging, aber auch das Rechnen nahm<br />

im Unterricht breiten Raum ein. In geradezu<br />

moderner Art verstand es Bohn, im Unterricht<br />

zwischen weniger und besser begabten<br />

Schülern teilweise differenzierten Unterricht<br />

abzuhalten. Er gab den besten Schülern der<br />

Oberklasse häufig Denkrechenaufgaben<br />

(»Knacknüsse«), woran Kaspar und andere oft<br />

stundenlang zu knabbern hatten, während die<br />

übrigen Schüler anderweitig beschäftigt waren.<br />

Hebler erinnert sich an Bohn als einen tüchtigen<br />

Lehrer und schreibt:<br />

»Aber er war etwas allzu ernst. Lachen oder<br />

359


lächeln sah ich ihn nie in der Schule, und ein<br />

Scherzwort kam nicht über seine Lippen. Deshalb<br />

hatten wir Jungen einen höllischen Respekt<br />

vor ihm. Kam man aber mal zu ihm in die<br />

Wohnung, dann war er sehr freundlich. – Sein<br />

Familienleben war vorbildlich.... Nach den<br />

Schulstunden zog er den blauen Kittel an,<br />

steckte ihn hinten in die Hosenschnalle, nahm<br />

die Peitsche in die Hand und trieb Ackerbau.«<br />

Wie viele Volksschullehrer der damaligen Zeit<br />

hatte Bohn etliche Kinder. Von seinen sechs<br />

Söhnen wurden drei Lehrer und drei Förster, so<br />

dass man auch an dieser Familie das anfangs<br />

erwähnte soziale Emporstreben deutlich erkennen<br />

kann.<br />

Eine weitere Respektsperson in Bausendorf<br />

war der Pfarrer Franz Karl Wülfing. Hebler hat<br />

ihn in Erinnerung als großen und sehr hageren,<br />

stark gebückt gehenden nervösen Mann, der<br />

»zuweilen mitten in der Predigt zu weinen anfing<br />

und Schluss machen musste. Im übrigen<br />

tat er stillerweise viel Gutes an Armen und<br />

Kranken.«<br />

Wülfing scheint manche Feinde in Bausendorf<br />

gehabt zu haben, was möglicherweise mit den<br />

Kulturkampfauseinandersetzungen dieser Zeit<br />

zusammenhängt. Während die katholischen<br />

Priester durchweg erbitterte Feinde Bismarcks<br />

waren, hatte der damalige Reichskanzler vor<br />

allem unter den gedienten Männern viele Anhänger.<br />

Dazu kamen persönliche Auseinandersetzungen.<br />

Hebler weiß von einem Vorfall zu<br />

berichten, bei dem der Geistliche von einem<br />

Bauern mit einem Schlachtermesser bedroht<br />

worden war.<br />

Als Kind wollte Kaspar Hebler, der zeitlebens<br />

eine große Liebe zur Natur zeigte und sich später<br />

beträchtliche naturkundliche Kenntnisse<br />

und Fertigkeiten erwarb, Gärtner oder Förster<br />

werden. Damit waren jedoch seine Eltern nicht<br />

einverstanden. Sie widersetzten sich auch dem<br />

Vorschlag von Pfarrer Wülfing, Kaspar studieren<br />

zu lassen und ihn dafür zunächst nach Trier<br />

aufs Gymnasium zu schicken. Aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach wäre dann aus dem treuen<br />

Katholiken und späteren Zentrumsanhänger<br />

Kaspar ein Priester geworden. Vielleicht scheuten<br />

seine Eltern die finanzielle Belastung einer<br />

solchen Ausbildung oder sie hofften, dass ihr<br />

Ältester den Namen und die Familie der Hebler<br />

fortsetzen würde, was er als zölibatärer Priester<br />

nicht mehr hätte tun können. Johann Hebler<br />

360<br />

und seiner Frau Anna aber war es durchaus bewusst,<br />

dass Kaspar ein aufgeweckter Junge<br />

war, und so entschieden sie, dass er Lehrer<br />

werden solle.<br />

Als Heblers Eltern sich entschlossen, den<br />

Zwölfjährigen auf eine Tätigkeit als Volksschullehrer<br />

vorzubereiten und ihn dementsprechend<br />

auszubilden zu lassen, gab es in der preußischen<br />

Rheinprovinz noch keine allgemeinen<br />

Regelungen darüber, wie sich angehende<br />

Volksschullehrer auf das spätere Seminar vorbereiten<br />

mussten. Erst 1872 wurde eine allgemeine<br />

Regelung für die sogenannte Präparandenausbildung<br />

geschaffen. Für den zwölfjährigen<br />

Hebler begann der Berufsweg im Oktober<br />

1869 mit einem zweimal pro Woche erteilten<br />

Klavierunterricht bei Lehrer Jakob Paulus in Ürzig.<br />

Ab Ostern 1870 folgte zunächst beim gleichen<br />

Lehrer, dann bei seinem Nachfolger W.<br />

Bimmermann, der Unterricht in Deutsch, Rechnen<br />

und Religion. Als Bimmermann krank wurde,<br />

wurde dieser Unterricht für einige Zeit unterbrochen,<br />

dann wieder bei dem mittlerweile<br />

nach Wehlen versetzten Lehrer Paulus fortgesetzt.<br />

Kaspar legte den Weg mittwochs und<br />

samstags nach Wehlen stets zu Fuß zurück,<br />

wobei er für Hin- und Rückweg fast sechs<br />

Stunden brauchte. Im Winter konnte er in Wehlen<br />

im Haus der Lehrerin Therese Simon übernachten,<br />

wofür diese mit Butter, Eiern, Käse<br />

und Gemüse bezahlt wurde.<br />

Kaspar Hebler war schon in jungen Jahren<br />

stets bestrebt, seine Fähigkeiten und Verdienstmöglichkeiten<br />

ständig zu erweitern. Ein<br />

solcher Ehrgeiz war keineswegs selbstverständlich.<br />

Viele von denjenigen, die mit ihm auf<br />

jeweils gleicher Ausbildungsstufe standen, gaben<br />

nach einiger Zeit auf und wendeten sich<br />

anderen Berufen zu. In Wehlen half er dem Lehrer<br />

Paulus als Küster und Organist, wofür ihn<br />

dieser bei sich kostenlos wohnen ließ und auch<br />

fortan unentgeltlich unterrichtete. Das erste<br />

selbstverdiente Geld aber gewann der junge<br />

Hebler, wie er sich noch im Alter erinnerte,<br />

durch den Verkauf von Zwetschgen von seinen<br />

selbstgesetzten und gepflegten Zwetschgenbäumen.<br />

1873 weitete sich die Organisten- und<br />

Küstertätigkeit Heblers erheblich aus, was sich<br />

finanziell für ihn deutlich bemerkbar machte. Er<br />

übernahm für etwa ein Jahr die Organistenstelle<br />

an der seinerzeit von zahlreichen Pilgern besuchten<br />

Wallfahrtskirche in Klausen und spielte


zudem noch sonntags in Bausendorf die Orgel.<br />

Als Sechzehnjähriger erhielt Hebler im September<br />

1873 vom Beringsschulinspektor Dorbach<br />

die Weisung, die Winterschulstelle in Thiergarten<br />

im Hunsrück anzutreten. Sein Vater riet ihm<br />

jedoch eindringlich von dieser Stelle ab, da dieser<br />

von der dortigen Bevölkerung ein ausgesprochen<br />

schlechtes Bild hatte, das auf die Zeit<br />

zurückging, als er im Zusammenhang mit den<br />

revolutionären Unruhen der Jahre 1848/49 im<br />

Hunsrück als Soldat eingesetzt gewesen war.<br />

Johann Hebler äußerte sich folgendermaßen:<br />

»... nach Thiergarten gehst Du nicht, da schlagen<br />

sie einen für drei Pfennig tot. Ich war 1848<br />

mit meiner Korporalschaft zum Schutze des<br />

Försters dorthin kommandiert. Ich kenne das<br />

Nest. Es sind nur Wilddiebe und Holzlöffelmacher<br />

darin.«<br />

Nachdem Kaspar – natürlich mit anderer Begründung<br />

– diese Stelle abgelehnt hatte, wurde<br />

dem auch in Anbetracht seines Alters kleinen<br />

und schmächtigen Bausendorfer die Verwaltung<br />

der Schule in Langweiler angetragen.<br />

Hebler hatte in diesem Hunsrückdorf 51 Schülerinnen<br />

und Schüler im Alter von 6 bis 13 Jahren<br />

zu unterrichten, wofür er 33 Mark als Gehalt<br />

erhielt. Zusätzlich arbeitete er auch hier als Organist,<br />

Küster und Chorleiter, außerdem erteilte<br />

er Privatunterricht. In seinen Erinnerungen erwähnt<br />

er die Armut der Langweilerer, die als<br />

Achatschleifer, Holzhauer, Schieferbrecher<br />

und in anderen Handwerksberufen nur wenig<br />

verdienten, womit Hebler sich auch die<br />

tatsächlich sehr stark verbreitete Wilddieberei<br />

erklärt. Von der Bevölkerung hat er im Gegensatz<br />

zu seinem Vater ein positives Bild:<br />

»Der Hunsrücker, soweit ich ihn von dort kenne,<br />

ist beweglicher, arbeitsamer und freundlicher<br />

wie der Eifeler, aber auch leichtsinniger«.<br />

Auch in Langweiler hatte der angehende Lehrer<br />

sich fortzubilden, um sich zunächst auf seine<br />

erste Präparandenschulprüfung im Frühjahr<br />

1874 und dann gleich auf die nächste Prüfung<br />

vorzubereiten. Für diese Ausbildung blieb jedoch<br />

neben dem Unterrichten und den sonstigen<br />

Nebentätigkeiten nicht genügend Zeit,<br />

außerdem fehlten dem jungen Hebler die Kollegen,<br />

die ihn hätten weiterbilden können. Der<br />

Umgang mit den evangelischen Lehrern der<br />

Nachbarorte war verpönt, so dass Hebler sich<br />

ziemlich isoliert und einsam vorkam. Bei der<br />

zweiten Schulprüfung um Ostern 1875 schnitt<br />

er nicht so gut wie gewohnt ab, was für ihn der<br />

entscheidende Anstoß war, um Ablösung in<br />

Langweiler zu bitten. Diese erfolgte dann am 1.<br />

Oktober 1875; sein Nachfolger Karl Meier kam<br />

ebenfalls aus Bausendorf.<br />

Im folgenden Jahr verdiente der Präparand<br />

Hebler sein Geld mit kurzzeitigen Vertretungsstellen<br />

sowie als Hauslehrer. Zunächst wurde<br />

er für sechs Wochen vertretungsweise mit der<br />

Schulverwaltung in Binsfeld beauftragt. Diese<br />

Stelle trat er mit zwiespältigen Gefühlen an,<br />

denn die einklassige Schule war mit 126 Schülerinnen<br />

und Schülern mehr als doppelt so groß<br />

wie die in Langweiler. Als er in das Klassenzimmer<br />

eintrat, wurde ihm »angst und bange«,<br />

doch erlebte er in dieser Zeit keine einzige Unbotmäßigkeit,<br />

was ihn sehr verwunderte, da er<br />

gerade von den zahlreichen Hausiererkindern<br />

dieser Gegend etwas anderes erwartet hatte.<br />

Nach dieser kurzen Zeit bewarb sich Hebler erfolgreich<br />

um eine Hauslehrerstelle in Wehlen.<br />

Dort unterrichtete er den einzigen Sohn des<br />

Weingutsbesitzers Konrad Prüm-Steffen,<br />

während er selbst wieder von Lehrer Paulus<br />

fortgebildet wurde. Der junge Wehlener Winzererbe,<br />

schon aus der Volksschule entlassen,<br />

wurde jeden Vormittag unterrichtet, wobei täglich<br />

um 10 Uhr eine Flasche Wein aufgemacht<br />

wurde und sich Lehrer und Schüler eine halbstündige<br />

Frühstückspause gönnten. Auch<br />

beim gemeinsamen Mittagessen des Weingutsbesitzers<br />

mit seinen fünf Kindern, dem<br />

Lehrer, den männlichen und weiblichen Weinbergsarbeitern<br />

sowie den Knechten und Mägden<br />

gab es Wein, diesmal aus einem Steinkrug,<br />

ebenso beim Abendessen.<br />

Ostern 1876 erhielt Hebler den Auftrag, die<br />

Vertretung für den erkrankten Lehrer Carls in<br />

Maring zu übernehmen. Für diese Stelle erhielt<br />

er monatlich 60 Mark Gehalt; für Kost und Logis<br />

hatte er pro Tag eine Mark zu zahlen. Die<br />

Kost beim Weingutsbesitzer Johann Schmitt<br />

entsprach – einschließlich der Weinmenge –<br />

der vorangegangenen in Wehlen. Einmal<br />

wöchentlich wurde der junge Lehrer von Bürgermeister<br />

Melsheimer, dem Eigentümer des<br />

Hofes Siebenborn (mit Bierbrauerei, Branntweinbrennerei,<br />

Mühle und ansehnlichem Weinbergsbesitz),<br />

eingeladen zu Spaziergang und<br />

Umtrunk. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit<br />

einmal mehr, dass die Volksschullehrer in jener<br />

Zeit durchweg – es kam sicher auch immer auf<br />

361


die einzelne Persönlichkeit an – zu den angesehensten<br />

Einwohnern eines Dorfes zählten, mit<br />

denen die sonstigen Honoratioren (etwa Pfarrer,<br />

Gutsbesitzer, Förster) gern geselligen Kontakt<br />

pflegten. Dabei dürfte vielfach nicht nur der<br />

allgemeine Wunsch nach Geselligkeit eine Rolle<br />

gespielt haben, sondern auch das spezielle<br />

Bedürfnis nach einem ansonsten in dieser Weise<br />

nicht möglichen geistigen Austausch. Auch<br />

Kaspar Hebler, dessen Äußerungen keinen<br />

Standesdünkel oder Überheblichkeit gegenüber<br />

einfachen Leuten erkennen lassen, suchte<br />

gern den Kontakt zu stärker intellektuell orientierten<br />

Menschen. So war er beispielsweise gut<br />

befreundet mit dem Lehrer und späteren Professor<br />

Otto Follmann aus Landscheid.<br />

Das Lehrerseminar in <strong>Wittlich</strong><br />

Als die Vertreterstellung in Maring Ende September<br />

1876 ablief, befand sich der neunzehnjährige<br />

Hebler schon in den Vorbereitungen für<br />

eine ganz wichtige Prüfung. Im Jahr 1876 wurden<br />

die ersten Eifeler Lehrerseminare eingerichtet,<br />

darunter auch eines in <strong>Wittlich</strong>. Der junge<br />

Hebler hatte sich zur ersten Aufnahmeprüfung<br />

dieses Seminars gemeldet. Seine Erinnerungen<br />

an die Prüfung und die anschließende<br />

Pionierzeit dieses ersten Eifeler Lehrerseminars<br />

dürften eines der ganz wenigen Zeugnisse<br />

darüber aus Sicht eines Seminaristen sein. Die<br />

Aufnahmeprüfung fand vom 9. bis 13. Oktober<br />

1876 statt. Auf 74 Bewerber kamen 30 Plätze.<br />

Am ersten Tag der Prüfung waren die schriftlichen<br />

Arbeiten zu absolvieren. Die Aufgaben<br />

zeigen, welche Kenntnisse man damals von<br />

den angehenden Seminaristen erwartete. 10 Als<br />

Erstes galt es, einen zweistündigen Aufsatz zu<br />

dem Thema »Regen« zu schreiben. Danach<br />

hatten die Prüflinge jeweils einige Minuten Zeit,<br />

um die folgenden Aufgaben zu bewältigen: 2.<br />

Wie heißen die Sakramente der Toten und warum<br />

haben sie diese Namen? 3. Welche Wunderwerke<br />

des hl. Petrus werden in der Apostelgeschichte<br />

erzählt? 4. »Ein gutes Kind gehorcht<br />

geschwind« (Wort- und Satzanalyse),<br />

5. Angabe zweier Dichter und je ein von ihnen<br />

verfasstes Gedicht, 6. Rechenaufgaben: a) 34:<br />

128,9 b) 9 3 /8 mal 4 2 /7 : 2 1 /4 c) 7,2 Pfund kosten<br />

9,80 Mark. Was kostet 1 Gramm? 7. Angabe<br />

der verschiedenen Dreiecke und Zeichnung<br />

derselben, 8. Angabe der Gebirge auf der rechten<br />

Rheinseite, 9. Preußische Festungen an El-<br />

362<br />

be und Oder, 10. Kriege zur Regierungszeit des<br />

großen Kurfürsten, 11. Angabe von vier wildwachsenden<br />

Pflanzen, welche jetzt blühen, 12.<br />

Beschreibung des Thermometers.<br />

Für die Fragen 2 bis 12 hatte man jeweils nur<br />

ein paar Minuten Zeit, was angesichts der<br />

großen Aufregung viele Prüflinge erheblich belastete.<br />

Diejenigen, die bei der schriftlichen Prüfung<br />

nicht durchgefallen waren, mussten sich an<br />

den nächsten vier Tagen mündlichen Prüfungen<br />

unterziehen, wobei sie verständlicherweise<br />

schließlich »bis zum Umfallen« müde waren.<br />

Kaspar Hebler bestand diesen Wissens- und<br />

Belastungstest, der übrigens auch gewisse<br />

Übereinstimmungen mit manchen Intelligenztests<br />

zeigt, und durfte sich daher am 10. November<br />

1876 mit den 29 anderen Zöglingen im<br />

Seminar einfinden.<br />

Die Seminaristen wurden auf vier Stuben verteilt;<br />

geschlafen wurde in zwei großen ungeheizten<br />

Schlafsälen in einem eisernen Bett mit<br />

»Seegrasmatratze, Keilkissen und dünnem Federkissen;<br />

außerdem unter uns ein Bettuch,<br />

über uns 2 Pferdedecken aus Wolle mit kariertem<br />

Leinenüberzug...«. Im Seminar galt eine<br />

strenge Hausordnung. Der Tag begann für die<br />

jungen Männer um fünf Uhr mit dem Aufstehen.<br />

Eine Viertelstunde später erfolgte das gemeinschaftliche<br />

Morgengebet, eine weitere Viertelstunde<br />

danach begann der Unterricht. Um 7.30<br />

Uhr gab es das Frühstück. Den ganzen Vormittag<br />

über wurde unterrichtet, ebenso nachmittags<br />

von 14 - 16 Uhr. Von 17 - 20 Uhr war Arbeitszeit<br />

auf den Stuben. Danach folgte das<br />

Abendessen. Um 21.15 Uhr mussten die angehenden<br />

Volksschullehrer ins Bett.<br />

Die erste Seminar-Abgangsprüfung fand nach<br />

knapp dreijähriger Ausbildungszeit im August<br />

1879 unter der Leitung von Provinzialschulrat<br />

Linnig statt. Hebler, der nach glaubwürdigen<br />

eigenen Angaben stets zu den leistungsstärksten<br />

Seminaristen gezählt hatte, erhielt im Abschlusszeugnis<br />

die beste Durchschnittsnote.<br />

Wohl im Hinblick auf den zu erwartenden guten<br />

Abschluss hatte ihm der Kreisschulinspektor<br />

Simon schon Monate vorher eine Stelle in Hupperath<br />

in Aussicht gestellt; diese konnte er nun<br />

im Herbst 1879 antreten.<br />

Der Umzug nach Hupperath bedeutete einen<br />

entscheidenden Einschnitt im Leben dieser<br />

Bausendorfer Familie Hebler, denn er war nicht


nur für Kaspar, sondern auch für seine Eltern<br />

mit dem Weggang aus Bausendorf verbunden.<br />

Heblers Eltern waren – wie die meisten Bausendorfer<br />

– nach dem verheerenden Feuer von<br />

1866 in eine bedrängte finanzielle Lage geraten.<br />

Sie entschlossen sich 1879, in ihrem Heimatdorf<br />

alles zu verkaufen, beglichen mit dem<br />

Erlös ihre Schulden und zogen mit Kaspar nach<br />

Hupperath, wo Hebler senior sich um die Bewirtschaftung<br />

der Parzellen kümmerte, die seinem<br />

Sohn Kaspar zusätzlich zum Lehreramt<br />

überlassen worden waren. Auch Kaspars Bruder<br />

Nikolaus zog mit nach Hupperath. Er wollte<br />

auch Volksschullehrer werden und erhielt seine<br />

Präparandie-Ausbildung in <strong>Wittlich</strong> unter<br />

Hauptlehrer Geiter und seinem Bruder, ehe er<br />

von 1881-1884 ebenfalls Zögling des Katholischen<br />

Lehrerseminars in <strong>Wittlich</strong> wurde.<br />

Sein älterer Bruder Kaspar erteilte neben der<br />

Lehrertätigkeit in Hupperath mittwochs und<br />

samstags je drei Stunden am Nachmittag den<br />

angedeuteten Unterricht am Präparandenkursus<br />

in <strong>Wittlich</strong>, der der Vorbereitung auf das<br />

Seminar diente. Hebler lehrte Religion sowie<br />

Naturwissenschaften (Botanik, Zoologie, Physik,<br />

Mineralogie), während sein einziger Kollege,<br />

Hauptlehrer Andreas Geiter, die übrigen Fächer<br />

gab. Diese Tätigkeit am Präparandenkursus<br />

übte Hebler von 1879 bis 1892 aus. Er war stolz<br />

darauf, dass die Zöglinge seines Kursus bei der<br />

Seminaraufnahmeprüfung stets am besten abschnitten.<br />

Während der Hupperather Zeit hatte<br />

Hebler 36 Stunden Unterricht in der Woche zu<br />

erteilen, wozu noch weitere Privatstunden kamen.<br />

Nach einiger Zeit plagten ihn beständige<br />

Halsschmerzen, was er auf das viele Reden<br />

und die anstrengenden Wege den Pichterberg<br />

herauf zurückführte. Als mit seiner Versetzung<br />

nach <strong>Wittlich</strong> 1883 zumindest diese Wege<br />

wegfielen, verschwanden auch seine Halsbeschwerden.<br />

Nachdem Hebler 1882 das für Lehrer obligatorische<br />

zweite Examen mit gutem Erfolg absolviert<br />

hatte, bewarb er sich um eine Stelle an der<br />

höheren Stadtschule in <strong>Wittlich</strong>. Im Herbst<br />

1883 durfte er sie antreten. Sein Lehrergehalt<br />

stieg von jährlich 900 Mark in Hupperath (plus<br />

freie Wohnung) auf 1 500 Mark in <strong>Wittlich</strong>, wo<br />

ihm vom Rektor der Schule, Ferdinand Buck,<br />

eine Fünf-Zimmer-Dienstwohnung für jährlich<br />

150 Mark überlassen wurde. Im ersten Jahr<br />

wohnten auch noch seine Eltern in dieser Woh-<br />

nung, dann zogen die alten Heblers nach Deudesfeld,<br />

wo ihr jüngerer Sohn Nikolaus 1884<br />

nach dem Verlassen des Seminars seine erste<br />

Lehrerstelle antrat.<br />

Die höhere Stadtschule <strong>Wittlich</strong> hatte zu jener<br />

Zeit nur drei Klassen – Sexta, Quinta, Quarta –<br />

und nur knapp über 50 Schüler, darunter eine<br />

nicht unbeträchtliche jüdische Minderheit. Die<br />

Schule wurde teils durch das zu zahlende<br />

Schulgeld, teils durch die Stadt <strong>Wittlich</strong> finanziert.<br />

Hebler erwähnt eine weit verbreitete Gegnerschaft<br />

gegen diese städtische Finanzierung<br />

sowohl seitens des Stadtparlaments als auch<br />

seitens desjenigen Bevölkerungsteils, dessen<br />

Söhne an dieser Schule nicht vertreten waren.<br />

In diesen <strong>Wittlich</strong>er Jahren unterrichtete Hebler<br />

auch noch an der neu gegründeten landwirtschaftlichen<br />

Winterschule, so dass sein Einkommen<br />

insgesamt das Zweieinhalbfache eines<br />

Volksschullehrers betrug.<br />

Im Herbst 1889 bestand er als Zweiunddreißigjähriger<br />

in Koblenz das Mittelschulexamen für<br />

Mathematik und Naturwissenschaften, was<br />

ihm die Möglichkeit eines weiteren beruflichen<br />

Aufstiegs gab.<br />

Kaspar Heblers familiäre Lage<br />

Kaspar Hebler hatte Ende der achtziger Jahre<br />

schon weit mehr erreicht als die Mehrzahl der<br />

Volksschullehrer. Sein beruflicher Erfolg drückte<br />

sich nicht nur in Einkommen und seiner Mittelschullehrerqualifikation<br />

aus, sondern dürfte<br />

auch im sozialen Umfeld deutlich geworden<br />

sein. Entsprechend seinem Naturell war er jedoch<br />

damit noch nicht zufrieden, sondern<br />

suchte sich beruflich weiter zu verbessern.<br />

Dies entsprang nicht nur persönlichem Leistungsstreben,<br />

sondern zu diesem Zeitpunkt<br />

spielten weitere Überlegungen privater Art eine<br />

wichtige Rolle. Hebler hatte mittlerweile nicht<br />

nur für sich zu sorgen, sondern auch für Frau<br />

und Kinder. Während seiner Hupperather und<br />

<strong>Wittlich</strong>er Zeit hatte er die acht Jahre jüngere<br />

Anna Fischer kennengelernt, deren blonde<br />

Zöpfe und zugleich schlankes und kräftiges<br />

Aussehen ihm gut gefielen. Anna war eine<br />

Tochter des <strong>Wittlich</strong>er Gerbers, Gastwirts und<br />

Stadtrats Balthasar Fischer und der aus Dhron<br />

stammenden Winzerstochter Maria Katharina<br />

Arens. Balthasar Fischer war nach Angaben<br />

seines Schwiegersohnes ein stattlicher, starker<br />

und wortkarger Mann, der bei den Gardeküras-<br />

363


sieren gedient hatte und in seiner Gerbergesellenzeit<br />

bis nach Venedig gekommen war.<br />

»Er besaß im Gegensatz zu seiner Frau ein sehr<br />

ruhiges Temperament, sprach sehr wenig, war,<br />

obwohl Gastwirt, äußerst solid, trank in der<br />

ganzen Woche kaum eine halbe Flasche Wein.<br />

In seiner Wirtschaft verzapfte er nur Wein eigenen<br />

Wachstums und konnte sich, als das Biertrinken<br />

allgemeiner wurde, nur schwer dazu<br />

verstehen, auch Flaschenbier einzulegen. Sein<br />

Fehler war seine zu große Gutmütigkeit.«<br />

Dass er als Gerber zusehends in größere wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten geriet, dürfte allerdings<br />

weniger Folge seiner Gutmütigkeit gewesen<br />

sein. Alle Eifeler Gerbereien wurden in der<br />

zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwer<br />

bedrängt von zunehmender großindustrieller<br />

Konkurrenz, der sie schließlich erlagen.<br />

Die Heirat Heblers mit Anna Fischer fand an einem<br />

ungewöhnlichen Termin, nämlich am 31.<br />

Dezember 1887, bei minus 17 Grad in <strong>Wittlich</strong><br />

statt. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor,<br />

deren Werdegang typisch war für den aufstrebenden<br />

katholischen Volksschullehrerstand<br />

dieser Zeit und zugleich auch verdeutlicht,<br />

welch harten Schicksalsschlägen die Menschen<br />

damals ausgesetzt waren. Zu der noch<br />

recht hohen Sterblichkeit infolge heute meist<br />

behandelbarer Krankheiten (z. B. Tuberkulose)<br />

kam die Belastung durch den Ersten Weltkrieg.<br />

Das erstgeborene (am 28. September 1888)<br />

Kind Anna starb schon drei Wochen nach der<br />

Geburt. Katharina (*1889) wurde Lehrerin und<br />

heiratete 1924 den Verlagsdirektor Bitter in<br />

Recklinghausen. Der älteste Sohn Joseph<br />

(*1890), Gymnasiast in Prüm und Münster, wurde<br />

ebenfalls Lehrer, bevor er in das Geschäft<br />

seines Schwiegervaters in Drolshagen eintrat.<br />

Felix (*1891) wurde der erste Abiturient und<br />

Akademiker in der Familie. Er wurde freiwillig<br />

Leutnant, mehrfach schwer verwundet und mit<br />

dem EK I ausgezeichnet. Später studierte er<br />

Pharmazie und arbeitete nach der Promotion<br />

als Apotheker. Der nächstgeborene Karl trat<br />

nach dem Abitur ins Priesterseminar in Trier<br />

ein. Er wurde freiwillig Soldat und fiel 1917 als<br />

Dreiundzwanzigjähriger in den Karpaten. Der<br />

vierte Sohn Balthasar meldete sich als Unterprimaner<br />

freiwillig, wurde später Flugzeugführer<br />

und zog nach Kriegsende zum Kampf gegen<br />

die Bolschewisten im Baltikum. Er fiel 1919<br />

bei Riga als Leutnant des 1. Litauischen Garde-<br />

364<br />

regiments. Luzie Hebler, nach dem durchaus<br />

glaubhaften Zeugnis ihres Vaters ein hochintelligentes<br />

Mädchen, wurde die erste Abiturientin<br />

der Familie und wollte danach Lehrerin werden.<br />

Schon bald jedoch erkrankte sie an Tuberkulose.<br />

Als Zwanzigjährige starb sie Weihnachten<br />

1916. Kaspar Hebler schreibt dazu im Hinblick<br />

auf ihren Bruder Karl:<br />

»Unser letzter Feldpostbrief an ihn enthielt die<br />

Todesnachricht seiner 1. Schwester Luzie, die<br />

ihn am 8. Januar 1917 erreichte. Ein halb fertiger<br />

Brief von diesem Tag, ohne seine Unterschrift,<br />

bestätigt den Empfang der Trauernachricht,<br />

– und am andern Tage war er mit seiner 1.<br />

Schwester vereint. Mögen beide in Frieden ruhen!«<br />

Anna (*1897), ebenfalls Abiturientin, wollte<br />

schon als Kind Missionsschwester werden. Als<br />

sie 20 Jahre alt war, erlaubte es ihr Vater nach<br />

langem Drängen. Sie trat in den Orden der<br />

Schwestern von der göttlichen Vorsehung ein.<br />

Ludwig (*1901), das jüngste der Hebler-Kinder,<br />

absolvierte die Oberrealschule in Münster und<br />

wurde gegen den Willen des Vaters Landwirt.<br />

Als staatlich geprüfter Landwirt arbeitete er auf<br />

verschiedenen Gütern.<br />

Hebler als Lehrer am Gymnasium zu Prüm<br />

Als Kaspar Hebler Ende 1892 von einer für Seminaristen<br />

ausgeschriebenen Stelle am Gymnasium<br />

zu Prüm 11 hörte, hatte er schon zwei<br />

Söhne und die Familie war auf weiteren Zuwachs<br />

ausgerichtet. Hebler bewarb sich um<br />

die Stelle, wobei der Gedanke eine wichtige<br />

Rolle spielte, dass dies später für die Ausbildung<br />

seiner Kinder von Vorteil sein würde. Seine<br />

Bewerbung wurde angenommen. Er zog im<br />

April 1893 mit seiner Familie nach Prüm um, wo<br />

er zwölf Jahre lang blieb. Er war im Kollegium<br />

der einzige Seminarist, also Nichtakademiker,<br />

hatte aber deswegen, wie er betont, keinerlei<br />

Probleme mit den anderen Lehrern. Dies lag<br />

wohl nicht unwesentlich daran, dass er – nach<br />

eigenen Worten – deren höhere Bildung voll<br />

und ganz anerkannte und sie zuvorkommend<br />

behandelte. Schnell wurde er auch ins Prümer<br />

Casino aufgenommen, in dem sich die Prümer<br />

Oberschicht traf. Tonangebende Mitglieder<br />

waren die reichen Prümer Lederfabrikanten<br />

(Nels, Alff, Spoo, Koch u. a.), danach kamen in<br />

der sozialen Stellung erst die Akademiker der<br />

Kleinstadt (Geistliche, Ärzte, Apotheker etc.).


Außer diesen Reichen und Gebildeten waren<br />

nur noch Seminaristen zugelassen; seit 1885<br />

hatte auch Prüm ein Lehrerseminar. Bei<br />

Heblers positiver Aufnahme im Casino fiel noch<br />

die Tatsache ins Gewicht, dass er Schwiegersohn<br />

eines Gerbers war. Nach dem damals<br />

geltenden und auf der Steuerkraft beruhenden<br />

Dreiklassenwahlrecht waren in der 1. Klasse in<br />

Prüm nur sechs Gerber und ein Apotheker vertreten,<br />

woraus man ebenfalls die in diesen Jahren<br />

noch führende soziale Rolle dieser Gruppe<br />

ersehen kann.<br />

Am Gymnasium in Prüm unterrichtete Hebler in<br />

den unteren Klassen Deutsch, Rechnen, Biologie<br />

und Zeichnen. Daneben leitete er den aus<br />

140 Schülern bestehenden Chor und gab Privatunterricht.<br />

In Prüm verdiente er als Lehrer<br />

zunächst 1800 Mark, aber nach drei Jahren<br />

schon 2100 Mark, wobei er sich im Hinblick auf<br />

die Pensionsberechtigung viel günstiger stand<br />

als in <strong>Wittlich</strong>. Während dieser Zeit erhielt er<br />

auch Angebote, als Lehrer nach Posen oder<br />

Düsseldorf zu gehen, was für ihn noch günstiger<br />

gewesen wäre. Hebler wäre eigentlich gern<br />

gegangen, lehnte die Angebote jedoch aus<br />

Rücksicht auf seine Frau ab, die lieber in Prüm<br />

bleiben wollte. Alsbald ergab sich auch in Prüm<br />

eine Gelegenheit, sich gegenüber einem Mittelschullehrer<br />

noch finanziell zu verbessern: das<br />

Zeichenlehrerexamen. Diese Chance ließ sich<br />

Hebler nicht entgehen. Er absolvierte zu diesem<br />

Zweck einen sechswöchigen Kursus in<br />

Düsseldorf, zweimal in den Herbstferien Kurse<br />

in Berlin auf der Handwerker-Fortbildungsschule,<br />

einen mehrmonatigen Zeichenlehrerkurs<br />

an der Königlichen Kunstschule und<br />

schließlich wieder einen einsemestrigen Kursus<br />

an der Kunstgewerbeschule und der Akademie<br />

in Düsseldorf. Seit 1901 war er dann auch examinierter<br />

Zeichenlehrer.<br />

Außerschulisch betätigte sich Hebler mit Vorträgen<br />

im Sprach- und Altertumsverein, spielte<br />

in einem Musikquintett 2. Violine, Klavier oder<br />

Kontrabass und war außerdem noch Vorsitzender<br />

des neu gegründeten Kreisbienenzuchtvereins.<br />

Auch dies waren typische Betätigungen<br />

für die eifrigsten und tüchtigsten unter den<br />

damaligen Volksschullehrern.<br />

Realschule Münster<br />

Im Sommer 1903 erfuhr Hebler von einer freiwerdenden<br />

Zeichenlehrerstelle am Realgym-<br />

nasium im westfälischen Münster. Er glaubte,<br />

dort seien für die Ausbildung seiner Kinder<br />

bessere Voraussetzungen gegeben als in der<br />

abgelegenen Eifelkleinstadt. Vielleicht spielte<br />

für seine Entscheidung zum Wechsel, die seine<br />

Familie endgültig aus der Eifel herausführte,<br />

auch sein schlechtes Verhältnis zum Gymnasialdirektor<br />

Dr. Brüll eine Rolle. Jedenfalls konnte<br />

er auch seine anfangs widerstrebende Frau<br />

überzeugen, und er bewarb sich mit Erfolg um<br />

diese Stelle. Von April 1904 bis zu seiner Pensionierung<br />

im April 1922 war er nun Zeichenlehrer<br />

an der vom Gymnasium abgezweigten<br />

Städtischen Oberrealschule. Noch im hohen<br />

Alter hat Hebler den Wechsel nach Münster bereut,<br />

was vor allem daran lag, dass er mit dem<br />

Schulleiter, Direktor Dr. Hoffschulte, nicht gut<br />

zurechtkam und auch sonst im Kollegenkreis<br />

sich wesentlich weniger wohl fühlte als in<br />

Prüm. Im hohen Alter betrachtete er die zwölf<br />

Jahre in Prüm – insbesondere die Zeit unter<br />

dem Direktor Dr. Asbach – als schönste Phase<br />

seines Lebens. In den Prümer Jahren war seine<br />

Familie um gesunde Kinder angewachsen, sein<br />

Einkommen betrachtete er als reichlich und er<br />

fühlte sich in allen sozialen Kreisen Prüms gut<br />

gelitten und in gutem Ansehen stehend.<br />

In Münster unterwies Hebler zusammen mit<br />

zwei Volksschulrektoren seit Ostern 1904<br />

Volksschüler im Zeichnen. Der Zeichenunterricht<br />

diente der Vorbereitung auf die Handwerker-Fortbildungsschule.<br />

Hebler lehrte seine<br />

Schüler dabei nicht nur im Gebrauch des Bleistifts,<br />

sondern arbeitete auch mit Pastellkreide,<br />

Aquarellfarbe und Tusche. Die Ergebnisse seines<br />

Unterrichts wurden dann in einer Ausstellung<br />

der Öffentlichkeit präsentiert. Weiteren<br />

Zeichenunterricht gab Hebler sowohl Lehrerinnen<br />

und auch Lehrern. Er erwarb sich im<br />

ganzen Münsteraner Raum einen Ruf als qualifizierter<br />

Zeichenlehrer, was ihm gelegentliche<br />

Sonderaufträge einbrachte.<br />

Zusätzliche Einnahmen verschaffte Hebler sich<br />

auch dort, wie schon in seinen früheren Jahren,<br />

als Chorleiter, Dirigent und Gesangslehrer.<br />

Durch die zahlreichen Beschäftigungen kam er<br />

zeitweise auf über 40 Stunden Unterricht in der<br />

Woche.<br />

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erwarb er in<br />

Münster-Blitzdorf ein eigenes Haus, das er<br />

nach dem Ersten Weltkrieg teilweise vermietete.<br />

In der Inflationszeit der zwanziger Jahre<br />

365


freute er sich besonders darüber, sein Vermögen<br />

in dieses Haus gesteckt zu haben. Dies bewahrte<br />

ihn, im Gegensatz auch zu manchen<br />

Lehrerkollegen, vor den großen inflationären<br />

Verlusten, die viele trafen.<br />

Nach einigen Jahren in Münster kamen auch<br />

privat für Kaspar Hebler schwere Stunden. Seine<br />

Frau Anna starb im Frühjahr 1908. Abgesehen<br />

vom seelischen Schmerz bedeutete dies<br />

für Hebler auch eine deutliche Erschwernis seiner<br />

äußeren Lebensbedingungen. Der im<br />

Haushalt völlig unerfahrene kinderreiche Witwer<br />

suchte zunächst die anfallende Arbeit mit<br />

Hilfe von Haushälterinnen, Putzfrauen, Büglerinnen<br />

und Näherinnen zu lösen, was ihn aber<br />

finanziell und auch organisatorisch sehr strapazierte,<br />

da er mit den von diesen erbrachten Leistungen<br />

und Verhaltensweisen oft sehr unzufrieden<br />

war. Diese Probleme wurden nach fünfzehnmonatigem<br />

Witwerleben erst gelöst, als er<br />

am 9. August 1909 in Münster mit der vierzehn<br />

Jahre jüngeren Luzie Fischer, der jüngsten<br />

Schwester seiner verstorbenen Frau, eine<br />

zweite Ehe einging. Er war sich sicher, damit<br />

auch das Beste für seine Kinder getan zu haben,<br />

die zu ihrer Tante und Stiefmutter nach<br />

seinen Angaben zumindest später ein sehr gutes<br />

Verhältnis hatten. Schwere Belastungen ergaben<br />

sich für ihn dann wieder im Ersten Weltkrieg,<br />

als er nicht nur um die im Felde stehenden<br />

Söhne und Neffen bangen musste, sondern<br />

auch unter den Folgen einer Munitionskatastrophe<br />

litt, die Münster schwer heimgesucht<br />

hatte. Außerdem litt die Bevölkerung nach zwei<br />

Kriegsjahren erheblich unter Nahrungsmangel,<br />

ja, es wurde regelrecht gehungert. In dieser<br />

Zeit unternahm Hebler mehrere Fahrten in die<br />

Eifel und er freute sich, wenn er dort von Verwandten<br />

und Freunden mit Lebensmitteln unterstützt<br />

wurde. Erbost war er über das Verhalten<br />

vieler Vertreter der sogenannten besseren<br />

Kreise, die in diesen Tagen oft ein sehr zweifelhaftes<br />

und höchst eigennütziges Verhalten an<br />

den Tag legten.<br />

Nach Krieg und Inflation ging es erst in der<br />

zweiten Hälfte der zwanziger Jahre wieder<br />

deutlich besser. Hebler unternahm sogar noch<br />

eine Romreise und fand Anfang der dreißiger<br />

Jahre, als er die Siebzig schon überschritten<br />

hatte, die Kraft, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben.<br />

Außerdem entschloss er sich, seine<br />

verstreut veröffentlichten heimatkundlichen<br />

366<br />

Erzählungen in einem eigenen Band zusammenzufassen.<br />

Auch wenn diese Sammlung<br />

»Ernste und heitere Erzählungen aus Bausendorf<br />

Kreis <strong>Wittlich</strong> und anderen Orten« weniger<br />

einen literarischen, sondern mehr einen heimatkundlichen<br />

Charakter trägt und es daher –<br />

auch im Hinblick auf den relativ geringen Umfang<br />

seiner schriftstellerischen Tätigkeit – wohl<br />

verfehlt ist, Kaspar Hebler als Heimatschriftsteller<br />

zu bezeichnen, so zeigt diese Sammlung<br />

doch, dass er neben seinen pädagogischen<br />

und künstlerischen auch schriftstellerische<br />

Fähigkeiten besaß. Dass er diese nur ansatzweise<br />

entwickelte, kann man ihm angesichts<br />

seines ansonsten überaus tätigen Lebens gewiss<br />

nicht verdenken.<br />

Anmerkungen<br />

1 Die Kinder von Volksschullehrern erreichten in mehreren Untersuchungen<br />

in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach den Akademikerkindern<br />

im Durchschnitt die besten Schulleistungen. Vgl. L.<br />

Winter: Der Begabungsschwund in Europa, Pähl/Obb. 1959, S. 61.<br />

2 Dazu: F. J. Faas: Hungerleider, Bildungsträger, Respektspersonen.<br />

In: Arbeitskreis Eifeler Museen (Hrsg.): Tafel, Griffel, Rutenstock.<br />

150 Jahre Eifeler Volksschulleben, Meckenheim 1989, S. 47 ff.<br />

3 Vgl. dazu insbesondere: Faas (Anm. 2) sowie die zahlreichen<br />

Beiträge zur Entwicklung der Lehrerausbildung und Schulgeschichte<br />

im rheinpreußischen Raum von E. Schaaf, wie sie in der<br />

Bibliographie der ihm gewidmeten Festschrift aufgeführt sind: U.<br />

Nonn, H. Vogelsang (Hrsg.): Landesgeschichte-Fachdidaktik-<br />

Lehrerbildung, Landau 1998, S. 212 ff.<br />

4 Diese Darstellung beruht, soweit nicht anders angegeben, auf dem<br />

sechsseitigen maschinenschriftlichen Manuskript von K. Hebler:<br />

Familiengeschichte der Bausendorfer Hebler (Münster, o. J.).<br />

Heblers mütterliche Vorfahren aus der Bausendorfer Familie<br />

Schmitt werden eingehend behandelt in meiner Abhandlung: Non<br />

ignobili stirpe procreatum: Carl Schmitt und seine Herkunft, in:<br />

Schmittiana V, Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts (hrsg.<br />

von Prof. P. Tommissen), Berlin 1996, S. 225 - 298 sowie, kürzer,<br />

in: G. Brand: Die väterliche Heimat des Carl Schmitt. Bausendorfs<br />

Beitrag zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, in: Das Alftal<br />

in Gegenwart und Geschichte. Chronik der Alftalgemeinden<br />

1994/95, S. 77-84.<br />

5 Nach Nikolaus Hebler war Anfang des 19. Jahrhunderts Kaspar<br />

Warbach in Bausendorf der Höchstbesteuerte der Bürgermeisterei<br />

Neuerburg-Bausendorf. Matthias Moseler war der begütertste<br />

Bürger Neuerburgs. Dazu: N. Hebler: Zur Geschichte der ehemals<br />

kurfürstlich trierischen Burg Neuerburg »novum Castrum« sowie<br />

des Dorfes Neuerburg bei <strong>Wittlich</strong>, 2. Aufl., <strong>Bernkastel</strong>-Cues 1933,<br />

S. 38.<br />

6 Carl Schmitts Vater Nikolaus war ein Vetter von Kaspar und Nikolaus<br />

Hebler. Deren Mutter Anna war eine Großtante Carl Schmitts.<br />

7 Das in Anm. 5 angegebene Werk zur Geschichte Neuerburgs war<br />

N. Heblers Hauptschrift. Eine Kurzlebenslauf von ihm findet sich<br />

auf S. 61 von Kaspar Heblers Buch: Ernste und heitere Erzählungen<br />

aus Bausendorf Kreis <strong>Wittlich</strong> und anderen Orten, Münster<br />

1934.<br />

8 Vgl. sein in Anm. 7 genanntes Werk (S. 5 ff).<br />

9 Salomon Levy (1855-1938) war der letzte jüdische Bürger Bausendorfs,<br />

der auf dem alten jüdischen Friedhof beerdigt wurde. Vgl. A.<br />

Klausen: Jüdische Familien im Alftal, in: Das Alftal in Geschichte<br />

und Gegenwart. Chronik der Alftalgemeinden 1990/91, S. 90 ff (99).<br />

10 Einen bildungsgeschichtlich sehr interessanten Überblick über die<br />

wechselnden Aufgaben der Volksschullehrer geben Musmacher/<br />

Beckers: Geschichte der Methodik der einzelnen Unterrichtsfächer<br />

der Volksschule. Ein Handbuch zur Vorbereitung auf die Lehrerund<br />

Rektorenprüfung, Trier 1918.<br />

11 Das Progymnasium Prüm wurde durch Erlass vom 15.04.1892 zum<br />

Vollgymnasium ausgebaut. Vgl. dazu: F. J. Faas: Von der Bürgerschule<br />

zum königlich-preußischen Gymnasium, in: Direktor u. Kollegium<br />

des Staatl. Regino-Gymnasiums in Prüm (Hrsg.): 125 Jahre<br />

Regino-Gymnasium Prüm/Eifel. Festschrift 1977, Prüm 1977, S. 9


Walther und Werner Beumelburg<br />

Leben zweier Brüder im Nationalsozialismus<br />

Vor hundert Jahren wirkte in der evangelischen<br />

Gemeinde zu Trarbach der Pfarrer und Superintendent<br />

Eduard Beumelburg (1863-1927).<br />

Pfarrer Beumelburg war verheiratet mit Marie<br />

Waldeyer (1867-1942), einer Bürgermeisterstochter<br />

aus Neuwied. Die Eheleute hatten fünf<br />

Kinder, zwei Mädchen und drei Jungen.<br />

Uns interessieren hier die Brüder Walther<br />

(1894-1944) und Werner (1899-1963). Walther<br />

war das älteste aller Geschwister, während<br />

Werner das vorletzte Kind der Familie war.<br />

Äußerer Anlass dieses Beitrages ist zwar der<br />

hundertste Geburtstag des jüngeren der beiden<br />

Brüder, des Schriftstellers Werner Beumelburg.<br />

Aber es geht hierbei um den Versuch einer<br />

Bewertung der unterschiedlichen Lebensabläufe<br />

und um die interessante Frage, wie<br />

sich die beiden Brüder dem Nationalsozialismus<br />

gegenüber verhalten haben.<br />

In Traben-Trarbach, dem Geburts- und<br />

Heimatort der beiden Beumelburgs, pflegt man<br />

ein noch immer ambivalentes Verhältnis zum<br />

Namen Beumelburg, vor allem gegenüber dem<br />

jüngeren der beiden Brüder, über die hier berichtet<br />

werden soll. Während man die Biographie<br />

des Schriftstellers Werner zu kennen<br />

glaubt, ist über das Leben und vor allem über<br />

den geheimnisvollen Tod seines älteren Bruders<br />

Walther, dem zeitweiligen Rundfunk-Intendanten,<br />

kaum etwas bekannt. Man kann davon<br />

ausgehen, dass die Kinder Beumelburg die<br />

für die damalige Zeit charakteristische Erziehung<br />

in einem preußisch-protestantischen Elternhaus<br />

erlebten, deren Wertmaßstäbe durch<br />

die ethischen Begriffe Pflichterfüllung, Staatstreue,<br />

Bekenntnis zu Geschichte und Religion<br />

umrissen werden können. Es ist überliefert,<br />

dass deutsch-nationales Gedankengut die tagesüblichen<br />

Politikgespräche im Pfarrhaus beherrschte.<br />

So wird auch das Wahlthema zu<br />

Werners Abiturarbeit verständlich, ein persönlicher<br />

und nationaler Wahlspruch aus Homers<br />

Ilias (»Immer der erste zu sein und sich unter<br />

den anderen hervorzutun«).<br />

Richard Ochs<br />

Der Schriftsteller Werner Beumelburg<br />

Als 17-jähriger Kriegsfreiwilliger folgte er 1916<br />

nach dem Notabitur seinem mehr als vier Jahre<br />

älteren Bruder ins Feld. Die mörderischen Materialschlachten<br />

vor Verdun waren das Schlüsselerlebnis<br />

seines Lebens, das er in seinen<br />

Büchern später verarbeitete.<br />

Zunächst studierte er nach dem Krieg in Köln<br />

Staatswissenschaften, ehe er 1921 nach Berlin<br />

ging, und dort als Schriftleiter der Deutschen<br />

Soldatenzeitung und Mitarbeiter im Reichswehrministerium<br />

mit der literarischen Nachbearbeitung<br />

der großen Schlachten des Ersten<br />

Weltkrieges beauftragt wurde. 1 Er übernahm<br />

danach die Position als politischer Redakteur<br />

an der Deutschen Allgemeinen Zeitung, Berlin,<br />

(1921-1924) und an den Düsseldorfer Nachrichten<br />

(1924-1926).<br />

Nach seiner Tätigkeit als Journalist lebte er ab<br />

1927 als freier Schriftsteller in Traben-Trarbach,<br />

Berlin und zeitweise in Capri. Er hatte in<br />

diesem Lebensabschnitt seine literarisch größten<br />

Erfolge. Er schrieb rund vierzig Romane<br />

und Bücher, mit meist historischen bzw. patriotisch-ethischen<br />

Themen. 2 Die Literaturwissenschaft<br />

rechnet Beumelburg in der Gruppe der<br />

»Konservativen Revolution« zum »Soldatischen<br />

Nationalismus«, zu deren zentralen Figuren<br />

u. a. der frühe Ernst Jünger sowie die bekannten<br />

Autoren Ernst von Salomon und Edwin<br />

Erich Dwinger gehören.<br />

Es verwundert daher nicht, wenn die Nationalsozialisten<br />

versuchten, Werner Beumelburg für<br />

ihre Ideologie zu vereinnahmen. Aber er wurde<br />

niemals Mitglied der NSDAP, obwohl er bereits<br />

im Mai 1933 bei der Gleichschaltung der ehemals<br />

preußischen Akademie für Dichtkunst und<br />

ihrer Umbenennung in Deutsche Akademie der<br />

Dichtung als jüngstes ihrer neu hinzugewählten<br />

Mitglieder auf Forderung des Vizepräsidenten<br />

Rudolf G. Binding zum Schriftführer bestimmt<br />

wurde. Damals war er 34 Jahre alt. Dass er sich<br />

nicht um diese Aufgabe beworben hatte, beweist<br />

die gegenseitige Antipathie, die ihn mit<br />

367


dem Akademiepräsidenten Hanns Johst verband.<br />

So führte er denn auch den Schriftverkehr<br />

der Akademie eher nüchtern-sachlich als<br />

etwa nationalsozialistisch-begeistert. Es gibt<br />

eine Äußerung von Ricarda Huch, die dem jungen<br />

Schriftsteller als einzigem der Akademie-<br />

Mitglieder ein gewisses Maß an »Benimm« und<br />

Umgangsformen bescheinigt. Als Johst den<br />

Akademie-Mitgliedern zumutete, den Austritt<br />

Deutschlands aus dem Völkerbund nachträglich<br />

gutzuheißen, unterschrieb Werner Beumelburg<br />

nicht. Dagegen unterzeichneten Will Vesper,<br />

Rudolf G. Binding, Hans Grimm, Hans-Friedrich<br />

Blunck, Börries von Münchhausen, Gustav<br />

Frenssen, Erwin G. Kolbenheyer, Ina Seidel,<br />

Gerhart Hauptmann, Gottfried Benn u.a..<br />

Gelegentlich konnte er sich positiv für damals<br />

unbequeme Künstler einsetzen, so z. B. für den<br />

in finanzieller Bedrängnis befindlichen Ernst<br />

Barlach, der sich im April 1934 bei ihm für eine<br />

finanzielle Unterstützung bedankte (»die mir<br />

willkommen sein muß und für mich in dieser<br />

Zeit in mehr als einer Hinsicht Bedeutung hat«).<br />

Seine Tätigkeit für die Akademie endete mit<br />

Kriegsbeginn, als er in Übereinstimmung mit<br />

Goebbels und Göring die Aufgabe übernahm,<br />

eine umfassende Kriegschronik des Zweiten<br />

Weltkrieges zu schaffen, zu der es allerdings<br />

nie kam.<br />

Zweifellos hat er es sich als junger und am Erfolg<br />

orientierter Autor 3 gefallen lassen, von national<br />

gesinnten Kräften Deutschlands und den<br />

Nazis wohlwollend gefördert zu werden (1936:<br />

Literaturpreis der Stadt Berlin; 1937: Kunstpreis<br />

des Gaues Westmark; 1937: Moselgemeinde<br />

Winningen »Werner-Beumelburg-<br />

Schule« und Ehrenbürgerrechte; Dezember<br />

1937: Ehrenmitglied der »Gesellschaft Casino<br />

zu Trarbach«; Februar 1938: Traben-Trarbach<br />

»Ehrenbürger« seiner Heimatstadt und Umbenennung<br />

der Kirchgasse in »Werner-Beumelburg-Gasse«.<br />

Allerdings stimmte er dem erst<br />

zu, als man seinen Vornamen wegließ, weil damit<br />

auch seine Familie bzw. sein Vater gemeint<br />

sein konnten. Nach 1945 wurde die Namensgebung<br />

wieder aufgehoben, seine Ehrenbürgerschaft<br />

aber nicht in Frage gestellt. Trotzdem<br />

hat Werner Beumelburg seiner Vaterstadt dieses<br />

Verhalten stets nachgetragen).<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg war er kurz in Internierungshaft<br />

bei den Amerikanern, wurde<br />

aber bald als Mitläufer entlassen und lebte als<br />

368<br />

Werner Beumelburg<br />

Autor bei München und Würzburg. Mit seinen<br />

Nachkriegsbüchern 4 konnte er an seine früheren<br />

Erfolge nicht mehr anschließen. Werner<br />

Beumelburg, der unverheiratet blieb, starb<br />

1963 und wurde im Familiengrab in Trarbach<br />

beigesetzt.<br />

Der Rundfunk-Intendant<br />

Walther Beumelburg<br />

Er hatte am Gymnasium in Traben-Trarbach<br />

sein Abitur gemacht und war als dekorierter Offizier<br />

im Ersten Weltkrieg schwer verwundet<br />

worden. Danach arbeitete er im großen Hauptquartier<br />

der mit Deutschland verbündeten Türkei.<br />

Nach dem Krieg leitete er bis 1923 den<br />

antikommunistischen Selbstschutzverband<br />

ORGESCH (Organisation Escherisch) in München.<br />

Es ist nicht auszuschließen, dass er in<br />

dieser Zeit schon erste Verbindungen zum<br />

frühen Nationalsozialismus hatte.<br />

Walther Beumelburg schien sich aber zunächst<br />

von der Politik abzuwenden, denn er ging in die<br />

Privatindustrie, wurde Diplomkaufmann und<br />

Privatsekretär des Großindustriellen Hugo Stinnes.<br />

Während dieser Zeit wurde er Mitglied der<br />

Deutsch-Nationalen Volkspartei (rechts-konservativ),<br />

deren militärische Traditionsvereinigung<br />

»Der Stahlhelm« war. Er pflegte Kontakte<br />

zur Reichswehr, die ihm die Bekanntschaft mit<br />

von Witzleben und Canaris einbrachte. Die<br />

zwei Männer waren später am Widerstand gegen<br />

Hitler und dem Attentat am 20. Juli 1944<br />

beteiligt und wurden hingerichtet.


Bereits 1932, also noch vor der nationalsozialistischen<br />

Machtergreifung, wurde Walther Beumelburg<br />

Leiter der Nachrichtenabteilung des<br />

Reichsrundfunks in Berlin. Und noch vor dem<br />

30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung,<br />

übernahm er zusammen mit dem Schriftsteller<br />

Christian Brodersen die politische Überwachung<br />

der Rundfunk GmbH, eine in der damals<br />

politisch unruhigen Zeit wohl höchst<br />

prekäre Aufgabe. Inwieweit Walther Beumelburg<br />

da noch von den traditionellen und wertkonservativen<br />

Idealen seines Elternhauses beeinflusst<br />

war oder schon innerlich völlig übereinstimmte<br />

mit dem »Geist der neuen Zeit«,<br />

lässt sich im Nachhinein kaum eindeutig sagen.<br />

Jedenfalls wurde er – vielleicht aus reinem Opportunismus<br />

– kurz nach dem Machtantritt Hitlers<br />

Mitglied sowohl der NSDAP als auch der<br />

SS und äußerte öffentlich seine politischen Einstellung:<br />

»Wir kommen vom Kriege her. Unser<br />

Lebenszweck ist, die Revolution zu vollenden,<br />

die im August 1914 begann. Auf unserer Fahne,<br />

die wir nun an unseren Sendetürmen hissen,<br />

steht Freiheit, Kameradschaft, Gerechtigkeit.<br />

Unser Herz gehört den Kämpfern der Nation,<br />

der jungen Mannschaft und der Arbeiterschaft.<br />

Unsere Aufgabe ist, durch unsere Sendungen<br />

mitzuhelfen, dem deutschen Menschen sein<br />

Leben und das Leben seines Volkes verständlich<br />

und erträglich zu machen, ihn und den Führer<br />

einander immer näherzubringen und die Re-<br />

Walther Beumelburg<br />

volution des Geistes voranzutreiben, bis Volk<br />

und Staat eins werden im Dritten Reich.«<br />

Im April 1933 wurde er Intendant des Reichssenders<br />

Frankfurt und im Juli des gleichen Jahres<br />

Mitglied des Präsidialrates der Reichsrundfunk-Kammer.<br />

Schließlich war er von 1934 bis<br />

1937 Intendant des wichtigsten Reichssenders<br />

Berlin, und er ließ es sich nicht nehmen, bei der<br />

Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1936<br />

in SS-Uniform ins Berliner Olympiastadion einzumarschieren.<br />

Diese Ergebenheits-Demonstration<br />

führte zu heftigen Auseinandersetzungen<br />

mit Elternhaus und Bruder. Und offensichtlich<br />

war damit auch bereits der Zenit seiner<br />

»Parteikarriere« erreicht.<br />

Walther Beumelburg hatte 1922/23 die Niederländerin<br />

Tippy Lindemann geheiratet, die nach<br />

ihrer Scheidung von ihm Anfang 1937 mit dem<br />

gemeinsamen Sohn Jörg Beumelburg nach<br />

Norwegen zog und dort ihren Jugendfreund<br />

Berg-Hansen heiratete. Es wird berichtet, dass<br />

Beumelburg kurz darauf mit seiner jüdischen<br />

Sekretärin liiert war. Offensichtlich hat dies zu<br />

einer grundlegenden Veränderung seiner Stellung<br />

zum Nationalsozialismus beigetragen.<br />

Denn bereits im April 1937 wurde er als Rundfunk-Intendant<br />

entlassen, weil »... als SS-Führer<br />

ungeeignet, da er die erforderliche kompromißlose<br />

Einstellung zur Judenfrage nicht besitzt.«<br />

Über den zugrunde liegenden Sachverhalt<br />

seiner Entlassung berichtet die aus Alzey<br />

stammende halbjüdische Schriftstellerin Elisabeth<br />

Langgässer »Im Funk wächst der Druck<br />

gegen Mitarbeiter, die sich nicht zum Nationalsozialismus<br />

bekennen. Selbst der neue Intendant<br />

des Reichssenders W. Beumelburg ... wird<br />

1937 entlassen, weil er am Sender eine Harfenistin<br />

geduldet hatte, die mit einem Juden befreundet<br />

ist.«<br />

In dieser kritischen Phase gab ihm der Stalling-<br />

Verlag Oldenburg, der die Bücher seines Bruders<br />

Werner erfolgreich verlegte, wirtschaftlichen<br />

Halt durch die Übertragung der Geschäfte<br />

seiner Berliner Filiale.<br />

Bei Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er<br />

als Offizier einer Panzereinheit reaktiviert und<br />

nahm 1940 am Frankreichfeldzug teil. Bereits<br />

zu dieser Zeit war ihm der Gedanke an einen<br />

Staatsstreich und an ein Attentat gegen den<br />

»Führer« nicht mehr fremd. Seine Nichte erinnert<br />

sich noch lebhaft an Gespräche in ihrem<br />

Garten in Meisenheim, in denen er sich seinem<br />

369


Bruder Werner gegenüber entsprechend<br />

geäußert hat. Als Verbindungsoffizier in Paris<br />

wurde er bald mit dem später ermordeten Widerständler<br />

General von Stülpnagel bekannt.<br />

Später hat er beim Oberkommando der Wehrmacht<br />

in Potsdam diese Kontakte aufrecht erhalten.<br />

Nach den Erinnerungen von Gerd Elgo Lampel,<br />

einem persönlichen Begleiter seines Bruders<br />

Werner, muss Walther Beumelburg in die Verschwörung<br />

zur Beseitigung des Diktators eingebunden<br />

gewesen sein. Auf jeden Fall hat in<br />

den Tagen, als Freislers Todesgericht wütete,<br />

in der Nacht vom 25. zum 26. August 1944 im<br />

Hause des Schriftstellers in Neufahrland bei<br />

Potsdam eine dramatische und stundenlang<br />

andauernde intensive Aussprache zwischen<br />

den beiden Brüdern stattgefunden, über deren<br />

Inhalt man nur Mutmaßungen anstellen kann.<br />

Vermutlich hatte Werner vertrauliche Informationen,<br />

nach denen seinen Bruder schwerste<br />

umstürzlerische Vorwürfe erwarteten, die einem<br />

Todesurteil gleichkommen mussten.<br />

Jedenfalls ist Walther Beumelburg im Morgengrauen<br />

ausgeritten. Man fand ihn tot bei seinem<br />

Pferd. Die Todesursache blieb im Dunkeln.<br />

Seine Familie nahm an, dass er von eigner<br />

Hand umgekommen ist, um möglichen Folterungen<br />

zu entgehen, die zur Preisgabe weiterer<br />

in die Verschwörung verstrickter Personen geführt<br />

hätte. Seine geschiedene Frau berichtete<br />

später, dass ihr bereits vor der offiziellen Todesnachricht<br />

ihres geschiedenen Mannes von<br />

einem bekannten deutschen Admiral sein Tod<br />

mündlich mitgeteilt worden war. Bei dem späteren<br />

Begräbnis mit militärischen Ehren in<br />

Potsdam sei ihr dann ein Schein in die Hand<br />

gedrückt worden, wonach er eines natürlichen<br />

Todes gestorben sei.<br />

Idealistische Brüder<br />

Der Lebensweg der beiden Brüder Walther und<br />

Werner Beumelburg begann im gleichen Elternhaus<br />

in Traben-Trarbach – und beide gingen<br />

mit einem gerüttelt Maß an Idealismus und<br />

Einsatzbereitschaft an die Bewältigung ihres<br />

Lebensweges. Beide durchstanden zwar die<br />

psychisch-physischen Prüfungen des Ersten<br />

Weltkrieges, aber dann entwickelten sie in der<br />

Begegnung mit dem Nationalsozialismus voneinander<br />

abweichende höchst individuelle Verhaltensmuster.<br />

Während sich der ältere Bruder<br />

370<br />

Walther zunächst die sich später als falsch erweisenden<br />

Ideale zu Eigen machte, beharrte<br />

der jüngere Bruder Werner mehr auf der Bewahrung<br />

der patriotischen Ideale, nahm aber<br />

karrierebewusst die Wohltaten und Vergünstigungen<br />

des neuen Regimes gerne entgegen.<br />

Indessen hatte der Ältere längst eine radikale<br />

innere Wandlung vollzogen, die ihn in den Einflussbereich<br />

des Widerstandes führte, was<br />

schließlich mit seinem mysteriösen Tod endete.<br />

Als sich im Februar 1999 Familienmitglieder<br />

und Eingeweihte zum hundertsten Geburtstag<br />

von Werner Beumelburg trafen und eine Gedenkplakette<br />

enthüllten, nahm die Öffentlichkeit<br />

keinerlei Notiz davon.<br />

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie,<br />

dass man in der Doppelstadt seit Jahrzehnten<br />

dem Schriftsteller Rudolf G. Binding (1867-<br />

1938) für seine zweifellos subtile »Moselfahrt<br />

aus Liebeskummer« eine ehrende Gedenkstätte<br />

der Deutschen Weinwerbung GmbH ermöglicht<br />

hat. Man war sich vermutlich darüber nicht<br />

im Klaren, dass Binding nicht nur den Nationalsozialismus<br />

in seiner Anfangszeit emphatisch<br />

verherrlicht hatte, sondern dass er auch als Vizepräsident<br />

der Deutschen Akademie der<br />

Dichtung damals die Wahl Werner Beumelburgs<br />

zu deren Schriftführer herbeigeführt hatte.<br />

Ein Umstand, den man Beumelburg heute<br />

noch fälschlicherweise anlastet.<br />

Anmerkungen<br />

1 Sachgruppe: »Bücher vom Krieg«. Seine bekanntesten und in den<br />

zwanziger Jahren in Deutschland auflagenstärksten Bücher sind<br />

»Sperrfeuer um Deutschland« (1928) und »Gruppe Bosemüller«<br />

(1929).<br />

2 Sachgruppe: »Bücher vom Reich«. Zu dieser Gruppe gehören die<br />

auf unserem Gebiet populären Romane »Mont-Royal« (1936) und<br />

»Der Kuckuck und die 12 Apostel« (1931) sowie »Kaiser und Herzog«<br />

(1936).<br />

3 Sachgruppe: »Bücher zum Dritten Reich«. Zu diesen Gefälligkeits-<br />

Büchern zählen »Das jugendliche Reich« (1933) und das Auftragswerk<br />

»Kampf um Spanien«(1939).<br />

4 Sachgruppe: »Bücher nach 1945«. In »Jahre ohne Gnade« (1952)<br />

zieht er ein ernüchterndes Resümee des Dritten Reiches, während<br />

»Hundert Jahre sind wie ein Tag« (1950) als breit angelegtes Historiengemälde<br />

der eigenen Familie gilt.<br />

Quellen:<br />

Dr. Stefan Busch, »Und gestern, da hörte uns Deutschland«, NS-Autoren<br />

in der Bundesrepublik, Dissertation 1998 (zu W. Beumelburg, Seite<br />

82-143)<br />

Frederic Hetmann »Schlafe, meine Rose. Die Lebensgeschichte der<br />

Elisabeth Langgässer«<br />

Inge Jens, »Dichter zwischen rechts und links«, München 1979<br />

Gerd Elgo Lampel, persönliche Erinnerungen und Briefe zu Werner<br />

Beumelburg<br />

E. Loewy, »Literatur unterm Hakenkreuz«, Frankfurt 1969<br />

A. Mohler, »Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932«,<br />

Darmstadt 1994<br />

W. Podlech & A. Stollenwerk, »Kurzbiographien vom Mittelrhein und<br />

Moselland«, Trier 1970<br />

Dr. Kläre Schlarb, Nichte der Brüder Beumelburg, persönliche Erinnerungen


Hugo Hensch und die <strong>Wittlich</strong>er<br />

Demokraten 1848/49<br />

Den »Hauptaufwiegler von <strong>Wittlich</strong>« nannte ihn<br />

der Oberprokurator Deuster, der Vertreter der<br />

Anklage im Trierer Prozess gegen Dr. Karl Grün<br />

und die Prümer Zeughausstürmer im Januar<br />

1850. 1 Die revolutionäre Rolle, die Peter Josef<br />

Coblenz in <strong>Bernkastel</strong> spielte, nahm in <strong>Wittlich</strong><br />

Hugo Hensch ein, dort geboren und aufgewachsen,<br />

Sohn aus gutem Hause und tüchtiger<br />

Kaufmann im Beruf. Er begeisterte sich für die<br />

Demokratie, setzte sich wie viele andere Bürger<br />

für freiheitliche Reformen und Volksrechte<br />

ein und erhob sich für ihre Verteidigung: Im<br />

Sommer 1849 gehörte er zu den Besiegten; um<br />

der Rache der Sieger zu entgehen, musste er<br />

seine Heimat für immer verlassen.<br />

Herkunft und Familie<br />

Johann Hugo Kasimir Edmund Hensch wurde<br />

am 21. Juni 1815 in <strong>Wittlich</strong> geboren als Sohn<br />

des Bürgermeisters und Notars Philipp Hensch<br />

und seiner Ehefrau Maria Anna Aloysia, geb.<br />

Müller. Die Henschs waren seit Anfang des 17.<br />

Jahrhunderts Bürger in <strong>Wittlich</strong>, zugezogen<br />

von Eupen. Sie waren Handwerker, Gendarme,<br />

Lehrer. 2 Johannes Hensch, seit 1736 verheiratet<br />

mit Maria Elisabeth Thönes, wurde zum<br />

Bürgermeister für das Jahr 1752 gewählt. 3 Sein<br />

gleichnamiger Sohn (geb. 1744) heiratete 1769<br />

Dorothea Manternach, die Tochter des Notars<br />

Philipp Manternach. Dieser war der Pate seines<br />

Enkels Philipp Hensch, der am 12. November<br />

1775 das Licht der Welt erblickte. Sein Vater<br />

Johann Hensch war Lehrer der Knabenschule<br />

bis 1795 (†), am kurfürstlichen Seminar in Ehrenbreitstein<br />

1784 ausgebildet. 4 Der Sohn Philipp<br />

übernahm in der napoleonischen Zeit in<br />

<strong>Wittlich</strong> wichtige Ämter. Er wurde 1805 kaiserlicher<br />

Notar und 1813 Maire, als solcher Nachfolger<br />

von Peter Franz Schumm. 5 Er gehörte in<br />

der Franzosenzeit zu den Honoratioren des<br />

Trierer Arrondissements. 1807 wurde er in die<br />

Freimaurerloge »La Réunion des Amis de l´Humanité«<br />

aufgenommen, die an die Pariser<br />

H.-Günther Böse<br />

Großloge »Grand Orient de France« angeschlossen<br />

war. 35 Notabeln aus dem Trierer<br />

Raum zählte sie als Mitglieder, aus unserem<br />

Kreis waren es neben Hensch die Notare Anton<br />

Merrem (<strong>Bernkastel</strong>) und Leopold Heusner<br />

(Dhronecken), Advokat Karl Ferdinand Ruppenthal<br />

(auf der Wildenburg geboren), Kaufmann<br />

Jakob Thanisch (<strong>Bernkastel</strong>) und Gutsbesitzer<br />

Ernest von Berg (Mellich b. Landscheid).<br />

6 Die Bevölkerung hatte Vertrauen zu<br />

dem redegewandten und tatkräftigen Maire<br />

Hensch, obwohl er in schwerer Zeit infolge der<br />

langen Kriegsdauer, der Missernten, Teuerungen<br />

und Einquartierungen zu unpopulären<br />

Spar- und Steuermaßnahmen gezwungen war.<br />

Als Kantons- und Etappenkommissar hatte er<br />

1814/15 den Ab- und Durchzug der Franzosen,<br />

die Ankunft und den Weitermarsch der Verbündeten<br />

zu bewältigen, Fourageforderungen auf<br />

die Stadt und die Gemeinden zu verteilen, Proviant<br />

und Branntwein für die Soldaten, Ställe<br />

und Stroh für die Pferde (im Mai 1814 lagerten<br />

in <strong>Wittlich</strong> 1 600 Kosaken mit 2 000 Pferden!) zu<br />

stellen, ein Lazarett einzurichten. Die Preußen<br />

übernahmen Hensch, der während der provisorischen<br />

Verwaltung des Generalgouvernements<br />

den Titel »Oberbürgermeister« führte,<br />

1815 als Bürgermeister in der neuen Kreisstadt<br />

<strong>Wittlich</strong>. Er war 1815 auch Chef des Bürgermiliz-Bataillons.<br />

Der Bürgermeisterei <strong>Wittlich</strong><br />

stand er bis 1827 vor. 7 Notar Hensch hatte<br />

1810 die 28-jährige Maria Anna Aloysia Müller<br />

geheiratet. 8 Sie war die Witwe des 1806 in<br />

Koblenz verstorbenen Ökonomen Konrad<br />

Zweiffel. Dieser war 1804/05 im Mayener Raum<br />

durch Steigern von Klostergut hervorgetreten.<br />

Aus ihrer ersten Ehe brachte Frau Hensch die<br />

vier Söhne Joh. Jakob, Friedrich, Karl Hermann<br />

und Franz, die damals zwischen 7 und 13 Jahre<br />

alt waren, mit nach <strong>Wittlich</strong>. 9 Aus der Ehe mit<br />

Bürgermeister Hensch kamen noch zwei Kinder<br />

hinzu: Joh. Hugo Kasimir Edmund (geb.<br />

21.06.1815) und Elisabeth Fanny Caroline (geb.<br />

371


25.04.1821). 10 Patenschaften sind oft sehr informativ.<br />

Den vierfachen Vornamen gab der<br />

Taufpate Reiß, Verwalter des Kesselstattschen<br />

Hofes in Kröv, der diesen Namen selbst in der<br />

Taufe von dem Reichsgrafen von Kesselstatt<br />

erhalten hatte. Reiß und Hensch waren alte Bekannte<br />

und Kollegen; Reiß, nach dem heute<br />

noch eine Straße in Kröv benannt ist, war ab<br />

1809 Maire in Kröv und Mitglied des Arrondissementrats<br />

in Trier. 11 - Die Patin des Hugo<br />

Hensch war seine Tante Maria Anna Clara Müller,<br />

geb. Reineri aus Zell († 1821), die mit Carl<br />

Ludwig Müller aus Koblenz, kaiserlichem<br />

Steuereinnehmer in Zell, Nachfolger seines<br />

Schwiegervaters Benedikt Reineri, verheiratet<br />

war. Die Reineri gehörten wie die Fier zu den<br />

wohlhabenden, potenten Familien im Zeller<br />

Hamm. Ludwig Müller wurde in preußischer<br />

Zeit königlicher Gerichtsschreiber; außerdem<br />

betrieb er die Posthalterei und das ererbte Gut<br />

in Zell, das später der einzige Sohn Franz Friedrich<br />

übernahm. Er sollte im Jahre 1848/49 in<br />

Zell wie sein Vetter Hugo in <strong>Wittlich</strong> Aufsehen<br />

erregen. 12 Diese familiären und freundschaftlichen<br />

Beziehungen, in der Franzosenzeit begründet,<br />

wurden nach 1815 weiter gepflegt; dabei<br />

spielte oft die Politik mit hinein. Die Einflussmöglichkeit<br />

der Ämter, welche diese Familien<br />

innehatten oder anstrebten, darf nicht unterschätzt<br />

werden. In <strong>Wittlich</strong> gab es so verwandtschaftliche<br />

Beziehungen der Familien Hensch,<br />

Zweiffel, Neuerburg, Fier und Schömann. Hugo<br />

Henschs Mutter starb 1825, als er zehn Jahre<br />

alt war und die Stiefbrüder Zweiffel bereits erwachsen<br />

waren. Der Vater Hugos, seit 1827 im<br />

Ruhestand, starb 1846. Er hinterließ ein Anwesen<br />

mit Wohnhaus am Markt bis zur Hospitalskapelle.<br />

Dieses Eckhaus Hensch erwarb Anfang<br />

der 50er Jahre von den Erben der jüdische<br />

Kaufmann Wilhelm Stulz, der im Dezember<br />

1853 dort ein Textilgeschäft eröffnete (später<br />

Lemm, heute NKD-Markt). 13 Den Weiher von<br />

Hensch beim Himmeroder Tor erwarb der Notar<br />

J. W. Deuster.<br />

Hugo Hensch in der Revolution 1848/49<br />

Hugo Hensch trat erst im Jahre 1848, 33 Jahre<br />

alt, mit Ausbruch der Revolution in das öffentliche<br />

Rampenlicht. Er hatte nach dem Besuch<br />

der Knabenschule wohl die »Handlung« gelernt.<br />

Die Militärpflicht leistete er 1835/36 bei<br />

der Landwehr in Trier ab; 1848 gehörte er zum<br />

372<br />

<strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt vom 28. 5. 1848<br />

zweiten Aufgebot. 14 Die fortschrittliche freisinnige<br />

Denkart der Aufklärung, die Begeisterung<br />

für die Ideale der Französischen Revolution<br />

empfing er vom Vater, der sich wie viele rheinische<br />

Amtsinhaber der Franzosenzeit gern an<br />

die guten Jahre unter Napoleon erinnerte. Viele<br />

Beispiele bei den Revolutionären von 1848/49<br />

belegen diese Erfahrung. Die Parole von der<br />

Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wirkte<br />

lange nach. Hugo Hensch betrieb 1848 als<br />

selbstständiger Kaufmann – die in den Gerichtsakten<br />

angegebene Berufsbezeichnung »Materialist«<br />

ist irreführend – in der 2 815 Seelen<br />

zählenden Kreisstadt <strong>Wittlich</strong> in der Trierer<br />

Straße Nr. 88 eine gut gehende Materialienund<br />

Kolonialwarenhandlung. Seine hauptsächlichsten<br />

Produkte, die er laufend in Inseraten<br />

des <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blattes anbot, waren<br />

Farben und Lacke, Putzzeug (»echte <strong>Wittlich</strong>er<br />

Glanzwichse«), Bürsten sowie Spezereien:<br />

Schokolade, Karamellen, Südfrüchte, Spirituosen,<br />

Portweine und Zigarren. 15 Seit dem 2. August<br />

1841 war er mit der sechs Jahre jüngeren<br />

Agnes Neuerburg verheiratet, der Tochter des<br />

1835 verstorbenen Gastwirts Heinrich Neuerburg<br />

»des Alten« (also nicht des Vereinswirts<br />

der Demokraten) und dessen zweiter Ehefrau<br />

Christine Flesch aus Eisenschmitt. Sie hatten<br />

vier Kinder. 16 Hugo Hensch stand seit Beginn<br />

an der Spitze der Volksbewegung in <strong>Wittlich</strong>,<br />

die am 10. März mit einer Adresse an den König<br />

für freiheitliche Reformen ihren verheißungsvollen<br />

Lauf nahm. Er begann seine<br />

politische Karriere als Adjutant der im April gegründeten<br />

Bürgerwehr. Bei der Wahl ihrer Führer<br />

am 21. April 1848 erhielt er die meisten<br />

Stimmen (201 von 250 Wehrmännern), auch


Haus von Philipp Hensch auf dem <strong>Wittlich</strong>er Marktplatz. Der jüdische Kaufmann Wilhelm Stulz eröffnete<br />

hier 1853 ein Textilgeschäft.<br />

373


mehr als der zum Kommandeur der Bürgergarde<br />

gewählte Stadtrat und Major a. D. Peter Josef<br />

Weis (1788-1865), dessen Vater wie einst<br />

auch Vater Hensch und Schömann hohe Funktionen<br />

in der Franzosenzeit innegehabt hatte.<br />

Kaufmann P. J. Weis sen., aus Enkirch zugezogen,<br />

wurde 1804/05 durch Steigern von säkularisiertem<br />

Besitz zum Gutsbesitzer. Sein Sohn<br />

hatte in den Feldzügen 1812/13, zuletzt bei<br />

Belle-Alliance, als preußischer Offizier<br />

gekämpft. 1844 heiratete er in zweiter Ehe Josephine<br />

Hensch; er war also mit seinem Adjutanten<br />

verwandt. 17 Als Adjutant oblag Hugo<br />

Hensch die Organisation und der Einsatz der<br />

Bürgerwehr, die er in der Zeitung zu Versammlungen<br />

und Übungen aufrief. Im Dienst trug er<br />

eine weiß-rote Schärpe mit Stadtwappen und<br />

einen Säbel. Am 16. Mai holte er in Koblenz<br />

beim Divisionskommando die Waffen, 150 Gewehre<br />

mit Bajonetten und 150 Lanzen für die<br />

drei Kompanien ab (300 Mann), die später noch<br />

durch eine Schützenabteilung und eine Eskadron<br />

verstärkt wurden.<br />

Wichtiger aber erschien Hensch die Mitarbeit<br />

bei der Vorbereitung der Wahlen zur deutschen<br />

und preußischen Nationalversammlung im Mai.<br />

Die Beratung des Wahlprogramms mit dem<br />

<strong>Bernkastel</strong>er Lokalkomitee ergab neben liberalen<br />

Grundforderungen auch schon radikale Töne,<br />

so die Unterwerfung der Fürsten unter das<br />

Parlament, die Neugliederung Deutschlands,<br />

die Aufhebung aller Standes- und Adelsvorrechte,<br />

die Unabhängigkeit der Kirche vom<br />

Staat. Dass eine Republik ins Auge gefasst, die<br />

Zugehörigkeit des Rheinlands zu Preußen in<br />

Frage gestellt, dem Grundsatz der Volkssouveränität<br />

gehuldigt wurde, lag ganz im Sinn des<br />

<strong>Bernkastel</strong>ers Coblenz und Henschs, deren<br />

Zusammenarbeit hier begann. 18 Am 10. Mai<br />

1848 abends, nach der Wahl des Abgeordneten<br />

für die Frankfurter Paulskirche, bildete sich<br />

aus der Versammlung der Wahlmänner, die<br />

den Trierer Friedrich Zell gewählt hatten, ein<br />

provisorisches Komitee zur Beratung der politischen<br />

Angelegenheiten im Wahlkreis IV. Es bestand<br />

aus 13 Personen, neben Hensch u. a.<br />

aus dem Kreis <strong>Wittlich</strong> Pastor Wester (Hontheim),<br />

Christian Dieden (Ürzig), Bernard v. Berg<br />

(Mellich), aus dem Kreis <strong>Bernkastel</strong> Jakob Thanisch<br />

(<strong>Bernkastel</strong>), Friedrich Herrmann (Mülheim),<br />

Joh. Bapt. Huber (Zeltingen) und Forstassessor<br />

Ulrici (Morbach). Diesem Komitee,<br />

374<br />

das später noch ergänzt wurde, oblag die Verbindung<br />

mit den Abgeordneten, auch mit denen<br />

für die preußische Nationalversamlung.<br />

Wünsche sollten diesen weitergeleitet werden,<br />

aber auch ihr Verhalten im Parlament beobachtet<br />

und am Wahlprogramm gemessen werden.<br />

Das Komitee, das monatlich tagte, jeweils an<br />

einem anderen Ort, forderte am 13. Juni, einen<br />

Monat nach Eröffnung der Parlamente, auf einer<br />

Sitzung in Lieser, an der Hensch teilnahm,<br />

unmissverständlich, die Abgeordneten sollten<br />

»nur auf solchen Sitzen, die von gutem demokratischen<br />

Holz konstruiert seien, Platz nehmen«.<br />

Mit Zells Auftreten in Frankfurt war man<br />

zufrieden, das der Berliner Abgeordneten August<br />

Reichensperger und Karl Hermann Zweiffel<br />

missfiel bald, da sie sich der Rechten zugesellten<br />

und konservative, regierungsfreundliche<br />

Politik machten. Dem Misstrauensvotum<br />

der <strong>Bernkastel</strong>er kam Reichensperger durch<br />

Mandatsverzicht entgegen; er ging nach Frankfurt,<br />

da er ein Doppelmandat hatte. Den Abgeordneten<br />

für <strong>Wittlich</strong>, den Kölner Oberprokurator<br />

Zweiffel, der die Volkssouveränität ablehnte,<br />

als »äußerst rechts« eingestuft wurde, loszuwerden,<br />

war schwieriger. Die <strong>Wittlich</strong>er Demokraten<br />

wollten einen Mann wie Dr. Grün, der<br />

auf der großen Volksversammlung auf dem<br />

Paulsberg am 8. Oktober 10 000 Menschen begeistert<br />

hatte, als ihren Volksvertreter. Zweiffel,<br />

der am 10. Mai in seinem Dankwort für die<br />

Wahl der <strong>Wittlich</strong>er Wahlmänner erklärt hatte,<br />

sich für eine Verfassung einzusetzen, die<br />

»möglichste Freiheiten verbunden mit einem<br />

ordnungsmäßigen und gesetzlichen Zustande<br />

in allen Beziehungen gewähren« solle, entsprach<br />

nicht den Erwartungen der Wahlmänner,<br />

unter denen Hensch war. 19 »Nach dieser<br />

Volksversammlung dürfte dem Abgeordneten<br />

des Kreises <strong>Wittlich</strong> das letzte Stündlein (als<br />

Abgeordneter nämlich) geschlagen haben«,<br />

hieß es in der Presse. 20 Für Hugo Hensch war<br />

diese Ablehnung des Abgeordneten Zweiffel<br />

eine besonders pikante Angelegenheit. Denn<br />

Hermann Zweiffel war sein Stiefbruder, außerdem<br />

war er mit Katharina Fier, der Tochter des<br />

verstorbenen Posthalters Damian Ernst Fier<br />

und seiner Ehefrau Anna Maria Schömann, verheiratet.<br />

Sein am 8. Mai gewählter Stellvertreter<br />

war der Kaufmann Peter Schömann jun., ein<br />

Vetter von Frau Zweiffel. Diese Familien waren<br />

sehr einflussreich. Die Fier fungierten seit 1725


Mosella Nr. 8 vom 5. 5. 1884<br />

als kaiserliche Postmeister in <strong>Wittlich</strong>; Peter<br />

Schömann sen. war vermögender Kaufmann<br />

und Besitzer des Scheuerhofs bei Bombogen.<br />

1833 war er Mitglied des Rhein. Provinzial-<br />

Landtags. 1848 saßen Peter Fier und Peter<br />

Schömanns Sohn im <strong>Wittlich</strong>er Stadtrat. 21 Hugos<br />

Stiefbruder Hermann Zweiffel hatte nach<br />

der Wiederverheiratung seiner Mutter einige<br />

Jahre im Hause Hensch in <strong>Wittlich</strong> gelebt, bis<br />

er zum Besuch des Gymnasiums nach Koblenz,<br />

zu seinem Onkel, dem Landrentmeister<br />

Joh. Josef Zweiffel, übersiedelte. 22 Nach dem<br />

Abitur 1819 und dem Studium in Bonn amtierte<br />

er an rheinischen Gerichten. Als Oberprokurator<br />

in Kleve, seit 1846 in Köln, war er einer der<br />

höchsten rheinischen Justizbeamten. In Köln<br />

setzte er mit harter Hand 1848 »Gesetz und<br />

Ordnung« gegen Arbeiter, radikale Demokraten<br />

und die »Neue Rheinische Zeitung« durch.<br />

Zweiffel hatte sich bereits 1837 in <strong>Wittlich</strong> um<br />

die vakante Stelle des Landrats beworben –<br />

vergeblich, die Kreisstände zogen ihm und<br />

Bürgermeister Meyer aus Manderscheid Nikolaus<br />

Hisgen vor, der 1848 in Schwierigkeiten<br />

geraten sollte. 23 Im Mai 1848 schickte man<br />

dann Zweiffel erfolgreich als Bewerber für die<br />

Preußische Nationalversammlung ins Rennen.<br />

Ein Inserat »eines Urwählers« brachte vor der<br />

Abgeordnetenwahl in der <strong>Wittlich</strong>er und den<br />

beiden <strong>Bernkastel</strong>er Zeitungen nachdrücklich<br />

den Wahlmännern »ihren Mitbürger« Zweiffel in<br />

Erinnerung 24 . Hugo Hensch wird, allein von seiner<br />

extrem entgegengesetzten politischen Einstellung<br />

her, kaum von der Kandidatur seines<br />

Stiefbruders begeistert gewesen sein. Verhindern<br />

hatte er sie nicht können, aber für seine<br />

Ablösung wird er mit eingetreten sein. Den Altersunterschied<br />

von 15 Jahren und die<br />

langjährige Abwesenheit Zweiffels von <strong>Wittlich</strong><br />

lassen kaum auf eine enge Beziehung<br />

schließen. Über das Verhältnis der anderen Geschwister<br />

ist nichts bekannt, außer dass der ältere<br />

Bruder Friedrich Zweiffel, Ökonom in <strong>Wittlich</strong>,<br />

1821 die Geburt der Stiefschwester Fanny<br />

Hensch anzeigte, auch 1825 den Tod der Mutter,<br />

der er noch im selben Jahr folgte. 25 Der Abgeordnete<br />

Zweiffel wollte keineswegs auf<br />

Druck sein Mandat niederlegen. Erst im Oktober<br />

1848 beantragte er vom Parlamentspräsidenten<br />

die Einberufung seines Stellvertreters.<br />

Der bisherige, Peter Schömann jun., gemäßigter<br />

Demokrat, war zurückgetreten. Der Weg<br />

war frei für Dr. Karl Grün aus Trier, der am 25.<br />

Oktober von den Wahlmännern zum Stellvertreter<br />

gewählt wurde. Als solcher nahm er<br />

Zweiffels Platz in Berlin ein, die Demokraten<br />

unter der Regie von Hensch und Coblenz hatten<br />

ihr Ziel erreicht. Mit Karl Grün und dem Kölner<br />

Advokatanwalt Borchardt gehörten »Demokraten<br />

reinsten Wassers« der äußersten Linken<br />

der Preußischen Nationalversammlung<br />

an. 26<br />

Dr. Grün wurde Henschs Mentor und Motor.<br />

Als Vizepräsident des großen Trierer Demokratischen<br />

Zentralvereins (mit über 1 400 Mitgliedern)<br />

war er an der Ausweitung des Vereinsnetzes<br />

interessiert. So gründete Hensch mit seinen<br />

Freunden, wie im Juni Coblenz in <strong>Bernkastel</strong>,<br />

auch in <strong>Wittlich</strong> am 28. Oktober einen Demokratischen<br />

Verein. Zum Präsidenten wurde<br />

Gastwirt Peter Josef Sailler gewählt, zum Vizepräsidenten<br />

Hugo Hensch, zum Schriftführer<br />

Stadtschreiber Nik. Klein. Zum Vorstand<br />

gehörten noch Uhrmacher Friedrich Eichberg,<br />

Strumpfwirker Anton Claus, Matthias Ronde.<br />

Prominente Mitglieder waren Peter Schömann<br />

jun. und Notar Friedrich Licht. Sehr aktiv waren<br />

Bierbrauer Gotthard Diedenhofen, Müller Peter<br />

Melchior, Rotgerber Matthias Britz, Buchbinder<br />

Johann Daubach, Büchsenmacher Wilhelm<br />

Deuster. Der Trierer Johann Neustädter (s.<br />

auch folgenden Beitrag), in <strong>Wittlich</strong> als Schreiber<br />

beschäftigt, trat erst im Frühjahr als Agitator<br />

hervor. Er war wie Hensch überzeugter Republikaner.<br />

Hensch war der große Antreiber,<br />

die Seele des Vereins; er lud in der Regel<br />

wöchentlich zu Versammlungen in das Vereinslokal<br />

beim Wirt Heinrich Neuerburg »dem Jungen«<br />

(† 1854) ein, der Stadtrat war und mit den<br />

Demokraten sympathisierte. Er besaß den<br />

größten Saal in <strong>Wittlich</strong> in der Oberstraße (vordem<br />

Bierbrauerei Elsen, heute Gasthaus Kai-<br />

375


Heinrich Neuerburg d. J. erwarb die Bierbrauerei Elsen und wandelte sie in ein Gasthaus um. 1848/49<br />

war das Gasthaus Vereinslokal der Demokraten.<br />

enburg). Mit dem Abgeordneten Dr. Grün, der<br />

bei seinen Auftritten in <strong>Wittlich</strong> bei ihm zu übernachten<br />

pflegte, teilte er neun Monate lang eine<br />

Zelle in der Trierer Untersuchungshaft, weil er<br />

für den Zug nach Prüm 6 - 7 Taler gespendet<br />

hatte. Der Vereinsdiener Peter Niles war mit<br />

Anton Claus einer der »Hauptwühler«. Auf der<br />

Neuerburgschen Hasenmühle schossen die<br />

Bürgerschützen 1848 auch auf die Scheibe. 27<br />

Mit seinen Funktionen im Wahlkreiskomitee, in<br />

der Bürgerwehr und im Demokratischen Verein<br />

war Hugo Hensch bis Oktober 1848 eine gewisse<br />

Machtfülle erwachsen. Als am 26. November<br />

auf einer Versammlung der Kriegsreservisten<br />

und Landsturmmänner, die in <strong>Wittlich</strong><br />

fast alle auch in der Bürgerwehr dienten, im<br />

376<br />

Kreissaal mittags die Kunde von den Unruhen<br />

in <strong>Bernkastel</strong> laut wurde, gerieten die Einberufer<br />

um Hugo Hensch in Aufregung. Man debattierte<br />

nicht mehr über den Berliner Staatsstreich,<br />

sondern griff zu den Gewehren.<br />

Hensch alarmierte die Bürgerwehr und setzte<br />

eigenmächtig trotz des Protestes des Bürgerwehrchefs<br />

Weis und des Landrats Hisgen sofort<br />

30 Mann unter Bürgerwehrfeldwebel Diedenhofen<br />

nach <strong>Bernkastel</strong> in Marsch, später in<br />

der Nacht, nach Kontaktaufnahme mit Peter<br />

Coblenz, noch 150 Mann unter Feldwebel Melchior.<br />

Beide Abteilungen kamen nur bis Wehlen<br />

und kehrten von dort zurück, da massierter Militäreinsatz<br />

in <strong>Bernkastel</strong> die Ruhe wiederhergestellt<br />

hatte und Coblenz mit seinen Gefähr-


ten fliehen musste. 28 Regierungskommissar<br />

Boltz zog auch nach <strong>Wittlich</strong> und befahl am 5.<br />

Dezember die Auflösung der Bürgerwehr, »da<br />

sie ohne Requisition der gesetzlich beteiligten<br />

Behörde sich versammelt, bewaffnet, sich<br />

außerhalb des Weichbildes der Stadt begeben<br />

und einen Zug nach <strong>Bernkastel</strong> unternommen,<br />

um einer bewaffneten Rebellion dort Hilfe zu<br />

leisten«. Am 7. Dezember mussten die Waffen<br />

abgegeben werden. 29 Insgesamt wurde gegen<br />

63 Personen ermittelt, dabei gegen 15 <strong>Wittlich</strong>er<br />

vom 11. bis 14. Dezember. Unter ihnen<br />

war Hugo Hensch, der wie einige andere Akteure<br />

mehrere Tage untergetaucht war. Aber<br />

nur drei von ihnen (Peter Melchior, Nik. Sailler<br />

und Bernhard Merten) wurden nach Trier ins<br />

Gefängnis gebracht, wo sie Mitgefangener<br />

Jean Velten aus Graach mit den anderen Einsitzenden<br />

malte. 30 Für den auch in die Novemberereignisse<br />

involvierten Präsidenten P. J. Sailler<br />

wählte man klugerweise Peter Schömann jun.,<br />

der sich in dieser Rolle zurückhielt. Die <strong>Wittlich</strong>er<br />

kamen im Gegensatz zu <strong>Bernkastel</strong><br />

glimpflich davon. Dass der Stadtrat mit Bürgermeister<br />

Peters sich gegen die Militäraktion von<br />

Boltz verwahrte, nützte nichts, zeigte aber die<br />

allgemeine Empörung an. 31 Der Hass gegen die<br />

preußische Regierung und Verwaltung war<br />

nach der Auflösung der preußischen Nationalversammlung<br />

und der Dekretierung der Verfassung<br />

am 5. Dezember auch in <strong>Wittlich</strong> noch gewachsen.<br />

Für Hensch war die Zwangsauflösung<br />

der Bürgerwehr ein harter Schlag, auch<br />

ein Prestigeverlust. Umso mehr galt sein Eifer<br />

nun dem Wahlkampf in den nächsten zwei Monaten<br />

für die neuen Kammern. Jede Woche<br />

fand eine Versammlung bei Neuerburg statt, zu<br />

der im <strong>Wittlich</strong>er Blatt aufgerufen wurde. Grün<br />

sprach mehrmals, nach ihm folgten Neustädter<br />

und Hensch, besonders letzterer war der große<br />

Wortführer und Leiter der »exzentrischen Partei«.<br />

Die am 22. Januar 1849 gewählten <strong>Wittlich</strong>er<br />

Wahlmänner, mehrheitlich Demokraten,<br />

unter ihnen Joh. Neustädter, Nik. Klein, Anton<br />

Claus, Carl Britz, Lehrer Anton Thome, Gastwirt<br />

Johann Neuerburg 32 , führten die demokratischen<br />

Kandidaten Grün und Borchardt im Februar<br />

trotz der neuen Wahlkreiseinteilung und<br />

verschärfter Gegenpropaganda der Regierung<br />

zu einem grandiosen Sieg über die Konstitutionellen.<br />

Die in Frankfurt beschlossene Reichsverfassung<br />

wurde begeistert begrüßt, weniger<br />

<strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt Nr. 5 vom 14. 1. 1849<br />

der preußische Erbkaiser. Die Demokraten beschimpften<br />

erstmals den Abgeordneten Zell,<br />

der aus Vernunft, nicht aus Sympathie für<br />

Friedrich Wilhelm IV. gestimmt hatte, um die<br />

Reichsverfassung durchzusetzen. 33 Nach Auflösung<br />

der 2. Kammer am 27. April, welche die<br />

Annahme der Reichsverfassung empfohlen<br />

hatte, schickten die <strong>Wittlich</strong>er Demokraten eine<br />

Protestadresse an das Frankfurter Parlament:<br />

Die Abgeordneten stünden über den Fürsten,<br />

wer sich ihren Beschlüssen widersetze, sei ein<br />

Hochverräter. »Wir sind bereit, auf den ersten<br />

Ruf hin uns wie ein Mann zu erheben und mit<br />

uns Tausende der Mosel entlang und in den<br />

Gebirgen.« 34 Die Ablehnung der Kaiserkrone<br />

und der Reichsverfassung durch den<br />

Preußenkönig vermehrte den Zorn im Volk, im<br />

Rheinland standen die Zeichen auf Sturm.<br />

Der Abgeordnete Friedrich Zell forderte am 8.<br />

Mai 1849 in Köln als Vorsitzender von 303 rheinischen<br />

Städten zum Widerstand gegen Berlin<br />

auf und zur Verteidigung der Reichsverfassung.<br />

Karl Grün, der schon in Cochem (04.05.),<br />

auf dem Mont Royal (06.05.) und in Bitburg<br />

(11.05.) Versammlungen abgehalten hatte, protestierte<br />

auf der letzten großen Volksversammlung<br />

am 13. Mai 1849 auf der Marienburg bei<br />

Alf vor 5 000 Menschen gegen die Berliner Politik.<br />

Auf der Versammlung im Freien sprachen<br />

nach Grün als Redner Peter Imandt aus Trier<br />

und auch Neustädter aus <strong>Wittlich</strong> sehr scharf.<br />

Zu einer internen Besprechung lud dann Grün<br />

die Vorstände der Demokratischen Vereine, die<br />

Ortsvorsteher und die Trierer in den Pavillon<br />

ein, auch Advokat Schily nahm teil. Die <strong>Wittlich</strong>er<br />

waren neben den Zeller, <strong>Bernkastel</strong>er und<br />

Kröver Demokraten stark vertreten. Hensch<br />

funktionierte die Beratung in eine Geheimbesprechung<br />

um, indem er die Überprüfung auf<br />

377


»Gesinnungstüchtigkeit« veranlasste und die<br />

Tür durch Anton Claus schließen ließ. Nach der<br />

Aufforderung Imandts, die Zeughäuser in Malmedy,<br />

Simmern und Prüm zu stürmen, um sich<br />

Waffen zu besorgen für eine allgemeine Volkserhebung,<br />

trat auch Hugo Hensch nachdrücklich<br />

für die Prümer Aktion ein. 35 Damit beschritt<br />

er den Weg der Revolution. Viktor Schily wollte<br />

diese am 20. Mai in <strong>Bernkastel</strong> ausrufen. Am<br />

14. Mai 1849 wurde in <strong>Wittlich</strong> bei Wirt Steffens<br />

das Prümer Unternehmen von Hensch und<br />

Neustädter mit Schily und Grün abgesprochen,<br />

am 15. und 17. Mai fanden Versammlungen im<br />

Vereinslokal Neuerburg statt; die letztere war<br />

kurzfristig erst mittags ohne Wissen des Präsidenten<br />

Schömann angesetzt worden. Die Parole<br />

»Auf zum Prümer Markt« gab Hensch im<br />

Saal aus, im Lesezimmer wurden die Freiwilligen<br />

aufgeschrieben und mit einem Wegegeld<br />

bedacht, Matthias Britz zum Anführer ernannt.<br />

Hensch soll auch hier schon, wie Prozesszeugen<br />

1850 aussagten, vom »Sturm auf das Prümer<br />

Zeughaus« gesprochen haben. Hensch<br />

und Neustädter nahmen persönlich am 18. Mai<br />

nicht am Zug nach Prüm teil; Neustädter half<br />

aber nachts beim Weitertransport der erbeuteten<br />

Waffen, Hensch übernahm die Bezahlung<br />

der Fuhrleute. Am 19. Mai morgens versuchte<br />

er in einer weiteren Versammlung vergeblich<br />

Freiwillige zu gewinnen, mit ihm nach <strong>Bernkastel</strong><br />

zu ziehen, um festzustellen, ob die Waffen<br />

gut angekommen seien. Hensch wurde im Gegensatz<br />

zu Neustädter in <strong>Bernkastel</strong> nicht gesehen.<br />

36 Als dann am Sonntag, dem 20. Mai,<br />

die geplante Volkserhebung in <strong>Bernkastel</strong> nicht<br />

zustande kam, weil die Regierung verstärkt<br />

Truppen in Marsch setzte und der Zuzug ausblieb,<br />

zog Neustädter mit Schily und den restlichen<br />

Zeughausstürmern ab, zunächst mit einem<br />

Kahn bis Brodenbach, von dort in die<br />

Pfalz. Johann Albert Neustädter kämpfte im<br />

Volksheer als Batterieführer, zuletzt in der von<br />

den Preußen eingeschlossenen Festung Rastatt.<br />

Es gelang ihm auf spektakuläre Weise mit<br />

Karl Schurz durch den Abwasserkanal zu entkommen<br />

(siehe auch den folgenden Beitrag).<br />

Von der Schweiz zog er nach Nordamerika, wo<br />

er 1851 in St. Louis eine neue Heimat fand und<br />

sich im Bürgerkrieg für die Union hervortat. 37<br />

Wann und wo Hugo Hensch sich aus <strong>Wittlich</strong><br />

absetzte – er hatte im Gegensatz zu Neustädter<br />

Familie und Besitz – ist nicht bekannt. In der<br />

378<br />

Pfalz tauchte er nicht auf. Er wird sich ins nahe<br />

Frankreich – wie sein Bitburger Schicksalsgefährte<br />

Josef Nels, auch Sohn eines Notars, –<br />

begeben und von dort die Abreise seiner Familie<br />

organisiert haben. Denn in Preußen konnte<br />

er bei Gefahr für Leib und Leben nicht bleiben.<br />

Die unbarmherzigen Hinrichtungen der drei Eifeler<br />

Landsturmmänner 1849 und das tragische<br />

Schicksal des Peter Coblenz geben dafür<br />

Zeugnis. Der am 5. Juli 1849 erlassene Steckbrief<br />

der Trierer Regierung gegen Hensch,<br />

Neustädter und 13 <strong>Wittlich</strong>er Zeughausstürmer<br />

ließ keine andere Wahl als die Flucht. Das Signalement<br />

wies Hugo Hensch (ein Bild existiert<br />

nicht) als einen gesetzten Mann (5 Fuß, 5 Zoll)<br />

mit schwarzem Haupthaar und Bart, blauen<br />

Augen, hoher Stirn und langer Nase aus. 38 Als<br />

im Januar 1850 der Prozess gegen Dr. Grün in<br />

Trier begann, befand sich Hensch im Ausland<br />

in Sicherheit. Ihn, den Beschuldigten Nr. 4<br />

(nach Grün, Schily, Imandt – vor Neustädter,<br />

Nels) hatte das Appellationsgericht in Köln am<br />

20. September 1849 der Anklage für schuldig<br />

befunden und dem Trierer Assisenhof überantwortet.<br />

Oberprokurator Deuster erhob die Anklage<br />

gegen Hensch, weil er 1. auf der Marienburg<br />

das Komplott zum Sturz der Regierung<br />

mit verabredet, 2. durch Versprechungen und<br />

sträfliche Kunstgriffe die Teilnehmer in <strong>Wittlich</strong><br />

zum Komplott gereizt und 3. am 17. Mai 1849<br />

im Einvernehmen mit Advokat Viktor Schily die<br />

<strong>Wittlich</strong>er zum Zug nach Prüm ausgehoben<br />

und organisiert habe; dazu kam noch die »Verhehlung«<br />

der Waffen. Hensch und Neustädter,<br />

dem dieselben Verbrechen vorgeworfen wurden,<br />

drohte das Todesurteil. Hensch brach alle<br />

Brücken hinter sich ab; er ließ seine Frau und<br />

die vier Kinder ins Ausland nachkommen und<br />

soll mit ihnen in die Neue Welt gezogen sein. 39<br />

Am 30. August 1849 zeigte im <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt<br />

Eduard Schroeder, bisher bei<br />

Hensch beschäftigt, an, dass er die Materialien-<br />

und Kolonialwarenhandlung von Hugo<br />

Hensch erworben habe. Notar Friedrich Licht,<br />

sein Parteifreund, der nach der Marienburg-<br />

Versammlung Dr. Grün und Frau in seiner Kutsche<br />

nach <strong>Wittlich</strong> mitgenommen hatte, versteigerte<br />

am 3. September das Haus, zwei<br />

Weinberge, einen Garten der Eheleute<br />

Hensch. 40 Den Erlös und andere Unterstützung<br />

wird er Hensch gegeben haben. Ein Jahr später<br />

verließ auch Henschs Schwägerin Gertrud


<strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt Nr. 75/76, 1849<br />

Neuerburg, die mit Wilhelm Lauer, dem Sohn<br />

des Kreisphysikus Friedrich Lauer, verheiratet<br />

war, <strong>Wittlich</strong> mit dem Ziel Amerika. In den Vereinigten<br />

Staaten sollen sie ein Hotel eröffnet<br />

haben. Henschs Schwiegermutter Christine<br />

Neuerburg, geb. Flesch könnte auch mit in die<br />

USA gereist sein, da sie in <strong>Wittlich</strong> nicht als verstorben<br />

geführt wird. 41 Vielleicht haben sich die<br />

Schwestern und Schwäger getroffen, um gemeinsam<br />

ein neues Leben zu beginnen. Bis<br />

heute verlief die Spurensuche ergebnislos.<br />

Nach der Revolution<br />

Karl Hermann Zweiffel gehörte 1849 zu den<br />

Siegern, er machte weiter Karriere. Im selben<br />

Jahr wurde er Appellationsgerichtsrat in Köln;<br />

als solcher führte er den Vorsitz des Assisenprozesses<br />

im Januar 1851 in Trier gegen den<br />

Trierer Abgeordneten Ludwig Simon, einen der<br />

großen Redner und führenden Demokraten der<br />

Paulskirche. Dieser, des Hochverrats und<br />

Komplotts zum Sturz der Regierung angeklagt,<br />

wurde in Abwesenheit von den Berufsrichtern<br />

zum Tode verurteilt. Der Scharfrichter, aus Köln<br />

angereist, vollstreckte das Urteil symbolisch<br />

auf dem Trierer Hauptmarkt. Die Trierer<br />

schmückten nachts den Schandpfahl mit Rosen<br />

und freuten sich, ihren Abgeordneten in der<br />

Schweiz in Sicherheit zu wissen. Ihm sollte die<br />

Heimkehr auch für immer verwehrt bleiben. 42<br />

Zweiffel wurde 1851 zum Präsidenten des<br />

Landgerichts in Saarbrücken ernannt, dem er<br />

bis 1876 vorstand. Seine Frau starb 1874, die<br />

einzige Tochter Mathilde Johanna heiratete<br />

1862 in Trier den Landgerichtsrat Schniewind<br />

aus Koblenz. 43 - Hugo Henschs Vetter Friedrich<br />

Müller, Postexpediteur in Zell, erfuhr auch die<br />

Willkür der Reaktion. Als demokratischer Abgeordneter<br />

in der preußischen Nationalversammlung<br />

und der 2. Kammer hatte er sich besonders<br />

in der Steuerfrage für die Moselwinzer engagiert.<br />

Er verlor seine Stelle als Leiter der Post<br />

und betrieb bis zum frühen Tod 1856 die eigene<br />

Landwirtschaft. 44<br />

Peter Schömann, der letzte Präsident des <strong>Wittlich</strong>er<br />

Demokratenvereins, verzog nach dem<br />

Tod seines Vaters († 1850) nach Trier, wo sein<br />

Bruder Ernst seit 1837 Bankier war. Als 1861<br />

wieder eine freiere Politik gemacht werden<br />

konnte, trat er dem liberalen Wahlkomitee bei,<br />

in dem sich auch Trierer 48er wieder betätigten.<br />

Von 1862 bis 1866 vertrat er den Wahlkreis<br />

Trier im preußischen Abgeordnetenhaus, dem<br />

linken Zentrum angehörend. Vor ihm hatte sein<br />

jüngerer Bruder Karl Schömann dieses Mandat<br />

drei Jahre inne. Er war seit 1854 ehrenamtlicher<br />

1. Beigeordneter, später auch Leiter der Stadtbibliothek<br />

in Trier. Der studierte Philologe war<br />

vorher Hauslehrer in Brüssel, danach begleitete<br />

er den niederländischen Generalgouverneur<br />

nach Batavia. 45<br />

In <strong>Wittlich</strong> verfolgte man im Januar 1850 den<br />

Prozess gegen Dr. Grün und die Zeughausstürmer<br />

mit großem Interesse; man freute sich über<br />

den glücklichen Freispruch für Grün, beklagte<br />

aber auch das harte Urteil gegen die kleinen<br />

Mitläufer, den Drechsler Peter Niles und den<br />

Tagelöhner Peter Sprink, die fünf Jahre Zuchthaus<br />

erhielten. Acht <strong>Wittlich</strong>er Angeklagte wurden<br />

freigesprochen; neben Hensch und Neustädter<br />

waren von den Angeklagten Matthias<br />

Britz, Johann Daubach und August Schroeder<br />

flüchtig, Männer zwischen 21 und 33 Jahren. 46<br />

Der Stadtschreiber Nikolaus Klein war bereits<br />

am 4. März 1849 von Landrat Hisgen »wegen<br />

Beteiligung an demokratischen Tendenzen«<br />

entlassen worden. 47 Im Februar 1850 verhinderte<br />

der Stadtverordnete Peter Josef Weis,<br />

königl.-preußischer Major a. D., die Zuwahl des<br />

Rotgerbers Carl Britz in den Stadtrat; er hielt<br />

ihn – im Gegensatz zu den anderen Ratskollegen<br />

– »für nicht geeignet, da er mit seinen Tendenzen<br />

nicht mit der Regierung in Einklang<br />

steht.« 48<br />

Das Jahr 1848/49, das eine großartige Volksbewegung<br />

für Einheit und Freiheit ausgelöst<br />

hatte und mit den großen Volksversammlungen<br />

auf dem Paulsberg und der Marienburg kulminierte,<br />

mit den <strong>Bernkastel</strong>er Novemberunruhen<br />

379


und dem Prümer Zeughaussturm aber auch eine<br />

traurige Ernte einfuhr, steht am Anfang der<br />

demokratischen Tradition unserer Heimat. Der<br />

24-jährige Bitburger Demokratenführer und<br />

Zeughausstürmer Josef Nels, der im Mai 1849<br />

als Flüchtling ins Exil gehen musste, brachte es<br />

Anmerkungen:<br />

1 Criminal-Procedur gegen Dr. C. Grün und 22 Genossen wegen<br />

Hochverrat resp. Plünderung des Zeughauses zu Prüm, Trier 1850,<br />

S. 34.<br />

2 Für die Angaben zu den Familien Hensch und Neuerburg sei<br />

grundsätzlich verwiesen auf die Sammlung von Johannes Mußweiler<br />

über <strong>Wittlich</strong>er Familien sowie Elisabeth Becker-Neuerburg: Die<br />

Familie Neuerburg in <strong>Wittlich</strong>, <strong>Wittlich</strong> 1998, Privatdruck.<br />

3 Carl Nels: Bürgermeister von <strong>Wittlich</strong>, in: Beiträge zur Chronik der<br />

Stadt <strong>Wittlich</strong>, Ergänzung 1928, S. 8 – KB <strong>Wittlich</strong>-St. Markus, Jg.<br />

1775.<br />

4 Elisabeth Becker-Neuerburg/Franz Schmitt: Die katholische Volksschule<br />

in <strong>Wittlich</strong> bis zur Französischen Revolution, in: Jb. 1990 B-<br />

W, S. 127.<br />

5 LHA Koblenz, Best. 587, Nr. 348-357. – Für die Bürgermeister-Liste<br />

(ab 1799) sei Dr. Klaus Petry, <strong>Wittlich</strong>, gedankt.<br />

6 Heinz Monz: Zur Geschichte der Trierer Freimaurerloge in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jhs., in: Kurtrier. Jb. 35/1995, S. 318.<br />

7 Carl Nels: »Der Oberbürgermeister« Hensch von <strong>Wittlich</strong>, in: Beiträge<br />

zur Chronik der Stadt <strong>Wittlich</strong>, Ergänzung 1929, S. 17 f. – Ders.:<br />

Die Kosaken in <strong>Wittlich</strong>, ebda., 1910, S. 59 f.<br />

8 Mußweiler: oo 08.02.1810.<br />

9 Stadtarchiv Koblenz, Mitteilung v. 22.05.1998. Herrn Michael Koelges<br />

MA sei für die Auskünfte über die Familie Konrad Zweiffel herzlich<br />

gedankt.<br />

10 KB 5 <strong>Wittlich</strong>-St. Markus, Jg. 1815 u. 1821.<br />

11 Erwin Schaaf: Der <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> zur Zeit der Französischen<br />

Revolution, 2. Teil, in: Jb. 1991 B-W, S. 214 f. – Freundl.<br />

Mitteilung von Frau Gudrun Hüls-Beth, Kröv.<br />

12 H.-Günther Böse: Die ersten demokratischen Wahlen im Kreis Zell<br />

1848/49, in: Jb. 1995 Kreis Cochem-Zell, S. 244 f.<br />

13 Mußweiler: Maria Anna Aloysia Hensch, † 24. 02. 1825 u. Philipp<br />

Hensch † 25. 05. 1846 – Maria Wein-Mehs: Juden in <strong>Wittlich</strong>, 1808-<br />

1942, <strong>Wittlich</strong> 1996, S. 533.<br />

14 Criminal-Procedur Grün, wie Anm. 1, S. 9.<br />

15 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt Nr. 5/09.01.1848, weiter 13.04.,<br />

12.10.1848 bis Nr. 76/30.08.1849.<br />

16 Mußweiler: Die Kinder von Hugo Hensch: Philipp Josef<br />

* 12.05.1842, Amalie Wilhelmine * 31.12.1843, Sophie Maximiliane<br />

* 13.04.1845, Peter Josef * 25.01.1847.<br />

17 Matthias Joseph Mehs: Die <strong>Wittlich</strong>er Bürgergarde des Jahres<br />

1848, in: <strong>Wittlich</strong>er Lesebuch, <strong>Wittlich</strong> 1993, S. 154 – Erwin Schaaf,<br />

wie Anm. 11, S. 205-215. – Michael Müller: Säkularisation und<br />

Grundbesitz. Zur Sozialgeschichte des Saar-Moselraumes 1794-<br />

1813, Boppard 1980. – Totenzettel von P. J. Weis, † 14.06.1865<br />

(Privatarchiv E. Becker-Neuerburg).<br />

18 Hermann Stahl: Die Revolution von 1848/49 an der Mittelmosel,<br />

<strong>Bernkastel</strong> 1923, S. 9.<br />

19 H.-G. Böse: Die ersten demokratischen Wahlen in den Kreisen<br />

<strong>Wittlich</strong> u. <strong>Bernkastel</strong> im Mai 1848, in: Jb. 1999 B-W, S. 264-266 f.<br />

20 Bernkast’ler Tage-Blatt Nr. 92 / 13.10.1848.<br />

21 Franz Schmitt: Chronik von Cues, <strong>Bernkastel</strong>-Kues 1981, S. 49<br />

(Die <strong>Wittlich</strong>er Linie der Familie Fier) – Ders.: In <strong>Wittlich</strong> geht die<br />

Post ab, in: Jb. 1998 B-W, S. 140-148. – Die Abgeordneten der<br />

Rhein. Provinzial-Landtage. Ein biograph. Handbuch, Bd. 1, bearb.<br />

von Vera Torunsky, Köln 1998, S. 431. – Mehs, Bürgergarde, S.<br />

152. – <strong>Wittlich</strong>er Gemeinderats-Protokolle, Jg. 1848.<br />

22 Mitteilung Stadtarchiv Koblenz: Einwohnerliste, Best. 623 Nr.<br />

2170, S. 74.<br />

380<br />

in Frankreich zu Wohlstand und Ansehen. Als<br />

er dort 1906 starb, gedachte im Bitburger<br />

Kreisblatt ein Nachruf seiner. 49 Das hätte man<br />

auch dem <strong>Wittlich</strong>er Hugo Hensch gewünscht;<br />

den Namen Hensch kennt man dort seit 1849<br />

nicht mehr.<br />

23 Peter Neu: Nikolaus Hisgen, Landrat in <strong>Wittlich</strong>, 1837-49, in: Jb.<br />

1983 B-W, S. 248.<br />

24 Mosella Nr. 8 / 05.05.1848.<br />

25 Standesamtsregister Stadt <strong>Wittlich</strong>: Geburt 25.04.21; Sterbefälle:<br />

24.02.1825 u. 15.11.1825.<br />

26 Böse, wie Anm. 19.<br />

27 Stahl, S. 19. – Criminal-Procedur Grün; S. 34-36, 97 f., 103, 107,<br />

146. Leider sind vom <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt nur wenige Exemplare<br />

des Jahrgangs 1848 erhalten. Jg. 1849 enthält viele Inserate,<br />

in denen zu den Versammlungen eingeladen wird.<br />

28 Mehs: Bürgergarde, S. 155 – Stahl, S. 22 f.<br />

29 Mehs, ebda., S. 156.<br />

30 Stahl, S. 25 f. – Criminal-Procedur Grün, S. 34.<br />

31 <strong>Wittlich</strong>er Gemeinderatsprotokoll v. 28.11.1848.<br />

32 LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 9671, S. 55 f.: Nachweis der Wahlmänner<br />

für die 2. Kammer in den zum Kreis <strong>Wittlich</strong> gehörigen Bürgermeistereien.<br />

33 Böse, wie Anm. 19, S. 268.<br />

34 Stenographische Berichte über die Verhandlungen der deutschen<br />

constituierenden Nationalversammlung in Frankfurt am Main, hg.<br />

von Franz Wigard, Frankfurt 1849, Bd. IX, S. 6566. – Stahl, S. 33.<br />

35 H.-Günther Böse: Die Versammlung auf der Marienburg am 13.<br />

Mai 1849, in: Jb. 1990 Cochem-Zell, S. 90-97.<br />

36 Criminal-Procedur Grün, S. 34-36.<br />

37 Böse, wie Anm. 35, S. 96. – Carl Schurz: Lebenserinnerungen, Bd.<br />

1, Berlin 1906, S. 222-246. – Josef Mergen: Was aus ihnen geworden<br />

ist (darin: Neustädter aus Trier als Kapitän im amerikanischen<br />

Bürgerkrieg), in: Neues Trier. Jb. 1975, S. 50 f.<br />

38 LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 6571: Namentliche Liste derjenigen<br />

dem Reg. Bez. Trier angehörigen Individuen, welche sich entfernt<br />

haben, um mutmaßlich an dem Freischaren-Kampf in der Pfalz teilzunehmen,<br />

05.07.1849. – Der Steckbrief des Trierer Oberprokurators<br />

Deuster datiert vom 25.09.1849.<br />

39 Criminal-Procedur Grün, S. 57 ff. – Elisabeth Becker-Neuerburg:<br />

Die Familie Neuerburg in <strong>Wittlich</strong>, S. 82.<br />

40 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt Nr. 75 u. 76 / 30.08.1849.<br />

41 Wie Anm. 39.<br />

42 Heinz-Günther Böse: Ludwig Simon von Trier. Leben und Anschauungen<br />

eines rheinischen Achtundvierzigers, Phil. Diss.,<br />

Mainz 1951, S. 202-208.<br />

43 Rhein. Geschlechter. Mit Köln versippt, bearb. von Robert Steimel,<br />

Bd. 2, Köln o. J. (= 1956), S. 192 / Tafel 379. – Standesamt Saarbrücken,<br />

Sterbefälle Maria Katharina Zweiffel † 20.01.1874.<br />

44 Böse, wie Anm. 12, S. 247.<br />

45 Wie Anm. 21 (Peter Schoemann sen. 1766-1850). – Preuß. Parlamentarier.<br />

Ein Photoalbum 1859-1867, bearb. von H. Conrad u. B.<br />

Haunfelder, Düsseldorf 1986, S. 127. (Peter Schoemann jun. 1802-<br />

1866) – Stephan Schölzel: Kurfürsten und Bürger, Trier 1984, S.<br />

238 (Karl Schömann 1806-1877) – Die Abgeordneten der rhein.<br />

Provinziallandtage, Bd. 1, Köln 1998, S. 430 (Damian Ernst Schoemann<br />

1807-1876). – Stadtarchiv Trier: Nachlass Milz, »Schoemann«.<br />

46 Criminal-Procedur Grün, S. 267.<br />

47 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt Nr. 18 / 04.03.1849.<br />

48 <strong>Wittlich</strong>er Gemeinderatsprotokoll vom 15.02.1850.<br />

49 Peter Neu: Geschichte von Bitburg, Trier 1965, S. 447.<br />

Für die freundliche Überlassung von Bild- und Archivmaterial sowie<br />

wertvolle Hinweise sei Frau Elisabeth Becker-Neuerburg, <strong>Wittlich</strong>,<br />

herzlich gedankt.


Das Ende der Revolution von 1848/49 und aller<br />

in sie gesetzten Hoffnungen jährt sich in diesem<br />

Jahr zum hundertfünfzigsten Mal. Aus diesem<br />

Anlass sei an einen Mann erinnert, der an<br />

allen demokratischen und revolutionären Bestrebungen<br />

der Bewohner des Mosellandes<br />

seinerzeit lebhaften Anteil nahm. 1 Die Rede ist<br />

von Johann Neustädter aus <strong>Wittlich</strong>.<br />

Er wurde am 12. Juli 1821 in der Trierer Vorstadt<br />

St. Paulin im Haus seiner Eltern, des Feuerwerkers<br />

Johann Neustädter und der Margarethe<br />

Zock geboren. 2 Sein Vater stammte aus<br />

Neustadt und seine Mutter aus einer Trierer<br />

Gärtnerfamilie. Beide waren am 12. Oktober<br />

1819 in St. Paulin getraut worden. 3<br />

Johann Neustädter diente als junger Mann von<br />

1840-1846 bei der preußischen Artillerie, was<br />

ihm später noch zugute kommen sollte, wie wir<br />

hören werden. Im Frühjahr 1848 war er schon<br />

seit einiger Zeit in <strong>Wittlich</strong> wohnhaft und als<br />

Schreiber angestellt. 4<br />

Wie überall war auch in der <strong>Wittlich</strong>er Bevölkerung<br />

der Wunsch nach politischen Reformen<br />

und nationaler Einheit weit verbreitet, und so<br />

wurde der Ausbruch der Revolution allgemein<br />

begrüßt. Unverzüglich ging man daran, die berechtigten<br />

Forderungen zu formulieren und sie<br />

der Obrigkeit zugehen zu lassen. In <strong>Wittlich</strong> war<br />

bereits am 10. März eine Adresse an den König<br />

in Vorbereitung. 5 Nach den Maiwahlen zur<br />

deutschen und preußischen Nationalversammlung<br />

verfolgte man aufmerksam die Verhandlungen<br />

der beiden Versammlungen.<br />

Im Laufe des Sommers hatten sich die fortschrittlichen<br />

Kräfte in <strong>Wittlich</strong> weiter konsolidiert,<br />

und so wurde schließlich am 28. Oktober<br />

auch hier nach dem Vorbild anderer Gemeinden<br />

ein demokratischer Verein gegründet, der<br />

seine Versammlungen fortan im Gasthaus Neuerburg<br />

abhielt. Der erste Vorsitzende, der Wirt<br />

Peter Joseph Sailler, geriet schon bald in politische<br />

Verfolgung wegen der <strong>Bernkastel</strong>er Unruhen<br />

vom November, die sich an der eigen-<br />

Johann Neustädter<br />

Aus dem Leben eines <strong>Wittlich</strong>er »Achtundvierzigers«<br />

Heinz Schmitt<br />

mächtigen Verlegung der preußischen Nationalversammlung<br />

seitens des Königs entzündet<br />

hatten, in der man zu Recht einen Affront gegen<br />

die Souveränität des Volkes sah. Sein Nachfolger<br />

wurde der Kaufmann Peter Schömann, der<br />

sich aber offensichtlich mit dem Amt des ersten<br />

Vorsitzenden zufrieden gab. Desto tätiger<br />

waren der Vizepräsident Hugo Hensch, Sohn<br />

des Notars Philipp Hensch, sowie Johann Neustädter.<br />

6 Hensch galt den Behörden als<br />

»Hauptaufwiegler.«<br />

Nach den Novemberunruhen wurden besonders<br />

in Preußen die reaktionären Tendenzen<br />

immer augenfälliger. Auch machte sich in der<br />

Bevölkerung zunehmend Enttäuschung breit<br />

über den bisherigen Verlauf der Revolution, da<br />

sie im Grunde keine konkreten Verbesserungen<br />

für den Einzelnen gebracht hatte. Ließ auch<br />

das Interesse an den politischen Zeitfragen beständig<br />

nach, so blieb man doch seiner demokratischen<br />

Gesinnung weiter treu.<br />

Als aber im April 1849 die 2. preußische Kammer<br />

schon wieder aufgelöst und der in Frankfurt<br />

beschlossenen Reichsverfassung die Anerkennung<br />

versagt wurde, kam noch einmal allgemeine<br />

Empörung auf. Instinktiv merkte man,<br />

dass es sich in den nächsten Wochen entscheiden<br />

musste, ob die Revolution doch noch<br />

erfolgreich sein konnte.<br />

Der Demokratische Verein <strong>Wittlich</strong> richtete unter<br />

Federführung von Hensch und Neustädter<br />

eine Adresse an die Frankfurter Nationalversammlung,<br />

in der es heißt: »Sie (die Abgeordneten)<br />

stehen über den Fürsten und sind demnach<br />

so berechtigt wie verpflichtet, denjenigen,<br />

der sich Ihren Beschlüssen widersetzt, als<br />

Hochverräter zu verfolgen. Wir sind bereit, auf<br />

den ersten Ruf uns wie ein Mann zu erheben<br />

und mit uns Tausende der Mosel entlang und in<br />

den Gebirgen.« 7<br />

Noch einmal wurden große Volksversammlungen<br />

abgehalten, in denen vor allem Dr. Carl<br />

Grün, der beste Redner der Trierer Demokra-<br />

381


ten, zur Verteidigung der neuen Verfassung<br />

aufrief. Am 13. Mai kam es zur großen Volksversammlung<br />

auf der Marienburg unter der Leitung<br />

von Dr. Grün. Tausende hatten sich eingefunden.<br />

8 Dr. Grün hielt die Hauptrede, und nach<br />

ihm sprachen Johann Neustädter für die <strong>Wittlich</strong>er<br />

und Peter Imandt für die Trierer Demokraten,<br />

die beide »etwas stärker auftrugen«. 9<br />

Anschließend beriet man hinter verschlossenen<br />

Türen in kleinerem Kreis. Hier sollen nun<br />

der Umsturz der Regierung, die allgemeine<br />

Volksbewaffnung und zu ihrem Zweck die Stürmung<br />

des Prümer Zeughauses beschlossen<br />

worden sein. 10 (s. auch S. 377 f.) Fest steht jedenfalls,<br />

dass sich Leute wie Hensch, Neustädter,<br />

Imandt, der Advokat Victor Schily und<br />

der Bitburger Joseph Nels inzwischen in absolut<br />

radikaldemokratischen Bahnen bewegten.<br />

Am 15. Mai beriefen Hensch, Neustädter und<br />

Peter Niles eigenmächtig eine außerordentliche<br />

Sitzung des <strong>Wittlich</strong>er Vereins ein und bereiteten<br />

die Anwesenden auf den bevorstehenden<br />

Volksaufstand vor. In einer weiteren Sitzung<br />

beim Wirt Neuerburg am 17. Mai wurde dann<br />

der Zug nach Prüm beschlossen und organisiert.<br />

Auch hier sprach Neustädter wieder zu<br />

den Versammelten und rief zur Teilnahme auf.<br />

Am nächsten Tag fand die Erstürmung des<br />

Prümer Zeughauses tatsächlich statt und war<br />

erfolgreich. Warum aber gerade Johann Neustädter<br />

und auch Hugo Hensch nicht persönlich<br />

an dem Unternehmen beteiligt waren, ist<br />

ungeklärt. Neustädter und Peter Niles nahmen<br />

am Abend einen Teil der in Prüm geraubten<br />

Waffen in Empfang und schafften sie am nächsten<br />

Tag zusammen mit Schily nach <strong>Bernkastel</strong>.<br />

11<br />

Hier wurden die Waffen an die wehrfähigen<br />

Männer verteilt, und Schily rief den Aufstand<br />

aus. Als aber im Laufe des Tages die erwartete<br />

Unterstützung von außerhalb ausblieb und beunruhigende<br />

Nachrichten über anrückendes<br />

Militär eintrafen, gab Schily das Unternehmen<br />

verloren. Die Waffen wurden wieder eingesammelt.<br />

Schily verließ mit seinen Getreuen, darunter<br />

auch Johann Neustädter, <strong>Bernkastel</strong> und<br />

zog moselabwärts, wo sich dann bei Brodenbach<br />

ihre Spur verliert. 12<br />

Johann Neustädter ging in die Pfalz und<br />

schloss sich dem dortigen Aufstand an. Auch<br />

in Baden war es nach dem Scheitern der<br />

Frankfurter Nationalversammlung zu Unruhen<br />

382<br />

gekommen. Hier ging sogar praktisch das gesamte<br />

Militär zu den Aufständischen über und<br />

so fiel auch die Bundesfestung Rastatt in ihre<br />

Hände. Aber gegen die zur Niederschlagung<br />

der Unruhen anmarschierenden preußischen<br />

Truppen war weder in der Pfalz noch in Baden<br />

entscheidender Widerstand zu leisten, weil<br />

Menschen und vor allem Waffen fehlten. So<br />

wurden die Aufständischen immer weiter<br />

zurückgeschlagen und schließlich am 30. Juni<br />

in der Festung Rastatt eingeschlossen. Hier<br />

nun finden wir am 23. Juli 1849 Johann Neustädter<br />

aus <strong>Wittlich</strong> wieder. An diesem Tag<br />

sollte die Festung den Preußen übergeben<br />

werden, weil weiterer Widerstand sinnlos war<br />

und man der Zivilbevölkerung Schlimmeres ersparen<br />

wollte. Der Belagerungsring war so eng<br />

geschlossen, dass, wie die Preußen sagten,<br />

»keine Maus« entwischen könne. Aber es sollte<br />

anders kommen.<br />

Mindestens drei »Mäusen« gelang es zu entkommen,<br />

von denen Johann Neustädter eine<br />

war. Kein Geringerer als der später so bekannt<br />

Carl Schurz 1829-1906. Er entkam mit Johann<br />

Neustädter aus der Festung Rastatt.


gewordene Publizist und zeitweilige amerikanische<br />

Innenminister Carl Schurz (1829-1906)<br />

schildert uns in seinen Lebenserinnerungen die<br />

tollkühne Flucht. 13 Schurz hatte es auf ähnlichen<br />

Wegen nach Rastatt verschlagen wie Johann<br />

Neustädter. Er hatte als junger Bonner<br />

Student an der missglückten Erstürmung des<br />

Zeughauses zu Siegburg teilgenommen und<br />

sich dann dem pfälzischen Aufstand angeschlossen<br />

und war so nach Rastatt gekommen<br />

und inzwischen Leutnant geworden.<br />

Einige Tage vor der Kapitulation hatte Schurz<br />

zufällig von oben herab gesehen, dass unter<br />

den Festungsmauern und Verschanzungen eine<br />

kleine Abwasserröhre verlaufen musste, da<br />

er deren in einem Graben auslaufende Mündung<br />

jenseits der Mauern wahrnehmen konnte.<br />

Dahinter befand sich ein Getreidefeld.<br />

Schurz hatte schon von seinen Eltern und<br />

Freunden schriftlich Abschied genommen, da<br />

er sich über sein Schicksal keine Illusionen<br />

machte, falls er den Preußen in die Hände fallen<br />

sollte, gerade weil er Preuße war. 14 Wie Recht<br />

er hatte, zeigten die späteren Standgerichte.<br />

Da fiel ihm, kaum eine Stunde bevor die<br />

Preußen einmarschieren sollten, der Abwasserkanal<br />

wieder ein, und es gelang ihm<br />

tatsächlich, die Einmündung innerhalb der Festung<br />

zu finden. Er ging in sein Quartier, um seinen<br />

Burschen Adam zu entlassen, dem man<br />

schwerlich etwas anhaben konnte. Aber dieser<br />

bestand darauf, bei ihm zu bleiben.<br />

In diesem Augenblick ging Johann Neustädter<br />

am Fenster von Schurz vorbei. Schurz kannte<br />

ihn, weil auch er inzwischen Artillerieoffizier geworden<br />

war und wusste, dass auch Neustädter<br />

Rheinländer, also Preuße war, dem ein ähnliches<br />

Schicksal wie ihm drohte.<br />

»Wo gehen Sie hin, Neustädter?«, rief Schurz<br />

ihm durchs Fenster zu. »Zu meiner Batterie«,<br />

antwortete er, »um die Waffen zu strecken«.<br />

»Die Preußen werden Sie totschießen«, entgegnete<br />

Schurz. »Gehen Sie mit mir und versuchen<br />

wir, davonzukommen«.<br />

Neustädter wurde aufmerksam und Schurz erklärte<br />

ihm seinen Plan. »Gut«, sagte Neustädter,<br />

»ich gehe mit Ihnen«.<br />

Während die Preußen bereits über den Marktplatz<br />

einmarschierten, schlüpften Schurz, sein<br />

Bursche und Johann Neustädter in den engen<br />

Kanal, in dem sie nur gebückt gehen konnten.<br />

Etwa in der Mitte des Kanals befand sich ein<br />

Gitter, das glücklicherweise nicht ganz herabgelassen<br />

war, so dass sie bäuchlings unter<br />

Wasser darunter durchkriechen konnten. Aber<br />

als sie die Mündung des Kanals erreicht hatten,<br />

hörten und sahen sie zu ihrem Schrecken unmittelbar<br />

vor sich eine preußische Postenkette.<br />

So mussten sie den ganzen mühsamen Weg<br />

wieder zurück.<br />

Kurz vor dem inneren Ausstieg wären sie beinahe<br />

entdeckt worden, weil ein Posten sie<br />

durch ein Kanalgitter gehört hatte. Da dessen<br />

Aufmerksamkeit nun auf dieses gerichtet war,<br />

gelang es den Dreien, den Ausgang zu erreichen,<br />

in einen anliegenden Garten zu springen<br />

und in einer nahen Scheune für die Nacht Unterschlupf<br />

zu finden. Die Scheune gehörte sogar<br />

einer Verwandten Adams. Aber sie konnten<br />

dort nur bis morgens bleiben, weil Adams Cousine<br />

zu ängstlich war, und sie außerdem am<br />

Morgen Einquartierung bekommen sollte.<br />

Unter den Augen der preußischen Soldaten<br />

schlichen sie aus der Scheune zu einem nahen<br />

von Gebüsch überwachsenen Graben. Hier<br />

saßen sie nun im strömenden Regen, von Hunger<br />

und Durst geplagt. Plötzlich kam ein Mann<br />

mit einer Säge auf dem Arm zu dem in unmittelbarer<br />

Nähe des Grabens aufgestapelten Holzstoß.<br />

Schurz vermutete richtig, dass er ihnen<br />

wohlgesonnen sei, weil er ein Arbeiter war.<br />

Sie machten den Mann auf sich aufmerksam,<br />

und nachdem Schurz ihm die Lage erklärt hatte,<br />

versprach er, ihnen zu helfen. Der Mann<br />

zeigte ihnen einen winzigen Verschlag über einem<br />

kleinen Schuppen, und das war das Letzte,<br />

was sie von ihm hörten. Dann vernahmen<br />

sie unter sich im Schuppen Gepolter, und es<br />

gab keinen Zweifel, dass die Preußen in den<br />

Schuppen Pferde eingestellt hatten. Jetzt<br />

konnte das winzigste Geräusch sie verraten.<br />

Zwei Tage lagen sie so in qualvoller Enge, ohne<br />

Essen und Trinken und kaum Schlaf. Denn sie<br />

konnten nur abwechselnd schlafen, aus Angst,<br />

dass etwaiges Schnarchen sie sofort verraten<br />

könnte. Schon so trauten sie sich kaum zu atmen,<br />

auch wenn die Husaren unter ihnen ihrem<br />

Schnarchen nach in tiefem Schlaf lagen.<br />

Ihre Verzweiflung über ihre aussichtslose Lage<br />

wuchs, und sie sannen auf einen Ausweg. Da<br />

kam Schurz ein neuer Gedanke. In der dritten<br />

Nacht flüsterte er seinem Nachbarn zu, indem<br />

er seinen Mund seinem Ohr nahe brachte:<br />

»Neustädter, haben Sie nicht, als wir über das<br />

383


Brennholz kletterten, ein kleines Häuschen bemerkt,<br />

das etwa fünfzig Schritt von hier steht?«<br />

»Ja«, sagte Neustädter.<br />

»Da muss ein armer Mann wohnen«, fuhr Schurz<br />

fort, »wahrscheinlich ein Arbeiter. Einer von uns<br />

muss zu ihm ins Haus gehen und zusehen, ob er<br />

uns helfen kann. Ich würde gern selbst hingehen,<br />

aber ich müsste über Sie wegklettern (Neustädter<br />

lag der Öffnung in der Bretterwand am<br />

nächsten) und das möchte Geräusch geben. Sie<br />

sind ohnehin der Kleinste und Leichteste von<br />

uns. Wollen Sie es versuchen?«<br />

In einer Minute war Neustädter leicht und leise<br />

wie eine Katze verschwunden.<br />

Neustädter hatte tatsächlich das Glück, unbemerkt<br />

zu bleiben und in dem Häuschen einen<br />

Helfer zu finden. Dieser versorgte sie mit Lebensmitteln<br />

und Getränken. Ebenso erkundete<br />

er die Lage außerhalb der Mauern und konnte<br />

die gute Nachricht mitbringen, dass die Postenkette<br />

um die Stadt herum inzwischen abgezogen<br />

worden sei. Dies schien den Preußen<br />

nun nicht mehr nötig. Wie hätte auch jemand in<br />

badischer Uniform aus der Stadt herauskommen<br />

sollen.<br />

Ihr Helfer erhielt den Auftrag, in Steinmauern,<br />

welches etwa eine Wegstunde von Rastatt entfernt<br />

am Rhein lag, einen Kahn zu besorgen,<br />

der sie in der kommenden Nacht über den<br />

Rhein ans sichere französische Ufer bringen<br />

sollte.<br />

Gegen Mitternacht brachen sie auf und erreichten<br />

unbemerkt durch die Gärten den Abwasserkanal<br />

und seinen Einstieg, obwohl ein Posten<br />

kaum 30 Meter entfernt auf und ab ging.<br />

So ging es erneut durch die von Ratten wimmelnde<br />

enge Röhre. Zum Glück befand sich<br />

das Absperrgitter noch in derselben Stellung<br />

wie Tage zuvor, und schnell waren sie drunter<br />

durch. Am Ausgang war alles ruhig, und ihr leiser<br />

Pfiff, das vereinbarte Signal, wurde aus<br />

dem Getreidefeld vor ihnen erwidert. Es war<br />

geschafft! Unbehelligt erreichten sie das<br />

Rheinufer bei Steinmauern und den wartenden<br />

Kahn. Sie verabschiedeten sich von ihrem Lebensretter,<br />

Augustin Uffler hieß er, und der<br />

Bootsmann setzte sie über. Dieser aber war ein<br />

ausgesprochener Halunke, denn im Morgengrauen<br />

erkannten sie, dass er sie trotz guter<br />

Bezahlung auf einer Insel im Rhein abgesetzt<br />

hatte und das französische Ufer immer noch<br />

gegenüber lag. Dort kamen bald zwei französi-<br />

384<br />

sche Zöllner vorbei, denen sie zuriefen, dass<br />

sie Flüchtlinge aus Rastatt seien. Ohne Umstände<br />

holten diese Schurz, Neustädter und<br />

Adam in einem kleinen Boot herüber.<br />

Sie waren endgültig in Sicherheit, und man<br />

kann sich vorstellen, was nach den vorangegangenen<br />

Tagen in ihnen vorging. Bald trennten<br />

sich die drei Schicksalsgenossen. Adam<br />

wandte sich seiner Pfälzer Heimat zu. Schurz<br />

und Neustädter aber zogen zu Fuß und per Eisenbahn<br />

Richtung Schweiz, wo sie zahlreiche<br />

emigrierte Freunde wussten. Zunächst wollten<br />

sie nach Bern und hatten schon den »Monto«<br />

überstiegen, von dem beide zum ersten Mal die<br />

schneebedeckten Alpengipfel sahen, da erfuhr<br />

Schurz, dass seine Freunde nicht mehr in Bern<br />

waren, sondern sich inzwischen in der Nähe<br />

von Basel aufhielten. Schurz musste also wieder<br />

über den Monto zurück, wollte er sie treffen.<br />

Neustädter aber wollte weiter nach Bern,<br />

weil er hoffte, dort eine Anstellung zu finden. In<br />

einer kleinen Schenke im Tal nahmen die beiden<br />

Abschied voneinander. Erst 18 Jahre später<br />

sollten sie sich in der Neuen Welt wiedersehen.<br />

Johann Neustädter ging nach Bern und wurde<br />

Privatsekretär bei dem berühmten Naturforscher<br />

Karl Vogt. 15 Karl Vogt (1817-1895), ein<br />

Schüler von Justus Liebig, war auch ein begeisterter<br />

Achtundvierziger gewesen und hatte in<br />

der Frankfurter Nationalversammlung gesessen.<br />

16 Diesem Umstand verdankte Johann<br />

Neustädter sicherlich auch seine Anstellung.<br />

Im Jahre 1851 verließ Johann Neustädter Bern<br />

und ging nach Amerika. Er ließ sich in St. Louis,<br />

der großen Stadt am Zusammenfluss von Missouri<br />

und Mississippi nieder. Hier gab es eine<br />

große deutsche Auswandererkolonie und darunter<br />

auch viele politische Emigranten. Neustädter<br />

kam zu einer kleinen, aber geachteten<br />

Stellung. Er war Mitarbeiter und Geschäftsführer<br />

am »Anzeiger des Westens«, einer von<br />

Börnstein in St. Louis herausgegebenen Zeitung.<br />

Heinrich Börnstein (1801-1892) war<br />

ebenfalls ein Achtundvierziger und später von<br />

1869-71 amerikanischer Generalkonsul in Bremen.<br />

17<br />

Als 1861 der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach,<br />

meldeten sich Johann Neustädter und<br />

sein Chef Börnstein als Freiwillige auf Seiten<br />

der Nordstaaten. Als gelernter Artillerieoffizier<br />

organisierte er sofort eine eigene Batterie, de-


General William Tecumseh Sherman 1820-1891.<br />

Johann Neustädter war Mitglied seines Stabes als<br />

Artillerieoffizier.<br />

ren Vorgesetzter er wurde und die in den ersten<br />

Kämpfen schon im Einsatz war. So schon am<br />

10. Mai 1861, als die Besetzung von St. Louis<br />

durch Soldaten der rebellischen Südstaaten<br />

verhindert wurde. Zunächst unterstand Neustädters<br />

Batterie Generalmajor Fremont, dem<br />

Entdecker der Mississippiquellen, der den<br />

Oberbefehl im Westen (Missouri) hatte, und<br />

dessen Brigadegeneral Lyon. 18<br />

Neustädter erbaute das Fort Anderson und<br />

zeichnete sich auch sonst vielfach aus. Er galt<br />

als einer der besten Artillerieoffiziere des<br />

Westheeres.<br />

Dann trat er in den Stab General Shermans ein<br />

und wirkte in den meisten Schlachten von dessen<br />

Cumberlandarmee mit. William Tecumseh<br />

Sherman war 1864 Oberbefehlshaber der Unionstruppen<br />

im Südwesten geworden. Nach der<br />

Einnahme von Atlanta trat er den entscheiden-<br />

den Marsch an die Küste bis Savannah an und<br />

vereinigte sich schließlich, nordwärts marschierend,<br />

mit Grants Armee. Dies brachte die<br />

Kapitulation der Südstaaten und das Ende des<br />

Krieges. Johann Neustädter war bis zum<br />

Kriegsende Stabsoffizier bei Sherman. 19<br />

Dann kehrte er nach St. Louis zurück und<br />

machte sich auch schriftstellerisch einen Namen.<br />

Hier trafen sich 1867 Carl Schurz und Johann<br />

Neustädter erstmals wieder. Die Wiedersehensfreude<br />

war groß, und beide frischten mit<br />

Behagen die Erinnerung an ihr gemeinsam in<br />

Rastatt erlebtes Jugendabenteuer wieder auf,<br />

wie Schurz schreibt. 20 Es sollte ihre letzte Begegnung<br />

sein.<br />

Von Johann Neustädter hören wir aus dem in<br />

Cincinatti erschienenen »Pionier«, dass er noch<br />

1880 in St. Louis lebte. 21 Sein weiteres Schicksal<br />

ist einstweilen ungeklärt.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Schmitt, Franz, Die Revolution von 1848/49 in <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong>,<br />

in: Jb. <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1998, S. 279-290; Breuer Karl, Ursachen<br />

und Verlauf der Revolution von 1848 im Moseltale und seinen<br />

Randgebieten, Diss. (masch.) Bonn 1921; Stahl, Hermann, Die<br />

Revolution von 1848/49 an der Mittelmosel (<strong>Bernkastel</strong> 1923).<br />

2 Stadtarchiv Trier Tb 31, Dezennaltabelle 1813-1823, Geburtsact<br />

nr. 4111; Bistumsarchiv Trier 72,580, Nr.1, S.148: Hiernach war er<br />

erst am 12. August geboren, es liegt wohl ein Irrtum des Pfarrers<br />

vor.<br />

3 Stadtarchiv Trier Tb 31, Dezennaltabelle 1813-1823, Heirathsact<br />

nr. 992; Bistumsarchiv Trier 72,580, Nr. 2, S. 77.<br />

4 Criminal-Prozedur gegen Dr. C. Grün und 22 Genossen, wegen<br />

Hochverrat resp. Plünderung des Zeughauses zu Prüm. Verhandelt<br />

vor den Assisen zu Trier im Januar 1850, Trier 1850, S. 6.<br />

5 Stahl, S. 5.<br />

6 Criminal-Prozedur, S. 34.<br />

7 Stahl, S. 6; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der<br />

deutschen constituierenden Nationalversammlung in Frankfurt am<br />

Main, hg. v. Franz Wigard, Frankfurt/M. 1848/49, Bd.IX, S. 6566.<br />

8 Böse, H.-Günther, Die Volksversammlung auf der Marienburg am<br />

13. Mai 1849, in: Jb.Cochem-Zell 1990, S. 90-97.<br />

9 Criminal-Prozedur, S. 29.<br />

10 Criminal-Prozedur, S. 57 f.<br />

11 Criminal-Prozedur, S. 34 f.<br />

12 Stahl, S. 36.<br />

13 Schurz, Carl, Lebenserinnerungen, Bd. l, Berlin 1906, S. 222-246.<br />

14 Schurz, Carl, Lebenserinnerungen, Bd III: Briefe und Lebensabriss,<br />

Berlin 1912, S. 45-52.<br />

15 Kaufmann, Wilhelm, Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege,<br />

München/Berlin 1911, S. 536.<br />

16 Krause, Ernst, s. v. Vogt, Karl, in: Allgemeine deutsche Biographie,<br />

Bd. 40, S. 181-189.<br />

17 Deutsche Biographische Enzyklopädie, hg. v. Walther Killy, Bd. l, S.<br />

634.<br />

18 Kaufmann, S.188, S. 536.<br />

19 Kaufmann, S. 536.<br />

20 Schurz, Bd. I, S. 246.<br />

21 Neu, Heinrich, Zur Geschichte der Ansiedlung von Auswanderern<br />

des Trierer Landes in Amerika, in: Trier. Heimat 9, 1932/33, S.170-<br />

174, hier S. 174.<br />

385


Die Hofrätin Maria Theresia Fier aus <strong>Wittlich</strong><br />

hatte im Jahre 1767 in ihrem Testament 1 000<br />

Reichstaler zur Errichtung einer Orgel in der<br />

<strong>Wittlich</strong>er Pfarrkirche gestiftet. 1 Nach dem Einbau<br />

eines neuen Duksals (= Empore) durch<br />

<strong>Wittlich</strong>er Handwerker hatten die Orgelbauer<br />

Nikel Schreiber (1727-1776) und Peter Schreiber<br />

(1732-1795) aus Dusemond, dem heutigen<br />

Brauneberg an der Mosel, bis zum Februar<br />

1769 eine neue Orgel fertiggestellt. In der Kapelle<br />

des Franziskanerklosters gab es damals<br />

bereits eine Orgel. Für die Pfarrkirche war die<br />

neue Orgel mit 32 Registern, verteilt auf Hauptwerk,<br />

Rückpositiv und Pedal, die erste Orgel<br />

überhaupt.<br />

Ein Onkel der Dusemonder Orgelbauer namens<br />

Matthias Schreiber (1716-1771) lebte seit 1750<br />

als Orgelbauer und Weinhändler in Glückstadt<br />

bei Hamburg. 2 Peter Schreiber hatte nachweislich<br />

zeitweise bei seinem Onkel in Glückstadt<br />

als Orgelbauer mitgearbeitet. 3 Somit ist der typische<br />

»Hamburger Prospekt« der <strong>Wittlich</strong>er<br />

Orgel leicht erklärbar. Eindeutig ist der norddeutsche<br />

Einfluss bei diesem Instrument. Es<br />

gibt sogar Hinweise darauf, dass die Orgel zumindest<br />

teilweise auf eine ältere norddeutsche<br />

Orgel zurückgehen könnte.<br />

Eine weitere wichtige Vermutung ergibt sich<br />

aus einigen Gehäusedetails, die auf die Orgelbauerfamilie<br />

Nollet aus Trier hindeuten. Dies<br />

bezieht sich insbesondere auf die unterschiedlichen<br />

Profile der Gehäusegesimse sowie auf<br />

die ebenfalls unterschiedlichen Schleierbretter.<br />

Die Nollet´s waren über drei Generationen als<br />

Orgelbauer tätig. Roman Benedikt Nollet<br />

(1719-1779), ein Sohn des Jean Nollet, lebte im<br />

Jahre 1772 nachweislich in Dusemond. 4<br />

Schon Anfang des 19. Jahrhunderts befand<br />

sich das Orgelwerk in einem sehr schlechten<br />

technischen Zustand. 5 Warum dies schon nach<br />

wenigen Jahrzehnten der Fall war, ist unklar.<br />

Sicherlich hatten sich die Kriegswirren der<br />

Französischen Revolution auch auf die Einrich-<br />

386<br />

Die Organisten an der Pfarrkirche<br />

St. Markus in <strong>Wittlich</strong><br />

Reinhold Schneck<br />

tung der Markuskirche ausgewirkt. Es könnte<br />

aber auch ein weiterer Hinweis darauf sein,<br />

dass die Orgel schon lange vor 1769 für eine<br />

Kirche in Norddeutschland gebaut worden war.<br />

Matthias Schreiber gestaltete von 1765 bis<br />

1770 eine neue Orgel in Dorum (nördl. Bremerhaven).<br />

6 Denkbar ist, dass die Vorgängerorgel<br />

aus Dorum seit 1768/69 in <strong>Wittlich</strong> steht.<br />

1848 erfolgte dann ein großer Umbau durch<br />

den Trierer Orgelbauer Wilhelm Breidenfeld. Er<br />

baute ein neues Werk und verwendete lediglich<br />

das Hauptwerksgehäuse und das Pedalgehäuse<br />

wieder. Ein zweiter großer Umbau fand 1958<br />

durch die Orgelbaufirma Klais aus Bonn statt.<br />

Im Laufe von mehr als 250 Jahren waren natürlich<br />

viele Organisten an dieser Orgel tätig. Bis<br />

zur Einführung eines elektrischen Windmotors<br />

gab es daneben zahlreiche Kalkanten (Blasebalgtreter).<br />

Die Namen der Kalkanten tauchen<br />

nur vereinzelt in alten Rechnungsunterlagen<br />

auf. Die Organisten konnten nach langwierigen<br />

Recherchen nun lückenlos herausgefunden<br />

werden.<br />

Franz Merten<br />

In den erhaltenen Kirchenrechnungen von<br />

1770 und 1771 7 werden Gehaltszahlungen an<br />

den Küster Mathes Merten erwähnt. Dieser<br />

Mathias Merten war der Vater von Franz Merten,<br />

der am 29. September 1751 geboren wurde.<br />

Mitglieder der Familie Merten waren zu dieser<br />

Zeit Stadträte, Bürgermeister und Sendschöffen.<br />

Es handelte sich also offensichtlich<br />

um eine angesehene und wohl auch einflussreiche<br />

Familie. Es ist leicht verständlich, dass<br />

der Küster Mathes Merten seinem Sohn Franz<br />

die Organistenstelle an der neuen Orgel von<br />

1769 vermittelte. Zumal der Küster wohl ein<br />

gutes Verhältnis zum damaligen Pastor Georg<br />

Jacoby (1734-1788) hatte. In mehreren Beschwerden<br />

gegen Pastor Jacoby wird der Küster<br />

häufig gleichzeitig miterwähnt.<br />

Eine »Beschwerde der <strong>Wittlich</strong>er Stadtschöffen


im Jahre 1769 an den Kurfürsten zu Trier« 8 gibt<br />

recht interessante Aufschlüsse zur ersten Organistenanstellung:<br />

»<strong>Wittlich</strong>, den 18. September<br />

1769 ... Man will mit Stillschweigen vorbeigehen,<br />

daß der dahiesige Magistrat von dem<br />

Stadtschultheisen Antheis und dessen Hausfraw<br />

(Maria Theresia Fier) 1000 Thaler zu einer<br />

Orgel in der dahiesigen Pfarrkirche fundieret,<br />

man von Seiten des Stadtmagistrats diesem zur<br />

Vermehrung des christlichen Gedankens mit<br />

ganzem Leib und Kräften beizusteuern nicht<br />

nur sich entschlossen, sondern wirklich zu<br />

Werk gegangen, den Akkord mir Zustand des<br />

Herrn Pastoren und Synodalen darüber geschlossen<br />

schriftlich gemacht und allerseits unterschrieben<br />

und zu erfüllen garantiert, von<br />

Herrn Pastoren aber des anderen Tags zerrissen<br />

und zerstückelt zum empfindlichsten dahiesigen<br />

Stadtschultheißen zurückgeschickt<br />

worden, sondern alleinig anregen, daß der Herr<br />

Pastor Klee zu Wollmerath eine ansehnliche<br />

Summe zur Unterhaltung des Organisten zu<br />

steuern sich erboten, gestalten man seinen<br />

wohlerfahrenen vetter dazu annehmen solle,<br />

ein welcher Herr Pastor in Ansehung er solches<br />

einem ungelernten Organisten zugesaget, nicht<br />

annehmen noch eingehen will: mithin auch<br />

Mangel des Unterhalts für einen Organisten die<br />

Orgel alleinig pro forma hingestellter anzusehen<br />

ist, ein welcher Stadtmagistrat für ungebührlich<br />

und der Kirche allzu nachteilig ansehet und anfochtet,<br />

so hochwürdiges Consistorium werde<br />

billiger erachten, und Herrn Pastor anbefehlen,<br />

daß hierin nachzugeben, die offerierte Summe<br />

anzunehmen und des Herrn Pastors Klee Vetter<br />

als Organisten zu bestallen.«<br />

Der Vetter Petrus Klee wurde Organist in<br />

Driesch (bei Lutzerath), wo der Pastor Klee<br />

ebenso wie in Wollmerath eine Orgel gestiftet<br />

hatte. 9<br />

Die Beschwerde des <strong>Wittlich</strong>er Stadtrats hat<br />

keinen Erfolg, denn offensichtlich bleibt der<br />

»ungelernte Organist« in Anstellung. 1771 erhält<br />

Organist Franz Merten 20 Taler aus der<br />

Stadtkasse als Jahreslohn. 10 Für den Glaser<br />

Franz Merten ein einträglicher Nebenverdienst.<br />

Auch in den Protokollen der folgenden Jahre<br />

erscheint dieser Ausgabeposten. 1778 und<br />

1781 wird ihm sogar zusätzlich die Steuer erlassen.<br />

1777 heiratet Franz Merten die Magdalena<br />

Neuerburg. Am 28. Dezember 1794 stirbt<br />

er im Alter von 43 Jahren.<br />

Philipp Hensch<br />

In dem bereits erwähnten Heft von Carl Nels 8<br />

heißt es auf Seite 29: »1796 (?) war Organist an<br />

der Pfarrkirche Franz Merten, von da an erbaute<br />

durch sein Orgelspiel die Gläubigen Philipp<br />

Hensch zu einem jährlichen Lohn von 26 Thaler,<br />

die aus der Stadtkasse bezahlt wurden.«<br />

Philipp Hensch wurde um 1775 als Sohn des<br />

Schulmeisters Johann Hensch (1739-1795)<br />

und dessen Frau Dorothea Manternach (1740-<br />

1799) geboren. 11 Philipp´s Großvater war der<br />

sehr einflussreiche Stadtschöffe und Gerichtsschreiber<br />

Philipp Manternach. Dies wiederum<br />

erklärt, warum Philipp Hensch schon als junger<br />

Mann vor 1795 kurfürstlicher Notar werden<br />

konnte. Ganz sicher hatte Philipp eine überdurchschnittliche<br />

Bildung erfahren. In der französischen<br />

Zeit ab 1795 war er Maire der Kantonsstadt<br />

<strong>Wittlich</strong>; 1807 bis 1815 Oberbürgermeister<br />

der Kantone <strong>Wittlich</strong>, Hetzerath und<br />

Manderscheid. Auch in preußischer Zeit blieb<br />

er bis 1827 Bürgermeister von <strong>Wittlich</strong>. 1847<br />

starb er als »Notarius regius« - Königlicher Notar.<br />

Einer seiner Söhne, Hugo (geb. 1815), war<br />

an den politischen Unruhen des Jahres 1848<br />

aktiv beteiligt. Er flüchtete und wanderte nach<br />

Amerika aus. (s. auch S. 371)<br />

Zu konkreten musikalischen Dingen, etwa verwendete<br />

Orgelliteratur oder Lehrmeister finden<br />

sich keinerlei Hinweise. Da das Franziskanerkloster,<br />

wie oben erwähnt, schon früher eine<br />

Orgel besaß, könnte man annehmen, dass ein<br />

für den Orgeldienst zuständiger Pater Lehrer<br />

der ersten Organisten Philipp Hensch und vielleicht<br />

auch des Franz Merten war.<br />

Joseph Knopp<br />

»Quittung über achtzig vier Frances vier Centimes<br />

so unterschriebener Pfarrorganist für seine<br />

Servitur (= Dienste) für das Jahr 1811 von Kirchenrechnern<br />

Raskop empfangen hat. <strong>Wittlich</strong><br />

am 30ten Xber 1811 Jos. Knopp, organist« 12<br />

So lautet die erste namentliche Information<br />

über einen Organisten in den Akten des Pfarrarchivs.<br />

Dieser Joseph Knopp stammte aus<br />

Trier, wo er am 4. August 1777 als Sohn des<br />

Regneri Knopp geboren war. 13 Am 8. Februar<br />

1802 heiratete er in <strong>Wittlich</strong> die Maria Magdalena<br />

Rohr. Den beiden wurden zehn Kinder geboren.<br />

Von Beruf war Josef, wie sein Vater,<br />

Strumpfweber. In <strong>Wittlich</strong> war er aber auch als<br />

387


Steuereinnehmer tätig. In dieser Tätigkeit hatte<br />

er mit Sicherheit engeren Kontakt zum Bürgermeister<br />

Philipp Hensch. Irgendwann vor 1811<br />

hat er dann wohl das Amt des Organisten übernommen.<br />

Auch gibt es keine Informationen<br />

über seine musikalischen Fähigkeiten. 1816 ist<br />

er Kirchenrechner und 1835 kontrolliert er die<br />

Traubenlese in Lieser für die Weinrente des<br />

Kreuz-Altars von St. Markus. Er erhält regelmäßig<br />

»Salarien« für das Orgelschlagen. 1822<br />

wird als zehntes Kind Friedrich Wilhelm geboren.<br />

Da dies der siebte Sohn ist, übernimmt der<br />

preußische König die Patenschaft, und die Familie<br />

erhält für die sieben Söhne eine regelmäßige<br />

Erziehungsunterstützung. Der Antrag<br />

hierzu gibt Aufschluss über die wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse der Organistenfamilie im Jahr<br />

1822:<br />

»Die Eheleute Knopp haben außer einigen<br />

Grundstücken und einem Antheile Gebäulichkeiten,<br />

worauf diese Steuer haftet, kein anderes<br />

Vermögen, und sind dieselben durch frühere<br />

Krankheitsumstände mit Schulden belastet.<br />

Der Vater der Kinder ist wegen Schwäche des<br />

Gesichts und kränklicher Umstände, die ihm<br />

das Sitzen nicht erlauben, zur Fortsetzung seiner<br />

vormaligen Strumpfweber Profession außer<br />

Stand gesetzt, weswegen er den Dienst als<br />

Steuerbote übernahm, der ihm aber kein einträgliches<br />

Einkommen zum Unterhalt seiner Familie<br />

und Erziehung seiner acht Kinder gewähret.«<br />

14<br />

Besonders erwähnt werden sollte einer der<br />

Söhne von Joseph Knopp: »Nikolaus Knopp,<br />

Canonist geb. zu <strong>Wittlich</strong> in der preuß. Rheinprovinz<br />

am 19. Januar 1814, zu Trier, gestorben<br />

am 28. Juli 1865, studierte die Rechte, erlangte<br />

in München den juristischen Doctorgrad, absolvierte<br />

die theologischen Studien, wurde am<br />

31. Decbr. 1841 Priester, bald darauf Geheimsecretär<br />

des Bischofs Arnoldi, später geistlicher<br />

Rath, Official des geistlichen Gerichts und<br />

1860 Domherr. Er hatte auf den genannten<br />

Bischof den maßgebendsten Einfluß, der sich<br />

namentlich darin zeigte, daß die Disciplin über<br />

den Clerus straffer geübt wurde. ... Knopp war<br />

antipreußisch und curial gesinnt, jedoch keineswegs<br />

fanatisch, ein persönlich höchst achtbarer<br />

Mann. ...« 15 Bischof Wilhelm Arnoldi war<br />

von 1831 bis 1834 Pfarrer und Dechant in <strong>Wittlich</strong><br />

und danach Bischof von Trier.<br />

Am 30. Oktober 1845 verstarb Joseph Knopp.<br />

388<br />

Im Protokoll des Kirchenrats vom 29. November<br />

1845 schreibt der damalige Dechant Keppelen:<br />

»Nachdem der Herr Joseph Knopp, seit<br />

mehr als zwanzig Jahren Organist an der hiesigen<br />

Pfarrkirche in diesen Tagen gestorben ist,<br />

hat sich sein Sohn Gotthard Knopp für diese<br />

Stelle gemeldet. Der Kirchenrath wolle also beschließen,<br />

ob diesem die Stelle übertragen<br />

werden soll, oder nicht.« 16<br />

Gotthard Knopp<br />

Gotthard hatte schon während der Krankheit<br />

des Vaters seit etwa 1843 den Organistendienst<br />

ausgeführt. In dem soeben erwähnten<br />

Kirchenratsprotokoll von 1845 heißt es dazu<br />

weiter: »In Erwägung daß der Gotthard Knopp<br />

wohl aber so fertig ist im Orgelspiel, wie sein<br />

Vater selig war, sind alle Mitglieder des Kirchenraths<br />

einverstanden in besonderer Rücksicht<br />

auf die langjährigen Dienste des Vaters<br />

bei unserer Pfarrkirche, dem Sohn die Organistenstelle<br />

zu übertragen; aber in weiterer Erwägung,<br />

daß dieser Sohn mit der fallenden Krankheit<br />

(Epilepsie) behaftet ist, soll sie ihm einsweilen<br />

nur bis dahin, daß die bereits in Accord gegebene<br />

neue Orgel fertig sein wird, übertragen<br />

werden; bis dahin man sich werde überzeugen<br />

können, in wie weit diese Krankheit ihm dabei<br />

hinderlich und für den Gottesdienst störend<br />

seie. Nachdem dieser Beschluß festgesetzt<br />

war, wurde der H. Gotthard Knopp vor den Kirchenrath<br />

berufen, und ihm erkläret, daß er unter<br />

Bedingniß eines streng sittlich religiösen Wandels,<br />

der größten Genauigkeit in seinem Dienste<br />

und der Verhütung aller Unordnung auf der<br />

Orgelbühne; und im besonderen, daß er<br />

während der Predigt und dem christl. Unterrichte<br />

die Kirche nicht verlassen dürfte, zum Organisten<br />

bei hiesiger Pfarrkirche einsweilen bis<br />

dahin die Neue Orgel fertig ist, angenommen<br />

seie.«<br />

Nachdem im Jahre 1848 die Orgel von dem<br />

Trierer Orgelbauer Wilhelm Breidenfeld umgebaut<br />

worden war, wird der Organist Gotthard<br />

Knopp am 10. November 1848 wieder zur Sitzung<br />

des Kirchenrats eingeladen. »Erschien<br />

der Orgelspieler Godehard Knopp von hier, auf<br />

Einladung des Kirchenraths. Nachdem demselben<br />

die ihm schon bei der ersten einsweiligen<br />

Uebertragung des Organisten Dienstes in der<br />

Versammlung des Kirchenraths 1845, Nr. 3, ad<br />

II, wiederholt gegebenen Ermahnungen auf´s


neue eingeschärft waren, und derselbe namentlich<br />

vor der Unmäßigkeit im Trinken gewarnt<br />

war, übergab ihm der Kirchenrath mit<br />

dem Schlüssel zur Orgel auch den Organisten<br />

Dienst in hiesiger Pfarrkirche, jedoch nur für so<br />

lange als er den besagten Ermahnungen nachkommen<br />

werde.« 16<br />

Gotthard Knopp war als Person wie auch als<br />

Musiker in der Bevölkerung nicht unumstritten.<br />

Im <strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt von 1848 17 findet<br />

sich eine Anzeige, die Bezug auf die Musik an<br />

der Markuskirche nimmt. Wegen der darin enthaltenen<br />

Polemik kann man aber daraus kaum<br />

objektive Rückschlüsse auf die Qualität der damaligen<br />

Kirchenmusik ziehen. Ein Hinweis auf<br />

die auch damals in einem Städtchen wie <strong>Wittlich</strong><br />

üblichen Stammtisch-Querelen ist aber<br />

dieser Artikel allemal. »Anfrage. Hat man die<br />

neue Orgel angeschafft, um den alten Chorgesang<br />

zu begleiten? Alsdann hätte die Stadt, das<br />

viele Geld, zu weit nöthigeren Zwecken verwenden<br />

können; indem das alte Instrument<br />

noch in sehr gutem Verhältnisse mit dem bisherigen<br />

Kirchengesange stand. - Mehrere Bürger,<br />

deren Ohren schon öfters, durch die schöne<br />

Solo´s und Chorgesänge, bedeutende Angriffe<br />

erlitten.«<br />

Dass Gotthard Knopp trotz dieser Querelen<br />

auch angesehener Bürger der Stadt <strong>Wittlich</strong><br />

war, lässt seine Ernennung zum Schützenmeister<br />

der St. Sebastianus-Bruderschaft im<br />

Jahre 1854 vermuten.<br />

Eine nette Anekdote findet sich im Säubrennerheft<br />

1974, wo Matthias Joseph Mehs schreibt:<br />

Wer spielt die Orgel? Es ist hoher Feiertag, Ende<br />

des Hochamts. Balgtreter Heckenbach zum<br />

Organist Knopp schmunzelnd: »Hait honn mer<br />

awa maol schien gespielt!« Aufgebracht ob<br />

solch kollegialer Verteilung von Ehre und<br />

Ruhm, platzt Knopp aus: »Host dau oda haonn<br />

aich gespielt?« Am zweiten Feiertag, beide wieder<br />

im Dienst an brausender Orgel. Da, plötzlich<br />

setzt Heckenbach das Balgtreten aus. Die<br />

Orgel schweigt. Stürmt Knopp zum Balgtreter:<br />

»Wat fällt dir dann enn«. Seelenruhig Heckenbach:<br />

»Aich wollt maol wessen, wär ajentlich<br />

spielt!«<br />

Gotthard Knopp lebte zusammen mit seiner<br />

ebenfalls unverheirateten Schwester Magdalena<br />

(1808-1886) in einem städtischen Haus,<br />

welches ihnen mietfrei zur Verfügung stand.<br />

Aus mehreren Gesuchen um Gehaltser-<br />

höhung 18 aus den Jahren 1873/74 geht hervor,<br />

dass das Einkommen des Gotthard Knopp<br />

eher als spärlich bezeichnet werden kann.<br />

Während Organisten an anderen Stadtkirchen<br />

über 250 Thaler erhielten, bezog Knopp seit<br />

Beginn seiner Anstellung, also fast 30 Jahre<br />

lang, ein Grundgehalt von 41 Thalern. Hinzu<br />

kamen im Jahr 1874 ein Zuschuss der Stadt<br />

über 40 Thaler und Nebenverdienste von ca. 39<br />

Thalern. Sein erstes Gesuch an den Kirchenrat<br />

im Jahre 1873 blieb ohne Ergebnis. Erst nach<br />

weiteren Eingaben wurde ihm ab dem 1. Januar<br />

1875 eine Gehaltserhöhung um 25 Thaler<br />

bewilligt, jedoch mit folgendem Zusatz: »Der<br />

Kirchenrath drückte zugleich den Wunsch aus<br />

weitere derartige Anträge nicht mehr vorbringen<br />

zu wollen.« Gotthard war bewusst, dass er<br />

als gebürtiger <strong>Wittlich</strong>er, und vielleicht auch<br />

bedingt durch seine Krankheit, nicht immer gerecht<br />

behandelt wurde. »Ich glaube hier kühn<br />

die Frage anbringen zu dürfen, wenn ein Auswärtiger,<br />

Fremder, diesen Dienst hätte, würde<br />

nicht schon lange das Gehalt desselben, den<br />

Zeiten und der Kunststellung Rechnung tragend,<br />

hinreichend erhöht worden sein?« 19<br />

Nicht nur als Kirchenorganist, sondern auch als<br />

Veranstalter weltlicher Konzerte war Gotthard<br />

Knopp aktiv. So lud er am Montag, dem 18.<br />

April 1870 zu einem im Kreissaale stattfindenden<br />

Koncert ein. 20 Am 9. Mai 1885 starb Gotthard<br />

Knopp im Alter von 65 Jahren.<br />

Friedrich Wilhelm Musseleck<br />

Nach dem Tod des Organisten Gotthard<br />

Knopp wurde »vorläufig auf ein Jahr« der hiesige<br />

Organist Friedrich Wilhelm Musseleck angestellt.<br />

21 Da dieser jedoch bereits im Herbst 1887<br />

zum Militär einberufen wurde, 22 musste wieder<br />

ein neuer Organist gefunden werden, was<br />

glücklicherweise ohne Probleme geschehen<br />

konnte, denn es gab einen Musiklehrer in der<br />

Familie Musseleck. Wilhelm Musseleck zog<br />

nach der Militärzeit nach Hamburg, wo er als<br />

Redakteur beim Hamburger Fremdenblatt tätig<br />

war. Er starb 1937 im Alter von 72 Jahren.<br />

Conrad Musseleck<br />

»Unter dem heutigen Datum wurde der Herr<br />

Conrad Musseleck von <strong>Wittlich</strong> zum Organisten<br />

der hiesigen Pfarrkirche provisorisch ernannt u.<br />

ihm vom Herrn Dechanten Kröll die Orgel übergeben.<br />

Der K.Vorstand setzte das jährliche Ge-<br />

389


Conrad Musseleck<br />

halt des Organisten fest SmaSm [Summa summarum]:<br />

181M.70pf. welches dieser in vierteljährigen<br />

Raten bei dem K. Rendanten erheben<br />

kann. Der Organist 1. übernimmt alle Pflichten,<br />

welche sein Vorgänger Wilh. Musseleck gehabt,<br />

z. B. zu spielen an allen Sonn- u. Feiertagen<br />

die Frühmesse, das Hochamt, Vesper,<br />

Christenlehre, Rosenkranz, allen öffentlichen<br />

Gottesdienst, welchen der hochwürdigste Bi-<br />

390<br />

schof etwa anordnen<br />

wird. 2. verspricht derselbe<br />

die ihm anvertraute Orgel<br />

fleißig zu bewahren,<br />

nichts verderben zu lassen,<br />

keine anderen, als<br />

die von der Kirche gutgeheißenen<br />

Melodien zu<br />

spielen, auch seinem<br />

Seelsorger u. dessen<br />

Oberen, dem Bischofe in<br />

allen dieses sein Amt betreffenden<br />

Dingen gehorsam<br />

und unterwürfig zu<br />

sein.« 23<br />

Conrad Musseleck wurde<br />

am 9. Mai 1859 als Sohn<br />

des Friedrich Wilhelm<br />

Musseleck und seiner<br />

Frau Margarethe, geb.<br />

Blesius, in <strong>Wittlich</strong> geboren.<br />

Der Vater Friedrich<br />

Wilhelm Musseleck starb<br />

1866 und war ein Verwandter<br />

des obengenannten<br />

Organisten Friedrich<br />

Wilhelm. Conrads<br />

Schulentlassungszeugnis<br />

weist ausnahmslos die<br />

Note »gut« auf, 24 was mit<br />

ein Hinweis auf seine<br />

Fähigkeit ist, als Autodidakt<br />

das Klavier- und Orgelspiel<br />

erlernt zu haben.<br />

1896 übernahm Conrad<br />

Musseleck auch die Leitung<br />

des Kirchenchores,<br />

der bis dahin immer von<br />

Schullehrern geleitet worden<br />

war. Das Doppelamt<br />

Organist und Chorleiter<br />

wurde somit erstmalig<br />

von Conrad Musseleck<br />

ausgeübt und ist bis heute üblich. Von 1892 bis<br />

1897 hatte er auch den <strong>Wittlich</strong>er Männergesangverein<br />

1852 geleitet. 25 1903 heiratete er<br />

Magdalena Drüsch, mit der er 16 Kinder hatte.<br />

Neben dem Dienst als Kirchenmusiker betrieb<br />

die Familie ein Schirmgeschäft in der Burgstraße<br />

28.<br />

Aus einer Bitte um Gehaltserhöhung für sich<br />

selbst und den Balgtreter, bei der er auch die


Anschaffung eines elektrischen Gebläses vorschlägt,<br />

geht hervor, dass er für die Gottesdienste<br />

an Sonn- und Feiertagen, für Andachten<br />

und Stiftsmessen jährlich etwa 700 Stunden<br />

an der Orgel sitzt. Hinzu kommt die Chorarbeit<br />

sowie kleine Reparaturen an der Orgel<br />

und regelmäßige Stimmung des Instruments.<br />

Das Cäcilienfest am 24. Oktober 1937 mit den<br />

Chören des Dekanats »wird verbunden mit der<br />

Jubelfeier des Organisten und Chordirigenten<br />

Konrad Musseleck aus Anlass seiner 50-jährigen<br />

Tätigkeit bei der Pfarrkirche zu <strong>Wittlich</strong>.« 26<br />

Am Tag davor veröffentlichte Matthias Mehs in<br />

der Rheinzeitung einen Bericht über den Jubilar.<br />

Demnach ist der Stammvater der <strong>Wittlich</strong>er<br />

Musselecks ein böhmischer Leinweber, den es<br />

im ersten Koalitionskrieg gegen Napoleon nach<br />

<strong>Wittlich</strong> verschlug. Mit diesem Ahnherrn zog<br />

ein unwiderstehlicher Drang zum Musizieren in<br />

<strong>Wittlich</strong> ein, der bis heute in allen Ästen des<br />

Stammbaumes der Familie Musseleck wirksam<br />

ist. Konrad lernte Geige, Trompete, Flöte und<br />

Klavier zu spielen. Während der Militärzeit in<br />

Diedenhofen erhielt er als Regimentsmusiker<br />

eine weitere gründliche musikalische Ausbildung.<br />

Hervorgehoben wird seine Chorarbeit<br />

mit Aufführungen von Palestrinas »Missa Papae<br />

Marcelli«, Händels »Halleluja«, Haydns<br />

»Schöpfung« und eine Weihnachtsmesse,<br />

komponiert von seinem Sohn Willy Musseleck.<br />

An der städtischen Musikpflege war er ebenfalls<br />

sehr aktiv beteiligt. Und auch die Hausmusik<br />

pflegte er wie kaum einer in der Stadt <strong>Wittlich</strong>.<br />

27<br />

»Nach kurzer Krankheit starb er, 84 Jahre alt, in<br />

der Gnadenkraft der hl. Sakramente am Vorabend<br />

von Fronleichnam, am 23 Juni 1943,<br />

kurz nach dem abendlichen Festhochamt. Die<br />

Melodien einer seiner Lieblingsmessen, die in<br />

sein Sterbezimmer klangen, verklärten seine<br />

letzte Stunde.« 28<br />

Am 5. Dezember 1938 wies das Bischöfliche<br />

Generalvikariat in einem Schreiben an den Kirchenvorstand<br />

darauf hin, dass die vom Bischof<br />

angeordneten neuen Seelsorgsaufgaben auch<br />

den Aufgabenkreis des Organisten und Chorleiters<br />

im kommenden Jahr bedeutend erweitern<br />

werden. Dies war für Konrad Musseleck<br />

der letzte Anstoß, mit nunmehr über 80 Jahren<br />

in den Ruhestand zu treten. Aufgrund einer<br />

Verordnung vom 12. März 1936 kam als Nachfolger<br />

»nur ein Organist in Frage, der gemäss<br />

Prüfungsordnung vor der bischöflichen Kommission<br />

seine Prüfung bestanden hat.« 29 Die<br />

Bischöfliche Verordnung, dass für alle Kirchenangestellten<br />

ein schriftlicher Anstellungsvertrag<br />

abzuschließen sei, galt ab dem 1. April<br />

1936. Für die Küster, Organisten und Chorleiter<br />

wurde bestimmt, dass diese nur mit dem Nachweis<br />

über die erforderliche Eignung und die<br />

notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten angestellt<br />

oder beschäftigt werden dürfen. Dazu<br />

wurde unter Vorsitz von Domkapellmeister<br />

Klassen ein Prüfungsausschuss eingerichtet. 30<br />

Peter Weber<br />

Im Mai 1939 trat Peter Weber aus Körperich<br />

seinen Dienst als Organist und Chorleiter an. Er<br />

wurde am 14. Februar 1903 geboren, erhielt<br />

seinen ersten Musikunterricht bei dem Organisten<br />

in Münstermaifeld und war nach dem Abschluss<br />

der zweiten Prüfung an der Kirchenmusikschule<br />

in Trier zunächst Organist in Körperich.<br />

Für den damaligen Dechant Thommes war ein<br />

großer Zwiespalt entstanden. Auf der einen<br />

Seite musste nach bischöflicher Anordnung ein<br />

examinierter Kirchenmusiker angestellt werden.<br />

Andererseits kam für die <strong>Wittlich</strong>er damit<br />

ein Fremder in ihre Gemeinde, wo man doch<br />

viel lieber einheimische Kräfte gesehen hätte.<br />

Der Streit war vorprogrammiert. Vor allem ältere<br />

Chormitglieder empfanden das erste Auftreten<br />

des Peter Weber als überheblich und verließen<br />

sehr bald den Kirchenchor. Man hatte<br />

sich an die besonderen musikalischen Fähigkeiten<br />

des Vorgängers Konrad Musseleck so<br />

sehr gewöhnt, dass das Orgelspiel Weber´s als<br />

nicht nennenswert, als unter aller Kritik und als<br />

Ohrenpein bezeichnet wurde. Als Peter Weber<br />

nach Weihnachten 1939 erkrankte, war Konrad<br />

Musseleck selbstverständlich bereit, auszuhelfen.<br />

Das Neujahrshochamt wollte der Chor zusammen<br />

mit den inzwischen ausgetretenen<br />

Sängerinnen und Sängern wieder »wie früher«<br />

musikalisch gestalten, wozu Dechant Thommes<br />

dann aber seine Zustimmung verweigerte.<br />

Der Streit eskalierte weiter. Zum 1. Dezember<br />

1940 kündigte Peter Weber die Stelle als Organist<br />

und Chorleiter. 31<br />

Danach arbeitete er als Organist und Chorleiter<br />

in Wadgassen 32 , bis er 1942 zur Wehrmacht<br />

eingezogen wurde. Nach dem Krieg und der<br />

Kriegsgefangenschaft in Frankreich war Peter<br />

391


Weber ein angesehener und beliebter Kirchenmusiker<br />

in Koblenz-Metternich, wo er im Jahre<br />

1975 starb. 33<br />

Johannes Jochum<br />

1935 legte Johannes Jochum aus Opladen<br />

sein Kirchenmusikexamen an der Kirchenmusikschule<br />

St.-Gregorius-Haus in Aachen ab. 34<br />

Weitere Einzelheiten zu Jochum, der mit dem<br />

berühmten Dirigenten Eugen Jochum verwandt<br />

war, gehen aus einem Schreiben von Dechant<br />

Thommes an das Generalvikariat hervor: »...<br />

Als Herr Organist Weber anfangs Dezember<br />

aus dem Dienst der Pfarrgemeinde ausschied,<br />

wurde uns Herr Johann Jochum, bisher in<br />

Leichlingen bei Köln, von Herrn Pfarrer Körbes<br />

35 sehr empfohlen. Herr Pfarrer Körbes<br />

schien mir als Mitglied der Bischöflichen Prüfungskommission<br />

massgebend zu sein, zumal<br />

er Herrn J. auf meine Bitte eingehend geprüft<br />

hatte. Der Abschluß eines Vertrags erschien<br />

uns nicht ratsam, da Herr J. nur auf Probe bei<br />

uns beschäftigt war u. ausserdem täglich auf<br />

seine Einberufung wartete. Diese erfolgte einige<br />

Wochen später, als zu erwarten war. Da Herr<br />

Jochum mit seinen Leistungen Anklang fand,<br />

entschloss sich der Kirchenvorstand, ihn anzustellen,<br />

um seine spätere Rückkehr zu sichern.<br />

... Er hat seine Studien in Aachen gemacht u.<br />

dort die Prüfung abgelegt. Ausserdem hat er<br />

ein gutes Zeugnis vom Musikseminar in Köln.« 36<br />

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der<br />

<strong>Wittlich</strong>er Organisten finden sich hier zum ersten<br />

Mal konkrete fachliche Äußerungen zum<br />

Orgelspiel selbst. Aus Leichlingen schreibt Jochum<br />

kurz vor seiner Anstellung an Dechant<br />

Thommes am 31. Oktober 1940: »Sehr geehrter<br />

Herr Dechant! Nach langer Überlegung habe<br />

ich mich entschlossen, die Stelle als Organist<br />

und Chorleiter an Ihrer Kirche anzunehmen.<br />

Nach der Meinung meines Vaters, der die Gegend<br />

kennt, ist die Pfarrgemeinde nicht<br />

schlecht gestellt. So hoffe ich, daß der Zustand<br />

des Spieltisches bald geändert wird. Es ist ja<br />

selbstverständlich, daß man auf einer Schleiflade<br />

keine Läufe oder Werke, die ein schnelles<br />

Tempo verlangen, spielen kann. Hinzu kommt,<br />

daß das Pedal außergewöhnlich klein ist. Deshalb<br />

ist es nicht möglich, auf dieser Orgel mittlere<br />

und große Werke zu spielen. Die größte<br />

Schwierigkeit wird mir dadurch entstehen, daß<br />

das Pedal um mehrere Töne verschoben ist. Ich<br />

392<br />

Johannes Jochum<br />

muß eine neue Fußtechnik einüben, da ich seit<br />

10 Jahren das normale Pedal gewöhnt bin. Um<br />

mich etwas einspielen zu können, will ich voraussichtlich<br />

am 20. oder 21. November in <strong>Wittlich</strong><br />

eintreffen.« 37<br />

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger erfuhr er<br />

Akzeptanz in der Gemeinde. Vor seiner Kriegseinberufung<br />

verlobte er sich mit Magda Becker<br />

in <strong>Wittlich</strong>. Eine Kriegsverletzung im Jahre 1943<br />

muss ihn sehr schwer getroffen haben. Wahrscheinlich<br />

hätte er den Musikerberuf nach dem<br />

Krieg nicht mehr ausüben können. Seit Januar<br />

1945 gilt Johannes Jochum als vermisst. 38<br />

Zunächst übernahm der frühere Organist Konrad<br />

Musseleck bis auf weiteres dessen Vertretung.<br />

Wie schon in vielen Jahren zuvor waren<br />

ihm dabei seine Kinder Sibilla Musseleck und<br />

besonders Willy Musseleck behilflich. Dieser<br />

Willy Musseleck war eigentlich der erste <strong>Wittlich</strong>er<br />

Organist, der die Fähigkeit entwickelt hatte,<br />

auch große Werke der Orgelliteratur zu erarbeiten.<br />

Dies lässt sich weder für seinen Vater<br />

noch für dessen Vorgänger nachweisen. Es ist<br />

naheliegend, dass er sehr gerne die Nachfolge<br />

seines Vaters angetreten hätte. Im Jahr 1961<br />

starb er als Musiklehrer, der viele Generationen<br />

von Klavierschülern herangebildet hatte.


Weitere Aushilfsorganisten in der Zeit bis 1950<br />

waren: Maria Theresia Bohlen, Hildegard<br />

Kranz, Studienrat Hans Langer, (ein Nachfahre<br />

des Breslauer Domorganisten Moritz Brosig),<br />

Helene Mehs und Bürgermeister Matthias Joseph<br />

Mehs, Julchen Neuerburg und Hermann<br />

Werthenbach.<br />

Chorleiter des Kirchenchores war von 1943 bis<br />

zu seinem Tod am 17. Januar 1950 Chormeister<br />

Jakob Kranz, ein ehemaliger Schüler von<br />

Conrad Musseleck.<br />

Bernhard Barth<br />

»Ich wurde am 15. Januar 1914 als Sohn des<br />

Lehrers und Organisten Karl Barth in Traben-<br />

Trarbach/Mosel geboren. Von Ostern 1920-<br />

1924 besucht ich die Volksschule, von 1924-<br />

1933 mit abschließendem Abitur das dortige<br />

Realgymnasium. Ich hatte die Absicht Philologie<br />

(Sprach- und Literaturwissenschaft) mit<br />

Musik als Nebenfach zu studieren, musste aber<br />

nach drei Semestern an der Universität Bonn<br />

das Studium wegen meiner anti-nazistischen<br />

Einstellung aufgeben, und ging für 2 Jahre ins<br />

Ausland. Von Ostern 1936 - Oktober 1936 besuchte<br />

ich die Kirchenmusikschule in Trier und<br />

war gleichzeitig als Organist und Chorleiter in<br />

Gillenfeld tätig. Im Herbst 1936 kam meine Ein-<br />

Bernhard Barth<br />

berufung zur Dienstzeit bei der Wehrmacht, die<br />

bis Oktober 1938 dauerte. Im Winter 1938/39<br />

bereitete ich mich auf die Organisten und Chorleiterprüfung<br />

vor, die ich im März 1939 vor dem<br />

bischöflichen Prüfungsausschuss mit Erfolg<br />

ablegte. Während dieser Zeit wirkte ich wiederum<br />

auf meiner alten Stelle in Gillenfeld. Der 2.<br />

Weltkrieg sah mich in dauerndem Einsatz an<br />

der Ostfront, wo ich am 12. Mai 1945 in Kurland<br />

als Offizier in russische Gefangenschaft geriet<br />

aus welcher ich im Oktober 1948 als Spätheimkehrer<br />

zurückkam. Ich brauchte ein gutes Jahr,<br />

um körperlich wieder in Ordnung zu kommen<br />

und um mich wieder in meinen Beruf einzuarbeiten.<br />

Im Februar 1950 bewarb ich mich um<br />

die Organisten- und Chorleiterstelle in <strong>Wittlich</strong>,<br />

die ich nach vorangegangener Prüfung erhielt.<br />

Seit dem 1. März 1950 bin ich an der St. Markuskirche<br />

tätig. Am 2. Januar 1951 heiratete ich<br />

und am 18. März 1952 wurde uns unser erstes<br />

Kind geboren. Nebenberuflich leite ich verschiedene<br />

weltliche Chöre und erteile privaten<br />

Musik- und Sprachunterricht.« 39<br />

Mit diesem handschriftlichen Lebenslauf, datiert<br />

vom 22. Juli 1945 und nach 1952 offensichtlich<br />

ergänzt, ist der Werdegang von Bernhard<br />

Barth genau beschrieben. Neben dem Orgelspiel<br />

im Gottesdienst lag sein Hauptaugenmerk<br />

auf der Chorarbeit.<br />

In der Festschrift<br />

zum 150. Jubiläum<br />

des Kirchenchores St.<br />

Markus wird dies beschrieben:<br />

»... Der endgültigen<br />

Einstellung dieses<br />

schwungvollen und<br />

talentierten Musikers<br />

ging erstmalig eine<br />

strenge »Ausleseprüfung«<br />

voraus. Die<br />

»Prüfungsprobe« mit<br />

den Chormitgliedern<br />

fand unter den kritischen<br />

Augen der hohen<br />

Geistlichkeit und<br />

Vertretern des Kirchenvorstandes<br />

statt,<br />

und schließlich mussten<br />

auch die Chormitglieder<br />

selbst noch<br />

ihr Votum abgeben.<br />

393


Mit großem Eifer ging Barth nach seiner Wahl<br />

und anschließenden Ernennung an die Arbeit<br />

und setzte neue Akzente im Wirken des Kirchenchores<br />

St. Markus. Neben der sorgfältigen<br />

Pflege des Choralgesanges – er setzte Sonderproben<br />

für die von ihm eingerichtete Schola an<br />

– und der klassischen Kirchenmusik aus vergangenen<br />

Jahrhunderten widmete er ein besonderes<br />

Augenmerk auf die Einführung des<br />

neuen Liedgutes aus dem Gesangbuch für die<br />

Diözese Trier. Viele dieser Lieder setzte er in<br />

Kantatenform und brachte sie so schneller in<br />

das Bewußtsein und die Zuneigung der Gläubigen.<br />

Mit einer Vielzahl von Darbietungen in anderen<br />

Pfarreien des Bistums von der Eifel bis zum<br />

Rhein, bei öffentlichen Konzerten und kulturellen<br />

Veranstaltungen, führte er den Chor über<br />

seinen bisherigen Wirkungskreis hinaus und<br />

verschaffte ihm so Achtung und hohe Anerkennung.<br />

Sein Wirken beschränkte sich nicht nur<br />

auf das Einstudieren von Werken großer Meister,<br />

sondern seine eigenen Kompositionen<br />

und Bearbeitungen bilden auch heute noch einen<br />

beachtlichen Anteil am Liedrepertoire des<br />

Kirchenchores St. Markus. Das klangvolle,<br />

wuchtige und majestätisch erhabene »Herr du<br />

bist groß« nimmt in dieser Reihe einen der bedeutendsten<br />

Plätze ein. Auch im Volkslied fand<br />

Barth ein reiches Betätigungsfeld für seine Liebe<br />

zum Komponieren. Hier ist wohl zuallererst<br />

das »<strong>Wittlich</strong>er Lied«, von jedem echten <strong>Wittlich</strong>er<br />

mit Begeisterung gesungen und ein fester<br />

Bestandteil des <strong>Wittlich</strong>er Kulturgutes, zu nennen.<br />

Besondere Verdienste erwarb sich Barth<br />

durch sein Bemühen zur gemeinsamen Musikpflege.<br />

Unvergessen bleiben die vielen Konzerte<br />

und Aufführungen mit dem <strong>Wittlich</strong>er philharmonischen<br />

Orchester, dem Chor der philharmonischen<br />

Gesellschaft <strong>Wittlich</strong>, dem<br />

Männergesangverein und Männerquartett 06<br />

<strong>Wittlich</strong> oder dem mit dem Chor der evangelischen<br />

Kirchengemeinde als ökomenischer<br />

Chor...« 40<br />

Vom 12. April 1950 an leitete er den Männergesangverein<br />

1852 <strong>Wittlich</strong> und war seit 1953<br />

Kreischorleiter des Sängerkreises <strong>Wittlich</strong>. Beide<br />

Ämter mußte er 1963 aus gesundheitlichen<br />

Gründen abgeben. Ab 1966 übernahm er zusätzlich<br />

die Küsteraufgaben an der Pfarrkirche,<br />

bis er am 30. Juni 1978 pensioniert wurde.<br />

Im März 1975 feierte Bernhard Barth sein 25-<br />

394<br />

jähriges Dienstjubiläum. Im Trierischen Volksfreund<br />

wird beschrieben, »wie er mit jugendlichem<br />

Elan die Arbeit seines Vorgängers Jakob<br />

Kranz fortsetzte.« 41<br />

Am 3. Oktober 1989 starb er nach langer<br />

Krankheit. Auf dem Totenzettel wurde sein St.<br />

Markuslied abgedruckt, in dem seine Musik<br />

weiterlebt.<br />

Seit dem 1. Dezember 1987 ist der Verfasser<br />

Reinhold Schneck als Kirchenmusiker an St.<br />

Markus tätig.<br />

Quellen:<br />

PASM = Pfarrarchiv St. Markus <strong>Wittlich</strong><br />

BATR = Bistumsarchiv Trier<br />

1 Testament der M. T. Fier PASM Abt. B10,1<br />

2 Frdl. Mitt. Ev. Pfarrarchiv Glückstadt<br />

3 Otto Schumann: Orgelbau im Herzogtum Schleswig vor 1800,<br />

München 1973, S.171<br />

4 Frdl. Mittl. Rainer Budzinski, Hannover / Arlon, Archives de l´Etat,<br />

Nr.236<br />

5 PASM Sendprotokolle Abt. C14<br />

6 Frdl Mittl. Pfr. Peter Golon, Stade<br />

7 PASM Abt. B15,1<br />

8 Carl Nels, Beiträge zur Chronik der Stadt <strong>Wittlich</strong> Ergänzung 1929,<br />

S. 20. Bei der folgenden Jahreszahl »1796« muss es sich um einen<br />

Fehler handeln, da Franz Merten 1794 verstarb.<br />

9 BATR Abt. 71,173 Nr.34 / siehe auch M. Thömmes, Orgeln in<br />

Rheinl.-Pfalz, Trier 1981<br />

10 Stadtrats- und Gerichtsprotokolle, Stadtarchiv <strong>Wittlich</strong><br />

11 PASM Abt. C10<br />

12 PASM Abt. B1,1 Dokumente<br />

13 Frdl. Mittl. Dr. Ernst Knopp, Köln<br />

14 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Abt. Merseburg,<br />

Rep.151,I C Nr.12170, 1823 1824<br />

15 Allgemeine Deutsche Biographie, Band 16<br />

16 PASM C14<br />

17 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt November 1848, Kreisarchiv/Bibliothek<br />

Mehs<br />

18 PASM Abt. B 7,1<br />

19 PASM Abt. B 7,1<br />

20 Kreisarchiv / <strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt 1870, Nr. 31<br />

21 PASM C 14 Kirchenvorstand / Protokollbuch ab 1875<br />

22 PASM Abt. B 15,38. Frdl. Mittl. Karl Musseleck, <strong>Wittlich</strong>.<br />

23 PASM C 14 Protokollbuch<br />

24 PASM Abt. B 8,2<br />

25 Festschrift des MGV 1852, <strong>Wittlich</strong> 1927<br />

26 PASM Abt. B 7<br />

27 Beiträge zu Geschichte und Kultur der Stadt <strong>Wittlich</strong>, Matthias Joseph<br />

Mehs, <strong>Wittlich</strong>er Lesebuch, <strong>Wittlich</strong> 1993<br />

28 Totenzettel von Konrad Musseleck<br />

29 PASM Abt. B 7<br />

30 Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 1936, Nr. 54-69<br />

31 PASM Abt. B 7<br />

32 Beschlussbuch der Kirchengemeinde Maria-Heimsuchung in<br />

Wadgassen: »7. Nov.1940 - Herr Peter Weber aus <strong>Wittlich</strong> wird als<br />

Küster, Organist und Chorleiter angestellt, aber kurz danach wurde<br />

er zum Wehrdienst eingezogen.«<br />

33 Frdl. Mitteilung Maria von Wirth, Konz<br />

34 Festschrift zu 100-jährigen Bestehen der Kirchenmusikschule St.-<br />

Gregorius-Haus, Aachen 1981<br />

35 Josef Körbes, Pfarrer in Körperich/Saar, Diözesanpräses des Diözesan-Cäcilienvereins<br />

seit 1935 (Kirchl. Amtsanz. 1936, Nr. 174,2)<br />

Mitglied des Prüfungsausschusses<br />

36 PASM Abt. B 7<br />

37 PASM Abt. B 7<br />

38 Frdl. Mitteilung Magda Becker, Trier (*1920, †1997 als Pfarrhaushälterin<br />

in Trier)<br />

39 PASM Abt. B<br />

40 150 Jahre Kath. Kirchenchor St. Markus 1834 <strong>Wittlich</strong>, Jubiläumsschrift<br />

1984, S.13<br />

41 Trierischer Volksfreund 03.03.1975


Der Name Gessinger ist in Zeltingen-Rachtig<br />

häufig anzutreffen und lässt sich in den Familienbüchern<br />

bis ins frühe 17. Jahrhundert<br />

zurückverfolgen. Es heißt, und es ist auch aus<br />

dem Familienbuch zu ersehen, dass die Gessingers<br />

zunächst in Rachtig ansässig waren.<br />

Nicht nur in der näheren Heimat, sondern auch<br />

im Süddeutschen ist und war der Name bekannt,<br />

wie man in einer Schrift des Geschichtsvereins<br />

der Diözese Rottenburg und der Zeitschrift<br />

für die Geschichte des Oberrheins nachlesen<br />

kann.<br />

Hier wird – mittlerweile schon recht umfangreich<br />

– über einen Christoph Gessinger berichtet,<br />

der als Mönch, Architekt, Baumeister,<br />

Stukkateur, Kammerrat, Kartograph, Altarbauer,<br />

Feldmesser, Verwaltungsmann, Weinhändler<br />

und Immobilienmakler ein Mann von Rang<br />

und Namen war. Eine Persönlichkeit, die wegen<br />

ihrer großen Fähigkeiten, ihres besonderen<br />

Fleißes und ihrer Begabung einen kometenhaften<br />

Aufstieg beim Bischof von Konstanz genoss,<br />

auch wenn sie nicht »von Adel« war. Also<br />

wurde Gessinger eine besondere Protektion<br />

zuteil. Aber woher?<br />

Auch heute gilt Christoph Gessinger für die Geschichtsforscher<br />

als »noch immer merkwürdig,<br />

rätselhaft und schillernd«. Es liegt noch vieles<br />

im Dunkeln über sein Leben und seine ungewöhnliche<br />

Karriere am bischöflichen Hof von<br />

Meersburg.<br />

Herkunft und Tod<br />

War Christoph Gessinger<br />

ein Moselaner?<br />

Versuch, Näheres über eine rätselhafte und schillernde<br />

Persönlichkeit in Erfahrung zu bringen<br />

Die Herkunft oder der Geburtsort von Christoph<br />

Gessinger sind – noch – nicht bekannt.<br />

Der Mönch selbst nannte in seinem Professzettel<br />

als Herkunftsort die Pfarrei St. Peter im Erzstift<br />

Köln, eine Angabe, die jedoch mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit falsch ist. Denn sie wurde in<br />

Hubert Kappes<br />

Köln (auch in anderen Kölner Pfarreien) überprüft<br />

und hat zu keinem Ergebnis geführt. Daher<br />

ist diese Aussage mit einem großen Fragezeichen<br />

zu beantworten. Der Stadtpfarrer von<br />

Meersburg, Joh. Nik. Bahr, wusste 1733 zu berichten,<br />

dass Christoph Gessinger der nichteheliche<br />

Sohn eines geistlichen Kurfürsten sei<br />

und aus dem Moseltal zwischen Koblenz und<br />

Trier stamme. Es heißt auch an anderer Stelle,<br />

dass Christoph Gessinger aus dem »Kurkölnischen«<br />

komme. Könnte damit die politische<br />

Kurkölner Enklave Zeltingen-Rachtig an der<br />

Mosel gemeint sein?<br />

Bekannt ist dagegen der Sterbeort. Christian<br />

Gessinger fand im Juni 1733 Zuflucht bei dem<br />

Herrn von Wattwyl in Oberdießbach bei Bern.<br />

Hier starb er am 28. Oktober 1734 im Alter von<br />

ca. 70 Jahren. So kann das ungefähre Geburtsjahr<br />

in die Zeit von 1664 bis 1670 datiert werden.<br />

Zum Werdegang des Christoph Gessinger ist in<br />

den Geschichtsbüchern Folgendes festgehalten:<br />

1691 legte Christoph Gessinger im kleinen Benediktinerstift<br />

Isny die Profess als Konversbruder<br />

(Laienbruder) ab. Eine Urkunde hierüber ist<br />

erhalten.<br />

1705 kam er an den Meersburger Hof mit amtlicher<br />

Funktion eines Kammerrats und Baumeisters.<br />

Von Fürstbischof Johannes Franz<br />

Schenk von Stauffenberg (1704 - 1740) in der<br />

Wirtschaftsverwaltung eingesetzt, soll der Benediktiner<br />

bald eine einflussreiche Rolle errungen<br />

haben. Er galt als Vertrauter des Bischofs.<br />

Dass Gessinger als Mönch und Konversbruder<br />

sogar einen Diener namens Joseph hatte, sei<br />

nur am Rande vermerkt.<br />

Auch außerhalb des Hofes war er ein gesuchter<br />

Kameralfachmann und bewegte sich geschickt<br />

395


auf diplomatischem Parkett. Diplomatie soll<br />

seine besondere Begabung gewesen sein. Er<br />

korrespondierte mit einer illustren Gesellschaft<br />

und vermittelte zwischen verschiedenen Fürstenhäusern.<br />

Fürstbischof Stauffenberg übertrug<br />

Gessinger gelegentlich wichtige diplomatische<br />

Missionen.<br />

1712 nahm der Bischof seinen Baumeister mit<br />

nach Wien. Dort hatte Gessinger die Möglichkeit,<br />

den österreichischen Hochbarock seiner<br />

Zeit zu studieren.<br />

1715: Am 12. April wurde Gessinger für die<br />

Hochstifte Konstanz und Augsburg zum Inspektor<br />

des Oberbauamtes ernannt. Bereits zu<br />

diesem Zeitpunkt speiste er neben Bischof,<br />

Hofmarschall, Beichtvater und vier adeligen<br />

Herren an der fürstlichen Tafel.<br />

Welche Stellung Gessinger hatte, ist u.a. auch<br />

der folgenden Schilderung zu verdanken: 1722<br />

wählte das Konstanzer Domkapitel den Bischof<br />

zu Speyer, Damian Hugo, Kardinal von Schönborn,<br />

zum Koadjutor. Fürstbischof Stauffenberg<br />

selbst teilte das Wahlergebnis am gleichen<br />

Tag seinem Amtsbruder in Bruchsal mit.<br />

Gleichzeitig benachrichtigte er den Reichsvizekanzler<br />

Karl Friedrich von Schönborn, den Kaiser,<br />

den Herzog von Württemberg und durch<br />

Stafette auch Bruder Christoph Gessinger zu<br />

Bruchsal, seinen Baumeister. Das lässt aufhorchen<br />

und gibt Grund zur Vermutung, welch<br />

wichtige Rolle dieser auch in der Angelegenheit<br />

spielte.<br />

1723 heißt es in Bezug auf die diplomatische<br />

Begabung: Die Verhandlungen von 1723/24<br />

zeigen erneut die herausragende Stellung Gessingers<br />

am bischöflichen Hofe unter Johann<br />

Franz von Stauffenberg. Nicht der Hofkanzler<br />

J. A. Frausberg führte diese wichtigen Gespräche,<br />

sondern der Kammerrat Bruder Christoph<br />

Gessinger. Seine Anschrift bzw. Ansprache<br />

lautete: Hochfürstlich Märspurgischer<br />

Hofkammerrath Herrn Frater Christoph zu<br />

Mörspurg. Angeredet wurde er mit Euer Hochwürden.<br />

Der Titel »Herr« war bei einem Klosterbruder<br />

sehr ungewöhnlich. Die Anrede »Hochwürden«<br />

drückte die Achtung vor einem geistlichen<br />

Menschen aus, der gesellschaftlich einen hohen<br />

Rang innehatte.<br />

1725 begann unter seiner Leitung der Neubau<br />

des Priesterseminars in Meersburg. Das Priesterseminar<br />

sollte ursprünglich in Konstanz am<br />

396<br />

oberen Münsterplatz errichtet werden. Es gab<br />

Schwierigkeiten mit der Stadtverwaltung. Gessinger<br />

hatte großen Einfluss auf die Erbauung<br />

des Hauses in Meersburg und auf die Auswahl<br />

des Bauplatzes ausgeübt. Am 24. Oktober<br />

1726 wurde das Richtfest gefeiert.<br />

1726: In einer Bestallungsliste für Hof und Regierung<br />

in Meersburg stand Christoph Gessinger<br />

an fünfter Stelle und zwar nach dem Hofmarschall,<br />

dem Obriststallmeister, den beiden<br />

Oberjägermeistern, noch vor dem Kanzler,<br />

dem Beichtvater, den Hofkavalieren, dem Rittmeister<br />

und dem Arzt.<br />

1727 allerdings war er bereits in die 2. von 4<br />

Klassen (bei Tisch) degradiert worden. Diese<br />

protokollarischen Notizen zeigen, dass der Benediktinerbruder<br />

zunächst eine sehr einflussreiche<br />

Stellung innehatte, die er – wahrscheinlich<br />

durch Intrigen – verlor.<br />

Als Kartograph, Feldmesser und Architekt wurde<br />

Gessinger ebenfalls bekannt. Wichtigster<br />

Auftrag war zunächst das neue Schloss in Tettnang.<br />

Ferner baute er das stauffenbergische<br />

Schloss in Wilfingen. Das barocke Meersburg,<br />

wie es sich heute darstellt, beruht hauptsächlich<br />

auf Gessingers Plänen.<br />

1725 wurde unter Gessingers Aufsicht mit dem<br />

Bau des Priesterseminars begonnen. Sein<br />

künstlerisches Können erstreckte sich nicht<br />

nur auf die Architektur. Zeitweise arbeitete er<br />

auch als Stukkateur und Altarbauer. Von Altarbauten<br />

sind bekannt: Ein Altar in der Würzburger<br />

Deutschordenskommende, drei Altäre und<br />

die Kanzel in der Ulmer Kommende, ein Altar<br />

im Konstanzer Münster. Der Ritterorden war also<br />

ein wichtiger Auftraggeber des Benediktiners.<br />

Dazu eine interessante Perspektive: Der<br />

Deutschherrenorden unterhielt auch einen Hof<br />

in Rachtig.<br />

1730 kam der Sturz. Im Wesentlichen war er<br />

ein Werk der Verwandtschaft Stauffenbergs am<br />

Meersburger Hof. Gessinger scheiterte an einer<br />

Koalition von Hofadel und Domkapitel, die<br />

ihn unter Druck setzen. Wahrscheinlich war der<br />

Konversbruder unbekannter Herkunft dem<br />

Hofadel zu einflussreich geworden. Eine Visitation<br />

der Hochstiftsverwaltung, verbunden mit<br />

der »Abhör« der Abrechnungen durch eine Deputation<br />

des Domkapitels am 12. Mai 1730<br />

führte 12 Tage später zur erneuten Unterbrechung<br />

der Arbeiten am Seminar in Meersburg.<br />

Einen Tag später, am 25. Mai 1730, flüchtete


Gessinger in die Schweiz und hinterließ ein<br />

Barvermögen von ungefähr 30 000 fl (Einen<br />

großen Teil des Geldes hatte er sich durch den<br />

Handel mit Wein verdient. Auch auf dem<br />

Meersburger Immobilienhandel scheint Gessinger<br />

tätig gewesen zu sein), nachdem er über<br />

25 Jahre in den Diensten von Fürstbischof<br />

Franz Schenk von Stauffenberg gestanden hatte.<br />

In der Schweiz konvertierte Gessinger am 4.<br />

September 1731 zum Kalvinismus. Die Konversion<br />

zum Protestantismus wurde damit begründet,<br />

dass er sich nach der überstürzten<br />

Flucht neue Freunde suchen musste. Anders<br />

sieht es der Pfarrer von Meersburg in einem<br />

Bericht an die Nuntiatur in Luzern: Gessinger<br />

habe bereits lange Zeit vor seiner Flucht Glaubenssätze<br />

geleugnet, wie z. B. die Existenz des<br />

Fegefeuers oder die Verehrung der Heiligen.<br />

Man habe Angst gehabt, gegen ihn vorzugehen,<br />

weil dann die Gefahr bestand, beim Bischof<br />

in Ungnade zu fallen. Ein Pfarrer, der sich<br />

einmal gegen ihn gewandt hatte, wurde von der<br />

Seelsorge suspendiert und für zwei Jahre aus<br />

der Stadt gewiesen. Zudem konnte Gessinger<br />

ungehindert höhere Beamte des Hofes um sich<br />

sammeln, die überzeugte Anhänger Luthers<br />

waren.<br />

1732 versuchte man, Gessinger in Mellingen/<br />

Schweiz gewaltsam festzunehmen. Nur durch<br />

rasches Handeln eines Freundes und das energische<br />

Eingreifen der Landesobrigkeit gelang<br />

es in letzter Minute, den Plan zu vereiteln.<br />

1734 verstarb Gessinger am 28. Oktober in der<br />

Schweiz.<br />

In dem Buch »Die Kunstdenkmäler des Kreises<br />

Tettnang« (1937) wird vermerkt, dass im Rathaus<br />

der Stadt ein Ölgemälde hängt, welches<br />

ein Porträt Gessingers zeige.<br />

Vor einigen Jahren wurde Pater Franz Günther<br />

Gessinger (aus Rachtig stammend) angeschrieben<br />

mit der Bitte, in den Familienbüchern<br />

von Zeltingen-Rachtig nach einem Christoph<br />

Gessinger forschen zu lassen, der in der Zeit<br />

zwischen 1664 und 1670 geboren sein sollte.<br />

Diese Bitte leitete Pater Gessinger an mich weiter.<br />

Meine Überprüfung hatte das Ergebnis, dass<br />

tatsächlich am 13. Februar 1669 ein Christoph<br />

Gessinger in Zeltingen geboren bzw. getauft<br />

wurde. Als Eltern sind Samson und Susanna<br />

Gessinger genannt. Beide Elternteile starben<br />

1704. Die Namen der Paten lauteten Christoph<br />

Jung und Anna Wilhelm.<br />

Offene Fragen<br />

Ist dieser der Gesuchte oder haben wir es hier<br />

mit purem Zufall zu tun? Es ist bis heute nicht<br />

endgültig nachweisbar, dass Christoph Gessinger<br />

wirklich von der Mosel oder von Zeltingen-Rachtig<br />

stammt. Die Spuren Kurköln,<br />

Deutschherren, Herkunft von der Mosel, weisen<br />

zwar in die Richtung, aber der entscheidende<br />

Beweis fehlt. Vielleicht kann der folgende<br />

Hinweis auf die »richtige« Spur führen:<br />

Vermutlich auf Grund der Schenkungen und<br />

Vermächtnisse des hl. Kunibert unterhielt das<br />

Kölner Domstift St. Peter einen Hof in Rachtig<br />

in der Nähe des Deutschherrenhofes. Er wurde<br />

auch als Hof des Erzbischofs oder auch als<br />

Marienhof bezeichnet, »wo Erzbischof Philipp<br />

von Heinsberg 1186 Aufenthalt nahm«.<br />

Gewiss existieren irgendwo weitere Dokumente,<br />

die zusätzliche Aufschlüsse geben könnten.<br />

Zwischen Geburt und Tod, insbesondere nach<br />

Ablegung der Profess muss es noch viele Hinweise,<br />

Urkunden und Aufzeichnungen über<br />

Christoph Gessinger geben.<br />

Geschichtsforscher sind dabei, wie die unten<br />

genannten Quellen zeigen, die Spuren dieses<br />

»merkwürdigen« und bedeutsamen Mannes zu<br />

erforschen.<br />

Quellen:<br />

Sonderdruck aus: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte,<br />

Band 4 – 1985.<br />

Rudolf Reinhardt: Die evangelischen Bibelstunden des Benediktinerbruders<br />

Christoph Gessinger am bischöflichen Hof in Meersburg.<br />

Rudolf Reinhardt: Neues zu Christoph Gessinger und seiner ungewöhnlichen<br />

Karriere am Meersburger Hof.<br />

Rudolf Reinhardt: Christoph Gessinger, Mönch, Baumeister, Stukkateur,<br />

Kammerrat, Apostat. Neue Quellen zu einer ungewöhnlichen<br />

Karriere am bischöflichen Hof von Meersburg im 18. Jahrhundert.<br />

Hans Vogts: Kunstdenkmäler des Kreises <strong>Bernkastel</strong>.<br />

397


Am 15. Oktober 1998 starb Eduard Wiemer in<br />

<strong>Bernkastel</strong>-Kues. Er ist der Pionier der<br />

Pfropfrebenveredlung im Weinbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer.<br />

Von 1948 bis zu seiner Pensionierung<br />

als Weinbau-Oberamtsrat im Jahr<br />

1977 war er Leiter der Kreisrebenveredlungsanstalt<br />

in <strong>Bernkastel</strong>-Kues.<br />

Der 1911 in Linz am Rhein geborene Fachmann<br />

ging nach dem Studium des Weinbaues und<br />

der Kellerwirtschaft nach Baden. Er war<br />

zunächst als Vorsitzender der badischen<br />

Pfropfrebengenossenschaft in Müllheim und<br />

danach zehn Jahre lang am Staatlichen Weinbauinstitut<br />

in Freiburg im Breisgau tätig.<br />

Als er sein Amt in <strong>Bernkastel</strong>-Kues antrat,<br />

steckte der Pfropfrebenanbau im Weinbaugebiet<br />

Mosel-Saar-Ruwer noch in den Kinderschuhen.<br />

Eduard Wiemer wies den Weg in den<br />

drängenden Fragen der richtigen Unterlagsreben<br />

und der Klonenselektion. In den Flurbereinigungsverfahren<br />

wurde er zum unentbehrlichen<br />

Pflanzgutberater der Winzer. Er widmete<br />

sich der Ausbildung der Rebenveredler und<br />

wurde so in den fast 30 Jahren seiner Tätigkeit<br />

an der Mosel zum »Vater« des Pfropfrebenanbaus<br />

im Weinbaugebiet.<br />

398<br />

Zum Gedenken an Eduard Wiemer<br />

Ein Vogel singt im herbstesgoldnen Baum.<br />

Er singt sein letztes Lied.<br />

Und leise löst sich Blatt um Blatt.<br />

das rauschend mit dem Wind verweht.<br />

Fahl wird des Himmels blauer Rand,<br />

der bunte Wald, das stille Land.<br />

Der späte Sommer geht.<br />

Die letzten Rosen blühn im Dorngerank<br />

so schön und farbenfroh.<br />

Noch kost ein mildes Sonnenlicht<br />

des Sommer letzten Blumenstrauß<br />

Reichblühend manches Gartenbeet.<br />

Der Reif, der durch die Nächte geht,<br />

löscht all das Blühen aus.<br />

Eduard Wiemer<br />

wurde durch seine<br />

Leistung in<br />

den Fachkreisen<br />

des gesamten<br />

deutschen Weinbaues<br />

bekannt.<br />

Auch in Österreich<br />

und Italien<br />

war er in Fachkreisengeachtet.<br />

Im Jahrbuch<br />

1977 schrieb er<br />

über die »Rebenveredlung<br />

im<br />

Dienste des Winzers«.<br />

Er verband hohes<br />

Fachwissen mit einem tiefgründigen Humor<br />

und lebt im Andenken vieler als unverwechselbares<br />

Original weiter. Der deutsche Weinbau<br />

hat ihm viel zu verdanken.<br />

Abschied<br />

Helmut Gestrich<br />

In tiefem Frieden ruhen Wald und Flur.<br />

Die Zeit wird still und kalt.<br />

Schon früh vergeht der Sonne Licht<br />

und Nebel hüllt den Abend ein.<br />

Wo Wolken ziehen grau und schwer,<br />

der Sturmwind jagt sie vor sich her.<br />

Bald wird es Winter sein.<br />

Eleonore Mertes


Vervollständigen Sie Ihre Reihe<br />

der Kreisjahrbücher!<br />

Folgende Restexemplare des <strong>Kreisjahrbuch</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />

<strong>Wittlich</strong> sind erhältlich (solange Vorrat reicht) bei der<br />

Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

Redaktion <strong>Kreisjahrbuch</strong><br />

Schloßstraße 10 · 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

Tel. 0 65 71-9 66 33 · Fax 0 65 71-9 66 35<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di. - Fr. 8.30-13.00 Uhr<br />

Di. u. Do. 14.00-16.30 Uhr<br />

<strong>Kreisjahrbuch</strong> 1986 15,00 DM<br />

<strong>Kreisjahrbuch</strong> 1987 15,00 DM<br />

<strong>Kreisjahrbuch</strong> 1989 15,00 DM<br />

<strong>Kreisjahrbuch</strong> 1991 9,90 DM<br />

<strong>Kreisjahrbuch</strong> 1992 9,90 DM<br />

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Bibliographie der<br />

Kreisjahrbücher<br />

1977 - 1999<br />

Buch/Diskette 5,00 DM<br />

399


DIE AUTOREN UNSERES KREISJAHRBUCHES <strong>2000</strong><br />

ALBERT, Corinna, Verbandsgemeindeverwaltung Thalfang am Erbeskopf<br />

BADURA-ZENZ, Elisabeth, Kreuzflur 53, 54296 Trier<br />

BAYER, Gerd, Wyttenbachstraße 16, 54538 Bausendorf<br />

BINZEN, Arnold, Auf dem Altengarten 1, 54518 Sehlem<br />

BLUM, Winfrid, Springiersbacher Hof, 54538 Springiersbach<br />

Dr. BÖSE, H.-Günther, Im Schraubel 24, 56841 Traben-Trarbach<br />

BRAND, Gregor, Am Stadtpark 29, 24589 Nortorf<br />

CLEMENS, Alois †<br />

DIDONG, Sabine, Mosenbergstraße 22, 54533 Bettenfeld<br />

FRANZ, Liesel, Hauptstraße 4, 56850 Maiermund<br />

FREIS, Walter, Albert-Schweitzer-Straße 2, 54424 Thalfang<br />

FREITAG, Elisabeth, Unterer Sehlemet 8, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

Dr. GESTRICH, Helmut, Birkenweg 9, 54470 <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

GILLES, Wolfgang, Graacher Straße 16, 54470 <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

GRUNDHÖFER, Heinz H., Kiefernweg 1, 54472 Monzelfeld<br />

HAART, Reinhold, Ausoniusufer 18, 54498 Piesport<br />

HAUMANN, Gereon, Familien-Hotel Hochwald, St.-Georg-Straße 1, 54497 Morbach-Hoxel<br />

HAUTH, Uwe, Kirchstraße 22, 56841 Traben-Trarbach<br />

HEINEMANN, Benedikt, Brunnenstraße 3 a, 54662 Herforst<br />

HERZOG, Wilma, Im Baumgarten 3, 54568 Gerolstein<br />

Dr. HILD, Jochen, Fröschenpuhl 6, 56841 Traben-Trarbach<br />

HILGERT, Wilfried, Schmitt-Horr-Straße 10, 55457 Horrweiler<br />

HOFFMANN, Hermann, Bergweg 3, 54516 <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr<br />

JENTJENS, Oliver, Am Meulenwald 20, 54343 Föhren<br />

KAPPES, Franz Ludwig, Kreishandwerkerschaft, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

KAPPES, Hubert, Kurfürstenstraße 70, 54492 Zeltingen-Rachtig<br />

KERN-STEENVOORT, Maria, Grabenstraße 10, 54472 Monzelfeld<br />

KLIPPEL, Hermann †<br />

Dr. KOECHEL, Roland, Eifelklinik, Mosenbergstraße 19, 54531 Manderscheid<br />

KOHL, Günter, Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

KOHNEN, Hildegard, Ubierstraße 17, 50321 Brühl<br />

KNOBLOCH, Gertrud, Am Weiher 3 b, 53229 Bonn 3<br />

KRIEGER, Christof, Zehntgasse 1, 56841 Traben-Trarbach-Wolf<br />

LÄSCH-WEBER, Beate, Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> (Landrätin)<br />

LAUTWEIN, Markus, Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

400


LEDUC, Norbert, Rosengarten 7, 54497 Morbach<br />

MAUELL, Julia, Hauptstraße 85, 54426 Berglicht<br />

MEIERS, Rudolf, Katzstraße 37, 54662 Herforst<br />

MERTES, Eleonore, Kalkturmstraße 109, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

OCHS, Richard, Im Brauer 19, 56841 Traben-Trarbach<br />

OEHMS, Karl, Pfalzgrafenstraße 2, 54293 Trier<br />

ORTH, Hubert, Zum Jungenwald 7, 54317 Gutweiler<br />

PAWELKE, Katharina, Bergstraße 12 b, 54518 Dreis<br />

Dr. PETRY, Klaus, Zur Philippsburg 34, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

Prof. Dr. SCHAAF, Erwin, Hetzhofer Straße 13, 54538 Kinderbeuern<br />

Dr. SCHABBACH, Rudolf-Vitus, Auf Gesetz 4, 56321 Brey<br />

SCHÄFER, Hans-Peter, Auf der Hütt 5, 54533 Greimerath<br />

SCHÄFER, Therese, Auf der Schifferei 3, 54470 <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />

SCHIFFMANN-JUNK, Ernst, Moselweinstraße 146, 54472 Brauneberg<br />

SCHLAX-FRIDERICHS, Marita, Trierer Landstraße 10, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

SCHMITT, Claudia, Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />

SCHMITT, Franz, Kalkturmstraße 59, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

SCHMITT, Heinz, Helenenstraße 20, 54295 Trier<br />

SCHMITT, Josef, St.-Rochus-Siedlung 5, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

SCHMITZ, Robert, Im Schild 26, 56323 Waldesch<br />

SCHNECK, Reinhold, Kalkturmstraße 71 A, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

SCHNEIDER, Edgar, Allgemeine Ortskrankenkasse, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

SCHNITZIUS-LAQUA, Ulla, Im Brauer 16, 56841 Traben-Trarbach<br />

Prof. SCHUH, Horst, Konrad-von-Hochstaden-Straße 22, 53881 Euskirchen-Stotzheim<br />

SCHULZE-NEUHOFF, Hubertus, Am Laubloch 12, 56841 Traben-Trarbach<br />

SCHUMACHER, Ingrid, Planegger Straße 12 A, 81241 München<br />

STEIN, Gerd, Steinstraße 14, 55743 Idar-Oberstein<br />

STEINES, Roland, Zum Bürgerwehr 18, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

THELEN-OBERBILLIG, Helma, <strong>Wittlich</strong>er Straße 3, 54523 Hetzerath<br />

VALERIUS, Paul, Kasfeld, 54518 Dreis<br />

WAGNER, Eduard, Brunnenstraße 2, 54497 Morbach-Bischofsdhron<br />

WAGNER, Hiltrud, Lindenweg 11, 54484 Maring-Noviand<br />

Dr. WEITZ, Heinrich, Zum Zeppwingert 38, 56850 Enkirch<br />

WENDHUT, Helmut, Untere Kaiserstraße 8, 56841 Traben-Trarbach<br />

WERNER, Christel, Kalkturmstraße 10, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

WERNER, Fritz, Lautergasse 2, 54472 Veldenz<br />

WISNIEWSKI, Andreas, Talweg 7, 54589 Stadtkyll<br />

WITTENBECHER, Josefine, Allensteiner Straße 41, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />

401


BILD- und FOTONACHWEIS<br />

BENZ, Klaus, Mainz, S. 25<br />

Pater BERNARDO, Kath. Pfarramt Morbach, S. 183<br />

BINZEN, Arnold, Sehlem, S. 56 unten, 88, 92, 339, 341 oben, 342 oben, 343<br />

BOHN, Hermann, Morbach, S. 36<br />

BOTTLER, Willi, <strong>Bernkastel</strong>-Andel, Titelbild und S. 93<br />

BRAUN-ANDRES, Christa, Morbach-Wenigerath, S. 185<br />

CATHREIN, Hermann, Morbach, S. 147, 151<br />

DIEDENHOFEN, Hans, Platten, S. 89, 338<br />

GEORG, Hans-Dieter, Enkirch, S. 113<br />

GÖTZINGER, Helwin, Rubenheim, S. 26<br />

HAVENSTEIN, Ernst, Traben-Trarbach, S. 263<br />

HEINEMANN, Benedikt, Herforst, S. 124<br />

JOHN, Nora, TV <strong>Wittlich</strong>, S. 62, 63<br />

KREISARCHIV <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 135, 293<br />

KREISBILDARCHIV <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 142, 242, 243<br />

KRÖTEN, Herbert, Salmtal-Dörbach, S. 341 unten, 342 unten<br />

KRÜTTEN, Helmut, Plein, S. 76, 79, 80 rechts oben, 80 Mitte rechts, 247<br />

KURVERWALTUNG MANDERSCHEID, S. 72, 73, 74, 75<br />

LAMBERTY, Heinz, Salmtal, S. 77 oben<br />

LANDESHAUPTARCHIV Koblenz, S. 174, 178<br />

LAUTWEIN, Walter, Klausen, S. 188<br />

MELSHEIMER, Marianne, <strong>Wittlich</strong>, S. 287, 289<br />

ORTWEIN, Dora, Traben-Trarbach, S. 337<br />

PRIVATARCHIV Klaus PETRY, <strong>Wittlich</strong>, S. 143<br />

PRESSESTELLE Kreisverwaltung, S. 17, 19, 20, 21, 22, 101<br />

ROTH, Michael, <strong>Bernkastel</strong>-Kues, S. 78, 80 links unten, 249 links oben und unten<br />

SCHAAF, Erwin, Kinderbeuern, S. 291<br />

SCHMITZ, Ansgar, TV <strong>Wittlich</strong>, S. 64<br />

SCHMITZ, Jakob †, Morbach-Hoxel, S. 96<br />

SANDTNER, Orgelbau, Dillingen, S. 27<br />

VALERIUS, Paul, Dreis, S. 11, 14, 15, 77 unten, 80 links unten, 80 Mitte links, 80 rechts unten, 119,<br />

248, 249 rechts oben, 398<br />

VERBANDSGEMEINDEVERWALTUNG THALFANG am Erbeskopf, S. 16<br />

VERKEHRSVEREIN MORBACH, S. 97<br />

Foto VON LINGEN, Bonn, S. 23 unten<br />

WINTER, Mike-D., Kurverwaltung Manderscheid, S. 33 oben, 35<br />

ZÜHMER, Thomas, <strong>Bernkastel</strong>-Kues, S. 128<br />

Die Verfasser stellten zum Teil eigene Fotos zur Verfügung.<br />

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