Kreisjahrbuch 2000 - Landkreis Bernkastel-Wittlich
Kreisjahrbuch 2000 - Landkreis Bernkastel-Wittlich
Kreisjahrbuch 2000 - Landkreis Bernkastel-Wittlich
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INHALTSVERZEICHNIS<br />
Beate Läsch-Weber Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Elisabeth Badura-Zenz Wechsel – Monzelfelder Mundartgedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Unser <strong>Landkreis</strong> heute<br />
Hubert Orth »Wenn der Mond die Sonne frisst...«<br />
– Die totale Sonnenfinsternis – ein Jahrhundert-Ereignis – . . . 14<br />
Redaktion,<br />
Verwaltungen der Kommunen<br />
im <strong>Landkreis</strong> Jahresrückblick<br />
– Chroniken des <strong>Landkreis</strong>es, der Verbandsgemeinden<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues, Kröv-Bausendorf, Manderscheid,<br />
Neumagen-Dhron, Thalfang am Erbeskopf,<br />
Traben-Trarbach, <strong>Wittlich</strong>-Land, der Einheitsgemeinde<br />
Morbach und der Stadt <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
Hubertus Schulze-Neuhoff Kleine Wetterchronik des <strong>Landkreis</strong>es<br />
– Mai 1998 bis Juli 1999 – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />
Arnold Binzen 1250 Jahre Rivenich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
Franz Ludwig Kappes Das Handwerk des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
im Jahr <strong>2000</strong> – Chancen und Risiken – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
Elisabeth Freitag Ziel – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
Roland Koechel Die Eifelklinik Manderscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 70<br />
Sabine Didong Die »Alte Mühle« der Abtei Himmerod<br />
– Museum und Internationale Begegnungsstätte – . . . . . . . . . . 72<br />
Helma Thelen-Oberbillig Von der Besatzungsmacht zu Partnern<br />
– Die Garnison von <strong>Wittlich</strong> – eine deutsch-französische<br />
Erfolgsgeschichte – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
Hildegard Kohnen Von Innen nach Außen – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />
Paul Valerius Die A 60 im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
– Bilddokumentation des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> und des<br />
Medienzentrums <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
Günter Kohl Kontinuität und Erneuerung<br />
– Die neue Hauptstelle der Kreissparkasse<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />
5
Markus Lautwein Der Tourismus im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
– Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit<br />
Wachstumspotential – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
Hildegard Kohnen Verborgene Stadt – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
Menschen im <strong>Landkreis</strong><br />
Christel Werner »Was Frauen anders machen?«<br />
– Interview mit Landrätin Beate Läsch-Weber – . . . . . . . . . . . . . 99<br />
Christel Werner Frauenleben im Wandel der Zeiten<br />
– Interviews mit Zeitzeuginnen dieses Jahrhunderts – . . . . . . . 102<br />
Maria Kern-Steenvoort Grenzen meines Ichs – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />
Therese Schäfer Erinnerungen an eine frühe Kindheit<br />
in einem Moseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />
Elisabeth Badura-Zenz Der große Weber – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
Marita Schlax-Friderichs Gedanken an einem Soldatengrab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />
Katharina Pawelke Was ist das Leben – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
Hildegard Kohnen Die dicke Eiche von Altrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />
Ingrid Schumacher Mein sagenhafter Onkel – Erzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
Josefine Wittenbecher Dat sät ma net – Moselfränkisches Mundartgedicht – . . . . . . . 122<br />
Wilma Herzog Ein kleines Stück vom Schlaraffenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />
Ulla Schnitzius-Laqua Erlebnisse einer Reiseleiterin der<br />
»Musikkreis-Kulturreisen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
Hiltrud Wagner Von Menschen, Naturschutz und Heiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />
Claudia Schmitt »Flori« – Das kulturelle Event im <strong>Landkreis</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
Aus der Geschichte des <strong>Landkreis</strong>es<br />
Klaus Petry Der Aprilscherz als Spiegelbild des<br />
zeitgenössischen Geschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />
Fritz Werner Der Hufschmied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
Oliver Jentjens 1923: Die Inflation schlägt zu!<br />
– Not und Elend in den Kreisen<br />
<strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong> – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />
6
Horst Schuh Die Geschichte eines Fotos – ein Zeitzeuge berichtet – . . . . . . 137<br />
Alois Clemens † Erinnerungen an den Stiefelbaum und die ehemalige<br />
Raketenabschussbasis bei Hontheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />
Gerd Stein Die ehemalige Eisenbahnstrecke Wengerohr-Daun . . . . . . . . . 141<br />
Gerd Stein Hunsrückquerbahn von Morbach bis Hermeskeil<br />
– Geschichte der Gesamtstrecke von Simmern bis<br />
Hermeskeil – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />
Julia Mauell Schieferbergbau im Hunsrück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />
Norbert Leduc »Gedachte« Aussichtstürme für den Erbeskopf<br />
– Eine erste Idee und ein früher Plan – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />
Eduard Wagner »De Bollerjaunes jaahn«<br />
– Ein alter kirchlicher Osterbrauch in Bischofsdhron – . . . . . . . 167<br />
Walter Freis Das »Bürgermeister-Amtslocal« in Thalfang<br />
– Die Thalfanger Verwaltungsstandorte früher und<br />
heute – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />
Robert Schmitz 200 Jahre Grenzstreit zwischen Schönberg und<br />
Breidt – Die Wilden und Hecken uff Herrl – . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />
Rudolf-Vitus Schabbach Kapellenjubiläum bringt Wenigeraths Geschichte<br />
an den Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180<br />
Hermann Hoffmann Vor 110 Jahren: Neubau einer Kapelle in Pohlbach . . . . . . . . . . 187<br />
Edgar Schneider AOK – Die Gesundheitskasse im Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
– Ein 100-jähriges Krankenversicherungsunternehmen<br />
ist auch für das nächste Jahrtausend gerüstet – . . . . . . . . . . . 190<br />
Corinna Albert Hunsrückhaus eröffnet<br />
– Wintersport-, Natur- und Umweltbildungsstätte<br />
lockt Naturliebhaber an den Erbeskopf – . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />
Toni Tillmann »Familien-Hotel Hochwald«<br />
Ferien- und Tagungsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />
Franz Schmitt <strong>Wittlich</strong>er Synagoge – gebaut vor 90 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />
Franz Schmitt Beginn der Pfarrei St. Markus <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />
Paul Valerius Die ehemalige Holzindustrie in <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />
Andreas Wisniewski Eine alte vergessene Hofsiedlung im <strong>Wittlich</strong>er Land<br />
– Hof Leiderath bei Arenrath – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />
7
Franz Schmitt Wie <strong>Bernkastel</strong>-Kues Fremdenverkehrs- und<br />
Weinfestmetropole der Mittelmosel wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . 255<br />
Christof Krieger Von »Hurerey Sachen«, »Dieberey« und dem<br />
Prozess um einen Mistplatz ...<br />
– Aus der Wolfer Ortsgeschichte des<br />
18. Jahrhunderts – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />
Helmut Wendhut Der Kampstein auf der Starkenburger Höhe . . . . . . . . . . . . . . . 266<br />
Uwe Hauth Ein alter Streitfall um die Glocken der Trabener<br />
Simultankirche<br />
– Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde<br />
Traben-Trarbach-Wolf aufgefunden – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />
Heinz H. Grundhöfer Von Fähren und Brücken an der Mosel<br />
– Blick in die Geschichte der Moselfähren<br />
von Trittenheim bis Reil – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270<br />
Benedikt Heinemann/<br />
Rudolf Meiers Forelle und Wolfsangel – Kurfürsten und Heilige –<br />
– Grenzsteine – Wegweiser zur Ortsgeschichte – . . . . . . . . . . . 278<br />
Eleonore Mertes März – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281<br />
Ernst Schiffmann-Junk Eine alte Weinleseordnung aus Brauneberg . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />
Reinhold Haart <strong>2000</strong> Jahre Rotwein in Piesport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284<br />
Erwin Schaaf Ein Gartenportal aus Architekturresten der<br />
ehemaligen Abtei Springiersbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />
Winfrid Blum Das Karmelitenkloster Springiersbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290<br />
Karl Oehms Die Eckfelder Stockgüter<br />
– Manderscheider Notariatsakten als Quelle<br />
heimatkundlicher Forschungen – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />
Erzählungen, Erinnerungen und Unterhaltsames<br />
Katharina Pawelke Nauß Kloas un sein Trauwenhäek<br />
– Dreiser Mundarterzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301<br />
Katharina Pawelke Sechs Groschen – Dreiser Mundarterzählung – . . . . . . . . . . . . . 302<br />
Liesel Franz In friehere Joahr – Hunsrücker Mundartgedicht – . . . . . . . . . . . 303<br />
Alois Clemens † Ein Besuch des Bundeshauses in Bonn im Jahre 1950 . . . . . . 304<br />
Erwin Schaaf Kinderbeuerner Anekdoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />
Gertrud Knobloch Reim und Spruch für Topf und Tuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />
8
Elisabeth Freitag Wunschliste – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312<br />
Hans-Peter Schäfer Dä Chresbohm – Greimerather Mundartgedicht – . . . . . . . . . . 313<br />
Hermann Klippel † Gute und Böse und <strong>Wittlich</strong>er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314<br />
Eleonore Mertes Ein Wintertag – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319<br />
Roland Steines Die Weinwach – Erzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />
Maria Kern-Steenvoort Da geh ich hin – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323<br />
Josefine Wittenbecher Dat Eberhardsfääßie en Klausen<br />
– En Sage of Muselfränkisch erzehlt – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />
Elisabeth Freitag In der Klosterkirche – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />
Franz Schmitt Käremeß in Cues fia fofzesch Joare un mee<br />
– Cueser Mundarterzählung – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />
Natur im <strong>Landkreis</strong><br />
Arnold Binzen Idyllische Bachtäler im Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . 327<br />
Liesel Franz Die Dhron – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />
Jochen Hild Grünland im Kreisgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331<br />
Hubertus Schulze-Neuhoff Seltene Gesteinsformationen bei Reil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />
Hildegard Kohnen Ausblick – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />
Arnold Binzen Libellen – fliegende Edelsteine unter den Insekten – . . . . . . . . . 339<br />
Heinrich Weitz Vogelleben vor der Haustür . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344<br />
Lebensläufe und Würdigungen<br />
Gerd Bayer Die Künstlerin Hedwig Schulze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />
Elisabeth Freitag Wanderung – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354<br />
Wilfried Hilgert Wie wird man Hundert? – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />
Wolfgang Gilles Von der Mosel zum Amazonas<br />
– Zur Erinnerung an den <strong>Bernkastel</strong>er Jesuitenpater<br />
Anton Meisterburg – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356<br />
9
Josef Schmitt Der Bildhauer Peter Knödgen meißelt die Geschichte<br />
seines Dorfes in Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357<br />
Gregor Brand Der Aufstieg eines Begabten<br />
– Lebensstationen des Lehrers Kaspar Hebler – . . . . . . . . . . . . 358<br />
Richard Ochs Walther und Werner Beumelburg<br />
– Leben zweier Brüder im Nationalsozialismus – . . . . . . . . . . . 367<br />
H.-Günther Böse Hugo Hensch und die <strong>Wittlich</strong>er Demokraten 1848/49 . . . . . . 371<br />
Heinz Schmitt Johann Neustädter<br />
– Aus dem Leben eines <strong>Wittlich</strong>er »Achtundvierzigers« – . . . . . 381<br />
Reinhold Schneck Die Organisten an der Pfarrkirche St. Markus<br />
in <strong>Wittlich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 386<br />
Hubert Kappes War Christoph Gessinger ein Moselaner?<br />
– Versuch, Näheres über eine rätselhafte und<br />
schillernde Persönlichkeit in Erfahrung zu bringen – . . . . . . . . 395<br />
Helmut Gestrich Zum Gedenken an Eduard Wiemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398<br />
Eleonore Mertes Abschied – Gedicht – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398<br />
Vervollständigen Sie Ihre Reihe der Kreisjahrbücher! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400<br />
Bild- und Fotonachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402<br />
10
Zum Geleit<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
»Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.«<br />
Hätte Albert Einstein diesen Ausspruch auch dann getan, wenn er heute noch lebte und wie wir bei<br />
einem Jahrtausendwechsel dabei sein könnte?<br />
Wir haben die Zukunft im Visier, gerade weil wir an der Schwelle eines Jahrhunderts und eines<br />
Jahrtausends angekommen sind. Die Zeitenwende in das 21. Jahrhundert, die, nimmt man es genau,<br />
erst zum Jahresende <strong>2000</strong> erfolgt, ist wahrlich ein Grund zum Feiern und ein Grund zum Innehalten.<br />
Etwas Besonderes sollte es sein, das Jahrbuch mit der runden Zahl <strong>2000</strong>. Schon vor längerer Zeit<br />
machte sich der Redaktionsausschuss Gedanken darüber, wie die Ausgabe <strong>2000</strong> aussehen sollte<br />
und beschloss, einen umfassenden Rückblick auf das vergangene Jahrhundert in unserem <strong>Landkreis</strong><br />
zu werfen. Schnell wurde allerdings deutlich, dass dieses Projekt den Rahmen eines <strong>Kreisjahrbuch</strong>es<br />
sprengen und seine bewährte Gestaltung völlig umkrempeln würde. Und das hätte einen<br />
Bruch in der Reihe der Kreisjahrbücher ausgerechnet für das Jahr <strong>2000</strong> bedeutet. Dies, liebe<br />
Leserinnen und Leser, wollten wir Ihnen nicht zumuten. Und so wurde die Idee geboren, neben<br />
dem <strong>Kreisjahrbuch</strong> ein Jahrhundertbuch des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> entstehen zu lassen,<br />
dessen Lektüre ich Ihnen neben dem <strong>Kreisjahrbuch</strong> nur bestens empfehlen kann. Demnächst<br />
können Sie dieses umfangreiche Geschichtswerk über Eifel, Mosel und Hunsrück in allen Buchhandlungen<br />
im <strong>Landkreis</strong> zu dem günstigen Preis von 29,90 DM erwerben.<br />
Etwas Besonderes finden Sie natürlich auch in der vorliegenden Jahrbuch-Ausgabe <strong>2000</strong>! Sie<br />
widmet sich den Menschen in unserem <strong>Landkreis</strong>, denn was ist schon ein Jahrhundert ohne Kinder,<br />
Frauen, Männer, die es mit ihrem Leben füllen, es erinnerbar machen und damit Geschichte<br />
schreiben. Neben vielen interessanten historischen, aktuellen und literarischen Beiträgen lesen<br />
Sie darum im diesjährigen Schwerpunkt-Thema Texte, die sich mit »Menschen im <strong>Landkreis</strong>« beschäftigen,<br />
darunter auch ganz persönliche Lebenserinnerungen. Von mir erfahren Sie übrigens<br />
auch einiges. Auf Seite 99 verrate ich Ihnen »Was Frauen anders machen«. Übrigens stammen<br />
11
sämtliche Beiträge dafür aus der Feder von Autorinnen. Sie sehen, auch in unserem vorwiegend<br />
von Männern geschriebenen Jahrbuch formiert sich zum neuen Zeitalter Frauenpower. Es wäre<br />
schön, wenn sich diese ausgleichende Entwicklung in den nächsten Jahren weiter fortsetzen würde.<br />
Als Gegengewicht dazu schrieben ausnahmslos Autoren über Menschen im <strong>Landkreis</strong> für das<br />
Sachgebiet »Lebensläufe und Würdigungen«.<br />
Die Texte des vorliegenden <strong>Kreisjahrbuch</strong>es sind nach den Regeln der neuen Rechtschreibung<br />
gestaltet. Wenn Sie dennoch hin und wieder auf alte Schreibweisen treffen, bittet die Redaktion<br />
dafür um Nachsicht.<br />
Ich wünsche Ihnen viele informative und kurzweilige Stunden im Jahr <strong>2000</strong> mit unserem <strong>Kreisjahrbuch</strong><br />
und einen schönen und erfolgreichen Start in das neue Jahrtausend.<br />
Ihre<br />
Beate Läsch-Weber<br />
12<br />
Wechsel<br />
Moselfränkischer (Monzelfelder) Dialekt<br />
Scho nammel ging es e Joahr durch de Hänn.<br />
Met em gäht e Joahrhunnert se Enn<br />
un noch dazou e Joahrdausend.<br />
Wat hän se us braocht?<br />
Wejt un bräät<br />
vill Foartschritt,<br />
vill Lääd.<br />
Däm naue Joahrdausend wäär se wünsche<br />
dat jederaane off der ganzer Welt<br />
un sich selwer Friede hält.<br />
Dann hädde ma weltwäit<br />
Aoussicht off en glecklisch Zäit!<br />
Elisabeth Badura-Zenz
Unser<br />
<strong>Landkreis</strong><br />
heute
Gegen Ende des 2. Jahrtausends unserer Zeitrechnung<br />
hat ein spektakuläres Himmelsereignis<br />
die Menschheit bewegt: eine totale Sonnenfinsternis!<br />
Aus menschlicher Sicht eine Seltenheit,<br />
in kosmischer Hinsicht nichts Ungewöhnliches,<br />
denn Sonne, Mond und Erde stehen<br />
in einer Linie.<br />
Trotz alledem – die Medien kündigten das am<br />
11. August 1999 erlebte Himmelsereignis – die<br />
vordem zuletzt wahrnehmbare Sonnenfinsternis<br />
in dieser Totale war im Jahre 1842 zu sehen<br />
gewesen – spektakulär an und bemühten hierzu<br />
sogar Nietzsche’s philosophische Dichtung<br />
»Also sprach Zarathustra« mit deren erstem<br />
Satz an die Sonne: »Du großes Gestirn! Was<br />
wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, denen<br />
du leuchtest!« Und eigentlich müsste all jenen,<br />
die diese totale Sonnenfinsternis am 11.<br />
August 1999 miterlebten, klar geworden sein,<br />
dass unser Leben ohne die Sonne, ohne das<br />
Sehen, nichts wert wäre. Ich bin jedenfalls an<br />
dem vorzitierten Tag um die Mittagszeit zu dieser<br />
Erkenntnis gekommen, just in dem Augenblick,<br />
als der kleine graue Felsbrocken Mond<br />
urplötzlich den Zeitablauf veränderte, als er<br />
sich dem Leuchten der Sonne in den Weg stellte<br />
und in dem dadurch entstandenen Schatten<br />
Meere und Land in einem über 100 Kilometer<br />
14<br />
»Wenn der Mond die Sonne frisst...«<br />
Die totale Sonnenfinsternis 1999<br />
– ein Jahrhundert-Ereignis –<br />
Hubert Orth<br />
breiten »Korridor« für etwas länger als zwei Minuten<br />
in nächtliche Finsternis versinken ließ.<br />
Die Faszination Sonnenfinsternis kam jedoch<br />
nicht urplötzlich, nein, sie kündigte sich am 11.<br />
August 1999 stundenlang vor der Totale an. Ich<br />
gewann schon während der Morgenstunden<br />
den Eindruck, dass der Tag nur mit einem<br />
stumpfen, grauen Licht begann. Wie ein Schleier<br />
legte sich das Licht auf die Farben des Sommertages.<br />
War es ein Schleier? Oder verkümmerte<br />
das Licht? Oder war es so, dass der Tag<br />
v o r der Zeit ging? Der Tag dämmerte nicht rot<br />
und warm weg wie an einem Sommerabend.<br />
Es hatte den Anschein, dass das Licht der Sonne<br />
grau und alt wirkte, dass der Tag kränkele<br />
und abrupt sterbe. Über eine Stunde lang vor<br />
der Totale überfiel mich ein Gefühl der Beklommenheit<br />
und mir schien so, als seien meine Gefühle<br />
gefesselt an diesem schwindsüchtigen<br />
Tag. Eine unnatürlich anmutende Stille drang<br />
allmählich in mein Bewusstsein.<br />
Und weil alle Medien angekündigt hatten, dass<br />
nach Berechnung der Nasa-Experten der erste<br />
Kontakt des Mondschattens mit der Erde um<br />
11.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit etwa<br />
700 Kilometer östlich von New York auf den<br />
Fluten des Atlantiks erfolgen werde, wollte ich<br />
seine »Flugbahn« im Fernsehen verfolgen.<br />
Die einzelnen Phasen der totalen Sonnenfinsternis in Bildern: Der Mond schiebt sich allmählich vor die<br />
Sonne, die kurz vor dem Höhepunkt nur als kleine Sichel sichtbar ist.
Tatsächlich – mit über zweifacher Schallgeschwindigkeit<br />
raste er über die Ozeanfluten in<br />
Richtung Europa. Ersten Bildschirmkontakt<br />
gab es aus einer französischen Überschall-<br />
»Concorde«, in der die Reichen sich das Himmelsspektakel<br />
für die Dauer von rund 6 Minuten<br />
die »Kleinigkeit« von rund 5 000 DM kosten<br />
ließen. Dann war der Mondschatten aber auch<br />
der »Concorde« wieder enteilt – er benötigte<br />
gerade mal 40 Minuten bis zu den Britischen<br />
Inseln, da überfiel die Finsternis schon Cornwall,<br />
wo sie von enthusiastisch jubelnden Menschen<br />
begrüßt und gefeiert wurde.<br />
Per Fernsehen (ARD) war dann zu verfolgen,<br />
wie der dunkle Kegel des Mondschattens über<br />
den Ärmelkanal sprang, über die französische<br />
Normandie huschte, knapp an Paris vorbei,<br />
rund 5 000 französische Städte und Gemeinden<br />
mit Dunkelheit überzog, der finstere Strahl<br />
dann Südbelgien streifte und genau um 12.29<br />
Uhr deutschen Boden traf. Schon 10 Minuten<br />
später war der Schatten wieder bei Altötting<br />
über die deutsche Grenze gefegt und schließlich<br />
überzog die Totalitätszone das Schwarze<br />
Meer, den Iran und hob gegen 15 Uhr im Golf<br />
von Bengalen wieder ins Weltall ab – der Spuk<br />
hatte eine 14 000 Kilometer lange Spur quer<br />
durch Orient und Okzident gezogen!<br />
Das Fernseh-Erlebnis und das eigene Erleben<br />
dauerten allerdings länger und waren sehr viel<br />
eindringlicher als die vorstehende Kurzbeschreibung<br />
der Mondschatten-Route oder<br />
auch Sonnenfinsternis. Schon mit dem ersten<br />
Kontakt des Mondschattens auf deutschem<br />
Boden verfinsterte sich mein Beobachtungspunkt<br />
merklich und posthum gab’s in meiner<br />
Begleitung den ersten »Ooh-Effekt«.<br />
Mein siebenjähriger Enkel befand: »Ooh, war<br />
das aber aufregend«. Nachgefragt »Wieso war<br />
das aufregend?« – die Antwort: »Weil es so<br />
plötzlich dunkel und dann gleich wieder hell geworden<br />
ist«. Recht hatte der Kleine, denn ich<br />
selbst war auch verblüfft über dieses Erlebnis<br />
der »Finsternis am Tag«. Und weil wir die Finsternis<br />
im Freien erlebten, wurden wir auch noch<br />
von einer merklichen Abkühlung überrascht.<br />
Die Medien wussten am folgenden Tag zu berichten,<br />
dass die Temperaturen – örtlich verschieden<br />
– bis zu 5 Grad gesunken waren. Aber<br />
genauso wie das Licht bei einer Dimmerschaltung<br />
wiederkommt, zeigte sich auch das Sonnenlicht<br />
und mit ihm stiegen auch wieder die<br />
Temperaturen. Die Genesis sei in Erinnerung<br />
gerufen, an deren Anfang zu lesen ist: »Es werde<br />
Licht – und es ward Licht«.<br />
Mit diesen Empfindungen habe ich das Sonnenfinsternis-Spektakel<br />
zuerst vor dem Bildschirm<br />
und zwei Minuten lang aus eigenem Erleben<br />
wahrgenommen. Wahrscheinlich hatte<br />
ich mehr Erlebnisglück als jene Millionen, die<br />
ins Saarland und in den Stuttgarter Raum gepilgert<br />
waren. Dort erlebten die Menschen<br />
nämlich mehr oder weniger eine Regen- statt<br />
Sonnenfinsternis. Natürlich wurde es auch in<br />
diesen Räumen vorübergehend finster, aber<br />
die spektakulären Vorgänge um Sonne und<br />
Mondschatten konnte man nur als Glückszufall<br />
durch spärlich auftretende Wolkenlöcher beobachten.<br />
Und ich hatte wieder mal Glück in<br />
der allgemeinen Hysterie – aber auch nur vor<br />
dem Bildschirm. Hier am Rande des vorderen<br />
Hochwalds war es schon wieder hell geworden,<br />
als am Chiemsee, dem Drehort der ARD,<br />
der Mond als dunkle schwarze Scheibe vor der<br />
Sonne stand und so den Eindruck vermittelte,<br />
als habe sie die Sonne »aufgefressen«. Dieses<br />
Fotos: Paul Valerius, Dreis<br />
15
Empfinden stellte sich bei mir unvermittelt ein,<br />
weil in geringen Zeitabständen via Bildschirm<br />
zu betrachten war, wie der Mondschatten das<br />
Sonnenlicht in Sichelform regelrecht verdrängte.<br />
Und dann stellte sich der »Aah«-Effekt ein:<br />
Wie eine »Anti«-Sonne war nur noch eine<br />
schwarze Scheibe zu erkennen. Und plötzlich,<br />
wie auf einen Wink hin erschien auf dem Bildschirm<br />
die »Korona«. Sie zeigte sich wie ein<br />
diamantheller Strahlenkranz und fast augenblicklich,<br />
wie sich ein dünner Sonnenrand aus<br />
dem Mondschatten löst, entzünden sich Lichteffekte<br />
wie rote Granatsteine, die den diamantenen<br />
Lichtkranz noch überstrahlen. Die Wissenschaftler<br />
deuten diese Lichteffekte als Protuberanzen,<br />
Millionen Kilometer weit ins All geschleuderte<br />
Gasentladungen. Bei Verfinsterun-<br />
16<br />
gen der Sonne wird der brodelnde Strahlenkranz<br />
in seiner ganzen Pracht sichtbar, die<br />
Korona und ihr Anblick war für mich das<br />
Schönste, was die totale Sonnenfinsternis<br />
1999 zu bieten hatte – es war nicht die Finsternis<br />
am Tag.<br />
Um dieses phänomenale Erlebnis kreisten in<br />
unserer Runde noch die Gespräche und mir<br />
wurde bewusst, dass es solches in meinem Leben<br />
nicht mehr zu bestaunen geben wird. Ganz<br />
im Gegensatz zu meinem Enkel, der die nächste<br />
Sonnenfinsternis im 1. Jahrhundert des 3.<br />
Jahrtausends unserer Zeitrechnung miterleben<br />
möchte.<br />
Bleibt noch nachzutragen, dass laut Medienberichten<br />
rund 2 Milliarden Menschen weltweit<br />
das Himmelsereignis 1999 mitverfolgten.<br />
So wie dieses Paar sahen Tausende von Menschen umsonst in den wolkenverhangenen Himmel, weil<br />
sie miterleben wollten, wie der Mond die Sonne bedeckte.
Frank Wilhelmi neuer Leiter der<br />
Kreismusikschule<br />
Seit 1. August 1998 ist Frank Wilhelmi neuer<br />
Leiter der Kreismusikschule. Er studierte Orchestermusik<br />
mit Hauptfach Trompete an der<br />
Staatlichen Hochschule für Musik in Mannheim<br />
und Kulturmanagement an der Hochschule für<br />
Musik und Theater in Hamburg. Frank Wilhelmi<br />
trat die Nachfolge von Josef Ehses an, der fast<br />
30 Jahre lang die Musikschule leitete.<br />
Landrätin zeichnete Kreissieger-Gemeinde<br />
Lüxem aus<br />
Am 29. August 1998 ehrte Landrätin Beate<br />
Läsch-Weber den Stadtteil Lüxem als Kreissieger<br />
im Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner<br />
werden – Unser Dorf hat Zukunft«. Die Gemeinden,<br />
die am Wettbewerb teilgenommen hatten,<br />
Jahresrückblick<br />
Chronik des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1998/1999<br />
so Landrätin Beate Läsch-Weber, seien sich<br />
bewusst geworden, was Eigeninitative und<br />
bürgerliches Engagement für eine gewachsene<br />
Infrastruktur und die Verbesserung der Lebensqualität<br />
auf dem Land bedeuten.<br />
Kurt Beck befürwortete<br />
Hochmoselübergang<br />
Ministerpräsident Kurt Beck sprach sich bei<br />
seinem Besuch in <strong>Landkreis</strong> Ende Oktober<br />
1998 für den Hochmoselübergang als Neubau<br />
der geplanten 17 km langen Strecke der B 50<br />
aus. An den veranschlagten Kosten von<br />
257 Millionen Mark wollen sich Bund und Land<br />
mit 20 %, also 51 Millionen Mark, beteiligen.<br />
Die restlichen 60 % der Kosten, also<br />
154 Millionen Mark, sollen privat finanziert<br />
werden.<br />
V. l. n. r.: Bürgermeister Rainer Grün, MdL Günter Rösch, Ministerpräsident Kurt Beck, Landrätin Beate<br />
Läsch-Weber, Regierungspräsident Heinrich Studentkowski informieren sich vor Ort über den geplanten<br />
Hochmoselübergang.<br />
17
Tag des Pflegekindes in <strong>Wittlich</strong><br />
Auf die Lebenssituationen von Pflegekindern<br />
und Pflegeeltern machte der Pflegekinderdienst<br />
des <strong>Landkreis</strong>es in Kooperation mit dem<br />
Fachbereich Jugend und Familie der Kreisverwaltung<br />
und dem deutschen Kinderschutzbund<br />
in einer Informationsveranstaltung in der<br />
<strong>Wittlich</strong>er Synagoge am Tag des Pflegekindes<br />
(7. November 1998) aufmerksam.<br />
Frauen planten mit – vor Ort<br />
Erste regionale Konferenz im Kreishaus<br />
Am 13. November 1998 fand im Kreishaus die<br />
erste regionale Konferenz des Ministeriums für<br />
Kultur, Jugend, Familie und Frauen und der<br />
Planungsgemeinschaft Region Trier in Zusammenarbeit<br />
mit den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten<br />
der <strong>Landkreis</strong>e und Städte<br />
statt.<br />
Kreistag plädierte für Gemeinschaftstarif<br />
im Personenverkehr<br />
Ende November 1998 beauftragte der Kreistag<br />
die Verwaltung, die strukturellen organisatorischen<br />
und finanziellen Voraussetzungen dafür<br />
zu schaffen, dass in der Region Trier ein Gemeinschaftstarif<br />
im öffentlichen Nahverkehr<br />
eingerichtet wird.<br />
Landwirtschaft hat Bedeutung für den<br />
Tourismus<br />
Anlässlich der Dreikönigstagung des Bauernund<br />
Winzerverbandes erinnerte Landrätin Beate<br />
Läsch-Weber an die besondere Bedeutung<br />
der Landwirtschaft für den Tourismus. Im hiesigen<br />
<strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> bieten etwa<br />
750 Bauern- und Winzerbetriebe mehr als<br />
7 000 Gästebetten an. Gute Einkommensquellen<br />
der Landwirte seien auch die Direktvermarktung<br />
ihrer hochwertigen Produkte und die<br />
Kooperation mit den touristischen Leistungsträgern.<br />
Landrätin zeichnete Ausbildungsbetriebe aus<br />
Ende Januar 1999 zeichnete Landrätin Beate<br />
Läsch-Weber Betriebe des Kreises aus, die<br />
sich besonders um die Ausbildung von Lehrlingen<br />
verdient gemacht haben. Das heimische<br />
Handwerk ist einer der Haupteckpfeiler des<br />
Wirtschaftsstandortes <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Die<br />
Hälfte aller Ausbildungsplätze im <strong>Landkreis</strong> befindet<br />
sich in handwerklichen Betrieben.<br />
18<br />
Zusammenschluss von 14 Organisationen<br />
zur Arbeitsgemeinschaft Ehrenamt<br />
Anfang Februar 1999 schlossen sich in der<br />
Akademie Kues 14 Verbände und Organisationen<br />
auf Kreisebene zu einer Arbeitsgemeinschaft<br />
Ehrenamt zusammen. Die Teilnehmer<br />
waren sich einig, dass eine Gesellschaft mit<br />
menschlichem Gesicht den freiwilligen Einsatz<br />
für das Gemeinwohl und den freiwilligen Zusammenschluss<br />
von Menschen für Kultur,<br />
Sport, Spiel, Soziales und für die Rettung bei<br />
Unfällen und Katastrophen benötige. Der Arbeitsgemeinschaft<br />
gehören an: Arbeiterwohlfahrt,<br />
Caritasverband, DRK, Evangelischer Kirchenkreis<br />
Simmern, Feuerwehr, Kinderschutzbund,<br />
Kreismusikverband, Kreisverwaltung<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Landfrauenverband, Malteser-Hilfsdienst,<br />
Sängerkreis, Sportbund,<br />
Technisches Hilfswerk und Akademie Kues.<br />
Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist die Stärkung<br />
des Ehrenamtes im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />
Hauptversammlung des<br />
Kreismusikverbandes <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Ende Februar 1999 fand in der Bürgerhalle in<br />
Rivenich die Wahl des Kreisvorsitzenden statt.<br />
Der bisherige Vorsitzende Ewald Tonner wurde<br />
einstimmig wiedergewählt. Hans Georg Weber<br />
und Rudi Klein sind seine Stellvertreter. Landrätin<br />
Beate Läsch-Weber zeichnete Rudi Klein<br />
mit der Verdienstmedaille des Landesmusikverbandes<br />
aus, der 44 Jahre aktives Mitglied<br />
des Musikvereins »Cäcilia« Monzelfeld und ab<br />
1973 bis 1999 dessen Vorsitzender war.<br />
Fachtagung zur Situation<br />
der Gerontopsychiatrie<br />
Zum Internationalen Jahr der Senioren fand<br />
Anfang März 1999 in der Akademie Kues eine<br />
Fachtagung zur Situation der älteren Menschen<br />
mit psychischen Erkrankungen statt.<br />
<strong>Wittlich</strong>er Impfstudie wurde präsentiert<br />
Am 3. März 1999 wurde die erste Gesundheitskonferenz<br />
der <strong>Landkreis</strong>e Bitburg-Prüm, Daun<br />
und <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> in der Abtei Himmerod<br />
abgehalten. 100 Ärzte, Apotheker und Beschäftigte<br />
der Gesundheitsämter nahmen teil.<br />
Der wissenschaftliche Leiter der Universität<br />
Mainz, Dr. Michael Pietsch, stellte der Versammlung<br />
die Ergebnisse der »Impfstudie
<strong>Wittlich</strong>« vor. Mit ihrer Hilfe soll die Bevölkerung<br />
gezielt informiert und durch Fortbildung des<br />
medizinischen Personals der Impfschutz verbessert<br />
werden. Im <strong>Wittlich</strong>er Krankenhaus<br />
wurden anonym 500 Blutproben einer altersgeschichteten<br />
Stichprobe analysiert. Hiernach<br />
hatten 60 % der Bevölkerung keinen oder nur<br />
unzureichenden Impfschutz gegen Diphtherie,<br />
20 % gegen Wundstarrkrampf und 10 % gegen<br />
Kinderlähmung.<br />
Vorstellung der <strong>Wittlich</strong>er Impfstudie bei der ersten<br />
Gesundheitskonferenz der Kreise Bitburg-<br />
Prüm, Daun und <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> in der Abtei<br />
Himmerod.<br />
Sofortprogramm zum Abbau der<br />
Jugendarbeitslosigkeit im <strong>Landkreis</strong><br />
Eine ABM-Maßnahme zur sozialen Betreuung<br />
arbeitsloser junger Menschen unter 25 Jahren<br />
wurde gemeinsam vom <strong>Landkreis</strong> und dem Arbeitsamt<br />
begonnen. Arbeitslose Jugendliche<br />
sollen motiviert werden, sich an Ausbildungsmaßnahmen<br />
zu beteiligen. Damit trägt der<br />
<strong>Landkreis</strong> zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit<br />
bei.<br />
50-jähriges Jubiläum des Kreisbauern-<br />
und Winzerverbandes <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Als kompetenter und verlässlicher Partner, engagierter<br />
Anwalt und Interessenvertreter steht<br />
seit 50 Jahren den heimischen Landwirten und<br />
Winzern der Kreisbauern- und Winzerverband<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> zur Seite, der am 13. März<br />
1999 sein Jubiläum feierte. 2 674 Mitglieder,<br />
das sind 83 % der Betriebe, gehören ihm an.<br />
Besondere Verdienste erwarb er sich um die<br />
agrarsozialen Sicherungssysteme in der Vergangenheit.<br />
Heute ist der Kreisbauern- und<br />
Winzerverband ein unverzichtbarer Serviceleister<br />
für seine Mitglieder, der sie auch im Kampf<br />
gegen die Agenda <strong>2000</strong> unterstützt.<br />
40. Vorlesewettbewerb<br />
des deutschen Buchhandels<br />
Sieger(innen) des Lesewettbewerbs nach den<br />
Kriterien Textverständnis und Lesetechnik wurden<br />
Anfang März in der Stadtbücherei <strong>Wittlich</strong><br />
in der Gruppe A: Ramona Jakobs (Hauptschule<br />
Die Sieger des Vorlesewettbewerbs Ramona<br />
Jakobs und Andreas Burkhard<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues) und in der Gruppe B: Andreas<br />
Burkhard (Peter-Wust-Gymnasium <strong>Wittlich</strong>).<br />
Mehr Kommunalpolitikerinnen<br />
braucht das Land<br />
Mit diesem Aufruf eröffneten Landrätin Beate<br />
Läsch-Weber und die Europaabgeordnete<br />
Christa Klaß Mitte März eine Veranstaltung der<br />
19
Landfrauen im Kreishaus. Beide referierten<br />
über ihren politischen Alltag und motivierten<br />
die anwesenden Frauen, sich politisch zu engagieren.<br />
Kulturförderprogramm<br />
des <strong>Landkreis</strong>es<br />
In seiner Sitzung Ende April stellte der Kreistag<br />
100 000 DM für die Kulturförderung bereit. Gefördert<br />
werden »Maßnahmen der Infrastruktur«<br />
in den Bereichen Kunst, Heimat- und Kulturpflege,<br />
Literatur, Medien, Musik und<br />
Theater.<br />
Neuer Kreisjugendpfleger<br />
für den <strong>Landkreis</strong><br />
Seit dem 1. April 1999 ist Peter Caspers-<br />
Schultze als neuer Kreisjugendpfleger und Jugendhilfeplaner<br />
im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
in Sachen Jugendhilfe unterwegs.<br />
20<br />
Im SENIOR-INFO-MOBIL<br />
Aktionswoche SENIOR-INFO-MOBIL<br />
Unter Schirmherrschaft von Landrätin Beate<br />
Läsch-Weber lud das SENIOR-INFO-MOBIL<br />
Seniorinnen und Senioren vor und in die Akademie<br />
Kues ein, sich über neue Technologien<br />
wie Computer, Internet etc. vom 20. bis 24.<br />
April 1999 zu informieren.<br />
V. l. n. r.: Jürgen Marx, Leiter des Fachbereichs Jugend und Familie der Kreisverwaltung, neuer<br />
Kreisjugendpfleger Peter Caspers-Schultze, Landrätin Beate Läsch-Weber
Projekt Musikschule und Musica Sacra<br />
Im Rahmen des Projekts »Musikschule und<br />
Musica Sacra« gestalteten Schülerinnen und<br />
Schüler der Kreismusikschule, des Kreismusikverbandes<br />
und des Sängerkreises <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> Gottesdienste in über 30 Pfarrgemeinden<br />
des <strong>Landkreis</strong>es zwischen dem 6. und 20.<br />
März 1999 mit.<br />
Existenzgründertag »fit« in <strong>Wittlich</strong><br />
Am 5. Mai 1999 nutzten 130 potenzielle Existenzgründerinnen<br />
und -gründer sowie Jungunternehmer<br />
die Gelegenheit, von Experten der<br />
fit-Initiative und von Landrätin Beate Läsch-<br />
Weber Informationen über Existenzgründungen<br />
zu erhalten.<br />
Teilnehmer des Existenzgründertages »fit« in<br />
<strong>Wittlich</strong><br />
Fachtagung des Kreisverbandes<br />
Legasthenie <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Anfang Mai fanden sich in der Synagoge <strong>Wittlich</strong><br />
mehr als 150 betroffene Eltern, Fachleute<br />
und Lehrer ein, um das Thema »Lese- und<br />
Rechtschreibschwäche« näher zu beleuchten.<br />
Schirmherrin Beate Läsch-Weber erklärte, der<br />
Verband sei zu einer Quelle der Kraft und zu einer<br />
unverzichtbaren Anlaufstelle für viele Betroffene<br />
geworden. Marlies Günter, die Vorsitzende<br />
des Kreisverbandes, warb um stärkere<br />
Einbeziehung der Lehrerinnen und Lehrer in ihre<br />
Arbeit.<br />
Bei der lokalen »Agenda 21«<br />
reden die Bürger mit<br />
Auf Kreisebene wird die lokale »Agenda 21«<br />
umgesetzt. Am 10. Mai fand im alten Bahnhof<br />
Kues die Auftaktveranstaltung statt. Die Bürgerinnen<br />
und Bürger des Kreises haben künftig<br />
die Möglichkeit, in Bürgerforen bei der Kreisentwicklung<br />
mitzureden. Die Kreisentwicklung<br />
soll in Beziehung zur »Agenda 21« gesetzt werden.<br />
Das bedeutet, dass Ökonomie, Ökologie<br />
und Soziales bei Entscheidungen stets berücksichtigt<br />
werden sollen.<br />
Bürgerinnen und Bürger informieren sich über die<br />
»Agenda 21«<br />
Auch die Landrätin ist mal sprachlos<br />
Der Kreisfeuerwehrverband (KFV) <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> beging Ende Mai 1999 in Dierscheid<br />
sein 20-jähriges Bestehen. Hunderte von Feuerwehrleuten<br />
aus dem <strong>Landkreis</strong> nahmen daran<br />
teil. Der Vorsitzende des Verbandes und in<br />
Personalunion auch Ortsbürgermeister von<br />
Dierscheid, Hermann Lossbrand, präsentierte<br />
die Chronik »Die Feuerwehren des Kreises<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>«. Landrätin Beate Läsch-<br />
Weber würdigte das ehrenamtliche Engagement<br />
der Feuerwehrfrauen und -männer, ohne<br />
die weder die Kommunen noch die Länder in<br />
der Lage seien, ihre Verpflichtungen zur Gefahrenabwehr<br />
gegenüber der Bevölkerung angemessen<br />
zu erfüllen. Als sie vom Kreisvorsitzenden<br />
für ihr außergewöhnliches Engagement für<br />
die Feuerwehren die Ehrenmedaille des Deutschen<br />
Feuerwehrverbandes erhielt, fragte sie in<br />
Heidweilerer Dialekt: »Hat´ ihr Männer schon<br />
mal en sprachlos Frau gesehn?«<br />
30 Jahre Sonderschule G<br />
in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
Im November 1968 nahm die Schule in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
ihren Unterricht mit 10 Kindern<br />
auf, 1969 zog sie in das neue Schulgebäude<br />
auf dem Kueser Plateau. Seitdem ist die Sonderschule<br />
G fest in der Schullandschaft des<br />
<strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> verankert. Am<br />
21
19. Juni fand in der Akademie Kues in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
eine Feierstunde zum 30. Geburtstag<br />
mit der Eröffnung der Ausstellung »Die Welt unserer<br />
Kinder in Farben« statt.<br />
Bürgerberatung im Kreishaus<br />
Seit Anfang Juni ist im Eingangsbereich des<br />
Kreishauses eine Bürgerberatung eingerichtet.<br />
Als zentrale Anlaufstelle bietet sie den Bürgerinnen<br />
und Bürgern kürzere Wege und gegenüber<br />
der Gesamtverwaltung verlängerte Öffnungszeiten<br />
für unterschiedliche Anliegen an<br />
die Kreisverwaltung.<br />
Sommerfest der Kreismusikschule<br />
»Mach Musik!« Unter diesem Motto veranstaltete<br />
die Kreismusikschule in Kooperation mit<br />
22<br />
Eröffnungsfahrt RegioLinie <strong>Wittlich</strong>-Bitburg<br />
Am 5. August 1999 startete zur Eröffungsfahrt<br />
der neuen RegioLinie <strong>Wittlich</strong>-Bitburg der erste<br />
Bus von <strong>Wittlich</strong> nach Bitburg. Die beiden<br />
größten Mittelzentren der Eifel, <strong>Wittlich</strong> und Bitburg,<br />
sind nun, nachdem im Jahr zuvor die RegioLinie<br />
Daun-Morbach ihren Betrieb aufgenommen<br />
hatte, durch die neue Buslinie des Öffentlichen<br />
Personen-Nahverkehrs gut miteinander<br />
verbunden.<br />
Neue Bürgerberatung im Foyer des Kreishauses<br />
dem Kreismusikverband und dem Sängerkreis<br />
anlässlich des deutschen Musikschultages am<br />
12. Juni ein Sommerfest in <strong>Bernkastel</strong>-Kues.<br />
Auftritt des Orchesters der Kreismusikschule auf der Terrasse der Akademie Kues
Chronik der Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
1998/1999<br />
Römische Weinkelter im »Erdener<br />
Treppchen«<br />
Nur wenige Meter neben der vor wenigen Jahren<br />
in der Weinlage »Erdener Treppchen« an<br />
der Mosel gefundenen römischen Kelteranlage<br />
fand man im Sommer 1998 bei den Flurbereinigungsarbeiten<br />
weitere Bauwerke aus römischer<br />
Zeit. Oberkustos Dr. Karl-Josef Gilles<br />
stellte bei den sofort eingeleiteten Ausgrabungen<br />
fest, dass es sich um eine noch ältere Kelteranlage<br />
handelte, was durch Münzen, Gefäßteile<br />
und andere Kleinfunde belegt wurde.<br />
Schließlich stand fest, dass diese ältere Kelteranlage<br />
bereits im zweiten Jahrhundert betrieben<br />
wurde. In der weltbekannten Weinlage »Er-<br />
Veranstaltungszentrum »Güterhalle am<br />
alten Bahnhof« in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
Im August 1998 wurde die »Güterhalle am alten<br />
Bahnhof« in <strong>Bernkastel</strong>-Kues als neue Veranstaltungshalle<br />
in Betrieb genommen. Das unter<br />
Denkmalschutz stehende Wirtschaftsgebäude<br />
des früheren Bahnhofes wurde damit einer<br />
neuen Zweckbestimmung zugeführt. Mit diesem<br />
Projekt ist ein weiterer Schritt zur Gestaltung<br />
und Nutzung des ehemaligen Bahngeländes<br />
im Stadtteil Kues getan. Neben einer vielfältigen<br />
Nutzung bietet die Halle insbesondere<br />
auch die Möglichkeit, größere Jugendveranstaltungen<br />
durchzuführen. Die aus Mitteln der<br />
Stadtsanierung geförderten Projektkosten lagen<br />
bei 1,2 Millionen Mark.<br />
Ministerpräsident Beck zu Besuch in der<br />
Verbandsgemeinde<br />
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident<br />
Kurt Beck informierte sich am 30. Oktober<br />
1998 bei einem Besuch des <strong>Landkreis</strong>es über<br />
zukünftige Verkehrslösungen im Raum Zeltingen-Rachtig,<br />
B 50 (Neu) und Hochmoselübergang,<br />
die Ortsumgehung Wehlen sowie über<br />
Verkehrsverbesserungen im Raum <strong>Bernkastel</strong>-<br />
Kues. Landrätin Beate Läsch-Weber, Regierungspräsident<br />
Heinrich Studentkowski, MdL<br />
Günter Rösch und Bürgermeister Grün berichteten<br />
aus örtlicher Sicht über die einzelnen Projekte<br />
und den derzeitigen Verfahrensstand.<br />
dener Treppchen« befindet sich damit die bisher<br />
älteste römische Kelteranlage nördlich der<br />
Alpen.<br />
Oberkustos Dr. Karl-Josef Gilles (rechts) bei der<br />
Besichtigung der Ausgrabungen.<br />
Helga Gerten zu Gast beim<br />
Bundespräsidenten<br />
Der Bundespräsident Roman Herzog hatte<br />
zum Neujahrsempfang 1999 auch Männer und<br />
Frauen eingeladen, die sich durch ehrenamtliche<br />
Tätigkeit verdient gemacht haben. Zum<br />
Kreis der Ehrengäste gehörte auf Vorschlag<br />
von Bürgermeister Grün auch Helga Gerten,<br />
die als Lehrerin an der Grundschule Wintrich<br />
wirkt. Bundespräsident Herzog begrüßte die<br />
Gäste in seinem Amtssitz, Schloss Bellevue in<br />
Berlin, und würdigte die ehrenamtliche Tätigkeit<br />
der Gäste, wobei er in besonderer Weise<br />
die beispielgebende und über 30jährige Jugendarbeit<br />
von Helga Gerten herausstellte.<br />
Helga Gerten im Gespräch mit Roman Herzog<br />
23
Symbolische Streckenfreigabe der neuen A 105 in Kommen<br />
Einweihung der neuen K 105 in Kommen<br />
Der Ausbau der Kreisstraße 105 in der Ortslage<br />
Kommen war ein Ereignis, das mit der festlichen<br />
Freigabe am 25. April 1999 gebührend<br />
gefeiert wurde.<br />
Die 740 Meter lange Strecke durch die Gemeinde<br />
Kommen kostete etwas mehr als eine<br />
Million Mark, so die Landrätin Beate Läsch-<br />
Weber bei der Schilderung des Gesamtaufwandes.<br />
Finanziert wurde die Maßnahme aus<br />
Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz und des<br />
<strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Zudem wurden<br />
für die Neuverlegung der Kanalisation<br />
650 000 DM durch das Abwasserwerk der Verbandsgemeinde<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues investiert.<br />
Ortsbürgermeister Gerhard Leyendecker dankte<br />
der Landrätin für die Investionsbereitschaft<br />
des <strong>Landkreis</strong>es und Bürgermeister Rainer<br />
Grün für die Unterstützung der Maßnahmen<br />
des Abwasserwerkes.<br />
Neue Aufbereitungsanlage der Wellersbach-Ouellen<br />
in Monzelfeld<br />
Die Wellersbachquellen dienten schon vor 100<br />
Jahren der Versorgung von <strong>Bernkastel</strong> und<br />
Kues. Eine Sanierung und Erneuerung der Aufbereitungsanlage<br />
war notwendig geworden. In<br />
Abstimmung mit dem Staatlichen Amt für Was-<br />
24<br />
Bürgermeister Rainer Grün und Stadtbürgermeister<br />
Dr. Helmut Gestrich nehmen die Anlage Wellersbach<br />
in Betrieb
ser- und Abfallwirtschaft Trier wurde die neue<br />
Anlage geplant und 1997 mit den Bauarbeiten<br />
begonnen. Zwischen 450 und 600 cbm bestes<br />
Trinkwasser liefern die Wellersbachquellen<br />
täglich. Die Aufbereitungsanlage und die Erneuerung<br />
der Transportleitung kostete rund 2,5<br />
Millionen Mark. Bürgermeister Rainer Grün und<br />
Werkleiter Heribert Kappes vom Wasserwerk<br />
konnten bei der Einweihung am 28. April 1999<br />
ein gelungenes Werk vorstellen, das in erheblichem<br />
Maße die Qualitätssicherung der Wasserversorgung<br />
in der Verbandsgemeinde mit<br />
garantiert.<br />
Auszeichnung für Partnerschaft mit<br />
Otmuchow/Polen<br />
Für »außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet<br />
kommunaler Partnerschaften« wurde die<br />
Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues von Innenminister<br />
Walter Zuber am 10. Mai 1999 ausgezeichnet.<br />
In der Feierstunde bei der Landesregierung<br />
würdigte der Minister die Bemühungen<br />
zur Gestaltung der partnerschaftlichen Aktivitäten<br />
mit der Gemeinde Otmuchow/Polen<br />
und überreichte Bürgermeister Rainer Grün einen<br />
Geldpreis von 5 000 DM zur weiteren För-<br />
derung der Partnerschaft. Eine willkommene<br />
Zuwendung, die nach dem Wunsch von Bürgermeister<br />
Grün im Rahmen der Partnerschaft<br />
für die Jugendarbeit eingesetzt wird.<br />
Dienstleistungszentrum für Touristen und<br />
Einheimische Brauneberg eröffnet<br />
Brauneberg verfügt seit Ende Mai 1999 über<br />
ein Dienstleistungszentrum und hat damit die<br />
örtliche Infrastruktur für Einheimische, insbesondere<br />
aber auch für den Tourismus wesentlich<br />
gestärkt.<br />
In Anwesenheit von Staatssekretär Günter Eymael,<br />
Bürgermeister Rainer Grün, Sparkassendirektor<br />
Winfried Gassen und zahlreichen Gästen<br />
würdigte Ortsbürgermeister Kurt Kranz<br />
das gelungene Werk und die gute Zusammenarbeit.<br />
Die Landesregierung, so Staatssekretär Eymael,<br />
hat mit einem Zuschuss von 318 600 DM<br />
das Projekt gefördert und damit die außerordentliche<br />
Anstrengung zur Förderung des<br />
Fremdenverkehrs in der Weinbaugemeinde<br />
Brauneberg anerkannt und unterstützt.<br />
Die Verbandsgemeinde trug mit 100 000 DM<br />
zur Finanzierung bei und die Kreissparkasse<br />
Minister Walter Zuber (rechts), Marie-Luise Herwig und Bürgermeister Rainer Grün bei der Preisverleihung<br />
für außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet kommunaler Partnerschaften.<br />
25
übernahm im Rahmen der integrierten Zweigstelle<br />
135000 DM der Baukosten. Damit war<br />
das nahezu eine Million Mark teure Projekt für<br />
Brauneberg finanzierbar. Verkehrsbüro mit<br />
Touristinformation, Boots- und Fahrradverleih<br />
und die Zweigstelle der Kreissparkasse bieten<br />
in der Ortsmitte damit für Einheimische und<br />
Gäste einen umfassenden Service.<br />
Landestrachtentreffen in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
Am 6. Juni 1999 herrschte Hochstimmung in<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues. Erstmals fand hier das Landestrachtentreffen<br />
verbunden mit dem gleichzeitig<br />
begangenen Altstadtfest statt, das mit<br />
dem Verband für Volkstum und Heimat in<br />
Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde.<br />
Höhepunkt war der farbenprächtige Festzug<br />
durch die Altstadt, an dem 104 Gruppen mit<br />
über 15 000 Akteuren teilnahmen.<br />
Stadtbürgermeister Dr. Helmut Gestrich bedankte<br />
sich bei den Organisatoren und Teilnehmern<br />
mit einem Empfang in der neuen Vi-<br />
26<br />
nothek im Weinmuseum für diese wunderbare<br />
Veranstaltung.<br />
Natur- und Walderlebnispfad auf dem<br />
Lieserer Plateau<br />
Auf Initiative des Revierleiters Martin Hermanns<br />
– Forstrevier Noviand – wurde ein Natur- und<br />
Walderlebnispfad auf dem Lieserer Plateau am<br />
25. Juni 1999 seiner Bestimmung übergeben.<br />
Ein Erlebnispfad der besonderen Art mit Duftgarten,<br />
Barfußfühlpfad, Lauschecke, Baumtastspielen<br />
und weiteren Erlebnisspielen für Erwachsene<br />
und Kinder ermöglichen es, den<br />
Wald einmal anders kennen zu lernen.<br />
Auf informierenden Holztafeln erfährt der Waldbesucher<br />
außerdem etwas über die Ökologie<br />
des Waldes und dessen Bedeutung für Mensch<br />
und Tier.<br />
Das Projekt wurde vom Ministerium für Umwelt<br />
und Forsten, Rheinland-Pfalz, und aus dem<br />
Umweltetat der Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
finanziell gefördert.<br />
Beim ersten Landestrachtentreffen in <strong>Bernkastel</strong>-Kues zeigten die Trachtengruppen ihr tänzerisches<br />
Können in der Altstadt.
Chronik der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf 1998/1999<br />
August 1998<br />
47. Reiler Moto Cross<br />
Zum 47. Male wurde in Verbindung mit dem<br />
Wein- und Heimatfest das bekannte Moto<br />
Cross in Reil veranstaltet. Mit dem Lauf zur<br />
Deutschen Seitenwagenmeisterschaft und<br />
dem Lauf zum Moto-Cross-Pokal in der 250er<br />
Klasse und einem Lauf zum »Heißen Stein Pokal«<br />
wurde wiederholt hervorragender Motorsport<br />
geboten.<br />
Neue Weinkönigin in Reil<br />
Im Rahmen des Wein- und Heimatfestes Reil<br />
erhielt Nina Schneiders die Ernennung zur neuen<br />
Weinkönigin.<br />
6. Traktoren-Treffen in Kröv<br />
Die Freunde alter Zugmaschinen und Traktoren<br />
trafen sich zum 6. Male wieder in Kröv. Mit der<br />
Teilnahme von 240 historischen Bulldogs und<br />
Schleppern erreichte das Treffen 1998 eine Rekordteilnahme.<br />
Dachdeckermeister als Erfinder<br />
Dachdeckermeister Simon aus Bengel-Neidhof<br />
erfand das perfekte Arbeits- und Schutzgerüst<br />
für die Dachdeckerbranche.<br />
Eiserne Hochzeit in Kröv<br />
Das seltene Fest der eisernen Hochzeit durfte<br />
das Ehepaar Leo Schnitzius und Maria, geborene<br />
Weißkopf, feiern.<br />
September 1998<br />
40 Jahre Familienferienwerk<br />
Springiersbach<br />
Das Familienferienwerk Springiersbach beging<br />
sein 40-jähriges Bestehen. Der Leiter, Michael<br />
Koch, begrüßte 400 Gäste.<br />
Neues Löschfahrzeug für Bengel<br />
Bürgermeister Otto-Maria Bastgen übergab<br />
der Freiwilligen Feuerwehr in Bengel ein neues<br />
Tragkraftspritzenfahrzeug.<br />
Weinprobenwanderung in Kinheim<br />
Höhepunkt des Kinheimer Winzerfestes war<br />
die kulinarische Erlebnisweinprobe in Form einer<br />
Weinprobenwanderung.<br />
Neuer Schlauchwagen für Kinheim<br />
Im Rahmen des Winzerfestes wurde der Freiwilligen<br />
Feuerwehr Kinheim-Kindel ein neuer<br />
Schlauchwagen übergeben.<br />
Traditionstreffen der ehemaligen<br />
Feuerwehrleute<br />
Die Mitglieder der Altersabteilungen der Feuerwehren<br />
der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf<br />
besichtigten das Moselkraftwerk in Fankel.<br />
Königspaar der Schützenbruderschaft Kröv<br />
Paul und Marga Thielen sind das neue Königspaar<br />
der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft<br />
Kröv.<br />
Oktober 1998<br />
Orgeleinweihung im Kloster Springiersbach<br />
Die alte Orgel der Klosterkirche Springiersbach<br />
hatte nach 55 Jahren ausgedient. Durch die<br />
großzügige Spendenbereitschaft der Bevölkerung<br />
konnte eine neue Sandtner-Orgel im Rahmen<br />
eines feierlichen Gottesdienstes ihrer Bestimmung<br />
übergeben werden.<br />
27
Friseurmeister Erwin Ludwig 65 Jahre im<br />
Beruf<br />
Ein seltenes Berufsjubiläum konnte Friseurmeister<br />
Erwin Ludwig aus Bausendorf feiern. Mit<br />
seinen 80 Jahren war er insgesamt 65 Jahre in<br />
seinem Beruf tätig.<br />
Kläranlagen eingeweiht<br />
Für die Ortsteile Bonsbeuern und Krinkhof (Gemeinde<br />
Hontheim) wurden Klein-Kläranlagen<br />
eingeweiht.<br />
Mundart-Abend in Kröv<br />
Verschiedene Autoren aus den Moselorten trafen<br />
sich in Kröv zu einem Mundart-Abend, an<br />
dem auch das Buch »Winzajoa« (Das Jahr des<br />
Winzers in moselfränkischer Mundart) von Gudrun<br />
Hüls-Beth vorgestellt wurde.<br />
November 1998<br />
Besondere Ehrung für besondere<br />
Verantwortung<br />
Erstmals bekamen in der Verbandsgemeinde<br />
Kröv-Bausendorf verdiente Wehrleiter und<br />
Wehrführer sowie deren Stellvertreter Auszeichnungen<br />
für eine 10-, 15-, 20- und 25-jährige<br />
Tätigkeit durch Bürgermeister Otto Maria<br />
Bastgen verliehen. Für 25-jährige Wehrführertätigkeit<br />
erhielten Johann Hermann, Hetzhof,<br />
für 20-jährige Wehrführertätigkeit Klaus Zimmer,<br />
Manfred Condne sowie Wehrleiter Helmut<br />
Röhl Ehrungen.<br />
28<br />
Priesterjubiläum<br />
Pater Norbert Stahlhofen feierte das Jubiläum<br />
der 70-jährigen Profess.<br />
Neuer Pfarrer<br />
Als neuer Pfarrer für Laufeld, Greimerath (dazu<br />
gehören die Gemeinden Diefenbach und Willwerscheid)<br />
wurde Ulrich Schäfer eingeführt.<br />
Vinorell-Malerei<br />
Der einheimische Maler Heinz Ames, Kinheim,<br />
stellte seine mit Wein gemalten Bilder in der<br />
Kreisverwaltung in <strong>Wittlich</strong> aus.<br />
Neuer Dorfbrunnen für Kövenig<br />
Im Rahmen der Dorferneuerung weihte die Gemeinde<br />
Kövenig ihren neuen Dorfbrunnen ein.<br />
Das Brunnen-Relief zeigt die Spötterei-Szene<br />
zwischen den »Köveniger Kuckucken« und den<br />
»Kröver Eseln«.<br />
Schlauchwagen wechselte Besitzer<br />
Der Schlauchwagen der Freiwilligen Feuerwehr<br />
Kinheim wurde der Freiwilligen Feuerwehr Reil<br />
übergeben.<br />
Dezember 1998<br />
Buchvorstellung »Geschichte des Kröver<br />
Reiches«<br />
In der Ratsherrenstube Kröv stellte Prof. Dr. Erwin<br />
Schaaf, Kinderbeuern, sein Buch »Geschichte<br />
des Kröver Reiches« vor. In einer Fei-<br />
Vorstellung der<br />
Chronik »Geschichte<br />
des Kröver Reiches«<br />
v. l. n. r.: Prof. Dr. Helmut<br />
Mathy,<br />
Richard Johnen,<br />
Prof. Dr. Erwin Schaaf,<br />
Bürgermeister<br />
Otto-Maria Bastgen
erstunde würdigte Bürgermeister Otto-Maria<br />
Bastgen die Verdienste des Autors. Er hob hervor,<br />
dass dieses Werk nicht nur die Geschichte<br />
der Gemeinde Kröv beschreibt, sondern auch<br />
die der Gemeinden Bengel, Erden, Kinderbeuern-Hetzhof,<br />
Kinheim, Kövenig und Reil.<br />
Klassifizierung der Beherbergungsbetriebe<br />
Die Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf führte<br />
mit finanzieller Unterstützung der Arbeitsverwaltung<br />
die Klassifizierung der Beherbergungsbetriebe<br />
durch.<br />
Theateraufführung<br />
Zu jahrzehntelanger Tradition setzte der Theaterverein<br />
Reil in diesem Jahre den Schwank<br />
»De Gesundhäät« in Szene.<br />
Januar 1999<br />
1. AH-Fußballturnier<br />
Das 1. AH-Turnier der Verbandsgemeinde<br />
Kröv-Bausendorf gewann die AH-Mannschaft<br />
des TuS Kröv.<br />
Flutlicht erhellt Kinheim-Kindeler<br />
Sportplatz<br />
Eine neue Flutlichtanlage sorgt auf dem Sportplatz<br />
Kinheim-Kindel für längere Abendsportzeiten.<br />
Februar 1999<br />
Kröver Schützen bauten<br />
Nach zweimonatiger Bauzeit wurde der Pistolenstand<br />
der Kröver Schützenbruderschaft fertig<br />
gestellt.<br />
Pfarrkirche Kröv erstrahlt in neuem Glanz<br />
Die Renovierung der Pfarrkirche St. Remigius<br />
Kröv wurde nach einjähriger Bauzeit abgeschlossen.<br />
März 1999<br />
Verdienstmedaille des Landes<br />
Jürgen Eltges, Diefenbach, bekam als Auszeichnung<br />
die Verdienstmedaille des Landes<br />
Rheinland-Pfalz.<br />
Verleihung der Verdienstmedaille: v. l. n. r.: Kreisbeigeordneter Siegfried Schneider, Ehepaar Eltges,<br />
Bürgermeister Otto-Maria Bastgen, Regierungsvizepräsident Theodor München<br />
29
Abriss<br />
Nach zweijähriger Planungs- und Vorbereitungsphase<br />
wurden das ehemalige Jugendheim<br />
und der alte Kindergarten Kröv abgerissen.<br />
An ihre Stelle soll das neue Seniorenheim<br />
St. Josef errichtet werden.<br />
April 1999<br />
Partnerschaft Harelbeke - Kinheim<br />
Eine Abordnung der Partnerstadt Harelbeke/<br />
Belgien besuchte Kinheim.<br />
Kreuzweg<br />
Der Theaterverein Reil ließ die steinernen Reliefs<br />
des alten Kreuzweges Reil restaurieren.<br />
Mai 1999<br />
Kinderspielplatz eingeweiht<br />
Der Kinderspielplatz in Flußbach wurde auf den<br />
Namen »Schlawiner-Platz« getauft. 40 freiwillige<br />
Helfer hatten ihn vollständig in Eigenleistung<br />
gebaut.<br />
Gemeinsamer Saalbau von Orts- und<br />
Kirchengemeinde Kinheim<br />
Nach einjähriger Bauzeit wurde der neue Saal<br />
des Pfarrheimes Kinheim seiner Bestimmung<br />
übergeben. Da dieses Projekt über den Eigenbedarf<br />
für kirchliche Zwecke hinausgeht, wur-<br />
Das um einem Saal erweiterte Kinheimer Pfarrheim<br />
30<br />
de es zusammen mit der Ortsgemeinde unter<br />
der Federführung der Kirchengemeinde gebaut.<br />
V. l. n. r.: Wehrführer Horst-Leo Trossen, Architekt<br />
Werner Simon und Bürgermeister Otto-Maria<br />
Bastgen bei der symbolischen Schlüsselübergabe<br />
für das neue Feuerwehrgerätehaus<br />
Neues Feuerwehrgerätehaus<br />
Im Rahmen einer offiziellen Einweihungsfeier<br />
konnte Bürgermeister Otto-Maria Bastgen das<br />
neue Feuerwehrhaus Kinheim der Freiwilligen
Feuerwehr Kinheim übergeben. Die Freiwillige<br />
Feuerwehr Kinheim unterstützte das Projekt<br />
mit 1 500 Arbeitsstunden in ehrenamtlicher<br />
Tätigkeit.<br />
Oldtimer-Treffen<br />
Zum 7. Oldtimer-Treffen hatte der Musikverein<br />
Kinheim eingeladen.<br />
Mitternachtslauf<br />
Der 15. Mitternachtslauf lockte über 1 600 Läufer<br />
nach Kröv.<br />
Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz<br />
Mit der Ehrennadel des Landes Rheinland-<br />
Pfalz erhielt Ortsbürgermeister Reinhard Burg<br />
aus Reil eine Auszeichnung für seine kommunalpolitischen<br />
Verdienste.<br />
Juni 1999<br />
Ölmühle Springiersbach<br />
Die Bauarbeiten an der ehemaligen Ölmühle in<br />
Springiersbach begannen.<br />
Fährbetrieb<br />
Zwischen Kövenig und Enkirch wurde nach Inbetriebnahme<br />
einer neuen Fähre der Fährverkehr<br />
wieder aufgenommen.<br />
Stichwahl<br />
Zwischen den Bewerbern des Ortsbürgermeisteramtes<br />
in Kröv, Elmar Trossen und Ernst Josef<br />
Römer, kam es nach den Kommunalwahlen<br />
zu einer Stichwahl. Der bisherige Ortsbürgermeister<br />
gewann sie mit zwei Stimmen Mehrheit.<br />
Juli 1999<br />
Dreharbeiten für Fernsehfilm in Reil<br />
Ein Fernseh-Team produzierte in Reil den<br />
Spielfilm »Halt mich fest«.<br />
Trachtentreffen der Mosel in Kröv<br />
Kröv feierte sein »46. Internationales Trachtentreffen<br />
der Mosel«.<br />
Verleihung der<br />
Ehrennadel;<br />
v. l. n. r. im Vordergrund:<br />
Bürgermeister<br />
Otto Maria Bastgen,<br />
Reinhard Burg,<br />
Landrätin<br />
Beate Läsch-Weber<br />
Open-Air auf der schwimmenden<br />
Moselbühne<br />
Unter dem Motto »Zauber einer Sommernacht«<br />
gastierte das Jugendsinfonieorchester der Mosel-Festwochen-Orchesterakademie<br />
unter der<br />
Leitung von Dirk Kaftan auf der schwimmenden<br />
Moselbühne. Vor 1 100 begeisterten Zuhörern<br />
boten die meist jugendlichen Musiker<br />
Klassik vom Feinsten. Das Konzert schloss mit<br />
einem gelungenen Feuerwerk.<br />
31
Karneval im Sommer<br />
Sein 11-jähriges Jubiläum feierte der Karnevalsverein<br />
»Maanischder Schauten« am 11./12.<br />
Juli 1998. Gezielt war das Jubiläumsfest in den<br />
Sommer gelegt worden, damit alle Karnevalsjecken<br />
beim Umzug durch die Stadt einmal<br />
nicht zu frieren brauchten.<br />
70. Geburtstag des Musikvereins Meerfeld<br />
Mit einem großen Fest beging der Verein im<br />
August den Jubeltag. Höhepunkt der Feierlichkeiten<br />
waren die zahlreichen Ehrungen der verdienten<br />
Musikerinnen und Musiker. Besonderer<br />
Dank ging an den Dirigenten, Hans Hooghoff,<br />
der den Verein bereits seit 27 Jahren musikalisch<br />
begleitet.<br />
Minister Brüderle besichtigte auf seiner<br />
»Bäder-Reise« die jüngste Kurstadt<br />
Der rheinland-pfälzische Minister für Wirtschaft,<br />
Verkehr, Weinbau und Landwirtschaft,<br />
Rainer Brüderle, besuchte Anfang August 1998<br />
Manderscheid. Vor Ort informierte er sich über<br />
das Städtebauförderungsprogramm sowie<br />
über die Straßenbaumaßnahmen.<br />
Nach der Besichtigung und Erläuterung des<br />
Maarmuseums fuhr Minister Brüderle weiter<br />
nach Himmerod, begutachtete auch hier die<br />
geleisteten Arbeiten im Innenbereich der Klosteranlage<br />
und besichtigte die im Bau befindliche<br />
»Alte Mühle«.<br />
Neuer Proberaum eingeweiht<br />
Unter großer Beteiligung der Dorfbevölkerung<br />
wurde der neu gestaltete Proberaum des Musikvereins<br />
Eckfeld feierlich eingesegnet und in<br />
Betrieb genommen.<br />
Einweihung der Internationalen Begegnungsstätte<br />
»Alte Mühle« Abtei Himmerod<br />
– Eröffnung der Straße der Zisterzienser –<br />
Mit der Eröffnung der »Straße der Zisterzienser«<br />
am 14. August 1998 anlässlich des Jubiläums<br />
900 Jahre Zisterzienser (1098-1998)<br />
und der Anbringung der Logo-Tafel am Pfortengebäude<br />
des Klosters wurde die Initiative<br />
des Europarates erstmals auch in Rheinland-<br />
32<br />
Chronik der Verbandsgemeinde Manderscheid<br />
1998/1999<br />
Pfalz aufgegriffen und realisiert. Die Zisterzienserstraßen<br />
sind Beleg für ein frühes europäisches<br />
Kulturerbe und Teil der »monastischen<br />
Straßen«, die heutigen »Glaubensstraßen«.<br />
Sie sind unverzichtbar für das neue<br />
europäische Integrationswerk.<br />
Allen, die seit 1993 an der Verwirklichung des<br />
Projektes »Alte Mühle« mitgewirkt hatten,<br />
dankte Bürgermeister Walter Densborn in seiner<br />
Ansprache. Nach der Einweihung des<br />
Mühlengebäudes wurden das Museum und die<br />
Internationale Begegnungsstätte der Öffentlichkeit<br />
freigegeben.<br />
Die Feierlichkeiten setzten sich in der Himmeroder<br />
Woche mit Himmeroder Markt (organisiert<br />
durch die Landfrauen der Verbandsgemeinde,<br />
die übrigens ihren Gewinn von 7 000<br />
DM der Einrichtung spendeten), Novalis-Abend<br />
mit Michael Knopp, Klavierkonzert mit Martin<br />
Stadtfeld und Vortrag des Gemeinschaftschores<br />
der Verbandsgemeinde fort.<br />
900 Jahre Gipperath<br />
Vom 21. bis 23. August 1998 feierte die Gemeinde<br />
Gipperath ihren 900sten Geburtstag.<br />
Im Jahre 1098 bestätigte Kaiser Heinrich III. auf<br />
Bitte des Erzbischofs Egilbert von Trier dem Simeonstift<br />
in Trier Besitzungen in Gipperath,<br />
das damals Gevenrothe genannt wurde.<br />
Tag der offenen Tür<br />
Die »Biologisch-Ökologische Station Mosenberg/Bettenfeld«<br />
des Instituts für Biologie der<br />
Universität Koblenz-Landau stellte sich Anfang<br />
September 1998 der Öffentlichkeit vor. Neben<br />
der Besichtigung der Station wurden auch das<br />
Stationsboot »Navicula« und die Arbeit am<br />
Meerfelder Maar erklärt.<br />
Festumzug durch die junge Stadt<br />
Das diesjährige Burgenfest wurde mit einem<br />
historischen Umzug am Abend vor seiner Eröffnung<br />
eingeleitet, an dem die Düsseldorfer Lehensritter<br />
sowie viele einheimische Gruppierungen<br />
und Künstler teilnahmen. So feierte<br />
Manderscheid mit seiner Stadtbevölkerung<br />
nochmals die Verleihung der Stadtrechte.
Der vom Dauner Café Schuler gestiftete Festkuchen wurde beim Festumzug zugunsten des Maarmuseums<br />
verkauft.<br />
Landwirtschaftskammer vergibt höchste<br />
Auszeichnung<br />
Der Unternehmer Ernst-Josef Meeth wurde<br />
durch Ökonomierat Günther Schartz, Landwirtschaftskammer<br />
Rheinland-Pfalz, geehrt. Er erhielt<br />
diese Auszeichnung für die patentierte<br />
Herstellung von Fensterprofilen aus Pflanzenfasern<br />
von Stroh und Chinagras (Miscanthus)<br />
sowie Recyclingmaterial.<br />
Ökonomierat Günther Schartz ehrt den<br />
Unternehmer Ernst-Josef Meeth<br />
33
Einweihung der Kläranlagen Schladt und<br />
Scheidweiler<br />
Die beiden letzten Kläranlagen in der Verbandsgemeinde<br />
Manderscheid wurden am 11.<br />
September 1998 offiziell ihrer Bestimmung<br />
übergeben.<br />
Bundesverdienstkreuz verliehen<br />
Karl-Heinz Lehmann aus Manderscheid erhielt<br />
im Oktober 1998 die Auszeichnung mit dem<br />
Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland<br />
für sein ehrenamtliches Engagement in<br />
verschiedenen Funktionen der Jägerschaft.<br />
Gründungsversammlung<br />
Im November gründete sich in Laufeld der Verein<br />
»Naturlehrpfad Laufeld e. V.« mit der Aufgabenstellung:<br />
Pflege und Wartung des bestehenden<br />
Naturlehrpfades, Erweiterung und Ausbau<br />
zu einem Erlebnispfad sowie Förderung<br />
der Ferienregion Vulkaneifel.<br />
St.-Rochus-Kapelle in Hasborn<br />
Als Kultur- und Begegnungsstätte wurde die<br />
renovierte St.-Rochus-Kapelle feierlich eingeweiht.<br />
Sie soll neben der Alten Mühle Himmerod<br />
als weiterer Veranstaltungsort des »Himmeroder<br />
Forums« genutzt werden und stellt ei-<br />
34<br />
ne wesentliche Bereicherung des kulturellen<br />
und geistigen Lebens in der Verbandsgemeinde<br />
Manderscheid dar.<br />
Gruppenkläranlage Scheidweiler<br />
Alterskameradschaft besteht 10 Jahre<br />
Die Alterskameradschaft der Freiwilligen Feuerwehren<br />
der Verbandsgemeinde Manderscheid<br />
feierte ihr 10-jähriges Bestehen im Rahmen<br />
einer Festveranstaltung.<br />
ACM hilft kranken Kindern<br />
Den Erlös aus dem Glühweinstand des Manderscheider<br />
Adventsmarktes stiftete der Automobilclub<br />
Manderscheid in Zusammenarbeit<br />
mit der Familie Gusovius dem Förderverein<br />
»Villa Kunterbunt« Trier.<br />
»Der Eifelheinrich«...<br />
...so lautete der Titel einer Veranstaltung im Januar<br />
1999, in der die Arbeit von Heinrich-Josef<br />
Thielen, Bürgermeister des Amtes Manderscheid<br />
(1832-1898), in Momentaufnahmen,<br />
Skizzen und Bildern gewürdigt wurde. Erarbeitet<br />
wurde der Vortrag durch das Heimatmuseum<br />
Manderscheid.
Theatergruppe Ober-/Niederscheidweiler<br />
Bis in die 50er Jahre wurde in den beiden Dörfern<br />
Ober-/Niederscheidweiler Theater gespielt.<br />
In diesem Jahr wurde die Tradition mit<br />
Aufführungen im Bürgersaal von Niederscheidweiler<br />
wiederbelebt.<br />
In Pantenburg ging der Kampf ums Erbe<br />
weiter<br />
Das Panten-Burg-Theater inszenierte die Fortsetzung<br />
der hochgiftigen Komödie aus der Vulkaneifel.<br />
Neue Computer für die Hauptschule<br />
Manderscheid<br />
Sechs neue Multimedia PC und drei Drucker<br />
erhielt die Hauptschule für die informationstechnische<br />
Grundbildung der Schüler. Mit dieser<br />
Aufrüstung besitzt sie wieder eine moderne<br />
und leistungsfähige Anlage, die den Weiterentwicklungen<br />
der Software gerecht wird.<br />
Der Musikverein Laufeld...<br />
...veranstaltete ein Benefizkonzert und konnte<br />
die stolze Summe von 2 000 DM an den »Verein<br />
zur Förderung der Schule G« überreichen.<br />
1. Seniorentag der Verbandsgemeinde<br />
Die Vereinten Nationen hatten das Jahr 1999<br />
zum Internationalen Jahr der »Älteren Menschen«<br />
erklärt. Aus diesem Anlass veranstaltete<br />
die Verbandsgemeinde Manderscheid am 29.<br />
Mai 1999 den 1. Seniorentag mit einem Busausflug.<br />
Die Bewohner links der Lieser besuch-<br />
Das Original-<br />
Urpferdchen<br />
hat seinen Platz<br />
im Maarmuseum<br />
gefunden<br />
ten die Ortschaften rechts vom »Fluss« und umgekehrt.<br />
In Himmerod wurden das Kloster<br />
sowie die »Alte Mühle« besichtigt und Mittagsrast<br />
gehalten. Kaffee und Kuchen erwarteten<br />
die Senioren in der Turnhalle Großlittgen.<br />
Neue Grillhütte<br />
In Eisenschmitt wurde im Mai 1999 mit der Bevölkerung<br />
eine wunderschöne neue Grillhütte<br />
eingeweiht.<br />
25-jähriges Jubiläum<br />
1999 feierten die Kindergärten Großlittgen,<br />
Meerfeld und Greimerath 25-jähriges Bestehen.<br />
Für die Zukunft gut (aus)gerüstet<br />
Die Freiwillige Feuerwehr Bettenfeld weihte<br />
das neue Feuerwehrhaus ein und übernahm<br />
das Tragkraftspritzenfahrzeug-Wasser in seinen<br />
Bestand.<br />
Maarmuseum Manderscheid<br />
Den »Augen der Eifel« ist in Manderscheid ein<br />
eigenes Museum gewidmet. Wirtschaftsminister<br />
Hans-Artur Bauckhage zeigte sich bei der<br />
Eröffnung am 7. Juni 1999 beeindruckt von der<br />
gelungenen Gestaltung des Museums, das seinen<br />
Besuchern unter Einsatz modernster Technik<br />
die große natürliche Vielfalt und Bedeutung<br />
der Eifel-Maare vor Augen führt. Besonders attraktiv<br />
sind dabei die ausgestellten Fossilien<br />
des 45 Millionen Jahre alten Eckfelder<br />
Trockenmaares.<br />
35
900-Jahr-Feier in Morbach-Weiperath<br />
Pünktlich zur 900-Jahr-Feier von Weiperath<br />
vom 10.-13. Juli 1998 erschien die Chronik des<br />
Ortsbezirks, verfasst von Alois Schommer,<br />
Weiperath. Zur 900-Jahr-Feier bauten Weiperather<br />
Bürger das traditionelle Hammerwerk<br />
nach. Diese und viele weitere Attraktionen zogen<br />
zahlreiche Besucher nach Weiperath.<br />
Feuerwehrgerätehaus in<br />
Morbach-Hinzerath<br />
In Hinzerath wurde am 5. September 1998 das<br />
zum Feuerwehrgerätehaus umgebaute ehemalige<br />
Raiffeisenlager seiner Bestimmung übergeben.<br />
Polizeiinspektion Morbach umgezogen<br />
Die Polizeiinspektion Morbach bezog Mitte<br />
September ihr neues Dienstgebäude in der<br />
36<br />
Chronik der Gemeinde Morbach 1998/1999<br />
Hammerwerk in Morbach-Weiperath<br />
ehemaligen Straßenmeisterei Morbach und beendete<br />
damit ihre räumliche Notsituation im<br />
Rathaus.<br />
Freiwillige Feuerwehr,<br />
Löschgruppe Morbach-Hundheim<br />
Die Freiwillige Feuerwehr Morbach, Löschgruppe<br />
Hundheim, feierte am 4. Oktober 1998<br />
ihr 75-jähriges Bestehen.<br />
Ministerpräsident Kurt Beck besuchte<br />
Morbach<br />
Ministerpräsident Kurt Beck informierte sich im<br />
Rahmen seines Besuches des <strong>Landkreis</strong>es<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> am 30. Oktober 1998<br />
vor Ort über das Projekt Gewerbepark Hunsrück-Mosel<br />
(HuMos) und die Ansiedlung<br />
des ersten Großinvestors, die Firma Papier-<br />
Mettler.
Die Herren Mettler sen. und jun. erläutern Ministerpräsident<br />
Kurt Beck das Modell der Firmenansiedlung<br />
im Gewerbepark HuMos.<br />
75 Jahre MGV »Liederkranz« Morbach-<br />
Gonzerath<br />
Der Männergesangverein »Liederkranz« Gonzerath<br />
feierte am 7. November 1998 sein 75jähriges<br />
Bestehen.<br />
Feierliche Übergabe<br />
des Polizeidienstgebäudes<br />
Innenminister Zuber übergab am 16. November<br />
1998 in einer Feierstunde das Polizeidienstgebäude<br />
an die Polizeiinspektion Morbach.<br />
Innenminister Walter Zuber überreicht symbolisch<br />
den Schlüssel für das neue Polizeidienstgebäude.<br />
Kreisjugendmusiktag<br />
Am 12. und 13. Dezember 1998 fand im Ortsbezirk<br />
Morscheid-Riedenburg der Kreisjugendmusiktag<br />
statt.<br />
Erwerb des Morbacher Kindergartens<br />
Am 22. Dezember 1998 wurde der Kaufvertrag<br />
zwischen der katholischen Kirchengemeinde<br />
Morbach und der Gemeinde Morbach über den<br />
Erwerb des Morbacher Kindergartens abgeschlossen.<br />
Die Gemeinde Morbach übernahm<br />
ab dem 1. Januar 1999 die Trägerschaft und<br />
das Personal.<br />
Älteste Bürgerin der Gemeinde Morbach<br />
wurde 100 Jahre alt<br />
Am 31. Januar 1999 vollendete die älteste Bürgerin<br />
der Gemeinde Morbach, Maria Petry aus<br />
Haag, ihr 100. Lebensjahr.<br />
Verwaltungsmodernisierung in der<br />
Gemeindeverwaltung Morbach<br />
Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung und<br />
-umstrukturierung wurden bei der Gemeindeverwaltung<br />
die bisherigen sechs Abteilungen auf<br />
vier reduziert und ein Bürgerbüro eingerichtet.<br />
Einführung eines Dienstleistungstages bei<br />
der Gemeindeverwaltung Morbach<br />
Auf Wunsch von 39,67 % der Bürger, die sich<br />
an der Bürgerbefragung zur Arbeit der Gemeindeverwaltung<br />
Morbach beteiligt hatten, wurde<br />
zum 1. März 1999 donnerstags ein Dienstleistungstag<br />
eingeführt, an dem die Gemeindeverwaltung<br />
von 7.30 Uhr durchgehend bis<br />
17.30 Uhr geöffnet ist.<br />
Aus für Firma Holz-Mettler, Morbach-Hinzerath<br />
Die Firma Holz-Mettler, Morbach-Hinzerath,<br />
musste das Insolvenzverfahren beantragen.<br />
Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, einen<br />
Investor für eine Betriebsübernahme zu finden.<br />
MdB Jakob Mierscheid, der Phantomabgeordnete,<br />
schied aus dem Bundestag aus<br />
In Mainz fand am 11. März 1999 eine Pressekonferenz<br />
unter Teilnahme von namhaften Persönlichkeiten<br />
wie Ministerpräsident Kurt Beck<br />
und Landrätin Beate Läsch-Weber statt, in der<br />
nur ungern zur Kenntnis genommen wurde,<br />
dass Jakob Mierscheid beabsichtigte, aus dem<br />
Bundestag auszuscheiden.<br />
37
Jugendparlament Morbach<br />
Am 12. März 1999 wurde das Jugendparlament<br />
der Gemeinde Morbach neu gewählt.<br />
Zwei Ortsvorsteher 25 Jahre im Amt<br />
Ortsvorsteher Norbert Schemer, Haag, konnte<br />
am 16. April 1999 und Ortsvorsteher Valentin<br />
Schuh, Morscheid-Riedenburg, am 17. April<br />
1999 auf eine 25-jährige Ortsvorsteher-Tätigkeit<br />
zurückblicken.<br />
Studentenwettbewerb Vicus Belginum<br />
Studenten des Fachbereichs Architektur der<br />
Fachhochschule Trier entwickelten unter der<br />
Leitung von Professor Frowein im Rahmen eines<br />
Studentenwettbewerbs nach einer von der<br />
Gemeindeverwaltung Morbach erstellten Projektbeschreibung<br />
ein Bausystem und eine<br />
Baustruktur für das geplante Besucherzentrum<br />
im Bereich der archäologischen Grabungsstätte<br />
Vicus Belginum. Am 23. und 24. April 1999<br />
tagte die Bewertungskommission und vergab<br />
die Preise. Den ersten Preis, dotiert mit 5 000<br />
DM, erhielten die Studenten Jens Karlberger<br />
und Peter Merten.<br />
50 Jahre Gewerbe- und Verkehrsverein<br />
Morbach<br />
Sein 50-jähriges Bestehen feierte der Gewerbe-<br />
und Verkehrsverein Morbach in einer Feierstunde<br />
am 24. April 1999.<br />
Bürgermeister Gregor Eibes mit den Jubilaren Valentin Schuh (Mitte) und Norbert Schemer (rechts)<br />
38<br />
Ölmühle in Morbach<br />
Die alte Ölmühle in Morbach konnte am 7. Mai<br />
1999 nach der Renovierung des Mahlwerkes<br />
und dem Neubau des Wasserrades wieder in<br />
Betrieb genommen werden.<br />
Heiligenhäuschen in Morscheid-Riedenburg<br />
Am 16. Mai 1999 wurde das ausschließlich in<br />
Eigenleistung neu errichtete Heiligenhäuschen<br />
in Riedenburg eingesegnet.
Waldlehrhütte in Morbach<br />
Die neu errichtete Waldlehrhütte im Ortelsbruch<br />
in Morbach wurde am 22. Mai 1999 eingeweiht.<br />
Die Hütte ist Informationsstätte und<br />
»grünes Klassenzimmer«, aber auch multikulturell<br />
nutzbar.<br />
Landeswettbewerb<br />
»Unser Dorf soll schöner werden«<br />
An dem Wettbewerb nahmen aus der Gemeinde<br />
Morbach die Ortsbezirke Haag und Weiperath<br />
teil. Weiperath erreichte den 3. Platz und<br />
Haag den 4. Platz auf Kreisebene.<br />
Amtierender Ortsvorsteher Theo Pink,<br />
Morbach-Elzerath, feierte mit seiner<br />
Ehefrau goldene Hochzeit<br />
Selbst im Kreisgebiet kommt es nicht alle Tage<br />
vor, dass ein amtierender Ortsvorsteher bzw.<br />
Ortsbürgermeister goldene Hochzeit feiert. Die<br />
Eheleute Theo und Gisela Pink, Morbach-Elzerath,<br />
begingen am 28. Mai 1999 dieses seltene<br />
Fest.<br />
Dorffest in Morbach-Wolzburg<br />
Am 29. Mai 1999 wurden mit einem Dorffest in<br />
Wolzburg die neu ausgebaute Straße »Zum Soden«,<br />
der Dorfbrunnen und das Heiligenhäuschen<br />
feierlich eingeweiht.<br />
Kindergarten Morbach-Merscheid<br />
Der Kindergarten Merscheid beging mit einem<br />
Kindergartenfest am 30. Mai 1999 sein 20jähriges<br />
Bestehen.<br />
Einweihung der Schackberghalle mit<br />
Feuerwehrhaus in Morbach-Gonzerath<br />
Anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Freiwilligen<br />
Feuerwehr Gonzerath, des Gemeindefeuerwehrfestes<br />
und des Kreisfeuerwehrmusiktages<br />
fand im Rahmen der Festtage vom 4.<br />
bis 6. Juni 1999 die feierliche Einweihung der<br />
neuen Schackberghalle mit Feuerwehrhaus in<br />
Gonzerath statt. Gleichzeitig wurde Gerhard<br />
Römer, Wehrleiter der Gemeinde Morbach, der<br />
dieses Amt 13 Jahre innehatte, verabschiedet<br />
sowie zahlreiche Feuerwehrmänner mit dem<br />
silbernen und goldenen Feuerwehrehrenzeichen<br />
ausgezeichnet und Beförderungen und<br />
Verpflichtungen vorgenommen.<br />
Kommunalwahl<br />
Bei der Kommunalwahl am 13. Juni 1999 bestimmten<br />
die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde<br />
Morbach erstmals seit Bestehen der<br />
Einheitsgemeinde Morbach die Ortsvorsteher<br />
und Ortsbeiräte in direkter Wahl.<br />
Turnverein Morbach 1909 e. V.<br />
Der Turnverein Morbach 1909 e. V. beging in<br />
einer Festwoche vom 18. bis 27. Juni 1999 sein<br />
90-jähriges Bestehen.<br />
Andreas Maurer ist Europameister<br />
Bei den Balintawak-Europameisterschaften in<br />
Irland wurde Andreas Maurer, Morbach, Europameister<br />
im Leichtgewicht.<br />
Feierliche<br />
Einweihung<br />
der Schackberghalle<br />
in<br />
Gonzerath<br />
39
40<br />
Chronik der Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron<br />
1998/1999<br />
Einweihung des »Römischen Rundweges« in Neumagen-Dhron
»Römischer Rundweg« in<br />
Neumagen-Dhron<br />
Seit August 1998 führt ein »Römischer Rundweg«<br />
durch den historischen Ortskern von<br />
Neumagen-Dhron, vorbei an den Repliken der<br />
berühmten »Neumagener Denkmäler«. 17<br />
Schautafeln informieren über Dimension, Lage<br />
und Ansicht des ehemaligen Römerkastells,<br />
das Kaiser Konstantin in der ersten Hälfte des<br />
vierten Jahrhunderts n. Chr. an dieser Stelle errichten<br />
ließ. Der Verlauf der moselseitigen<br />
Kastellmauer wurde durch Pflasterung nachgezeichnet,<br />
die Mauern einer Turmruine konserviert.<br />
Dokumentiert wird die Entdeckung der Denkmäler<br />
und die Zugehörigkeit von Denkmalfunden<br />
zu einzelnen Grabmonumenten, die in den<br />
Fundamenten des Kastells verbaut waren.<br />
Bei der Einweihung des »Römischen Rundweges«<br />
hielten der Oberkustos des Rheinischen<br />
Landesmuseums Trier, Dr. Karl-Josef<br />
Gilles, der Verein für experimentelle Archäolo-<br />
gie »Milites Bedensis« sowie zahlreiche Bürger<br />
aus Neumagen-Dhron, gekleidet in römischen<br />
Gewändern und Uniformen, Hof.<br />
Weinförderpreis an Rainer Brüderle<br />
Alle zwei Jahre stiftet der Ȁlteste Weinort<br />
Deutschlands«, Neumagen-Dhron, »einen<br />
Weinberg auf Zeit« als Weinförderpreis an Persönlichkeiten,<br />
die sich besondere Verdienste<br />
um den Wein erwarben. Dazu zählen alle mit<br />
Wein verbundenen Beiträge und Leistungen<br />
zur Völkerverständigung, Literatur, Zeitgeschichte,<br />
Forschung, Kunst, Unterhaltung sowie<br />
innovative Ideen zur Imagewerbung, Weinvermarktung<br />
und Weinbau. Im August 1998<br />
wurde der ehemalige rheinland-pfälzische Minister<br />
für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft<br />
und Weinbau, Rainer Brüderle, zum neuen<br />
Preisträger bestimmt. Unter seiner Regie seien<br />
mit vielen imagefördernden Aktionen neue Wege<br />
der Weinvermarktung beschritten worden,<br />
begründete die Jury ihre Entscheidung.<br />
Verleihung des Weinförderpreises 1998; in der Bildmitte Rainer Brüderle umrahmt von Weinköniginnen<br />
41
Jachthafen eingeweiht<br />
Nach einjähriger Bauzeit wurde am 3. Oktober<br />
1998 der neue Jachthafen in Neumagen-Dhron<br />
offiziell eingeweiht.<br />
Der Jachthafen verfügt über 80 Liegeplätze, die<br />
alle mit Wasser- und Stromanschluss ausgestattet<br />
sind. Ein hochmodernes Zweikreis-<br />
Wassersystem sorgt dafür, dass Trink- und<br />
Waschwasser getrennt abgeführt werden.<br />
Landrätin Beate Läsch-Weber, die neben zahlreichen<br />
Behördenvertretern an der Einweihung<br />
teilnahm, lobte die Leistung und Risikobereitschaft<br />
des Investors Robert Mattern aus dem<br />
pfälzischen Großdorf Haßloch.<br />
Ortsbürgermeister Willi Herres und Bürgermeister<br />
Ferdinand Zenzen sprachen sich anerkennend<br />
über die partnerschaftliche und positive<br />
Zusammenarbeit mit dem Investor aus. Sie sehen<br />
in dem Projekt eine Bereicherung der touristischen<br />
Infrastruktur für die Ortsgemeinde<br />
Neumagen-Dhron und die gesamte Verbandsgemeinde.<br />
Viele Einwohner und Gäste feierten das erste<br />
Hafenfest begeistert mit.<br />
Eine Neumagen-Dhroner Schulklasse pflanzt mit<br />
den Revierförstern Obstbäume<br />
42<br />
Umwelttag der Verbandsgemeinde<br />
Neumagen-Dhron<br />
Im März fanden wiederum Umwelttage in der<br />
Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron statt.<br />
Schülerinnen und Schüler der Grundschulen<br />
Neumagen-Dhron, Piesport und Trittenheim<br />
pflanzten mit den Revierförstern Obstbäume<br />
unter dem Motto »Streuobstwiese«.<br />
Die Dhrontalsperre und das Dhronkraftwerk<br />
Leiwen wurden zwei Klassen der Ausonius-<br />
Hauptschule Neumagen-Dhron und einer Klasse<br />
der Realschule Neumagen-Dhron von Vertretern<br />
des RWE vorgestellt. Ihr Vortrag fand<br />
großes Interesse bei den Schülerinnen und<br />
Schülern. Die Umwelttage werden schon seit<br />
10 Jahren veranstaltet.<br />
Flurbereinigung Dhron<br />
Im Rahmen der Dorfflurbereinigung Dhron wurde<br />
im April eine Fußgängerbrücke über die<br />
Dhron zwischen den Straßen »In Folz« und<br />
»Metschert« errichtet. Das Bauwerk, eine Holzkonstruktion<br />
von insgesamt 26 m Länge, passt<br />
sich gut in die nähere Umgebung ein. Die Gesamtkosten<br />
für die Errichtung der Fußgängerbrücke<br />
betrugen rund 100 000 DM. Die Maßnahme<br />
wurde mit 50 000 DM Fördermitteln der
Flurbereinigung und einem Zuschuss aus dem<br />
Dorferneuerungsprogramm Rheinland-Pfalz in<br />
Höhe von 32 500 DM finanziert. Der Eigenanteil<br />
der Ortsgemeinde Neumagen-Dhron lag bei<br />
17 500 DM. Die Fußgängerbrücke dient der Erschließung<br />
der Dhronaue für Einheimische und<br />
Urlaubsgäste.<br />
Musik-Jubiläum<br />
Ihr 20-jähriges Bestehen feierte am 17. April<br />
1999 in Trittenheim in einer großen Jubiläumsparty<br />
die Tanz- und Stimmungsband »Twenty<br />
up«.<br />
An Ostern 1979 hatten zwölf Musiker ihren ersten<br />
Auftritt und trafen damals mit den »Fahrenden<br />
Musikanten« und James Last’s »Baby<br />
Face« die Herzen der Zuhörer. Es begann eine<br />
Erfolgsstory, die bis heute anhält.<br />
Grundschule Trittenheim<br />
Erfolgreich war das Projekt der Johannes-<br />
Trithemius-Grundschule Trittenheim »Tulpen<br />
für Brot«. Die Schulkinder hatten im November<br />
1998 über 400 Tulpenzwiebeln gepflanzt und<br />
konnten die blühenden Tulpen im April verkaufen.<br />
Der Verkaufserlös von rund 500 DM ging<br />
als Spende an die Welthungerhilfe.<br />
Partnerschaftsbesuch in Frankreich<br />
Am 19. Mai 1979 wurde die Partnerschaft der<br />
Gemeinde Neumagen-Dhron mit der französischen<br />
Partnergemeinde Coulanges-la-Vineuse<br />
offiziell besiegelt.<br />
Das 20-jährige Jubiläum war Anlass zu einem<br />
Besuch der französischen Freunde. Mit Ortsbürgermeister<br />
Willi Herres und Altbürgermeister<br />
Heinz Schuh erfreuten sich über 60 Neumagen-Dhroner<br />
der herzlichen Gastfreundschaft<br />
in der Partnergemeinde in Burgund und<br />
erlebten ein abwechslungsreiches Unterhaltungs-<br />
und Besichtigungsprogramm.<br />
Feuerwehrjubiläum<br />
Die Freiwillige Feuerwehr Dhron besteht seit 75<br />
Jahren. Gründungsdatum war der 16. März<br />
1924.<br />
Am 18. und 19. Juli 1999 wurde das Jubiläumsfest<br />
verbunden mit dem Verbandsgemeinde-<br />
Feuerwehrtag 1999 an der Dhrontalhalle in<br />
Dhron gefeiert, das die Freiwillige Feuerwehr<br />
unter Wehrleiter Thomas Kohl ausrichtete.<br />
Neue Fußgängerbrücke über die Dhron im<br />
Ortsteil Dhron<br />
43
Handwerkermarkt in Thalfang<br />
Auch der 4. Handwerkermarkt in Thalfang, veranstaltet<br />
unter der gemeinsamen Federführung<br />
der Handwerkskammer Trier, der Ortsgemein-<br />
de Thalfang und der Verbandsgemeinde Thalfang<br />
am Erbeskopf, fand bei herrlichem Wetter<br />
regen Anklang und ein interessiertes Publikum.<br />
Ein besonderer Höhepunkt war die Darbietung<br />
der Tanz- und Musikgruppe Kryhachock aus<br />
Minsk in Weißrussland.<br />
Besuch aus Stolin<br />
Von Ende Juli bis Mitte August 1998 verbrachten<br />
95 Kinder einen Kur- und Erholungsurlaub<br />
bei Gastfamilien auf dem Hunsrück und an der<br />
Mosel. Die Tschernobylhilfe Erbeskopf e.V.<br />
hatte zum dritten Male Kinder aus dem Gebiet<br />
Stolin/Weißrussland eingeladen.<br />
Ferienfreizeit – 50 Kinder on tour<br />
Die Erlebnisfreizeit für Kinder der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf fand vom 27.<br />
bis 31. Juli 1998 statt. 50 Kinder zwischen 6<br />
und 14 Jahren verbrachten zusammen mit<br />
ihren Betreuern ein kurzweiliges Veranstaltungsprogramm.<br />
August 1998<br />
Straßenfest in Thalfang<br />
Während des Straßenfestes in Thalfang im August<br />
1998 wurde auch die Preisverleihung im<br />
Rahmen des Wettbewerbs »Vorbildliches<br />
Grün« für den schönsten Garten Thalfangs vorgenommen.<br />
44<br />
Chronik der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />
1998/1999<br />
Buchspende für die Verbandsgemeindebücherei<br />
Staatssekretär a. D. Karl Haeser überreichte eine<br />
großzügige Buchspende im Wert von rund<br />
3 000 DM für die Verbandsgemeindebücherei<br />
Thalfang am Erbeskopf im Haus der Begegnung<br />
in Thalfang.<br />
Familienhotel »Haus Hochwald« umgebaut<br />
Das Familienhotel feierte im August die Fertigstellung<br />
der Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen.<br />
Besonderer Gast der Veranstaltung<br />
war Bundesministerin Claudia Nolte.<br />
100 Jahre MGV Berglicht<br />
Der Männergesangverein 1898 Berglicht richtete<br />
anlässlich seines 100-jährigen Bestehens<br />
die Kirmes aus. Schirmherrin der Veranstaltung<br />
war Landrätin Beate Läsch-Weber.<br />
Ferienregion Hunsrück auf Ausstellung in<br />
Krefeld vertreten<br />
Im Rahmen einer großen Verbraucherschau<br />
der Rheinischen Landesausstellung präsentierte<br />
sich die Ferienregion Hunsrück neben 30<br />
weiteren Ausstellern.<br />
September 1998<br />
Jaques Bistro in Thalfang<br />
Eine vollbesetzte Festhalle in Thalfang begrüßte<br />
Detlef Schönauer als Tourist Jaques. Das<br />
Publikum war begeistert von Schönauers<br />
neuem Programm »Sonne, Sand und Melanome«.
Fotoausstellung Augenblicke<br />
Der Hobbyfotograf Horst Klaus Becker zeigte<br />
in seiner Ausstellung »Augenblicke – Gedanken<br />
festhalten in Bildern auf dem Weltkulturerbe<br />
‚Alte Völklinger Hütte‘« Fotos von dem stillgelegten<br />
Teil der Völklinger Hütte.<br />
Oktober 1998<br />
Hochwälder Kartoffeltage<br />
Der Heimat- und Kulturverein Kreis Trier-Saarburg<br />
und der Fremdenverkehrsverein »Rund<br />
um Thalfang/Hunsrück« e. V. sowie die benachbarten<br />
Fremdenverkehrsgemeinden führten<br />
zum vierten Male die Hochwälder Kartoffeltage<br />
durch. Die rund vierzig gastronomischen<br />
Betriebe aus den Kreisen <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />
Trier-Saarburg und Merzig-Wadern boten deftige<br />
Hausmannskost nach Hochwälder Art,<br />
aber auch verfeinerte Kartoffel-Küche an.<br />
70 Jahre Frauenhilfe der Mark Thalfang<br />
1928 wurde durch Pfarrer Petri die Evangelische<br />
Frauenhilfe der Mark Thalfang gegründet.<br />
Die Jubiläumsfeier fand im evangelischen Gemeindehaus<br />
Thalfang statt.<br />
Heidenburg feierte Kirchenjubiläum<br />
200 Jahre selbstständige Kirchengemeinde St.<br />
Michael Heidenburg feierten die Ortsgemeinde<br />
und die Kirchengemeinde Heidenburg mit einem<br />
großen Fest in der Heidenburghalle.<br />
November 1998<br />
Präsentation des Hunsrückhauses<br />
Das Projekt und der derzeitige Stand der Bauund<br />
Ausbauarbeiten des Hunsrückhauses wurden<br />
vom Generalplaner und den beteiligten<br />
Fachplanungsbüros im Einzelnen erläutert. Die<br />
Zielgruppen sind Familien und Schulen, aber<br />
auch die Erwachsenenbildung und das allgemeine<br />
Interesse an der Umwelt werden The-<br />
men im Hunsrückhaus sein. Das Konzept beruht<br />
auf der Überlegung, den Kristallisationspunkt<br />
Erbeskopf während des ganzen Jahres,<br />
also nicht nur zur Wintersportzeit, sondern<br />
auch in den übrigen Monaten einem breiten<br />
Publikum näher zu bringen. Annähernd neun<br />
Mio. DM werden in das gesamte Projekt<br />
»Hunsrückhaus« investiert. Das Wirtschaftsministerium<br />
bewilligte für den Ausbau der Erholungsanlagen<br />
einen Zuschuss aus EU- und<br />
Landesmitteln von 5,5 Mio. DM, also 70 % der<br />
Gesamtbaukosten. Der Zweckverband »Wintersport-,<br />
Natur- und Umweltbildungsstätte Erbeskopf«<br />
baut für fast 8,4 Mio. DM das Hunsrückhaus<br />
und legt Freizeitflächen an. 2,9 Mio.<br />
DM übernimmt der <strong>Landkreis</strong> (Siehe auch Beitrag<br />
in den Farbseiten des Werbeteils).<br />
»Agility«–Deutschland-Cup<br />
Über 280 Hundesportler fanden sich zum Saisonhöhepunkt<br />
in der Himmelberghalle des Ferienparks<br />
Himmelberg zusammen, um den Agility-Deutschland-Cup<br />
und das Liga-Finale<br />
1998 auszutragen. Veranstalter war der Verein<br />
für Deutsche Schäferhunde, Ortsgruppe Hermeskeil<br />
und Umgebung. Als Schirmherr der<br />
Veranstaltung agierte Rainer Brüderle, stellv.<br />
Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Agility<br />
ist eine Hundesportdisziplin für alle Rassen, die<br />
das Zusammenspiel zwischen Mensch und<br />
Tier trainiert.<br />
45
Jubiläumskonzert der Musikvereine<br />
Morscheid und Malborn<br />
Der Musikverein Morscheid feierte in diesem<br />
Jahr sein 65. Vereinsjubiläum, der Musikverein<br />
Malborn sein 70-jähriges Bestehen. Beide Orchester<br />
werden seit rund 10 Jahren von ihrem<br />
Dirigenten Burkhard Graul erfolgreich geleitet.<br />
Aus diesem Anlass veranstalteten sie ein gemeinsames<br />
Jubiläumskonzert, bei dem die musikalischen<br />
Höhepunkte der letzten 10 Jahre im<br />
Vordergrund standen.<br />
Freiherr-vom-Stein-Plakette<br />
für Helmut Schuh<br />
In einer Feierstunde überreichte der rheinlandpfälzische<br />
Innenminister Walter Zuber dem<br />
dienstältesten Ortsbürgermeister der Verbandsgemeindeverwaltung<br />
Thalfang, Helmut<br />
Schuh aus Horath, in Anerkennung für seine<br />
30-jährige ehrenamtliche kommunalpolitische<br />
Tätigkeit in der Selbstverwaltung die Freiherrvom-Stein-Plakette.<br />
Verleihung der Freiherr-vom-Stein-Plakette an<br />
Helmut Schuh (rechts)<br />
Neues Tragkraftspritzenfahrzeug TSF-W<br />
der Freiwilligen Feuerwehr Heidenburg<br />
Zur Einsegnung des neuen Tragkraftspritzenfahrzeuges<br />
TSF-W begrüßte Wehrführer Dietmar<br />
Trampert Ehrengäste und Zuschauer. Mit<br />
der Neubeschaffung des TSF-W ist der Brandschutz<br />
in der Verbandsgemeinde Thalfang am<br />
Erbeskopf verbessert worden.<br />
Letzter Markt in Thalfang<br />
Wie in jedem Jahr fand der traditionelle »Letzte<br />
Markt« mit Bezirkstagung des Kreisbauernund<br />
Winzerverbandes Rheinland-Nassau statt.<br />
Hauptreferent war in diesem Jahr Günter Eymael,<br />
Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft,<br />
Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in<br />
46<br />
Mainz, mit dem Thema »Die Zukunft der rheinland-pfälzischen<br />
Landwirtschaft nach der<br />
Agenda <strong>2000</strong>«.<br />
Straßenausbau in Büdlich<br />
Die Arbeiten für den Ausbau der »Kirchstraße«<br />
und der Straße »In der Treff« mit Gesamtkosten<br />
von rd. 568 000 DM wurden abgeschlossen.<br />
Dezember 1998<br />
Bürgermeister Hans-Dieter Dellwo wiedergewählt<br />
Ein gutes Ergebnis bei seiner Wiederwahl erhielt<br />
der alte und neue Verwaltungschef: Von<br />
6 029 Wahlberechtigten gingen 2 791 Perso-<br />
nen zur Wahl (46,3 % Wahlbeteiligung), davon<br />
stimmten 2 560 mit Ja (= 92,36 %), 211 mit<br />
Nein, 20 Stimmzettel waren ungültig.<br />
Regionale Schule in Thalfang<br />
Zu Beginn des Schuljahres 1999/<strong>2000</strong> wurde in<br />
Thalfang eine regionale Schule mit Bildungsangeboten<br />
und -abschlüssen von Haupt- und Realschule<br />
eingerichtet.<br />
Hirten- und Krippenspiel in Horath<br />
Der Männergesangverein Horath bot ein Freilicht-Spiel<br />
besonderer Art dar. Im Rahmen des<br />
Kulturprogrammes »Rund um Thalfang« der<br />
Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />
wurde die schauspielerische Darstellung der<br />
Ereignisse in Bethlehem rund um die Geburt<br />
Christi inszeniert. Über 600 Zuschauer besuchten<br />
die Aufführung.
Neuer zweiter Beigeordneter der<br />
Verbandsgemeinde gewählt<br />
Der bisherige 2. Verbandsgemeindebeigeordnete,<br />
Waldemar Scherer aus Hilscheid, legte<br />
sein Ehrenamt nieder. Bürgermeister Hans-<br />
Dieter Dellwo dankte ihm im Namen der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf für die<br />
geleisteten Dienste zum Wohle der Allgemeinheit.<br />
Als Nachfolger und neuer 2. Verbandsgemeindebeigeordneter<br />
wurde Herbert Züscher<br />
aus Gräfendhron gewählt.<br />
Januar 1999<br />
Hallenfußballturnier der AH-Mannschaften<br />
in Heidenburg<br />
Die Turn- und Mehrzweckhalle Heidenburg war<br />
Schauplatz des 6. Hallenfußballturniers der<br />
AH-Mannschaften der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf. Die SG Haag/Horath<br />
verteidigte ihren Titel. Zweitplatzierte Mannschaft<br />
war Gastgeber Heidenburg, dritte die<br />
Sportfreunde Thalfang.<br />
Schlichten statt Richten<br />
Der bisherige Schiedsmann Reinhold Anton<br />
und der stellvertretende Schiedsmann Horst<br />
Hubert wurden vom Amtsgericht Hermeskeil<br />
für eine weitere fünfjährige Amtszeit in Thalfang<br />
berufen. Vorangegangen war die einstimmige<br />
Wiederwahl der bisherigen Amtsinhaber durch<br />
den Verbandsgemeinderat Thalfang am Erbeskopf<br />
in seiner Sitzung am 28. September<br />
1998.<br />
Februar 1999<br />
Spende für DRK Thalfang<br />
Der Schwimmclub Neda, Berglicht, sammelte<br />
anlässlich seiner Weihnachtsfeier 300 DM für<br />
die DRK-Rettungswache Thalfang.<br />
März 1999<br />
Der Kirchenchor »Cäcilia« Büdlich und die<br />
Verbandsgemeinde Thalfang hatten zum 5.<br />
Sängertag nach Heidenburg eingeladen<br />
Vierzehn Gesangvereine und Chöre aus der<br />
Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />
präsentierten den Zuhörern in der bis auf den<br />
letzten Platz besetzten Heidenburghalle ihr<br />
vielseitiges Können. Sie trugen kirchliche Gesänge<br />
und weltliche Lieder in einer bunten Mischung<br />
vor.<br />
Hauptschule Thalfang am Wettbewerb<br />
»Jugend forscht – Schüler experimentieren«<br />
erfolgreich<br />
Am 34. Regionalwettbewerb »Jugend forscht«<br />
nahmen annähernd 300 Jungforscher, überwiegend<br />
aus dem gymnasialen Bereich, teil.<br />
Auch eine Schülerin und drei Schüler der<br />
Hauptschule Thalfang aus den Klassen 9 und<br />
10 beteiligten sich im Fachgebiet Technik am<br />
Wettbewerb. Titel der Arbeit von Andreas Fankel<br />
und Timo Schömer im Wettbewerb »Jugend<br />
forscht« ab 16 Jahren war »Elektrisches<br />
Schiebedach mit Regensensor«. Die vorgestellte<br />
Arbeit wurde mit einem 3. Platz ausgezeichnet.<br />
Am Wettbewerb bis 16 Jahre beteiligten<br />
sich Andrea Klassen und Stephan Wirz mit<br />
dem Thema »Sonnenstandsabhängige Nachführung<br />
von Solarzellen« und erreichten den 1.<br />
Platz.<br />
April 1999<br />
Frühlingswanderung »Thalfang auf dem<br />
Weg zum Luftkurort«<br />
Auch in diesem Jahre fand am letzten Samstag<br />
im Monat April die schon traditionelle Frühlingswanderung<br />
statt, die bereits zum achten<br />
Male durch den Fremdenverkehrsverein »Rund<br />
um Thalfang/Hunsrück« e. V., die Ortsgruppen<br />
47
Deuselbach und Dhronecken des Hunsrückvereins<br />
und den Heimat- und Verkehrsverein<br />
Horath-Gräfendhron-Merschbach veranstaltet<br />
wird. Die Wanderung, an der 650 Naturliebhaber<br />
teilnahmen, führte rund um die Ortsgemeinde<br />
Thalfang und stand unter dem Motto<br />
»Thalfang – auf dem Weg zum Luftkurort«.<br />
Schirmherr der diesjährigen Veranstaltung war<br />
Dr. Gottfried Haubold, der langjährige Geschäftsführer<br />
der Hochwald-Nahrungsmittel-<br />
Werke GmbH in Thalfang.<br />
Generationswechsel in der Leitung der<br />
Hochwald Nahrungsmittel-Werke GmbH<br />
Der Aufsichtsrat der Hochwald-Nahrungsmittel-Werke<br />
GmbH hatte zahlreiche Gäste zu einem<br />
Empfang anlässlich des 65. Geburtstages<br />
und der Verabschiedung von Hauptgeschäftsführer<br />
Dr. Gottfried Haubold eingeladen. Als besondere<br />
Auszeichnung für seine langjährigen<br />
und großen Verdienste verlieh Staatssekretär<br />
Günter Eymael Dr. Gottfried Haubold die »Wirtschaftsmedaille«<br />
des Landes Rheinland-Pfalz.<br />
Altersabteilung der<br />
Freiwilligen Feuerwehren gegründet<br />
Am 25. April 1999 wurde die Altersabteilung<br />
der Freiwilligen Feuerwehren in der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf gegründet.<br />
48<br />
Balalajka-Klavier-Konzert in Horath<br />
Das Familienhotel Hochwald in Horath war Veranstaltungsort<br />
für das Balalajka-Klavier-Konzert<br />
von Sergej und Olga Regel aus Baranowitschi/Weißrussland.<br />
Grillhütte in Gielert eingeweiht<br />
Mit der Einweihung der Grillhütte in Gielert war<br />
ein Fest für alle Helfer verbunden, die beim Bau<br />
der Grillhütte mitgewirkt hatten.<br />
Mai 1999<br />
Zweckverband Wintersport-, Natur- und<br />
Umweltbildungsstätte Erbeskopf beginnt<br />
Veranstaltungen<br />
Der Zweckverband Wintersport-, Natur- und<br />
Umweltbildungsstätte Erbeskopf eröffnete mit<br />
der Herausgabe des Schulklassenprogrammes<br />
und des Programmheftes 1999 seine erste Veranstaltungssaison.<br />
Auftakt für 1999 waren die<br />
gut besuchten Eröffnungsveranstaltungen am<br />
15. und 16. Mai. Das Angebot umfasste u. a. geführte<br />
Wanderungen um den Erbeskopf, Wildkräuterkochkurse,Naturerlebnisveranstaltungen,<br />
verschiedene Diavorträge und ein Sonnenfinsternis-Seminar.<br />
(s. a. farbige Werbeseiten)<br />
Hauptschule Thalfang belegte 2. Platz bei<br />
»Jugend forscht« auf Landesebene<br />
Von 622 angemeldeten Teilnehmern des Wettbewerbs<br />
»Jugend forscht – Schüler experimentieren«<br />
waren 107 preisverdächtige Teilnehmer<br />
nach Ingelheim zur Siegerehrung eingeladen<br />
worden. Als einzige Hauptschüler unter allen<br />
Preisträgern errangen die Sieger des Regionalwettbewerbs,<br />
Andrea Klassen und Stefan Wirz<br />
von der Hauptschule Thalfang, den 2. Platz auf<br />
Landesebene im Fachgebiet Technik mit ihrer<br />
Arbeit »Sonnenstandsabhängige Nachführung<br />
von Solarzellen«.
Dorffest mit Einweihung des neuen<br />
Raiffeisengebäudes in Büdlich<br />
Es war ein großer Tag für die Gemeinde Büdlich.<br />
Alle Straßen und Plätze waren fertig gestellt,<br />
und auch das neue Bankgebäude der<br />
Raiffeisenbank Mehring-Leiwen konnte einge-<br />
weiht werden. Rund 1,3 Mio. DM hatte die<br />
Ortsgemeinde in den vergangenen Jahren für<br />
Straßenbau und Ortsverschönerung investiert.<br />
Auch Landrätin Beate Läsch-Weber kam zu<br />
Besuch in die Ortsgemeinde Büdlich und stand<br />
den Bürgerinnen und Bürgern in einer Sprechstunde<br />
zur Verfügung.<br />
Erster Markt in Thalfang<br />
Bei schönem Wetter fand der traditionelle gut<br />
besuchte »Erste Markt« in Thalfang statt. Zahlreiche<br />
Marktbeschicker hatten sich eingefunden<br />
und boten ihr reichhaltiges Warensortiment<br />
an.<br />
Clubheim-Einweihung des<br />
Sportvereins Gräfendhron<br />
Gleich zwei Anlässe zum Feiern hatte der<br />
Sportverein Blau-Weiß Gräfendhron: Sein 10jähriges<br />
Jubiläum und die Einweihung des neuen<br />
Clubheimes.<br />
Thalfangerin wählte Bundespräsident<br />
Zur Wahl des Bundespräsidenten entsandte<br />
der Landtag 33 Rheinland-Pfälzer, darunter<br />
auch eine Bürgerin aus der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf, Bettina Brück aus<br />
Thalfang.<br />
Partnerschule Villeblevin besuchte<br />
Heidenburg<br />
Die Ecole Elementaire aus Villeblevin/Burgund<br />
besuchte die Partnerschule Heidenburg mit 35<br />
Kindern und sieben Aufsichtspersonen zum<br />
zweiten Mal und erlebte ein abwechslungsreiches<br />
Programm mit den Heidenburger Schulkindern.<br />
Juni 1999<br />
Fragmente – Ausstellung von<br />
Helge Hommes<br />
Der in Malborn lebende Künstler Helge Hommes<br />
stellte im Haus der Begegnung und im<br />
Rathaus in Thalfang Werke der letzten fünf Jahre<br />
aus. Der 1964 geborenen Künstler, der seit<br />
1993 seine Bilder europaweit präsentiert, lebt<br />
seit 1997 in Malborn.<br />
100 Jahre Kaisergarten in Bäsch und 115<br />
Jahre Sängergemeinschaft Bäsch<br />
Einen bunten Liederabend mit Vereinen aus der<br />
Verbandsgemeinde richtete die Sängergemeinschaft<br />
Bäsch für die zwei Jubiläen aus. Innerhalb<br />
des Festes wurde Bruno Büchsenschutz<br />
für seine 23-jährige Tätigkeit als Vereinsvorsitzender<br />
geehrt und gleichzeitig zum<br />
Ehrenpräsidenten der Sängergemeinschaft<br />
Bäsch ernannt. Ferner erhielt Gertrud Fetzer für<br />
ihre langjährige Mitgliedschaft im Vorstand eine<br />
Ehrung.<br />
Feuerwehrtage der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf<br />
Die Freiwillige Feuerwehr Berglicht richtete in<br />
diesem Jahr die Feuerwehrtage der Verbandsgemeinde<br />
Thalfang am Erbeskopf aus.<br />
HSV besuchte Horath<br />
Anlässlich der Sportwerbetage hatte Horath<br />
hohen Besuch. Der Hamburger Sportverein<br />
war zu Gast und spielte gegen eine Verbandsliga/Landesligaauswahl<br />
auf dem Sportplatz Horath.<br />
Weitere Ehrengäste waren Uwe Seeler,<br />
Ehrenspielführer der Deutschen Fußballnationalmannschaft<br />
und Horst Eckel, Weltmeister<br />
von 1954.<br />
Waldjugendspiele im Forstamt Dhronecken<br />
Zum elften Male fanden die Waldjugendspiele<br />
in Zusammenarbeit mit der Schutzgemeinschaft<br />
Deutscher Wald Rheinland-Pfalz e. V.,<br />
den Ministerien für Umwelt und Forsten sowie<br />
Bildung und Wissenschaft des Forstamtes<br />
Dhronecken auf dem Erbeskopf statt. Insgesamt<br />
nahmen 22 dritte und siebte Klassen aus<br />
der Region an den Spielen teil.<br />
49
50<br />
Chronik der Verbandsgemeinde Traben-Trarbach<br />
1998/1999<br />
Nationalspieler Thorsten Fink, Oliver Kahn und Thomas Strunz mit Stadtweinkönigin Stefanie I. und<br />
Bürgermeister Alois Weber<br />
Trainingslager FC Bayern München in der<br />
Stadt Traben-Trarbach<br />
Der Deutsche Rekordfußballmeister FC Bayern<br />
München wählte für sein Trainingslager die<br />
Stadt Traben-Trarbach.<br />
Vom 26. bis 31. Juli 1998 logierten der komplette<br />
Kader mit allen Stars und Nationalspielern,<br />
dem Trainer und den Betreuern im 4-Sterne-<br />
Hotel »Moselschlößchen«. Der Sportplatz an<br />
der Rissbacher Straße wurde auf die Trainingsansprüche<br />
der prominenten Gäste zugeschnitten<br />
und in einen Rasenplatz umgewandelt.<br />
Traben-Trarbach war sieben Tage Mittelpunkt<br />
für die sportlichen Medien. Sportjournalisten,<br />
Fans und andere Schaulustige bevölkerten die<br />
Stadt. Die Farben der Bayern gestalteten das<br />
Bild von Traben-Trarbach.<br />
Trainer Otmar Hitzfeld und Ex-Nationaltorhüter<br />
Raimund Aumann umlagert von Fans
Juli 1998<br />
Erster Spatenstich für die neue<br />
gynäkologische Fachklinik<br />
In der letzten Juliwoche 1998 überschlugen<br />
sich die Ereignisse in der Stadt Traben-Trarbach.<br />
Mit dem ersten Spatenstich für die neue<br />
gynäkologische Fachklinik begann gleichzeitig<br />
auch ein neues Zeitalter in der ärztlichen<br />
Grundversorgung für die Bevölkerung der<br />
Stadt und Region Traben-Trarbach.<br />
August 1998<br />
Dritter Platz für die HSG Irmenach-Kleinich<br />
Beim Beachhandball-Bundesfinale in Cuxhaven<br />
qualifizierte sich die HSG Irmenach-Kleinich<br />
für das Halbfinale und erreichte den 3.<br />
Platz.<br />
»Tour der Hoffnung« machte Station in<br />
Traben-Trarbach<br />
Am 21. August war Traben-Trarbach ein weiterer<br />
Anlaufpunkt für bekannte Größen des<br />
Sportgeschehens. Unter dem Motto »Tour der<br />
Hoffnung ... rollt für krebskranke Kinder«, radelten<br />
unter der Schirmherrschaft von Ulrike<br />
Nasse-Meyfahrth und dem Kapitän des Fahrerfeldes<br />
Klaus-Peter Thaler prominente Sportler<br />
auf ihrer Moselroute in die Stadt ein. Bürgermeister<br />
Alois Weber hieß die Teilnehmer unter<br />
Beifall vieler Schaulustiger herzlich willkommen.<br />
Die Ortsgemeinde Burg (Mosel) erhielt<br />
ein Bürgerhaus<br />
Bei einer Feierstunde in Anwesenheit von<br />
Landrätin Beate Läsch-Weber, Bürgermeister<br />
Alois Weber und der bei dem Umbau beteiligten<br />
Firmen und dem Architekten wurde der Bevölkerung<br />
der Gemeinde Burg (Mosel) das<br />
neue Bürgerhaus zur allgemeinen Nutzung<br />
übergeben.<br />
Die ehemalige Schule stellt durch diese neue<br />
Nutzung eine wert- und wirkungsvolle Bereicherung<br />
für die gesamte Dorfgemeinschaft dar<br />
und trägt durch den gelungenen Umbau in hohem<br />
Maße zur Dorfverschönerung bei.<br />
Freiheitsurkunde vor 750 Jahren für<br />
Enkirch<br />
Ende August feierte die Enkircher Bevölkerung<br />
den geschichtlich bedeutsamen Tag der Verleihung<br />
der Freiheitsurkunde im Jahre 1248.<br />
Graf Johann I. von Sponheim und sein Sohn<br />
Gottfried verliehen die Urkunde, die den Titel<br />
»Der von Enckerich Frijheid« trägt, an Enkirch.<br />
Aufgrund dieses Diploms erhielt Enkirch viele<br />
Rechte, die gleichbedeutend mit einer Stadtrechtsverleihung<br />
sind.<br />
Die Urkunde beinhaltete damals für die Enkircher<br />
Bevölkerung, die zwischen 1 500 und<br />
2 000 Einwohner zählte, eine erweiterte Gerichtsbarkeit,<br />
Marktrecht und eine Befestigung<br />
in Form einer Stadtmauer mit sieben Toren.<br />
Gleichzeitig wurden jedoch den Enkirchern<br />
große Pflichten auferlegt, die darin bestanden,<br />
Mauern und Gräben instand zu halten sowie<br />
die Verpflichtung zur Heeresfolge. Bewaffnete<br />
Soldaten mit Pferden und Ausrüstung mussten<br />
dem Grafen zur Verfügung gestellt werden;<br />
Steuern und Abgaben wurden neu festgesetzt.<br />
Rechtlich jedoch wurde die Siedlung Enkirch<br />
durch Graf Johann I. aus der Masse der sponheimischen<br />
Orte herausgehoben und zum<br />
Haupt- und Residenzort der gerade entstandenen<br />
»Hinteren Grafschaft Sponheim« erhoben.<br />
Zu den Festrednern gehörte u. a. Regierungspräsident<br />
Heinrich Studentkowski, Trier.<br />
105. Geburtstag<br />
Am 9. August 1998 feierte Margarete Myrtek,<br />
geborene Köppe in geistiger und körperlicher<br />
Frische ihren 105. Geburtstag. Sie ist<br />
die älteste Bürgerin der Stadt Traben-<br />
Trarbach.<br />
September 1998<br />
Minigolf-Club Traben-Trarbach beging<br />
40-jähriges Bestehen<br />
Der Minigolf-Club Traben-Trarbach feierte im<br />
August ein denkwürdiges Jubiläum; seine Anlage<br />
ist die erste, die in Deutschland entstanden<br />
ist und somit zum Wegbereiter für alle<br />
nachfolgenden in der Bundesrepublik wurde.<br />
In einem Festakt wurde des Initiators, Dr. Spier,<br />
der als weitblickender Arzt den volksgesundheitlichen<br />
Vorteil dieser Sportart erkannte, und<br />
allen engagierten Mitgliedern gedacht. Der<br />
51
Gebietsweinkönigin Marion I. mit ihren Eltern und Bürgermeister Alois Weber im Rathaus Trarbach<br />
Club ist zwischenzeitlich auch der erste Verein,<br />
der eine Anlage auf vereinseigenem Gelände<br />
besitzt.<br />
Gebietsweinkönigin 1998/1999 kommt<br />
aus Traben-Trarbach<br />
Marion Erbes aus dem Stadtteil Wolf, Stadtweinkönigin<br />
1996, konnte gegen neun weitere<br />
Bewerberinnen am 24. September 1998 den<br />
begehrten Titel für sich entscheiden. Die Proklamation<br />
und Krönung fand am 24. September<br />
im Schloss Liebig, Kobern-Gondorf, statt.<br />
Die »frischgebackene« Gebietsweinkönigin von<br />
Mosel-Saar-Ruwer wurde am 25. September<br />
mit einem spontanen Empfang im Rathaus<br />
Trarbach von Bürgermeister Alois Weber geehrt.<br />
52<br />
Oktober 1998<br />
Barrierefreier Kleinkind-Spielplatz in<br />
Irmenach<br />
Im Oktober wurde in Irmenach der erste Kleinkind-Spielplatz<br />
in Rheinland-Pfalz in einer fröhlichen<br />
Feierstunde im Beisein von Staatssekretär<br />
Klaus Jensen, Landesbeauftragter für<br />
die Belange behinderter Menschen, eingeweiht<br />
und eröffnet. Die Interessengemeinschaft der<br />
Kirchengemeinde Irmenach-Beuren ist Initiator<br />
dieses neuartigen Spielplatzes, der im wunderschönen<br />
Parkgelände direkt hinter der Kirche<br />
und mitten im Dorf angelegt wurde.
Deutschsprachige Gesellschaft für Kunst<br />
und Psychopathologie des Ausdrucks e. V.<br />
tagte in Traben-Trarbach<br />
Vom 30. Oktober bis 2. November hielt die DG-<br />
PA ihre 32. Jahrestagung in der Stadt Traben-<br />
Trarbach ab. Das Casino zu Trarbach und das<br />
»Heinrich-Held-Haus« der Ev. Kirchengemeinde<br />
Traben-Trarbach-Wolf waren Tagungsstätten,<br />
während den Gästen bei einem Empfang<br />
im Mittelmosel-Museum die Geschichte der<br />
Stadt nahe gebracht wurde.<br />
Ministerpräsident in Traben-Trarbach<br />
Ministerpräsident Kurt Beck stattete der Stadt<br />
Traben-Trarbach am 30. Oktober im Rahmen<br />
einer Kreisbereisung einen Besuch ab. Zu seiner<br />
Begleitung zählten neben dem kommissarischen<br />
Regierungspräsidenten Heinrich Studentkowski<br />
Landrätin Beate Läsch-Weber,<br />
MdL Günter Rösch und zahlreiche Fachreferenten.<br />
Besonders das Großprojekt »Bahnhofsbereich<br />
Traben« wurde dem Ministerpräsidenten<br />
von Bürgermeister Alois Weber nahe<br />
gebracht. Kurt Beck konnte sich schwerpunktmäßig<br />
von der Neukonzeption »Bahnhofsbereich<br />
Traben« überzeugen und bereits begonnene<br />
Bauvorhaben wie Gynäkologische Fachklinik<br />
und den Umbau der ehemaligen Kellerei<br />
Huesgen in Augenschein nehmen. Der Besuch<br />
fand mit einer sich anschließenden ausführlichen<br />
Gesprächsrunde im Bürgersaal in Traben<br />
seinen Abschluss. Der Landesvater bekundete<br />
den anwesenden Kommunalpolitikern nicht nur<br />
sein großes Interesse an der wichtigen infrastrukturellen<br />
Maßnahme, sondern unterstrich<br />
gleichermaßen die dargelegte Konzeption und<br />
Entwicklungschance für den gesamten Bereich<br />
der Region Traben-Trarbach. Er sicherte künftige<br />
Unterstützung des Landes, insbesondere<br />
der verschiedenen beteiligten Landesdienststellen,<br />
in der gesamten Weiterentwicklung zu.<br />
November 1998<br />
Energie-Trikots für die A-Jugend der HSG<br />
Irmenach-Kleinich<br />
Aufgrund der Initiative von Bürgermeister Alois<br />
Weber überreichte Direktor Josef Poll, RWE<br />
Trier, dem Vorsitzenden der HSG Irmenach-<br />
Kleinich, Hans Schneiß, anlässlich einer kleinen<br />
Feierstunde im Rathaus Trarbach neue<br />
Trikots für die A-Jugend der Spielgemein-<br />
schaft. Hans Schneiß nahm die großzügige<br />
Spende erfreut entgegen. Neue Trikots waren<br />
dringend notwendig, jedoch im schmalen Etat<br />
des Vereins nicht vorgesehen. Für die Sponsorbereitschaft<br />
der RWE hob Direktor Poll dabei<br />
insbesondere die überaus große Motivation<br />
der jungen Spieler, gute Leistungen zu erbringen,<br />
hervor. Als einen weiteren Grund führte<br />
er den hohen Stellenwert dieser Sportart in<br />
der Region an.<br />
Dezember 1998<br />
Erster Spatenstich für neue Mercedes-<br />
Benz-Vertragswerkstatt in Enkirch<br />
Am 18. Dezember 1998 war es soweit: Mit einem<br />
symbolischen Spatenstich wurde der<br />
Grundstein für eine neue Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt<br />
in Enkirch an der B 53 gelegt.<br />
Auf einer Betriebsfläche von 13 500 Quadratmetern<br />
und mit Betriebsräumen von rund<br />
2 500 Quadratmetern soll eine hochmoderne<br />
Werkstatt mit Ausstellungsräumen entstehen.<br />
Von diesem Standort Enkirch soll künftig das<br />
Gebiet zwischen Schweich und Cochem zentral<br />
»versorgt werden«.<br />
Zweigstelle der Kreissparkasse im Stadtteil<br />
Traben in neuem Outfit<br />
»Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit«,<br />
mit diesen Worten begrüßte der Vorstandsvorsitzende<br />
der Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />
Winfried Gassen, die Gäste zur Neueröffnung<br />
der Zweigstelle.<br />
Eine Fotoausstellung, die begeisterte<br />
Große Resonanz fand die Fotoausstellung des<br />
Heimatsammlers Hans Schneiß im Mittelmosel-Museum.<br />
Etwa 230 historische Aufnahmen<br />
erzählten in überaus lebendiger Weise vom<br />
Alltagsleben in der Stadt Traben-Trarbach in<br />
den 20er und 30er Jahren.<br />
Januar 1999<br />
Jahreswechsel 1998/99<br />
Nach einem eindrucksvollen Feuerwerk in der<br />
Silvesternacht wurde das neue Jahr mit Kanonenschüssen<br />
der Sponheimer Musketiere donnernd<br />
begrüßt. Bürgermeister Alois Weber und<br />
Stadtweinkönigin Stefanie I. konnten auch in<br />
diesem Jahr wiederum viele Bürgerinnen und<br />
Bürger im Rathaus Traben zum Neujahrsempfang<br />
begrüßen.<br />
53
Februar/März 1999<br />
105. Geburtstag<br />
Am 16. Februar 1999 wurde Gertrud Oelker<br />
105 Jahre alt. Sie verbringt seit Jahren ihren<br />
Lebensabend bei ihrer Tochter in Traben-Trarbach,<br />
ist aber mit Hauptwohnsitz in Duisburg<br />
gemeldet und somit Duisburgs ältestes »Geburtstagskind«.<br />
Grabenstraße in Traben-Trarbach<br />
wieder frei<br />
Nach nur zehnwöchiger Bauzeit wurde die<br />
»Grabenstraße« wieder für den fließenden Verkehr<br />
freigegeben.<br />
54<br />
Bürgermeister Alois Weber gratuliert der<br />
105-jährigen Jubilarin<br />
Symbolische Freigabe der Grabenstraße mit Vertretern der Straßenbauverwaltung und Bürgermeister<br />
Alois Weber
April 1999<br />
40-jähriges Dienstjubiläum<br />
Am 1. April 1999 beging Bürgermeister Alois<br />
Weber sein 40-jähriges Dienstjubiläum. In einer<br />
kleinen Feierstunde wurden insbesondere 17<br />
Jahre hauptamtliche Bürgermeistertätigkeit<br />
und 12 Jahre ehrenamtliche Tätigkeit als Bürgermeister<br />
der Verbandsgemeinde bzw. der<br />
Stadt Traben-Trarbach gewürdigt.<br />
40 Jahre RWE – jedoch bereits 110 Jahre<br />
Stromversorgung in Traben-Trarbach<br />
40 Jahre RWE in Traben-Trarbach war der Anlass<br />
zu einer Feierstunde, zu der das Versorgungsunternehmen<br />
zahlreiche Gäste geladen<br />
hatte. Die Stadt Traben-Trarbach hatte jedoch<br />
bereits vor 110 Jahren eine eigene elektrische<br />
Stromversorgung und zählte mit zu den ersten<br />
Städten Deutschlands, die eine elektrische<br />
Straßenbeleuchtung besaßen.<br />
Mai 1999<br />
Richtfest der gynäkologischen Fachklinik<br />
Nach nicht einmal einem Jahr seit dem ersten<br />
Spatenstich feierte die neue gynäkologische<br />
Fachklinik am Moselufer Traben ihr Richtfest.<br />
Somit ist gewährleistet, dass auch zukünftig<br />
Traben-Trarbach als Geburtsort in vielen Pässen<br />
stehen wird.<br />
Dorf- und Sängerfest in Starkenburg<br />
Vier Tage lang feierten die Starkenburger das<br />
120-jährige Bestehen ihres 1879 gegründeten<br />
Gesangvereines. Der einst reine Männerchor<br />
entwickelte sich in den Jahren zu einem gemischten<br />
Chor mit heute 35 aktiven Sängerinnen<br />
und Sängern. Musikalische Geburtstagsgrüße<br />
kamen von den Gastchören, Ehrengästen und<br />
Freunden des Gesangs und auch von Landrätin<br />
Beate Läsch-Weber. Die Gästeschar wurde<br />
durch eine offizielle Abordnung der Partnergemeinde<br />
Starkenberg in Thüringen abgerundet.<br />
Juni 1999<br />
Alois Weber bleibt Stadtbürgermeister<br />
Mit über 65 % Stimmenanteil wurde Bürgermeister<br />
Alois Weber erneut zum ehrenamtlichen<br />
Stadtbürgermeister von Traben-Trarbach<br />
für die kommenden fünf Jahre gewählt.<br />
Weingasse in Enkirch fertig gestellt<br />
Mit dem Durchschneiden des Bandes konnte<br />
die Weingasse pünktlich zum Straßenfest<br />
durch Weinkönigin Jasmin, Ortsbürgermeister<br />
Karl-Heinz Weisgerber und Bürgermeister<br />
Alois Weber im Beisein vieler Enkircher und<br />
Gäste wieder für den Verkehr freigegeben werden.<br />
Juli 1999<br />
Beachhandballturnier in Irmenach<br />
Bei hochsommerlichen Temperaturen gewann<br />
die 1. Herrenmannschaft der HSG Irmenach-<br />
Kleinich auch in diesem Jahr wiederum das<br />
Beachhandballturnier in Irmenach.<br />
Mit diesem Sieg qualifizierte sich die Mannschaft<br />
dafür, an den ersten Deutschen Meisterschaften<br />
im Beachhandball (bisher Beachhandball-Bundesfinale)<br />
im August 1999 in Cuxhaven<br />
teilzunehmen.<br />
Kreisjugendzeltlager der<br />
Feuerwehr<br />
In der Zeit vom 3. bis 11. Juli 1999 fand das 10.<br />
Kreisjugendzeltlager <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> auf<br />
dem Sportplatz an der Rissbacher Straße im<br />
Stadtteil Traben mit ca. 250 Jugendlichen und<br />
Betreuern statt.<br />
Neben vielen attraktiven Spielen, z. B. Lagerolympiade<br />
mit Stadtrallye, Moselschifffahrt,<br />
Besichtigung ortsansässiger Betriebe, konnten<br />
viele der Jugendlichen in dieser Zeit auch ihre<br />
Leistungsspange für die Jugendfeuerwehr erwerben.<br />
55
Rivenich feierte seinen 1250. Geburtstag<br />
Anlässlich der Feier dieses Geburtstages vom<br />
20. bis 24. August 1998 fand die Brunnenein-<br />
weihung am Brandweiherplatz durch den<br />
Schirmherrn der Festveranstaltung, Ministerpräsident<br />
Kurt Beck, statt (siehe auch Beitrag<br />
auf Seite 66).<br />
»Die Salm« – Geschichte und Geschichten<br />
um einen Eifeler Wasserlauf<br />
Diese heimatgeschichtliche Publikation gab<br />
der Peter-Zirbes-Kulturkreis im Herbst 1998<br />
56<br />
Chronik der Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land<br />
1998/1999<br />
Erntedankfest-Umzug in Niersbach<br />
heraus. Neben fundierten Informationen zur Historie<br />
der Orte an der Salm enthält das unterhaltsam<br />
geschriebene Werk Geschichten unterschiedlichster<br />
Art, die sich um die Salm und<br />
ihre Dörfer drehen.<br />
Regionale Schule Salmtal<br />
»Hobbylust statt Freizeitfrust« war das Motto<br />
des 2. Regionalschultages im Juli 1998. Auf<br />
dem Programm standen praktische Arbeiten<br />
der Hobbykünstler mit Schülerarbeitsgruppen.<br />
In den verschiedenen Workshops wurden u. a.<br />
Modellieren mit Ton, Bauen von Seifenkisten,<br />
Videofilm-Produktion, Holzarbeiten, Ortsporträt<br />
von Rivenich, Ortssanierung in Salmtal und<br />
viele weitere Projekte angeboten. Außerdem<br />
zeigte die Schulband ihr Können.<br />
Erntedankfest in Niersbach<br />
Mit einem großen historischen Umzug starteten<br />
die Niersbacher am 13. September das<br />
Erntedankfest. Ein Fernsehteam des Südwestfunks<br />
war auch dabei. Für das Fest wurde ein<br />
altes Backhaus in Betrieb genommen, in dem<br />
nach überliefertem Brauch Brot gebacken wurde.
Kindergarten St. Hubertus Hetzerath<br />
spendete für Kinder in Uganda<br />
Obst, Gemüse, Nüsse, Marmelade und vieles<br />
mehr verkauften die Kindergartenkinder auf<br />
dem Herbstmarkt ihres Kindergartens, der vom<br />
31. August bis 4. September 1998 stattfand.<br />
Am letzten Markttag bekam Pater Rudi Lehnertz<br />
fast 1 500 DM für ein Kindergartenprojekt<br />
in Uganda.<br />
Einweihung des Erweiterungsgebäudes der<br />
Humbrecht-Grundschule Hupperath<br />
Anfang Oktober 1998 konnte nach einer knapp<br />
bemessenen Bauzeit von nur zehn Monaten<br />
der Erweiterungsbau an der Grundschule Hupperath<br />
seiner Bestimmung übergeben werden.<br />
Den Grundschülerinnen und -schülern sowie<br />
ihren Lehrern stehen nun zwei neue Klassenräume<br />
mehr zur Verfügung. Im Zuge der Bau-<br />
maßnahme wurde außerdem durch Umgestaltungen<br />
im Schulhofbereich ein im Untergeschoss<br />
liegender Raum als vollwertiger Klassenraum<br />
hergerichtet. Die Grundschule Hupperath<br />
verfügt nun zur Unterrichtung der<br />
Schüler über sieben Klassenräume. Angesichts<br />
dieser Rahmenbedingungen sind in Hupperath<br />
die Voraussetzungen für eine volle zweizügige<br />
Schule gegeben.<br />
Ökologie im Kindergarten<br />
Der Wettbewerb »Ökologie im Kindergarten«<br />
des Vereins Ökologo e. V. Klausen stand unter<br />
dem Thema »Wasser«. Ziel des Wettbewerbs<br />
war es, alle Aktivitäten des Kindergartens rund<br />
um das Thema Wasser im Verlauf eines Jahres<br />
zu dokumentieren. Dabei ging es einerseits um<br />
das Thema »verantwortungsvoller Umgang mit<br />
dem Lebensmittel Wasser«, aber andererseits<br />
auch um das Erlebbarmachen des Elementes<br />
Wasser in all seinen Erscheinungsformen. Die<br />
Kindergärten zeigten einen großen Ideenreichtum<br />
bei der Vermittlung des Themas an die Kinder.<br />
Als Gewinner aus dem Wettbewerb gingen<br />
die Kindergärten Altrich, Hetzerath und Klausen<br />
hervor.<br />
Ausstellung »Wein und Kunst«<br />
Diese Ausstellung fand Mitte November im<br />
Bürgerhaus in Rivenich statt. Verbunden mit einer<br />
Präsentation hervorragender Rivenicher<br />
Weine stellten Hobbykünstler aus dem Ort Exponate<br />
ihrer künstlerischen Werke zur Schau.<br />
Von Aquarell- und Pastellmalerei über Porträtzeichnungen<br />
bis zu künstlerisch gestalteten<br />
Puppen und Handwerksarbeiten reichte die<br />
Palette der ausgestellten Werke.<br />
Freiherr-vom-Stein-Plakette für<br />
Oskar Lautwein<br />
Als Anerkennung für sein überdurchschnittliches<br />
ausdauerndes kommunalpolitisches Engagement<br />
wurde Oskar Lautwein aus Landscheid-Niederkail<br />
im Oktober von Innenminister<br />
Walter Zuber mit der Freiherr-vom-Stein-<br />
Plakette ausgezeichnet.<br />
Neuer Sportplatz in Gladbach<br />
Im Oktober 1998 feierte der Sportverein Rot-<br />
Weiß Gladbach sein 40-jähriges Vereinsjubiläum.<br />
An diesem Geburtstag konnte auch der<br />
neue Tennenplatz der Ortsgemeinde eingeweiht<br />
werden.<br />
Langjährige Schiedsmänner verabschiedet<br />
Mit einer besonderen Auszeichnung für ihre<br />
langjährige hervorragende ehrenamtliche<br />
Tätigkeit wurden die bisherigen Schiedsmänner<br />
Ewald Weinsberg, Landscheid-Niederkail,<br />
und Hermann Lenz, Altrich, Ende Oktober 1998<br />
von Direktor Peter Sauer, Amtsgericht <strong>Wittlich</strong>,<br />
verabschiedet. Auch Bürgermeister Christoph<br />
Holkenbrink würdigte die Leistungen der beiden<br />
Schiedsmänner, die über 20 Jahre mit ihrer<br />
vermittelnden Art viele Streitigkeiten in den von<br />
ihnen betreuten Gemeinden auf gütlichem Wege<br />
bereinigen konnten.<br />
Kirchenchor »Cäcilia« Minderlittgen sang<br />
afrikanische Lieder<br />
Am Cäcilienfest am 21. November 1998 sang<br />
57
der Kirchenchor Minderlittgen in der heiligen<br />
Messe afrikanische Lieder in deutscher Sprache.<br />
Dabei handelte es sich um rhythmische<br />
Gesänge aus Ghana. Die Spenden aus dieser<br />
Messe wurden an ein Armenkrankenhaus in<br />
Ghana weitergeleitet, das nur mit Hilfe solcher<br />
Gelder existieren kann.<br />
Führungswechsel bei der<br />
Freiwilligen Feuerwehr in Dodenburg<br />
Nach fast 32-jähriger Tätigkeit als Wehrführer<br />
der Freiwilligen Feuerwehr in Dodenburg wurde<br />
Brandmeister Hans-Josef Römer im November<br />
1998 aus seinem Amt verabschiedet.<br />
Heidi Valerius aus Dreis erhielt<br />
Verdienstkreuz am Bande<br />
Für ihren außergewöhnlichen Einsatz im humanitären<br />
Bereich hat sich Heidi Valerius auszeichnungswürdige<br />
Verdienste erworben. In einer<br />
Feierstunde im Dezember 1998 wurde ihr<br />
das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik Deutschland überreicht.<br />
Heidi Valerius ist seit 1992 ehrenamtliche<br />
Mitarbeiterin der Internationalen Gesellschaft<br />
für Menschenrechte und für die Organisation<br />
von Hilfstransporten nach Kroatien,<br />
Lettland, Litauen und Rumänien verantwortlich.<br />
Darüber hinaus ist sie in anderen Organisationen,<br />
in der Jugendarbeit, im Bereich der<br />
Kommunalpolitik und als Schöffin beim Amtsgericht<br />
tätig.<br />
Spatenstich für A 60<br />
Mit dem Spatenstich am 30. November 1999<br />
ist offiziell der vierspurige Ausbau des 8,8 Kilo-<br />
58<br />
meter langen und 216 Millionen Mark teuren<br />
Teilstücks der A 60 zwischen Landscheid und<br />
<strong>Wittlich</strong> in Angriff genommen worden. Damit<br />
kam man dem Ziel, die A 60 im Jahr 2002 an<br />
das Autobahnkreuz bei <strong>Wittlich</strong> anzuschließen,<br />
einen weiteren Schritt näher. (s. a. S. 79)<br />
Gruppenkläranlage Salmtal<br />
Bei der Gruppenkläranlage Salmtal konnte im<br />
Dezember 1998 die dritte Reinigungsstufe zur<br />
biologischen Entfernung von Phosphor in Betrieb<br />
genommen werden. Damit wird eine Verpflichtung<br />
nach EU-Recht zur Nachrüstung von<br />
Kläranlagen mit über 10 000 Einwohnergleichwerten<br />
erfüllt.<br />
Duale Oberschule im Einzugsbereich der<br />
Hauptschulen <strong>Wittlich</strong>-Sehlemet und<br />
<strong>Wittlich</strong>-Wengerohr<br />
Zu Beginn des Schuljahres 1999/<strong>2000</strong> richtete<br />
das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und<br />
Weiterbildung an den bisherigen Hauptschulen<br />
<strong>Wittlich</strong>-Sehlemet und <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr den<br />
Bildungsgang Duale Oberschule als Schulversuch<br />
in <strong>Wittlich</strong> ein. Die Verbandsgemeinde<br />
<strong>Wittlich</strong>-Land begrüßt diesen Versuch. Damit<br />
verfügt die Region <strong>Wittlich</strong> über eine attraktive<br />
neue Schulart, die folgende Ziele anstrebt: - eine<br />
größere Anzahl von Abschlüssen anzubieten,<br />
- die Begabungen aller Kinder intensiver zu<br />
fördern, - die Kinder schon möglichst früh vor<br />
allem mit dem fünfstündigen Fach »Praxis in<br />
der Schule« in enger Zusammenarbeit mit den<br />
berufsbildenden Schulen auf ein späteres Berufsleben<br />
vorzubereiten.<br />
Hermann Lossbrand erhielt Verdienstmedaille<br />
des Landes Rheinland-Pfalz<br />
Für seine besonderen ehrenamtlichen Verdienste<br />
um die Gesellschaft und die Mitmenschen<br />
wurde Hermann Lossbrand aus Dierscheid im<br />
Februar 1999 mit der Verdienstmedaille des<br />
Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.<br />
Einweihung Haus der Vereine<br />
»Alte Schule Dörbach«<br />
Nach Renovierung und Umbau zu einem »Haus<br />
der Vereine« unter tatkräftiger ehrenamtlicher<br />
Mithilfe der Ortsvereine konnte die Ortsgemeinde<br />
Salmtal am 7. März 1999 die alte Schule<br />
Dörbach offiziell ihrer zukünftigen Bestimmung<br />
übergeben. Zur Einweihung und Besich-
tigung der geleisteten Arbeiten und einem<br />
gemütlichen Beisammensein war die Bevölkerung<br />
eingeladen.<br />
»Musik und Kunst«<br />
Unter diesem Motto veranstaltete der Musikverein<br />
Dreis am 24. April 1999 in der Dreyshalle<br />
sein Frühlingskonzert. Für die Musik sorgten<br />
das Jugendorchester Altrich-Dreis und der Musikverein<br />
Dreis. Verbunden mit diesem Konzert<br />
war eine Gemälde-Ausstellung des Heimatmalers<br />
Heinz Thieltges aus Dreis.<br />
Josef Konrad, Minderlittgen –<br />
50 Jahre Dirigent<br />
Dieses Jubiläum seines Dirigenten war Anlass<br />
für den Kirchenchor »Cäcilia« Minderlittgen am<br />
24. April 1999 ein Fest zu feiern. Mitgestaltet<br />
wurde die Feier vom Chor der Ehemaligen des<br />
Kirchenchores Minderlittgen.<br />
US-Präsident auf dem<br />
Flugplatz Spangdahlem<br />
US-Präsident Bill Clinton besuchte am 5. Mai<br />
1999 den Flugplatz Spangdahlem und war da-<br />
mit auch Gast in der Ortsgemeinde Binsfeld.<br />
Präsident Clinton stärkte mit seinem Besuch<br />
den Soldaten der US-Luftwaffe den Rücken für<br />
ihren Einsatz im Kosovo. Gleichzeitig wandte er<br />
sich von Spangdahlem aus auch mit einer<br />
Fernsehansprache an das amerikanische Volk,<br />
um seine Landsleute von der Richtigkeit des<br />
Kosovo-Einsatzes zu überzeugen.<br />
Übergabe eines PCs an den Verein<br />
Ökologo e. V.<br />
Die Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land förderte<br />
die Arbeit des Vereins Ökologo e. V. Klausen<br />
durch Überlassung eines PCs. Der Verein engagiert<br />
sich seit ca. fünf Jahren im Umweltbildungsbereich.<br />
Neben den zahlreichen Aufgaben<br />
wie Betreuung von Biotopen und Artenschutzmaßnahmen<br />
liegt der Schwerpunkt der<br />
Arbeit in der Unterstützung der Schulen und<br />
Kindergärten der Region bei Projekten, Projekttagen<br />
und Projektwochen. Mit dem neuen<br />
PC, den die Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land<br />
dem Verein ab Mai 1999 kostenlos leihweise<br />
zur Verfügung stellte, können die vielfältigen<br />
Aufgaben nicht nur bei der Internetnutzung,<br />
US-Präsident Bill Clinton bei seiner Fernsehansprache auf dem Flugplatz Spangdahlem<br />
59
sondern auch bei der täglichen Arbeit wesentlich<br />
effektiver erledigt werden.<br />
Wehrleiter verabschiedet<br />
Im Festschuppen in Landscheid-Burg/Salm erfolgte<br />
im Mai 1999 die feierliche Verabschiedung<br />
des Wehrleiters der Verbandsgemeinde<br />
<strong>Wittlich</strong>-Land und stellvertretenden Kreisfeuerwehrinspekteurs<br />
Manfred Schönhofen aus<br />
Landscheid-Burg, der die Altersgrenze erreicht<br />
hatte. Bürgermeister Christoph Holkenbrink<br />
dankte dem langjährigen Wehrleiter (seit 1981)<br />
für den ehrenamtlichen Einsatz und überreichte<br />
ihm einen Wappenteller der Verbandsgemeinde<br />
und die Erinnerungsmedaille.<br />
Der bisherige stellvertretende Wehrleiter Hans-<br />
Jürgen Ensch wurde anschließend zum neuen<br />
Wehrleiter und der Wehrführer von Hetzerath,<br />
Herbert Schäfer, zu dessen Stellvertreter ernannt.<br />
Lärmentschädigung für Binsfelder Bürger<br />
Im Mai 1999 erging in 46 Klagen von Binsfelder<br />
Bürgern durch das Landgericht ein wichtiges<br />
Urteil. In ihm wurde festgestellt, dass die Bundesrepublik<br />
verpflichtet ist, an die Kläger einen<br />
angemessenen Ausgleich in Geld für die durch<br />
Fluglärm des Militärflughafens Spangdahlem<br />
verursachte Wertminderung zu zahlen. Damit<br />
ist bestätigt worden, was bereits durch drei Pilotverfahren<br />
gegen die Bundesrepublik erstritten<br />
worden war.<br />
60<br />
Umfangreiche Fortschreibung des<br />
Flächennutzungsplanes der<br />
Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-Land<br />
Vier Gemeinden in der Verbandsgemeinde<br />
<strong>Wittlich</strong>-Land können neue Baugebiete ausweisen.<br />
Der Verbandsgemeinderat hat im Mai<br />
1999 die Änderung des Flächennutzungsplanes<br />
in Niersbach, Plein, Platten und Binsfeld<br />
beschlossen. Die Gemeinden hatten Anträge<br />
auf zusätzliche Ausweisung von Bauflächen<br />
gestellt.<br />
VHS: Miteinander auf gutem Kurs<br />
Am 20. Mai 1999 wurde offiziell der Verein<br />
»Volkshochschule <strong>Wittlich</strong>-Stadt und Land«<br />
gegründet. Dieser Verein, hinter dem die Stadt<br />
<strong>Wittlich</strong> und die Verbandsgemeinde <strong>Wittlich</strong>-<br />
Land stehen, ist Träger der neuen Volkshochschule,<br />
die ab Herbst 1999 die Weiterbildungsarbeit<br />
in der Stadt und in der Verbandsgemeinde<br />
übernimmt. Leiter der neuen Volkshochschule<br />
ist Walter Feltes. In der Gründungsversammlung<br />
berichtete der neue VHS-Leiter über<br />
die Vorbereitungen für das Studienprogramm<br />
1999/<strong>2000</strong>. Eine große Zahl von Kursen mit<br />
vertrauten Inhalten konnte beibehalten bzw.<br />
fortgeführt werden. Daneben wird das Angebotsspektrum<br />
um eine Reihe interessanter<br />
neuer Angebote erweitert.<br />
Führungswechsel bei der Freiwilligen<br />
Feuerwehr in Heckenmünster und Platten<br />
Nach 32-jähriger Tätigkeit als Wehrführer der<br />
Freiwilligen Feuerwehr in Heckenmünster und<br />
14-jähriger Tätigkeit als Wehrführer in Platten<br />
wurden Brandmeister Robert Meyer sowie<br />
Brandmeister Hans-Jörg Konrath aus ihrem<br />
Amt als Wehrführer in Heckenmünster und<br />
Platten von Bürgermeister Christoph Holkenbrink<br />
verabschiedet.<br />
Teilnahme der Ortsgemeinde Bergweiler<br />
am Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner<br />
werden – Unser Dorf hat Zukunft« 1999<br />
Die Teilnahme an diesem Wettbewerb, der im<br />
Juli 1999 stattfand, war für die Ortsgemeinde<br />
Bergweiler ein großer Erfolg. Auf Kreisebene<br />
wurde der 1. Platz, auf der Bezirksebene der 2.<br />
Platz belegt. Durch die Platzierung auf Bezirksebene<br />
vertritt Bergweiler zusammen mit der<br />
Gemeinde Bickendorf den Regierungsbezirk<br />
beim Landesentscheid.
Chronik der Stadt <strong>Wittlich</strong> 1998/1999<br />
Juli 1998<br />
<strong>Wittlich</strong> war Etappenort<br />
Die 33. Rheinland-Pfalz-Rad-Rundfahrt startete<br />
am 25. Juni in Bad Neuenahr. Der aus 20<br />
Teams bestehende Tross traf am 1. Juli in <strong>Wittlich</strong><br />
ein.<br />
50-Jahr-Feier des<br />
Peter-Wust-Gymnasiums<br />
Eine Woche lang feierte das Peter-Wust-Gymnasium<br />
in <strong>Wittlich</strong> sein 50-jähriges Bestehen.<br />
Meistermann-Schenkung<br />
Die Stadt <strong>Wittlich</strong> erhielt von Professor Dr.<br />
Edeltrud Meistermann-Seeger weitere Kunstwerke<br />
(Glasfensterkartons und Glasfenster)<br />
aus dem Nachlass von Professor Georg Meistermann<br />
für das gleichnamige Museum.<br />
August 1998<br />
Säubrennerkirmes<br />
Nach wochenlangem »Sauwetter« herrschte an<br />
der <strong>Wittlich</strong>er Säubrennerkirmes ungetrübtes<br />
Sommerwetter, das den Zigtausenden von Besuchern<br />
erlaubte, auch abends lange in der<br />
Stadt an den Weinlauben zu verweilen. Arm<br />
dran waren nur die Schweine. 102 von ihnen<br />
mussten für die Untat ihres Vorgängers vor 601<br />
Jahren büßen und wurden verzehrt.<br />
September 1998<br />
Wer die Wahl hat...<br />
In der Stadt <strong>Wittlich</strong> änderte sich das Kräfteverhältnis<br />
der Parteien kaum. Bei der Bundestagswahl<br />
im September entfielen auf die CDU 42,7<br />
Prozent (- 1,7 Prozent), die SPD 36,7 Prozent<br />
(- 0,2 Prozent), die F.D.P. 8,1 Prozent (- 0,2<br />
Prozent) und auf Bündnis 90/Die Grünen 7,5<br />
Prozent (- 0,5 Prozent) der Zweitstimmen. Die<br />
PDS erhielt 111 Stimmen (1,1 Prozent). Auf die<br />
anderen elf Parteien des Stimmzettels entfielen<br />
307 Stimmen (3,8 Prozent). Rechtsextreme<br />
Parteien spielten in <strong>Wittlich</strong> keine Rolle, sie erhielten<br />
191 Stimmen. Von den insgesamt<br />
12 764 Wahlberechtigten beteiligten sich<br />
10 507 an der Wahl. Dies ergab eine Wahlbeteiligung<br />
von 82,32 Prozent. Von den abgegebenen<br />
Stimmen konnten 10 381 als gültig ausgezählt<br />
werden. Von den Erststimmen entfielen<br />
auf Peter Rauen 47,7 Prozent, auf Dr. Elke<br />
Leonhard 39,9 Prozent. Die Wahlkreisbewerber<br />
der F.D.P. erhielten 3,9 Prozent, die der Grünen<br />
6,2 Prozent.<br />
Oktober 1998<br />
Verwaltungsbericht der letzten 30 Jahre<br />
Die Arbeiten für den Verwaltungsbericht, den<br />
die Stadt <strong>Wittlich</strong> Ende 1999 herausgeben<br />
möchte, wurden begonnen. Der Bericht soll<br />
über die Entwicklung in der Stadt <strong>Wittlich</strong> seit<br />
der Gebietsreform, beginnend mit dem Jahr<br />
1970, informieren. Den Bürgerinnen und Bürgern<br />
soll so die Arbeit der Stadtverwaltung<br />
<strong>Wittlich</strong> in Zusammenarbeit mit den Organen<br />
der Stadt und den anderen beteiligten Behörden<br />
und Institutionen der Stadtverwaltung<br />
<strong>Wittlich</strong> sowohl in ihrer Aufgabenvielfalt als<br />
auch in ihrem Wandel in möglichst transparenter<br />
Form dargestellt werden.<br />
November 1998<br />
Operation gelungen – Neue gefäßchirurgische<br />
Abteilung im Krankenhaus<br />
Die bereits im Juli in das St.-Elisabeth-Krankenhaus<br />
integrierte gefäßchirurgische Abteilung<br />
unter Leitung von Chefarzt Professor Dr.<br />
Paul Walter wurde eingeweiht. Das <strong>Wittlich</strong>er<br />
Krankenhaus befindet sich in der Phase der<br />
Umsetzung der Krankenhausplanung 2002.<br />
Diese Pläne beinhalten neben Planbettkürzungen<br />
auch den Ausweis eines – neben der Unfallchirurgie<br />
– zusätzlichen chirurgischen<br />
Schwerpunktes.<br />
Dezember 1998<br />
Referendum für Buß- und Bettag<br />
In der Stadt <strong>Wittlich</strong> sprachen sich 325 Personen<br />
von insgesamt 12 742 Wahlberechtigten für<br />
die Änderung des Feiertagsgesetzes und damit<br />
für die Wiedereinführung des Buß- und Bettages<br />
in Rheinland-Pfalz aus. Die Zustimmungsquote<br />
betrug somit lediglich 2,58 Prozent.<br />
Januar 1999<br />
»Duale Oberschule« (DOS)<br />
Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und<br />
Weiterbildung errichtete die Versuchsschule<br />
»Duale Oberschule« (DOS) zum Schuljahresbe-<br />
61
ginn 1999/<strong>2000</strong> an den Hauptschulen Sehlemet<br />
und Wengerohr. In der Dualen Oberschule<br />
werden die Bildungsangebote von Haupt- und<br />
Realschule zusammengefasst und die Abschlüsse<br />
beider Schularten vermittelt. Es entsteht<br />
ein durchgängiger Bildungsweg, der über<br />
die Sekundarstufe I hinausführt, die Sekundarstufe<br />
II einbezieht und neue Möglichkeiten<br />
eröffnet. Dieser zielt nicht, wie das Gymnasium,<br />
auf Hochschul-, sondern auf Fachhochschulreife,<br />
schließt den Zugang in die Hochschule<br />
aber nicht aus. Außerdem bindet er den<br />
betrieblichen Partner im dualen System mit ein<br />
und stärkt damit die Gleichwertigkeit von allgemeiner<br />
und beruflicher Bildung.<br />
Gold und Silber für Lüxem<br />
140 Lüxemer Bürgerinnen und Bürger sowie<br />
Vertreter der Stadt <strong>Wittlich</strong> fuhren zur Preisver-<br />
Verleihung der Gold- und Silberplakette für den Stadtteil Lüxem in Berlin<br />
62<br />
leihung des Bundeswettbewerbes »Unser Dorf<br />
soll schöner werden – Unser Dorf hat Zukunft«<br />
nach Berlin, um dort die Silberplakette auf Bundesebene<br />
entgegenzunehmen. Auf Kreis-, Bezirks-<br />
und Landesebene gewann der Stadtteil<br />
Lüxem im Vorfeld die Goldplakette in diesem<br />
Wettbewerb.<br />
Februar 1999<br />
Volkshochschule<br />
Der Stadtrat <strong>Wittlich</strong> und der Verbandsgemeinderat<br />
<strong>Wittlich</strong>-Land beschlossen gemeinsam,<br />
zum 1. April die »Volkshochschule <strong>Wittlich</strong> –<br />
Stadt und Land« ins Leben zu rufen. Die Volkshochschule<br />
(VHS) soll für das Gebiet der beiden<br />
Kommunen die Weiterbildung im Sinne<br />
des rheinland-pfälzischen Weiterbildungsgesetzes<br />
übernehmen.
Wie bisher das Stadtbildungswerk, so wird<br />
auch die VHS ein umfangreiches, breit gefächertes<br />
Angebot an Kursen zusammenstellen<br />
und rechtzeitig vor dem nächsten Studienjahr<br />
in einer Broschüre vorstellen. Neben den Kursen<br />
in der Stadt werden auch in den Ortsgemeinden<br />
der Verbandsgemeinde Veranstaltungen<br />
stattfinden.<br />
Neuer Kulturamtsleiter<br />
Der Stadtrat beschloss, einen Kulturamtsleiter<br />
einzustellen, der künftig den <strong>Wittlich</strong>er Bürgerinnen<br />
und Bürgern die Kunst näher bringen<br />
soll. Die Bedeutung der Kulturarbeit für das soziale<br />
und menschliche Zusammenleben, aber<br />
auch die Weiterführung der seit vielen Jahren<br />
stattfindenden kulturellen Aktivitäten, verlangen<br />
nach einer neuen Organisationsform der<br />
Kulturarbeit in der Kreisstadt <strong>Wittlich</strong>.<br />
März 1999<br />
Marktschreier-Spektakel<br />
Nachdem die Veranstaltung mit den Marktschreiern<br />
bereits im vergangenen Jahr ein voller<br />
Erfolg war, kamen die Frauen und Männer<br />
»mit der großen Klappe« wieder nach <strong>Wittlich</strong>.<br />
Am Wochenende des 13. und 14. März öffneten<br />
zusätzlich 287 Einzelhandelsgeschäfte ihre<br />
Türen und lockten bei frühsommerlichen Temperaturen<br />
mit Attraktionen zahlreiche Gäste in<br />
die Einkaufsstadt <strong>Wittlich</strong>.<br />
Musiktage<br />
<strong>Wittlich</strong> war zum zweiten Mal neben Koblenz<br />
und Montabaur Austragungsort der Internationalen<br />
Musik-Meisterkurse Koblenz. In den<br />
Osterferien unterrichteten insgesamt 24 Meister<br />
aus aller Welt begabte Schüler, die ebenfalls<br />
aus den unterschiedlichsten Ländern kamen,<br />
und bereiteten diese auf den Sprung ins<br />
Berufsleben als Musiker vor. Das Besondere an<br />
der Veranstaltung war, dass jeder Interessierte<br />
die Meisterkurse und Konzerte besuchen und<br />
somit bei der Erarbeitung und Interpretation<br />
von Musikstücken live dabei sein konnte.<br />
Museum hinter Gittern<br />
In den Räumlichkeiten der Justizvollzugsschule<br />
wurde das Justizvollzugsmuseum eröffnet, in<br />
dem eine umfangreiche Sammlung von Vollzugsgegenständen,<br />
die bis ins 18. Jahrhundert<br />
zurückreichen, besichtigt werden kann.<br />
Justizminister Peter Caesar eröffnete das Justizvollzugsmuseum<br />
und nutzte die Gelegenheit, die<br />
ausgestellte Gefängniszelle selbst zu testen.<br />
April 1999<br />
Abschied vom französischen Bataillon<br />
Anlässlich der Auflösung und Verabschiedung<br />
der 8. Jägergruppe »Sidi Brahim« lud die Stadt<br />
<strong>Wittlich</strong> alle Bürgerinnen und Bürger zu einem<br />
Empfang in die Kultur- und Tagungsstätte Synagoge<br />
ein. Die Stadt <strong>Wittlich</strong> gab zu diesem<br />
Anlass den vom Fotoforum <strong>Wittlich</strong> erstellten<br />
Fotoband »8. Gruppe des Bataillons in <strong>Wittlich</strong><br />
1951 bis 1999« heraus. Die Fotoarbeiten wurden<br />
in einer gleichnamigen Ausstellung in der<br />
Kreissparkasse in <strong>Wittlich</strong> präsentiert.<br />
Mai 1999<br />
Wandertag und Dorffest<br />
Anlässlich des Lüxemer Erfolges beim Wettbewerb<br />
»Unser Dorf soll schöner werden – Unser<br />
Dorf hat Zukunft« lud der Radiosender SWR 4<br />
zum Wandertag nach Lüxem ein. Traumhaftes<br />
Wetter und ein attraktives Unterhaltungsprogramm<br />
lockten zahlreiche Besucher in den<br />
Stadtteil.<br />
Letzter Aufmarsch<br />
Am 8. Mai marschierten die französischen Soldaten<br />
des 8. Jägerbataillons »Sidi Brahim« auf<br />
dem Viehmarktplatz zu ihrer letzten öffentlichen<br />
Parade auf. Auf einer Großleinwand wurde<br />
die Geschichte des Regimentes in einem<br />
Film gezeigt. Viele Gäste nutzten die Gelegenheit,<br />
sich von den Franzosen, die in den vergangenen<br />
Jahrzehnten von der Besatzungsmacht<br />
zu Freunden geworden waren, zu verabschieden<br />
(Siehe auch Beitrag auf S. 76).<br />
63
An der feierlichen Abschiedsparade des 8. Jägerbataillons »Sidi Brahim« am 8. Mai in <strong>Wittlich</strong> nahmen<br />
auch die Veteranen teil.<br />
Juni 1999<br />
Konversion<br />
Ein »Informationsbüro für Konversion und Gewerbeansiedlung«<br />
wurde im ehemaligen Unteroffizierskasino<br />
in der Kasernenstraße in <strong>Wittlich</strong><br />
eingerichtet. In diesem Büro werden alle Fragen<br />
rund um das Konversionsgebiet beantwortet.<br />
Kommunalwahlen<br />
In den nächsten fünf Jahren wird die CDU mit<br />
16 Ratsmitgliedern im <strong>Wittlich</strong>er Stadtrat vertreten<br />
sein. Bei einem Stimmenzuwachs von<br />
9,22 Prozent konnte sie drei Sitze hinzugewinnen.<br />
Verlierer waren die Grünen und die F.D.P.,<br />
die jeweils nur noch zwei Sitze erhielten. Keine<br />
Veränderungen gab es bei der SPD, die wieder<br />
zehn Ratsmitglieder stellte. Bei der FWG blieb<br />
64<br />
es wie bisher bei zwei Ratssitzen. Enttäuschend<br />
war die Wahlbeteiligung der <strong>Wittlich</strong>er.<br />
Nur 54,5 Prozent der wahlberechtigten Bürger<br />
suchten die Wahllokale auf oder gaben ihre<br />
Stimmen per Briefwahl ab.<br />
Familienunternehmen im II. <strong>Wittlich</strong>er<br />
Unternehmerforum<br />
Das II. <strong>Wittlich</strong>er Unternehmerforum des Instituts<br />
für Mittelstandsökonomie Trier (InMit) fand<br />
zum zweiten Mal in <strong>Wittlich</strong> statt. Mehr als 200<br />
Unternehmer aus der Region und dem ganzen<br />
Bundesgebiet reisten nach <strong>Wittlich</strong>, um an der<br />
zweitägigen Veranstaltung zum Thema »Familienunternehmen:<br />
Lebenswerk mit Zukunft« teilzunehmen.<br />
Zu den Referenten zählten namhafte<br />
Persönlichkeiten.<br />
Schirmherrin des Unternehmerforums ist die<br />
Stiftung Stadt <strong>Wittlich</strong>.
Kleine Wetterchronik des <strong>Landkreis</strong>es<br />
Im »ersten Sommer«, dem »Jungweibersommer«,<br />
gab es vom 8. - 20. Mai 1998 13 Sonnentage<br />
in Folge. Am 12. und 13. Mai stieg die<br />
Temperatur sogar auf über 30° C an.<br />
Die zweite, dritte und vierte Sommerphase war<br />
jeweils nur kurz mit heißen Tagen vom 4. - 6.<br />
und 19. - 21. Juni sowie vom 19. - 21. Juli. Dazwischen<br />
herrschte die Schafskälte-Siebenschläfer-Periode<br />
(SSP) mit kühler und wolkenreicher<br />
Luft. Der »fünfte Sommer« währte vom<br />
5. - 20. August mit einem Temperaturhöchstwert<br />
von 38 Grad am 11. in Traben-Trarbach.<br />
Vom 21. August an bis zum 18. September war<br />
es sehr nass und kalt (wie 1993 ab dem 23. August).<br />
Ursache dafür waren die mit tropischem<br />
Wasserdampf angereicherten abgeschwächten<br />
Hurrikane »Bonny« (am 3. September),<br />
»Danielle« (am 8. September) und »Earl« (ab 10.<br />
September). Dann folgte Sommer Nummer<br />
sechs, der »Altweibersommer« vom 19. - 25.<br />
September. Nachdem der Hurrikan »George«<br />
nicht nach Europa kam, sondern die Karibischen<br />
Inseln und das Mississippigebiet heimsuchte,<br />
erreichten uns weitere vier abgeschwächte<br />
Hurrikane: »Ivan« (am 28.), »Karl«<br />
(vom 30. September. - 3. Oktober), »Jeanne«<br />
(6. Oktober), und »Lisa« (11. Oktober). Am 3.<br />
Oktober erreichte die Höchsttemperatur an der<br />
Mosel gerade einmal 6° C, was ein neuer Kälterekord<br />
für das erste Oktoberdezennium war.<br />
Der »goldene Oktober« war nur stundenweise<br />
zu geniessen. Das Kreisgebiet erlebte ein<br />
»Westwetter-Hochwasser« mit abschließendem<br />
Höhentief über Norwegen und einem Pegelstand<br />
von 9,41 m in Trier am 1. November.<br />
Es war bereits das fünfte Hochwasser über<br />
neun Meter in den 90er Jahren. [23. Dezember<br />
1993 (11,28 m), 23. Januar 1995 (10,33 m), 21.<br />
Januar 1997 »Eisstauhochwasser« und 27. Februar<br />
1997 (9,96 m)].<br />
Vom 15. November bis zum 9. Dezember erlebten<br />
wir den »ersten Winter« mit Schneefällen<br />
Mai 1998 bis Juli 1999<br />
Hubertus Schulze-Neuhoff<br />
am 15., 19., 26. und 29. November sowie vom<br />
4. - 7. und 9. Dezember. Schuld daran waren<br />
Hochs über dem Ostatlantik und Nordströmungen<br />
über Europa, die dem Erbeskopf am 9. Dezember<br />
eine Schneehöhe von 30 cm bescherten.<br />
Vom 11. Dezember ’98 bis 26. Januar ’99<br />
herrschte eine milde Tiefdruckserie mit einem<br />
kurzen Winterintermezzo vom 9. - 13. Januar<br />
(»zweiter Winter«). Vom 27. Januar bis 28. März<br />
erlebten wir den »dritten Winter« mit sieben<br />
Hochs über dem Atlantik und Tiefs über Europa<br />
mit Kälte und Schneefällen im Kreisgebiet vom<br />
27. Januar - 1. Februar, 5. -15., 17. und 18. (Erbeskopf<br />
36 cm), und 22. - 25. Februar sowie<br />
vom 5. - 8., 22 und 23. und am 28. März.<br />
Am 22. Februar kam das »Schneeschmelz-<br />
Hochwasser« (Trier 7,94 m am 11. März). Endlich<br />
dann vom 11.- 18 März konnten wir den<br />
»ersten Frühling« geniessen: Am Tag war es<br />
sonnig und trocken, nachts jedoch noch etwas<br />
kühl. Der »zweite Frühling« begann am 29.<br />
März und endete mit Starkgewitter am 6. April<br />
abends. Um den 14. April brach dann der vierte<br />
Winter ein, dafür kam vom 25. April an für zwei<br />
Wochen der »dritte Frühling«. Die Eisheiligen<br />
um den 15. Mai waren harmlos (1998 waren es<br />
sogar »Heißheilige«). In den Tagen zwischen<br />
17. Mai und 2. Juni erlebten wir den vierten<br />
Frühling bzw. ersten Sommer (Jungweibersommer).<br />
Er war sehr mild mit viel Sonne,<br />
brachte aber auch Regen und Gewitter<br />
(Wachs- und Grillwetter). Im Juni wechselten<br />
sich Sommer und Schafskälte regelmäßig ab,<br />
so erwischte uns um den 7. Juni die »Schafskälte«,<br />
dazwischen kam vom 14. - 20. Juni der<br />
»2. Sommer« (Heuwetter) und um den 21. Juni<br />
hatten wir die »zweite Schafskälte«. Sommer<br />
Nr. 3 erfreute uns vom 23. - 27. Juni (Heuwetter).<br />
Sommer Nr. 4 (vom 2.-4. Juli), Nr. 5 (vom<br />
9.-11.), Nr. 6 (16.-19.) und Nr. 7 (ab 23. Juli - 4.<br />
August »Hundstage«) brachten viel Sonne und<br />
Wärme im Juli 1999.<br />
65
Wenn eine Gemeinde, die auf eine ca. 2500jährige<br />
Vergangenheit zurückblickend ihr 1250jähriges<br />
Jubiläum feiert, ist dies nicht die Folge<br />
eines vermeintlichen Irrtums, sondern das Fest<br />
der ersten Erwähnung des Namens »Rivenich«<br />
in Urkunden.<br />
Das genaue Alter dieses kleinen Winzerortes in<br />
unserem Kreisgebiet lässt sich mangels schriftlicher<br />
Dokumente nicht belegen. Ausgrabungen<br />
decken aber eine frühe keltische Besiedlung<br />
dieser Region durch den Stamm der Treverer<br />
auf. Die günstige Lage des kleinen Ortes<br />
im Seitental der Mosel unmittelbar an der Salm<br />
blieb auch den Römern nicht verborgen, wie<br />
Reste der alten Römerstraße, römische Grundmauern<br />
und Urnen belegen. Über 1000 Jahre<br />
später, im Jahre 748, wird die Ortschaft erstmals<br />
als »Riveniacus« in einer Urkunde des Bischofs<br />
Chrodegang I. von Metz erwähnt. Die im<br />
Zweiten Weltkrieg verloren gegangene Urkunde<br />
bezeugt die Übernahme einer Grundherrschaft<br />
seines Bistums in Klüsserath und einen<br />
kleinen Hof in Rivenich durch die Abtei Gorze<br />
bei Metz. Auf sie stützt sich die Annahme, dass<br />
wir uns Rivenich im 8. Jahrhundert n. Chr. als<br />
einen kleinen Weinort vorstellen dürfen, dessen<br />
Gemarkung, Höfe und Bewohner mehreren<br />
Grundherren zuzuordnen waren.<br />
Heute, 1250 Jahre danach, ist Rivenich eine attraktive<br />
Weinbaugemeinde im Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />
die sich durch ihr ansprechendes<br />
Ortsbild, die engagierte und lebendige Gemeinschaft<br />
und Gastfreundschaft ihrer Bürger<br />
und die gelungene Verbindung von Wein,<br />
Kunst und Kultur in ihren Veranstaltungen auszeichnet.<br />
Mit den Feierlichkeiten von Beginn bis zum Ende<br />
des Jubiläumsjahres sollte nicht nur ein<br />
Blick auf die wechselvolle Geschichte der Gemeinde<br />
in den vergangenen Jahrhunderten gelenkt,<br />
sondern den Besuchern und Gästen die<br />
Entwicklung einer kleinen und lebhaften Weinbaugemeinde<br />
im Herzen der Moselregion, ihre<br />
Tradition und ihr kulturelles Leben sowie ihre<br />
Bemühungen um die Erhaltung einer vom<br />
Weinbau geprägten dörflichen Substanz ver-<br />
66<br />
1250 Jahre Rivenich<br />
Arnold Binzen<br />
mittelt werden. Weinbau, Landwirtschaft, Kultur<br />
und Kunst, die in Rivenich in den vergangenen<br />
Jahren eine gelungene Verbindung eingegangen<br />
sind, bildeten somit auch die inhaltlichen<br />
Schwerpunkte des feierlichen Rahmenprogramms.<br />
Im Januar 1998 stellte der Landtagsabgeordnete<br />
und gebürtige Rivenicher Günter Rösch<br />
sein Heimatbuch »Rivenich im Herzen« erstmals<br />
der Öffentlichkeit vor. Mit seinem Buch<br />
bekundet der Autor seine Liebe und Verbindung<br />
zu seiner Heimat Rivenich in historischen<br />
Beschreibungen und biographischen Erlebnisgeschichten.<br />
»Rivenich im Herzen« ist ein<br />
Werk, das dem Leser vom landschaftlichen<br />
Reiz dieser Gemeinde, der lebhaften und aufgeschlossenen<br />
Natur der Bürger, ihrem Leben<br />
für den Wein und ihrem kulturellen Engagement<br />
erzählt.<br />
Stilvoll restauriert präsentiert sich das »Alte<br />
Kelterhaus«, das als kleines Museum Tätigkeiten<br />
und Arbeitsgeräte des Winzers dokumentiert<br />
und in seinem Gewölbekeller dazu einlädt,<br />
mit Weinproben die Qualität der Rivenicher<br />
Weine in stimmungsvoller Atmosphäre zu kosten.<br />
Eine großformatige Fotoausstellung der<br />
Fotografin Irene Wagner im Foyer des Kelterhauses<br />
bietet den Besuchern eine Auswahl bemerkenswerter<br />
Perspektiven auf die reizvollen<br />
Winkel und charakteristischen Nischen der Gemeinde.<br />
Welche körperlichen Anstrengungen, Techniken<br />
und Handgriffe zum Einholen der Ernte die<br />
Zeiten vor der revolutionären Einführung landwirtschaftlicher<br />
Technik prägten, zeigte eine historische<br />
Getreideernte am 8. August 1998 am<br />
Ortseingang von Rivenich. Schlotterfass und<br />
Wetzstein, Sense und Sichel, Viez und Hausmacher<br />
sollten weniger ein romantisches Erlebnis<br />
als die Mühen und fast vergessenen<br />
Praktiken einer konventionellen, frei von technischen<br />
Hilfen geprägten Getreideernte einer<br />
vergangenen Zeit dokumentieren. Die Vorführungen<br />
der gemeinsamen Feldarbeit von<br />
Frauen und Männern waren lebendiger Geschichtsunterricht<br />
und vermittelten den Zu-
schauern wertvolle Einblicke in den Ablauf der<br />
Ernte, den Einsatz der einfachen Ernteinstrumente<br />
sowie die Techniken des Bindens und<br />
Aufrichtens der Garben zum Trocknen auf den<br />
Feldern. In ihrem Schatten ließ sich bei Viez,<br />
Bauernbrot und Hausmacher die an dem Tage<br />
herrschende extreme Hitze nur bedingt ertragen.<br />
Auftakt des offiziellen Festaktes am 21. August<br />
1998 stellte die Einweihung des neuen, aus Basalt<br />
geschaffenen Dorfbrunnens des Trierer<br />
Künstlers Günter Föhr am Brandweiherplatz<br />
dar. In Anwesenheit vieler Bürger und Gäste,<br />
musikalisch untermalt durch Beiträge der Instrumentalgruppe<br />
»Amabile« und dem Musikverein<br />
Hetzerath bezeichnete der Schirmherr<br />
der Jubiläumsfeier, Ministerpräsident Kurt<br />
Beck, den Brunnen als Symbol des Lebens und<br />
der Hoffnung dafür, das Rivenich auch zukünftig<br />
ein lebendiges und solidarisches Gemeinwesen<br />
sein werde.<br />
Der offizielle Festakt, der in Anwesenheit vieler<br />
prominenter Gäste und Vertreter der umliegenden<br />
Gemeinden durch Bürgermeister Günter<br />
Thul und Wilfried Wagner als Leiter des Festkomitees<br />
eröffnet wurde, erhielt seine künstlerische<br />
Umrahmung durch den Gesangverein<br />
und den Kirchenchor Rivenich, Darbietungen<br />
der Gesangsgruppe der Munzelsmännchen<br />
und der Tanzgruppe des Karnevalvereins<br />
»Salmtalnarren Rivenich«.<br />
Bei sommerlichen Temperaturen lockte die<br />
»Historische Handwerkerstraße« im Ortskern<br />
zahlreiche Besucher vom 22. bis 23. August<br />
1998 zum Jubiläumsfest an.<br />
Vieles gab es zu bewundern:<br />
Handwerkliche Stände von Küfern, Stellmachern,<br />
Besenbindern oder Bäckern, strickende<br />
und webende Frauen in historischen Kleidern,<br />
alte Wohnstuben und Schlafzimmer, das Wäschewaschen<br />
und Bleichen auf der Wiese, Materialien<br />
zur Milchverarbeitung, eine Münzpräge,<br />
die Oldtimer-Traktorenschau, Vorführungen<br />
mit der Dreschmaschine, Ausstellungen<br />
über Weinbau, Land- und Forstwirtschaft, eine<br />
Modenschau und historische Kindtaufe, das<br />
mittelalterliche Ritterlager sowie das Waldlager<br />
der Sagengestalt des Munzelsmännchens<br />
machten den Besuch zu einem Erlebnis. Kinder<br />
auf Stelzen mit einfachen alten Straßenspielen<br />
beschäftigt, eine fahrende Raupe und die ausgelassenen<br />
Aktivitäten des Munzelsmänn-<br />
chens sorgten für ein buntes und abwechslungsreiches<br />
Treiben auf den Straßen. Eine<br />
Sternfahrt des Radfahrvereins Schwalbe aus<br />
Trier führte sogar Radsportler in das Festgetümmel.<br />
Mit einem Großfeuerwerk am Sonntagabend<br />
und einer Autogrammstunde mit prominenten<br />
Fußballspielern am Montag fanden<br />
die Feierlichkeiten ihren gelungenen Abschluss.<br />
Im November folgten die Rivenicher Bürger einer<br />
Einladung des Ministerpräsidenten in den<br />
Landtag nach Mainz.<br />
Vom 13. bis 15. November 1998 präsentierten<br />
in der Ausstellung »Wein und Kunst« Rivenicher<br />
Winzer und Hobbykünstler ihre neuesten<br />
Produkte und künstlerischen Werke. In einer<br />
dekorativ ansprechenden Atmosphäre wurden<br />
»Federweißer mit Zwiebelkuchen«, junge Weine<br />
und Branntweine angeboten sowie Aquarell-<br />
und Pastellzeichnungen, Puppen und<br />
handwerkliche Arbeiten aus Holz, Stoff und<br />
Ton gezeigt.<br />
Eine feierliche Einstimmung auf die Weihnachtszeit<br />
bot die musikalische Eröffnung des<br />
Weihnachtsmarktes durch den Kinder- und Jugendchor<br />
Bad Ems und den Mädchenchor aus<br />
Moskau in der Pfarrkirche St. Brixius.<br />
Die Veranstaltungen zum Festjahr ließ die Gemeinde<br />
mit einem Konzertabend am 29. Dezember<br />
1998 ausklingen. Mit temperamentvoller<br />
russischer Zigeunermusik, stimmungsvoller<br />
Virtuosität und lustigen Partituren gelang es<br />
dem Ensemble »Trio Zigane« die Zuhörer zu<br />
begeistern und einen gebührenden Abschluss<br />
der 1250-Jahr-Feierlichkeiten zu präsentieren.<br />
Die Ausgewogenheit, Vielfalt und Attraktivität<br />
des Jubiläumsprogrammes traf bei den zahlreichen<br />
Besuchern auf eine erfreuliche Resonanz<br />
und Anerkennung der bemerkenswerten und<br />
tatkräftigen Leistung aller Bürger. Die Gemeinde<br />
konnte mit ihrer Gastfreundschaft und ihrem<br />
Engagement nicht nur die Herzen ihrer Besucher<br />
gewinnen, sondern ihren Gästen auch das<br />
Bild einer lebendigen Dorfgemeinschaft vermitteln.<br />
Die zweijährige Vorbereitungsphase hat<br />
die Rivenicher zu einer erfolgreichen Dorfgemeinschaft<br />
zusammengeschweißt und ihnen<br />
die Motivation für zukünftige Projekte kultureller<br />
Art verliehen. Dank dieser Hilfsbereitschaft<br />
und Begeisterung ihrer Bewohner konnte sich<br />
die Gemeinde in so positiver Weise präsentieren.<br />
67
Müssen wir an der Schwelle zum neuen Jahrtausend<br />
Angst vor der kommenden Jahreswende<br />
haben? Eine wesentliche Rolle spielt<br />
hier beispielsweise die Frage, ob die moderne<br />
Technik zum Jahreswechsel die Umstellung<br />
schafft und die Versorgung mit allen Annehmlichkeiten<br />
des täglichen Lebens und betrieblichen<br />
Ablaufs nicht zusammenbricht.<br />
Für das Handwerk hat das Datum 1. Januar<br />
<strong>2000</strong> nur eine geringe Bedeutung. Viel wichtiger<br />
ist der damit verbundene Begriff der Zukunft<br />
im wirtschaftspolitischen Sinne. Diese<br />
Zukunft hat längst begonnen, nicht nur in einer<br />
Europäischen Union und einer gemeinsamen<br />
Währung. Licht und Schattenseiten sind bekannt,<br />
manches ist beklemmend, verwirrend<br />
und unverständlich. Einige Fakten sollen das<br />
verdeutlichen.<br />
Die Währungsunion hat bisher nicht alle Bedenken<br />
zerstreuen können, die wir Deutsche<br />
wegen einer Abweichung vom Stabilitätskurs<br />
haben. Ob der Euro so hart bleibt wie die Deutsche<br />
Mark, hängt nicht mehr alleine von uns<br />
ab, ist aber entscheidend für die künftige Entwicklung.<br />
Teuer für die Volkswirtschaft sind Urteile des<br />
Europäischen Gerichtshofs und die schwer<br />
nachvollziehbare Rechtsprechung. EU-Kommission<br />
und EU-Parlament dringen mit ihren<br />
Entscheidungen immer tiefer in nationale<br />
Rechte ein und verändern damit gewachsene<br />
Strukturen usw.<br />
Brüssel wird immer mehr zum anonymen<br />
Machtfaktor. Die Gefahr des Verlustes nationaler<br />
und persönlicher Akzeptanz ist Realität. Als<br />
Beispiel hierfür mag die duale betrieblich-schulische<br />
Berufsausbildung auf der Grundlage des<br />
Meisterbriefes im Handwerk gelten. Da keine<br />
vergleichbare Regelung im europäischen<br />
Raum existiert, welche solche Erfolge aufweist,<br />
gerät unser deutsches System in die Kritik.<br />
68<br />
Das Handwerk des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> im Jahr <strong>2000</strong><br />
Chancen und Risiken<br />
Franz Ludwig Kappes<br />
Nicht weil es schlecht ist, sondern handfeste<br />
Wettbewerbsvorteile hat.<br />
Allein in Rheinland-Pfalz arbeiten 350 000<br />
Menschen im Handwerk, das bundesweit seit<br />
Mitte der achtziger Jahre rund zwei Millionen<br />
neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Die Unternehmen<br />
konnten sich entwickeln, hatten weitgehend<br />
verlässliche Rahmenbedingungen, Zugang<br />
zum Kapitalmarkt, geregelte Wettbewerbsbedingungen,<br />
Freizügigkeit, Expansionsmöglichkeiten<br />
und das Recht, für ihre Belange<br />
zu kämpfen, und dies notfalls vor Gericht zu erstreiten,<br />
und zwar vor Ort. Inwieweit der Europäische<br />
Gerichtshof gleiches Recht für ungleiche<br />
Voraussetzung schafft, bleibt abzuwarten.<br />
Ein Schlagwort mit vielen Unbekannten heißt<br />
»Globalisierung«. Die theoretische Möglichkeit,<br />
unabhängig von Staatsgrenzen Märkte und<br />
Produktionsstätten zu erschließen und zu<br />
schaffen, bedeutet im Umkehrschluss ein verschärfter<br />
Wettbewerb auf allen Gebieten, auch<br />
im Inland.<br />
Die deutsche Automobilindustrie z. B. wird ihre<br />
Standortstruktur in den kommenden Jahren<br />
weiter verändern. Es bedarf einer Präsenz auf<br />
allen relevanten Absatz- und Beschaffungsmärkten<br />
und parallel dazu eine Abdeckung der<br />
gesamten von den Märkten geforderten Produkt-<br />
und Servicebandbreite. Das käme wiederum<br />
den Kfz-Werkstätten als Dienstleistende<br />
zugute. Grundsätzlich gilt dies auch für den gesamten<br />
Dienstleistungssektor Handwerk. Kundenorientierte<br />
Lösungen und »maßgeschneiderte«<br />
Angebote auf dem Dienstleistungsbzw.<br />
Reparatursektor sind nicht durch Fließbandarbeit<br />
zu ersetzen und gelten als große<br />
Chance für unsere mittelständischen Handwerksbetriebe.<br />
Die wachsenden Absatzmärkte z. B. für handwerkliche<br />
Möbelherstellung oder individuelle,
von der großen Serie abweichende Herstellung<br />
handgefertigter Erzeugnisse, belegen den<br />
Trend zur persönlichen Note einer sich ständig<br />
vergrößernden Klientel.<br />
Moderne Produktionsverfahren, rechnergesteuerte<br />
Technik, straff geführtes Management<br />
und ein ausgebautes Vertriebsnetz sind auch<br />
heute schon für viele Handwerksbetriebe Standard.<br />
Unsere Region verfügt über eine gut ausgebildete<br />
und motivierte Mitarbeiterstruktur,<br />
welche die Wettbewerbsfähigkeit verbessert.<br />
Nicht nur in den Ballungsgebieten im deutschen<br />
Raum, auch in den europäischen Nachbarstaaten<br />
befindet sich die Kundschaft vieler<br />
Betriebe aus dem Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />
Hierbei muss allerdings festgestellt werden,<br />
dass trotz einem vereinten Europa ohne Grenzen<br />
einzelstaatliche Hürden Handel und Produktion<br />
erschweren. Sprachbarrieren sind eine<br />
weitere Behinderung im Ausbau von Geschäftsverbindungen.<br />
Nicht nur Betriebe, sondern auch Regionen<br />
konkurrieren heute um Angebote für Standorte<br />
gewerblicher Ansiedlung. Im Kreisgebiet wurden<br />
in der Vergangenheit erhebliche Fortschritte<br />
bei Betriebsansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen<br />
erzielt.<br />
Hierbei war auch das Handwerk entweder direkt<br />
beteiligt oder hat daran partizipiert. Die<br />
rund 12 000 Mitarbeiter in unseren Handwerksbetrieben<br />
wären ohne diese Leistungen nicht<br />
zu beschäftigen. Die Befürchtung, dass Fördermittel<br />
von Brüssel in andere Regionen umgeleitet<br />
werden, ist leider schon Realität und<br />
könnte die Entwicklung hier negativ beeinträchtigen.<br />
Im neuen Jahrtausend wird sich die Arbeitswelt<br />
in zunehmendem Tempo verändern. Gewachsene<br />
Strukturen werden in Frage gestellt,<br />
Märkte verändern sich ebenso wie das Nachfrageverhalten.<br />
Die Entwicklung elektronischer<br />
Medien, wie z. B. das Internet, ermöglicht weltweiten<br />
Ein- und Verkauf von Waren und Dienstleistungen<br />
und ist in der Konsequenz nicht absehbar.<br />
Aber auch das ist nicht als Bedrohung,<br />
sondern als Chance für die mittelständische<br />
Wirtschaft zu sehen, die heute schon die Möglichkeiten<br />
erkannt hat und sie zu nutzen weiß.<br />
Die Mitgliedsbetriebe unserer Innungen sind alle<br />
im Internet präsent und die Nutzung steigt,<br />
zumindest beim produzierenden Gewerbe.<br />
Erhebliche Bedeutung für die wirtschaftliche<br />
Entwicklung unserer Region im neuen Jahrtausend<br />
hat die Verkehrsinfrastruktur. Die problemlose<br />
Erreichbarkeit unserer Fremdenverkehrszentren,<br />
deren kundenfreundliches Angebot,<br />
marktgerechte Weinpreise und die Verbesserung<br />
des Managements unzähliger Anbieter<br />
könnten auch dem Handwerk Vorteile<br />
verschaffen.<br />
Ein weiteres Zusammenwachsen des Binnenmarktes<br />
im geeinten Europa bedingt Wettbewerbsgleichheit<br />
und damit Wettbewerbsfähigkeit,<br />
ohne damit gebietstypische Besonderheiten<br />
zu zerstören. Verzerrungen z. B. im Steuerund<br />
Abgaberecht, in den Sozialsystemen, dem<br />
Arbeitsrecht etc. sollten bald beseitigt werden.<br />
Das leistungsgemäße Aufbringen, die ökonomische<br />
Verteilung der Finanzmittel und letztendlich<br />
eine stabile Währung bedeuten auch<br />
für unser Handwerk die Sicherung und Weiterentwicklung<br />
der Betriebe.<br />
Große betriebswirtschaftliche Probleme durch<br />
zurückgehende Nachfrage haben alle Beteiligten<br />
zu verkraften. Vieles wäre für sie einfacher,<br />
wenn das Nachfrageverhalten verbessert würde<br />
durch den Glauben an die gesicherte eigene<br />
Existenz auch über das neue Jahr <strong>2000</strong> hinaus.<br />
Ziel<br />
Nicht ohneeinander<br />
auch nicht nebeneinander<br />
sondern<br />
freiwillig miteinander<br />
in einer Gemeinschaft<br />
in der nicht das Gemeine<br />
sondern das Gemeinsame<br />
überwiegt<br />
Elisabeth Freitag<br />
69
Die Eifelklinik in Manderscheid ist eine der neun<br />
eigenen Rehabilitationskliniken der LVA Rheinprovinz,<br />
dem größten Träger der Arbeiterrentenversicherung<br />
in der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Nach mehr als dreijähriger Planungs-<br />
und Bauzeit wurde die Eifelklinik am 19.<br />
Oktober 1963 ihrer Bestimmung übergeben.<br />
Die LVA Rheinprovinz wollte in Manderscheid<br />
eine Klinik schaffen, in der naturgemäße Heilmethoden<br />
in den Dienst kranker und gesundheitsgefährdeter<br />
Menschen gestellt werden,<br />
um dem vorzeitigen Eintritt von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit<br />
entgegenzuwirken. Behandelt<br />
werden sollten vor allem Menschen, die<br />
unter Krankheiten leiden, die in der Eigenart<br />
unserer Zeit ihre Ursachen haben (sog. »Zeitkrankheiten«).<br />
Mit aktivierender Behandlung<br />
sollte die Anpassungsfähigkeit an die äußeren<br />
Verhältnisse gefördert werden. 1<br />
Umstrukturierung der Klinik<br />
In den ersten drei Jahrzehnten ihres Bestehens<br />
wurden in der Eifelklinik über 70 000 Patienten<br />
rehabilitativ behandelt. Unter ihren Chefärzten<br />
Dr. med. Bernd Janschulte (1963-1980), Dr.<br />
med. Friedrich-Wilhelm Schwefer (1980-1988)<br />
und Priv.-Doz. Dr. med. Wilfried Kollmeier<br />
(1988-1991) hatte sich die Eifelklinik im Laufe<br />
der Zeit zunehmend mehr zu einer Rehabilitationsklinik<br />
mit internistischem Schwerpunkt entwickelt.<br />
Wegen der Zunahme psychosomatischer<br />
Erkrankungen und dem wachsenden Bedarf<br />
an psychosomatischer Rehabilitation entschloss<br />
sich der Träger, die Eifelklinik zum 1.<br />
Januar 1993 auf dieses Indikationsgebiet umzustellen.<br />
Es wurde ein integratives psychoanalytisches<br />
Konzept erarbeitet. Für die Umstrukturierung<br />
der Klinik wurde ein Zeitraum von fünf Jahren<br />
veranschlagt. Erstmals in der Geschichte der<br />
stationären psychosomatischen Versorgung in<br />
Deutschland wurde eine Klinik quasi aus dem<br />
»laufenden Betrieb« heraus umgestellt. Vorhandenes<br />
Personal musste fort- und weitergebildet<br />
werden. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
wurden integriert. Neue Funktionsbe-<br />
70<br />
Die Eifelklinik Manderscheid<br />
Roland Koechel<br />
reiche (z. B. Sozialberatung und Spezialtherapien)<br />
wurden aufgebaut. Die Arbeit insgesamt<br />
musste neu organisiert und andere Kommunikationsstrukturen<br />
geschaffen werden. Umbaumaßnahmen<br />
waren erforderlich, Neubaumaßnahmen<br />
sind geplant. Der Umstrukturierungsprozess<br />
war nicht nur eine äußerst schwierige,<br />
sondern auch eine sehr komplexe Aufgabe, die<br />
von allen Beteiligten Höchstleistungen erforderte.<br />
Die Eifelklinik ist heute eine Spezialklinik<br />
für psychosomatische Erkrankungen und die<br />
ganzheitlichere Behandlung organischer<br />
Krankheiten.<br />
Die Klinik arbeitet mit einem Krankheitsverständnis,<br />
das nicht nur die Objektivität organischer<br />
Veränderungen in Rechnung stellt, sondern<br />
auch die Objektivität seelischen Geschehens<br />
im Individuum. Dieser Ansatz impliziert,<br />
dass auch organische Krankheiten, d. h. solche<br />
mit anatomischen Veränderungen, anteilig seelische<br />
Ursachen haben können, also potenziell<br />
einen psychogenetischen Faktor aufweisen. 2<br />
Krankheit ist so gesehen nicht anonym wirkender<br />
Zufall, sondern Reaktionsmöglichkeit eines<br />
Individuums in hilfloser Lage.<br />
Bei psychosomatischen Erkrankungen handelt<br />
es sich nur ausnahmsweise um Stressreaktionen<br />
oder Anpassungsstörungen auf Veränderungen<br />
im sozialen Umfeld. Reaktionen auf<br />
akut erfahrene Belastungen erhalten nur dann<br />
eine krankmachende Wirkung, wenn sie mit<br />
spezifischen Bereitschaften der Person, einer<br />
spezifischen Empfindlichkeit und/oder Störbarkeit<br />
der Person (als Disposition) zusammentreffen.<br />
Erst dieses integrierende Verständnis<br />
der Bedeutung »struktureller« wie »aktueller«<br />
Faktoren in Bezug auf eine bestimmte Person<br />
gibt eine ausreichende Basis für therapeutische<br />
Entscheidungen. Auf der Grundlage dieses<br />
Verständnisses lässt sich die Frage entscheiden,<br />
ob in einem bestimmten Fall eine begrenzte,<br />
im Wesentlichen auf den »aktuellen«<br />
Auslösungsfaktor konzentrierte Intervention<br />
angebracht ist, oder ob eine auf Beeinflussung<br />
der neurotischen Disposition, des strukturellen<br />
Faktors abgestellte Behandlungsform vorzu-
ziehen ist. Reflektierte Entscheidungen dieser<br />
Frage setzen wiederum ein Konzept voraus,<br />
das beide Faktoren in eine sinnvolle Beziehung<br />
zueinander bringt.<br />
Die Bedeutung der Eifelklinik für die<br />
Region Manderscheid<br />
Seit 1950 führt Manderscheid eine Statistik<br />
über den Fremdenverkehr. 3 Damals wurden<br />
24 337 Übernachtungen in Hotels, Pensionen,<br />
Gasthäusern und Fremdenheimen gezählt.<br />
1960 lag die Zahl der Übernachtungen knapp<br />
über 80 000 pro Jahr. Deutlichen Aufschwung<br />
brachte jedoch erst die Eröffnung der Eifelklinik.<br />
Im Jahr 1964 ergaben sich allein dadurch<br />
58 599 Belegungen. 1965 waren es bereits<br />
75 208 Übernachtungen.<br />
Am 1. Oktober 1964 erhielt Manderscheid die<br />
Anerkennung als heilklimatischer Kurort. Der<br />
Ausbau der Kureinrichtungen, die Inbetriebnahme<br />
des Kurhauses und die Fertigstellung<br />
des Kurparks machten Manderscheid für den<br />
Erholungssuchenden noch attraktiver.<br />
Die Eifelklinik ist mit durchschnittlich 160 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern einer der größten<br />
Arbeitgeber in der Verbandsgemeinde. Die Klinik<br />
verfügt über eine Kapazität von 180 Betten,<br />
die sich auf acht Stationen verteilen. Die Mehrzahl<br />
der Patientinnen und Patienten kommt aus<br />
den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln.<br />
Sie und die Besuche ihrer Angehörigen beleben<br />
die Gastronomie und das Beherbergungsgewerbe.<br />
Durch die gute Zusammenarbeit zwischen der<br />
Verbandsgemeinde- und Stadtverwaltung sowie<br />
der Klinikleitung wurde das kulturelle Angebot<br />
Manderscheids in den vergangenen Jahren<br />
ständig verbessert.<br />
Perspektiven<br />
Die Spargesetze im Gesundheitswesen, vor allem<br />
das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz<br />
der Bundesregierung und das<br />
Beitragsentlastungsgesetz führten in den vergangenen<br />
zwei Jahren zu drastischen Kürzungen<br />
in der medizinischen Rehabilitation. Es hat<br />
noch nicht den Anschein, als sei die Talsohle<br />
schon durchschritten.<br />
Mit Hilfe des Trägers und durch gemeinsame<br />
Anstrengungen vor Ort ist es gelungen, die<br />
Auswirkungen dieser Krise abzuschwächen.<br />
Die Eifelklinik wird jedoch in den nächsten Jahren<br />
einen zunehmend härter werdenden Konkurrenzkampf<br />
auf dem Gesundheitsmarkt<br />
führen müssen. Dabei geht es nicht nur darum,<br />
hochqualifizierte, spezialisierte Rehabilitationsmedizin<br />
auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher<br />
Erkenntnis zu betreiben, sondern sie<br />
auch kostengünstig anzubieten. Um in diesem<br />
Wettbewerb erfolgreich zu sein, bedarf es nicht<br />
nur der gemeinsamen Anstrengungen des Trägers<br />
und der Klinik, sondern auch der Unterstützung<br />
der Gemeinde und der Solidarität der<br />
Bürgerinnen und Bürger der Region Manderscheid.<br />
Anmerkungen:<br />
1 B. Janschulte: Die Kur im Eifelsanatorium Manderscheid, in: LVA-<br />
Rheinprovinz (Hg.): Eifelsanatorium Manderscheid. Düsseldorf<br />
1963, S. 3-16.<br />
2 R. Koechel: Der Platz der Psychotherapie in der Medizin. LVA-<br />
Rheinprovinz Mitteilungen, 85. Jahrgang, 11/1994, S. 457 ff.<br />
3 W. Densborn: Die Vulkaneifel um Manderscheid, in: G. Hesse, W.<br />
Schmitt-Kölzer- Manderscheid – Geschichte einer Verbandsgemeinde<br />
in der südlichen Vulkaneifel. Verbandsgemeinde Manderscheid<br />
(Hg.), 1996, S. 296-312.<br />
Die neu eröffnete Eifelklinik in Manderscheid im<br />
Jahr 1963<br />
71
Die Zisterzienserabtei Himmerod, seit ihrer<br />
Gründung durch den hl. Bernhard im Jahre<br />
1134 ein bedeutendes religiöses und geistigkulturelles<br />
Zentrum der Vulkaneifel, besitzt seit<br />
dem 14. August 1998 einen weiteren Anziehungspunkt:<br />
Im 900. Jahr des Bestehens des<br />
Zisterzienserordens wurde dort die Internationale<br />
Begegnungsstätte Museum »Alte Mühle«<br />
eröffnet.<br />
Die Mühle, das älteste erhaltene Klostergebäude<br />
in Himmerod (aus dem 17. Jahrhundert mit<br />
Fundamenten des 12./13. Jahrhunderts), war<br />
vom Verfall bedroht und konnte dank der Initiative<br />
der Abtei unter Abt Bruno Fromme, der<br />
Verbandsgemeinde Manderscheid unter Federführung<br />
von Bürgermeister Walter Densborn<br />
und des Creativ-Kreises International unter<br />
Vorsitz von Gertrud Rittmann-Fischer einer<br />
neuen Nutzung zugeführt werden. Der 1994<br />
gegründete Museums-Förderverein, das Land<br />
72<br />
Die »Alte Mühle« der Abtei Himmerod<br />
Museum und Internationale Begegnungsstätte<br />
Sabine Didong<br />
Museum und Internationale Begegnungsstätte »Alte Mühle«<br />
Rheinland-Pfalz, zahlreiche Sponsoren und Eigeninitiative<br />
ermöglichten die Baumaßnahme<br />
und Einrichtung des Museums. 1996 begannen<br />
die Sanierungsarbeiten, und die historische<br />
Bausubstanz wurde behutsam ihrer neuen Bestimmung<br />
angepasst. Heute präsentiert sich<br />
die Mühle als ein Bauwerk, das Geschichte und<br />
Funktionalität in harmonischer Weise verbindet.<br />
Die Konzeption als modernes Museum<br />
und Begegnungsstätte ist eng mit der vorhandenen<br />
Bausubstanz verwoben und erfüllt eine<br />
Vielfalt von Aufgaben, denn die Mühle ist Museum<br />
und Internationale Begegnungsstätte.<br />
Sie vereinigt daneben Dokumentationsstätte<br />
zur Geschichte des Zisterzienserordens, Museum<br />
für Emailkunst und Mühlenmuseum in<br />
Verbindung mit ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung.<br />
Als Internationale Begegnungsstätte ist die<br />
Mühle ein Ort des geistig-kulturellen Aus-
tauschs und des künstlerischen Schaffens.<br />
Das Foyer der Mühle als Veranstaltungsort ist<br />
ihr Zentrum. Mit bemerkenswerter künstlerischer<br />
Ausgestaltung bietet es Raum für Vorträge,<br />
Konzerte, Ausstellungen und Seminare.<br />
Treppenaufgänge und Galerie tragen 87 Emailplatten,<br />
von denen 42 anlässlich eines Symposiums<br />
in der St.-Rochus-Kapelle in Hasborn<br />
Blick ins Foyer der Alten Mühle in Himmerod<br />
von vielen internationalen Künstlern gestaltet<br />
wurden. 45 Platten schufen Gertrud und August<br />
Rittmann-Fischer sowie die kaukasischen<br />
Künstler Valentine und Nikolaj Vdovkin in der<br />
Werkstatt in Himmerod. Die Künstler ließen<br />
sich von Motiven aus der zisterziensischen<br />
Kunst inspirieren. Im Skriptorium des Museums<br />
ist ein mittelalterliches Musterbuch zu<br />
sehen, das solche Ornamente als Vorbilder für<br />
Buch- und Glasmalerei enthält.<br />
Klöster waren schon immer Zentren der Kunst.<br />
An diese Tradition anknüpfend wurde in der<br />
»Alten Mühle« eine Werkstatt für Emailkunst<br />
eingerichtet, wo, organisiert vom Creativ-Kreis<br />
International, bedeutende Künstler aus vielen<br />
verschiedenen Ländern in Seminaren ihr Wissen<br />
und ihre Kunstfertigkeit an Künstler und<br />
Kunstinteressierte weitergeben. Diese Meister<br />
hüten nicht eifersüchtig die von ihnen entwickelten<br />
Spezialtechniken, sondern sichern<br />
durch die Weitervermittlung den Fortbestand<br />
dieser traditionsreichen Kunst, ermöglichen<br />
Begegnung und kreativen Austausch über<br />
Grenzen hinweg.<br />
Die Zisterzienser-Dokumentation<br />
Im Obergeschoss und im Dachgeschoss der<br />
Mühle wird die 900-jährige Geschichte des Zi-<br />
sterzienserordens mit Schwerpunkt auf der Abtei<br />
Himmerod gezeigt. Skulpturen, Gemälde,<br />
Architekturfragmente, Handschriften und sakrale<br />
Gegenstände aus dem Besitz der Abtei in<br />
Verbindung mit übersichtlichen Schautafeln,<br />
Modellen und stimmungsvollen Großfotos vermitteln<br />
ein lebendiges Bild vom Leben und Wirken<br />
des Zisterzienserordens. Die Ausbreitung<br />
des Ordens in Europa und seine außerordentliche<br />
Bedeutung für die Gesellschaft des Mittelalters,<br />
die Persönlichkeit des hl. Bernhard von<br />
Clairvaux, zentrale Elemente der Ordensregel<br />
des hl. Benedikt, die Entwicklung Himmerods,<br />
aber auch Einblicke in das Leben der Mönche<br />
und Aufgaben des Klosters in der heutigen Zeit<br />
werden deutlich. Die Spiritualität und die Errungenschaften<br />
der Zisterzienser wirken in die Gegenwart<br />
hinein und bieten wichtige Anregungen<br />
für das Denken und Handeln der modernen<br />
Gesellschaft.<br />
73
Das Skriptorium<br />
Die einstmals bedeutende Klosterbibliothek<br />
Himmerods (im Jahre 1453 war ein Bestand<br />
von 2 000 Bänden erreicht!) erlitt im Laufe der<br />
Jahrhunderte eine schwere Dezimierung. Lang<br />
anhaltende Kriegszeiten, Brandkatastrophen<br />
und Raub zerstörten Handschriften und Inkunabeln,<br />
den »wahren Schatz der Mönche«.<br />
Heute sind die wenigen erhaltenen Manuskripte<br />
aus Himmerod in Bibliotheken auf der<br />
ganzen Welt verstreut.<br />
Das Skriptorium, die Schreibwerkstatt, war unmittelbare<br />
Voraussetzung, um eine Bibliothek<br />
entstehen zu lassen. Dort wurden Handschriften<br />
aus anderen Klöstern kopiert, die für das<br />
Studium der Mönche unabdingbar waren. Der<br />
intime Raum in der »Alten Mühle« ist ausgestattet<br />
mit Schreibpult und Schreibwerkzeugen,<br />
Materialien zur Vorbereitung und Bearbeitung<br />
des Pergamentes sowie Rohstoffen für die<br />
Farbherstellung. Wer sich auf diesen kleinen<br />
Raum mit seiner Fülle von Details einlässt, erhält<br />
eine Vorstellung von der Kostbarkeit, der<br />
Einzigartigkeit mittelalterlicher Handschriften.<br />
Und er sieht in Gedanken die Menschen: Die<br />
Mönche, die mit gestalterischer Kraft und Hingabe<br />
in vielen mühseligen Arbeitsgängen diese<br />
Werke der Schriftkunst entstehen ließen. Im<br />
Rahmen der Veranstaltungen zur Himmeroder<br />
Woche erhalten die Museumsbesucher sogar<br />
die Möglichkeit, dem Buchmaler Norman Hothum<br />
und dem Vergolder Manfred Breitmoser<br />
bei der Arbeit zuzusehen und sich über die einzelnen<br />
Arbeitsschritte zu informieren.<br />
Wer das Skriptorium verlässt, steht, in wirkungsvollem<br />
Gegensatz von mittelalterlichen<br />
und heutigen Medien, vor einem Computer und<br />
kann dort per Mausklick gezielt Informationen<br />
zur Geschichte des Ordens, zum Konvent oder<br />
zur Architektur abrufen.<br />
Zur Abrundung des Besuchs der Zisterzienser-<br />
Dokumentation bietet sich die Möglichkeit, eine<br />
Dreiprojektoren-Diaschau oder einen Videofilm<br />
über Himmerod anzusehen.<br />
Das Email-Museum<br />
So ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick<br />
scheint, ist die Kombination der Themen »Zisterzienser«<br />
und »Emailkunst« nicht, stand<br />
doch diese 3 000 Jahre alte Kunst oft in den<br />
Diensten der Kirche. Sakrale Gefäße, Bischofsstäbe,<br />
Kruzifixe, Monstranzen und Reliquien-<br />
74<br />
Die Email-Werkstatt<br />
schreine wurden mit dem farbigen Glasfluss<br />
versehen. Die aufgebrachten Ornamente sind<br />
nicht bloße Dekoration: Voll gestalterischer<br />
Ausdruckskraft, oft von symbolischem Gehalt,<br />
akribisch auf die Flächen berechnet und doch<br />
in oft vegetabiler Form ein lebendiger Bilduntergrund,<br />
steigern sie die Gegenstände in ihrer<br />
Kostbarkeit und Aussage, man denke z. B. an<br />
den Dreikönigsschrein des Nikolaus von Verdun<br />
im Dom zu Köln oder an das Reliquiar des<br />
Ugolino di Vieri im Dom zu Orvieto (Umbrien),<br />
bei dem ganze erzählerische Bildfolgen in<br />
Email gestaltet sind. Gegen die Ausschmückung<br />
sakraler Gegenstände bezog der<br />
hl. Bernhard von Clairvaux vehement Stellung;<br />
letztendlich setzte sich seine Forderung nach<br />
Schmucklosigkeit in den Gotteshäusern jedoch<br />
nicht durch.<br />
Im Erdgeschoss der »Alten Mühle« wurde nun<br />
das erste Museum für Emailkunst in Deutschland<br />
eingerichtet. Dies war das große Ziel des<br />
Creativ-Kreises International, einer Vereinigung<br />
von Emailkünstlern mit Mitgliedern auf der<br />
ganzen Welt. Seit 1966 führen Gertrud Rittmann-Fischer<br />
und ihr Mann August Fischer die<br />
Organisation der Ausstellungen, Symposien<br />
und Seminare durch, um die Emailkunst zu<br />
pflegen und weiterzuentwickeln und auf künstlerischer<br />
und kultureller Ebene Begegnung und<br />
freundschaftliche Verbindungen zu fördern.<br />
Der Schwerpunkt des Museums liegt auf der
zeitgenössischen Kunst. Vom großformatigen<br />
Bild bis zur Miniatur, vom Gefäß bis zum<br />
Schmuck wird die Bandbreite künstlerischen<br />
Schaffens mit Email präsentiert. Schrifttafeln<br />
erläutern die vielfältigen Techniken. Den Ländern<br />
Japan und Russland wurde je ein eigenes<br />
Kabinett gewidmet. In ihnen hat die Emailkunst<br />
eine große Tradition und genießt bis heute einen<br />
hohen Stellenwert. Besondere Aufmerksamkeit<br />
verdienen u. a. die Klangschale der japanischen<br />
Künstlerin Akiko Miura in Cloisonné,<br />
einer besonders in Asien verbreiteten Technik,<br />
bei der Silberdrähte auf den kupfernen Untergrund<br />
aufgeschmolzen werden oder »Christus<br />
am Kreuz« von dem italienischen Meister Orlando<br />
Sparaventi in à jour- oder Fenster-Email.<br />
Die Mühle<br />
Der Anspruch an Museen hat sich in den letzten<br />
Jahrzehnten ständig gewandelt. Bestand<br />
früher die Aufgabe vornehmlich darin, Objekte<br />
zu sammeln und zu erhalten, wissenschaftlich<br />
zu bearbeiten und zu präsentieren, wird heute<br />
vom Besucher oft die Möglichkeit gewünscht,<br />
Geschichte zu »erleben«. Dazu bietet die Himmeroder<br />
Mühle in besonderem Maße Gelegenheit,<br />
denn sie ist bei aller Umgestaltung für die<br />
neue Konzeption auch noch als Mühle funktionsfähig<br />
geblieben.<br />
Die Wasserkraft ist von besonderer materieller<br />
wie geistiger Bedeutung für die Zisterzienser,<br />
die ihre Siedlungsplätze bevorzugt in wasserreichen<br />
Tälern suchten und eine ausgereifte<br />
Wassertechnik entwickelten. Das Mahlwerk<br />
der Mühle von Puderbach wurde in Himmerod<br />
eingebaut, und die Salm treibt wie früher das<br />
Wasserrad an. Dass die Mühle zum größten<br />
Teil mit alternativer Energie beheizt wird (aus<br />
dem Fischteich mittels Wärmepumpe), entspricht<br />
zisterziensischem Geist, denn die Zisterzienser<br />
wussten schon immer die natürlichen<br />
Energien zu nutzen.<br />
In den Kellergewölben können weitere Mühlengerätschaften<br />
sowie eine schöne Auswahl von<br />
Takenplatten, vornehmlich aus Eisenschmitter<br />
Produktion, besichtigt werden. Außer dem<br />
ästhetischen Reiz dieser heute sehr wertvollen<br />
Sammlerstücke ist damit noch ein Hinweis auf<br />
den ehemals für die Region sehr wichtigen<br />
Faktor Eisenindustrie gegeben.<br />
In regelmäßigen Abständen wird die Mühle in<br />
Betrieb genommen und der Museumsbesucher<br />
kann vom Mahlen des Korns bis zum Brotbacken<br />
im historischen Steinofen die alte Tradition<br />
des Bäckerhandwerks erleben. Mit der<br />
Einrichtung der Backstube, in der sich eine antike<br />
Puppenstube befindet, die das damals viel<br />
gebrauchte Emailgeschirr in Miniaturformat<br />
zeigt, schließt sich der Kreis.<br />
Die Abteikirche Himmerod<br />
Internationale Begegnungsstätte Museum »Alte<br />
Mühle« Himmerod, Tel. 06575/9513-55<br />
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 10.00-<br />
12.00 Uhr, 13.30 bis 17.00 Uhr,<br />
Sonntag 11.00-17.00 Uhr.<br />
Im Monat November ist das Museum geschlossen.<br />
Dezember bis März: Dienstag bis<br />
Freitag 14.00-17.00 Uhr, Samstag 10.00-<br />
12.00, 14.00-17.00 Uhr, Sonntag 11-17 Uhr.<br />
Führungen für Gruppen nach Anmeldung bei<br />
der Kurverwaltung Manderscheid<br />
Tel. 06572/9215-49, Fax 9215-51.<br />
Literatur:<br />
Bruder Markus, 900 Jahre Pionierleistung der Zisterzienser, in: Kreis<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Jahrbuch 1999, S. 135-142.<br />
Ambrosius Schneider, Die Zisterzienserabtei Himmerod, in: Günter<br />
Hesse/Wolfgang Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Geschichte einer<br />
Verbandsgemeinde in der südlichen Vulkaneifel, <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
1986, S. 59-100.<br />
Ornamenta Ecclesiae, Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums<br />
in der Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln 1985.<br />
Kunst-Kultur-Völkerverbindend, Katalog zur Ausstellung anläßlich der<br />
Eröffnung der Internationalen Begegnungsstätte, Himmerod 1998.<br />
75
Als sich am 7. Mai 1999 das 8. französische Jägerbataillon<br />
in einer bewegenden nächtlichen<br />
Zeremonie auf dem Viehmarktplatz in <strong>Wittlich</strong><br />
von der Bevölkerung verabschiedete, war das<br />
nach einem halben Jahrhundert französischer<br />
Präsenz in <strong>Wittlich</strong> ein historischer Einschnitt.<br />
An diesem Abend kam viel Wehmut auf, und die<br />
tiefe Verbundenheit der Menschen mit den abziehenden<br />
Franzosen war deutlich zu spüren.<br />
Wer hätte damals, vor 50 Jahren, beim Einmarsch<br />
der französischen Truppen gedacht,<br />
dass sich hier in <strong>Wittlich</strong> Deutschland und<br />
Frankreich einmal so nahe sein könnten – besonders<br />
in den ersten Jahren der Besatzungszeit<br />
war der Gedanke einer deutsch-französischen<br />
Aussöhnung kaum vorstellbar. Die<br />
76<br />
Von der Besatzungsmacht zu Partnern<br />
Die Garnison von <strong>Wittlich</strong> – eine deutsch-französische<br />
Erfolgsgeschichte<br />
Helma Thelen-Oberbillig<br />
Parade auf dem Marktplatz (Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />
Selbstverständlichkeit, die in den letzten Jahren<br />
die Anwesenheit der französischen Garnison<br />
begleitete, schien in den schwierigen Anfangsjahren<br />
eher illusionär.<br />
Die Erinnerung der Menschen in unserer Gegend<br />
wird sich weitgehend auf das 8. Jägerbataillon<br />
beschränken, weil es seit 1951 hier stationiert<br />
war – ein auch in der französischen Armee<br />
einsamer Rekord.<br />
Andere Regimenter sollten nicht vergessen<br />
werden, wie das 16. und 51. Artillerie-Regiment,<br />
die 4. Kürassiere und das 42. mechanisierte Infanterieregiment.<br />
Sie alle gehörten zur 3. Brigade<br />
der 1. Panzerdivision. Das Hauptquartier<br />
der Brigade befand sich bis zu ihrer Auflösung<br />
im Jahre 1978 in <strong>Wittlich</strong>. Aber alle diese Einhei-
Marschieren in der Kaserne (Foto: Heinz Lamberty, Salmtal)<br />
ten blieben längstens 10 Jahre in <strong>Wittlich</strong> und<br />
sind nur wenigen Bürgern im Gedächtnis geblieben.<br />
Das 8. Bataillon hingegen hat sich in den vergangenen<br />
Jahren immer wieder den Menschen<br />
in der Eifel und an der Mosel präsentiert, weil es<br />
viele seiner Aktivitäten außerhalb des Kasernenbereichs<br />
verlegt hat.<br />
Kommandoübergaben und Vereidigungen von<br />
Rekruten wurden an vielen Orten organisiert<br />
und boten ein eindrucksvolles Beispiel für<br />
vertrauensvolle Zusammenarbeit vor Ort,<br />
wie z. B. in Bettenfeld, Schweich, Kyllburg,<br />
Schloss Malberg, Brunoy und natürlich auch in<br />
<strong>Wittlich</strong>.<br />
Die alten Traditionen, die seltenen blauen Uniformen<br />
und die bekannte Musikkapelle des 8.<br />
Jägerbataillons haben natürlich diesen nachhaltigen<br />
Eindruck mitgeprägt. Die Einheit<br />
gehörte zu den traditionsreichsten und ältesten<br />
Regimentern Frankreichs. Aufgestellt im Jahre<br />
1840 unter dem Bürgerkönig Louis-Philippe<br />
wurde sie hauptsächlich bei der 1830 begonnenen<br />
Eroberung Algeriens eingesetzt. Und hier,<br />
im Südwesten der neuen Kolonie, wurde das<br />
Regiment im September 1845 in schwere<br />
Kämpfe verwickelt, die sich über mehrere Tage<br />
Fahrt in den Heimaturlaub<br />
(Foto: Paul Valerius, Dreis)<br />
77
hinzogen. Die letzten Überlebenden der Einheit<br />
zogen sich hinter die Mauern des Marabouts<br />
von Sidi-Brahim zurück, wo sie dann am<br />
23.September 1845 fast vollständig aufgerieben<br />
wurden.<br />
Seit dieser Zeit trägt das Bataillon den Namen<br />
von Sidi-Brahim auf seiner Fahne und auf den<br />
Uniformen.<br />
Im Ersten Weltkrieg war das Regiment vor der<br />
Festung Douaumont bei Verdun und an der<br />
Somme eingesetzt und erlitt schreckliche Verluste.<br />
Dafür wurde ihm im Januar 1919 die Ehrenschnur<br />
in der roten Farbe der Ehrenlegion<br />
verliehen.<br />
Seit 1951 war das »Achte« in <strong>Wittlich</strong> stationiert<br />
78<br />
Ungute Gedanken<br />
Absaugen<br />
Kostbare Erinnerungen<br />
Abstauben<br />
Den inneren Schweinehund<br />
Duschen<br />
Liebevoll trocken föhnen<br />
Alte Freundschaften<br />
Aufpolieren<br />
und hat mit seiner gastgebenden Nation dauerhafte<br />
freundschaftliche Verbindungen geknüpft,<br />
die weit über die reine Symbolik hinausreichten.<br />
Diese einzigartige Geschichte eines französischen<br />
Traditions- und Eliteregiments in einer<br />
kleinen deutschen Stadt wurde in den Jahren<br />
vor dem Abzug in 80 Aufnahmen von den Mitgliedern<br />
des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> dokumentiert,<br />
die in meiner Ausstellung in der Kreissparkasse<br />
<strong>Wittlich</strong> präsentiert werden. Die Fotografen haben<br />
unvergessliche Momentaufnahmen des<br />
täglichen Lebens und der Glanzpunkte der französischen<br />
Militärpräsenz in und um <strong>Wittlich</strong><br />
festgehalten – Dokumente einer wunderbaren<br />
Freundschaft.<br />
Alte Bäckerei in der FAMO zwischen Wengerohr und Platten (Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)<br />
Von Innen nach Aussen<br />
Traurigkeit aus dem Herzen<br />
Wischen<br />
Lebensfenster<br />
Spiegelblank wienern<br />
Weit öffnen<br />
Schatten aus der Seele<br />
Schütteln<br />
Und gut durchlüften<br />
Hildegard Kohnen
Die A 60 im <strong>Landkreis</strong><br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Bilddokumentation des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> und des<br />
Medienzentrums <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Die A 60 befindet sich seit Ende des Jahres<br />
1998 im Bau. Mit den Planungen wurde bereits<br />
vor 30 Jahren im Jahre 1969 begonnen. Die<br />
Abbildungen zeigen den augenblicklichen<br />
Stand der Bauarbeiten im 14 km langen Teilstück<br />
der A 60 im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />
Die A 60 tritt mit der Kailbach-Talbrücke<br />
(Länge 340 m; Höhe 45 m) bei Hof-Hau in unseren<br />
Kreis ein. Die sich anschließende Salmtalbrücke<br />
bei Landscheid wird mit 653 m Länge<br />
und 70 m Höhe die größte Brücke dieses Abschnittes.<br />
Landscheid erhält eine Anschlussstelle<br />
für das Gewerbegebiet der Gemeinde.<br />
Wenige Kilometer weiter führt später die Rommelsbach-Talbrücke<br />
mit einer Länge von<br />
434 m und einer Höhe von 27 m zum Damm an<br />
Paul Valerius<br />
der Fintenkapelle (beidseitiger Parkplatz mit<br />
Zugang zur Kapelle) vorbei in die <strong>Wittlich</strong>er<br />
Senke zum Kreuzungspunkt A 60 / L 141 bei<br />
Dreis (mit Anschlussstelle). Die deutlich erkennbare<br />
Trasse führt durch den Altricher Wald<br />
(Rastplatz Mundwald) zum Autobahnkreuz<br />
A 60 / A 1 und endet vorläufig dort.<br />
Zu der überdurchschnittlich hohen Anzahl von<br />
20 Kreuzungsbauwerken zählt ebenfalls die<br />
Talbrücke Königsbuche bei Altrich (Länge<br />
171 m, Höhe 16 m), die zum Schutz der Königsbuche<br />
und des angrenzenden Feuchtgebietes<br />
errichtet wird. Für die Anlieger in Landscheid<br />
und Bergweiler sind aufwendige Lärmschutzmaßnahmen<br />
vorgesehen. Ende 2002<br />
sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.<br />
Fintenkapelle vor Aufschüttung des Dammes (Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />
79
Blick zurück ins Jahr 1983: Beim Treffen von Gegnern<br />
und Befürwortern der A 60 in Niederkail<br />
(Foto: Archiv Paul Valerius, Dreis)<br />
Schneise für die Salmtalbrücke zwischen Landscheid<br />
und Bergweiler (Foto: Paul Valerius, Dreis)<br />
Bau der Rommelsbach-Talbrücke bei Bergweiler<br />
(Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)<br />
80<br />
Überführung der B 50 bei Landscheid-Burg<br />
(Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />
Autobahntrasse in der <strong>Wittlich</strong>er Senke im Bereich<br />
Dreiser Flur und Altricher Wald<br />
(Foto: Helmut Krütten, Plein)<br />
Rodungsflächen Anschlussstelle A 60 / A 1 bei<br />
Altrich (Foto: Paul Valerius, Dreis)
Kontinuität und Erneuerung<br />
Die neue Hauptstelle der Kreissparkasse<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Manchmal braucht es ein bisschen Fantasie<br />
oder den Mut, eine Sache ganz anders zu sehen,<br />
und plötzlich eröffnen sich neue Perspektiven.<br />
Gerade wer das Bewahrenswerte bewahren<br />
will, muss verändern, was der Erneuerung<br />
bedarf.<br />
Günter Kohl<br />
Visionen beginnen mit Fragen. So auch bei der<br />
Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Und die<br />
wohl wichtigste: Was können wir tun, was müssen<br />
wir ändern, um auch in Zukunft das Vertrauen<br />
unserer Kunden wert zu sein. Um die<br />
Menschen in der Region, deren Namen wir tra-<br />
Außenfront des neuen Kreissparkassengebäudes in <strong>Bernkastel</strong>-Kues, Stadtteil Kues, bei Nacht<br />
81
gen, in das Zeitalter des modernen Bankgeschäftes<br />
zu führen und jederzeit für sie da zu<br />
sein?<br />
Im November 1995 beschloss der Verwaltungsrat<br />
den Umbau und die Renovierung des<br />
Hauptstellengebäudes in <strong>Bernkastel</strong>-Kues. Die<br />
alten Räumlichkeiten hatten den gestiegenen<br />
Raumansprüchen, den hohen Sicherheitsanforderungen<br />
und vor allem dem Anspruch der<br />
Kunden auf diskrete Bedienung und Beratung<br />
nicht mehr genügen können und bedurften einer<br />
grundlegenden Modernisierung.<br />
Aufgabe des Architekten Joseph Schmitz aus<br />
Traben-Trarbach war es, aus einem Gebäudekomplex,<br />
der seinen Ursprung im Jahre 1966<br />
hatte und zwischenzeitlich mehrmals an- und<br />
umgebaut wurde, in Abstimmung mit dem<br />
Bauherrn ein Geschäftsgebäude zu planen und<br />
Innenansichten der neuen Kreissparkassen-Hauptstelle<br />
82<br />
baulich zu betreuen, das dem Stellenwert einer<br />
Sparkassenhauptstelle mit all ihren zentralen<br />
Funktionen gerecht werden kann.<br />
Zu berücksichtigen waren dabei viele Komponenten,<br />
wie zum Beispiel einerseits funktionale<br />
Erfordernisse eines kundenorientierten Bankbetriebes<br />
unter Einsatz modernster Technik,<br />
adäquater Arbeits- und Raummöglichkeiten,<br />
sowie hohe Sicherheitsanforderungen unter<br />
Berücksichtigung eines gesunden, zukunftsorientierten<br />
Wachstums. Andererseits sollte aber<br />
auch die hohe Vertrauenswürdigkeit und Solidität<br />
für die Bevölkerung deutlich gemacht<br />
werden.<br />
In völlig neuem Outfit präsentiert sich das Gebäude<br />
nach zweieinhalbjähriger Umbauphase.<br />
Die Fassade erhält ihre Spannung und Formgebung<br />
durch die unterschiedlichen Materialien
und gestalterischen Sonderelemente. Stahl-<br />
Glas-Konstruktionen, Sandstein und geschwungene<br />
Dachflächen bilden ein stark differenziertes,<br />
in sich jedoch ausgewogenes<br />
Äußeres. Mit seiner ansprechenden und zukunftsweisenden<br />
Architektur weckt das Gebäude<br />
Erwartungen, die sich im Inneren mehr<br />
als erfüllen.<br />
Ziel des Innenausbaues war es, ein freundliches<br />
Ambiente zu schaffen, in dem sich die<br />
Kunden leicht orientieren können und wohl<br />
fühlen.<br />
Günstiges Tageslicht und gute Raumakustik<br />
unterstützen dies, gepaart mit funktionellen Arbeitsplätzen<br />
und hervorragenden Arbeitsbedingungen<br />
für die Bankangestellten.<br />
Die Kundenhalle ist der zentrale räumliche Mittelpunkt<br />
des Sparkassengebäudes. Durch das<br />
Glaskuppeldach erhält sie eine besondere<br />
Raumqualität. Hier findet der Kontakt zwischen<br />
Kunden und deren Beratern statt. Die herkömmlichen<br />
Schalter sind verschwunden,<br />
denn an die Stelle dieser Schranken tritt Offenheit.<br />
Kurzum: Die neue Kundenhalle ist eine<br />
Bank ohne künstliche Distanz, wo Menschen<br />
für Menschen Zeit haben, weil Partnerschaft<br />
und Vertrauen nun einmal auf persönlichem<br />
Kontakt beruhen. Ebenfalls offen ist der Übergang<br />
zwischen Foyer und Kundenhalle. Tagsüber<br />
ist dies eine Einheit. Auch nach Feierabend<br />
steht die ganze Palette der Selbstbedienungsgeräte<br />
rund um die Uhr zur Verfügung. Installiert<br />
wurde auch eine Internetsäule, die es ermöglicht,<br />
im »World Wide Web« zu surfen. Ein<br />
Multifunktions-Terminal für Konto-Geschäfte<br />
und eine Multimediapräsentation ergänzen das<br />
Angebot. Der Jederzeit-Safe, in dem die Kunden<br />
Wertsachen und wichtige Dokumente sicher<br />
aufbewahren, ist ebenfalls rund um die<br />
Uhr zugänglich und macht das SB-Angebot<br />
komplett. Den äußeren Rahmen der Kundenhalle<br />
bildet das Kompetenzzentrum für das Privatkundengeschäft.<br />
Über eine Freitreppe ist<br />
die Firmenkundenabteilung und der Sparkassenvorstand<br />
bequem zu erreichen.<br />
Dem Planer ist es hervorragend gelungen, die<br />
futuristische Formgebung mit funktionalen<br />
Kunden- und Arbeitsräumen zu verbinden. Die<br />
Flächen der Büro- und Beratungsräume wurden<br />
um 600 Quadratmeter vergrößert. 150 der<br />
kreisweit 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
haben hier ihren Arbeitsplatz. Sie geben dem<br />
(Bau)körper Leben.<br />
In ihrer 141-jährigen Geschichte hat die Kreissparkasse<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> damit ein neues<br />
wichtiges Kapitel aufgeschlagen. Auch bei diesem<br />
großen Projekt war sich die Sparkasse ihrer<br />
Verantwortung für die Region bewusst. Von<br />
der Auftragsvergabe profitierte in allererster Linie<br />
die heimische Wirtschaft. Mehr als 90 Pro-<br />
83
zent der am Bau beteiligten Firmen kamen aus<br />
dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Dass überwiegend<br />
Unternehmen aus dem Geschäftsgebiet<br />
berücksichtigt werden konnten, hatte gute<br />
Gründe: Einerseits vertraut man der hohen<br />
Qualität und anerkannten Zuverlässigkeit hiesiger<br />
Firmen, andererseits versteht sich die<br />
Kreissparkasse als enger Partner der Wirtschaft<br />
und Menschen in unserem <strong>Landkreis</strong>.<br />
Wie gut das Bauwerk gelungen ist, beweist unter<br />
anderem die Tatsache, dass es von einer<br />
Jury der Architektenkammer als eines der am<br />
Tag der Architektur im Juni 1999 zu präsentierenden<br />
Objekte ausgewählt wurde. Unter mehr<br />
als 120 Bewerbern wurden 40 öffentliche und<br />
private Häuser zur Besichtigung zeitgenössischen<br />
Bauens freigegeben.<br />
Mit der Fertigstellung dieses Umbaues hat sich<br />
die Kreissparkasse fit gemacht für den Weg ins<br />
21. Jahrhundert. Neue Produkte, neue Technologien<br />
und neue Serviceangebote sind heute<br />
an der Tagesordnung und bieten eine ideale<br />
Plattform, um die Leistungsfähigkeit unter Beweis<br />
zu stellen.<br />
So sah das alte Kreissparkassengebäude in <strong>Bernkastel</strong>-Kues, Stadtteil Kues, früher aus …<br />
84
Blick in das neue Kundenzentrum der Kreissparkasse<br />
… heute präsentiert es sich in neuem, zeitgemäßen Gewand<br />
85
Die Landschaften und ihre touristischen<br />
Attraktionen<br />
Die Freizeit- und Fremdenverkehrsinfrastruktur<br />
und das touristische Geschehen bauen in hohem<br />
Maße auf das kulturelle Erbe und die naturräumlichen<br />
Besonderheiten des Moseltals,<br />
der Eifel und des Hunsrücks auf. Ziel der kommunalen<br />
Politik und der regionalen Tourismusorganisationen<br />
ist es, diese Gebiete mit ihren<br />
Profilen zu stärken und am Markt zu positionieren.<br />
Maare, bewaldete Bergrücken und tief eingeschnittene<br />
Flusstäler kennzeichnen die einzigartige<br />
Landschaftsform der Eifel. Die Geo-<br />
Routen in der »Vulkaneifel um Manderscheid«<br />
sind ein beliebtes Ziel vieler Gäste und Naturfreunde.<br />
Nicht nur Erholungssuchende kommen<br />
in der Millionen Jahre alten Vulkanlandschaft<br />
auf ihre Kosten; auch erdgeschichtlich<br />
Interessierte, Geowissenschaftler und Vulkanologen<br />
sind von der Großartigkeit dieser Eifelregion<br />
begeistert. Mit der Eröffnung des Maarmuseums<br />
in Manderscheid am 7. Juni 1999<br />
wurde ein weiterer attraktiver Anziehungspunkt<br />
geschaffen. Das moderne und einzigartige<br />
Maarmuseum bringt sowohl den auswärtigen<br />
Gästen als auch den einheimischen Besuchern<br />
die faszinierende natürliche Vielfalt der Eifelmaare<br />
näher.<br />
Grabungen des Naturhistorischen Museums<br />
Mainz haben das Eckfelder Trockenmaar weithin<br />
bekannt gemacht. Unter den zahlreichen<br />
spektakulären Funden ist besonders das 50<br />
Millionen Jahre alte »Eckfelder Urpferdchen«<br />
zu nennen.<br />
Vor über <strong>2000</strong> Jahren brachten die Römer den<br />
Weinbau an die Mosel und prägten damit Land<br />
und Leute dieser Region. Zahlreiche Bauwerke<br />
aus der Römerzeit zeugen von dieser Epoche.<br />
Die Weinkulturlandschaft Mosel ist reich an<br />
kulturellen Sehenswürdigkeiten, Museen, Bur-<br />
86<br />
Der Tourismus im <strong>Landkreis</strong><br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor<br />
mit Wachstumspotential<br />
Markus Lautwein<br />
gen und Schlössern. Das Moseltal ist eine der<br />
attraktivsten Flusslandschaften Deutschlands.<br />
Majestätisch breiten sich unverwechselbare<br />
Flussschleifen, Umlaufberge und endlos erscheinende<br />
Weinberge vor dem Betrachter<br />
aus. Bei einer Weinprobe direkt beim Winzer,<br />
verbunden mit einer Kellerbesichtigung, lernt<br />
der Gast die Grundlagen des Weinbaus kennen.<br />
Die Mosel stellt zusammen mit Saar und<br />
Ruwer das größte Rieslinganbaugebiet der<br />
Welt. In <strong>Bernkastel</strong>-Kues befindet sich im<br />
St.-Nikolaus-Hospital ein Weinkulturelles Zentrum<br />
mit Weinmuseum und Vinothek, in der 50<br />
Weingüter über 100 Weine aus verschiedenen<br />
Gemeinden des Anbaugebietes präsentieren.<br />
Gleich nebenan im Cusanusstift befindet sich<br />
die bedeutendste Privatbibliothek Europas (Nikolaus<br />
von Cues). Auf besonders angenehme<br />
Weise lässt sich das Moselland mit dem Fahrrad<br />
erkunden; immer den Fluss entlang auf<br />
dem Moselradweg, durch Weinberge und reizvolle<br />
Winzerdörfer.<br />
Der Hunsrück wird umschlossen von Mosel,<br />
Nahe, Saar und Rhein. Landwirtschaftlich genutzte<br />
Hochflächen, große Waldgebiete und<br />
tiefe Flusstäler prägen diese Landschaft, deren<br />
Luftqualität zu den Besten des Landes zählt.<br />
Mit 818 m lädt der Erbeskopf als höchste Erhebung<br />
des Landes Rheinland-Pfalz zum Wandern<br />
ein und bietet vielfältige Wintersportmöglichkeiten.<br />
Mit dem im Bau befindlichen »Hunsrückhaus«<br />
am Erbeskopf, einer Wintersport-,<br />
Natur- und Umweltbildungsstätte, erhält der<br />
Hunsrück einen faszinierenden Kristallisationspunkt.<br />
Das Ausstellungs- und Informationsgebäude<br />
wird dazu beitragen, den Erholungswert<br />
der Hunsrückregion mit seiner Ruhe<br />
und sauberen Luft sowie der intakten, natürlichen<br />
Umwelt bekannt zu machen. In der Naturund<br />
Umweltbildungsstätte werden neben Aus-
stellungen geführte Wanderungen und Lehrpfade<br />
angeboten. Als Schwerpunkt erhält der<br />
Besucher Einblicke in das Spannungsfeld<br />
Sport-Freizeit-Umwelt und in die Themenbereiche<br />
erneuerbare Energien, Luftschadstoffe,<br />
Klima sowie Holz- und Forstwirtschaft. Nicht<br />
zuletzt ist der Naturpark Saar-Hunsrück Thema<br />
der Ausstellung und der Seminarinhalte. Eine<br />
intensive Zusammenarbeit mit der Messstation<br />
des Umweltbundesamtes im benachbarten<br />
Deuselbach ist geplant. Die Eröffnung wird<br />
im Frühjahr <strong>2000</strong> stattfinden. Die Ausstellungsthematik<br />
des Hunsrückhauses wird ergänzt<br />
durch ein Holzmuseum, das in der Gemeinde<br />
Weiperath entsteht.<br />
Spitzenposition im Land Rheinland-Pfalz<br />
Der <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> behauptet<br />
hinsichtlich der Fremdenverkehrsentwicklung<br />
innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz ei-<br />
ne Spitzenposition. Bei insgesamt rd. 20 Millionen<br />
Übernachtungen in Rheinland-Pfalz<br />
(1998) entfällt rund jede achte Übernachtung<br />
(ca. 2,6 Millionen) auf den <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />
Hinzuzurechnen sind darüber hinaus<br />
rd. 208 000 Übernachtungen auf Campingplätzen<br />
im Kreisgebiet. Die Verteilung des<br />
Übernachtungsaufkommens zwischen den<br />
drei Regionen des Kreisgebietes zeigt, dass<br />
der größte Teil der Übernachtungen auf die Gemeinden<br />
des Moseltals entfällt. Weitere<br />
Schwerpunkte liegen für das Eifelgebiet in der<br />
Verbandsgemeinde Manderscheid (rd. 214 000<br />
Übernachtungen) sowie für den Hunsrück in<br />
der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf<br />
(rd. 114 000 Übernachtungen). Im Kreisgebiet<br />
sind im Jahr 1998 402 Betriebe mit einem<br />
Bettenangebot von 23 602 registriert. Die registrierten<br />
622 121 Gäste verteilen sich auf folgende<br />
Betriebsarten:<br />
Beherbergungsbetriebe im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> (Stand: 1998)<br />
3)<br />
1)<br />
4)<br />
Quelle: Stat. Landesamt<br />
2)<br />
87
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der<br />
Gäste beträgt ca. 4,2 Tage. Rund jede sechste<br />
Übernachtung entfällt im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> auf einen ausländischen Gast. Die<br />
wichtigsten Herkunftsländer sind hierbei die<br />
Niederlande und Belgien. Darüber hinaus gewinnen<br />
Gäste aus Skandinavien und Großbritannien<br />
zunehmend an Bedeutung.<br />
Die meisten Übernachtungen im Kreisgebiet<br />
werden im Monat Oktober, bedingt durch die<br />
Weinlese im Moseltal, registriert. Ebenfalls sehr<br />
hohe Übernachtungszahlen weisen die Monate<br />
September, August und Juli auf. Stark zurück<br />
gehen die Übernachtungszahlen regelmäßig ab<br />
November.<br />
Bedeutender Wirtschaftszweig und Jobquelle<br />
Der Fremdenverkehr im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> ist ein Wirtschaftszweig mit hoher<br />
Wertschöpfung. Von ihm gehen wirtschaftliche<br />
Impulse auf viele andere Wirtschaftsbereiche<br />
aus.<br />
Nach Schätzungen von Tourismusinstituten<br />
liegen die Tagesausgaben von Urlaubern zwischen<br />
71 DM und 108 DM je Übernachtung.<br />
Moselloreley bei Piesport<br />
88<br />
Das Umsatzvolumen in diesem Bereich dürfte<br />
daher im Kreisgebiet auf der Basis von rd. 2,6<br />
Millionen Übernachtungen zwischen 184 und<br />
282 Millionen DM (ohne Campingplätze) betragen.<br />
Nicht berücksichtigt sind hierbei die zahlenmäßig<br />
nur ungenau erfassten Tagesgäste und<br />
die daraus resultierenden Umsätze. Der Tagestourismus<br />
hat für das Kreisgebiet ebenfalls eine<br />
außerordentliche wirtschaftliche Bedeutung.<br />
Das Europäische Tourismusinstitut an der Universität<br />
Trier (ETI) geht pro Jahr von mindestens<br />
zwei Millionen Tagestouristen im <strong>Landkreis</strong><br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> aus. Wissenschaftliche<br />
Untersuchungen aus dem Jahr 1986 belegen<br />
Pro-Kopf-Ausgaben von 44 DM für die Region<br />
Mosel/Saar. Der Durchschnittswert in<br />
Rheinland-Pfalz liegt bei 38,70 DM.<br />
Im Bereich des Tagestourismus kann daher<br />
(auf Basis des Jahres 1986) von einem Umsatzvolumen<br />
von 88 Mio. DM ausgegangen werden..<br />
Die direkten Umsätze durch den Fremdenverkehr<br />
im Kreisgebiet können daher insgesamt<br />
mit 272 bis zu 370 Mio. DM angegeben wer-
Zum Urlaub an der Mosel gehört auch ein gutes Glas Wein aus den dortigen Weinbergen.<br />
89
den. Berücksichtigt man darüber hinaus jene<br />
Umsätze, die in vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen<br />
entstehen, ergibt sich unter Anwendung<br />
eines anerkannten Multiplikators von<br />
1.4 (ETI) ein regionalwirtschaftlicher Effekt<br />
von 381 bis zu 518 Mio. DM. Das Beherbergungs-<br />
und Gastgewerbe zählt damit zu den<br />
umsatzstärksten und zukunftsträchtigsten<br />
Wirtschaftszweigen im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> und sichert derzeit direkt oder indirekt<br />
weit mehr als 3 000 Vollerwerbs-Arbeitsplätze.<br />
Aktivitäten des <strong>Landkreis</strong>es<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Die Aktivitäten des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien<br />
differenzieren.<br />
– Erstellung und Förderung fremdenverkehrsrelevanter<br />
Infrastruktur<br />
– Schaffung gebietsbezogener, vom Kunden<br />
erkennbarer Zielgebiete (Eifel, Mosel, Hunsrück)<br />
und Einrichtungen für die Koordination<br />
touristischer Angebote und Vermarktung sowie<br />
Schaffung von zusätzlichen, gebietsumfassenden<br />
Angeboten.<br />
Realisierung und Unterstützung von<br />
Infrastrukturmaßnahmen<br />
Einer der Wachstumszweige im Fremdenverkehr<br />
ist der Radtourismus. Dies wurde im<br />
<strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> und in der Region<br />
Trier rechtzeitig erkannt und mit der bedarfsgerechten<br />
Erschließung des Moseltales<br />
durch den Moselradweg für den Radfahrer genutzt.<br />
Bereits 1992 wurde der Moselradwanderführer<br />
gemeinsam von drei <strong>Landkreis</strong>en<br />
durch die Mosellandtouristik GmbH herausgegeben.<br />
Die Strecke führte von Perl an der französischen<br />
Grenze bis zur Mündung nach Koblenz.<br />
Die neueste Auflage beschreibt die Route<br />
bereits bis zum französischen Thionville, in<br />
Planung ist die Fortsetzung des Radweges bis<br />
zur Quelle als ein Projekt des »Internationalen<br />
Tals der Mosel«.<br />
Der Vernetzung touristischer Schwerpunkte<br />
dient der im Bau befindliche Maare-Mosel-<br />
Radweg von Daun über Manderscheid und<br />
<strong>Wittlich</strong> nach Lieser und <strong>Bernkastel</strong>-Kues. Er<br />
verbindet auf der Trasse einer ehemaligen Eisenbahnlinie<br />
die Weinkulturlandschaft Mosel<br />
mit den Eifelmaaren. Die Eröffnung ist im Jahr<br />
90<br />
<strong>2000</strong> vorgesehen. Eine weitere attraktive Route,<br />
der Nahe-Hunsrück-Mosel-Radweg, verbindet<br />
den Rhein über das Nahetal und den<br />
Hunsrück mit der Mosel. Auch zukünftig werden<br />
das Radwegenetz und die ergänzende Infrastruktur<br />
kontinuierlich ausgebaut.<br />
Die eher klassischen Freizeit- und Fremdenverkehrseinrichtungen<br />
wie Frei- und Hallenbäder<br />
sind im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> überwiegend<br />
seit den 70er Jahren errichtet worden und<br />
werden durch zeitgemäße Sanierungen und attraktive<br />
Neuerrichtungen, so durch die Moseltherme<br />
in Traben-Trarbach oder das Erholungs-<br />
und Gesundheitszentrum in Thalfang,<br />
ergänzt.<br />
Entwicklung und Unterstützung<br />
gebietsorientierter Marketingstrukturen<br />
Um die Wettbewerbsfähigkeit dieses bedeutenden<br />
Wirtschaftszweiges zu sichern und zu<br />
verbessern, setzt der <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> in seiner Tourismusförderung auf regionale,<br />
gebietsorientierte Marketing-Agenturen<br />
und bindet die Vergabe seiner finanziellen<br />
Mittel an diese Voraussetzung. Nur eine Bündelung<br />
der Kräfte in den drei touristischen Regionen<br />
des Kreises und ein geschlossener<br />
Marktauftritt, verbunden mit einer kreisgrenzenübergreifenden<br />
Kooperation aller Akteure,<br />
geben dem Tourismus der Zukunft eine gute<br />
Ausgangssituation, um sich dem Standortwettbewerb<br />
zu stellen.<br />
Touristische Vermarktung über privatrechtliche<br />
Organisationsstrukturen<br />
Im Jahre 1990 wurde die Mosellandtouristik<br />
GmbH mit Sitz in <strong>Bernkastel</strong>-Kues gegründet.<br />
Gesellschafter sind die <strong>Landkreis</strong>e Trier-Saarburg,<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Cochem-Zell, die<br />
Stadt Trier und der Mosel-Saar-Ruwer Wein<br />
e.V. Ursächlich für die Gründung dieser regionalen<br />
Fremdenverkehrsorganisation war, dass<br />
sich der Urlauber nicht an Verwaltungsgrenzen<br />
- z.B. dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> - orientiert,<br />
sondern an der naturräumlichen Einheit<br />
Moseltal. Wichtigste Ziele der GmbH sind die<br />
äußere und innere Werbung für den Tourismus<br />
und den Wein, z. B. mittels Pressearbeit, Anzeigenwerbung,<br />
Teilnahme an Messen im Inund<br />
Ausland. Eine weitere wichtige Aufgabe<br />
liegt in der Ausarbeitung von gebietsumfassenden<br />
touristischen Angeboten sowie Ver-
mittlung und Verkauf von Reisen in das Moselgebiet<br />
an Privatpersonen und Touristikunternehmen.<br />
Aktuelle Projekte der Gesellschaft<br />
sind u. a. Herausgabe und Vertrieb des Pauschalreisekataloges,<br />
Durchführung von Reiseveranstaltungen,<br />
vornehmlich für Wein- und<br />
Kulturreisen, Radwandern und Familienurlaub,<br />
Präsentation auf Messen, Herausgabe eines<br />
gebietsumfassenden Moselland-Radwanderführers,<br />
Aufbau eines Informations- und Reservierungssystems.<br />
Mit der Gründung der Mosellandtouristik<br />
GmbH konnten die Gesellschafter<br />
eine Reihe von wesentlichen Vorteilen<br />
erreichen, wie effizienterer Mitteleinsatz, Kostenein-sparungen,<br />
geschlossene Außendarstellung<br />
der Region, Produktverbesserungen.<br />
Eine enge Kooperation zwischen der Mosellandtouristik<br />
und den Gesellschaftern ist mit<br />
der Einrichtung eines Beirats gewährleistet.<br />
Dem Beirat gehören die Fremdenverkehrssachbearbeiter<br />
der beteiligten Kommunen an.<br />
In Anlehnung an die guten Erfahrungen mit der<br />
Moselland-Touristik GmbH wurde auch für<br />
den Hunsrück die Errichtung einer zentralen<br />
Regionalstelle angestrebt. Mit der Gründung<br />
der Hunsrück-Touristik-GmbH im September<br />
1997 konnten diese Bemühungen erfolgreich<br />
abgeschlossen werden. In der Gesellschaft<br />
sind neben dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> drei <strong>Landkreis</strong>e, neun Verbandsgemeinden<br />
sowie die verbandsfreie Gemeinde<br />
Morbach vertreten. Die neu gegründete Gesellschaft<br />
ist von der Aufgabenstruktur mit der<br />
Mosellandtouristik GmbH vergleichbar.<br />
Sie übernimmt die äußere und innere Werbung<br />
für den Tourismus, die Vorstellung des Hunsrücks<br />
in Medien sowie die Kooperation mit benachbarten<br />
Fremdenverkehrsorganisationen,<br />
z. B. der Naheland-Touristik. Nach Fertigstellung<br />
der Wintersport-, Natur- und Umweltbildungsstätte<br />
am Erbeskopf wird die Gesellschaft<br />
dort ihren Sitz haben. Ein weiterer<br />
Schwerpunkt liegt in dem Aufbau eines gebietsumfassenden<br />
Informations- und Reservierungssystems.<br />
Im Eifelgebiet des <strong>Landkreis</strong>es hat sich die<br />
Verbandsgemeinde Manderscheid im Jahre<br />
1993 mit dem <strong>Landkreis</strong> Daun und der Verbandsgemeinde<br />
Ulmen zur Vulkaneifel-Touristik<br />
& Werbung GmbH (VTG) zusammengeschlossen.<br />
Die VTG übernimmt für ihre Mitglieder<br />
u. a. die touristische Imagewerbung,<br />
organisiert Pressereisen und erstellt Kataloge.<br />
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Eifelregion<br />
weiter zu stärken, ist zukünftig die interkommunale<br />
Zusammenarbeit durch gemeinsame<br />
Strategien zu verstärken. Mit der vorgesehenen<br />
Neuordnung der Tourismusstrukturen im<br />
Land Rheinland-Pfalz soll jede Region von einer<br />
Regionalagentur vermarktet werden. Derzeit<br />
wird aufgrund eines Beschlusses des Gebietsausschusses<br />
Eifel mit Ahrtal ein Gesellschaftsvertrag<br />
für eine Eifel-Regionalagentur<br />
ausgearbeitet. Allen drei regionalen Zusammenschlüssen<br />
ist gemeinsam, dass die<br />
Selbstständigkeit der Verkehrsämter auf kommunaler<br />
Ebene erhalten blieb. Wichtige Aufgaben<br />
können nur von diesen Stellen wahrgenommen<br />
werden, z.B. Gästeinformation und -<br />
betreuung, Angebotserstellung, Betriebsbetreuung.<br />
Gebietsbezogene Maßnahmestrategien<br />
Im Auftrag der <strong>Landkreis</strong>e <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>,<br />
Bitburg-Prüm und Daun erstellte das ETI in einer<br />
1995 fertiggestellten Studie ein »Touristisches<br />
Entwicklungs- und Handlungskonzept<br />
für die Eifel«, das neue Handlungsfelder<br />
für eine zukünftige touristische Entwicklung der<br />
Eifel aufzeigte, auf künftige touristische Organisationsformen<br />
einging und eine Fülle von praxisnahen<br />
und konkreten Maßnahmenvorschlägen<br />
erbrachte, die vier großen Handlungsfeldern<br />
zugeordnet wurden: Produktentwicklung,<br />
Außenmarketing, Innenmarketing, flankierende<br />
Maßnahmen.<br />
Ein wesentlicher Teil der Vorschläge wurde im<br />
Rahmen eines Managementvertrages mit finanzieller<br />
Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz<br />
zwischen den oben genannten<br />
<strong>Landkreis</strong>en und dem ETI in dem Zeitraum<br />
1996 bis 1999 umgesetzt. Einige seien hier kurz<br />
erwähnt:<br />
So soll mit dem Vulkanium in der Eifel ein Besucher-<br />
und Informationszentrum mit dem<br />
Schwerpunktthema Vulkanismus/Geologie<br />
entstehen. Bei diesem Projekt wird angestrebt,<br />
das Alleinstellungsmerkmal Vulkanismus deutlich<br />
stärker als bisher am Markt zu etablieren<br />
und neue Gästepotentiale zu erschließen. Bei<br />
einem geschätzten Besucheraufkommen von<br />
200 000 pro Jahr und einem erforderlichen Investitionsvolumen<br />
von 25 - 30 Millionen DM<br />
(Angaben des ETI) geht das Institut davon aus,<br />
91
dass dieses Projekt unter regionalwirtschaftlichen<br />
Aspekten als strukturwirksame Maßnahme<br />
betrachtet werden kann, die primär zur<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen führt und die<br />
Wertschöpfung durch zusätzliche Besucher in<br />
der Region erheblich erhöht. Das ETI hat den<br />
<strong>Landkreis</strong>en ein Konzept mit mehreren Standortalternativen<br />
vorgelegt. Die Entscheidung<br />
darüber steht noch aus.<br />
Die Imagebroschüre »Landurlaub in der Eifel«<br />
dient dazu, die Zielgruppen Familien mit<br />
Kindern, Gesundheits- sowie Umweltbewusste<br />
und Aktivurlauber für die Eifel zu interessieren.<br />
Unter dem Leitthema »Kunst, Kultur und Tourismus«<br />
wurde eine Datenbank erstellt, in der<br />
Informationen über 62 Eifeler Künstlerinnen<br />
und Künstler aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei<br />
und Kunsthandwerk aufbereitet sind.<br />
Ein entsprechendes Handbuch steht den Verkehrsämtern<br />
im Eifelgebiet zur Verfügung. Zielsetzung<br />
ist, die zahlreichen Ateliers der in der Eifel<br />
beheimateten Künstlerinnen und Künstler für<br />
Besucher zu öffnen. Gleichzeitig werden den<br />
Künstlern Ausstellungsräume und Partner vermittelt<br />
(Gastgewerbe, Handel, Banken usw.).<br />
Die Kampagne Leistungsträger im Dialog<br />
zielt auf eine Sensibilisierung der touristischen<br />
Leistungsträger für die Bedürfnisse und Pro-<br />
Windsborn-Kratersee bei Bettenfeld<br />
92<br />
bleme der Gäste.<br />
In Abstimmung mit<br />
der Nord- und<br />
Osteifel wurde ein<br />
gemeinsames Eifel-Logo<br />
unter<br />
dem Leitbild »Eifel<br />
- Lust auf Natur«<br />
entwickelt.<br />
Das ETI hat in seinem<br />
Tourismuskonzept »Europäisches Tal<br />
der Mosel« ebenfalls Handlungsempfehlungen<br />
formuliert, die teilweise schon realisiert werden<br />
konnten.<br />
Das Projekt wurde im Auftrag der Arbeitsgruppe<br />
Fremdenverkehr der Saar-Lor-Lux-<br />
Trier/Westpfalz-Regionalkommission vom ETI<br />
bearbeitet (1993 - 1994). Ziel des Konzeptes ist<br />
die Positionierung des Europäischen Tals der<br />
Mosel auf dem internationalen Tourismusmarkt.<br />
Damit verbunden ist die Bündelung bestehender<br />
Konzepte und Angebote, die Einbindung<br />
aller Akteure in ein Marketingkonzept, die<br />
Entwicklung gemeinsamer Organisationsstrukturen<br />
sowie die Förderung wettbewerbsfähiger,<br />
innovativer Angebote.<br />
Die Handlungsempfehlungen befassen sich<br />
dabei mit grenzübergreifenden und regions-
Mountainbiking auf dem Mosenberg bei Bettenfeld<br />
93
spezifischen touristischen Produkten. Ein wesentlicher<br />
Teil der Produktvorschläge konnte<br />
bereits umgesetzt werden oder befindet sich in<br />
der Ausbauphase:<br />
– Die »VeloTour Moselle«, ein grenzübergreifender<br />
Radweg von der Quelle der Mosel in<br />
Lothringen bis zur Mündung bei Koblenz,<br />
– die »Internationalen Moselfestwochen«,<br />
ein Musikfestival mit Veranstaltungen in zahlreichen<br />
Moselorten vom Cochemer Land bis<br />
über Trier hinaus,<br />
– das »Moselmagazin«, ein animativer Reiseführer<br />
im Stil einer Zeitschrift und<br />
– der »Moselweitwanderweg«, ein grenzübergreifender<br />
Wanderweg entlang der Mosel.<br />
Für die Hunsrückregion ist die Entwicklung eines<br />
Marketing- und Handlungskonzeptes in<br />
der Vorbereitungs- bzw. Umsetzungsphase.<br />
Intensivierung der Zusammenarbeit der<br />
touristischen Leistungsträger<br />
Mit dem Ziel, regionale Handelspartnerschaften<br />
von einheimischen Erzeugern landwirtschaftlicher<br />
Produkte, Handwerksbetrieben<br />
und Gastronomen zu bilden, wurde 1996 das<br />
Projekt »Genuss für Leib und Seele - Das<br />
Vier-Jahreszeiten-Erlebnis in Gastronomie<br />
und Landwirtschaft« unter der Leitung der<br />
Staatl. Lehr- und Versuchsanstalt Trier ins Leben<br />
gerufen. In einer speziellen Speisenkarte<br />
bieten die Gastronomen Gerichte aus Produkten<br />
an, die in der Region angebaut werden oder<br />
wachsen. Der Gast leistet einen Beitrag zur<br />
Stabilisierung und Erhaltung der Landwirtschaft<br />
und erhöht die Wertschöpfung in der<br />
Region. Seit dem Jahr 1998 erfolgt eine Kooperation<br />
mit dem Naturpark Saar-Hunsrück.<br />
Mit der Aktion »DIE WOCHE TEILEN MIT<br />
FREUNDEN« möchten zahlreiche Bauern- und<br />
Winzerhöfe den Alltag ihrer Gäste unterbrechen<br />
und ihnen Gelegenheit bieten, interessante<br />
Stunden bei den unterschiedlichsten Aktivitäten<br />
zu verbringen; Themen sind z. B. gemeinsames<br />
Kochen eines Menüs nach Rezepten<br />
der Römer oder Schlachtfest auf dem<br />
Hunsrück.<br />
Urlaub auf Bauern- und Winzerhöfen<br />
In den drei Regionen des Kreises kommen Aktivitäts-<br />
oder Erholungssuchende, Weinliebhaber,<br />
Familien mit Kindern sowie Reisende aller<br />
Altersgruppen beim Urlaub auf Bauern- und<br />
94<br />
Winzerhöfen auf ihre Kosten. Das Programm<br />
zur Entwicklung ländlicher Räume gemäß Ziel<br />
Nr. 5 b des EU-Strukturfonds fördert den Betriebszweig<br />
Urlaub auf Bauern- und Winzerhöfen<br />
mit dem gleichnamigen Modellprojekt.<br />
Zielsetzung ist die Verbesserung der Infrastruktur<br />
sowie die Vernetzung von Einzelangeboten<br />
zu regionalen vermarktungsgerechten Gesamtangeboten.<br />
Das Modellprojekt selbst beruht<br />
auf der Forderung nach Diversifizierung -<br />
zweites Standbein - und Anpassung der Landwirtschaft<br />
in strukturschwachen Gebieten. Die<br />
Erschließung neuer Gästezielgruppen ist auf<br />
dem hart umkämpften Inlandsreisemarkt nicht<br />
einfach. Verwirklicht werden soll dies mit einem<br />
zeitgemäßen und geschlossenen Marktauftritt<br />
der Anbieter, Urlaubsangeboten in modern gestalteten<br />
Broschüren sowie Außenpräsentationen<br />
und innerer Werbung.<br />
In Vorbereitung ist derzeit die Ausweitung des<br />
in den <strong>Landkreis</strong>en Daun und Bitburg-Prüm<br />
sehr erfolgreichen Projekts »Eifel zu Pferd« auf<br />
das Eifelgebiet des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong>.<br />
In Zusammenarbeit mit der Staatl. Lehr- und<br />
Versuchsanstalt Trier und landwirtschaftlicher<br />
Betriebe werden hier Angebote für Reiturlauber<br />
konzipiert. Eine Projektausweitung auf den<br />
Hunsrück (»Hunsrück zu Pferd«) steht ebenfalls<br />
bevor.<br />
Stärkeres Inwertsetzen des Faktors Kultur<br />
Zur Förderung des Kulturtourismus ist es erforderlich,<br />
die kulturelle Vielfalt als wesentlichen<br />
Bestandteil der Lebensqualität der Region zu<br />
definieren und dies in ein touristisches Konzept<br />
einzubinden. Als besonders gelungenes Beispiel<br />
im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> und den<br />
angrenzenden Regionen ist hier das Musikfestival<br />
Moselfestwochen zu nennen. Das Festival<br />
erstreckt sich über einen Zeitraum von rund<br />
sechs Monaten. Viele Konzertbesucher sind<br />
bereit, längere Distanzen für den Genuss eines<br />
Konzertes in Kauf zu nehmen und die Veranstaltung<br />
mit einem mehrtägigen Ausflug in die<br />
Region zu verbinden. Das Veranstaltungsangebot<br />
der Moselfestwochen ist ein wichtiges kultur-touristisches<br />
Angebot. Zur Sicherung und<br />
Weiterentwicklung strebt die Mosellandtouristik<br />
GmbH die Trägerschaft der Moselfestwochen<br />
an. Diese Trägerschaft wird in einer Pilotphase<br />
von drei Jahren erprobt.
Für die Programmjahre 1998 bis <strong>2000</strong> fördert<br />
die Mosellandtouristik das überregionale Musikfestival<br />
mit einer jährlichen Zuwendung zu<br />
den ungedeckten Kosten und trägt somit zur<br />
nachhaltigen Sicherung der Finanzierung des<br />
Festivals bei. In enger Zusammenarbeit mit der<br />
Geschäftsstelle der Moselfestwochen werden<br />
zudem jährlich attraktive kulturtouristische<br />
Pauschalangebote erstellt und über die Buchungsstelle<br />
der Mosellandtouristik GmbH vermarktet.<br />
Diese Angebote zeichnen sich durch eine<br />
hochwertige Verknüpfung von Festivalveranstaltungen<br />
mit attraktivem touristischen Rahmenprogramm<br />
aus, z. B. »Mosel Konzertant«<br />
oder »Bett und Karte«.<br />
Den Kulturtourismus stärker zu fördern und die<br />
Einbindung von Veranstaltungen mit überregionaler<br />
Bedeutung in ein Marketingkonzept sind<br />
zwei Ziele des Arbeitskreises Kultur der Initiative<br />
Region Trier e. V., in dem auch der <strong>Landkreis</strong><br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> vertreten ist. Seine<br />
weiteren Empfehlungen sind u. a. die Entwicklung<br />
einer Kulturroute »Römer in der Region«,<br />
Intensivierung des grenzüberschreitenden Kulturtourismus<br />
und das Hervorheben überregionaler<br />
Highlights.<br />
Schließlich ist es erforderlich, durch Kooperation<br />
zwischen Kulturschaffenden und Touristikern<br />
das bereits vorhandene und hochwertige<br />
Kulturangebot der Region besser zu koordinieren,<br />
um es stärker für den Fremdenverkehr zu<br />
nutzen.<br />
Zu meinen Füßen der Fluss<br />
Verschwunden<br />
Hoch oben die trutzige Burg<br />
Verhüllt<br />
In dunstigem Nichts<br />
Die Weinberge liegen<br />
Das rostrote Laub<br />
Die traubenbeladenen Reben<br />
Verborgene Stadt<br />
Ausblick<br />
Wie bereits vom ETI und anderen Forschungseinrichtungen<br />
festgestellt, orientieren sich Urlauber<br />
und Tagesgäste nicht an Verwaltungsgrenzen,<br />
sondern denken in naturräumlichen,<br />
regionalen Bezügen. Um zukünftig am Markt<br />
bestehen zu können, ist es erforderlich, den<br />
Regionen ein klares Profil zu vermitteln. Ein<br />
weiterer Schwerpunkt der kommenden Jahre<br />
sollte in der Intensivierung der interkommunalen<br />
Zusammenarbeit liegen. Eine geschlossene<br />
Außendarstellung kann nur dann erreicht werden,<br />
wenn alle Anbieter gezielt und gemeinsam<br />
ihre Region bewerben (Regionalagenturen). In<br />
den einzelnen Regionen sind gemeinsame, zukunftsweisende<br />
Entwicklungsstrategien zu formulieren<br />
bzw. umzusetzen.<br />
Weiterhin ist der Ausbau eines flächendeckenden<br />
Buchungs- und Reservierungssystems sowie<br />
der Ausbau wetterunabhängiger Angebote<br />
erforderlich.<br />
Durch gezielte Förder- und Qualifizierungsmaßnahmen<br />
sind schließlich günstige Rahmenbedingungen<br />
für das Gastgewerbe zu<br />
schaffen<br />
Quelle: Stat. Landesamt<br />
1 Selbsteinstufung der Betriebe<br />
2 Ohne Privatquartiere, ab 1981 außerdem ohne gewerbliche Kleinbetriebe<br />
3 Einschl. jugendherbergsähnlichen Einrichtungen, z. B. von Wandervereinen<br />
4 Ab 1981 einschl. gewerbliche Kleinbetriebe (Betriebe mit weniger<br />
als 9 Fremdenbetten)<br />
Verborgene Stadt<br />
Verwunschenes Land<br />
Getaucht<br />
In milchweißen Nebel<br />
Hildegard Kohnen<br />
95
Wintersport am Erbeskopf<br />
96
Hunsrücklandschaft bei Rapperath<br />
97
Menschen<br />
im<br />
<strong>Landkreis</strong>
»Was Frauen anders machen?«<br />
Interview mit Landrätin Beate Läsch-Weber<br />
Beate Läsch-Weber, am 1. Januar 1957 in Bitburg<br />
geboren, studierte Rechtswissenschaften<br />
an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn;<br />
1983 zweites juristisches Staatsexamen. Seit<br />
1993 Landrätin des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong>. Mit ihrem Mann und ihrer 11-jährigen<br />
Tochter lebt sie in Heidweiler.<br />
C. W.:<br />
Frau Läsch-Weber, Sie sind die erste Landrätin<br />
in Rheinland-Pfalz. Was machen Sie anders<br />
und wo liegen Ihre Stärken in der politischen<br />
Arbeit?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
1993 war ich die erste Landrätin in Rheinland-<br />
Pfalz. Seit 1998 habe ich eine Kollegin im <strong>Landkreis</strong><br />
Südliche Weinstraße. In Rheinland-Pfalz<br />
gibt es 24 <strong>Landkreis</strong>e, somit 22 Landräte und<br />
2 Landrätinnen. Erste Landrätin in Rheinland-<br />
Pfalz zu sein habe ich immer als besondere<br />
Verpflichtung und zugleich als besondere persönliche<br />
Herausforderung verstanden. Als besondere<br />
Verpflichtung deshalb, weil das Pilotprojekt<br />
»Landrätin« im Interesse der Führungsfunktionen<br />
in der Kommunalpolitik anstrebenden<br />
Frauen einfach nicht scheitern durfte. Ich<br />
war und bin es den Frauen schuldig, hart zu arbeiten,<br />
um mich Tag für Tag mit aller Tatkraft<br />
und Energie für die Menschen in unserem<br />
<strong>Landkreis</strong> einzusetzen. Die Frage, was Frauen<br />
anders machen, ist schwer zu beantworten. Ich<br />
sehe nicht die Frau als Führungskraft im Gegensatz<br />
zum Mann als Führungskraft. Mir geht<br />
es auch nicht darum, Vorurteile zu manifestieren,<br />
indem ich von typisch männlichen und typisch<br />
weiblichen Führungseigenschaften spreche.<br />
Im Vordergrund sehe ich immer die Person<br />
mit ihren jeweils persönlichen Eigenschaften,<br />
die selbstverständlich von der jeweiligen<br />
Sozialisation und dem Berufs- und Lebensumfeld<br />
bestimmt sind. Als Beate Läsch-Weber<br />
bringe ich mich mit meinen Stärken und<br />
Schwächen in meine Funktion als Landrätin<br />
ein. Als meine größte Schwäche sehe ich mei-<br />
Christel Werner<br />
ne hartnäckige Ungeduld. Mir geht einfach alles<br />
nicht schnell genug. Daneben habe ich<br />
natürlich weitere Schwächen, von denen die<br />
Kolleginnen und Kollegen im Kreishaus und<br />
natürlich auch meine Familie viele Lieder singen<br />
könnten. Aber auch Landrätinnen sind ja<br />
nur Menschen. Die Frage nach meinen Stärken<br />
in der politischen Arbeit kann ich selbst noch<br />
schwerer beantworten als die Frage nach meinen<br />
Schwächen. Als Stärke sehe ich meine<br />
Grundauffassung, dass ich mich als Landrätin<br />
immer in den Dienst der Menschen stellen<br />
muss. Ich bin und bleibe das Kind aus einfachen<br />
Verhältnissen, das im ländlichen Raum<br />
groß geworden ist, das die Sorgen und Nöte<br />
der Menschen ernst nimmt und sich jeden Problems<br />
annimmt, sei es auch noch so klein.<br />
C. W.:<br />
Nach meiner Einschätzung brauchen wir nach<br />
wie vor mehr weibliche Aktivitäten in der Politik.<br />
Wo ist der Bedarf besonders groß?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Die repräsentative Demokratie ist keine Zuschauerinnendemokratie,<br />
sondern eine Demokratie<br />
der aktiven Teilhabe aller, der Frauen und<br />
Männer. Natürlich brauchen wir auch mehr<br />
Frauen in der Politik. Eine Gesellschaft, die zu<br />
mehr als 50 % aus Frauen besteht, kann es<br />
sich nicht leisten, Frauen von den politischen<br />
Machtstrukturen auszuschließen. Ohne Frauen<br />
ist kein Staat zu machen! Frauen wollen und<br />
brauchen direkte politische Einflussnahme. Dabei<br />
geht es meiner Meinung nach um die direkte<br />
politische Einflussnahme in allen Handlungsfeldern<br />
der Politik. Auch insoweit gibt es keine<br />
weiblichen oder männlichen Politikfelder.<br />
Gleichberechtigte Teilhabe ist nicht schon<br />
dann gegeben, wenn Frauen ihre Stimme im<br />
Bereich Soziales erheben dürfen und insoweit<br />
als kompetent angesehen werden. Ich fordere<br />
auch mehr Politikerinnen in den sogenannten<br />
traditionellen Entscheidungsstrukturen, in den<br />
Bereichen Wirtschaft, Finanzen, innere Sicher-<br />
99
heit und in allen kommunalen Angelegenheiten.<br />
Aus diesem Grund habe ich mich auch dem<br />
Mentorinnen-Projekt »Mehr Frauen in die Politik«<br />
angeschlossen, um Nachwuchspolitikerinnen<br />
mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.<br />
C. W.:<br />
Auf welche Hindernisse stoßen Frauen bei der<br />
Durchsetzung ihrer Interessen?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Frauen stoßen zum einen auf Hindernisse im<br />
privaten Bereich bei der Durchsetzung ihrer beruflichen<br />
oder politischen Interessen. Während<br />
der Gleichberechtigung seit Jahrzehnten das<br />
Wort geredet wird, sind in vielen Familien noch<br />
traditionelle Rollenzuweisungen vorherrschend.<br />
Gerade an diesem Punkt möchte ich<br />
nicht missverstanden werden. Es geht mir nicht<br />
darum, eine Zwangsstruktur – die Zuständigkeit<br />
der Frauen für Kinder, Küche und Kirche –<br />
durch eine andere Zwangsstruktur für die Männer<br />
zu ersetzen. Nein, mir geht es bei der Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie um Wahlfreiheit<br />
und um die gleichberechtigte und partnerschaftliche<br />
Entscheidungsfindung, wer welche<br />
Aktivitäten entfaltet. Wir sollten Rollenmuster<br />
durch Offenheit und Einzelfallentscheidungen<br />
ablösen. Dabei gibt es keinen Königsweg, sondern<br />
immer einen Weg, der auf den konkreten<br />
Gegebenheiten in der Partnerschaft aufbaut.<br />
Darüber hinaus ergeben sich im beruflichen Alltag<br />
vielerlei Hürden, wenn Frauen an Führungspositionen<br />
Interesse haben. Frauen erhalten im<br />
Gegensatz zu Mitbewerbern in Positionen, die<br />
mit einem beruflichen Aufstieg verbunden sind,<br />
selten einen Vertrauensvorschuss. Sie müssen<br />
erst zeigen, was sie können, und in vielen Fällen<br />
besser sein als ihre Kollegen, um die gleiche<br />
berufliche Anerkennung zu erhalten. Frauen<br />
wird die Eignung für Führungsfunktionen<br />
vielfach aberkannt. Sie seien zu stark doppelbelastet,<br />
stärker emotional gesteuert, weniger<br />
durchsetzungsstark, weniger objektiv, weniger<br />
belastbar, krankheitsanfälliger, weniger entscheidungsfreudig<br />
und weniger zur Teamarbeit<br />
bereit. Diese angeblich typisch weiblichen Eigenschaften<br />
und das Bedürfnis nach Harmonie<br />
und kooperativer Zusammenarbeit führten zu<br />
der Feststellung, dass es Frauen insbesondere<br />
mangele an Zielorientiertheit, Autorität, Durchsetzungsfähigkeit,<br />
Sachbezogenheit, abstraktem<br />
Denkvermögen, Überzeugungskraft und<br />
Härte. Frauen, denen diese angeblich männli-<br />
100<br />
chen Eigenschaften zugesprochen werden,<br />
werden wiederum in die Kategorie der Emanzen<br />
und Karrierefrauen eingestuft. Ein schier<br />
unauflösbarer Teufelskreis, der dazu geeignet<br />
ist und teilweise auch dazu dient, das traditionelle<br />
Rollenverständnis zu rechtfertigen und zu<br />
manifestieren. Es ist mehr als einfach, die vermeintlich<br />
wichtigen Eigenschaften einer richtigen,<br />
weil männlichen Führungskraft als Norm<br />
zu fixieren, an der sich alles andere auszurichten<br />
hat. Auch und gerade Frauen besitzen Eigenschaften<br />
wie Zielorientiertheit, Durchsetzungskraft<br />
und Entschlossenheit. Sie sind auf<br />
Grund ihrer vielfältigen Belastungen hervorragende<br />
Zeitmanagerinnen. Es ist ein Fehlurteil<br />
zu glauben, dass sich die Autorität einer<br />
Führungsperson in permanenter Härte äußern<br />
müsse und eine freundliche und vertrauensvolle<br />
Arbeitsatmosphäre einem effektiven und<br />
zielorientierten Arbeiten hinderlich sei. Das Gegenteil<br />
ist der Fall.<br />
C. W.:<br />
Wie schätzen Sie das politische Interesse von<br />
Frauen ein?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Das politische Interesse von Frauen schätze<br />
ich als sehr hoch ein, wenn die Rahmenbedingungen<br />
sowohl im privaten Umfeld als auch in<br />
den Parteistrukturen stimmen. Frauen dürfen<br />
sich nur nicht einreden lassen, dass Politik<br />
nicht ihre Sache sei.<br />
C. W.:<br />
Sehen Sie sich als ein Vorbild für andere Frauen?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Nein, ich möchte kein Vorbild für andere Frauen<br />
sein. Ich möchte anderen Frauen lediglich<br />
Mut machen, sich in der Politik aktiv und nachdrücklich<br />
einzumischen. Auch mir wurden keine<br />
goldenen Brücken gebaut. Ich habe jeden<br />
Schritt, den ich getan habe, hart erkämpfen<br />
müssen.<br />
C. W.:<br />
Sie sind Mutter einer 11-jährigen Tochter. Beziehen<br />
Sie Ihre Familie in Ihre Arbeit mit ein?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Meine Familie ist das Wichtigste für mich überhaupt.<br />
Ich habe Gott sei Dank einen Mann, der<br />
nicht nur meine beruflichen Aktivitäten akzeptiert,<br />
sondern sie aktiv durch viele Hilfestellungen<br />
unterstützt. Und ich bin stolze Mutter einer<br />
11-jährigen Tochter, die mich auch als Mutter
fordert, und das ist gut so. Mit einem selbstbewussten<br />
Partner und einer quirligen Tochter<br />
stehe ich mitten im Leben. So weiß ich aus eigener<br />
Erfahrung: Politik ist im Leben nicht alles.<br />
Diese Erfahrung gibt mir Ruhe und Gelassenheit<br />
in der alltäglichen Arbeit. Mich haut so<br />
schnell nichts um. Meine Familie beziehe ich<br />
ganz bewusst nicht in meine tägliche Arbeit als<br />
Landrätin ein. Schließlich bin nur ich als Landrätin<br />
gewählt worden und nicht meine Familie.<br />
Landrätin zu sein ist meine persönliche Aufgabe.<br />
Mein Mann und meine Tochter definieren<br />
sich nicht als Ehemann oder Tochter der Landrätin.<br />
C. W.:<br />
Ist Frauenförderung weiterhin notwendig?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Im Grundgesetz steht, dass Frauen und Männer<br />
gleichberechtigt sind (Artikel 3 Absatz 2<br />
GG), dass niemand wegen seines Geschlechts<br />
benachteiligt werden darf (Artikel 3 Absatz 3<br />
GG) und dass jede/r Deutsche nach seiner/ihrer<br />
Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung<br />
gleichen Zugang zu jedem öffentlichen<br />
Amt hat (Artikel 33 Absatz 2 GG). Trotz dieser<br />
rechtlichen Klarheit werden Frauen im täglichen<br />
Leben noch in vielfältiger Weise faktisch<br />
benachteiligt. Deshalb sehe ich die Frauenförderung<br />
bei Gleichwertigkeit der Eignung, Befähigung<br />
und Leistung nach wie vor als notwendig<br />
an. Wichtig ist mir dabei zu betonen,<br />
dass ich nicht für eine Frauenförderung um jeden<br />
Preis eintrete, es geht mir um eine Frauenförderung,<br />
die vorurteilsfrei an den Eigenschaften<br />
der jeweiligen Person anknüpft und die<br />
auch die weiblichen Lebensentwürfe als Qualifikationen<br />
berücksichtigt. Insbesondere bei der<br />
Besetzung von Führungspositionen ist viel<br />
mehr Wert auf Eigenschaften wie Teamorientierung,<br />
Kommunikationsfähigkeit und zielorientiertes<br />
Zeitmanagement zu legen. Grundsätzlich<br />
und letztendlich ist Frauenförderung<br />
dazu angetan, sich selbst überflüssig zu machen.<br />
Nur, das wird bei den Beharrungsstrukturen,<br />
die wir haben, noch lange dauern.<br />
C. W.:<br />
Wie definieren Sie den Begriff »Frauenpolitik«?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Auch der Begriff »Frauenpolitik« sollte mittelfristig<br />
aus unserem Vokabular verschwinden.<br />
101
Denn wir brauchen diesen Begriff nur so lange,<br />
bis es in der Politik selbstverständlich geworden<br />
ist, die Belange von Frauen genauso<br />
wie die Belange von Männern in den politischen<br />
Entscheidungsprozess einzubeziehen.<br />
Dabei ist der Begriff »Frauenpolitik« ein vielschichtiger<br />
Begriff mit einem ganzheitlichen<br />
Ansatz. Er ist ein Begriff der Bewusstseinsbildung,<br />
der alle Politikfelder umfasst. Frauenpolitik<br />
ist nicht nur Sozialpolitik und Familienpolitik.<br />
C. W.:<br />
Welche Frau oder welche Frauen sind für Sie<br />
Vorbild und warum?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Mein Vorbild war mein Vater. Ich bin als Tochter<br />
eines Landwirtes in einer Familie mit drei<br />
Mädchen groß geworden. Mein Vater hat sich<br />
im kleinen Rahmen politisch engagiert und sich<br />
sehr für die berufliche Ausbildung seiner Töchter<br />
eingesetzt. Vorhaltungen wie: Warum gibst<br />
du so viel Geld für die Berufsausbildung deiner<br />
Töchter aus? Sie heiraten ja sowieso! – ist er<br />
selbstbewusst entgegengetreten. Ihm hat es<br />
besonders viel Freude gemacht, meinen Berufsweg<br />
zu verfolgen und mitzuerleben, dass<br />
ich mich in einer Männerdomäne zurechtgefunden<br />
habe. Ohne meinen Vater wäre ich heute<br />
nicht Landrätin im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />
Es steht wenig über sie geschrieben. Die Chroniken<br />
der Welt kannten sie nicht. Von einigen<br />
Ausnahmen abgesehen scheint es, als hätte es<br />
die Frauen nicht gegeben, die unsere Kinder<br />
auf die Welt brachten, sie groß zogen, beschützten<br />
und auf das Leben vorbereiteten, Familien<br />
erhielten durch ihren unermüdlichen Einsatz<br />
oder auch damals schon Aufgaben des öffentlichen<br />
Lebens übernahmen.<br />
»Das war doch nichts«, sagte eine Gesprächspartnerin<br />
zu mir. »Es war selbstverständlich,<br />
102<br />
C. W.:<br />
Noch immer müssen Frauen gegen Rollenklischees<br />
in der Öffentlichkeit ankämpfen. Warum<br />
ist das so?<br />
BEATE LÄSCH-WEBER:<br />
Rollenklischees bestehen nach wie vor. Es ist<br />
ja auch so einfach, in festen Strukturen zu leben,<br />
in denen Rollen kraft Tradition definiert<br />
werden. Dies erspart Abstimmungen, Auseinandersetzungen<br />
und auch das Hinterfragen der<br />
eigenen Vorstellungen. Selbstbewusster und<br />
selbstbestimmter lebende Frauen treten Männern<br />
anders gegenüber als Frauen, die sich lediglich<br />
als Dienstleisterin ihres Mannes verstehen.<br />
Deshalb kann und darf Frauenpolitik nie<br />
losgelöst und als separatistischer Ansatz verstanden<br />
werden. Frauenpolitik ist umso erfolgreicher,<br />
je mehr und intensiver die Männer in<br />
die jeweiligen Entwicklungsschritte einbezogen<br />
werden. Dies ist mir als Frauenbeauftragte der<br />
Stadt Frankfurt von 1986 bis 1988 besonders<br />
deutlich geworden. Ein verändertes Frauenbild<br />
führt automatisch zu einem veränderten Männerbild.<br />
Auch die Männer müssen die Chancen<br />
erkennen, die sich aus dem Anspruch der Frauen<br />
auf faktische Gleichberechtigung ergeben.<br />
Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft starke<br />
Männer, die stolz sind auf starke Frauen und<br />
starke Frauen, die stolz sind auf ihre starken<br />
Männer.<br />
Frauenleben im Wandel der Zeiten<br />
Interviews mit Zeitzeuginnen dieses Jahrhunderts<br />
Christel Werner<br />
die Arbeit der Männer mitzumachen, denn es<br />
war doch Krieg.« Dieses Selbstverständnis hat<br />
Frauen immer wieder um das gebracht, was ihnen<br />
genauso zusteht wie den Männern: Anerkennung,<br />
Würde und gleiche Rechte.<br />
Schauten die Frauen über den Zaun ihrer Begrenzungen,<br />
so war dies gefährlich. Sobald sie<br />
sich bewegten, sich erlaubten, eigene Lebensentwürfe<br />
umzusetzen, alte Regeln abzuschaffen<br />
und durch neue zu ersetzen, waren sie<br />
allein.
Kaum jemand – ob Mann oder Frau – wagte es,<br />
sie bei diesem »verbotenen Tun« zu unterstützen.<br />
Allzu groß war die Angst, eingefahrene<br />
Wege zu verlassen. Frauen, die für ihr Denken<br />
und Handeln die Verantwortung übernahmen,<br />
ihr Recht auf Leben einforderten, waren unbequem,<br />
sie brachten einfach alles durcheinander,<br />
was bis dahin doch so hervorragend funktionierte.<br />
Es hat mich interessiert, inwiefern in diesem zu<br />
Ende gehenden Jahrhundert Frauenleben sich<br />
gewandelt hat. Sind Frauen den Schritt vom<br />
Wir zum Ich gegangen? Oder sind die Sorge<br />
um das eigene Wohl als auch die eigenverantwortliche<br />
Lebensplanung nach wie vor verwerfliche<br />
Ideen weniger Exotinnen? Sind wir aus<br />
unserem Dornröschenschlaf aufgewacht oder<br />
klammern wir uns immer noch an die Dornenhecke<br />
aus Pflichtbewusstsein und Opferbereitschaft?<br />
»Halte nichts für selbstverständlich, das einzig<br />
Sichere im Leben ist die Unsicherheit«,<br />
schreibt der Autor Hans Kruppa in seinem Gedicht<br />
‘Regeln der Lebenskunst’. Weiter heißt es<br />
dort: »Verliere nie die Zärtlichkeit, die Ehrlichkeit,<br />
das Lächeln. Geschwätz, Neid und Mißgunst<br />
kannst du nicht besiegen, aber überfliegen.«<br />
Es klingt einfach und wahr, leicht und<br />
verlockend. Jede und jeder von uns, die das<br />
Leben kennen und um die Hürden wissen, die<br />
uns von Fall zu Fall den Weg verstellen, erfahren,<br />
dass wir viel Mut, Kraft, Ausdauer und<br />
Selbstvertrauen brauchen, um den Hürdenlauf<br />
zu bestehen. Gemahlen werden müssen wir<br />
wohl in der Mühle des Lebens, um die Gelassenheit<br />
zu empfinden, die uns lächeln lässt und<br />
zärtlich macht.<br />
Ein neues Selbstverständnis stellt sich nicht<br />
ein, weil wir Menschen ein neues Jahrtausend<br />
und ein neues Jahrhundert beginnen. Aufwachen<br />
geschieht, wenn es an der Zeit ist. Aber<br />
ich bin zuversichtlich, dass wir auf dem Weg<br />
sind.<br />
Barbara Licht, geboren am 10. Juni 1909 im damaligen<br />
Dusemond, jetzt Brauneberg. Von<br />
1915 bis 1923 Besuch der Volksschule in Filzen.<br />
Am 4. Juni 1936 Eheschließung mit Johann<br />
Licht. Seit 1967 verwitwet. Frau Licht hat<br />
zwei Kinder, zwei Enkelkinder und eine Urenkelin.<br />
Sie lebt im Haushalt ihres Sohnes.<br />
C. W.:<br />
Frau Licht, was bedeutete es, vor 80 Jahren<br />
Kind bzw. ein Mädchen zu sein?<br />
BARBARA LICHT:<br />
Sieben Jahre bin ich zu Fuß in die Schule nach<br />
Filzen gegangen. Und nach dem 2. Schuljahr<br />
jeden Morgen vorher in die Kirche. Das gibt es<br />
heute nicht mehr. Als ich aus der Schule kam,<br />
habe ich anschließend in Wintrich die Nähschule<br />
besucht. Die Schule wurde von Schwestern<br />
geleitet. Mit der Moselbahn bin ich jeden<br />
Morgen dorthin gefahren. Die Schwestern haben<br />
uns gut unterrichtet, sodass ich später<br />
auch auf der Nähmaschine Kleider und Hemden<br />
für die Männer anfertigen konnte. Für meine<br />
Kinder habe ich fast alles selbst genäht.<br />
Meine Eltern hatten einen Winzerbetrieb und<br />
ich wurde früh mit der Arbeit im Weinberg vertraut<br />
gemacht. Unsere Weinberge liegen überwiegend<br />
in Steillagen auf der anderen Moselseite.<br />
Um diese Weinberge zu erreichen, haben<br />
wir mit der Fähre übergesetzt, die es ja auch<br />
schon sehr lange nicht mehr gibt. Schneiden<br />
habe ich als erstes gelernt. Vier Reben auf den<br />
Stock, die mit der Hand geschnitten wurden.<br />
Natürlich wurden die abgeschnittenen Reben<br />
aufgesammelt, denn sie sind gebraucht worden,<br />
um morgens in unserem Haus Feuer anzumachen.<br />
Alles ist verwertet worden und nichts<br />
liegen geblieben.<br />
103
C. W.:<br />
Erinnern Sie sich gern an Ihre Jugend?<br />
BARBARA LICHT:<br />
Oh ja. Oft sind wir tanzen gegangen. Jedes<br />
Jahr war Kirmes, Fastnacht und im Winter die<br />
Familienabende der Vereine. Das war immer<br />
sehr schön. Auch sind wir des Öfteren mit der<br />
Moselbahn nach <strong>Bernkastel</strong>-Kues gefahren.<br />
Die Schienen der Moselbahn verliefen hinter<br />
unserem Haus, und schräg gegenüber war der<br />
Bahnhof.<br />
C. W.:<br />
Wie war Ihr Alltag als Winzerin in einem Weinbaubetrieb?<br />
BARBARA LICHT:<br />
Mein Mann stammte aus Filzen und war auch<br />
Winzer. Wir haben hier in Brauneberg mit meinen<br />
Eltern zusammen gewohnt. Früher hatte<br />
nicht jede Familie ihren eigenen Haushalt so<br />
wie heute. Die anfallende Arbeit haben wir in<br />
der Großfamilie gemeinsam erledigt. Nur hatte<br />
jede der Familien ihren eigenen Wein.<br />
Das Brot habe ich bis nach dem Krieg selbst<br />
gebacken, alle zehn, zwölf Tage zehn Laiber<br />
Brot. Das war sehr viel Arbeit. In der Waschküche<br />
standen zwei Kessel; einer für die Wäsche<br />
und einer fürs Vieh. Daneben stand der<br />
Backofen fürs Brot. Es gab damals viele Leute,<br />
die den Backofen noch in der Küche stehen<br />
hatten. So gesehen, hatten wir es da schon etwas<br />
besser. Während der Backofen angeheizt<br />
wurde, haben wir stets mit Ähren probiert, ob<br />
die Hitze groß genug war. Sobald die Ähren<br />
braun wurden, konnte ich die Brote in den Ofen<br />
legen. Dann duftete es im ganzen Haus nach<br />
frisch gebackenem Brot. Nach dem Krieg haben<br />
mein Mann und ich die Frucht zur Mühle<br />
nach Veldenz gefahren. Der Mühle war eine<br />
Bäckerei angeschlossen, wo wir dann auf Brotkarten<br />
soviel Brot bekamen, wie wir wollten.<br />
Lediglich den Bäckerlohn hatten wir zu zahlen.<br />
Jede Woche ist gewaschen worden. Wir haben<br />
die Wäsche auf der Hand gerieben. Die Seife<br />
habe ich selbst gekocht. Die Gemeinde Filzen<br />
hatte ein Waschhaus. Dahin sind wir gegangen,<br />
um die Wäsche auszuwaschen. Sie wurde<br />
dann auf die Bleiche gelegt und ein paar Mal<br />
gegossen. Wenn wir Brauneberger ins Waschhaus<br />
kamen, mussten wir bezahlen. Aber dennoch<br />
kam das ganze Dorf dahin. Im Winter<br />
wurde für die ganze Familie gestrickt; Socken<br />
und Pullover, das war selbstverständlich und<br />
104<br />
jede Frau konnte das. Auch hatten wir Vieh.<br />
Drei Schweine haben wir immer groß gezogen.<br />
Eines wurde vor der Traubenlese geschlachtet,<br />
eines vor Weihnachten und eines im Januar. So<br />
hatten wir Fleisch und Wurst für das ganze<br />
Jahr.<br />
Besonders gut waren die Schinken. Die habe<br />
ich gesalzen und nachher geräuchert in unserem<br />
Räucherhäuschen. Wenn sie goldgelb<br />
aussahen und fertig waren, wurden sie auf dem<br />
Speicher im großen Fliegenschrank geschützt<br />
aufbewahrt. Den Wein haben wir nur im Fass<br />
verkauft. Heute sind es nur noch ein paar Fuder,<br />
die so verkauft werden. Alles andere wird<br />
in Flaschen abgefüllt.<br />
Gartenarbeit hat mir weniger Spaß gemacht.<br />
Aber wir hatten keine anderen Möglichkeiten.<br />
So habe ich viel einkochen müssen.<br />
Meine Kinder habe ich zu Hause entbunden.<br />
Die Hebamme kam damals mit dem Fahrrad<br />
von Mülheim. Aber dennoch war sie immer<br />
schnell da. In der ersten Zeit nach der Geburt<br />
kam sie jeden Tag, um mich zu pflegen. Neun<br />
Tage musste ich nach der Geburt im Bett bleiben.<br />
Das war so. Während den Schwangerschaften<br />
habe ich nie Probleme gehabt. Ich<br />
ging auch während der ganzen Zeit zu keinem<br />
Arzt. Die Frauen haben die Kinder alle auf diese<br />
Weise bekommen.<br />
Mein Mann ist früh gestorben. Er starb mit 67<br />
Jahren an einem Herzschlag. Damals war ich<br />
58 Jahre alt. Ich habe das als sehr schlimm<br />
empfunden, denn es war einfach zu früh.<br />
C. W.:<br />
Der 2. Weltkrieg war auch für die Bevölkerung<br />
an der Mosel sehr entbehrungsreich. Wie haben<br />
Sie die Jahre durchlebt bzw. überlebt?<br />
BARBARA LICHT:<br />
Lebensmittel waren knapp, auch hier bei uns.<br />
Gott sei Dank hatten wir Hühner und deshalb<br />
zumindest immer genügend Eier. Gegen Ende<br />
des Krieges haben wir die Nächte im Keller verbracht.<br />
Von unserem Haus aus konnten wir den<br />
Feind auf der anderen Moselseite in den Weinbergen<br />
beobachten und er uns. Das hatte zur<br />
Folge, dass wir nicht von außen in unseren Keller<br />
kamen; das wäre zu gefährlich gewesen. So<br />
grub mein Vater in der Scheune ein großes<br />
Loch zum Keller, sodass wir einen geschützten<br />
Eingang hatten. Im Keller haben meine Eltern,<br />
meine Kinder und ich dann auf Matratzen<br />
schlafen können. In unser Haus schlug eine
Granate ein; die Fenster waren zerstört und eine<br />
ganze Wand eingefallen. Auch hatten wir<br />
kein Licht. Weiter unten in Brauneberg war der<br />
Beschuss nicht so stark. Die Bevölkerung dort<br />
hat uns mit Kerzen versorgt, als die Lage etwas<br />
ruhiger wurde. Mein Mann war in Gefangenschaft<br />
in Frankreich. Erst 1947 kam er wieder<br />
nach Hause. Während der ganzen Kriegsjahre<br />
versorgte meine Mutter unsere Kinder,<br />
während ich mit meinem Vater die Arbeit in den<br />
Weinbergen machte.<br />
C. W.:<br />
Wollten Sie heute noch einmal jung sein?<br />
BARBARA LICHT:<br />
Ja. Heute ist alles viel moderner. Mir gefällt alles<br />
sehr gut. Insbesondere ist die Arbeit leichter<br />
als früher. Zu meiner Zeit gab es keinen Kindergarten,<br />
keine Autos und keinen Bus. Alles haben<br />
wir zu Fuß gemacht. Die Zeiten haben sich<br />
ganz geändert. Nach dem Krieg haben wir uns<br />
sofort einen Traktor gekauft, der unsere Arbeit<br />
bereits sehr erleichterte. Im Vergleich zu heute<br />
war der Traktor jedoch erst der Anfang. Unser<br />
Schuppen steht jetzt voller Geräte. Fast für jede<br />
Arbeit im Weinberg gibt es maschinelle Unterstützung.<br />
C. W.:<br />
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?<br />
BARBARA LICHT:<br />
Vor allem wünsche ich mir, dass ich gesund<br />
bleibe und meine Familie keine Arbeit mit mir<br />
hat. Auch ist es für mich wichtig, immer noch<br />
etwas arbeiten zu können. Lange Zeit habe ich<br />
für die ganze Familie gekocht; die Wäsche bügele<br />
ich heute noch und bessere sie aus. Ich<br />
bin bis zu meinem achtundsiebzigsten Lebensjahr<br />
in den Weinberg gegangen. Es würde mir<br />
deshalb sehr schwer fallen, müsste ich die<br />
Hände in den Schoß legen.<br />
Maria Born, geboren am 21. Januar 1921 in Belingen,<br />
jetzt <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr, war lange Jahre<br />
Bedienstete des Schulamtes der Kreisverwaltung<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>. Sie lebt heute in<br />
<strong>Wittlich</strong>.<br />
C. W.:<br />
Frau Born, wie war das in den dreißiger Jahren,<br />
jung zu sein, ein Mädchen zu sein? Wie haben<br />
Sie es empfunden?<br />
MARIA BORN:<br />
Erinnern kann ich mich noch sehr gut an mein<br />
Maria Born: untere Reihe, zweite von links<br />
Jahr im Pensionat in Ahrenberg. Das war 1936.<br />
Ich habe nur Gutes im Kloster erfahren und<br />
mich mit den Schwestern sehr gut verstanden.<br />
Die Schwester Oberin hat mich des Öfteren<br />
nach Ehrenbreitstein mitgenommen, wenn sie<br />
einkaufen fuhr. Nach dem Jahr in Ahrenberg<br />
habe ich zu Hause meine kranke Mutter gepflegt.<br />
C. W.:<br />
Wie haben Sie den Krieg durchlebt bzw. überlebt?<br />
Was bedeutete es für eine junge Frau Anfang<br />
20, in dieser Zeit zu leben. Was haben Sie<br />
getan?<br />
MARIA BORN:<br />
Bis in die Kriegszeit hinein habe ich bei Rechtsanwalt<br />
Dr. Schmitt in <strong>Wittlich</strong> gearbeitet. Dieser<br />
arbeitete zusammen mit Notar Hess. Die Menschen,<br />
die unter der Hand Waren verkauften,<br />
wurden damals angezeigt und angeklagt. Es<br />
wurde ihnen der Prozess gemacht und viele kamen<br />
ins Gefängnis. Um diese Menschen hat<br />
sich Rechtsanwalt Dr. Schmitt gekümmert und<br />
versucht, deren Situation zu verbessern. Dr.<br />
Schmitt hatte auch gute Verbindungen zum<br />
Roten Kreuz. Eines Tages wurde beim Roten<br />
Kreuz eine Person gesucht, die den Krankenwagen<br />
fahren konnte. Mich brauchten sie da<br />
nur einmal zu fragen. Ich war begeistert, den<br />
Führerschein machen zu dürfen. Am 5. August<br />
1943 bestand ich die Fahrprüfung in Straßburg<br />
und erhielt einen Betriebsberechtigungsschein,<br />
105
Holzvergaser zu fahren. Säckeweise hatten wir<br />
geschnittenes Holz dabei. Stets mussten wir<br />
unterwegs aussteigen und Holz nachladen.<br />
Das Stochen und das Nachlegen waren die<br />
reinste Drecksarbeit. Krankenauto zu fahren<br />
war in dieser Zeit gar nicht so einfach, denn wir<br />
hatten kaum Licht, da die Lampen verdunkelt<br />
sein mussten. Meine Fahrten musste ich oftmals<br />
nachts unternehmen, wenn ich kranke<br />
Menschen, die Hitler in seinem Reich nicht duldete,<br />
nach Andernach in die Krankenanstalt<br />
fuhr. Manche habe ich kennen gelernt, die<br />
weggefahren wurden und nie mehr nach Hause<br />
kamen. Dies hat mich sehr bedrückt. Auf meinen<br />
Fahrten nach Andernach kam ich vorbei an<br />
Bruttig. In Bruttig gab es einen Stollen, in dem<br />
Menschen von den Nazis gefangen gehalten<br />
und gefoltert wurden. Oft habe ich sie schreien<br />
hören. Dies war für mich eine sehr große Belastung.<br />
Regelmäßig fuhr ich eine Tankstelle in<br />
der Nähe des Stollens an. Der Tankwart sagte<br />
oft zu mir: »Hören Sie, sie schreien schon wieder<br />
in dem Tunnel! Was ist das so schrecklich.<br />
Ich halte es bald nicht mehr aus.« Dann sagte<br />
106<br />
er weiter: »Aber, sagen Sie nur nichts weiter,<br />
erzählen Sie es nirgendwo!« Ich sagte ihm dann<br />
immer: »Sie brauchen keine Angst zu haben,<br />
ich spreche nicht darüber.« Ich denke, diese<br />
Leute sind verschleppt und getötet worden.<br />
Nur meinen Eltern konnte ich mich anvertrauen;<br />
ein Wort zu jemand anderem war hoch gefährlich.<br />
Auch hier in der Gegend gab es natürlich Bombenangriffe.<br />
Eines Nachts bin ich mit meinem<br />
Krankenwagen den Pichterberg in <strong>Wittlich</strong><br />
hoch gefahren und sollte jemanden holen und<br />
ihn ins Krankenhaus bringen. Kurz vor meinem<br />
Ziel fielen Bomben. Ich bin sofort aus dem Wagen<br />
gesprungen und habe mich nebenan flach<br />
ins Feld gelegt. Das hatte man uns so gesagt.<br />
Gleich darauf hörte ich erneut einen furchtbaren<br />
Knall. Ein Flugzeug war abgestürzt in der<br />
Nähe von Speicher, wie ich später erfuhr. Als<br />
ich mit dem Krankenwagen zurückkam,<br />
schickte man mich sofort nach Speicher zu<br />
dem Flugzeugabsturz. Zwei Männer hatten mit<br />
schwersten Verbrennungen überlebt. Sie wurden<br />
geborgen und bei Leuten in Speicher untergebracht.<br />
Als ich dort ankam, um die Männer<br />
zu holen, sagte die Frau des Hauses zu mir:<br />
»Wollen Sie zuerst eine Tasse Kaffee oder etwas<br />
essen?« Ich lehnte ab, und wir gingen die<br />
Treppe hinunter zu den schwer verletzten Männern,<br />
die sie wegen ihrer Brandverletzungen bis<br />
über‘s Gesicht hin eingewickelt hatten. Die<br />
Männer hatten große Schmerzen und brüllten<br />
entsetzlich. Wir haben sie dann sofort in den<br />
Krankenwagen gebracht, und ich fuhr sie ins<br />
Krankenhaus. Ich habe sie dann später im<br />
Krankenhaus besucht. Sie haben Gott sei Dank<br />
überlebt. Nur, was ich bis heute nicht verstanden<br />
habe, ist, dass mir die Leute in Speicher zuerst<br />
noch zu essen und zu trinken anboten, bei<br />
dem Schweregrad der Verletzungen der beiden<br />
Männer. Aber, es war halt Krieg und nichts war<br />
normal. Schwierig war es damals, immer genügend<br />
Sprit für den Krankenwagen zu besorgen.<br />
Bei der Tankstelle Kranz in <strong>Wittlich</strong> gab es Gasflaschen,<br />
und so wurde unser Auto für Gasantrieb<br />
umgerüstet. Das Schöne und Gute an der<br />
Sache war, dass ich nun wirklich ein Stück fahren<br />
konnte, ohne denken zu müssen, wo kriegst<br />
du jetzt den nächsten Sprit her.<br />
Stellen Sie sich einmal den Piesporter Berg ungeteert<br />
vor, voller Rillen und Wasserläufe. Fahren<br />
Sie dort einmal mit einem Krankenwagen
als Frau allein hinunter und dann setzen Sie mit<br />
der Fähre über. Das war keine Kleinigkeit. Wie<br />
oft habe ich solche gefährlichen Fahrten unternehmen<br />
müssen. Durch die ständige Nervenanspannung<br />
zog ich mir eines Tages eine<br />
Gesichtslähmung zu. Das hat Woche um Woche<br />
gedauert. Ich musste jeden Tag nach Trier<br />
zur Behandlung, bis es besser wurde.<br />
Meine Eltern haben manche Nacht wach gelegen<br />
und darauf gewartet, dass ich heim kam.<br />
So war es in dieser Zeit. Nach dem Krieg fand<br />
ich eine Anstellung im Landratsamt, Schulabteilung.<br />
Dort ging es mir gut. Ich habe immer<br />
sehr gerne dort gearbeitet.<br />
C. W.:<br />
Wollten Sie noch einmal jung sein?<br />
MARIA BORN:<br />
Nicht mehr in einer solchen Zeit, wie ich sie habe<br />
erleben müssen.<br />
C. W.:<br />
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?<br />
MARIA BORN:<br />
Frieden.<br />
Doris Sußenburger, am 26.09.1950 in Bremen-<br />
Ense geboren. 1979 Staatsprüfung für das<br />
Lehramt an Realschulen mit den Fächern Mathematik<br />
und Physik. Frau Sußenburger ist verwitwet<br />
und hat zwei Kinder im Alter von 17 und<br />
15 Jahren. Sie arbeitet als Realschullehrerin an<br />
der Realschule in Neuerburg. Mit ihren Kindern<br />
lebt sie in ihrem Haus in Osann-Monzel.<br />
C.W.:<br />
Wie war Ihr bisheriger Lebensweg?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Nach meinem Abitur in Soest/Westfalen studierte<br />
ich in Mainz Physik, zuerst mit dem Ziel,<br />
die Diplomvorprüfung abzulegen. Etwa zur Zeit<br />
meiner Diplomprüfung lernte ich an der Universität<br />
meinen späteren Ehemann kennen und<br />
änderte mein Studienziel, da ich befürchtete,<br />
dass sich der Beruf der Diplomphysikerin nicht<br />
mit Hausfrauen- und Mutterpflichten verbinden<br />
lassen würde.<br />
Knapp zwei Jahre nach der Zweiten Staatsprüfung<br />
für den Schuldienst wurde unsere Tochter<br />
geboren und wieder knapp zwei Jahre später<br />
unser Sohn. Ich gab damals meinen Beruf auf,<br />
weil ich bis zur Einschulung der Kinder zu Hause<br />
sein wollte. Doch aus den geplanten sechs<br />
bis sieben Jahren Familien- und Erziehungszeit<br />
wurde eine Pause von 14 Jahren, da mein<br />
Mann im Jahre 1986 durch einen Autounfall<br />
ums Leben kam. Nach seinem Tod war es für<br />
mich selbstverständlich, dass ich Berufspläne<br />
erst einmal aufgab, denn Kinder, die ohne Vater<br />
aufwachsen müssen, sollen wenigstens eine<br />
Mutter haben, die Zeit für sie hat.<br />
C. W.:<br />
Frau Sußenburger, Sie sind Realschullehrerin.<br />
Fühlten Sie sich als Frau während Ihrer Ausbildung<br />
von Ihren Mentoren gegenüber Ihren<br />
männlichen Kollegen benachteiligt?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Ich habe mit meinem Ehemann gleichzeitig an<br />
derselben Schule die Referendarausbildung<br />
absolviert. Wir haben obendrein die gleichen<br />
Fächer studiert und uns natürlich aneinander<br />
gemessen. Ich hatte immer das Gefühl, besser<br />
sein zu müssen als mein Ehemann, um die gleiche<br />
Anerkennung zu bekommen wie er. Heute,<br />
mit 20 Jahren Abstand, weiß ich, dass das<br />
nicht stimmte, aber damals habe ich unter diesem<br />
dummen selbst produzierten Stress sehr<br />
gelitten.<br />
C. W.:<br />
Hätte ein Mann in einer vergleichbaren Situation<br />
sich ebenso gefühlt? Was meinen Sie?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Das weiß ich nicht! Mein Mann war zwar in der<br />
gleichen Situation wie ich, aber wir haben nie<br />
darüber gesprochen. Ich habe ihm ja auch nie<br />
etwas vorgejammert.<br />
107
C. W.:<br />
Was können Sie jungen Frauen auf ihrem Weg<br />
empfehlen?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Wichtig ist, dass wir Frauen mehr natürliches<br />
Selbstbewusstsein aufbauen. Frauen sollten<br />
nicht glauben, sie hätten eine durch das Geschlecht<br />
vorbestimmte Rolle. Sie sollen sich<br />
über ihre eigenen Ziele klar werden und diese<br />
dann selbstbewusst verwirklichen.<br />
C. W.:<br />
Wo haben Sie Unterstützung erfahren?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Viel Unterstützung habe ich nach dem Tod<br />
meines Mannes durch andere Dorfbewohner<br />
erfahren. Dies hat mir sehr geholfen. Sie müssen<br />
wissen, als mein Mann durch einen Verkehrsunfall<br />
ums Leben kam, stand unser Haus<br />
im Rohbau. Die Leute hier im Dorf fanden es<br />
toll, dass ich mich daran machte, das Haus in<br />
Eigenregie fertig zu bauen. »Wir sind stolz,<br />
dass du es geschafft hast«, war eine Anerkennung,<br />
die offen ausgesprochen wurde. Beim<br />
Wiedereinstieg in den Beruf habe ich viel Unterstützung<br />
und Bestätigung durch die Kolleginnen<br />
und Kollegen an der Realschule in Daun<br />
sowie durch den Realschuldirektor Herrn Kriegel<br />
erfahren. Insbesondere wurde anerkannt,<br />
dass ich nach 14 Jahren Familienpause gleich<br />
26 Wochenstunden Unterricht erteilte.<br />
C. W.:<br />
Würden Sie die Dinge aus heutiger Sicht anders<br />
angehen?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Nein!<br />
C. W.:<br />
Was haben Sie gelernt aus Ihren Schwierigkeiten?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Ich habe gelernt, dass ich wer bin und dass ich<br />
was kann.<br />
C. W.:<br />
Wie müsste sich Gesellschaft wandeln, damit<br />
Frauen gleiche Chancen erhalten?<br />
DORIS SUSSENBURGER:<br />
Es ist eine Wandlung der Frau notwendig, und<br />
nach meiner Auffassung ist diese auch in vollem<br />
Gange. Frauen müssen mehr Selbstbewusstsein<br />
aufbauen. Es ist selbstverständlich,<br />
dass Frauen Führungspositionen übernehmen.<br />
Aber, es muss auch für Frauen selbstverständlich<br />
sein, dass das so ist.<br />
108<br />
Edeltraud Engel, am 10.03.1971 in Schöneberg-Kübelberg<br />
bei Kusel geboren, legte 1997<br />
die Meisterprüfung im Friseurhandwerk vor der<br />
Handwerkskammer in Trier ab. Eröffnung eines<br />
eigenen Betriebes 1997 in Neumagen-Dhron.<br />
Frau Engel lebt mit ihrem Partner in Piesport.<br />
C. W.:<br />
Frau Engel, Sie haben sich kurz nach Ablegung<br />
der Meisterprüfung selbstständig gemacht.<br />
War das immer schon Ihr Plan?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Eigentlich stand bereits in der Schule mein Berufswunsch<br />
fest. Auf jeden Fall wollte ich etwas<br />
Kreatives tun. Im Salon Wehner in <strong>Wittlich</strong> fand<br />
ich einen Ausbildungsplatz. Nachdem ich die<br />
Meisterprüfung erfolgreich abgelegt hatte, bot<br />
sich mir kurze Zeit danach die Chance, ein Geschäft<br />
in Neumagen-Dhron zu übernehmen.<br />
Diese Chance habe ich dann ganz spontan<br />
wahrgenommen.<br />
C. W.:<br />
Wo haben Sie Unterstützung erfahren?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Geholfen haben mir mein Partner und meine<br />
ehemalige Chefin, Frau Wehner. Aus ihren<br />
Erfahrungen lerne ich heute noch. Auch habe<br />
ich öffentliche Mittel für ExistenzgründerInnen<br />
erhalten. Ohne diese finanzielle Unterstützung<br />
wäre ein erfolgreicher Start nicht möglich gewesen.
C. W.:<br />
Bedarf es einer besonderen Risikobereitschaft,<br />
um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Jede Existenzgründung ist mit Risiken verbunden.<br />
Dieser Tatsache war ich mir voll und ganz<br />
bewusst. Ich hatte jedoch den Vorteil, einen<br />
Betrieb übernehmen zu können, bei dem ein<br />
gewisser Kundenstamm und vor allen Dingen<br />
ein eingearbeitetes Team bereits vorhanden<br />
waren. Diese Dinge haben meine Situation erleichtert.<br />
Ein vollständiger Neuanfang hätte von<br />
mir sicherlich mehr Mut erfordert.<br />
C. W.:<br />
Was ist die Basis für einen realistischen und<br />
anhaltenden Erfolg?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Durchhaltevermögen ist gerade zu Beginn<br />
ganz besonders wichtig. Freundlichkeit gegenüber<br />
der Kundschaft und Liebe zum Beruf<br />
sind Voraussetzung, trägt man sich mit dem<br />
Gedanken, einen eigenen Betrieb zu eröffnen.<br />
Den Blick für das Machbare nicht zu verlieren,<br />
habe ich mir zum Ziel gesetzt. Am Ball bleiben<br />
in Bezug auf neue Entwicklungen halte ich für<br />
sehr wichtig. Damit ich nicht Gefahr laufe, den<br />
Anschluss zu verpassen, bilde ich mich regelmäßig<br />
weiter. Veranstaltungen wie die Modeproklamation<br />
’99 in <strong>Wittlich</strong> sind Anlässe für<br />
mich und mein Team, unser Können auch einer<br />
Öffentlichkeit vorzustellen.<br />
Grenzen meines Ichs<br />
Oft stoße ich mich an den<br />
Grenzen meines Ichs wund,<br />
dann möchte ich über sie<br />
hinausgeschwemmt werden,<br />
und nicht mehr<br />
zu mir zurückfinden.<br />
C. W.:<br />
Wo lagen die Schwierigkeiten?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Ich habe Zeit gebraucht, mich mit meinen neuen<br />
Kunden in Neumagen-Dhron und Umgebung<br />
vertraut zu machen und Selbstsicherheit<br />
in diesem für mich bis dahin unbekannten Umfeld<br />
aufzubauen.<br />
C. W.:<br />
Immer mehr junge Frauen entschließen sich, eine<br />
eigene Existenz zu gründen und sich selbstständig<br />
zu machen. Was können Sie diesen<br />
Frauen raten?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Sie sollten auf jeden Fall selbstbewusst zu ihrer<br />
Idee stehen, sich nicht entmutigen lassen und<br />
sich trauen, ins kalte Wasser zu springen.<br />
C. W.:<br />
Haben Sie sich verändert, seit Sie Ihr Geschäft<br />
eröffnet haben?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Ja. Ich bin stärker und reifer geworden, auch<br />
stolz auf das, was ich mir aufgebaut habe.<br />
C. W.:<br />
Würden Sie den gewählten Weg noch einmal<br />
einschlagen?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Auf jeden Fall.<br />
C. W.:<br />
Welches sind Ihre weiteren Pläne?<br />
EDELTRAUD ENGEL:<br />
Ich bin für jede neue Herausforderung offen.<br />
Maria Kern-Steenvoort<br />
109
Nur noch in der Erinnerung bleibt mir das verlorene<br />
Paradies meiner frühen Kindheit, die ich in<br />
der Geborgenheit des Elternhauses mit zwei älteren<br />
Schwestern in dem kleinen Winzerdorf<br />
Kesten verbrachte. Von der derzeitigen Jahrhundertwende<br />
blicke ich zurück in die 20er<br />
Jahre, als die Bevölkerung noch sehr unter den<br />
schlimmen Folgen des verlorenen Ersten Weltkrieges<br />
zu leiden hatte. Die harten Reparationsbedingungen<br />
des Versailler Vertrages führten<br />
in Deutschland zu großer wirtschaftlicher<br />
Not und zur radikalen Geldentwertung. Der<br />
Winzerstand war auch hart getroffen, weil<br />
110<br />
Erinnerungen an eine frühe Kindheit<br />
in einem Moseldorf<br />
Die Autorin (Bildmitte) mit ihren Schwestern<br />
Therese Schäfer<br />
durch die geschwundene Kaufkraft kaum<br />
Weinhandel zustande kam und oft Weine von<br />
zwei Jahrgängen in den Kellern lagerten. So<br />
geschah es nicht selten, dass die Winzer in ihrer<br />
Notlage ihre Weine zu Schleuderpreisen<br />
verkaufen mussten. Das Geld war damals allgemein<br />
sehr knapp.<br />
In dieser Zeit begann mein Leben in der kleinen,<br />
bescheidenen dörflichen Welt. Sie war<br />
bäuerlich geprägt, und neben den Weinbergen<br />
hatten wir, wie die anderen Winzerfamilien, Felder,<br />
Wiesen und einen Garten, die uns miternährten.<br />
Im Stall standen Kühe als Zug- und<br />
Nutztiere. Zwei, drei Schweine wurden gemästet<br />
und im Herbst und Winter geschlachtet,<br />
sodass kein Mangel an Fleisch, Wurst und Fett<br />
bestand. Für sonntags wurde gelegentlich bei<br />
der Metzgerei Bastgen frisches Rindfleisch gekauft.<br />
Mutter widmete sich mit besonderer Liebe<br />
der Hühnerzucht, und so mangelte es der<br />
Familie nie an Eiern. Die Eltern mussten für den<br />
Lebensunterhalt hart und viel arbeiten, aber wir<br />
hatten dadurch immer genug zu essen und<br />
wuchsen trotz großem Geldmangel gesund<br />
und fröhlich auf. Es war so, wie meine Schulfreundin<br />
im letzten Weihnachtsbrief schrieb:<br />
»Ich habe unsere Armut gar nicht so bemerkt;<br />
ich hatte ein gutes Elternhaus, es war doch<br />
schön!«<br />
Die Feste des Kirchenjahres brachten in den<br />
harten Alltag der Dorfbewohner Abwechslung<br />
und Freude. Besonders an die Vorweihnachtszeit<br />
und das Christfest habe ich schöne und<br />
glückliche Erinnerungen. Unvergesslich bleibt<br />
mir jener Christtagmorgen, als Vater mich aus<br />
dem Schlaf auf seine Arme hob und die Treppe<br />
hinunter in die gute Stube trug. Dort waren<br />
Mutter und die Schwestern schon um die Krippe<br />
und den nach Harz und Kerzen duftenden<br />
Weihnachtsbaum versammelt, der mir so geheimnis-<br />
und verheißungsvoll entgegenstrahlte.<br />
Da lag das Kindlein in der Krippe, umgeben<br />
von Maria und Josef und den vielen Hirten und
Schafen. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl<br />
erfüllte mein Kinderherz beim Gesang der alten<br />
Weisen, die Vater leise mitbrummte. Ich ahnte<br />
selig die Bedeutung der Geburt Christi für die<br />
Gläubigen, das große Geheimnis seiner<br />
Menschwerdung.<br />
Weihnachten begann damals für die Dorfbewohner<br />
am Christtagmorgen mit dem Besuch<br />
der Mette. Dann erst fand zu Hause die Bescherung<br />
in der Familie unterm Weihnachtsbaum<br />
statt. Die Sitte, den Heiligabend zu feiern,<br />
verbreitete sich später auch langsam auf<br />
dem Lande.<br />
Unter den Heiligen, die in der Erziehung eine<br />
Vorbildfunktion hatten, war Sankt Nikolaus der<br />
Beliebteste, aber auch bei den Erwachsenen<br />
genoss er große Verehrung, die teilweise heute<br />
noch erhalten geblieben ist. So erwählten die<br />
Eltern ihn gern zum Schutzpatron für ihre<br />
männlichen Sprösslinge. Die auf seinen Namen<br />
Getauften hießen dann im Dorf Kläs, Nikla,<br />
Klässi, Kloes oder Klaus. Nicht weit von meinem<br />
Elternhaus hatten die Vorfahren ihm zu<br />
Ehren ein Heiligenhäuschen erbaut, wie man<br />
sie vielerorts an der Mosel findet, weil er auch<br />
seit Menschengedenken als Schutzpatron der<br />
Flussschiffer und Reisenden gilt. Von seinem<br />
Sockel schaute er im vollen Bischofsornat auf<br />
den nahen Fährbetrieb, wo Menschen, Tiere<br />
und Fahrzeuge tagaus und tagein übergesetzt<br />
wurden. Zu seinen Füßen stand ein Bottich mit<br />
drei nackten Knaben, die der Legende nach<br />
von ihm auf wunderbare Weise wieder zum Leben<br />
erweckt wurden. (Die gleiche Darstellung<br />
befindet sich auch noch über dem Portal des<br />
St.-Nikolaus-Hospitals in <strong>Bernkastel</strong>-Kues; nur<br />
wurde inzwischen einer der Knaben gestohlen.)<br />
Seit Generationen stand St. Nikolaus dort und<br />
wachte über die Fähre, umrahmt von Weinbergen,<br />
und jeder hatte freien Zugang zu dem Heiligenhäuschen.<br />
Wir Kinder spielten oft darin unter<br />
seiner Obhut, und an seinem Patronsfest<br />
wurde ihm zu Ehren manche Kerze dort entzündet.<br />
Das mildtätige Wirken des Bischofs von Myra<br />
ist uns in mancher Legende überliefert und<br />
führte zu der schönen Sitte, die Kinder am Nikolausabend<br />
zu bescheren.<br />
Die Mosel fließt an meinem Elternhaus vorbei,<br />
das etwas erhöht auf dem »Hiebelchen« steht.<br />
Sie wurde mir zum vertrauten Anblick, aber ich<br />
lernte auch schon früh in der schlechten Jah-<br />
reszeit ihre Tücken kennen. Hochwasser suchte<br />
uns bei starken Regenfällen regelmäßig<br />
heim. Die Keller mussten geräumt und die Kartoffeln<br />
eilig aufgerafft werden, aber der Wein<br />
blieb in den Fässern, wo er war. Vater hatte für<br />
diesen Notfall immer Sandsäckchen bereit, die<br />
auf das Spundloch gelegt wurden. Dann wurde<br />
der Zapfen draufgeschlagen, damit die Öffnung<br />
wasserdicht verschlossen war. Danach<br />
wurden die Weinfässer von der Decke »gesteipt«,<br />
mit besonderen hölzernen Stangen<br />
festgesetzt, damit sie nicht im Wasser gegeneinander<br />
stießen und das kostbare Nass ausfloss.<br />
Vater war immer in großer Sorge, wenn<br />
die Mosel im Keller stand. Sobald sie abfloss,<br />
schaute er nach, ob die Fässer heil geblieben<br />
waren. War dem so, kam er sehr erleichtert aus<br />
dem Keller. Bei kalten Wintern konnte ich vom<br />
Fenster aus beobachten, wie sich Treibeis bildete.<br />
Zunächst bahnte sich der Fährmann, unser<br />
Nachbar, mit seinem Gehilfen noch einen<br />
Weg durch die Schollen, indem sie mit einer<br />
langen Stange, die eine eiserne Spitze hatte,<br />
das Eis vom Kahn oder der Ponte wegstießen.<br />
Wenn das Treibeis immer dichter wurde, musste<br />
der Fährbetrieb eingestellt werden. Ein knirschendes<br />
Reiben und Schieben war bis in die<br />
Häuser zu hören. Immer langsamer bewegten<br />
sich die Schollen. Auf einmal war Stillstand. Die<br />
Mosel war zugefroren. Es war ein ungewohnter<br />
Anblick. Die fließende Bewegung hatte sich in<br />
eisige Starre verwandelt.<br />
Im Februar 1929 wurde Europa von solch einer<br />
sibirischen Kälte heimgesucht, dass alle<br />
großen Flüsse zufroren, so auch die Mosel. Ich<br />
war am Keuchhusten erkrankt und erholte mich<br />
nur langsam. Daher durfte ich nicht wie die anderen<br />
Kinder draußen herumspringen.<br />
Sehnsüchtig beobachtete ich, wie sich Jung<br />
und Alt auf dem Eis tummelten. Ich wollte zu<br />
gerne auch einmal über die zugefrorene Mosel<br />
gehen. Schließlich erfüllten meine Eltern mir<br />
den Wunsch; ich wurde warm eingepackt, und<br />
an ihren Händen schritt ich um die Mittagszeit<br />
in der kalten Wintersonne zum jenseitigen<br />
Flussufer und zurück, ein unvergessliches Erlebnis!<br />
Zeitungsberichte vermitteln einen Eindruck<br />
von der damals herrschenden grimmigen<br />
Kälte:<br />
»Berlin, 10. Februar. In Berlin wurden in den<br />
späten Abendstunden 23 Grad Kälte gemessen.<br />
In den Außenbezirken fiel das Thermome-<br />
111
ter bis auf 32 Grad. Der Frost ist so stark, daß<br />
dicke Äste von den Bäumen wie Glas abbrechen.«<br />
»Breslau, 11. Februar (Drahtloser Pressedienst)<br />
In den frühen Morgenstunden wurde eine<br />
mächtige Detonation am Wilhelmufer wahrgenommen.<br />
Infolge der großen Kälte von -30<br />
Grad ist die Wilhelmbrücke in ihrer vollen Breite<br />
gesprungen...«<br />
»<strong>Bernkastel</strong>-Cues, 13. Februar 1929.<br />
DER STRENGE WINTER: Die ungewöhnliche<br />
Kälte hielt auch gestern an. Das Thermometer<br />
zeigte auf dem Marktplatz -19 Grad Celsius, in<br />
der Mandatstraße -16,5. Die Vereisung der Mosel<br />
ist vollständig. Es sind nur noch einige Wasserlöcher<br />
zu sehen. Kinder versuchten gestern<br />
schon auf dem Eis die Mosel zu überqueren. Es<br />
sei vor diesem Beginnen dringend gewarnt.«<br />
»Erden 21. Febr. Die zugefrorene Mosel, die in<br />
der vergangenen Woche nur von Fußgängern<br />
und Radfahrern überquert wurde, ist nunmehr<br />
von Ufer zu Ufer zur Verkehrsstraße geworden.<br />
So kann man seit Tagen beobachten, wie hier<br />
und auch bei dem benachbarten Lösnich beladene,<br />
mit Pferden bespannte Fuhrwerke über<br />
die Eisdecke fahren. Auch das Auto nutzt bereits<br />
die seltene Gelegenheit, ohne Fahrgeld zu<br />
zahlen, das andere Ufer zu erreichen.« 1<br />
Welch ein liebliches und friedliches Bild bot indessen<br />
die Mosel an warmen Sommerabenden,<br />
wenn die Leute nach getaner Arbeit<br />
draußen saßen und in nachbarlicher Eintracht<br />
miteinander plauderten. Träge und fast unmerklich<br />
floss sie dahin, und die spiegelglatte<br />
Oberfläche geriet zuweilen in Bewegung, wenn<br />
Fische aus dem Wasser sprangen und nach<br />
den Fliegenschwärmen schnappten und beim<br />
Wiedereintauchen Kreise bildeten, die sich<br />
ausdehnten und verliefen. Vertraut war auch<br />
das Klatschen der Ruder, wenn der Fährmann<br />
einen späten Gast übersetzte. Zuweilen geschah<br />
es, dass plötzlich die Frösche aus dem<br />
stehenden Wasser zwischen den Krippen<br />
(Buhnen) vielstimmig ihr Quaken ertönen<br />
ließen. Das Froschkonzert dauerte bis in die<br />
späte Nacht und begleitete uns Kinder in den<br />
Schlaf. Ihr Gequake verkündete gutes Wetter,<br />
so war die Meinung, und das brauchten die<br />
Winzer für die schwere Arbeit.<br />
Wie mühselig war doch zu jener Zeit das Spritzen<br />
der Weinberge, als die Technik noch kaum<br />
Einzug gehalten hatte, die später die Arbeit er-<br />
112<br />
leichtern sollte. Um die Ernte zu sichern, wurden<br />
in dem Spritzfass Gifte gemischt, die auch<br />
für die Winzer schädlich waren. Das hochgiftige<br />
Arsen, das zur Bekämpfung des Sauerwurms<br />
und anderer Blattsauger mit in die<br />
Spritzbrühe kam, wurde später verboten. Wenn<br />
Vater es benutzte, geschah es fast immer, dass<br />
ihm am Abend übel wurde und er die ganze<br />
Nacht erbrechen musste.<br />
Wenn am Morgen das Spritzfass gefüllt war,<br />
zogen die geduldigen Kühe den Wagen die kurvenreichen<br />
Weinbergswege hinauf, die damals<br />
ziemlich holprig waren. An Ort und Stelle wurden<br />
die Spritzgeräte gefüllt, auf den Rücken<br />
genommen, und dann ging der Winzer von<br />
Weinstock zu Weinstock, indem er mit der linken<br />
Hand den Hebel auf und ab zog, der die<br />
Flüssigkeit herausdrückte, und mit der rechten<br />
spritzte. Das ist heute im Zeitalter des Hubschraubers<br />
kaum noch vorstellbar.<br />
Einmal begleitete ich den Vater und meine älteste<br />
Schwester zu dieser Arbeit. Auf der Höhe<br />
schräg über unserem Hause war noch ein kleiner<br />
Weinberg zu spritzen. So begaben wir uns<br />
mit dem Fuhrwerk, ich an der Hand der Schwester,<br />
die schon einige Jahre aus der Schule<br />
war, auf den Weg. Obwohl nicht weit vom Elternhaus<br />
entfernt, war er umständlich und lang.<br />
Unterwegs machte uns bald die aufkommende<br />
hochsommerliche Hitze zu schaffen. Die Kühe<br />
kamen nur langsam den Berg hinauf. Ich<br />
sprang verdrießlich seitlich auf den Wagen,<br />
stürzte herab und das linke Hinterrad fuhr über<br />
meinen rechten Fuß. Da lag ich nun und jammerte<br />
vor Schmerzen. Vater und Schwester<br />
halfen mir besorgt auf die Beine, aber ich konnte<br />
mit dem verletzten Fuß nicht mehr auftreten.<br />
Adelheid musste mich huckepack die steilen<br />
Weinberge hinunter heimbringen. Der Fuß war<br />
angeschwollen, und ich brauchte dringend eine<br />
Behandlung. Der Knochenflicker vom Nachbarort<br />
Minheim musste helfen. Damals rief man<br />
nur in ganz schweren Fällen den Arzt. Wir waren<br />
noch in keiner Krankenkasse, wie die meisten<br />
Familien im Dorf, denn bei der damaligen<br />
Geldknappheit fiel es den Leuten schwer, die<br />
monatlichen Beiträge zu zahlen. Niklaus Hauth,<br />
der wegen seiner Heilkunst im Volksmund<br />
»Minheimer Knochenflicker« hieß, wurde gerufen.<br />
Er kam nach Feierabend mit dem Rad zu<br />
uns gefahren. Dieser bescheidene, freundliche<br />
Mann war ein Naturtalent. Er hatte während
Auf der zugefrorenen Mosel 1929<br />
des Ersten Weltkrieges als Sanitäter in Lazaretten<br />
gearbeitet und sich dabei gründliche<br />
Kenntnisse der menschlichen Anatomie erworben.<br />
Aus dem Krieg zurück, arbeitete er jahrzehntelang<br />
als Knecht bei dem Weinbauern Johann<br />
Schunk.<br />
Nebenbei half er den Leuten bei Verstauchungen<br />
und Knochenbrüchen. So wurde er langsam<br />
wegen seiner Heilkunst in der Umgegend<br />
bekannt, hatte aber nie eine eigene Familie und<br />
blieb zeitlebens ein armer Mann, weil er für seine<br />
Dienste kein Geld nehmen durfte, da ihm die<br />
Approbation fehlte. Dieser einfache Mann war<br />
von einer solchen Herzlichkeit, dass ich gleich<br />
Vertrauen zu ihm fasste. Ich wurde auf einen<br />
Stuhl gesetzt. Er betastete gründlich den verletzten<br />
Fuß. Dann mussten Vater und Mutter<br />
mich gemeinsam festhalten, während er daran<br />
zog und zog und drehte. Es tat schrecklich weh<br />
und ich schrie wie am Spieß. Schließlich hatte<br />
er den Fuß wieder eingerenkt und machte einen<br />
festen Verband darum. In den nächsten<br />
Tagen kam er noch einige Male, um nachzusehen,<br />
ob der Fuß, der mit essigsaurer Tonerde<br />
gekühlt werden musste, auch richtig heilte. Es<br />
dauerte nicht lange, so konnte ich mit Vaters<br />
Spazierstock draußen vor der Türe herumhumpeln<br />
und bald laufen und springen wie vorher.<br />
Noch ein anderes Mal bereitete ich meinem Vater<br />
durch mein schlechtes Betragen Verdruss,<br />
aber dieser Vorfall hatte einen heiteren Hintergrund.<br />
Als ich etwa fünf Jahre alt war, ging ich<br />
sonntags gern mit ihm ins Hochamt. Er besaß<br />
auf der Empore, dem Ducksaal, vorne an der<br />
Lehne seinen Platz, von wo man einen schönen<br />
Blick in das Innere der Kirche werfen konnte.<br />
Damals schmückten noch Darstellungen von<br />
Engeln und Heiligen die Wände, die der Pfarrer<br />
Christoph Huberty in der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts selbst »mit kunstfertiger Hand«<br />
gemalt hatte. 2 Auf der gebogenen Stirnwand<br />
zum Chor schwebten Engel hoheitsvoll auf<br />
Wölkchen und hielten aufgerollte Spruchbänder<br />
in den Händen. Über ihnen thronte das<br />
Lamm Gottes. Auf der Rückwand des Chores<br />
stand Christus in einer Mandorla mit einem<br />
geöffneten Buch in der linken Hand, die rechte<br />
mahnend erhoben, kniend verehrt von Sankt<br />
Georg und dem heiligen Josef. Von den Nothelfern,<br />
die von den Seitenwänden des Hochaltares<br />
niederschauten, ist mir die heilige Notburga<br />
noch in Erinnerung, in der linken Hand die<br />
113
mit Ähren gefüllte Schürze haltend, in der rechten<br />
die Sichel. Alle diese Gestalten waren mir<br />
bald ein vertrauter Anblick. Auch konnte ich<br />
meine beiden Schwestern von oben beobachten.<br />
Hedwig kniete bei den Schulmädchen auf<br />
der linken Seite, und einige Bänke dahinter war<br />
Adelheid unter den jungen Mädchen. Danach<br />
kam der Bereich der Frauen, die, unter Hüten<br />
versteckt, nicht zu erkennen waren. Ich beugte<br />
mich vor und erblickte direkt unter mir einen<br />
großen schwarzen Hut. Mich überkam spontan<br />
ein schlimmes Verlangen, schon fiel meine<br />
Spucke hinunter und landete mitten auf der<br />
Kopfbedeckung, ohne dass die Trägerin etwas<br />
davon merkte. Jedoch die Männer links und<br />
rechts hatten es gesehen und amüsierten sich<br />
darüber mit einem dunklen, unterdrückten Lachen,<br />
das mir heute noch in den Ohren klingt.<br />
Ich war über mich selbst entsetzt und schämte<br />
mich. Mein Vater, der über das ungebührliche<br />
Verhalten seiner Tochter sehr verlegen war,<br />
nahm mich seit diesem Vorfall nie mehr mit auf<br />
den Ducksaal.<br />
Der Schrecken meiner frühen Kindertage waren<br />
die Bären mit ihren Treibern, die in der<br />
schönen Jahreszeit durch die Lande zogen. Die<br />
zotteligen Tiere trugen alle einen Maulkorb und<br />
wurden von ihren zigeunerhaften Eigentümern<br />
an Ketten durch die Straßen geführt. Ab und zu<br />
hielten sie an. Wenn genug Neugierige sich um<br />
sie versammelt hatten, schlugen die Männer<br />
auf Tamburinen den Takt, wonach die dressierten<br />
Tiere aufrecht tanzen mussten. Einer der<br />
Treiber ging dann rund, um für ihre furchteinflößende<br />
Darbietung um ein Scherflein zu bitten.<br />
Wenn die Tanzbären kamen, flüchtete ich<br />
immer voller Angst ins Haus und wagte mich<br />
nur an der Hand des Vaters wieder hinaus, um<br />
dem Schauspiel zuzusehen.<br />
Ähnliche Angst empfand ich vor den Zigeunern,<br />
die im Sommer zuweilen mit ihren von<br />
kleinen Panjepferden gezogenen Wagen auftauchten<br />
und auf der anderen Moselseite sich<br />
um das alte Fährhäuschen lagerten. Sie waren<br />
geschickte Korbflechter und konnten sehr<br />
schön musizieren. Trotzdem genossen sie keinen<br />
guten Ruf, denn die Mär war verbreitet,<br />
dass sie heimlich Wäsche von der Leine stahlen<br />
und kleine Kinder entführten. Sie kamen<br />
von drüben herüber ins Dorf, um zu hausieren<br />
und auch zu betteln. Die jungen Zigeunerinnen<br />
boten einen romantischen Anblick in ihren lan-<br />
114<br />
gen, bunten Röcken und dem schwarzen,<br />
lockigen Haar, das ihnen über die Schultern<br />
hing. Sie waren immer von braungebrannten<br />
Kindern begleitet, wovon das Kleinste oft aus<br />
einem um die Schultern geschlungenen Tuch<br />
hervorschaute. Ein Hauch von Exotik umgab<br />
sie. Die jungen Frauen waren schön anzusehen,<br />
aber die alten sahen wie Hexen aus. Eines<br />
Morgens war ich mit der Mutter allein zu Hause.<br />
Sie backte Kuchen und hatte mir Teig für<br />
meine Förmchen gegeben. Ich saß vergnügt an<br />
meinem Tischlein und füllte sie damit, als plötzlich<br />
eine Zigeunerin in der Küche stand. Ich erinnere<br />
mich noch gut, da sie ein weites Kleid<br />
mit großem weißen Blumenmuster trug. Als sie<br />
mich bei meiner glücklichen Beschäftigung erblickte,<br />
sah sie mich mit stechenden Augen an,<br />
dass ich vor Angst erstarrte. Mit dem Zeigefinger<br />
auf mich deutend sprach sie sibyllinisch:<br />
»Das Kind wird dir bereiten großen Kummer,<br />
wenn groß sein.« Als Mutter ungläubig lachte<br />
und abwehrte, wurden ihre Prophezeiungen<br />
über mich immer düsterer, dass ich in große<br />
Not geriet und in meinem kindlichen Sinn bangte,<br />
die Mutter könne ihr doch glauben und mich<br />
nicht mehr lieb haben. Ich litt entsetzlich. Um<br />
ihre Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, zeigte<br />
sie auf ihr großblumiges Kleid und behauptete,<br />
dass sie dies von einer Frau geschenkt bekommen<br />
habe, weil ihre Wahrsagung in Erfüllung<br />
gegangen sei. Mutter blieb zu meiner Erleichterung<br />
unbeeindruckt und schickte sie energisch<br />
fort. Ich aber begann bitterlich zu weinen. Mutter<br />
nahm mich liebevoll in ihre Arme, tröstete<br />
mich und meinte, dass sie der dummen Zigeunerin<br />
doch nicht glauben würde, ich sei doch<br />
ihr gutes, braves Kind. Allmählich beruhigte ich<br />
mich wieder.<br />
Im Herbst 1931 wartete ein besonderes Erlebnis<br />
auf mich, denn ich sollte zum ersten Mal mit<br />
meinen Verwandten nach Trier fahren, die dort<br />
wohnten. Tante Bäbbi und Onkel Reinhard waren<br />
bei uns auf Besuch und boten meinen Eltern<br />
an, mich für die Zeit der Traubenlese mitzunehmen,<br />
dann sei ich bei der Arbeit aus den<br />
Füßen. Ich war gleich damit einverstanden,<br />
denn von meinen älteren Schwestern hatte ich<br />
schon viel von Trier erzählt bekommen und<br />
wollte gar zu gerne mal mit der Straßenbahn<br />
fahren. Dem Klausens Ännichen, mit dem ich<br />
oft spielte, erzählte ich stolz, dass ich verreisen<br />
würde. Ich fügte wichtigtuerisch hinzu: »Eich
engen dir och appes Scheenes met.« So verließ<br />
ich dann mit Onkel und Tante zum ersten<br />
Mal mein Elternhaus. Beim Abschied mischte<br />
sich in die Vorfreude ein unerklärlich wehes<br />
Gefühl. Wir fuhren mit der Moselbahn. Es dauerte<br />
für mich eine Ewigkeit, bis wir endlich in<br />
Trier ankamen. Auf einem großen Platz warteten<br />
wir auf die Straßenbahn, die mit Geklingel<br />
ankam. Ich war ganz aufgeregt als wir einstiegen<br />
und staunte über die breiten Straßen und<br />
die mächtig großen Häuser, an denen wir vorbeifuhren.<br />
Weiter ging die Fahrt über die alte<br />
Römerbrücke auf die andere Moselseite, wo<br />
meine Verwandten wohnten. In ihrer Wohnung<br />
angekommen, wurde ich von Cousine Änni und<br />
Vetter Helmut herzlich begrüßt, denn wir kannten<br />
uns gut, weil sie immer die Sommerferien<br />
bei uns verlebten. Änni hatte sogar für mich ihre<br />
Puppenstube aufgebaut. Es folgten unvergesslich<br />
schöne Tage. Der erste Gang in die<br />
Stadt an der Hand der Tante war für mich überwältigend.<br />
Die Leute in den Straßen waren alle<br />
so fein gekleidet und hatten keine Pinnenschuhe<br />
an, wie die Erwachsenen und auch wir Kinder<br />
sie werktags im Dorf trugen. Ich war richtig<br />
froh, dass Mutter mir nur die Sonntagsschuhe<br />
mitgegeben hatte. Die Frauen und Mädchen<br />
waren schick gekleidet und trugen keine<br />
Schürzen, wie es bei uns wochentags üblich<br />
war. Und die Straßen waren so sauber! Wie sah<br />
bei uns die »Gaaß« werktags aus! Sie war beschmutzt<br />
mit Kuhfladen und Pferdeäpfeln, die<br />
von den vielen Gespannen stammten, die sie<br />
benutzten. Aber samstags oder vor Feiertagen<br />
wurde sie gründlich gekehrt und gesäubert.<br />
Und wenn dann ein Nachzügler von der Arbeit<br />
kommend erneut die Straße beschmutzte, gab<br />
es großes Geschrei und Geschimpfe von den<br />
Anrainern, während sie mit Besen und Schippe<br />
die unerwünschten Spuren wieder beseitigten.<br />
Tante Bäbbi war eine gute Geschichtenerzählerin.<br />
Ich war von ihren anschaulichen Darstellungen<br />
ganz gefesselt. Natürlich gingen wir<br />
auch zum Dom, wo sie mich auf den berühmten<br />
Domstein setzte. Dann erzählte sie mir die<br />
Sage, wie der Teufel ihn vor Wut vor den Eingang<br />
geschleudert habe, weil er um eine arme<br />
Seele geprellt worden war. Sie zeigte mir auch<br />
noch die Porta Nigra, dieses einmalige Wahrzeichen<br />
Triers aus römischer Zeit. Die Römer<br />
hätten sie gebaut. Ich dachte, dass sie Riesen<br />
gewesen sein mussten, weil sie solche großen<br />
Quadersteine aufeinandersetzen konnten. Sie<br />
weckte als erste in mir das Interesse an diesem<br />
alten Kulturvolk, das in der geschichtlichen<br />
Entwicklung unseres Heimatraumes von so<br />
großer Bedeutung war.<br />
Nach der Traubenlese kam meine große<br />
Schwester mich wieder abholen und richtete<br />
mir einen schönen Gruß vom Ännichen aus, ob<br />
ich auch noch daran denken würde, ihr etwas<br />
Schönes mitzubringen. Ich aber hatte mein<br />
Versprechen vergessen. Tante Bäbbi hatte das<br />
mitangehört und gab mir eine Ermahnung für<br />
mein ganzes Leben mit, als sie sagte. »Was<br />
man versprochen hat, muss man auch halten.«<br />
Sie besorgte mir fürs Ännichen ein Säckchen<br />
mit Klickern und einer bunten Glaskugel, das<br />
ich ihr bei meiner Rückkehr von meinem Ausflug<br />
in die große Welt stolz überreichte.<br />
Wir schrieben das Jahr 1932, als ich nach den<br />
Osterferien eingeschult wurde und die frühen<br />
Kinderjahre ein Ende fanden. Vorher war Tante<br />
Bäbbi von Trier gekommen, um mir eine Anzahl<br />
Schulschürzen zu nähen. Sie brachte mir auch<br />
die Fibel mit, die Onkel Reinhard, der Buchbinder<br />
war, mit einem neuen dunkelroten Einband<br />
versehen hatte. Das war nötig geworden, weil<br />
meine beiden Schwestern auch schon mit ihr<br />
lesen gelernt hatten. Die Schürzen waren mein<br />
ganzer Stolz. Sie hatten an den Schultern Volants<br />
und wurden mit einer dicken Schleife hinten<br />
zugebunden. Zu meinem Leidwesen musste<br />
ich sie später immer gleich nach der Schule<br />
ausziehen, was ich nur widerstrebend tat und<br />
bekam dann von Mutter einen ihrer vielen<br />
Sprüche zu hören: »Wer emma well gebotzt<br />
sein, es käs gebotzt.« Endlich war der erste<br />
Schultag gekommen, der für mich ein ganz<br />
großes Ereignis darstellte. Voll freudiger Erwartung<br />
marschierte ich an der Hand meiner<br />
Schwester Hedwig in die Schule, den Ranzen<br />
auf dem Rücken, aus dem seitlich an Kordeln<br />
Schwämmchen und Läppchen der Tafel lustig<br />
hin und her baumelten. Als wir am Geschäft<br />
von Schneidisch Lies vorbeikamen, stand das<br />
Ännichen oben auf der Treppe, denn sie wohnte<br />
damals mit ihren Eltern bei der ledigen Tante.<br />
Freudig rief ich ihr zu: »Eich gehn en de School,<br />
geh met!« Sie war jünger als ich und musste<br />
noch ein Jahr warten. Aber das hielt sie nicht<br />
davon ab, flugs die Treppe hinunter zu laufen,<br />
mich bei der Hand zu fassen und mitzugehen.<br />
Ich nahm sie mit in die Klasse. Die Lehrerin,<br />
115
Fräulein Blau, wusste natürlich, dass sie nicht<br />
zu den ABC-Schützen gehörte und empfing<br />
uns beide mit viel pädagogischem Geschick.<br />
Als sie die kleine Änni fragte, ob sie auch ein<br />
Lied singen könne, legte diese gleich los und<br />
sang alle drei Strophen von dem frommen Lied:<br />
»Einen gold‘nen Wanderstab ich in meinen<br />
Händen hab‘«. Der Text handelte von Glaube,<br />
Hoffnung und Liebe und war damals sehr bekannt.<br />
Fräulein Blau lobte sie für ihre schöne<br />
Darbietung, gab ihr ein paar süße Ostereierchen<br />
und verabschiedete sie mit den Worten:<br />
»Jetzt gehst du schön nach Hause, und nächstes<br />
Jahr darfst du wiederkommen.«<br />
Für mich öffnete sich in den folgenden Tagen<br />
und Wochen eine neue Welt, die im Anfang einen<br />
großen Zauber auf mich ausübte. Die<br />
Volksschule Kesten war zweiklassig. Nach<br />
dem damaligen Trierer System unterrichtete<br />
die Lehrerin die ersten zwei Jahrgänge Jungen<br />
und Mädchen und die Oberstufe Mädchen. Der<br />
Lehrer hingegen hatte das gemischte dritte und<br />
vierte Schuljahr und die Oberstufe Jungen in<br />
seiner Klasse. Das Erlernen von Lesen und<br />
Schreiben machte mir Spaß, aber die schönsten<br />
Stunden erlebte ich, wenn die Lehrerin mit<br />
den großen Mädchen Gedichte durchnahm.<br />
Wir wurden derweil schriftlich beschäftigt, aber<br />
ich war von den Vorträgen der Schülerinnen so<br />
gefesselt, dass ich den Griffel in die Rille der<br />
Schulbank legte und einfach zuhören musste.<br />
Sie lernten aus dem Lesebuch »Die Schatzkammer«,<br />
das mit Recht diesen Namen trug,<br />
denn es barg einen kostbaren Schatz, die<br />
schönsten Gedichte und Balladen der deut-<br />
Der Weber spannt die Fäden,<br />
gibt Anfang und gibt Ende,<br />
die Länge und die Breite<br />
bestimmen seine Hände.<br />
Ob´s farbig wird, ob nüchtern,<br />
ob Muster ziert den Grund,<br />
ob eng gewebt, ob lichter,<br />
das sagt des Meisters Mund.<br />
116<br />
schen Dichtkunst. Den Lehrerinnen und Lehrern<br />
der kleinen Dorfschulen sei an dieser Stelle<br />
gedacht, die damals oft mit viel Können und<br />
Geschick deutsches Kulturgut vermittelten und<br />
in den jungen Herzen die Freude und das Interesse<br />
an der Dichtung erweckten. Noch gut in<br />
Erinnerung ist mir die Schülerin Maria Adam,<br />
als sie Goethes herrliche Ballade »Der Sänger«<br />
vortrug. Mit ihrer klaren Stimme schmetterte<br />
sie die Worte in den Klassenraum, als stünde<br />
sie selbst vor dem König:<br />
»Die goldne Kette gib mir nicht,<br />
die Kette gib den Rittern,<br />
vor deren kühnem Angesicht<br />
der Feinde Lanzen splittern.«<br />
Wie gut verstand ich den Wunsch des Sängers:<br />
»Doch darf ich bitten, bitt ich eins:<br />
laß mir den besten Becher Weins<br />
in purem Golde reichen.«<br />
Dass der Sänger edlen Wein so würdigte und<br />
sogar der goldnen Kette vorzog, erfreute mich<br />
sehr, denn als Winzerstochter wusste ich, wie<br />
stolz Vater auf seinen Naturwein war. Wenn er<br />
von seinem besten Fuder in den Keller eine Flasche<br />
Wein »zaapen« ging, um ihn mit seinen<br />
Freunden zu probieren und zu begutachten,<br />
durfte ich auch ein Schlückchen davon trinken.<br />
Das ist alles lange her. Die Zeiten haben sich<br />
geändert, aber an den Hängen wachsen immer<br />
noch die Reben. Möge das Jahr <strong>2000</strong> den Moselwinzern<br />
eine gute Ernte bescheren und den<br />
Weintrinkern einen edlen Tropfen!<br />
Anmerkungen:<br />
1 Berichte aus der <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung<br />
2 Weinort Kesten, S. 63.<br />
Der große Weber<br />
So ist wohl auch mein Leben<br />
hin in die Zeit gespannt.<br />
Das Schiffchen, das muss weben,<br />
geführt von seiner Hand.<br />
Im Auf und Ab der Stunden<br />
entsteht Tag, Jahr und Zeit,<br />
im Auf und Ab des Schiffchens<br />
entsteht mein Lebenskleid.<br />
Ich darf so ganz mich geben<br />
in seine Meisterhand.<br />
Er wird ein Kleid mir weben,<br />
das niemand noch erfand.<br />
Elisabeth Badura-Zenz
Gedanken an einem Soldatengrab<br />
Während des letzten Weltkrieges waren weltweit<br />
110 Millionen Menschen an den Waffen.<br />
Franz Waschka war einer von ihnen. Sein<br />
Name steht hier für viele. Sein Name steht<br />
für alle, die in diesen Krieg hineingezwungen<br />
worden sind; Franz Waschka, geboren am<br />
17. September 1916, gestorben am 12. Juni<br />
1940.<br />
Hoffnungsvoll lag das Leben vor diesem jungen<br />
Menschen, pulsierendes Leben mit all seinen<br />
bunten Facetten - der Beruf, die Liebe...<br />
Talente und Begabungen wollten erkannt und<br />
gefördert werden. Der Krieg aber strich alle<br />
Pläne durch, rigoros, mit einem harten Stift.<br />
Franz Waschka starb während des Frankreichfeldzuges,<br />
der am 10. Mai 1940 begonnen hatte.<br />
Nach dem Plan des Generals von Manstein<br />
sollte ein Hauptvorstoß durch Südbelgien und<br />
Luxemburg über die Flüsse Maas und Somme<br />
bis zur Kanalküste durchgeführt werden.<br />
Weil Frankreich, genau wie vorher Polen, von<br />
Hitlers Angriffskrieg überrumpelt worden war,<br />
gelang dieser Plan, denn schon am 5. Juni<br />
brach die französische Abwehrfront zusammen,<br />
und am 14. Juni zogen deutsche Truppen<br />
in Paris ein.<br />
In diesen Tagen war Franz Waschka schon tot.<br />
Ein Geschoss oder ein Granatsplitter hatte die<br />
Patronentasche getroffen, die an seinem Koppel<br />
hing. Sein Leib wurde von den explodierenden<br />
Patronen zerrissen. Man hatte ihn<br />
schwerstverwundet von der Front in das Krankenhaus<br />
nach <strong>Wittlich</strong> transportiert, das in jenen<br />
Wochen als Lazarett diente. Sein Schicksal<br />
ergriff die Ärzte und Schwestern, die sich um<br />
ihn bemühten und ihn versorgten. »Franzel«<br />
nannten sie ihn liebevoll. Er zählte damals 24<br />
Jahre.<br />
Die Tante meiner Freundin arbeitete während<br />
dieser Zeit als Schwesternhelferin des DRK in<br />
der Pflege, und durch sie hörten wir von dem<br />
jungen Soldaten. Als zehnjährige Kinder wur-<br />
Marita Schlax–Friderichs<br />
den wir auf diese Weise zum ersten Mal mit<br />
dem Kriegstod konfrontiert. Ich erinnere mich,<br />
dass ich von diesem Soldatenschicksal stark<br />
berührt war. Der Krieg war plötzlich nicht mehr<br />
weit entfernt, sondern er kam mit den verwundeten<br />
Soldaten in unsere Stadt hinein.<br />
Franz Waschka und einige seiner Kameraden<br />
von der Westfront starben im <strong>Wittlich</strong>er Krankenhaus<br />
und wurden auf dem hiesigen Friedhof<br />
beigesetzt.<br />
Seit vierundfünfzig Jahren erleben wir nun eine<br />
Friedenszeit. Wir müssen nicht mehr bangen<br />
um junge Soldaten, die wegen der Idee eines<br />
Machtgewaltigen oder aus Expansionsgelüsten<br />
der Regierung kämpfen und sterben müssen.<br />
Friedensgedanken werden seit dem Ende<br />
des Zweiten Weltkrieges verstärkt ausgesprochen<br />
bis hin zur praktischen Verweigerung des<br />
Wehrdienstes. Wir fühlen uns sicher in unserem<br />
Land. Die Verantwortlichen haben durch<br />
geschickte Politik, Verhandlungen und Zusammenschlüsse<br />
den sogenannten Kalten Krieg<br />
überwunden, der in den ersten Nachkriegsjahren<br />
leicht außer Kontrolle hätte geraten können.<br />
Im Frühjahr 1999 sieht plötzlich alles anders<br />
aus. Das Gespenst des Krieges steht mit dem<br />
Jugoslawienkonflikt vor uns. Ein skrupelloser<br />
Despot führt eine »ethnische Säuberung«<br />
durch. Seine Milizen treiben die Menschen aus<br />
ihren Dörfern und Städten im Kosovo. Hab und<br />
Gut wird geplündert und geraubt. Zahllose<br />
Menschen werden mutwillig gequält und ermordet.<br />
Die Medien sprechen von etwa einer<br />
Million Vertriebenen.<br />
Das infernalische Muster des nationalsozialistischen<br />
Krieges wiederholt sich. Ist das möglich?<br />
Lernen die Menschen nicht aus der Geschichte?<br />
Es sind doch erst vierundfünfzig Jahre<br />
vergangen, seit Jugoslawien im Zweiten<br />
Weltkrieg die Verluste von 1,7 Millionen Menschen<br />
zu beklagen hatte.<br />
117
Eine bittere Bilanz zeigt folgende Statistik:<br />
Kriegstote des Zweiten Weltkrieges, das sind<br />
die an den Fronten gefallenen Soldaten und die<br />
durch Bomben getöteten Zivilisten<br />
Weltweit 52 000 000<br />
Sowjetunion 20 000 000<br />
Deutschland 5 250 000<br />
Polen 4 500 000<br />
Jugoslawien 1 700 000<br />
Frankreich 810 000<br />
Großbritannien 368 000<br />
Italien 330 000<br />
Amerika 259 000<br />
Japan 1 800 000<br />
China etwa 9 000 000<br />
(im China-Japan Konflikt)<br />
Welch eine Tränenflut verbirgt sich hinter diesen<br />
unglaublichen Zahlen!<br />
Ob es den gerechtfertigten Krieg gibt? Wohl<br />
kaum, denn Gewalt löst immer Gegengewalt<br />
118<br />
Was ist das Leben?<br />
Das Leben ist ein Wandern,<br />
ein Wandern durch die Zeit,<br />
ein ständiges Begegnen<br />
mit der Vergänglichkeit,<br />
ein Kommen und ein Gehen,<br />
ein Werden und ein Sein,<br />
ein wieder Neuerstehen,<br />
ein Trauern und ein Freu`n.<br />
Das Leben ist ein Wandern,<br />
durch Finsternis und Licht:<br />
getragen in der Hoffnung,<br />
gebunden in der Pflicht.<br />
Das Leben ist ein Hoffen,<br />
ein Warten auf das Glück,<br />
ein immer Weiterführen<br />
zum letzten Augenblick.<br />
und Hass aus, das ist das grausame Gesetz des<br />
Krieges und des Streitens überhaupt. Jeder<br />
Krieg ist brutal. Seine Sensen schneiden ins Leben<br />
und fragen nicht, ob du jung oder alt bist.<br />
Immer geht es um Unterwerfung, Machtausübung<br />
und Machtmissbrauch einiger Mächtiger.<br />
Dabei verbluten unzählige Ohnmächtige in der<br />
Blüte ihrer Jahre. Fragst du nach dem Sinn des<br />
Krieges, gibt es keine Antwort; umsonst sind<br />
die Opfer, sinnlos das Sterben.<br />
Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz<br />
hat das Liturgische Institut ein Gebet herausgegeben<br />
auf dem Weg zum Jahr <strong>2000</strong>, dessen<br />
letzte Zeilen ich hier als Schluss meiner Gedanken<br />
niederschreiben möchte:<br />
»Gott, lass dein Reich schon in unserer Zeit<br />
spürbar werden - durch Wahrheit und Liebe<br />
unter den Menschen und durch Gerechtigkeit<br />
und Frieden unter den Völkern.«<br />
Die Kriegsgräber als Mahner sowie Gebete um<br />
den Frieden in der Welt sollten nicht vergessen<br />
werden, und so wollen wir den Schritt in das<br />
dritte Jahrtausend wagen.<br />
Katharina Pawelke
Die dicke Eiche von Altrich<br />
Jedes Mal, wenn ich das Reiseziel, meine alte<br />
Heimat, fast erreicht habe und vor mir ausgebreitet<br />
das schöne <strong>Wittlich</strong>er Tal liegt, blinkt er<br />
schon von weitem, der spitze Turm der Kirche.<br />
Es ist so, als riefe er mir mit aufgerichtetem Zei-<br />
Hildegard Kohnen<br />
gefinger aus seinen roten<br />
Mauern zu: »Komm<br />
her, hier stehe ich, und<br />
hier bist du immer noch<br />
ein wenig zu Hause!«<br />
Und mir wird es warm<br />
ums Herz.<br />
Dort habe ich einen Teil<br />
meiner Kindheit und Jugend<br />
verbracht. Der Geburtsort<br />
meiner Mutter<br />
wurde mir Heimat, als<br />
wir im Krieg aus der<br />
Stadt flüchteten, in die<br />
Geborgenheit ihres Elternhauses,<br />
zu den Eltern<br />
und Großeltern.<br />
Denke ich an Altrich,<br />
kommt das Erinnern,<br />
und in der obersten<br />
Schublade liegen die<br />
Geschichten um die<br />
dicke Eiche, die etwa<br />
300 Meter südwestlich<br />
des Dorfes steht. Sie war<br />
der Baum meiner Kindheit,<br />
der meiner Mutter,<br />
Großmutter und auch<br />
der meiner Urgroßmutter.<br />
Ein Generationenbaum<br />
und für uns Kinder das<br />
Maß vieler Dinge. »Nicht<br />
weiter als zur dicken Eiche«,<br />
hieß es, wenn wir<br />
allein weg wollten. Das<br />
galt für a l l e Richtungen.<br />
Altrich ohne dicke Eiche<br />
ist für mich einfach undenkbar...<br />
Wie ein alles<br />
überragendes Wahrzeichen<br />
steht sie mit ihrer prächtigen Krone hoch<br />
und weit sichtbar auf einem freien Feld. Tausend<br />
Jahre alt sei sie und fünf Meter Umfang<br />
habe sie, brachte man uns schon in der Schule<br />
bei, und das ist viele lange Jahre her. Als ein-<br />
119
mal ihr Stamm kränkelte, beauftragte man einen<br />
Baumdoktor, um sie fachgerecht zu verarzten.<br />
Wahrscheinlich scheuerten Wildschweine,<br />
Eicheln suchend, ihre Borsten an<br />
der Rinde und verletzten sie. Vielleicht aber<br />
kam sie auch einfach in die Jahre, wo sie einen<br />
Doktor brauchte. Gott sei Dank blieb sie vorm<br />
Sterben bewahrt. Um sie vor weiterem Unbill<br />
zu schützen, baute man eine Rundbank um<br />
ihren Stamm, der hohl geworden war. Jetzt<br />
konnten sich die Menschen bequem in ihrem<br />
Schatten ausruhen.<br />
Damals, vor mehr als fünfzig Jahren, waren wir<br />
sieben Kinder, die mit dünnen Armen den<br />
dicken Baum umfassten, um so seinen Umfang<br />
zu messen. Es bedurfte mehrerer Versuche, bis<br />
unser Lehrer die richtige Anzahl Kinder mit der<br />
passenden Spannweite gefunden hatte. Die<br />
Jungen drängten sich mächtig vor. Sie waren in<br />
der Überzahl, doch wir Mädchen, vor allem<br />
meine Freundin Christel und ich, behaupteten<br />
lautstark unseren Platz in der Reihe. Gerechterweise<br />
wurden dann Jungen und Mädchen im<br />
Wechsel nebeneinander gestellt. Nur die Fingerspitzen<br />
durften sich berühren. Es entlockt<br />
mir heute noch ein Schmunzeln, wenn sich vor<br />
meinem inneren Auge dieses Bild der von Kindern<br />
umspannten alten Eiche aufbaut, obwohl<br />
ich damals zu den »Stamm-Messkindern«<br />
gehörte und es überhaupt nicht sehen konnte:<br />
sieben achtjährige Menschenkinder, die wie<br />
riesengroße Käfer an der rauhen Rinde der Eiche<br />
klebten und sich die Glieder verrenkten,<br />
weil die Wurzeln den kleinen Füßen keinen<br />
rechten Halt gaben. Stolz kam ich nach Hause<br />
und berichtete meiner Mutter davon.<br />
Wurde Heu eingefahren und eine Regenwolke<br />
drohte am Himmel, murmelte mein Großvater<br />
Tabak kauend in seinen grauen Bart: »Hoffentlich<br />
schaffen wir die Fuhre bis zur dicken Eiche,<br />
ihr Blattwerk lässt keinen Regen durch« und<br />
trieb die Kühe an. Wir Kinder thronten hoch auf<br />
dem Wagen und schlossen Wetten ab, ob wir<br />
rechtzeitig das schützende Laubdach erreichen<br />
würden.<br />
Man erzählt sich viel, auch, dass auf die Frage<br />
nach dem männlichen Erben einmal ein Bauer<br />
antwortete, als seine Frau ihr siebtes Kind erwartete,<br />
sechs Mädchen gab es schon: »Unn<br />
wenn et en Rai Medscher get von Büschder<br />
Sait bis bai de deck Eesch, emol moß et en<br />
Jong gen!« Es wurde ein Sohn!<br />
120<br />
In Vollmondnächten trägt der Wind die »in Sünde<br />
gefallene Nonne« vom Kloster Pfaffenthal<br />
über den Stöppelberg bis hin zur dicken Eiche.<br />
Dort sitzt sie bis zum Morgengrauen in der<br />
mächtigen Baumkrone auf einem Ast und<br />
summt traurige Lieder. Nur hier findet sie Ruhe,<br />
sagt man. Damals, an langen Winterabenden,<br />
lauschten wir Kinder andächtig diesen sagenhaften,<br />
schaurig schönen Geschichten und<br />
rückten ganz nah zusammen, um so die Angst<br />
zu vertreiben, und dennoch hatten wir alle eine<br />
Gänsehaut. Doch was eine »in Sünde gefallene<br />
Nonne« war, wusste keiner, und es scherte uns<br />
kaum, weil es zu den ungezählten Tabus unserer<br />
Jugend gehörte, an denen niemand zu rütteln<br />
wagte.<br />
Als wir noch in der Stadt wohnten und nur in<br />
den Ferien zu den Großeltern kamen, führte der<br />
erste Weg immer zur dicken Eiche. In der Weihnachtszeit<br />
ging von Haus zu Haus die Mär,<br />
dass an Heiligabend vom Himmel eine Leiter<br />
direkt zur dicken Eiche führe und das Christkind<br />
heruntersteige.<br />
Wir Kinder glaubten das felsenfest. Meist erzählten<br />
die Großmütter es uns, und die konnten<br />
nicht lügen. Höchstens mal schwindeln, aber<br />
nur an Ostern und Weihnachten, aber das<br />
merkten wir erst viel später.<br />
Wenn an warmen Sommerabenden verliebte<br />
Pärchen ein heimliches Stelldichein hatten,<br />
wurde die dicke Eiche zum romantischen Liebesbaum.<br />
Ich weiß es genau ...!<br />
So ranken sich Geschichten und Erinnerungen<br />
um den Baum meiner Kindheit, den Baum meiner<br />
Jugend, der seit Jahrhunderten zu diesem<br />
schönen Dorf und den dort lebenden Menschen<br />
gehört.<br />
Ich wünsche mir, dass die mächtige Krone der<br />
dicken Eiche im neuen Jahrtausend noch viele<br />
Jahre Schatten spenden möge, wenn müde<br />
Wanderer sich auf seiner Rundbank ausruhen<br />
und junge Leute sich unter ihr im Mondschein<br />
treffen.<br />
Dass der Baum seit Generationen Altrichs<br />
Wahrzeichen ist, das weiß nicht nur ich.<br />
Dass er romantischer Treffpunkt für Liebende<br />
geblieben ist, hoffe ich sehr.<br />
Dass er sich aus der Vergangenheit unauslöschlich<br />
in meiner Gegenwart eingenistet hat<br />
und in Gedanken immer ein wenig zu mir<br />
gehören wird, wissen nur wir beide, der Baum<br />
und ich!
Mein sagenhafter Onkel<br />
Es hat ihn wirklich gegeben, und es wäre auch<br />
fast unmöglich, ihn zu erfinden: meinen Onkel<br />
Juppes oder Josef, je nachdem. Er war weit<br />
über die Grenzen seines Heimatkreises bekannt<br />
und noch heute - über 30 Jahre nach seinem<br />
Tod - werde ich von den verschiedensten<br />
Leuten auf ihn angesprochen.<br />
Während des Krieges, als wir alles verloren hatten,<br />
wohnten wir für eine kurze Zeit bei meinen<br />
Großeltern. Mein Onkel Juppes kümmerte sich<br />
um den kleinen Bauernbetrieb, der jüngste Onkel<br />
war in russischer Gefangenschaft. Da<br />
sprach meine Großmutter aus, was sie von<br />
ihren Söhnen hielt: »Dä enen hott neist, der anneren<br />
duuch neist un dä dritten os un der weider<br />
Welt.«<br />
Der, der nichts taugte, war Juppes.<br />
Diese Beurteilung war jedoch nur nach gewissen<br />
Maßstäben richtig. Eigentlich taugte er für<br />
eine ganze Menge von Dingen, auch für solche,<br />
von denen wir nichts ahnten. Offiziell war er<br />
Viehhändler. Er kam überall herum, prügelte<br />
sich auf Märkten und Kirmessen und machte<br />
sich so zweifelsfrei einen Namen. Ich bewunderte<br />
ihn. Damals kam er manchmal mit Bündeln<br />
von Geldscheinen heim, die nur ich nachzählen<br />
durfte. Er konnte in Sekundenschnelle<br />
ausrechnen, wie viel er mit Zins und Zinseszins<br />
zurückbekam, wenn er Geld verlieh - und das,<br />
obwohl er allgemein als ziemlich dumm galt.<br />
Meine Kinderträume hat er oft durch große Versprechungen<br />
angereichert, die er natürlich nie<br />
hielt. Er hatte mir ein Pferd in Aussicht gestellt<br />
und auch eine Geige. Ich weiß nicht mehr,<br />
wann ich aufhörte, mir ein Leben als Kunstreiterin<br />
oder als Konzertgeigerin vorzustellen... Er<br />
war der beste Lügner, den ich je gekannt habe.<br />
Auch die Leute, die er mitbrachte und stets<br />
großzügig zu bewirten imstande war, brachten<br />
alle einen Hauch von Abenteuerlust und Verworfenheit<br />
mit in die Bauernstube. Sein Temperament<br />
war aufbrausend, aber nur zweimal<br />
habe ich ihn wirklich toben gesehen. Einmal<br />
hatte meine Großmutter eigenmächtig eine<br />
Kuh verkauft - unter Preis, wie Juppes fand.<br />
Was sie zu hören bekam, hatte nichts mehr mit<br />
Ingrid Schumacher<br />
kindlicher Ehrfurcht zu tun. Sie nahm es gelassen:<br />
»Os Juppes os en Brausekopp, äwwer en<br />
häält net noh.« Das stimmte. Die Opfer seiner<br />
Wut wurden stets reichlich entschädigt.<br />
Ein anderes Mal war er kurz davor, alles kaputt<br />
zu schlagen. Er hatte nämlich Zahnweh und<br />
machte Gott, die ganze Welt und vor allem uns<br />
dafür verantwortlich. Er unterstellte uns sogar<br />
Schadenfreude, was der Wirklichkeit noch am<br />
nächsten kam.<br />
Nach dem Krieg, als wir längst nicht mehr dort<br />
wohnten, pflegte er von Zeit zu Zeit völlig zu<br />
verarmen und zu verwahrlosen. Ziemlich verlottert<br />
hatte er immer ausgesehen, aber nun<br />
war sein Zustand manchmal mitleiderregend,<br />
besonders für meinen Vater, wenn er ihn so<br />
traf. Mein Vater war irgendwie immer arglos<br />
und ohne Misstrauen gewesen. Er schenkte<br />
Juppes einen neuen Mantel, ließ ihm immer<br />
mal wieder einen guten Anzug schneidern und<br />
gab ihm sicher auch Geld. Juppes starb wenige<br />
Jahre nach dem Tod meines Vaters an den<br />
Folgen eines Unfalls.<br />
Damals erhielt ich einen Brief von einem mir<br />
völlig fremden Notar: Mein Onkel hatte mich<br />
enterbt. Es tat mir nicht weh, aber es erstaunte<br />
mich. Irgendwie hatte ich immer ein besonderes<br />
Verhältnis zu ihm gehabt. »Dou wärsch och<br />
besser en Jung jänn«. Das hatte er oft zu mir<br />
gesagt in Anerkennung der Tatsache, dass ich<br />
weder Dreck noch Strapazen scheute, wenn es<br />
galt, etwas Abenteuerliches zu erleben. Es war<br />
ein zweifelhaftes Kompliment, aber sicher das<br />
höchste, das er an ein kleines Mädchen zu vergeben<br />
hatte.<br />
Nun ja, dachte ich nach meiner Enterbung traurig.<br />
Irgendwie ist das schon sonderbar, aber<br />
das war´s dann.<br />
Doch die Geschichte mit ihm war noch nicht zu<br />
Ende.<br />
Während eines Sommerurlaubs, den ich mit<br />
meiner Mutter in einem Landgasthof verbrachte,<br />
dessen Eigentümerin auch als »Zeitung« bekannt<br />
war, stellte uns jemand die unvermeidliche<br />
Frage: »Sie sind doch sicher mit dem Viehhändler<br />
verwandt?« Meine Mutter zuckte zu-<br />
121
sammen. Sie hasste es zutiefst, auf ihren<br />
Schwager angesprochen zu werden. Ihr »Ja«<br />
klang so hochmütig, dass der Frager sich verzog.<br />
Am Abend kam die Wirtin mit einer Flasche<br />
Rotwein zu uns an den Tisch. »Ihren<br />
Schwager Josef, dat war en eigenartigen<br />
Mensch.« Dass sie »Eifeler Hochdeutsch«<br />
sprach, ließ darauf schließen, dass sie Wichtiges<br />
mitzuteilen hatte. »Den hat ja bei mir immer<br />
sei Zimmer jehabt. Wussten Se dat denn net?«<br />
Natürlich war ihr klar, dass wir es nicht wussten<br />
und sie genoss es, dass wir sie sprachlos anstarrten.<br />
»Dat war en feinen Herr, dä Josef. Immer<br />
tip-top in seine juten Anzüjen. Mit em<br />
weißen Hemd un em silberne Schlips. Da sah<br />
dä richtig vornehm aus.«<br />
Weißes Hemd? Silberkrawatte? Das konnte<br />
doch nicht er gewesen sein!<br />
Aber er war es. Alle Zweifel wurden von der<br />
Wirtin schnell ausgeräumt.<br />
122<br />
Déppeflécker! Kriedeler!<br />
Bäsemsbänner! Piedeler!<br />
Lompekriemer! Schnésspitter!<br />
Dou bés e Kräizgewitter!<br />
Schmearlappen! Lompepack!<br />
Soubeidel! Dämelsack!<br />
Härnerbock! Drääkpanz!<br />
Dou bés en Schlappschwanz!<br />
Fluderkätt! Traatsch!<br />
Schnoaderbix! Knaatsch!<br />
Troufnaos! Knaoterer!<br />
Dou aalen Taoterer!<br />
Dat sät ma net<br />
Moselfränkische Mundart<br />
»Den iss dann immer abjeholt worden mit<br />
große Autos.«<br />
»Abgeholt? Von wem? Wohin?«<br />
»Na, von de anneren. Amis oder Franzose oder<br />
och Deutsche. Da könnt´ ich Euch noch paar<br />
nenne, die da dabei ware.«<br />
»Mit den Amerikanern und Franzosen konnte er<br />
sich doch gar nicht verständigen.«<br />
»Dat glauben Sie. Dat konnt der sehr gut. Mit<br />
dene spreche, mein´ ich.«<br />
»Und wo sind sie hingefahren?«<br />
»Nach Neuenahr natürlich. In et Spielkasino.<br />
Un wenn se jewonne hatte, da war hier watt los,<br />
kann ich Ihne sare! Aber als er jestorbe is,<br />
muss er en Haufe Spielschulde hinterlasse<br />
habe.«<br />
Jetzt verstand ich. Die hatte er mir nicht vermachen<br />
wollen und darum enterbte er mich. Und<br />
wenn mich heute jemand auf ihn anspricht, frage<br />
ich zuerst: Juppes oder Josef?<br />
Altgewäner! Bratscheler!<br />
Boxeschésser! Tratscheler!<br />
Duderaosch! Tutdeler!<br />
Dou aale Futdeler!<br />
Awer dat darf ma saon:<br />
Mäi Happesjen! Mäi Trutschelschie!<br />
Rouschdebeidel! Mutschelschie!<br />
Hämelmaissie! Liebesjen!<br />
Dou mäi Boxekniebesjen!<br />
Josefine Wittenbecher
Ein kleines Stück vom Schlaraffenland<br />
Das kleine Mädchen findet mit seinen hohen<br />
Schnürschuhen kaum Halt auf der gepflasterten<br />
abschüssigen Straße. Im Gleiten und Rutschen<br />
blickt es doch noch mal ganz schnell<br />
zum Elternhaus zurück. Außer ein paar Hühnern,<br />
die vom Misthaufen auf den Hof flattern,<br />
bleibt alles ruhig. Niemand hatte gemerkt, dass<br />
sich die Vierjährige alleine davongemacht hatte.<br />
Langsam rieseln dicke Schneeflocken auf<br />
ihre Strickmütze, die schief auf dem langen feinen<br />
Blondhaar sitzt, und auf die bunte Wolljacke.<br />
Die ist über ihrem Schürzchen falsch zugeknöpft,<br />
die untersten drei Knopflöcher sind<br />
noch frei. Es ging alles so in Eile. Und doch hat<br />
jemand dank seines besonders feinen Riechers<br />
ihr Davonschleichen bemerkt. Er läuft hinter ihr<br />
her und holt sie ein. Es ist der große Schäferhund,<br />
der die Ausreißerin jetzt kläffend umspringt.<br />
»Sei still, Lux, sei still und komm mit!« Clärchen<br />
tätschelt seinen Nacken. Der Hund darf mitkommen,<br />
sonst aber keiner. Ein letzter prüfender<br />
Blick zum Elternhaus, dann laufen beide<br />
an der Kirche vorbei, biegen um die Ecke, gehen<br />
entlang einer alten Steinmauer. Dahinter<br />
hat sich der große gepflegte Pfarrhausgarten<br />
unter einer Schneedecke versteckt. Hier könnte<br />
man sie vom Elternhaus aus wieder sehen,<br />
würde jemand aus dem Fenster schauen. Aber<br />
sie ist eins von elf Geschwistern, da fällt ein<br />
fehlendes nicht sofort auf.<br />
»Sei jetzt bloß still!«, flüstert sie ihrem Hund zu,<br />
der sie mit aufmerksamen Augen ansieht, bereit,<br />
jedes Abenteuer an Clärchens Seite zu bestehen.<br />
Sie erreichen ein kurzes Stück Nebenstraße,<br />
dann biegen sie in die belebte Geschäftsstraße<br />
ein. Hier scheint der Dezemberwind<br />
weitaus kräftiger zu blasen. Die kleine<br />
Ausreißerin steckt ihre zu Fäusten geballten<br />
Hände in die Schürzentaschen, zeigt aber nicht<br />
das geringste Interesse an den warmen Wintersachen<br />
in den Auslagen. An Pelzmuffs und Kragen,<br />
Stulpenhandschuhen und Pelerinenmänteln<br />
läuft sie achtlos vorbei. Sie hat ein ganz anderes<br />
Ziel vor Augen, das Haus mit der großen<br />
verschnörkelten Reklametafel und dem damp-<br />
Wilma Herzog<br />
fenden Kuchen drauf, die Konditorei. Davor<br />
bleibt Clärchen stehen. »Sitz, Lux!« Das gehorsame<br />
Tier setzt sich auf den vereisten Bürgersteig.<br />
Die beschlagenen Scheiben der Konditorei<br />
sind unten mit einem dichten Kranz Frostblumen<br />
geschmückt, lassen in der Mitte aber<br />
durchblicken auf feine Aachener Printen, Teller<br />
voller weiß beschichteter Pfeffernüsse und mit<br />
großen aufgestellten glänzenden Lebkuchen,<br />
auf denen wunderschöne Glanzbilder kleben<br />
sowie ganze Tabletts aufgestapelter Schokoladentafeln<br />
mit goldenen Schriftzügen. Ein<br />
Schlaraffenland. Wie oft ist Clärchen mit der<br />
Mutter bei Besorgungsgängen daran vorbeigegangen<br />
und wollte doch nur einmal stehen bleiben<br />
und schauen, aber Mutter drängte immer<br />
weiter. Jetzt - ihre Rechte umfasst dabei das<br />
Geldstück in der Schürzentasche - jetzt bleibt<br />
sie nicht nur stehen und schaut ausgiebig, sie<br />
wird in den Laden hineingehen. »Kauf dir was<br />
Schönes!« sagte doch letzten Sonntag der Patenonkel<br />
zu ihr, als er ihr die Münze gab. Die tat<br />
sie nicht, wie üblich, in die große Gemeinschaftsspardose,<br />
die brachte sie unbemerkt<br />
hinauf in die Schlafkammer und drückte sie in<br />
den Ritz zwischen den Fußbodendielen, genau<br />
vor ihrem Bett. Und heute ist sie damit hergekommen<br />
zum Einkaufen. Und sie weiß auch<br />
genau, was sie will.<br />
Entschlossen öffnet sie die Ladentür, irgendwo<br />
läuten helle Glöckchen, und gleichzeitig umgibt<br />
sie zimt- und anisduftende Wärme. An der Theke<br />
sagt sie zur Verkäuferin: »Die!« und zeigt dabei<br />
auf die roten Schokoladentafeln in der Auslage.<br />
»Aber das sind doch alles nur Atrappen!«,<br />
erklärt lachend die junge Schwarzhaarige in der<br />
gestärkten weißen Schürze, fügt dann erklärend<br />
hinzu: »Die sind allesamt leer!« »Habt<br />
ihr denn keine r i c h t i g e Schokolade?«, fragt<br />
das Kind ungläubig und wird dabei von ein paar<br />
elegant gekleideten Damen, die am Tisch nahe<br />
der Theke sitzen, beobachtet. »Das hier ist alles<br />
r i c h t i g e Schokolade«, damit öffnet die<br />
Verkäuferin die hohen Glastüren am Oberschrank<br />
hinter der Theke.<br />
123
»Die rote Schokolade!« sagt Clärchen, indem<br />
sie ihr Geldstück auf die Theke legt. »Das ist<br />
aber zu wenig, lauf heim zu deiner Mutter und<br />
sag‘ ihr, sie soll dir noch drei Groschen geben,<br />
sonst kann ich dir die Tafel nicht mitgeben!«<br />
Sie versteht das nicht, die Münze ist doch so<br />
groß, glänzt so schön und soll doch nicht reichen?<br />
»Das ist aber mein Geld!«, kommt es<br />
trotzig aus dem Kindermund.<br />
»Ach Fräulein, schreiben sie den Rest doch auf<br />
meine Rechnung«, ruft eine der Damen. Clärchen<br />
dreht sich in ihre Richtung, deutet einen<br />
Knicks an und sagt artig: »Danke schön!« Dabei<br />
rückt sie sich die Mütze gerade. Die Damen<br />
finden das alles ja so köstlich. Clärchen nimmt<br />
die Schokolade entgegen und läuft rasch aus<br />
dem Laden. »Guck mal«, sie zeigt stolz Lux, der<br />
brav auf seinem Platz geblieben war, ihren Einkauf,<br />
»jetzt gehen wir heim«, sagt sie. Unterwegs<br />
malt sie sich aus, wie sie auf den Küchenstuhl<br />
klettern und, von ihren Geschwistern umringt,<br />
die Tafel Schokolade aufmachen wird.<br />
Erst die bunte Verpackung, dann kommt die<br />
Silberfolie dran, die Geschwister drängeln, fangen<br />
an zu stoßen, lecken sich vor Vorfreude<br />
schon die Lippen. Clärchen legt das erste<br />
Eckchen der glänzendbraunen Köstlichkeit frei.<br />
Die anderen streiten, wer das erste Stück bekommt,<br />
sie bricht es ab...<br />
»Nein, die anderen essen dann die ganze Tafel<br />
auf«, ruft Clärchen laut. Der Hund wittert Ge-<br />
124<br />
fahr in ihrer Stimme, er bellt laut auf. »Ach, Luxi«,<br />
beruhigend streichelt sie das Tier, »dann<br />
weiß ich doch nicht einmal, wie sie überhaupt<br />
geschmeckt hat!« Als sie am Pfarrhausgarten<br />
vorbeikommen, an der alten Mauer, der schon<br />
einige Steine fehlen, wo sich die Rotkehlchen<br />
im Frühjahr ihre Nester bauen, hat Clärchen die<br />
rettende Idee. Sie nimmt einen losen Stein fort,<br />
dahinter findet sich genug Raum für die schmale<br />
Schokoladentafel. Sie legt die Tafel probeweise<br />
hinein und verschließt das Versteck mit<br />
dem Stein. Von außen ist überhaupt nichts zu<br />
sehen. Zufrieden nimmt sie die Schokolade<br />
wieder heraus, macht sie auf und bricht einen<br />
ganzen Riegel davon ab. Der begierig wartende<br />
Hund bekommt ein Eckchen davon. Viel zu<br />
schnell ist es in seinem großen warmen Maul<br />
verschwunden. »Lutschen sollst du die Schokolade,<br />
lutschen!«, erklärt das Kind und steckt<br />
sich mit klammen Fingern das allererste köstliche<br />
Bröckchen davon in den Mund. Dann<br />
kommt die Tafel zurück ins Versteck. Clärchen<br />
schaut sich die Stelle genau an, direkt dahinter<br />
steht ja der große Birnbaum. Sie wird sie ganz<br />
bestimmt wiederfinden.<br />
Und so geht sie in den nächsten Tagen mehrmals<br />
zur alten Mauer, um sich Stück für Stück<br />
von der Schokolade abzubrechen. Bis sie alle<br />
ist. Aber vergessen wird sie es nie, wie sie sich<br />
einmal als Kind eine Tafel Schokolade kaufte<br />
und sie alleine aufaß, eine ganze Tafel.<br />
Zeichnung: Benedikt Heinemann
Erlebnisse einer Reiseleiterin<br />
der »Musikkreis-Kulturreisen«<br />
Sicherlich werden viele Leserinnen und Leser<br />
nachfolgende Erinnerungen amüsiert lesen, da<br />
sie sich bei der einen oder anderen Fahrt mit in<br />
der Gruppe der »Musikkreis-Kulturreisen« befanden!<br />
Vor rund 20 Jahren begann ein musikbegeisterter<br />
Mensch, Gerhard Vockensperger aus<br />
Bengel, zunächst seine Familie, dann Freunde<br />
und Nachbarn in lohnenswerte Veranstaltungen<br />
zu nicht allzu fernen Zielen mitzunehmen.<br />
Ein immer größer werdender Personenkreis<br />
kam seinerseits auf ihn zu mit dem Anliegen,<br />
weiterhin Musikfahrten zu organisieren. Offensichtlich<br />
hatte er Bedürfnisse in den Menschen<br />
geweckt, denn er musste immer größere Busse<br />
anmieten. Nicht lange danach gab er seinen bis<br />
dahin ausgeübten Beruf auf, verband Hobby<br />
mit Beruf und rief die Organisation »Musikkreis<br />
– Kulturreisen« ins Leben. Durch die Medien erfuhr<br />
auch ich von seiner dreitägigen Fahrt nach<br />
Hamburg zu dem Musical »Cats«, an der ich<br />
mit einer Freundin und unseren damals vier<br />
halbwüchsigen Kindern teilnahm.<br />
Beim Verabschieden nach diesen erlebnisreichen<br />
Tagen sagte Gerhard Vockensperger zu<br />
mir: »Wissen Sie schon, dass Sie demnächst<br />
einen von zwei meiner Busse nach Hamburg<br />
zur Aufführung des Musicals »Phantom der<br />
Oper« begleiten werden?« Das traf mich derart<br />
unerwartet, zudem in der immer etwas hektischen<br />
Situation des Aussteigens, Gepäckstücke<br />
einsammelns, Kinder schnappens, dass<br />
mir, außer darauf zu schweigen, nichts einfiel!<br />
Schon wenige Tage später brachte er mir alle<br />
erforderlichen Unterlagen für die »angedrohte«<br />
Reise wie Hoteladresse, Schecks, Namensliste,<br />
aber vor allem Eintrittskarten.<br />
Nun wurde es ernst und ich bereitete mich so<br />
gut, wie man das im Vorfeld konnte, auf die<br />
Aufgabe vor. Ich sammelte Kritiken aus den mir<br />
zur Verfügung stehenden Medien, informierte<br />
mich über die Entstehungsgeschichte des Musicals<br />
und las mir die wichtigsten Aussagen<br />
Ulla Schnitzius-Laqua<br />
über die Stadt Hamburg an, wiewohl uns an allen<br />
Zielen stets eine fachkundige Führung erwartete.<br />
Die Fahrt war ausgebucht, der Busfahrer<br />
und ich waren verantwortlich für ca. 50<br />
Menschen. Ich begann allmählich, mich auf die<br />
Fahrt zu freuen.<br />
Früh am nächsten Morgen rief mich mein Kollege,<br />
der mit einer ebenso großen Gruppe in einem<br />
anderen Hotel Hamburgs untergebracht<br />
war, an und berichtete mir von einem wahren<br />
Horrorszenario anlässlich der Premiere am<br />
Vorabend. Chaoten aus der Hamburger Hafenszene<br />
hatten versucht, mit üblen Mitteln<br />
diese Premiere zu boykottieren. Es wurden Unfälle<br />
initiiert, damit der Verkehr zum Erliegen<br />
kommen sollte. Die Randalierer gingen die Besucher<br />
des Musiktheaters übel an und bewarfen<br />
sie mit Eiern und Farbbeuteln. Mein Kollege<br />
benutzte mit seiner Gruppe - nach Rücksprache<br />
mit der Hamburger Polizei - nur die U-<br />
Bahn, um weitgehend gewährleistet zu wissen,<br />
überhaupt in die Veranstaltung hineinzukommen.<br />
»Wunderbar«, dachte ich, da wir außerhalb<br />
Hamburgs wohnten und überhaupt keine andere<br />
Chance hatten, als den Veranstaltungsort<br />
mit unserem Bus anzufahren. Ich beschloss,<br />
diese heikle Situation totzuschweigen, hatte<br />
aber außer Acht gelassen, dass viele durch<br />
ihren Fernseher im Zimmer über die Tumulte<br />
am Vorabend unterrichtet waren. Die Anspannung<br />
war groß, und dennoch plädierte ich<br />
dafür, sich trotzdem schön zu machen, selbst<br />
wenn rohe Eier an uns herunterlaufen sollten!<br />
Wir erreichten das Musiktheater ohne Zwischenfälle,<br />
jedoch war bis zu diesem Ereignis<br />
niemand von uns unter soviel Polizeiaufgebot<br />
je in eine Veranstaltung gegangen. Es standen<br />
dort mit Schlagstöcken und Schäferhunden<br />
ausgestattete, meist junge Polizeibeamte,<br />
Wasserwerfer und ein großes Aufgebot an<br />
Streifenwagen - man hatte aus dem Vorabend<br />
gelernt. Ich hatte zwei Karten übrig, bot sie<br />
125
auch – eher formal - zwei sympathischen jungen<br />
Beamten an, die dann mit mir bedauerten,<br />
dass sie im Dienst waren! In der Pause konnten<br />
wir uns nur in dem neu erbauten Musiktheater<br />
aufhalten, man hatte uns aus Gründen der Sicherheit<br />
eingeschlossen! Später im Bus gestanden<br />
wir uns, dass sich nahezu jeder Einzelne<br />
nach der Veranstaltung bei den jungen Beamten<br />
für den wirkungsvollen Personenschutz<br />
bedankt hat, aber das nicht ganz ohne eine gewisse<br />
Scham!<br />
Dies war meine »Premiere« als Reiseleiterin, die<br />
sich so glücklicherweise nicht mehr wiederholt<br />
hat.<br />
Eine der darauffolgenden Fahrten ging nach<br />
Verona in die weltberühmte Freilichtarena.<br />
Auch hier trugen der Busfahrer und ich die Verantwortung<br />
für einen reibungslosen Ablauf dieser<br />
Fahrt mit einer ebenfalls großen Gruppe<br />
von Menschen. Seinerzeit waren klimatisierte<br />
Busse eher noch die Ausnahme, und ich erlernte<br />
den größten Respekt vor der Gruppe der Berufsfahrer.<br />
Wenn wir der Sonne entgegenfuhren,<br />
hatten wir nicht selten 45°C hinter der<br />
Frontscheibe. Der Schweiß rann unserem Fahrer<br />
von der Stirn, sein Hemd war durchnässt,<br />
und vor diesem Hintergrund, mit der Verantwortung<br />
all' der Menschen in seinem Rücken,<br />
hieß es beim Fahren und meist größtem Verkehrsaufkommen:<br />
äußerste Konzentration.<br />
Die Opernaufführungen auf dieser gigantischen<br />
Bühne in Verona mit 20 000 Zuschauern erlebten<br />
die meisten von uns tief beeindruckt. Ich<br />
hatte das Glück, mitten in einem italienischen<br />
Familienclan zu sitzen, war sehr schnell integriert<br />
und wurde selbstverständlich mit »abgefüttert«.<br />
Als Gegenleistung lieh ich das mitgebrachte<br />
Jagdnachtfernglas meines Vaters aus<br />
und war damit voll akzeptiert. Es wurde die<br />
Oper Nabucco des italienischen Komponisten<br />
Verdi gegeben. Als dann die letzten zarten Töne<br />
des »Gefangenenchores« (der heimlichen<br />
Nationalhymne der Italiener) verklungen waren,<br />
schlug ein rechts von mir sitzender Italiener begeistert<br />
auf meinen Oberschenkel und sprang<br />
mit tausenden anderer Italiener jubelschreiend<br />
in der Arena auf. Ich hätte nichts dagegen gehabt,<br />
hätte er sich für einen Oberschenkel der<br />
rechts von ihm sitzenden Dame entschieden,<br />
dann hätte es nämlich seine Frau getroffen! Immer<br />
wieder konnte ich mich über ein Hinweisschild<br />
vor der Arena amüsieren, worauf stand<br />
126<br />
»Das Mitnehmen von Kühlschränken ist verboten«<br />
- sicherlich sollte es heißen: »Das Mitnehmen<br />
von Kühltaschen ist verboten«!<br />
Es fasziniert mich jedesmal, wie reibungslos<br />
und schnell derart viele Menschen nach der<br />
Veranstaltung wieder verschwinden! Einmal jedoch<br />
warteten wir über die Maßen lange auf eine<br />
ältere mitreisende Dame, die unter den vielen<br />
tausend Menschen die Orientierung verloren<br />
hatte und den Standort unseres Busses<br />
nicht mehr fand. Kurz entschlossen mietete ich<br />
ein Taxi und ließ mich durch die benachbarten<br />
Straßen der Arena fahren - mit hundertprozentigem<br />
Erfolg! Nicht vergessen möchte ich auch<br />
eine nette gepflegte ältere Dame in der Gruppe,<br />
sie war ehemals Opernsängerin und auf allen<br />
Opernbühnen der Welt zu Hause. Für sie kam<br />
immer nur ein Platz in der Königsloge in Betracht<br />
- nie saß sie im Volk auf den Steinstufen -<br />
und hatte sie uns in der Menge ausgemacht,<br />
winkte sie stets freundlich!<br />
Auch erinnere ich mich an eine Fahrt zu einer<br />
Nachmittagsveranstaltung zur Oper nach Nancy/Frankreich.<br />
Ich bat im Vorfeld eindringlich,<br />
sofort nach der Veranstaltung zum Bus zu<br />
kommen, damit wir nicht allzu spät in der Nacht<br />
nach Hause kommen sollten.<br />
Im Vorfeld der Opernaufführung war es etwas<br />
hektisch, da es noch Karten zu ergattern galt,<br />
so dass ich zeitlich ganz knapp den Sessel im<br />
Opernraum erreichte. Somit hatte ich nach der<br />
Aufführung das große Bedürfnis, mit Zeit den<br />
Waschraum aufzusuchen, um mich wenigstens<br />
für die Heimfahrt frisch zu fühlen. Großzügig<br />
ließ ich einigen Damen den Vortritt, denn ich<br />
gönnte mir auch die Ruhe. Plötzlich gingen<br />
nach und nach alle Lichter aus!<br />
Ich ahnte, dass dies ein Zeichen sein sollte, das<br />
Operngebäude nun zu verlassen. Am Hauptportal<br />
angekommen, war dies bereits - einschließlich<br />
einer vorgelegten Kette - fest verschlossen.<br />
Da auch kein Personal mehr zu finden<br />
war, folgte ich dem Lärm der Umbauarbeiten<br />
im Bühnenraum und fand auch einen mitleidigen<br />
Bühnentechniker, der mich dann durch<br />
ein Labyrinth von teils unterirdischen Gängen,<br />
vorbei an Artisten, Umkleideräumen und<br />
Proberäumen zu einem Nebenausgang begleitete.<br />
Hier stand ich nun in einer nie gekannten<br />
Nebenstraße zwischen hohen Häuserwänden<br />
und brauchte meinen ganzen Orientierungssinn,<br />
um zu wissen, wie ich jetzt gehen musste,
um unseren Bus zu »erwischen«. Nun wartete<br />
einmal die ganze Gruppe auf mich, und es lag<br />
in der Natur der Sache, dass man sich ausgiebig<br />
über meine Geschichte und mich amüsierte.<br />
Durch Paris, meine Lieblingsstadt, mache ich<br />
oft lange nächtliche Wanderungen mit all' denen,<br />
die gut zu Fuß sind und bereit, sich auch<br />
auf kleine Abenteuer einzulassen.<br />
Natürlich gibt es auch schon 'mal Verärgerung,<br />
weil die Platzkarte nicht gut genug ist oder das<br />
Hotelzimmer zu klein, zu laut oder im falschen<br />
Stockwerk. Dann kann es passieren, dass meine<br />
Betroffenheit soweit geht, dass ich die<br />
Gruppe bitte, ihr Leben in den rechten Relationen<br />
zu betrachten. Die Menschen, mit denen<br />
wir - zu immer nur schönen Zielen - unterwegs<br />
sind, stehen stets »auf der Sonnenseite des Lebens«,<br />
wobei zur selben Zeit Menschen unter<br />
Unfreiheit, Folter und Hungersnot von dieser<br />
Welt gehen müssen.<br />
Musikkreis - Kulturreisen - hier hat seinerzeit<br />
ein begeisterter Musikliebhaber, Herr Vockensperger,<br />
eine Organisation ins Leben gerufen,<br />
dank derer viele Menschen in unserer ländlichen<br />
Gegend einzigartige Erlebnisse in ihr weiteres<br />
Leben mitnehmen konnten. Dabei denke<br />
ich aber auch an die vielen alleinstehenden<br />
Menschen, die sich darüber hinaus in der<br />
»Vockenspergschen Großfamilie« stets geborgen<br />
fühlen konnten und dabei häufig neue<br />
Freundschaften schlossen.<br />
Von Menschen, Naturschutz und Heiligen<br />
Eines der Projekte in der Jugendarbeit der Freiwilligen<br />
Feuerwehr Noviand war vor nicht allzu<br />
langer Zeit auf Anregung des Bürgermeisters<br />
der Verbandsgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues das<br />
Anlegen von Nistplätzen für Wander- und<br />
Turmfalken auf dem Kirchturm der Pfarrkirche<br />
Noviand, die dem heiligen Lambertus geweiht<br />
ist.<br />
Den gefährlichen Teil der Aufgabe übernahmen<br />
die Jugendfeuerwehrmitglieder Gerd und Alfons.<br />
Sie bestiegen den Glockenturm. Oben<br />
angekommen staunten sie beim Einblick in das<br />
hohe Kircheninnere, denn sie sahen dort eine<br />
Vielzahl prächtiger Heiligenstatuen im zentimeterdicken<br />
Vogelunrat stehen. Ihre Gliedmaßen<br />
waren zum Teil abgebrochen und es fehlten ihnen<br />
Köpfe. Gerd war tief beeindruckt und<br />
schlug spontan vor, die besterhaltenen Figuren<br />
vom Turm herunterzuholen und sie wieder in<br />
der Kirche aufzustellen, wo sie früher wohl einmal<br />
ihren Platz hatten.<br />
Doch zunächst wandten sie sich ihrer Aufgabe<br />
zu, die Vogelkästen aufzuhängen. Sie schaufelten<br />
den Vogelkot in Säcke und brachten diese<br />
Hiltrud Wagner<br />
nach unten. Als schon bald ein Dutzend Säcke<br />
vor der Kirche standen, kam ein Noviander<br />
Bürger vorbei, blickte diese neugierig an und<br />
fragte die beiden Jungen vorwurfsvoll: »Watt<br />
schlääft ihr dann lo ous da Kärch rous?« Die<br />
beiden Glockenturmsäuberer antworteten frei<br />
von der Leber weg: »Gold, Weihrauch und<br />
Myrrhe.«<br />
Der Einheimische überlegte nicht lange, sah<br />
sich noch einmal kurz die beiden spinnwebgeschmückten<br />
Feuerwehrmitglieder an und stellte<br />
eindeutig fest: »Nä, nä - datt gläwen eich net,<br />
datt haaten schunn anneren fier eich fattgeschlääft.<br />
Ihr zwei Dabbessen maacht en anner<br />
Orbet.«<br />
Und wer jetzt wissen will, was Menschen, Naturschutz<br />
und Heilige verbindet, der ist herzlich<br />
eingeladen, einmal den Gottesdienst in der St.-<br />
Lambertus-Kirche in Noviand mitzufeiern. Er<br />
wird dort im Altarraum zwei wunderbar restaurierte<br />
Heiligenfiguren sehen, Lambertus und<br />
Josef, zu denen wir vertrauensvoll in dem ansonsten<br />
recht kahlen Kirchenraum aufschauen<br />
können.<br />
127
Die Weihnachtsfeiertage 1997 sind in der Erinnerung<br />
meiner Familie als etwas Besonderes<br />
haften geblieben, denn »Flori« stand am Nachmittag<br />
des 26. Dezember auf unserem Programm.<br />
Wer noch immer nicht weiß, was Flori<br />
ist, dem sei hier erklärt, dass es sich um ein<br />
Rock-Musical handelt, geschrieben und komponiert<br />
im Jahre 1994 von einem musikalisch<br />
begabten jungen Mann namens Thomas<br />
Schwab, der in <strong>Bernkastel</strong>-Kues zu Hause ist.<br />
Zusammen mit seiner Freundin und Partnerin<br />
Michaela Ferres inszenierte er mit Hilfe vieler<br />
Freunde, begabter Sängerinnen und Sänger,<br />
Tänzerinnen und Tänzer und einer eigens gegründeten<br />
Band dieses phantastische Rock-<br />
Musical. Die Premiere fand am 29. März 1996<br />
in <strong>Bernkastel</strong>-Kues statt. Mit der Schlagzeile<br />
»Broadway an der Mosel« lobte die örtliche<br />
Presse diese erste Vorstellung. Viele Tausend<br />
Menschen sahen seitdem im ganzen <strong>Landkreis</strong><br />
das Musical und waren begeistert.<br />
An Weihnachten 1997 wurde Flori über die<br />
Kreisgrenzen hinaus mit einer ganz besonderen<br />
Idee aufgeführt. In der Trierer Europa-Halle<br />
lud die Truppe zu »Floris Fest«, einer Benefiz-<br />
Veranstaltung für ein krankes ausländisches<br />
Mädchen, ein.<br />
Die Europa-Halle platzte bei allen drei Aufführungen<br />
aus den Nähten. Als das Licht langsam<br />
verlosch, die Bühne in zauberhaftem Licht<br />
erstrahlte und zarter wunderschöner Gesang,<br />
getragen von einer einfach schönen Melodie,<br />
einsetzte, befanden wir uns schnell mitten in<br />
Floris Märchenland, das sehr aktuelle Bezüge<br />
hat. Die Geschichte handelt von vielfach herrschender<br />
Gefühlskälte, Egoismus und dem<br />
Raubbau an der Natur. Aber, wie das immer so<br />
in einem Märchen ist, es endet glücklich.<br />
Überwältigt von diesem schönen Musical-Ereignis<br />
gaben wir, wie all die vielen Zuschauer,<br />
mit stehenden Ovationen und lang andauerndem<br />
Beifall unsere Begeisterung über die Leistung<br />
all der jungen Akteure kund. Da soll noch<br />
einmal einer sagen, die Jugend von heute sei<br />
128<br />
»Flori«<br />
das kulturelle Event im <strong>Landkreis</strong><br />
Claudia Schmitt<br />
nur passiv! »Flori« schaffte 1998 kurzfristig den<br />
Sprung in das Rhein-Main-Theater Niedernhausen<br />
bei Wiesbaden. Dort erntete es wie<br />
auch in unserer Gegend von 6 000 Zuschauern<br />
nur Lob und Anerkennung.<br />
In den letzten zwei Jahren war die Flori-Truppe<br />
mit hervorragenden Konzert-Tourneen im<br />
<strong>Landkreis</strong> sehr rührig. So trat sie mit den Programmen<br />
»Musical-Moments«, »Christmas<br />
Moments« und »Movi-Moments« überall auf<br />
Bühnen im <strong>Landkreis</strong> auf. Seit der Uraufführung<br />
haben mehr als 60 000 Menschen im<br />
<strong>Landkreis</strong> sowohl Flori als auch die Konzert-<br />
Programme gesehen.<br />
Den jungen Leuten und ihrem wundervollem<br />
Rock-Musical »Flori« ist ein dauerhafter bundesweiter<br />
Durchbruch zu wünschen.<br />
Die Waldfee aus dem Musical »Flori«
Aus der<br />
Geschichte<br />
des<br />
<strong>Landkreis</strong>es
Stellen Sie sich vor, in allen regionalen und<br />
überregionalen Medien lesen Sie die sensationelle<br />
Meldung, die Jahrtausendfeier würde um<br />
sechs Jahre verschoben werden, da jüngste<br />
Berechnungen des christlichen Kalenders<br />
übereinstimmend ergeben hätten, die Geburt<br />
Christi habe tatsächlich schon im Jahre »6 v.<br />
Chr.« stattgefunden. Käme diese Meldung am<br />
1. April, würde man schmunzelnd zur nächsten<br />
Tagesordnung übergehen, da wohl jeder diese<br />
Nachricht für einen Scherz hielte.<br />
Kennzeichen des – mehr oder minder – intelligenten<br />
Aprilscherzes ist, und das unterscheidet<br />
ihn vom gewöhnlichen »in den April<br />
schicken«, sein Bezug zum aktuellen Tagesgeschehen,<br />
wobei die epochale Bedeutung des<br />
angeführten Beispiels natürlich auch das Mitwirken<br />
überregionaler Medien erforderlich gemacht<br />
hätte, um zumindest eine leichte Unsicherheit<br />
oder gar Zweifel am gültigen Tagesdatum<br />
hervorzurufen.<br />
Es bedarf natürlich nicht eines solchen einmaligen<br />
Jahrtausendereignisses, um die Zeitungsmacher<br />
zu Aprilscherzen zu veranlassen, dafür<br />
liefern schon die Kommunalpolitik oder ganz<br />
einfach die zeitgenössischen Trends genügend<br />
Anhaltspunkte, die als Aufhänger für einen Ulk<br />
dienen können.<br />
Der Blick in die Brockhaus-Enzyklopädie lehrt<br />
uns, dass das früheste Beispiel eines Aprilscherzes<br />
in Deutschland aus dem Jahre 1631<br />
stammt. 1 Bis er jedoch Eingang in das <strong>Wittlich</strong>er<br />
Tageblatt fand, vergingen allerdings exakt<br />
300 Jahre, denn für das Jahr 1931 ist er erstmals<br />
im genannten Medium belegt: »Zur Hebung<br />
des Fremdenverkehrs in <strong>Wittlich</strong> ist man<br />
hier auf eine sehr originelle Idee gekommen«,<br />
heißt es in diesem ersten Bericht, denn mit<br />
»Beginn der schönen Jahreszeit soll die alte<br />
Postkutsche wieder in Funktion treten«. Dazu<br />
sollten die »Straßen mit den herrlichsten Ausblicken«<br />
während eines bestimmten Zeitraumes<br />
für Autos gesperrt werden, damit die Na-<br />
130<br />
Der Aprilscherz als Spiegelbild des<br />
zeitgenössischen Geschehens<br />
Klaus Petry<br />
turfreunde in ihrer Fahrt mit dem alten Postwagen<br />
ungestört die Schönheiten der Mosel- und<br />
Eifellandschaften genießen könnten. 2 Diesem<br />
Bericht folgte unmittelbar ein zweiter: »Die<br />
Stadt <strong>Wittlich</strong> kauft Gold. Wir erfahren aus der<br />
geheimen Stadtratssitzung von vorgestern,<br />
daß beschlossen worden sei, den Überschuss<br />
des letzten Rechnungsjahres in Feingold anzulegen.<br />
Man weiß tatsächlich nicht, was man dazu<br />
sagen soll. In der heutigen Zeit! Bei dieser<br />
Not! Wir würden eine Kundgebung auf dem<br />
Marktplatz heute nachmittag um 5 Uhr empfehlen,<br />
wenn sie nicht durch die Notverordnungen<br />
verboten worden wäre, um den Stadträten<br />
gründlich ihre Aprilscherze zu vertreiben.« 3<br />
Bei diesem Bericht ist es schon fast überflüssig<br />
zu erwähnen, dass der tags zuvor in derselben<br />
Zeitung publizierte Schuldenstand der Stadt<br />
<strong>Wittlich</strong> am 31. März 1931 ganze 801 890, 46<br />
Reichsmark betrug. 4 Die Stadtverordneten hätten<br />
bei Schuldenfreiheit des städtischen Haushaltes<br />
vielleicht ganz gerne einen erwirtschafteten<br />
Überschuss in wertbeständigem Feingold<br />
angelegt, schließlich waren die Erfahrungen<br />
der Inflation von 1923 noch unvergessen.<br />
Ihren Beschluss einen Aprilscherz zu nennen,<br />
darf vielleicht als dezenter Hinweis für den Leser<br />
aufgefasst werden, dass diese Meldung<br />
doch nicht allzu ernst genommen werden sollte.<br />
»Deutschland gilt bekanntlich als das Land,<br />
das an wirklich politischen Köpfen am ärmsten<br />
ist«, so beginnt genau ein Jahr später ein Bericht<br />
5 , der, mit Bild versehen, einen Apparat,<br />
»der Politiker entdeckt«, vorstellt. Sein Geheimnis<br />
beruhe »auf der für den Laien schwer<br />
verständlichen psychophysischen Strahlungstheorie«;<br />
das mag für die – erfundene – Technik<br />
stimmen, für den Wahrheitsgehalt der Meldung<br />
aber bestimmt nicht.<br />
Der nächste Aprilscherz erschien vier Jahre später:<br />
»Genaue Nachmessungen haben ergeben,<br />
dass der 50ste Breite(n)grad, der durch den
Der Apparat, der Politiker entdeckt - abgedruckt im <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt am 1. April 1932<br />
Mainzer Dom läuft, auf der Gemarkung <strong>Wittlich</strong><br />
genau durch den Garten und die Oekonomiegebäude<br />
des alten Burgwirts Wampach geht. Unter<br />
Mitwirkung von interessierten Kreisen wird<br />
deshalb heute mittag um 3 Uhr eine kleine Feier<br />
stattfinden, verbunden mit einer Rede des Herrn<br />
Burgwirtes und mit der Grundsteinlegung für ein<br />
zukünftiges Denkmal. Anschließend wird ein<br />
kleiner Festzug bis Hotel Mürtz sein, wo sich die<br />
Teilnehmer noch zu einem gemütlichen Beisammensein<br />
finden werden. Die Bewohner der Kalkturmstraße<br />
werden gebeten, aus obigem Grunde<br />
die Häuser zu schmücken.« 6<br />
Zur Person des »Burgwirts« ist hier zu sagen,<br />
dass er 1907 den Plan fasste, am Eingang des<br />
Liesertales die »Felsenburg«, eine Sommerwirtschaft,<br />
zu gründen und dort seine »weltberühmten«<br />
Grenadierschnittchen, die man sogar<br />
in Greimerath kannte, seinen Gästen anzubieten.<br />
Der Ausgang des Weltkrieges ließ ihn<br />
die »Felsenburg« aufgeben, seine Versuche anderweitig<br />
tätig zu werden, schlugen fehl, so-<br />
dass er 1931 wieder in das Liesertal zog, wo er<br />
sich neben der »Felsenburg« ein neues Häuschen<br />
baute, das er »Sanssouci« nannte. Wie<br />
schon die »Felsenburg« war auch dieses Haus<br />
als kleine Sommerwirtschaft gedacht, selbstverständlich<br />
mit Grenadierschnittchen. 7<br />
Im Jahre 1937 »erbrachte« eine Tiefenbohrung<br />
in der Lehmgrube der Ziegelei den »Nachweis«<br />
von Erdpech. 8 Die der »Untersuchungsanstalt<br />
für Schizophrenie der Universität Bonn« zugeschickten<br />
Proben hätten einen Rohölgehalt von<br />
88 Prozent, etwa 20 Prozent Asphalt und zwei<br />
Prozent Wasser ergeben, der Rest verteile sich<br />
auf Mineralstoffe. Bei konstantem Zufluss, so<br />
folgerte man weiter, »würde sich ein Industrie-<br />
Konzern die umliegenden Grundstücke sichern«.<br />
1939 wurde bei Ausschachtungsarbeiten<br />
für eine Wassergewinnungsstelle auf dem<br />
Gelände der SA-Dankopfersiedlung am Bergweilerweg<br />
in acht Meter Tiefe sogar eine »Kanone«<br />
aus der »Bronzezeit« gefunden, zusammen<br />
mit fünf Kugeln in der »Größe eines<br />
131
Holländerkäses«. 9 Die Bevölkerung war herzlich<br />
eingeladen, die Fundstelle zu besichtigen,<br />
wozu der »Siedlungsbürgermeister« bereitwilligst<br />
die Begleitung übernehmen wollte; allerdings<br />
sollte beim Betreten des Geländes auf<br />
die bereits fertigen Gartenanlagen Rücksicht<br />
genommen werden.<br />
Aus der Kriegszeit sind keine Aprilscherze bekannt,<br />
verständlich, da die räumliche Nähe der<br />
ersten Gefallenenanzeigen zu dieser Art von<br />
Berichterstattung wohl zu Recht als unpassend<br />
empfunden wurde. 10<br />
1951 wurde dann von einer ergiebigen Wasserquelle<br />
berichtet, die ein Erdbeben in der Eifel<br />
unweit vom Hochbehälter auf dem Afferberg<br />
zum Fließen gebracht hätte. 11 Da es ein Leichtes<br />
wäre, mit einer kurzen Rohrleitung das<br />
Wasser zum Behälter zu führen, könnte die<br />
kostspielige Pumperei vom Schaff zu den Wasserbehältern<br />
am Afferberg und auf dem Gänsberg<br />
entfallen und das Wasser somit billiger<br />
abgegeben werden; außerdem könnte dann<br />
die Stadt auf das Wassergewinnungsgebiet<br />
rechts der Lieser verzichten und dort Baugelände<br />
ausweisen.<br />
Ein Jahr später konnten beim Ortsbürgermeister<br />
von Wahlholz am 1. April »bis 13 Uhr« zwei<br />
Dutzend Bisamratten besichtigt werden, die im<br />
Biberbach bei Wengerohr ausgesetzt werden<br />
und die »Grundlagen zu einer intensiven Zucht«<br />
bilden sollten. 12<br />
Unter dem Titel »Fußmärsche am Pleiner Viadukt<br />
werden entschädigt« wollte die Bahn<br />
1953 allen Personen, die seit 1945 den ganzen<br />
Tarifpreis entrichtet hatten, obwohl sie an der<br />
Umsteigestelle jedesmal etwa 400 Meter zu<br />
Fuß zurücklegen mussten, was bei einer einmaligen<br />
Hin- und Rückfahrt an 300 Fahrtagen<br />
jährlich immerhin einer Wegstrecke von etwa<br />
240 Kilometern entsprach, den zuviel gezahlten<br />
Fahrpreis erstatten. Dazu wurde um die Abgabe<br />
eines ausgefüllten Vordruckes gebeten, der<br />
am 1. April an allen Schaltern der Bahnstrecke<br />
<strong>Wittlich</strong> – Daun erhältlich war. 13<br />
Offensichtlich beflügelten die sichtbaren Auswirkungen<br />
des deutschen »Wirtschaftswunders«<br />
auch die Phantasie der Journalisten,<br />
denn 1954 hieß es: »Ringstraße um das <strong>Wittlich</strong>er<br />
Tal. Ein Großprojekt auf weite Sicht – Viele<br />
Gemeinden werden einbezogen«. Diese<br />
Straße, die eine vorläufige Begrenzung des<br />
Stadtgebietes von <strong>Wittlich</strong> darstellen und von<br />
132<br />
der Nebenstraßen wie Speichen eines Rades<br />
abzweigen sollte, hätte am Industriegebiet bei<br />
Wengerohr begonnen. Ihr weiterer Verlauf hätte<br />
die Ortschaften Belingen, Berlingen, Bombogen,<br />
Dorf, Neuerburg und Lüxem umschlossen,<br />
wäre dann an die bereits bestehende Autobahn<br />
bei Hasborn herangeführt worden, hätte<br />
die Straße Minderlittgen-Großlittgen etwa<br />
auf der Höhe von Musweiler durchschnitten,<br />
diesen Ort jedoch ausgespart, »wogegen sich<br />
die Gemeinde noch zur Zeit heftig wehrt« und<br />
wäre dann unter Einschluss von Hupperath<br />
über die Hupperather Höhe nach Bergweiler<br />
verlaufen. Dieser Ort war für die Errichtung von<br />
Sanatorien und Erholungsstätten vorgesehen.<br />
Im Südosten hätte dieser Ring Altrich mit Büscheid<br />
und Platten umschlossen, um in Wengerohr<br />
wieder auf den Ausgangspunkt zu<br />
stoßen. 14 Ein gewaltiges Projekt, dessen Verwirklichung<br />
sicherlich die Errichtung mehrerer<br />
Straßenbauämter gerechtfertigt hätte. Aber damit<br />
nicht genug, denn in derselben Zeitungsausgabe<br />
war weiterhin zu lesen, der Stadtrat<br />
habe in einer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen,<br />
die »Diäten der Stadtverordneten<br />
um hundert Prozent zu erhöhen.« 15 Der Beschluss<br />
sollte vorläufig nur für ein Jahr gelten,<br />
und Aussprachen und Abstimmung hätten bis<br />
Mitternacht gedauert. Derartiges wäre heute<br />
auf Bundes- oder Landesebene schneller entschieden.<br />
»Kehrt man wieder zu alten Methoden zurück?<br />
Französische Aufkaufkommission wird heute<br />
auch bei uns Buntmetall erfassen«, hieß es ein<br />
Jahr später in Anspielung an die Sammelwut<br />
der Nazis. 16 Dazu sollte in den Städten des französisch<br />
besetzten Gebietes eine Aufbaukommission<br />
zu höchsten Tagespreisen »Abfallweißblech<br />
und Buntmetall sammeln«. Am 1.<br />
April 1955 wurde den <strong>Wittlich</strong>ern die Gelegenheit<br />
gegeben, ab 13 Uhr auf dem Schweinemarkt<br />
gleich neben der städtischen Waage ihre<br />
nicht mehr benutzten Gegenstände aus diesem<br />
Metall wiegen und preislich abschätzen zu<br />
lassen. Die Sammelaktion sollte dazu dienen,<br />
– ähnlich wie es einmal auch bei uns geschah –,<br />
»die knapp gewordenen Metallgegenstände für<br />
die Produktion von Befestigungen in Nordafrika<br />
und von Panzerplatten aufzufüllen, damit im<br />
Rahmen der neuen Rüstungsverträge übernommene<br />
Aufgaben erfüllt werden können.«<br />
Dreizehn Jahre später, 1968, ist in der Zeitung
ein Aprilscherz zu finden, dessen bauliche Dimension<br />
alle Rekorde bricht und die Fantasie<br />
des Berichterstatters auszeichnungswürdig<br />
macht. Diesmal hatte man sich den Nachbarort<br />
Dreis vorgenommen. 17 Hier plante man, da »eine<br />
geeignete Kreisstadt für den angestrebten<br />
Mittelmoselkreis« nicht zu finden war, einen<br />
Wohnturm von 1 050 Meter Höhe zu bauen,<br />
dessen 325 Stockwerke Platz bieten sollten für<br />
7 250 Wohnungen, vier Kirchen, 14 Schulen,<br />
verschiedene Kindergärten, Krankenhäuser, eine<br />
Spezialklinik für Asthmakranke, Hotels,<br />
Theater, zahlreiche Geschäfte und Kaufhäuser,<br />
Kinos und vor allem ein Kursanatorium mit<br />
Wandelhallen und Trinkbrunnen für das bekannte<br />
Dreiser Mineralwasser. Dem 2,2 Milliarden-Projekt<br />
stünde der »dynamische 48jährige<br />
Bürgermeister und Kommunalpolitiker K. S.«<br />
keineswegs ablehnend gegenüber, zumal er<br />
davon überzeugt sei, »daß die zusätzlichen<br />
19 000 Einwohner von der expansionsfähigen<br />
<strong>Wittlich</strong>er Schwerindustrie zum größten Teil<br />
‚geschluckt‘ werden würden.« Man wisse zwar<br />
noch nicht, ob der Bau dieses Wohnturms baupolizeilich<br />
genehmigt werden könne, da es<br />
nach Auskunft des Kreishochbauamtes in den<br />
deutschen Baugesetzen für Projekte dieser<br />
Größenordnung noch keine Gesetze gibt, es<br />
sei jedoch anzunehmen, dass die Baugenehmigung<br />
im Schnellverfahren erreicht werden<br />
könne, da schließlich »die Gemeinde Dreis mit<br />
den zu erwartenden 20 000 Einwohnern die<br />
größte Gemeinde in dem erstrebten Großkreis<br />
darstellt und in dem geplanten Wohnturm<br />
genügend Raum für Verwaltungszwecke und<br />
Repräsentation bieten kann.« Das wäre was<br />
gewesen, wenn die Dreiser den <strong>Wittlich</strong>ern auf<br />
die Köpfe hätten blicken können und ihnen<br />
überdies noch den Rang einer Kreisstadt abgelaufen<br />
hätten!<br />
Von ungleich bescheideneren Dimensionen,<br />
aber geradezu typisch für die Persiflage eines<br />
kurzfristigen Trends, ist der Aprilscherz, den<br />
der Wochenspiegel sich für das Jahr 1998 ausgedacht<br />
hatte. 18 Mit den Worten des Bürgermeisters,<br />
»aber junge Talente müssen schließlich<br />
unbedingt gefördert werden«, begründete<br />
er die »Welt-Premiere« des Schlagersängers<br />
Guildo Horn als Vertreter der naiven Malerei,<br />
dessen Werke am 1. April ab 19 Uhr im Meistermann-Museum<br />
den <strong>Wittlich</strong>ern präsentiert<br />
würden, selbstverständlich mit den Nussecken<br />
von Mama Horn. Der »Künstler«, wie immer mit<br />
Zottelhaaren und unrasiert, war sogar, leicht<br />
schalkig lächelnd, mit einem seiner ersten<br />
»Werke«, »Hommage an Steffi Graf«, abgebildet.<br />
Damit ist die Blütenlese einer Auswahl früher<br />
Aprilscherze in der Zeitung beendet, wobei nur<br />
die beiden letzten eine chronologische Ausnahme<br />
sind, da deren Gigantomanie bzw. typischer<br />
Zeitbezug eine besondere Erwähnung<br />
wert waren. Wie man sieht, waren und sind die<br />
Fantasien dieser schreibenden Ideentalente<br />
unbegrenzt, und so darf man – wie eigentlich<br />
jedes Jahr – gespannt sein, was ihnen noch alles<br />
zu diesem speziellen Datum, nämlich dem<br />
1. April, einfallen wird.<br />
Anmerkungen<br />
1 Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 1, Wiesbaden 1966 17 , S. 629.<br />
2 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1931, Nr. 76, 1 vom 1. April.<br />
3 Ebd.<br />
4 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1931, Nr. 75, 1 vom 31. März.<br />
5 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1932, Nr. 75, 1 vom 1. April.<br />
6 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1936, Nr. 77, 1 vom 1. April.<br />
7 Zur Goldenen Hochzeit des Ehepaares Wambach-Asmann, in:<br />
<strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1942, Nr. 202 vom 29. August.<br />
8 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1937, Nr. 74, 1 vom 1. April.<br />
9 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1939, Nr. 77 vom 1. April.<br />
10 Bezeichnend für das Humorverständnis der Nazis ist die Feststellung,<br />
dass bei der Durchsicht der Jahrgänge 1930 bis 1944 des<br />
(Trierischen) Nationalblattes kein Aprilscherz gefunden werden<br />
konnte.<br />
11 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1951, Nr. 76 vom 31. März/1. April.<br />
12 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1952, Nr. 79 vom 1. April.<br />
13 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1953, Nr. 78 vom 1. April.<br />
14 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1954, Nr. 78 vom 1. April.<br />
15 Ebd.<br />
16 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt 1955, Nr. 78 vom 1. April.<br />
17 Trierischer Volksfreund 1968, Nr. 78 vom 1. April.<br />
18 Wochenspiegel 1998, 14. Woche vom 1. April.<br />
133
Schon seit Urzeiten machte der Mensch sich<br />
die Nutzbarkeit von Pferden und Kühen zu Eigen,<br />
die gleichzeitig auch als Zugtiere dienten.<br />
Um diese Zugtiere auf rauen, geschotterten<br />
Wegen vor schmerzhaften Verletzungen zu bewahren,<br />
mussten Schutzvorrichtungen für die<br />
Hufe entwickelt werden.<br />
Als optimaler Schutz erwies sich das Hufeisen.<br />
Das »Beschlagen« bzw. »Aufziehen« erforderte<br />
vom Hufschmied handwerkliches Können und<br />
ein gewisses Einfühlungsvermögen im Umgang<br />
mit den Tieren.<br />
Besondere Vorsicht war bei der Nagelung geboten,<br />
denn er durfte dabei »nicht ins Leben«<br />
treffen. Bei Pferden kam es erschwerend hinzu,<br />
dass die Rohlinge glühend angepasst und aufgebrannt<br />
werden mussten.<br />
Vereinzelt wird der Beruf des Hufschmiedes<br />
noch heute ausgeübt, da der Reitsport bei<br />
Jung und Alt beliebt ist.<br />
134<br />
Der Hufschmied<br />
Fritz Werner
1923: Die Inflation schlägt zu!<br />
Not und Elend in den Kreisen <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong><br />
Am 12. Januar 1923 besetzen französische und<br />
belgische Truppen das Ruhrgebiet. Sie wollen<br />
sich mit Gewalt rückständige Kohle- und Holzlieferungen<br />
beschaffen, die Deutschland als<br />
Verlierer des Ersten Weltkrieges den Siegermächten<br />
schuldet. Die Reichsregierung unter<br />
Gustav Stresemann ruft daraufhin die Menschen<br />
an der Ruhr zum »passiven Widerstand«,<br />
also zum Generalstreik, auf. Jetzt muss sie Woche<br />
für Woche Millionen von streikenden Ruhrarbeitern,<br />
Angestellten und Beamten finanziell<br />
unterstützen. In 30 Druckereien werden massenweise<br />
neue Geldscheine gedruckt, so dass<br />
die bereits stark angeschlagene Reichsmark<br />
unaufhörlich an Wert verliert. Preise und Löhne<br />
steigen bei geringem Angebot in unermessliche<br />
Höhen (= Inflation). Die Deutschen werden<br />
über Nacht zu Millionären oder Milliardären und<br />
sind doch »arm wie die Kirchenmäuse«. Stündlich<br />
klettern die Preise weiter – und ein Ende ist<br />
nicht in Sicht. 1<br />
Auch die Kreise <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong>, seit<br />
September 1919 französisches Besatzungsgebiet,<br />
bleiben von den Auswirkungen der Inflation<br />
nicht verschont, und das betont auch Paul<br />
Kuhn, der Volksschullehrer von Brauneberg;<br />
denn seine Aufgabe ist, die Schulchronik immer<br />
auf dem neuesten Stand zu halten. Für seine<br />
Arbeit in der Schule erhält er am 1. Oktober<br />
1923 acht Milliarden Papiermark als Monatsgehalt.<br />
»Ich könnte mich als Milliardär fühlen, aber<br />
das Geld ist nichts wert, und die Zeit ist so trau-<br />
Oliver Jentjens<br />
rig und chaotisch!« Sein Freund, der Küster<br />
Haubrich aus Hetzerath, erhält Anfang November<br />
für das Aufziehen der Gemeindeuhr pro<br />
Stunde 50 Millionen Papiermark. 2<br />
Aber die eigenen Erfahrungen sind Kuhn zu<br />
wenig. Er weiß, dass die Nachwelt sich für das<br />
Inflationsjahr 1923 später interessieren wird.<br />
So beschafft er sich zahlreiche Informationen,<br />
indem er die <strong>Landkreis</strong>e <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong><br />
bereist. Er spricht mit der Frau des Landrats<br />
Dr. Simons; sie erzählt ihm von der »<strong>Wittlich</strong>er<br />
Nothilfe«, die sie mit gegründet hat. »Diese<br />
schwere Zeit können wir nur gemeinsam<br />
überstehen. Vor allem die Kleinkinder, Arbeitslosen<br />
und Kranken sind besonders schlimm<br />
dran, und für die sammeln wir Brot, Speiseöl,<br />
Fett und Geld. Fast jeder, der die abgemagerten<br />
Gestalten in der langen Schlange vor unserem<br />
Schuppen sieht, hat Tränen in den Augen,<br />
weil er so viel menschliches Elend in <strong>Wittlich</strong><br />
nicht vermutet.« 3 Frau Simons Augen glänzen<br />
plötzlich vor Freude, als Metzgermeister Roden<br />
mit zwei Gesellen und großen Papiertüten mit<br />
Knochen erscheint. Die Gründerin der »Nothilfe«<br />
weiß: diese Knochen ergeben heute eine<br />
kräftige Suppe für viele Menschen in der<br />
Schlange. Auch viele Winzer helfen mit. »Dort<br />
in der Ecke«, deutet Frau Simons stolz hin,<br />
»stehen acht Kisten mit Wein, die wir verkaufen,<br />
um den besonders Schwachen, Kranken<br />
und Kindern eine dürftige Fleischmahlzeit zu<br />
geben.« Der Volksschullehrer aus Brauneberg<br />
Vorder- und Rückseite eines Inflations-Geldscheines aus dem Kreis <strong>Wittlich</strong> 1923<br />
135
ist tief erschüttert, als er den Vorratsschuppen<br />
der »<strong>Wittlich</strong>er Nothilfe« verlässt. Dort hat er<br />
auch erfahren, dass es immer noch egoistische<br />
Landwirte gibt, die ihre Produkte lieber im eigenen<br />
Haushalt halten, als sie zu verkaufen oder<br />
zu spenden. Es gibt auch einige, die bereits seit<br />
Kriegsende noch brauchbares Obst, das der<br />
Ernährung hilfsbedürftiger Menschen dienen<br />
kann, zur Herstellung von Branntwein für den<br />
eigenen Gebrauch verwenden, und das ist<br />
streng verboten – in dieser düsteren Zeit müssen<br />
alle Menschen zusammenhalten. 4<br />
Auf seinem weiteren Weg durch die Stadt kommen<br />
dem Mann aus Brauneberg zehn mürrisch<br />
aussehende Bauarbeiter der Firma Stuckert<br />
entgegen, und er ist natürlich neugierig, was<br />
sie so bedrückt. »Seit Anfang März streiken wir.<br />
Das ist ja wohl ein Witz, in dieser Zeit 918 Papiermark<br />
Stundenlohn zu erhalten. Wir verlangen<br />
aber mindestens 1 705 Mark pro Stunde,<br />
sonst sieht uns keiner in dieser Firma wieder.<br />
Mal seh’n, ob der Stuckert uns braucht oder<br />
nicht. Wir halten noch lange durch!« 5 Kuhn weiß<br />
zu genau, dass diese flotten Sprüche nicht<br />
ernst zu nehmen sind, denn die verzweifelten<br />
Männer müssen mit ihren Familien ja überleben.<br />
Da kann es schnell passieren, dass sie<br />
wutentbrannt aufs Land ziehen und bei den<br />
Bauern die Herausgabe von Lebensmitteln gewaltsam<br />
erzwingen. Diese Fälle häufen sich in<br />
letzter Zeit. 6<br />
Der Volksschullehrer ist neugierig und möchte<br />
für seine Chronik noch mehr Einzelheiten erfahren;<br />
sein Wunsch stößt auf Verständnis. Einer<br />
der Männer lädt ihn zu sich nach Hause ein, damit<br />
er sich ein Bild über eine einfache Arbeiterfamilie<br />
machen kann. Was er da sieht, verschlägt<br />
ihm den Atem. Die Wohnung ist sehr<br />
dürftig eingerichtet, Fenster und Dach sind undicht,<br />
modriger Geruch erfüllt die Stube, und<br />
im hinteren Teil der Zweizimmer-Wohnung<br />
stellt der Arbeiter ihm seine schwangere Frau<br />
vor, die kurz vor der Entbindung steht. Das Gesicht<br />
des Gastgebers ist sorgenvoll, weil er<br />
nicht weiß, wie er die Entbindungskosten für<br />
die Hebamme zwischen 12 000 und 25 000<br />
Mark bezahlen soll – und sie können täglich<br />
weiterhin rasant steigen. 7<br />
Kuhn überlegt, wie sich wohl die Kirche in dieser<br />
chaotischen Zeit verhält. Er meldet sich<br />
beim Sitz des Bischofs in Trier an. Bereitwillig<br />
empfängt ihn ein Vertreter des »Oberhirten«<br />
136<br />
Franz Rudolf Bornewasser und erteilt ihm Auskunft:<br />
»Wir alle müssen in dieser schweren Zeit<br />
mit vereinten Kräften riesige Mengen an Lebensmitteln<br />
sammeln. Auf keinen Fall dürfen<br />
wir Alte, Schwache, Kranke und die notleidenden<br />
Kinder vergessen!«, betont der Kirchenmann<br />
eindringlich. »Wohlhabende Familien<br />
sollen aus christlicher Überzeugung Schlafstellen<br />
zur Verfügung stellen! Der gemeinsame<br />
Glaube an Gott wird auch dieses Leid überstehen<br />
helfen!« Nach dem Gespräch sieht es der<br />
Brauneberger als seine Pflicht an, ein kurzes<br />
Gebet im Trierer Dom zu sprechen. Da stellt er<br />
fest, dass die ihm bekannten Opferstöcke umgebaut<br />
sind, damit sie die großen und zahlreichen<br />
Papiermarkscheine aufnehmen können. 8<br />
Der Lehrer fährt in sein Heimatdorf Brauneberg<br />
mit dem Leiterwagen eines Bekannten zurück<br />
und versucht seine zahlreichen Erlebnisse zu<br />
verarbeiten. Einerseits ist er von so viel Leid erschüttert,<br />
andererseits ist er froh, dass er viele<br />
Informationen für seine Chronik erhalten hat;<br />
denn er möchte die bitteren Zustände des Inflationsjahres<br />
1923 für die Nachwelt naturgetreu<br />
niederschreiben.<br />
Mit der Einführung der Rentenmark (= 1 Billion<br />
Papiermark) Ende November 1923 tritt schrittweise<br />
eine Verbesserung der Lage ein. Sparmaßnahmen<br />
und Steuererhöhungen sorgen<br />
wieder für gefüllte Staatskassen; auch die Wirtschaft<br />
erholt sich allmählich im Jahr 1924. 9<br />
Anmerkungen:<br />
1 Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, in: Oldenbourg. Grundriß<br />
der Geschichte, Bd. 16), München 1994, S. 43 ff. Rudolf Müller:<br />
Trier in der Weimarer Republik (1919-1933), in: Kurt Düwell/Franz<br />
Irsigler (Hrsg.): 2 000 Jahre Trier, Bd. 3: Trier in der Neuzeit,<br />
Trier 1988, S. 503.<br />
2 Andreas Wisniewski: Gemeinde Hetzerath; in: Günter Hesse/Andreas<br />
Wisniewski (Hrsg.): Geschichte einer Verbandsgemeinde zwischen<br />
Vulkaneifel und Mosel; <strong>Wittlich</strong>-Land 1990, 793. Franz<br />
Schmitt: Chronik von Brauneberg und Filzen, Brauneberg/Filzen<br />
1988, S. 347.<br />
3 Gerd Bayer: Notgeld von 1918 - 1923 und 1947 im Gebiet des heutigen<br />
Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, <strong>Wittlich</strong> 1994.<br />
4 ebd.; <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt vom 24.02.1923; 18.08.1923;<br />
11.09.1918; 04.10.1919.<br />
5 Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 498, Nr. 383.<br />
6 <strong>Wittlich</strong>er Tageblatt vom 18.08.1923.<br />
7 Bayer, (wie Anm. 3), S. 12 f.<br />
8 Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 1923, Nr. 7 (Beiblatt<br />
Nr. 4), S. 5 und Nr. 8, S. 64; vgl. auch Oliver Jentjens: Die politische<br />
und sozioökonomische Entwicklung in den Anfangsjahren der Weimarer<br />
Republik im Raum des heutigen <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong>. (Hausarbeit für die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an<br />
Grund- und Hauptschulen), Koblenz 1993, S. 143 f. und Anhang<br />
21-23.<br />
9 Helmut M. Müller: Schlaglichter der deutschen Geschichte, hrsg. v.<br />
d. Bundeszentrale f. politische Bildung, 2. Aufl., Bonn 1990, S. 243.
Die Geschichte eines Fotos<br />
Beim Durchblättern eines Kriegsalbums des<br />
ehemaligen Flak-Offiziers Theodor Sissimato,<br />
eines langjähriges Mitglieds des Ortsverbandes<br />
Bonn der Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte<br />
Rheinland, fiel dem Autor ein Foto<br />
ins Auge, das das Wrack eines französischen<br />
Flugzeuges zeigt (s. Abbildung).<br />
Beim Nachfragen erfuhr er, dass es sich um<br />
den Abschuss eines Flakregiments handele,<br />
das damals im Raum Mosel-Hunsrück gelegen<br />
habe. Näheres könne vielleicht ein ehemaliger<br />
Angehöriger dieser Einheit, Ernst Bodensteiner<br />
aus Traben-Trarbach, berichten. Umgehend<br />
gelang es dem Autor, diesen ausfindig zu machen<br />
und mit ihm ins Gespräch zu kommen.<br />
Ernst Bodensteiner, zu Kriegsbeginn Oberleutnant<br />
und Chef einer Stabsbatterie, wirkte seit<br />
Sommer 1938 an der Neuaufstellung der Festungsflak-Abteilung<br />
31 in Trier mit. Im August<br />
1939 wurde die Stabsbatterie mit Nachrichtenzug<br />
und Mess-Staffel nach Traben-Trarbach<br />
verlegt.<br />
Die Festungsflak-Abteilung war in die Luftverteidigungszone<br />
West eingegliedert und<br />
umfasste zu diesem Zeitpunkt neben der<br />
Stabsbatterie eine 1. Batterie (8,8 cm-Geschütze),<br />
eine 4. Batterie (3,7 cm-Geschütze) und ei-<br />
- ein Zeitzeuge berichtet -<br />
Horst Schuh<br />
ne 6. Batterie (Scheinwerfer). Die meisten<br />
Mannschaften und Unteroffiziere stammten<br />
aus Thüringen und Sachsen, die Rekruten wurden<br />
aus dem Rhein-Mosel-Raum eingezogen.<br />
Die Ausbildung der Soldaten und der Aufbau<br />
als Flak-Regiment vollzogen sich schon in Friedenszeiten.<br />
Potez 637 Nr. 25 (Foto: Sissimato/Bodensteiner)<br />
Nach dem deutschen Überfall auf Polen im<br />
September 1939 befand sich das Deutsche<br />
Reich im Kriegszustand auch mit Frankreich<br />
und England. Während im Osten die deutschen<br />
Truppen Polen überrannten, entwickelten sich<br />
die Bodenkämpfe im Westen zum »Sitzkrieg«.<br />
Auch in der Luft beschränkten sich die Bewegungen<br />
überwiegend auf Aufklärungsflüge, die<br />
aber die Jagdflieger und die Flugabwehr auf<br />
den Plan riefen.<br />
Bei Kriegsbeginn wurden das Flak-Regiment<br />
31 mit der 1. (schweren) Batterie nach Lückenberg<br />
bei Thalfang und der 6. (Scheinwerfer-)<br />
Batterie nach Irmenach-Sohren verlegt. Am 20.<br />
September erreichte den Chef der Stabsbatterie<br />
in Traben-Trarbach die Meldung vom Absturz<br />
eines französischen Aufklärungsflugzeuges<br />
– einer Potez 637 – , das die 1. Batterie mit<br />
ihren 8,8 cm-Geschützen im nahen Hunsrück<br />
abgeschossen hatte. Ernst Bodensteiner ließ<br />
137
Oberleutnant Ernst Bodensteiner (rechts) mit dem französischen Flugzeugführer (Mitte) und einem Dolmetscher<br />
(links). (Foto: E. Bodensteiner)<br />
den französischen Piloten zum Regimentsstab<br />
bringen und vernahm ihn mit Hilfe eines Dolmetschers<br />
(siehe Abbildung oben). Der französische<br />
Flieger war sehr zurückhaltend und<br />
machte wenige Aussagen.<br />
Bei der französischen Maschine handelte es<br />
sich um die Potez 637 Nr. 25. Sie gehörte der 1.<br />
Gruppe der 33. Escadre de reconnaissance<br />
(G.R. I/33)* an und war von ihrer Basis Saint Dizier<br />
aus zu einem Aufklärungsflug in den Raum<br />
Pirmasens gestartet. Es sollte keine Wiederkehr<br />
mehr geben. Das Flugzeug ging bei<br />
Thomm zwischen Trier und Hermeskeil nieder.<br />
Der Beobachter, Capitaine Schneider, wurde<br />
tödlich verwundet, die beiden anderen Besatzungsmitglieder,<br />
Sergent Noël und Adjudant Le<br />
Plan, gingen in deutsche Gefangenschaft.<br />
In den 80er Jahren untersuchte Hans-Günther<br />
Ploes aus Traben-Trarbach die Überreste der<br />
Flakstellungen auf dem Mont Royal. Auf einem<br />
Betonsockel, der einmal ein 8,8 cm-Geschütz<br />
getragen hatte, fand er die Silhouette eines<br />
zweimotorigen Flugzeuges mit Doppelleitwerk<br />
– unverkennbar eine Potez 637 – aufgemalt (s.<br />
Abbildung rechts). Vermutlich hatte hier ein Angehöriger<br />
der Festungsflak den ersten Abschuss<br />
seines Regiments markiert und somit<br />
für die Nachwelt dokumentiert.<br />
138<br />
Abschussmarkierung auf Beton. Handelt es sich<br />
um die Potez 637 Nr. 25?<br />
(Foto: Hans-Günther Ploes)<br />
* Diese und die nachfolgenden (Namens-)Angaben sind entnommen:<br />
C.J. Ehrengardt et al., Les Aiglous, Combats aeriens de la drôle de<br />
guerre, Septembre 1939 - Avril 1940, Paris 1983, S. 35.
Erinnerungen an den Stiefelbaum und<br />
die ehemalige Raketenabschussbasis bei<br />
Hontheim<br />
Die Hontheimer Höhe<br />
Auf der Höhe, kurz vor Hontheim, befand sich das<br />
Weidegebiet der Schaf- und Schweineherde des<br />
Dorfes. Ende der 50er Jahre erwarb die Bundes-<br />
Alois Clemens<br />
vermögensverwaltung dieses Gelände und stellte<br />
es den amerikanischen Streitkräften zum Bau einer<br />
Raketenabschussbasis zur Verfügung.<br />
Im <strong>Kreisjahrbuch</strong> 1994 wurde auf Seite 73 über<br />
Der Hontheimer Stiefelbaum in den 70er Jahren. Die große alte Eiche am Eingang der Raketenabschussbasis<br />
hängt voller Schuhe von amerikanischen Soldaten, die ihre Dienstzeit beendet haben.<br />
139
die Vorgeschichte des ehemaligen amerikanischen<br />
Militärstützpunktes Hontheim, an dessen<br />
Stelle sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg<br />
militärische Stellungen postiert waren, und<br />
das von Anfang der 60er Jahre bis 1991 von den<br />
Amerikanern als Raketenabschussbasis gegen<br />
den Osten genutzt wurde, berichtet.<br />
Die Gebäude der Abwehrstation wurden auf einem<br />
interessanten geographischen und heimatkundlichen<br />
Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
der Bundesstraße 421 an einer langgezogenen<br />
Kurve errichtet. Etwa 200 Meter entfernt<br />
liegt der Schiefersteinbruch »Kehrborn«. Im vorigen<br />
Jahrhundert wurden aus diesem Bruch die<br />
erforderlichen Steine zur Errichtung von Häusern<br />
beschafft. Heute bedecken Haselnusshecken<br />
und wildes Gestrüpp den einst von unseren Vorfahren<br />
so geschätzten Steinbruch. Gegenüber<br />
dem Eingang des amerikanischen Stützpunktes<br />
steht allein auf weiter Flur eine große alte Eiche.<br />
Reste eines kleines Gemäuers erinnern daran,<br />
dass sich hier einmal ein Heiligenhäuschen befand.<br />
Bis in die 20er Jahre ging an den Bitttagen<br />
eine Prozession aus Hontheim zu diesem<br />
Gebetsort und gelangte dann durch den Hohlweg<br />
(heute Pappel-Allee) zurück in die Pfarrkirche mitten<br />
im Ort.<br />
Die Amerikaner kommen<br />
Am 15. Juni 1961 lesen wir in der Hontheimer<br />
Amtschronik: »Die militärischen Bauten für die<br />
Raketenstation auf der Gemarkung Hontheim gehen<br />
zügig voran. Riesenkräne sind von weither zu<br />
sehen. (...) Die Gesamtbaumaßnahme soll bis ersten<br />
Dezember dieses Jahres beendet sein.«<br />
Zwei Jahre später finden wir an gleicher Stelle unter<br />
dem 14. März 1963 den Eintrag, dass die<br />
amerikanische Abwehrstation seit einem Jahr in<br />
Betrieb sei.<br />
»Die Bevölkerung hat mit den Soldaten, soweit<br />
sie in die örtlichen Gaststätten kommen, ein gutes<br />
Verhältnis. Von kleineren Zwistigkeiten abgesehen<br />
kam es noch nicht zu Klagen gegen die<br />
Besatzungssoldaten. Es handelt sich, bis auf einige<br />
Feldwebel, nur um junge Soldaten, die hier<br />
aus den verschiedenen Staaten der USA ihrer militärischen<br />
Dienstpflicht genügen, und wie man<br />
hört, sehr starkes Heimweh haben.«<br />
Die Soldaten waren gegenüber der Hontheimer<br />
Bevölkerung sehr hilfsbereit. Mehrmals halfen sie<br />
den Bauern mit Kranwagen und anderen Gefährten<br />
aus. Auch waren sie bemüht, soziale Kontak-<br />
140<br />
te aufrechtzuerhalten. Alljährlich wurden für die<br />
Hontheimer Schulkinder Weihnachtsfeiern in der<br />
Kaserne der Amerikaner abgehalten und die Beteiligten<br />
mit Bussen abgeholt und auch wieder<br />
nach Hause gebracht.<br />
Die Einladungen zum Tag der »Offenen Tür« nahmen<br />
die umliegenden Dörfer gerne an. Einige Soldaten<br />
wohnten zeitweilig in Hontheim. Es waren<br />
junge Familien mit Kleinkindern. Solche mit<br />
schulpflichtigen Kindern konnten hier nicht leben,<br />
da der amerikanische Schulbus nur die Orte in<br />
der Nähe der Flugplätze Bitburg und Spangdahlem<br />
anfuhr.<br />
Der Stiefelbaum<br />
In der Hontheimer Kaserne hatte sich unter den<br />
Soldaten ein besonderes abergläubisches Ritual<br />
etabliert, das jeder, der zur geeigneten Zeit an<br />
dem Stützpunkt vorbeikam, staunend miterleben<br />
konnte:<br />
Die Soldaten warfen am Tag der Entlassung ihre<br />
zusammengeschnürten Schuhe in den Baum.<br />
Blieben sie hängen, so der Soldatenglaube, war<br />
das ein Abschied für immer, fielen sie zur Erde, so<br />
bedeutete dies einen weiteren Aufenthalt im<br />
Stützpunkt Hontheim.<br />
Dieser von weitem zu erkennende »Stiefelbaum«<br />
wurde zu einem sehr menschlichen Denkmal der<br />
militärischen Präsenz der Amerikaner in der Eifel.<br />
Jeder in der Gegend kannte ihn. Sogar den Tagesthemen<br />
der ARD war er einmal einen Bericht<br />
wert.<br />
Schließung der Abwehrstation Hontheim<br />
Am 9. Oktober 1991 wurde die US-Stellung Hontheim<br />
geschlossen und die dort stationierte US-<br />
Delta-Battery aufgelöst. 31 Jahre lang hatte der<br />
amerikanische Stützpunkt auf der Höhe vor Hontheim<br />
bestanden.<br />
Heute erinnern nur noch der große Zaun und der<br />
Stiefelbaum an ihn. Jedoch sieht man immer weniger<br />
Schuhwerk in den Zweigen der Eiche baumeln.<br />
Kurz nach Schließung des Stützpunktes<br />
wurden die weiter unten hängenden Schuhpaare<br />
innerhalb der »Sanierung von Altlasten« auf Anordnung<br />
des Verteidigungs-Kreiskommandos<br />
Traben-Trarbach abgeschnitten. Bald wird uns<br />
nur noch die Erinnerung an dieses von den Soldaten<br />
selbst geschaffene Denkmal und die uns<br />
alle bedrohende Zeit des Kalten Krieges mit Raketenstützpunkten<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
bleiben.
Die ehemalige Eisenbahnstrecke<br />
Wengerohr-Daun<br />
Bau der Bahn<br />
Anfang des Jahres 1872 war in der Stadt <strong>Wittlich</strong><br />
bekannt geworden, dass die geplante Moselbahn<br />
von Trier nach Koblenz die Stadt nicht<br />
berühren, sondern einige Kilometer davon entfernt,<br />
in Höhe der Ortschaft Wengerohr, vorbeiführen<br />
sollte. Die Bemühungen eines sofort<br />
gebildeten Eisenbahnkomitees, die auf eine<br />
Verlegung der Strecke in Richtung <strong>Wittlich</strong> abzielten,<br />
blieben ohne Erfolg. Sie bewirkten jedoch,<br />
dass das Ministerium für öffentliche Arbeiten<br />
in Berlin der Eisenbahndirektion Saarbrücken<br />
den Auftrag zu »generellen Vorarbeiten<br />
für eine sekundäre Anschlussbahn von<br />
Wengerohr nach <strong>Wittlich</strong>« erteilte. Im November<br />
1878 konnte die Eisenbahndirektion Saarbrücken<br />
dem Minister mitteilen, dass die ca.<br />
4,3 Kilometer lange Strecke Baukosten in Höhe<br />
von 254 200 Mark verursachen würde. Im Gegensatz<br />
zur Stadt und dem Kreis <strong>Wittlich</strong> lehnten<br />
die umliegenden Gemeinden jede Kostenbeteiligung<br />
ab, was dazu führte, dass der Minister<br />
von dem Projekt Abstand nahm. 1882 bot<br />
das Ministerium von sich aus den Bau der Bahn<br />
an, sofern die Kosten des Grunderwerbs komplett<br />
übernommen würden. Am 28. Oktober<br />
1882 beschloss der <strong>Wittlich</strong>er Stadtrat die bedingungslose<br />
Übernahme der Grunderwerbskosten,<br />
wobei der Kreistag einen Zuschuss in<br />
Höhe von 18 000 Mark gewährte. Längere Diskussionen<br />
gab es noch über den Bahnhofsstandort<br />
in <strong>Wittlich</strong>. 1883 entschied das Ministerium,<br />
den Bahnhof, wie ursprünglich auch<br />
vorgesehen, auf dem <strong>Wittlich</strong>er Schloßplatz zu<br />
bauen. Aufgrund der einfachen Geländeverhältnisse<br />
ging der Bau der Strecke zügig voran,<br />
so dass am 14. August 1884 der erste Arbeitszug<br />
von Wengerohr nach <strong>Wittlich</strong> fahren konnte.<br />
Am 12. April 1885 wurde die Strecke dem<br />
öffentlichen Verkehr übergeben.<br />
Sowohl in <strong>Wittlich</strong> als auch in der Kreisstadt<br />
Daun in der Vulkaneifel gab es Überlegungen,<br />
die beiden Städte durch eine Eisenbahnverbin-<br />
Gerd Stein<br />
dung näher zusammenzubringen. Bereits 1884<br />
beantragten Einwohner der Bürgermeisterei<br />
Laufeld den Bau einer Strecke von <strong>Wittlich</strong><br />
nach Plein, weiter über Hasborn, Laufeld, zwischen<br />
Eckfeld und Gillenfeld am Holzmaar vorbei,<br />
über Udler und Schalkenmehren nach<br />
Daun. Dort sollte die Einfädelung in die Linie<br />
nach Mayen und Gerolstein erfolgen. Diese Bestrebungen<br />
hatten zunächst keinen Erfolg. Erst<br />
sechs Jahre später, im Jahr 1890, ließ der Minister<br />
eine überschlägige Kosten- und Ertragsrechnung<br />
für eine Strecke von Daun nach <strong>Wittlich</strong><br />
erstellen. Danach blieb es jedoch still um<br />
die Eisenbahnpläne, bis im Jahre 1896 Einwohner<br />
aus Laufeld und Niederöfflingen das Gesuch<br />
von 1884 wiederholten. Daneben gab es<br />
in Daun auch Überlegungen, alternativ eine Linie<br />
durch das Alftal zu bauen, die bei Bengel in<br />
die Moselbahn einmünden sollte. In <strong>Wittlich</strong><br />
dagegen wurde eine Linie nach Adenau ins Gespräch<br />
gebracht, die jedoch nicht über Daun<br />
führen sollte. Letztendlich hatten diese Vorschläge<br />
keine Chance auf eine Realisierung, da<br />
die Baukosten wesentlich höher ausgefallen<br />
wären, bzw. wichtige Ortschaften von der Linienführung<br />
unberührt geblieben wären. Am 26.<br />
April 1897 gab der Minister der Saarbrücker Eisenbahndirektion<br />
den Auftrag zu allgemeinen<br />
Vorarbeiten für eine Nebenbahn von <strong>Wittlich</strong><br />
nach Daun. Diese wurden im Herbst des gleichen<br />
Jahres abgeschlossen. Nun sollte geprüft<br />
werden, ob die Anliegergemeinden bereit<br />
wären, die Grunderwerbskosten voll zu übernehmen.<br />
Der Kreis <strong>Wittlich</strong> wollte 70 000 Mark<br />
zur Verfügung stellen, der Kreis Daun 30 000<br />
Mark. Trotz dieser angebotenen Kostenbeteiligung<br />
verfolgte das Ministerium für öffentliche<br />
Arbeiten das Projekt nicht weiter. Erst als sich<br />
im April 1901 die beiden Kreise bereit erklärten,<br />
höhere Anteile zu übernehmen (<strong>Wittlich</strong><br />
141 000 Mark, Daun 40 000 Mark), wurde das<br />
Ministerium wieder aktiv. Dennoch dauerte es<br />
noch bis zum Juni des Jahres 1904, ehe der<br />
141
Bahnbau per Gesetz beschlossen wurde.<br />
8 216 000 Mark wurden als Kosten für den Bau<br />
der Strecke veranschlagt. Als die Bauarbeiten<br />
bereits angelaufen waren, gab es noch einige<br />
Auseinandersetzungen in einzelnen Gemeinden<br />
über die Lage und die Benennung der<br />
Bahnhöfe. Besonders heftig waren diese Auseinandersetzungen<br />
in Manderscheid und<br />
Schalkenmehren. Die Bauarbeiten gingen jedoch<br />
planmäßig voran, und am 20. September<br />
1909 war die Strecke für Arbeitszüge bereits<br />
befahrbar. Am 1. Dezember 1909 wurde die<br />
Teilstrecke Daun - Gillenfeld dem Verkehr<br />
übergeben. Die weitere Teilstrecke Gillenfeld -<br />
Manderscheid wurde am 1. Mai 1910, die Reststrecke<br />
Manderscheid - <strong>Wittlich</strong> am 1. Juli 1910<br />
eröffnet. Bereits 1914 wurde der Bahnhof <strong>Wittlich</strong><br />
vergrößert, in den Jahren 1929 und 1930<br />
erfolgte eine teilweise Verlegung der Strecke<br />
zwischen Wengerohr und <strong>Wittlich</strong>, wozu ein<br />
neuer Bahndamm aufgeschüttet wurde.<br />
Streckenbeschreibung<br />
Ausgangspunkt der Strecke war der Bahnhof<br />
Wengerohr an der Moselbahn von Trier nach<br />
Koblenz. Direkt nach Verlassen des Bahnhofs<br />
Am Bahnhof <strong>Wittlich</strong> um 1920<br />
142<br />
zweigte die Strecke nach rechts ab und überquerte<br />
die Bundesstraße auf einer Stahlbrücke.<br />
Größtenteils parallel zur Bundesstraße nach<br />
<strong>Wittlich</strong> verlief die Trasse, ehe das <strong>Wittlich</strong>er Industriegebiet<br />
erreicht wurde. Hier zweigten<br />
mehrere Anschlussgleise ab. So zu den Firmen<br />
Ideal-Standard, Thyssen-Schulte und Becker-<br />
Loosen. Kurz darauf wurde bei Kilometer 4,2<br />
der Bahnhof <strong>Wittlich</strong> erreicht. Die Einfahrt war<br />
mit Flügelsignalen gesichert. <strong>Wittlich</strong> verfügte<br />
über ein großes Bahnhofsgebäude mit angebautem<br />
Güterschuppen, diverse Nebengebäude<br />
und einen dreiständigen Lokschuppen. Dazu<br />
gab es einen überdachten Mittelbahnsteig<br />
und ausgedehnte Gleisanlagen. Mit einer Steigung<br />
von 1 : 40 ging es nach einem Linksknick<br />
weiter durch Weinberge, danach durch zahlreiche<br />
Kurven in einem Waldstück bis zum Haltepunkt<br />
<strong>Wittlich</strong>-Grünewald bei Kilometer 7,6,<br />
der vor dem Zweiten Weltkrieg und in den 50er<br />
Jahren recht bedeutend war, weil sich hier eine<br />
Kinderheilstätte befand. Hier stand auch ein<br />
kleiner Warteraum mit einer Toilette. Bis zum<br />
drei Kilometer weiter entfernt liegenden Bahnhof<br />
Plein (KM 10,9) sind zwei große Viadukte<br />
(Talbrücke <strong>Wittlich</strong>, fünf Bögen, Höhe 26,40
Die Bauleiter (mit Ehefrauen) der Eisenbahnstrecke <strong>Wittlich</strong>-Daun und die Bauarbeiter, darunter auch<br />
italienische Gastarbeiter, vor dem im Bau befindlichen Pleiner Viadukt.<br />
Meter, Pleiner Viadukt, fünf Bögen, Höhe 32,60<br />
Meter) und drei Tunnels (Grünewald-Tunnel<br />
125 Meter, Unkenstein-Tunnel 140 Meter und<br />
Pleiner-Tunnel 585 Meter) zu passieren. Hinter<br />
Plein geht es durch mehrere Einschnitte fast<br />
geradeaus weiter, bis bei Kilometer 14,8 der<br />
Bahnhof Hasborn erreicht wurde. Auch hier<br />
war die Einfahrt durch Signale gesichert. Der<br />
Bahnhof war mit einem Überholgleis und einem<br />
Ladegleis ausgestattet. Nach Verlassen des<br />
Bahnhofs Hasborn stieg die Strecke wieder<br />
leicht an. In sanften Kurven ging es durch einen<br />
dichten Laubwald, ehe der Bahnhof Laufeld<br />
(KM 19,3), der auf der südlichen Seite ebenfalls<br />
durch ein einfaches Signal und auf der Nordseite<br />
durch Vor- und Hauptsignal gesichert<br />
war, in Sicht kam. Auch hier gab es ein Überhol-<br />
und ein Ladegleis. Hinter Laufeld bot sich<br />
nach beiden Seiten ein freier Blick auf die Eifellandschaft.<br />
Bei Streckenkilometer 20,2 lag das<br />
Anschlussgleis der Fensterwerke Meeth. Vor<br />
Manderscheid knickte die Strecke nach links<br />
ab, führte durch einen Einschnitt und erreichte<br />
den Bahnhof Manderscheid-Pantenburg bei<br />
Streckenkilometer 22,2. Hier befanden sich<br />
ebenfalls Formsignale zur Sicherung sowie ein<br />
Überholgleis. Hinter Manderscheid-Pantenburg<br />
folgte eine scharfe Rechtskurve. Unterhalb<br />
des früheren Klosters Buchholz ging es<br />
weiter zum Haltepunkt Eckfeld. Der Haltepunkt<br />
war mit einem kleinen Warteraum für die Reisenden<br />
ausgestattet und lag bei Streckenkilometer<br />
24,6. Nun fiel die Strecke stetig ab. Auf<br />
der linken Seite folgte kurz darauf das Holzmaar.<br />
Nach Durchquerung eines längeren<br />
Waldstücks verliefen die Gleise in einem weiten<br />
Linksbogen ins Alfbachtal bis zum Bahnhof Gillenfeld<br />
bei Kilometer 29,5. Hier befand sich<br />
auch ein Hochbehälter, wo die Dampfloks ihre<br />
Wasservorräte ergänzen konnten. Es gab mehrere<br />
Rangiergleise und ein Überholgleis. Die<br />
südliche Bahnhofseinfahrt war durch ein Vorund<br />
ein Hauptsignal gesichert, die nördliche<br />
Einfahrt durch ein einfaches Signal. Die Trasse<br />
folgte dem Alfbach, bis bei Kilometer 31,8 der<br />
Haltepunkt Udler-Saxler auftauchte, wo ein<br />
kleines Wartehäuschen stand. Nun kam der<br />
landschaftlich schönste Teil der Strecke. Es<br />
ging durch Wiesen und Felder nach Schalkenmehren<br />
(KM 35,4). Ein Überhol- und ein Lade-<br />
143
gleis sowie Signale waren auch auf dieser Station<br />
vorhanden. Die Strecke stieg nun wieder<br />
an und passierte bei Kilometer 37,4 den 559<br />
Meter langen Schalkenmehrener Tunnel. Nach<br />
einem tiefen Einschnitt fiel sie wieder ab ins<br />
Liesertal. Auf der linken Seite war die weithin<br />
bekannte Kapelle am Weinfelder Maar (Totenmaar)<br />
zu sehen. Nach einer Rechtskurve folgte<br />
ein hoher Damm, ehe die Trasse durch den<br />
Wald am Hang des Mühlenberges entlang weiterführte.<br />
In einer weiten Linkskurve wurde das<br />
imposante Viadukt von Daun (Überquerung der<br />
Straße Daun - Darscheid) befahren. Das Viadukt<br />
hat fünf Öffnungen und eine Höhe von<br />
24,70 Meter. Vorbei am Dauner Lokschuppen<br />
(durch Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg<br />
stark beschädigt, ohne Dach weiter benutzt bis<br />
zum Abriss in den 80er Jahren) ging es in den<br />
Bahnhof Daun (KM 40,7), den Endpunkt der<br />
Strecke. In Daun gab es zwei Stellwerke, einen<br />
Hochbehälter und zwei Mittelbahnsteige mit<br />
Unterführungen. Daun lag an der Bahnstrecke<br />
von Mayen nach Gerolstein, der sogenannten<br />
Eifelquerbahn. Auch hier waren die Bahn–<br />
hofseinfahrten durch Vor- und Hauptsignale<br />
gesichert.<br />
Betrieb<br />
Nach der Eröffnung wurde die Gesamtstrecke<br />
bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges von<br />
täglich fünf Personenzugpaaren befahren. Zusätzlich<br />
wurden Personenzüge auf dem Teilstück<br />
Wengerohr - <strong>Wittlich</strong> eingesetzt. Im Jahre<br />
1927 waren es beispielsweise sieben zusätzliche<br />
Züge. Für die Gesamtstrecke benötigten<br />
sie ca.1 1 /2 Stunden Fahrzeit. Neben den Personenzügen<br />
fuhr täglich ein Güterzugpaar. Einige<br />
Personenzüge beförderten ebenfalls Güterwagen.<br />
An Gütern wurde vor allem Holz befördert.<br />
Daneben Steine, Lavasand und landwirtschaftliche<br />
Erzeugnisse wie Hafer, Kartoffeln, Tierdünger,<br />
Obst und Wein. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg waren erhebliche Kriegsschäden an<br />
der Strecke entstanden. Besonders stark in<br />
Mitleidenschaft gezogen waren die Viadukte<br />
bei Plein. So führte die Zerstörung des Alterbach-Viaduktes<br />
bei Kilometer 9,25 bei Plein<br />
dazu, dass der Verkehr an dieser Stelle unterbrochen<br />
wurde. Aus <strong>Wittlich</strong> kommend mussten<br />
die Reisenden den Zug vor dem Viadukt<br />
verlassen und es zu Fuß überqueren, ehe sie<br />
auf der anderen Seite einen Zug besteigen<br />
144<br />
konnten, der nach Daun weiterfuhr. Erst am 6.<br />
Dezember 1953 endete dieses Provisorium,<br />
und die Gesamtstrecke war wieder durchgehend<br />
befahrbar. Bereits in den 50er Jahren<br />
wurde das Verkehrsaufkommen im Personenverkehr<br />
immer geringer. So standen im Sommerfahrplan<br />
1959 auf der Gesamtstrecke nur<br />
drei durchgehende Verbindungen. Daneben<br />
wurden Züge von Daun nach Gillenfeld, von<br />
<strong>Wittlich</strong> nach Manderscheid-Pantenburg und<br />
von <strong>Wittlich</strong> nach Gillenfeld angeboten. Zwischen<br />
Wengerohr und <strong>Wittlich</strong> hingegen bestand<br />
werktäglich 28 Mal die Möglichkeit, hinund<br />
zurückzufahren. Der erste Zug fuhr um<br />
0.27 Uhr in Wengerohr ab, der letzte Zug erreichte<br />
<strong>Wittlich</strong> um 22.56 Uhr. Dieses Verkehrsangebot<br />
blieb auch in den 60er und 70er Jahren<br />
ohne große Änderungen erhalten, obwohl<br />
aufgrund des geringen Aufkommens bereits<br />
1965 und 1969 Überlegungen zur Stilllegung<br />
der Strecke angestellt worden waren. Der letzte<br />
Fahrplan aus dem Jahr 1981 weist noch vier<br />
durchgehende Zugpaare Daun - Wengerohr<br />
aus, daneben fast stündlich eine Verbindung<br />
zwischen Wengerohr und <strong>Wittlich</strong>. Am 31. Oktober<br />
1981 wurde der Personenverkehr von<br />
<strong>Wittlich</strong> nach Daun eingestellt. Heute verkehren<br />
Linienbusse auf der Strecke <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr.<br />
Der Güterverkehr wurde von Anfang an nur in<br />
bescheidenem Umfang abgewickelt. Die<br />
Anschließer im Industriegebiet zwischen Wengerohr<br />
und <strong>Wittlich</strong> sorgten für einiges Aufkommen,<br />
aber auch hier erfolgte bereits in den 70er<br />
Jahren eine Verlagerung der Transporte auf die<br />
Straße. Großen Anteil hieran hatte auch der<br />
Ausbau der A 48 von Koblenz nach Trier. Der<br />
letzte durchgehende Güterzug befuhr die<br />
Strecke am 22. Mai 1982. Danach wurde nur<br />
noch von Daun nach Gillenfeld und ab Mitte der<br />
80er Jahre bis Schalkenmehren und zurück gefahren.<br />
Auf dieser Relation sind insbesondere<br />
die bis zuletzt gefahrenen langen Züge, bestehend<br />
aus Schüttgutwagen, die mit Salz beladen<br />
waren, zu erwähnen. Auf dem unteren<br />
Streckenabschnitt wurde nur noch von Wengerohr<br />
bis <strong>Wittlich</strong> gefahren.<br />
Fahrzeugeinsatz<br />
Über den Fahrzeugeinsatz in den Anfangsjahren<br />
der Strecke ist wenig bekannt. In den späteren<br />
Jahren kamen planmäßig Dampfloks der
Baureihen 86, 78, 50 und 52 zum Einsatz. Die<br />
Maschinen stammten hauptsächlich vom<br />
Bahnbetriebswerk Mayen. Auch Loks aus Koblenz<br />
und Trier kamen auf der Strecke zum Einsatz.<br />
Mit Erscheinen der Schienenbusse wurden<br />
die lokbespannten Personenzüge immer<br />
seltener. Hier waren meist dreiteilige Einheiten<br />
der Baureihen 795 und später 798 im Einsatz.<br />
Jedoch befuhr noch im Jahre 1970 ein planmäßiger<br />
Personenzug, bestehend aus einer<br />
Lok der Baureihe 23 und einem Silberling, die<br />
Strecke. In den ersten Nachkriegsjahren bestanden<br />
die Personenzüge zeitweise aus einer<br />
Köf mit zwei Bi-Wagen. Im Volksmund wurden<br />
diese Züge auch als »Sambaexpress« bezeichnet.<br />
Interessant ist auch der Einsatz des Schienen/Straße-Busses.<br />
Er kam im Winterfahrplan<br />
1954/55 im Zugpaar 4003/4004 zum Einsatz.<br />
Befahren wurde die Verbindung <strong>Bernkastel</strong>-<br />
Kues - <strong>Wittlich</strong> - Daun - Adenau - Bad-Neuenahr<br />
- Remagen. Das Fahrzeug fuhr von <strong>Bernkastel</strong><br />
bis <strong>Wittlich</strong> auf der Straße, danach bis<br />
Daun auf Schienen, bis Adenau wieder auf der<br />
Straße und von dort über die Ahrtalbahn bis<br />
Remagen auf der Schiene. Insbesondere in<br />
den Wintermonaten konnte das Fahrzeug jedoch<br />
den Erwartungen nicht gerecht werden.<br />
Bei Nässe blieb der Schienen/Straße-Bus häufig<br />
hängen, von daher wurde er nach einer<br />
Fahrplanperiode wieder abgezogen. In den<br />
letzten Jahren wurden die Güterzüge meist von<br />
Dieselloks der Baureihe 290 des BW Trier gezogen.<br />
Seltener sah man Dieselloks der Baureihen<br />
211/212, 215 und 218.<br />
Neben dem Planbetrieb war die Strecke, insbesondere<br />
als die Stilllegung absehbar war, sehr<br />
beliebt für Sonderfahrten. Die in Daun ansässigen<br />
»Eisenbahnfreunde Vulkaneifel« veranstalteten<br />
in den letzten Betriebsjahren eine Vielzahl<br />
von Sonderfahrten, bei denen interessante<br />
Fahrzeuge die Strecke befuhren. Besonders<br />
hervorzuheben sind hier der WUMAG-Triebwagen<br />
VT 175 mit Beiwagen der Buxtehude-Harsefelder-Eisenbahn<br />
im Jahr 1986, oder der<br />
TEE-Triebzug VT 601 im Jahr 1988. Bereits<br />
1972 befuhr ein Sonderzug der DGEG mit der<br />
Lok 38 2383 die landschaftlich schöne Strecke.<br />
Heutige Situation<br />
Nach der Stilllegung wurde die Strecke bis Mai<br />
1990 zwischen Daun und <strong>Wittlich</strong> komplett ab-<br />
gebaut. Die Gleise von Wengerohr bis <strong>Wittlich</strong><br />
liegen noch. Sie werden heute als Anschlussgleis<br />
bei Bedarf von Wengerohr aus bedient.<br />
Der Rest der Strecke war innerhalb weniger<br />
Jahre zugewuchert. Wenn man die Autobahn A<br />
48 befährt, kann man die Trasse an vielen Stellen<br />
noch gut erkennen. Auch die ehemaligen<br />
Bahnhofsgebäude stehen noch alle. Sie wurden<br />
verkauft und werden heute als Wohnhäuser<br />
genutzt. Im ehemaligen Dauner Bahnhof<br />
befindet sich ein Jugendzentrum. Nach jahrelangen<br />
Diskussionen über die Anlage eines<br />
Radwanderweges auf der ehemaligen Trasse<br />
gaben die Behörden im vergangenen Jahr grünes<br />
Licht für das Projekt. Die Anliegergemeinden<br />
haben die ehemalige Trasse übernommen.<br />
Der Radweg ist derzeit im Bau. Aufwendig saniert<br />
wurde dabei das Dauner Viadukt, das<br />
gleichzeitig auch das Wahrzeichen der Stadt<br />
Daun ist. Aus heutiger Sicht könnte man darüber<br />
streiten, ob der Abbau der Strecke voreilig<br />
war. Als Touristikbahn wäre die Verbindung<br />
von der Urlaubsregion Vulkaneifel mit dem<br />
Zentrum Daun zur Urlaubsregion Mosel ideal<br />
gewesen. Alle damaligen Bemühungen um den<br />
Erhalt der Strecke blieben jedoch erfolglos. So<br />
wird in den kommenden Jahren bei manchem<br />
Benutzer des Radwanderweges Wehmut aufkommen,<br />
wenn er sich vorstellt, statt mit dem<br />
Drahtesel mit dem Dampfross die wunderschöne<br />
Eifel-Mosel-Region zu durchfahren.<br />
Der Dauner Viadukt kurz vor Fertigstellung 1909<br />
145
Bau der Strecke<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts war der Hunsrück<br />
von bedeutenden Eisenbahnlinien umgeben.<br />
Das Gebiet selbst war jedoch eisenbahnmäßig<br />
noch unerschlossen und wurde nur in den<br />
Randlagen von der Stichstrecke Trier-Hermeskeil<br />
und seit Oktober 1889 von der Strecke<br />
Langenlonsheim-Simmern berührt. Als nächstes<br />
Ziel bot sich nun eine Verbindung dieser<br />
beiden Stichbahnen an, eine Hunsrückquerbahn<br />
also. Erste Bitten um einen Bahnanschluss<br />
wurden schon 1883 von der kleinen<br />
Stadt Kirchberg an den zuständigen Minister in<br />
Berlin gerichtet. Bevor jedoch die Verbindung<br />
von der Rhein-Nahe-Bahn nach Simmern nicht<br />
fertiggestellt war, hatte dieses Ansinnen keine<br />
Aussicht auf Erfolg. Einem erneuten Versuch im<br />
Jahre 1889 war deshalb mehr Erfolg beschieden.<br />
Nachdem man sich darüber beklagt hatte,<br />
dass aller Verkehr, der früher Kirchberg zugute<br />
gekommen sei, nun Simmern zufließe, gab das<br />
Ministerium für öffentliche Arbeiten eine Studie<br />
für die »billigste und zweckmäßigste Fortsetzung<br />
der Linie Langenlonsheim-Simmern« in<br />
Auftrag. Ein Jahr später waren die Untersuchungen<br />
abgeschlossen, und dem Minister lagen<br />
Vorschläge für die Linien Simmern-Kastellaun<br />
und Simmern-Kirchberg vor. Es wurden<br />
auch Alternativen für eine sinnvolle Weiterführung<br />
der Kirchberger Variante aufgezeigt.<br />
Ins Auge gefasst wurden die Projekte Kirchberg-Bullay-Zell<br />
(Mosel), Kirchberg-Kirn (Nahe)<br />
und Kirchberg-<strong>Bernkastel</strong> (Mosel). In Kirchberg<br />
wurden die Pläne gutgeheißen, und man hoffte<br />
insgeheim auch auf eine Weiterführung der<br />
Kirchberger Strecke bis Hermeskeil. Aus Geldmangel<br />
wurde der Bau der beiden Linien jedoch<br />
erst am 3. Juni 1896 beschlossen. Im<br />
Frühjahr 1897 erfolgte der Beschluss für den<br />
146<br />
Hunsrückquerbahn von<br />
Morbach bis Hermeskeil<br />
Geschichte der Gesamtstrecke<br />
von Simmern bis Hermeskeil<br />
Gerd Stein<br />
Weiterbau der Strecke von Kirchberg über<br />
Morbach nach Hermeskeil. Für dieses Teilstück<br />
musste die endgültige Linienführung<br />
noch festgelegt werden. Zu Streitigkeiten kam<br />
es hier insbesondere über den Streckenverlauf<br />
zwischen Hermeskeil und Dhronecken. Die<br />
Saarbrücker Eisenbahndirektion war für eine<br />
direkte Streckenführung von Hermeskeil über<br />
Abtei nach Dhronecken, während der Trierer<br />
Regierungspräsident für eine Trassierung über<br />
Pölert und von dort zwischen Rascheid und<br />
Beuren durch das Bruderbachtal nach<br />
Dhronecken plädierte.<br />
Diese zweite Variante war 2,5 Kilometer länger<br />
und ca. 700 000 Mark teurer. Trotzdem entschied<br />
sich das Ministerium letztendlich für<br />
diese Variante. Die vier von der Linie berührten<br />
<strong>Landkreis</strong>e Trier, <strong>Bernkastel</strong>, Zell und Simmern<br />
sollten den für den Bahnbau erforderlichen<br />
Grund und Boden unentgeltlich zur Verfügung<br />
stellen. Folgende Summen wurden schließlich<br />
bewilligt:<br />
- <strong>Landkreis</strong> Trier 139 545,50 Mark<br />
- <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong> 192 475,50 Mark<br />
- <strong>Landkreis</strong> Zell 140 350,50 Mark<br />
- <strong>Landkreis</strong> Simmern 52 576,50 Mark<br />
Die Bauzeit für die Strecke betrug vier Jahre. In<br />
drei Etappen wurde die Linie fertiggestellt:<br />
1. Simmern - Kirchberg 10, 18 km<br />
am 15. Juli 1901<br />
2. Kirchberg - Morbach 31,03 km<br />
am 15. Dezember 1902<br />
3. Morbach-Hermeskeil 37,47 km<br />
am 1. Oktober 1903.<br />
Die exakten Baukosten lassen sich nicht mehr<br />
ermitteln, jedoch waren allein für den Abschnitt<br />
Kirchberg-Hermeskeil 5 595 000 Mark veranschlagt.<br />
Bemerkenswert ist, dass die Strecke<br />
trotz beachtlicher Steigungen (max. 1 : 40) mit
nur einem Tunnel (zwischen Hoxel und Deuselbach)<br />
auskommt.<br />
Streckenbeschreibung<br />
Ausgangspunkt ist der Bahnhof Simmern. Neben<br />
der Strecke nach Hermeskeil begannen<br />
hier auch die in der Zwischenzeit stillgelegten<br />
Linien nach Gemünden und Boppard. Weiterhin<br />
endet hier die noch existierende Strecke<br />
nach Langenlonsheim. Da die Strecke Simmern-Hermeskeil<br />
als Fortsetzung der Linie<br />
Langenlonsheim-Simmern anzusehen ist, beginnt<br />
die Zählung in Simmern bei km 37,7. In<br />
den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg wurde<br />
die Gesamtstrecke umfassend restauriert und<br />
ausgebaut, um den umfangreichen Verkehr zu<br />
bewältigen, der beim Bau der Hunsrückhöhenstraße<br />
und des Westwalls anfiel. Die in dieser<br />
Zeit angelegten Gleisanlagen waren natürlich<br />
für den normalen zivilen Reise- und Güterverkehr<br />
weit überdimensioniert. Zunächst verlaufen<br />
die Schienen parallel zur Linie nach Boppard<br />
in südwestlicher Richtung. Links wird das<br />
Schienenbus zwischen Hoxel und Deuselbach<br />
erhöht liegende ehemalige Bahnbetriebswerk<br />
passiert. Die Anlagen dieses Betriebswerkes,<br />
das 1982 geschlossen wurde, sind komplett<br />
abgebaut. Der noch erhaltene Lokschuppen<br />
wird heute als Garage und Werkstatt für Busse<br />
benutzt. Kurz darauf schwenkt die Bopparder<br />
Strecke nach rechts, während die Strecke nach<br />
Hermeskeil über eine Brücke den Simmerbach<br />
überquert und nach einer Steigung bei km 41,2<br />
den Haltepunkt Nannhausen erreicht. Das<br />
Bahnhofsgebäude wurde abgerissen, das<br />
ebenfalls vorhandene Ausweichgleis abgebaut.<br />
Durch das Bieberbachtal führt die<br />
Strecke an Nickweiler vorbei zum ehemaligen<br />
Bahnhof Unzenberg bei km 43,7. Diese Station<br />
wurde vor dem Zweiten Weltkrieg groß ausgebaut.<br />
Sie besaß ausgedehnte Gleisanlagen und<br />
eine Militärrampe. Übrig geblieben ist nur das<br />
Durchgangsgleis und das Bahnhofsgebäude,<br />
das sich in Privatbesitz befindet. Nach Verlassen<br />
von Unzenberg folgt die Trasse dem Kauerbachtal,<br />
führt entlang dem Kirchberger Ortsteil<br />
Denzen bis zum Bahnhof Kirchberg. Das<br />
147
Gebäude steht noch, befindet sich jedoch in einem<br />
desolaten Zustand. Nach Passieren der<br />
B 421 (Kirchberg-Zell) fällt die Strecke leicht<br />
ab. Bevor bei km 51,2 der Haltepunkt Niederkostenz<br />
erreicht wird, führt die Trasse über den<br />
bekannten Viadukt mit sieben Bögen, der das<br />
Tal des Kyr-Baches überspannt. Vor der<br />
Brücke gab es früher eine Ladestelle, deren<br />
Trümmer noch erkennbar sind. Am Haltepunkt<br />
selbst steht noch ein Wellblechwartehäuschen.<br />
Hier war während des Krieges auch ein Wasserkran<br />
für die Dampfloks installiert. Reste des<br />
gesprengten Wasserturmes sind zwischen den<br />
Bäumen noch erkennbar. Unter der B 50 führt<br />
die Strecke durch den Hallschieder Forst Richtung<br />
Sohren. Hier war in früheren Jahren eine<br />
Holzverladestelle. Bei km 54,7 wird der Haltepunkt<br />
Niedersohren erreicht, an dem noch ein<br />
kleines Wartehaus vorhanden ist. In mehreren<br />
kleinen Krümmungen geht es talwärts, dann<br />
wird auf einer fünfbogigen Brücke das Grundbachtal<br />
überquert. Der Bahnhof Sohren liegt im<br />
oberen Ortsbereich. Das Empfangsgebäude ist<br />
zwischenzeitlich zu einer Gaststätte umgebaut.<br />
Der alte Wasserturm steht noch auf Privatbesitz.<br />
Einer der größten deutschen Möbelhersteller,<br />
die Firma Felke, hat ihre Werksanlagen<br />
direkt an den Gleisen und sorgte in früheren<br />
Jahren für ein umfangreiches Güteraufkommen<br />
auf dem Bahnhof Sohren. Heute wird alles per<br />
Lkw ausgeliefert, und im Bahnhof Sohren liegt<br />
nur noch das Durchgangsgleis. Weiter geht es<br />
zum Bahnhof Büchenbeuren bei km 59,9. Das<br />
Gleisfeld ist auch heute noch vierfach verzweigt.<br />
Das Bahnhofsgebäude im Stil der<br />
preußischen Länderbahnzeit steht noch. Es<br />
enthielt eine Zeit lang das einzige Gleisbildstellwerk<br />
im Hunsrück. Dies hing damit zusammen,<br />
dass in Büchenbeuren eine Anschlussstrecke<br />
zum Flugplatz Hahn von der Hunsrückbahn abzweigt.<br />
Solange der Flugplatz von den Amerikanern<br />
genutzt wurde, fand hier ein umfangreicher<br />
Güterverkehr statt. Seit der Flughafen in<br />
privater Hand ist, wird die Strecke kaum noch<br />
befahren. Es gibt jedoch Pläne für eine Reaktivierung,<br />
falls auf dem Flugplatz Hahn ein geplantes<br />
Frachtzentrum realisiert werden kann.<br />
Vorbei an den nördlichen Ausläufern des Idarwaldes<br />
mit dem 756 Meter hohen Idarkopf führt<br />
die Strecke zum Bahnhof Hirschfeld. Der Bahnhof<br />
hat noch ein Ausweichgleis und ein Anschlussgleis<br />
zu einem großen Getreidelager<br />
148<br />
des Bundes. Das in Privatbesitz befindliche<br />
Empfangsgebäude steht noch und ist in gutem<br />
Zustand. Der Ort Hirschfeld selbst liegt relativ<br />
weit vom Bahnhof entfernt. Die Strecke läuft<br />
jetzt durch ein Waldgebiet weiter, bis die Station<br />
Hochscheid bei km 67,8 erreicht wird. Das<br />
Bahnhofsgebäude ist abgetragen, die früher<br />
umfangreichen Gleisanlagen sind auf das<br />
Durchgangsgleis und ein Verladegleis für Holz<br />
reduziert. Bei km 70,5 wird die ehemalige Holzverladestelle<br />
»Zolleiche« erreicht. Das schon<br />
lange abgebaute Ladegleis wurde von der<br />
NATO 1988/89 wieder aufgebaut. Während<br />
des Golfkrieges wurden hier Rüstungsgüter in<br />
erheblichem Umfang von der Straße auf die<br />
Schiene verladen. Täglich gingen von hier Militärzüge<br />
zum Nordseehafen Nordenham ab.<br />
Sobald der Wald verlassen wird, erreicht die<br />
Strecke den Bahnhof Hinzerath. Das in Privatbesitz<br />
befindliche Stationsgebäude wurde<br />
1996 umfassend renoviert und befindet sich in<br />
tadellosem Zustand. Vorhanden sind noch<br />
mehrere Ladegleise für Holz und die zwei<br />
großen am Ort befindlichen holzverarbeitenden<br />
Betriebe. Gleich hinter dem Bahnhof beginnt<br />
ein Stück Hochwald. Mitten im Wald liegt bei<br />
km 76,9 der ehemalige Haltepunkt Bischofsdhron.<br />
Reste des Bahnsteigs sind noch erkennbar.<br />
Nach Verlassen des Waldes wird der<br />
größte Bahnhof zwischen Simmern und Hermeskeil,<br />
Morbach, erreicht. Früher war das<br />
Gleisfeld fünffach verzweigt, geblieben sind<br />
neben dem Durchgangsgleis noch ein Ausweich-<br />
und ein Ladegleis. Das Bahnhofsgebäude<br />
befindet sich äußerlich in gutem Zustand,<br />
steht jedoch leer. Ein großer holzverarbeitender<br />
Betrieb sorgte bis Anfang der 90er<br />
Jahre für ein ansprechendes Frachtaufkommen<br />
(zu Schnitzeln verarbeitete Holzabfälle, die<br />
durch ein Rohrsystem in Waggons geblasen<br />
wurden), heute werden Lkw eingesetzt. Nach<br />
Angaben Einheimischer soll es beim Morbacher<br />
Bahnhof früher ein kleines Betriebswerk<br />
mit Lokschuppen gegeben haben. Spuren sind<br />
jedoch keine mehr zu erkennen. Nach Verlassen<br />
des Bahnhofs Morbach überquert die Trasse<br />
eine Straße, und kurz vor dem Ortsausgang<br />
zweigt noch ein Anschlussgleis zu einem weiteren<br />
holzverarbeitenden Betrieb ab. Das nun<br />
folgende Streckenstück bis Hermeskeil dürfte<br />
der landschaftlich schönste Teil der Gesamtstrecke<br />
sein. Durch Felder und Wiesen läuft die
Strecke bis zum Bahnhof Hoxel bei km 83,9.<br />
Das Bahnhofsgebäude ist in Privatbesitz. Ausweich-<br />
und Stumpfgleise sind abgebaut. Es<br />
folgen drei große Viadukte. Die »Talbrücke Hoxel«,<br />
der Hoxeler Viadukt, hat eine Länge von<br />
160 Metern. Er ist 40 Meter hoch, hat acht Bögen<br />
und überspannt das Hachenbachtal. Kurz<br />
hinter dem Viadukt folgt im Wald der »Hoxeler<br />
Tunnel« mit einer Länge von 240 Metern. Unmittelbar<br />
dahinter folgt der zweite Viadukt über<br />
ein Waldtal. Er ist 86 Meter lang, 37 Meter hoch<br />
und hat vier Öffnungen. Etwa einen Kilometer<br />
weiter verlässt die Strecke den Wald, überquert<br />
die Straße nach Deuselbach und erreicht den<br />
gleichnamigen Bahnhof bei km 89,7. Das Empfangsgebäude<br />
aus rotem Sandstein steht noch<br />
und ist in ausgezeichnetem Zustand. Ein ehemals<br />
vorhandenes Ausweichgleis wurde Mitte<br />
der 80er Jahre abgebaut. Die frühere Bedeutung<br />
dieser Station rührte vom Wintersportbetrieb<br />
her. Direkt bei Deuselbach liegt das große<br />
Wintersportgebiet »Erbeskopf«. Für die Wintersportler<br />
und Sommerurlauber gibt es dort mehrere<br />
Hotels, eines davon steht direkt am Bahnsteig<br />
des Bahnhofs Deuselbach. Weiter geht es<br />
nach Thalfang. Der Bahnhof war früher mit umfangreichen<br />
Gleisanlagen versehen. Geblieben<br />
sind nur noch zwei Gleise und das schöne restaurierte<br />
Bahnhofsgebäude. Bis vor wenigen<br />
Jahren befand sich in dem Gebäude eine Gaststätte,<br />
in der viele alte Eisenbahnrequisiten zu<br />
besichtigen waren. Das Bahnhofsgebäude von<br />
Thalfang weist eine Besonderheit auf, die an<br />
vielen Bahnhofsgebäuden auf dem Hunsrück<br />
und in der Eifel zu beobachten ist. Es handelt<br />
sich um an der Bahnsteigseite nachträglich angebaute<br />
Unterkünfte für Stellwerke. Die Anbauten<br />
wurden einstöckig mit Flachdach und Fenstern<br />
rundum ausgeführt. Diese Arbeiten wurden<br />
in den 30er Jahren getätigt, als der gestiegene<br />
Verkehr eine Fernbedienung der Signale<br />
und Weichen erforderlich machte. Hinter Thalfang<br />
führt die Strecke talwärts, entlang des<br />
Thalfanger Baches, bis bei km 97,5 der Bahnhof<br />
Dhronecken erreicht wird. Der kleine Ort<br />
liegt idyllisch unter einer Burgruine. Das Bahnhofsgebäude<br />
samt Nebengebäude und ein<br />
großer Wasserturm sind in Privatbesitz und<br />
hervorragend restauriert. Hinter Dhronecken<br />
folgt die Trasse dem Röderbachtal, passiert<br />
den ehemaligen Haltepunkt Geisfeld, wo noch<br />
ein kleines massives Wartehäuschen steht,<br />
und führt dann über die »Talbrücke Rascheid«<br />
(auch Geisfelder Viadukt genannt). Sie ist 80<br />
Meter lang, 28 Meter hoch und hat vier Bögen.<br />
Am Rande des Bruderbachtales liegt bei km<br />
101,3 der Bahnhof Rascheid. 1989 wurde das<br />
Überholgleis ausgebaut. Das Bahnhofsgebäude<br />
wird von einem ehemaligen Eisenbahner<br />
bewohnt und befindet sich in gutem Zustand.<br />
Unter einer Straßenbrücke geht es weiter ins<br />
Liebenbachtal bis zum Bahnhof Pölert. Vom<br />
früher ausgedehnten Gleisfeld ist nur noch das<br />
Durchgangsgleis übrig geblieben. Im Dritten<br />
Reich erlangte die Station traurige Bedeutung,<br />
weil hier Häftlinge des Konzentrationslagers<br />
Hinzert-Pölert zugeführt wurden. Hinter Pölert<br />
bei km 107,8 trifft die Strecke auf die aus Trier<br />
kommende Bahn aus dem Ruwertal. Mit dieser<br />
läuft sie parallel bis zur Endstation Hermeskeil.<br />
Der ausgedehnte Bahnhofsbereich liegt bei km<br />
110,4. Die Bahnanlagen entsprechen der<br />
früheren Bedeutung dieser Station. Neben der<br />
Strecke von Simmern enden hier auch die<br />
Strecken von Trier und von Türkismühle. Das<br />
frühere Bahnbetriebswerk mit Drehscheibe,<br />
Lokbehandlungsanlagen, Stellwerk und vielen<br />
Abstellgleisen ist heute in Privatbesitz und beherbergt<br />
seit über zehn Jahren das Dampflokmuseum<br />
Hermeskeil mit fast 50 Lokomotiven.<br />
Das Hermeskeiler Empfangsgebäude ist das<br />
größte des ganzen Hunsrücks. Es ist zum Teil<br />
vermietet. Hermeskeil hat eine Bahnsteigunterführung<br />
(von hier erfolgt heute der Zugang zum<br />
Museum). Die früher vorhandene Bahnsteigüberdachung<br />
wurde im Krieg zerstört und nicht<br />
wieder aufgebaut.<br />
Betrieb<br />
Der erste Fahrplan sah sechs durchgehende<br />
Züge zwischen Simmern und Hermeskeil (je<br />
drei in jeder Richtung) vor. Ferner wurden je<br />
zwei Züge zwischen Hermeskeil und Morbach<br />
und zwischen Morbach und Simmern eingesetzt.<br />
Zusätzlich waren noch Lokalzüge vorgesehen.<br />
Die Gesamtfahrzeit zwischen Simmern<br />
und Hermeskeil betrug 2 Stunden und 50 Minuten.<br />
Am Ausgangs- und Endpunkt der Strecke<br />
befand sich jeweils ein Bahnbetriebswerk. Beide<br />
waren zuständig für die Bespannung der<br />
Züge auf der Hunsrückquerbahn. Der Personenverkehr<br />
hatte auf der Strecke immer nur eine<br />
untergeordnete Bedeutung. So gab es z. B.<br />
nie durchgehende Züge von der Nahe (Langen-<br />
149
lonsheim) über die Hunsrückstrecke nach Trier.<br />
Die in den beiden Betriebswerken Simmern<br />
und Hermeskeil stationierten Lokomotiven waren<br />
deshalb auch überwiegend Güterzugloks.<br />
In Simmern gab es anfangs nur eine kleine Lokstation<br />
auf dem Bahnhofsgelände, direkt gegenüber<br />
dem Empfangsgebäude gelegen. Mit<br />
Eröffnung der Strecke nach Hermeskeil erfolgte<br />
der Neubau des Bahnbetriebswerkes südwestlich<br />
des Bahnhofs auf einer kleinen Anhöhe.<br />
Errichtet wurde ein 15-ständiger Halbrundschuppen<br />
mit einer 16,20 Meter Drehscheibe.<br />
Dazu kamen Kohlebansen mit Kran<br />
und Kohlehunten. Beheimatet waren in Simmern<br />
Lokomotiven der Baureihen 57, 91, 93<br />
und 94. Die 93er wurden überwiegend im Personenzugdienst<br />
eingesetzt und waren bis 1964<br />
auf der Strecke nach Hermeskeil im Einsatz.<br />
Ende 1952, Anfang 1953 kamen die ersten<br />
Schienenbusse der Baureihe VT 95 in den<br />
Hunsrück. Sie wurden dem Betriebswerk (BW)<br />
Simmern fabrikneu zugeteilt. Die Leistungen<br />
der Dampfloks im Personenverkehr nahmen<br />
immer mehr ab, bis die Schienenbusse schließlich<br />
den Gesamtverkehr übernommen hatten.<br />
1955 kamen auch neue zweimotorige VT 98<br />
nach Simmern. Sie besaßen zusätzlich eine<br />
Steilstreckenausrüstung, die einen Einsatz neben<br />
der Hunsrückquerbahn auch auf der Steilstrecke<br />
Buchholz-Boppard ermöglichte. Die<br />
Simmerner Schienenbusse versahen den kompletten<br />
Personenverkehr bis zur Einstellung am<br />
30. Mai 1976. Für den Güterverkehr war die<br />
Strecke Simmern-Hermeskeil von weitaus<br />
größerer Bedeutung als für den Personenverkehr.<br />
Aufgrund der umfangreichen Waldbestände<br />
machte die Holzabfuhr jeweils den<br />
Löwenanteil am Güterverkehr aus. So verließen<br />
noch 1985 täglich bis zu 30 Waggons mit Langholz<br />
allein den Bahnhof Simmern. Auch die Getreidetransporte<br />
zum Lager beim Bahnhof<br />
Hirschfeld sorgten für entsprechendes Aufkommen.<br />
Der Flugplatz Hahn wurde über das<br />
in Büchenbeuren abzweigende Anschlussgleis<br />
fast komplett über die Schiene versorgt. Lange<br />
Kesselwagenzüge mit Treibstoff und Containerganzzüge<br />
mit Munition und sonstigem<br />
Material gehörten zum täglichen Bild. Die<br />
großen holzverarbeitenden Betriebe in Morbach<br />
und Hinzerath wurden über ihre Anschlussgleise<br />
ebenfalls fast täglich bedient.<br />
1962 hielten die ersten Dieselloks für den Ein-<br />
150<br />
satz auf der Hunsrückbahn im BW Simmern<br />
Einzug. Sechs fabrikneue V 100.10 konnten ab<br />
sofort eingesetzt werden. Zwei Dampfloks der<br />
BR 93 wurden noch sporadisch eingesetzt. Am<br />
14. Dezember 1964 wurde mit 93 637 die letzte<br />
Dampflok abgestellt. Neben den Streckendieselloks<br />
waren auch immer einige Kleinlokomotiven<br />
in Simmern stationiert. Als das BW Simmern<br />
am 31. Oktober 1982 endgültig geschlossen<br />
wurde, kamen die Lokomotiven für die<br />
Hunsrückbahn aus dem BW Kaiserslautern.<br />
Anfänglich hauptsächlich Loks der BR 212, in<br />
den neunziger Jahren überwiegend Fahrzeuge<br />
der BR 218. Für die schweren Militärzüge oft<br />
sogar in Doppeltraktion. Die Entwicklung des<br />
BW Hermeskeil am anderen Ende der Strecke<br />
verlief ähnlich wie die in Simmern. Auch in Hermeskeil<br />
gab es anfänglich nur eine kleine Lokstation<br />
mit zweiständigem Lokschuppen und<br />
kleiner 13 Meter Drehscheibe. Mit dem durch<br />
die Eröffnung der Hunsrückbahn gestiegenen<br />
Verkehrsaufkommen wurde der Schuppen auf<br />
sechs Gleise erweitert und die Drehscheibe<br />
durch eine Scheibe mit 16 Metern Durchmesser<br />
ersetzt. Das BW Hermeskeil erlangte nie die<br />
Bedeutung von Simmern. So waren in Friedenszeiten<br />
meist zwischen vier und sechs Lokomotiven<br />
hier stationiert. Zum Einsatz kamen<br />
Maschinen der Reihen 74, 57, 86 und 93. Oft<br />
übernachteten jedoch Maschinen aus Simmern<br />
oder anderen Betriebswerken in Hermeskeil.<br />
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, im Februar<br />
1945, wurden das BW und die Bahnhofsanlagen<br />
bei einem schweren Bombenangriff<br />
fast vollständig zerstört. Bei diesen Angriffen<br />
wurden auch fast alle Brücken der Hunsrückbahn<br />
beschädigt. Die BW-Anlagen wurden<br />
nach dem Krieg wieder nach und nach aufgebaut.<br />
Erst 1950 war die Bahnlinie wieder durchgängig<br />
befahrbar, nachdem alle Schäden beseitigt<br />
waren. 1956 wurde Hermeskeil als<br />
selbstständiges BW aufgelöst und als Außenstelle<br />
des BW Simmern geführt. Am 1. April<br />
1959 erfolgte die endgültige Auflösung des<br />
Bahnbetriebswerkes. Die letzten verbliebenen<br />
Maschinen der BR 86 wurden an das BW Mayen<br />
in der Eifel abgegeben. Ab Mitte der 80er<br />
Jahre wurde die Hunsrückquerbahn häufig von<br />
Sonderzügen befahren. Neben Dampfloks der<br />
Reihe 41 kamen der TEE-Triebzug BR 601,<br />
Dieselloks der BR V 200, verschiedene Schienenbustypen<br />
sowie Neubautriebwagen der BR
628 zum Einsatz. Planmäßiger Güterverkehr<br />
fand zuletzt nicht mehr statt. Nur noch bei Bedarf<br />
wurde von Simmern aus bis Morbach gefahren,<br />
der Abschnitt Morbach-Hermeskeil<br />
überhaupt nicht mehr bedient. Das verbliebene<br />
Simmerner Stellwerk wurde an diesen Tagen<br />
mit einem Fahrdienstleiter besetzt. Nachdem<br />
die Amerikaner den Flugplatz Hahn geräumt<br />
haben, ist auch die strategische Bedeutung der<br />
Strecke verloren gegangen. Somit fließen auch<br />
keine Bundesmittel mehr für den Erhalt der<br />
Strecke. Mitte der 90er Jahre schien die endgültige<br />
Stilllegung kurz bevorzustehen. Ab<br />
Sommer 1997 wurde die Strecke von Langenlonsheim<br />
nach Morbach jedoch einem privaten<br />
Betreiber (Bahngesellschaft Waldhof AG) verpachtet,<br />
der den Güterverkehr mit eigenen<br />
Fahrzeugen durchführt. Für diesen Zweck wurde<br />
von der Hohenzollerischen Landesbahn eine<br />
Maschine angemietet, die in Bad Kreuznach<br />
stationiert ist. Hier ist auch der Übergabepunkt<br />
an die Deutsche Bahn AG. Ein regelmäßiger<br />
Museumsbetrieb an Wochenenden durch die<br />
Eisenbahnfreunde Nahetal ist eingerichtet.<br />
Ein TEE auf dem Bahnhof Morbach<br />
Hierfür wurden bereits ein dreiteiliger Uerdinger-Schienenbus<br />
(ex Hersfelder Kreisbahn)<br />
und zwei MAN-Schienenbusse (ex WEG) beschafft,<br />
die in Stromberg stationiert sind.<br />
Zum 31. Dezember 1997 hat die Deutsche<br />
Bahn den Abschnitt Morbach-Hermeskeil stillgelegt.<br />
Auch die Strecke von Hermeskeil<br />
durchs Ruwertal nach Trier wurde zum gleichen<br />
Termin stillgelegt. Hunsrückrundfahrten<br />
sind somit nicht mehr möglich. Auf dem Abschnitt<br />
zwischen Morbach und Hermeskeil befinden<br />
sich die großen Viadukte, deren Unterhaltung<br />
der Bahn nur für den Sonderverkehr zu<br />
teuer war. Die Bahngesellschaft Waldhof AG,<br />
die auch an diesem Streckenabschnitt und an<br />
der Weiterführung nach Türkismühle Interesse<br />
hatte, konnte jedoch die notwendigen finanziellen<br />
Mittel zur Sanierung der Brücken nicht<br />
aus eigenen Mitteln bestreiten. Bei den letzten<br />
Fahrten zwischen Weihnachten und Neujahr<br />
1997 kam noch einmal eine V 100 mit grünen<br />
Umbauwagen zum Einsatz, dazu Schienenbusse<br />
und als Höhepunkt der neue Neigetechnikzug<br />
der Baureihe 611.<br />
151
Als der Förderverein Dorfentwicklung Berglicht<br />
e.V. Informationen über einen früheren Schieferbergbau<br />
in Berglicht fand, plante man den<br />
Ausbau der ehemaligen Schiefergrube, um interessierten<br />
Bürgern die Möglichkeit zu geben,<br />
sich ein Bild von der damaligen Bergmannsarbeit<br />
zu machen. Doch leider war dies nicht<br />
möglich, da heute über dem Stollenmundloch<br />
ein Weg verläuft und es aus Sicherheitsgründen<br />
zu gefährlich wäre, die Schiefergrube zu<br />
betreten. Bei den Nachforschungen war man<br />
im Bergamt in Koblenz auf alte Berichte gestoßen,<br />
die die Grubenbetreiber jährlich abliefern<br />
mussten. Da mich die ehemalige Schiefergrube<br />
neugierig gemacht hatte, recherchierte<br />
ich weiter und stieß auf interessante Informationen<br />
über die Entwicklung des Schieferbergbaus.<br />
Die Verwendung des Schiefers von der<br />
Römerzeit bis heute<br />
Die erste Verwendung fand der Schiefer bei<br />
den Römern, die ihn nutzten, um die Dächer ihrer<br />
Türme und Wehrgänge damit zu decken.<br />
Selbst heute sind die Bearbeitungstechniken,<br />
die die Römer damals anwendeten, noch gebräuchlich.<br />
Schon der römische Dichter Ausonius,<br />
der um 368 n. Chr. von Kaiser Valentin<br />
aus Bordeaux nach Trier gerufen wurde, beschreibt<br />
in seinem Gedicht »Mosella« die<br />
»schroffaufragenden Dächer« 1 Das römische<br />
Grabmal in Igel in der Nähe von Trier besitzt ein<br />
aus Sandstein nachgebildetes Schieferschuppendach.<br />
Funde weisen auf mögliche römische<br />
Schiefergruben bei Bundenbach hin. Über den<br />
Schieferbergbau nach der römischen Zeit bis<br />
zum 14. Jahrhundert sind keine Erkenntnisse<br />
vorhanden. Wehranlagen, bei denen Schiefer<br />
benutzt wurde, sind die einzigen Hinweise auf<br />
seine Verwendung. Erst ab dem Spätmittelalter<br />
zeugen zahlreiche Schieferbedachungen und<br />
viele Stadtrechnungen von der Nutzung des<br />
Schiefers. Im Jahre 1363 gab es in Trier bereits<br />
24 Schieferdecker, aber nur einen Strohdecker.<br />
Ab dem Jahr 1605 war der Schieferbergbau im<br />
152<br />
Schieferbergbau im Hunsrück<br />
Julia Mauell<br />
ganzen Land weit ausgedehnt und der Schiefer<br />
wurde ins gesamte Land geliefert. Im Zeitalter<br />
des Absolutismus (17./18. Jh.) wurden Fassaden<br />
von Burgen, Schlössern, Kirchen, Klöstern<br />
und vielen anderen Gebäuden mit Schiefer verkleidet,<br />
um die Macht und den Wohlstand der<br />
damaligen Herrscher zu zeigen.<br />
Schon 1520 verboten viele Landesherren das<br />
bis dahin übliche Strohdach. Schiefer- und<br />
Dachziegeldächer wurden Vorschrift. Bis ins<br />
19. Jahrhundert bewirkten diese Vorschriften<br />
im ländlichen Bereich jedoch wenig. Zwar kam<br />
es aufgrund des Feuerschutzes zu einer Verbreitung<br />
des Schieferdaches in der ländlichen<br />
Gegend, doch blieb die Stadt immer noch der<br />
Hauptabnehmer des Schiefers. Noch heute<br />
werden Prachtbauten in den Städten mit<br />
Schiefer gedeckt und geschmückt.<br />
Ab dem Industriezeitalter, also dem letzten<br />
Drittel des 18. Jahrhunderts, kam es zu einer<br />
Erweiterung der Dachschiefergewinnung. Der<br />
Dachschieferbergbau diente vielen Bauern im<br />
Winter als saisonaler Nebenerwerbszweig. Das<br />
Anwachsen der Bevölkerung und der Rückgang<br />
der Landwirtschaft förderten die Entwicklung<br />
des Schieferbergbaus ebenfalls.<br />
Die Gewinnung erfolgte schon damals fast ausschließlich<br />
unter Tage, da die senkrechte Aufrichtung<br />
der Schieferlager im Zuge der Gebirgsfaltung<br />
den Tagebau nur begrenzt ermöglichte.<br />
Über die bestehenden Wasserwege<br />
(Rhein und Mosel) wurde der Schiefer verfrachtet.<br />
Gerade als sich der Schieferbergbau in der<br />
ländlichen Region ausgebreitet hatte, führte die<br />
Wirtschaftskrise von 1846-1849 zum vollständigen<br />
Erliegen der Schieferindustrie.<br />
Durch die zusätzliche Konkurrenz von Dachziegeln<br />
ging die Nachfrage an Schiefer noch weiter<br />
zurück.<br />
Erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg<br />
und der Reichsgründung im Jahre 1870/71<br />
kam es zu einer erneuten Konjunktur im Schieferbergbau.<br />
Der in der Bevölkerung verbreitete<br />
nationale Stolz führte dazu, dass man wieder
vermehrt Schiefer, nach altdeutscher Manier,<br />
zur Dachdeckung verwendete. Zeitgleich mit<br />
dem Aufschwung des Schieferbergbaus verlief<br />
auch der Aufschwung in Technik, Wirtschaft<br />
und Wissenschaft. Die Eisenbahn bot sich als<br />
neues schnelles Transportmittel für den Schiefer<br />
an. Die Technik, die in den Gruben zum Abbau<br />
angewandt wurde, durchlief einige Verbesserungen.<br />
Man trieb nicht mehr wahllos in den<br />
Stollen hinein, sondern ging dabei systematisch<br />
vor. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte<br />
der Übergang vom Tagebau zum Untertagebau.<br />
Der Transport geschah seitdem mit<br />
Dampfmaschinen. Nach 1900 wurde der<br />
druckluftbetriebene Abbauhammer im Tiefbau<br />
eingesetzt.<br />
Da die Transportwege für den Schiefer nicht<br />
immer günstig waren, blieb der Schieferbergbau<br />
oftmals hinter den anderen Wirtschaftszweigen<br />
zurück.<br />
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise und der damit<br />
verbundenen Inflation setzten viele Betriebe ihre<br />
Produktion zurück oder stellten sie ganz ein.<br />
Durch die Kriegspolitik der Nationalsozialisten<br />
fand der Schiefer noch Einsatzmöglichkeiten<br />
beim Kasernenbau. Wie bereits während des<br />
Ersten Weltkrieges, war wiederum das Militär<br />
der Hauptabnehmer von Schiefer. Der Beginn<br />
des Zweiten Weltkrieges führte zu starken Einschränkungen<br />
im Schieferbergbau, 1943 kam<br />
er fast ganz zum Erliegen.<br />
Nach Kriegsende wurde Schiefer verwendet,<br />
um die Kriegszerstörungen wieder zu reparieren.<br />
Seit dieser Zeit dominieren bereits die<br />
Großbetriebe. Kleinbetriebe konnten sich nur<br />
für kurze Zeit über Wasser halten. Nach 1958<br />
wurde die größte Zahl der Kleinbetriebe geschlossen,<br />
aber auch einige Großbetriebe<br />
mussten die Produktion einstellen. Der niedrige<br />
Ölpreis der 60er Jahre brachte den Kunststoffschieferprodukten<br />
einen großen Marktvorteil,<br />
so dass der natürliche Dachschiefer von synthetischen<br />
Dachdeckungsprodukten verdrängt<br />
wurde.<br />
Weiterhin bot das Wirtschaftswunder der jungen<br />
Generation neue Arbeitsplätze, die wesentlich<br />
reizvoller als die des Schieferbergbaus<br />
waren. Ein Großteil der Arbeiter wanderte in andere<br />
Wirtschaftszweige ab. Nach 1970 waren<br />
nur noch zwei Schieferbetriebe in Mayen, eine<br />
Grube am Rhein und zwei Gruben im Hunsrück<br />
in Betrieb. Man verarbeitete in ihnen allerdings<br />
oftmals auch Rohmaterial aus Spanien und<br />
Portugal.<br />
Die Ölkrise von 1973 ließ die Preise der synthetischen<br />
Dachdeckungsprodukte ansteigen. In<br />
der Bevölkerung suchte man nach anderen<br />
Wärmeisolationsmitteln. Da die Isolationseigenschaften<br />
des Schiefers sehr hoch sind,<br />
stieg seine Nachfrage wieder. Man verarbeitete<br />
allerdings keine Inlandprodukte, sondern importierte<br />
den billigeren Schiefer aus Spanien<br />
und Portugal. Zwar nahmen in Deutschland danach<br />
wieder einige Betriebe die Produktion auf,<br />
doch ist mit einer Verbesserung der Schieferbergbausituation<br />
kaum mehr zu rechnen. 2<br />
»Schiefer«, ein bedeutender Rohstoff<br />
in unserer Region<br />
Gerade in unserer Region ist Schiefer ein Material,<br />
das fast jeder kennt. Bis in die 50er Jahre<br />
gehörte der Schieferbergbau noch zu den bedeutendsten<br />
Wirtschaftszweigen des Hunsrücks.<br />
Im 19. Jahrhundert stellte er einen günstigen<br />
Nebenerwerb zur kaum Ertrag bringenden<br />
Landwirtschaft dar und war für den Großteil der<br />
ländlichen Bevölkerung eine zusätzliche Einnahmequelle.<br />
Auch im Bauwesen kam man zur<br />
Nutzung des Schiefers als Mauergestein, da<br />
die Lehmvorkommen in der Region nicht ausreichten.<br />
In der Dach- und Wanddeckung findet<br />
der Schiefer noch heute aufgrund seiner<br />
hohen Verwitterungsbeständigkeit viele Einsatzmöglichkeiten.<br />
3<br />
Der Hunsrückschiefer setzt sich aus tonigen<br />
und sandigen Schichten zusammen und hat eine<br />
graue bis schwarzblaue Färbung.<br />
Der Schieferabbau erfolgte weitestgehend<br />
durch Handarbeit und war daher sehr mühselig<br />
und gefährlich. Der beim Abbau entstehende<br />
Schieferstaub, der oftmals chronische Lungenentzündungen<br />
verursachte, erschwerte die Arbeit<br />
zusätzlich. Im Schieferbergbau wurden nur<br />
unzureichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen.<br />
Daher ist es nicht verwunderlich, dass<br />
die Krankheits- und Sterberate der Bergbauarbeiter<br />
relativ hoch lag.<br />
Abbauverfahren und<br />
Gewinnungsmethoden<br />
Die einzelnen Arbeitsschritte bei der eigentli-<br />
153
chen Gewinnung sind zum größten Teil nicht<br />
mechanisierbar, sondern nur von der geschulten<br />
Handwerkerhand durchführbar.<br />
Die Verarbeitung des Rohschiefers erfolgt in<br />
mehreren Arbeitsschritten. Im Großen und<br />
Ganzen kann man fünf Arbeitsschritte: Gewinnung,<br />
Förderung, Reißen, Köpfen, Spalten<br />
und letztendlich das Zurichten unterscheiden.<br />
Weiterhin gibt es zwei grundverschiedene Gewinnungsprinzipien:<br />
den Firstenkammerbau<br />
und den Strossenkammerbau.<br />
Beim Firstenkammerbau, auch als »schwebendes<br />
Abbauverfahren« bezeichnet, erfolgt nach<br />
dem abgeschlossenen Sohlenabbau die Erweiterung<br />
des Stollens in die Höhe. Man baut den<br />
Schiefer fortan im Gewölbe ab.<br />
Im Gegensatz dazu wird beim Strossenkammerbau,<br />
auch »fallendes Abbauverfahren« genannt,<br />
der Schieferabbauraum in die Tiefe erweitert.<br />
Da bei dieser Kammerherstellung kein<br />
Versatz eingebracht werden kann, wird die Abbaumethode<br />
eigentlich seltener angewandt.<br />
Schiefer wurde ursprünglich nur im Tagebau<br />
gewonnen. Vermutlich stieß man auf der Suche<br />
nach Haus- und Mauerbaumaterial auf Lagerstätten<br />
von leicht »dünnspaltbarem« Schiefer. 4<br />
Der Tagebau wurde immer tiefer in den Berg<br />
hineingetrieben. Als man entdeckte, dass die<br />
tieferliegenden Schieferschichten eine höhere<br />
Qualität als der über Tage gewonnene Schiefer<br />
aufwiesen, begann man mit dem Untertagebau.<br />
Durch sogenannte Suchstollen versuchte man<br />
auf geeignete Schieferlager zu stoßen. Man<br />
trieb den Stollen täglich etwa 30 - 40 cm in den<br />
Berg hinein. Die Arbeit war sehr anstrengend<br />
und mühselig, da in einem solchen sehr eng<br />
angelegten Stollen nur eine Arbeitskraft ihrer<br />
Arbeit nachkommen konnte. Mit Körben und<br />
Schlitten entfernte man den Abraum aus dem<br />
Stollen und lagerte ihn auf Halden vor den Stollen<br />
ab. Stellte sich die Suchstollenanlegung als<br />
erfolgreich heraus, so wurde der Stollen erweitert<br />
und der eigentliche Schieferabbau begann.<br />
Als erster Arbeitsschritt erfolgte das »Schrämen«,<br />
d. h. mit einem Schrämhammer wurden<br />
in die Schieferwand etwa 50 cm tiefe Schrämschlitze<br />
gehauen. Mit Pickel, Keil und Brechstange<br />
wurde der Schieferblock von der Wand<br />
abgetrennt. Falls man mit dieser Methode keinen<br />
Erfolg hatte, setzte man zum Lösen des<br />
Schiefers Schwarzpulver ein.<br />
154<br />
War der Sohlenabbau völlig ausgeschöpft, so<br />
erweiterte man den Stollen in die Höhe oder<br />
Tiefe. In unserer Region wurde der »Firstenabbau«<br />
angewandt, der im gesamten rheinischen<br />
Gebiet weit verbreitet war. Der Stollen wurde<br />
systematisch First für First abgeräumt. Dabei<br />
kam es zur Entstehung von Abbaukammern, in<br />
denen sich das taube Gestein als Versatz ansammelte.<br />
Der beim Abbau gewonnene Schieferblock<br />
wurde mit Meißeln, Keilen und Hämmern für die<br />
Förderung in kleinere »Köpfe« zerlegt. Mit<br />
Pickel und Säge wurden abermals Sollbruchstellen<br />
und »Schrämschlitze« angebracht. An<br />
ihnen wurde der Schiefer mit einem gezielten<br />
Hammerschlag oder durch das Einschlagen<br />
von »Köpfkeilen« in möglichst große, aber dennoch<br />
transportfähige »Köpfe« zerteilt. Nach der<br />
Aufspaltung des Schiefers erfolgte die Schieferförderung.<br />
Zuerst bestand nur die Möglichkeit,<br />
den schweren Schiefer »herauszubuckeln«,<br />
d. h. auf dem Rücken aus der Abbaukammer<br />
ins Freie zu tragen. Jene Arbeitsmethode<br />
wurde jedoch aus Gesundheitsgründen<br />
von der Bergbaubehörde verboten. Als weitere<br />
Transportmöglichkeit boten sich Schlitten, die<br />
mit Seilen an die Oberfläche gezogen wurden,<br />
oder Schubkarren, die auf hölzernen Bahnen<br />
gezogen wurden, an. Später folgte dann der<br />
Transport des Schiefers mit Loren, die auf ausgelegten<br />
Schienen mit Menschenkraft geschoben<br />
wurden. Zu manchen Stellen im Stollen<br />
konnte man jedoch nicht mit der Lore gelangen,<br />
so dass das »Buckeln« doch noch notwendig<br />
war. Je größer die einzelnen Abbaukammern<br />
wurden, desto mehr Versatz fiel auch<br />
in den Gruben an. Mit Trockenmauerung mussten<br />
die Schächte geschützt werden, damit kein<br />
Abraum auf die Förderstrecke gelangen und<br />
die Förderung blockieren konnte.<br />
Wenn die Lore gegen einen leichten Anstieg<br />
geschoben werden musste, so setzte man einoder<br />
zweimännige Haspeln ein, die sie an Ketten<br />
und Drahtseilen hochzogen.<br />
Über Tage wurden die Loren direkt in die<br />
Spalthäuser gerollt, da Schiefer immer »bergfeucht«<br />
verarbeitet werden muss. Bei einer<br />
Austrocknung des Schiefers kommt es zu Änderungen<br />
der technischen und physikalischen<br />
Eigenschaften des Schiefers und er verliert an<br />
Elastizität und Spaltbarkeit, kann also somit<br />
nicht mehr zu den gewünschten dünnen Schie-
Die Dachschiefer-Produktionsgebiete im rheinischen Schiefergebirge, aus: Fossilien in Hunsrückschiefer-Dokumente<br />
des Meereslebens im Devon (Karte nach Bartels 1986 ergänzt und verändert).<br />
ferplatten weiterverarbeitet werden. In den<br />
Spalthäusern wurde der Schiefer erstmals in<br />
die etwaige Größe der gewünschten Schieferplatten<br />
gebracht. Sollbruchstellen wurden<br />
senkrecht zur Schieferungsebene angebracht,<br />
und mit einem gezielten Hammerschlag wurde<br />
der Schieferblock in die richtige Größe gehauen.<br />
Diese zerteilten Schieferblöcke gingen weiter<br />
zum Schieferspalter, dessen Arbeitsmethode<br />
eine Jahrhunderte lange Tradition besitzt<br />
und noch heute angewendet wird. Auf einem<br />
Schemel hockend, den Schieferblock zwischen<br />
den Beinen geklemmt, wurde das Spalteisen<br />
in den Schiefer hineingetrieben und mit<br />
einem Hammer in etwa 4 - 6 mm dicke Platten<br />
zerteilt. Später setzte man ein pressluftbetriebenes<br />
Spalteisen ein.<br />
Für die entstandenen Rohschuppen wurden<br />
dann, meistens von Kindern, Schablonen an-<br />
gefertigt, die die richtige Größe für die Schieferplatten<br />
besaßen, und mit Reißnägeln die<br />
endgültige Form auf die Schieferplatten nachgezeichnet.<br />
Die vorgezeichneten Platten<br />
»schnitt« der Zurichter auf der Haubrücke mit<br />
Hammer und Hebelschere in die richtige Form.<br />
Die fertigen Schieferplatten wurden senkrecht<br />
aufgereiht und später per laufendem »Reis«<br />
oder per Gewicht verkauft. Gerade für große<br />
Schieferplattenformate und dünne Schieferplatten<br />
konnte man einen guten Preis erzielen,<br />
da diese Formate eine schnelle und ergiebige<br />
Dachdeckung ermöglichten. 5<br />
Bergbauregeln und Bergbaugesetze<br />
Der Hunsrück war im Verlauf seiner Geschichte<br />
im Besitz vieler verschiedener Großmächte. Bis<br />
zum Jahre 1792 gehörte der Hunsrück zum<br />
Kurfürstentum Trier. Gerade die rechtlichen<br />
155
Bestimmungen und Verordnungen hatten<br />
großen Einfluss auf seine wirtschaftliche Entwicklung<br />
und auch auf die Lebensbedingungen<br />
der hier ansässigen Bevölkerung.<br />
In der Goldenen Bulle von 1356 wurde eindeutig<br />
festgelegt, dass der Dachschiefer nicht zu<br />
den Mineralien zählt, die dem Landesherrn vorbehalten<br />
sind. Ebenso wenig wird er im kurtrierischen<br />
Bergrecht des 22. Juli 1564 zu den Regalien<br />
gezählt. Im kurtrierischen Landesrecht<br />
vom 22. April 1713 wird erklärt, dass der Dachschiefer<br />
dem Grundeigentümer vorbehalten<br />
sei. Allerdings hielten sich viele der Kurfürsten<br />
nicht an das geltende Recht. Der Trierer Kurfürst<br />
übte wider die Verordnungen ein Dachschieferregal<br />
aus. Die gesamte Bevölkerung<br />
hatte an die kurfürstliche Finanz- und Güterverwaltung<br />
den sogenannten »zehnten Teil« zu<br />
entrichten.<br />
Wenig später wurde im gesamten Kurfürstentum<br />
die »Verordnung Leyenbrüchebearbeitung«<br />
festgelegt. Dadurch erhielt jeder Bürger<br />
das Recht, Brüche zu bauen bzw. alte Brüche<br />
aufzuräumen.<br />
Es gab Bestimmungen über die zugelassene<br />
Feldgröße einer Grube. Sie durfte die Größe<br />
von 180 x 180 Fuß (das entspricht etwa einer<br />
Größe von 60 x 60 Metern; ein Fuß hat etwa die<br />
Länge von 33,28 cm) nicht überschreiten.<br />
Als Betreiber einer Schiefergrube war man verpflichtet,<br />
sein Vorhaben der zuständigen Kellnerei<br />
zu melden, die dann das kurfürstliche<br />
Oberbergamt informierte. Die Belehnung der<br />
Grube war an keinen bestimmten Zeitraum gebunden,<br />
sie blieb von einer Generation zur<br />
nächsten in Familienbesitz.<br />
Als 1792 die Landübernahme durch die Franzosen<br />
erfolgte, wurde das damals geltende Gesetz<br />
von den französischen Verordnungen ersetzt.<br />
Die Abgabe des »zehnten Teils« wurde<br />
abgeschafft und das französische Bergrecht<br />
vom 18. Juli 1791 trat in Kraft. Am 21. April<br />
1810 erschien eine neue Fassung des Gesetzes,<br />
in dem geschrieben stand, dass der Bergbau<br />
nicht dem Staat unterstehe, sondern ganz<br />
dem Grundbesitzer überlassen sei. Schieferbergbau<br />
wurde abermals zum Grundeigentümerbergbau.<br />
In § 81 der Gesetzgebung von<br />
1810 wurde eine sicherheitstechnische Überwachung<br />
der Tagebauschiefergruben durch<br />
die Ortspolizeibehörden festgelegt. In § 82 der<br />
gleichen Gesetzesschrift wurde angeordnet,<br />
156<br />
dass eine Überwachung der Untertagegruben<br />
durch die Bergbehörden als Bergpolizeibehörde<br />
erfolgen müsse.<br />
Bis heute hat sich an dem Prinzip des Grundeigentums<br />
an Schiefergruben nichts verändert.<br />
Selbst als Preußen das linke Rheingebiet übernahm,<br />
blieben die bis dahin geltenden französischen<br />
Bestimmungen rechtskräftig. Der Schutz<br />
des Bergbaugewerbes vor Staatseingriffen förderte<br />
die wirtschaftliche Entwicklung des<br />
Schiefers in vorteilhafter Weise, so dass er an<br />
Bedeutung gewann.<br />
Zahlreiche Unfälle führten zum Erlass von neuen<br />
Gesetzgebungen: am 16. September 1824<br />
erließ man das »Bergpolizei-Reglement für die<br />
Dachschieferbrüche«, am 6. Dezember 1825<br />
folgte eine weitere Verfügung, die das regelmäßige<br />
Einreichen von Produktionsübersichten<br />
forderte. Am 19. November 1833 kam es zu<br />
ersten gesetzlichen Regelungen in Sicherheitsfragen.<br />
Bei der Sprengarbeit wurde das Benutzen<br />
von eisernen Nadeln untersagt, da es beim<br />
Herausziehen des Werkzeuges manchmal zur<br />
frühzeitigen Entzündung des Schwarzpulvers<br />
kam. Zum Einbringen des Schwarzpulvers in<br />
die Bohrlöcher durften nur noch kupferne Nadeln<br />
verwendet werden.<br />
Das französische Bergrecht verlor am 24. Juni<br />
1865 seine Rechtskraft. Es wurde durch das<br />
preußische allgemeine Bergrecht ersetzt.<br />
Es folgten noch einige Gesetzgebungen, die<br />
die Bergpolizeiverordnung von 1871 novellierten<br />
und dem aktuellen technischen Entwicklungsstandard<br />
anpassten. Die letzte die Regeln<br />
des Bergbaus ändernde Gesetzgebung erfolgte<br />
am 7. Juli 1902. Die Novelle zum preußischen<br />
allgemeinen Bergrecht ermöglichte es<br />
den Grubenbesitzern, das sogenannte Hilfsbaurecht<br />
und ein beschränktes Enteignungsrecht<br />
in Anspruch zu nehmen. Im Klartext bedeutete<br />
dies, dass ein Grubenbesitzer ohne<br />
Landbesitz, der Hilfsbauten (zur Wasserhaltung<br />
oder zur Bewetterung) benötigte, das<br />
Recht hatte, die Grundstücke fremder Eigentümer<br />
zu unterfahren und wenn es sich nicht vermeiden<br />
ließ, durchaus auch die Oberfläche des<br />
fremden Grundstücks zu benutzen. 6<br />
Der Schieferbergbau in Berglicht<br />
Die Schiefergrube Kröschelfeld<br />
Die Schiefergrube besteht aus einem oberen
und unteren Stollen. Der obere Stollen besitzt<br />
eine Länge von 45 m und besteht aus zwei Abbaukammern.<br />
Die erste Abbaukammer aus<br />
dem Jahre 1898 ist 1 m tief und 9 m hoch,<br />
während die zweite Abbaukammer des Jahres<br />
1900 eine Tiefe von 4 m erreicht und 2,5 m<br />
hoch ist.<br />
Im Vergleich zu dem etwa 12,5 m unterhalb liegenden<br />
unteren Stollen ist der obere Stollen<br />
nur sehr klein. Der untere Stollen besitzt eine<br />
Gesamtlänge (ohne den Querschlag von ca. 30<br />
m) von etwa 117,5 m. Wie man aus der Lagekarte<br />
von 1906 ersehen kann, begann man bereits<br />
1884 mit dem Vorantrieb des Stollens in<br />
den Berg. Nach etwa 40 m knickt der eigentliche<br />
Hauptstollen nach links ab, da ein direkter<br />
Eintrieb in den Berg hinein durch Wasserzulauf<br />
nicht möglich war. Doch bereits nach ungefähr<br />
7,5 m konnte der Stollen wieder geradlinig in<br />
den Berg hineingetrieben werden. 1886 kam es<br />
zum Anlegen einer ersten Abbaukammer, die<br />
eine Tiefe von 6 m besaß. Zum Erschließen einer<br />
weiteren Abbaukammer kam es im Jahr<br />
1887. Anfangs wurde die Abbaukammer um<br />
2,5 m in die Höhe erweitert, doch schon nach<br />
kurzer Zeit ging man abermals zum Tiefbau<br />
über und erreichte hierbei eine Abbautiefe von<br />
etwa 8 m. Eine weitere 3 m hohe und 2 m tiefe<br />
Abbaukammer wurde im Jahr 1888 abgeteuft.<br />
Zwischen 1889 und 1894 legte man eine Abbaukammer<br />
in einer Höhe von 3 m an. Im Jahr<br />
1895 stieß man dann auf eines der beiden<br />
größten Schieferlager des Berges und baute<br />
den Schiefer hier in einer Abbaukammer mit einer<br />
Höhe von 1,2 m und einer Tiefe von 6,5 m<br />
ab. Zu dem zweiten großen Schieferlager kam<br />
man kurz darauf im Jahr 1898. Die Abbaukammer<br />
erreichte hier eine Höhe von etwa 5,8 m<br />
und eine Tiefe von 1,2 m. In den beiden letztgenannten<br />
Abbaukammern fand man auch<br />
gleichzeitig den hochwertigsten Schiefer der<br />
gesamten Schiefergrube. Bei dem anfänglich<br />
gewonnenen Schiefer handelte es sich oftmals<br />
um qualitativ minderwertigeren gelblichen<br />
Schiefer. Der letzte Eintrag auf der Lagekarte<br />
stammt von 1900, in diesem Jahr fand man in<br />
der Nähe der Knickstelle des Hauptstollens ein<br />
weiteres Schieferlager, das man in einer Abbaukammer,<br />
die eine Tiefe von 6 m besaß, abbaute.<br />
Genauere Angaben über die Grubentätigkeit<br />
gibt es erst seit 1904. Dies kommt daher, dass<br />
zu jener Zeit das Saarländische Bergamt das<br />
hiesige Land komplett pachtete, um es nach<br />
Erdschätzen zu durchforsten. Da sich das Gebiet<br />
»Kröschelfeld« jedoch bereits seit vielen<br />
Jahren im Besitz der Familie Ludes aus Berglicht<br />
befand, konnte es hier keine Suche beginnen.<br />
Stattdessen musste der Familienbetrieb<br />
ständig Berichte über seine Abbautätigkeit in<br />
der Schiefergrube an das Bergamt senden.<br />
Aus diesen Berichten, die im Archiv in Koblenz<br />
aufbewahrt wurden, geht hervor, dass man in<br />
diesem Jahr abermals 30 m in den Berg hineingetrieben<br />
war, man jedoch bereits nach 20 m<br />
auf etwa sechs Meter tiefen Mutterboden traf.<br />
Im darauf folgenden Jahr ruhte der Betrieb gegen<br />
Ende August, da der Boden des Stollens<br />
unter Wasser stand und ein Vorantrieb nicht<br />
möglich war. Man wollte zwar das Wasser mit<br />
Hilfe von Pumpen aus dem Stollen entfernen,<br />
doch da zu jener Zeit die finanziellen Mittel<br />
nicht ausreichten, konnte man dies nicht tun.<br />
Im Jahr 1908 war man bereits 70 m vom Stollenmundloch<br />
entfernt. An dieser Stelle bog der<br />
Stollen nach Südosten ab und fuhr nach Nordosten<br />
weiter. Nur sechs Meter von dieser Abzweigung<br />
entfernt begann man mit dem Abbau<br />
einer Kammer von sieben Metern, in der man<br />
insgesamt ungefähr zehn Kubikmeter Schiefer<br />
abtrug. Der Abbauraum wurde mit fünf Schieferpfeilern<br />
gestützt. Noch im gleichen Jahr begann<br />
man mit dem Anlegen von zwei weiteren<br />
Abbaukammern. Die Ausbeute des Jahres<br />
1908 betrug 368 (345) m 3 , für die man einen Betrag<br />
von 1 383 (1314) Mark erzielen konnte, der<br />
Schiefer kostete also pro m 3 etwa 3,80 Mark.<br />
1910 verließ man die Stollensohle und begann<br />
mit dem Abbau von zwei Kammern. Diese wollte<br />
man bis zum kommenden Frühjahr komplett<br />
abgeteuft haben. Man baute in diesem Jahr<br />
rund 465 m 3 ab, für die man 1 822 Mark erhielt<br />
(Preis pro m 3 : etwa 3,90 Mark). Im darauf folgenden<br />
Jahr war der Stollen größtenteils außer<br />
Betrieb. Der Eigentümer spielte sogar mit dem<br />
Gedanken, die Schiefergrube zu verkaufen.<br />
1914 war die Ausbeute wesentlich geringer.<br />
Man baute lediglich 240 m 3 Schiefer ab. Grund<br />
für diese geringe Menge war der eingetretene<br />
Erste Weltkrieg. Seit der Mobilmachung ruhte<br />
der Betrieb, da die Betreiber der Grube in den<br />
Krieg ziehen mussten.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Abbautätigkeit<br />
der Grube wieder aufgenommen.<br />
157
Zu Beginn des Jahres 1919 wurde sie nur zeitweise<br />
betrieben. Ihre Tätigkeit richtete sich<br />
nach dem Bedarf an Schiefer. Mitte Mai wurde<br />
der Betrieb wieder vollständig aufgenommen,<br />
doch schon im September des gleichen Jahres<br />
wurde er erneut eingestellt. Man gewann in diesem<br />
Jahr etwa 339 m 3 Schiefer und erhielt<br />
dafür 1 860 Mark. Aufgrund des hohen Bedarfs<br />
an Schiefer durch die Kriegszerstörungen stieg<br />
der Preis rasch in die Höhe (Ein Quadratmeter<br />
Schiefer kostete 5,48 Mark). Seit Mitte Dezember<br />
des Jahres 1921 wurde dann abermals<br />
Dachschiefer gefördert. Die Grube wurde von<br />
vier Brüdern betrieben, die den Schiefer erneut<br />
abbauten, um das Dach des Hauses ihrer<br />
Schwester zu decken, welches zuvor durch einen<br />
Brand zerstört worden war. Allerdings wurde<br />
die Grube nur saisonal betrieben, da im<br />
Sommer die anfallenden Arbeiten in der Landwirtschaft<br />
erledigt werden mussten. Mitte März<br />
des Jahres 1922 verlangte das Bergamt Koblenz<br />
die Anschaffung einer Sprengkiste, da<br />
größere Mengen Schwarzpulver im Stollen sicher<br />
gelagert werden mussten. Doch da die<br />
Sprengtätigkeiten der Grube Kröschelfeld den<br />
festgelegten Rahmen nicht überschritten, wurde<br />
der Antrag zurückgezogen. Das benötigte<br />
Schwarzpulver konnte jederzeit im nahe gelegenen<br />
Nachbarort Thalfang erworben werden.<br />
Im April des gleichen Jahres erging die Forderung<br />
zum Erstellen eines neuen aktualisierten<br />
Grubenbildes durch das Bergamt Koblenz. Eine<br />
Neuerstellung war jedoch nicht möglich, da<br />
der Hauptstollen der Schiefergrube eingestürzt<br />
war. Da die Betreiber der Grube schwere<br />
Kriegsverletzungen erlitten hatten und dadurch<br />
größtenteils arbeitsunfähig waren und die finanziellen<br />
Mittel nicht ausreichten, um andere<br />
Arbeitskräfte einzustellen, konnte eine Freiräumung<br />
des Stollens nicht erfolgen.<br />
Weitere schriftliche Belege über die Entwicklung<br />
des Betriebes fehlen. Der Sohn des ehemaligen<br />
Grubenbesitzers, Alois Ludes, erinnert<br />
sich, dass die Grube nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
abermals in Betrieb genommen wurde<br />
und die gesamte Umgebung mit Schiefer versorgen<br />
konnte. Doch mit zunehmendem Abbau<br />
stieg der Abraum und stellte ein Lagerungsproblem<br />
dar. Zwar sollte dieser genutzt werden,<br />
um zu Ziersteinen verarbeitet zu werden, doch<br />
durch unglückliche Umstände konnte der Plan<br />
nicht realisiert werden. Deshalb kam es kurz<br />
158<br />
darauf zum Erliegen des Schiefervertriebs. Als<br />
letzte Zeugen der Schiefergrube Kröschelfeld<br />
sind noch die Lagekarte von 1906 sowie eine<br />
»Verordnung zur ersten Hilfe bei Unfällen« in<br />
Besitz der Familie Ludes erhalten.<br />
Die Schiefergrube Berensrech<br />
Über die Abbautätigkeiten der Schiefergrube<br />
Berensrech sind nur wenige schriftliche Belege<br />
erhalten. Seit Mitte des Jahres 1911 wurde die<br />
Schiefergrube von den Gebrüdern Bier aus<br />
Berglicht betrieben. Josef Bier war zu der Zeit<br />
der Aufseher der Grube. Im Jahre 1911 wurden<br />
120 m 3 Schiefer abgebaut, für die ein Preis von<br />
480 Mark erzielt werden konnte (1 m 3 Schiefer<br />
kostete 4 Mark). Im darauf folgenden Jahr wurde<br />
wesentlich weniger Schiefer abgebaut.<br />
Größtenteils handelte es sich bei dem gewonnenen<br />
Schiefer nur um den wertloseren gelblichen<br />
Schiefer, der als Schiefer- und Mauerstein<br />
verwendet wurde. Die Ausbeute des Jahres<br />
1912 betrug lediglich 20 m 3 , die 100 Mark<br />
brachten. Im Jahre 1913 wurden insgesamt<br />
183 m 3 Schiefer gefördert, die einen Ertrag von<br />
604 Mark brachten. Während des Ersten Weltkriegs<br />
war der Stollen außer Betrieb, da die Betreiber<br />
der Schiefergrube zum Kriegsdienst eingezogen<br />
wurden. Ebenso wie für die Schiefergrube<br />
Kröschelfeld wurde auch für die Schiefergrube<br />
Berensrech die Abnahme eines sicheren<br />
Sprengstofflagerraumes gefordert. Im Jahre<br />
1919 kam es erneut zu einer Befahrung des<br />
Stollens, bei der nur einige wenige Stollen vorangetrieben<br />
wurden. 1925 kam es nochmals<br />
kurzzeitig zu einigen Arbeiten über Tage, doch<br />
letztendlich wurde der Schieferbergbau eingestellt.<br />
Anmerkungen<br />
1 Nach der Übersetzung von M. W. Besser (Marburg 1908) zitiert, S.<br />
9.<br />
2 Bartels, Christoph und Brassel, Günther: Fossilien im Hunsrückschiefer<br />
– Dokumente des Meereslebens im Devon; Idar-Oberstein;<br />
Band 7, 1990 (1. Auflage), S. 12 - 21.<br />
3 Bartels, Christoph: Schieferdörfer – Dachschieferbergbau im<br />
Linksrheingebiet vom Ende des Feudalzeitalters bis zur Weltwirtschaftskrise<br />
(1790-1929); Reihe Geschichtswissenschaften, Band<br />
7; Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft, 1986, S. 10 - 17<br />
4 Hoppen, Ewald A. und Dr. Wagner, Wolfgang: Forschungen zur<br />
Modernisierung des Schieferbergbaus – AuT-Forschungsvorhaben;<br />
Heft 73 der GDMB Gesellschaft Deutscher Metallhütten und<br />
Bergleute, S. 38<br />
5 Schweicher, Theophil: Stein und Wein – Dachschieferbergbau in<br />
Fell, herausgegeben 1995 vom Förderverein Besucherbergwerk<br />
Fell e.V., S. 12 - 24.<br />
6 Bartels (wie Anm. 3), S. 28 - 35.
»Gedachte« Aussichtstürme für<br />
den Erbeskopf<br />
Eine erste Idee und ein früher Plan<br />
Vom 26. bis 28 Juni 1852 weilte König Friedrich<br />
Wilhelm IV. von Preußen zu einem Besuch im<br />
Regierungsbezirk Trier. Sein Besuch bescherte<br />
manchem Beamten der Königlichen Regierung<br />
in Trier, besonders aber dem Regierungspräsidenten<br />
Sebaldt unruhige und anstrengende<br />
Tage. Er stand zu dieser Zeit gerade drei Jahre<br />
im Amt. 1 Dennoch war er mit den Verhältnissen<br />
in seinem Verwaltungsbezirk gut vertraut, weil<br />
er bis zu seiner Ernennung der Königlichen Regierung<br />
in Trier bereits mehrere Jahre als Regierungsrat<br />
angehörte.<br />
Diesen mit dem Besuch verbundenen Mühen<br />
stand - dem Geist der Zeit gemäß -, quasi als<br />
Lohn, ein außergewöhnliches, seltenes Ereignis<br />
gegenüber: Die Begegnung mit dem regierenden<br />
Monarchen und - nicht minder bedeutsam<br />
- mit den die Königliche Majestät begleitenden<br />
Ministern. Sie konnte für die weitere<br />
Laufbahn durchaus hilfreich und eine tragfähige<br />
Sprosse auf der Karriereleiter sein.<br />
Dem Regierungspräsidenten Sebaldt schien es<br />
nach dem Besuch ratsam, den bei dem »Allerhöchsten«<br />
Besucher hinterlassenen vermeintlich<br />
günstigen Eindruck nicht nur wachzuhalten,<br />
sondern, einem Nachhall gleich, noch zu<br />
verstärken. Das lässt ein Bericht vermuten, den<br />
Sebaldt bereits am 30. Juni 1852 dem »Königlichen<br />
Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Herrn<br />
von Kleist-Retzow Hochwohlgeboren in Coblenz«<br />
mit einer wortreich verpackten Idee zuleiten<br />
ließ. 2<br />
Er schrieb: »Bei dieser Gelegenheit erlaube ich<br />
mir, Ew. Hochwohlgeboren eine Idee zur geneigten<br />
Würdigung zu unterbreiten, welche mir<br />
viele entsprechende Seiten zu haben scheint.<br />
Der Eindruck, welchen die Anwesenheit und<br />
die herz gewinnende Huld Sr Majestät<br />
des Königs auf die Einwohner des hiesigen Bezirks<br />
gemacht hat, ist ein fühlbar tiefer, und,<br />
nach meiner, auf genauer Kenntniß der hiesi-<br />
Norbert Leduc<br />
gen Verhältniße gebauten Auffaßung, von den<br />
wohlthätigsten und gedeihlichsten Folgen für<br />
die Zukunft. Ich wünschte für diesen Eindruck<br />
ein dauerndes Erinnerungszeichen und sähe es<br />
gern, wenn dasselbe in folgender Weise realisirt<br />
würde.<br />
Der höchste Punkt des Hochwaldes zwischen<br />
Thalfang und Allenbach (der sogenannte Erbsenkopf<br />
= 2500‘ 3 über der Meeresfläche)<br />
ist zugleich der höchste Punkt der Rheinprovinz,<br />
und würde, wenn auf der Spitze etwas gelichtet,<br />
resp mit einer Warte ausgestattet<br />
wäre, eine der ausgedehntesten Fernund<br />
Rundsichten Deutschlands darbieten, vielleicht<br />
nur von dem Brocken übertroffen. [Der<br />
genannte Punkt trug in französischer Zeit ein<br />
Telegraphen-Haus 4 und wurde damals schon,<br />
so auch in der neueren Preußischen Zeit als trigonometrischer<br />
Punkt I. Klasse für die Kataster-Meßungen,<br />
nicht bloß von Preußen, sondern<br />
auch von dem benachbarten Auslande<br />
benutzt. 5 ]<br />
Meine Idee ist nun, Im Einverständnis mit der<br />
höchsten Kataster- und Forstbehörde, einen<br />
massiven Wartthurm von etwa 100‘ auf diesem<br />
Punkte errichten und diesen Bau als Erinnerung<br />
an die Anwesenheit Sr. Majestät im hiesigen<br />
Bezirke am 26. 27. 28ten Juni d. Js. Königs-Warte<br />
nennen zu laßen. Die Kosten /: mit<br />
500 - 600 Reichsthaler würde der Aufwand voraussichtlich<br />
gedeckt sein:/ dürfte ich mit Leichtigkeit<br />
durch freiwillige Beiträge patriotisch gesinnter<br />
Männer des Bezirks decken und erbitte<br />
daher vorerst eine geneigte Aeußerung, ob<br />
Hochdenselben gegen Ausführung dieser Idee<br />
irgend ein Bedenken beigeht.«<br />
Oberpräsident von Kleist-Retzow setzte am 9.<br />
Juli 1852 auf den Rand des Berichtes als Entwurf<br />
für eine Verfügung an Sebaldt dies:<br />
»...... daß ich die Ausführung Ihres Vorhabens,<br />
zur Erinnerung an die Anwesenheit Ihrer Maje-<br />
159
stät des Königs am 26. 27. 28. vorigen Monats<br />
im Regierungsbezirk Trier auf dem Erbsenkopf<br />
einen Wartthurm erbauen und denselben<br />
den Namen Königswarte beilegen zu laßen, für<br />
unbedenklich halte, und hiezu meinerseits einen<br />
Beitrag von 5 Thalern zur Errichtung dießes<br />
Denkmals ergebenst spende«. 6<br />
Diese Verfügung erhielt Regierungspräsident<br />
Sebaldt nach der Rückkehr von seiner vierwöchigen<br />
Badereise Anfang August. Wenn er<br />
auch von der Spende der 5 Thaler des höchsten<br />
Königlichen Beamten in der Rheinprovinz<br />
nicht überwältigt sein konnte, so signalisierte<br />
sie doch dessen ausdrückliche persönliche Zustimmung<br />
zu dem Vorhaben. Offiziell hielt er es<br />
jedoch »nur« für »unbedenklich«.<br />
Ohne die Meinungsäußerung des unmittelbaren<br />
Vorgesetzten abzuwarten, erließ Regierungspräsident<br />
Sebaldt in dieser Angelegenheit<br />
bereits am 1. Juli 1852 eine »Ansprache«. 7<br />
Darin begründete er seine Idee und lud dazu<br />
ein, die Kosten für das Vorhaben »im Wege patriotischer<br />
Beiträge« zu sammeln.<br />
Er ließ Angaben zu den Besonderheiten des<br />
von ihm ausgewählten Standortes folgen. Im<br />
Wesentlichen wiederholte er, nur weitaus wortreicher,<br />
das, was er am Tage zuvor dem Oberpräsidenten<br />
zu Wissen gegeben hatte. Diesmal<br />
aber nannte er den Standort »Erbeskopf« und<br />
nicht »Erbsenkopf«. Er gab nunmehr für dessen<br />
Kuppe eine Höhe von 2600 Fuß an, womit er<br />
unter Zugrundelegung des Fuß-Maßes von<br />
31,50 cm dem modernen Messungsergebnis<br />
der Höhe von 818 m 8 sehr nahe kam. Schließlich<br />
präzisierte er seine Vorstellungen für das<br />
Erinnerungszeichen und dessen Finanzierung.<br />
Er sagte: »Mein Vorschlag ist:<br />
1. daß auf dem genannten höchsten Gipfel des<br />
Hochwaldes, im Einverstädniße mit den<br />
betreffenden Forst- und Kataster-Behörden,<br />
eine Warte von wenigstens 100 Fuß Höhe erbaut<br />
werde - kein Luxusbau, aber massiv<br />
und dauerhaft genug, um Jahrhunderte zu<br />
trotzen;<br />
2. daß diese Warte, als Erinnerungszeichen an<br />
die beglückende Anwesenheit Sr. Majestät<br />
des Königs im Regierungsbezirk Trier am 26.<br />
27. und 28ten Juni 1852, den Namen ‘Königs-Warte’<br />
erhalte;<br />
3. daß die Kosten zu dem Bau im Wege patriotischer<br />
Beiträge gesammelt werden.«<br />
Danach lud er die »Bürgermeister und Ortsvor-<br />
160<br />
steher des Bezirkes, sowie alle diejenigen, welche<br />
sich für diese Idee interessiren«, ein, sich<br />
»der Sammlungen von Beiträgen anzunehmen<br />
und solche, unter specieller Angabe der einzelnen<br />
Geber an den Herrn Rechnungs-Rath Emmerich<br />
hierselbst einzusenden«.<br />
Er hielt es für zweckmäßig, noch dies zum Ausdruck<br />
zu bringen. Bei dem »mäßigen Kostenaufwande«<br />
sei auch die »kleinste Gabe annehmbar<br />
und förderlich«. Wichtig sei nicht die<br />
Höhe der einzelnen Beiträge, sondern die »Zahl<br />
der Beitragenden«. Sie allein verleihe dem »Unternehmen<br />
die eigentliche Bedeutung«. Von einer<br />
»Hauscollekte« könne nicht die Rede sein,<br />
vielmehr wünsche er, »daß nur von solchen<br />
Personen Beiträge angenommen werden<br />
möchten, deren Gesinnung als patriotisch bekannt«<br />
und von denen zu erwarten sei, »daß die<br />
Gabe aus treuem, aufrichtigem Herzen« komme.<br />
Sebaldt schloss seine »Ansprache« mit der<br />
Feststellung, sobald die Sammlung den Betrag<br />
von 600 Thalern erreiche, solle »mit der Fertigung<br />
des Planes und Kostenanschlages vorangeschritten<br />
werden«.<br />
Regierungspräsident Sebaldt verwendete für<br />
das von ihm erdachte und propagierte »Erinnerungszeichen«<br />
an den Königsbesuch stets den<br />
Begriff »Warte«. Das erstaunt besonders, weil<br />
er an einer Stelle seiner »Ansprache« von der<br />
durch die »Warte« zu gewinnenden »ausgedehntesten<br />
Fern- und Umsicht Deutschlands«<br />
schwärmte. »Warte« bedeutete nach Brockhaus'<br />
Bilder-Conversations-Lexikon von 1841 9<br />
»erhabener Ort, hochgelegener Standpunkt,<br />
von welchem aus die umliegende Gegend<br />
übersehen werden kann«. Damit war der Hochpunkt<br />
selbst gemeint, der zur Verbesserung<br />
der Sicht von eventuellem Bewuchs freigehalten<br />
wurde. Sebaldt übernahm diese Bezeichnung<br />
auch für das gedachte »wenigstens 100<br />
Fuß hohe« Bauwerk. Der Begriff »Aussichtsturm«<br />
für eine solche Anlage war damals noch<br />
nicht geprägt.<br />
Positive und negative Folgen der<br />
»Ansprache«<br />
Nach der Rückkehr von seiner Badereise bat<br />
Sebaldt gewiss recht bald den Rechnungsrat<br />
Emmerich zu sich, um die Höhe der eingegangenen<br />
»Beiträge« für das von ihm initiierte »Erinnerungszeichen«<br />
zu erfahren. Das Ergebnis
muss ihn nicht recht zufrieden gestellt haben.<br />
Er trat nämlich mit einer weiteren »Ansprache«<br />
am 29. August 1852 an die Öffentlichkeit, der er<br />
folgende Fassung gab 10 :<br />
»Die Beiträge zu dem, von mir vorgeschlagenen,<br />
Baue einer »Königs-Warte« auf dem sogenannten<br />
Erbeskopf, als Erinnerungszeichen<br />
an die beglückende Anwesenheit Sr. Majestät<br />
des Königs im Regierungsbezirk Trier am 26.<br />
27. 28. Juni d. Js., gehen so reichlich ein, daß<br />
man schon jetzt das Unternehmen als gesichert<br />
ansehen darf.<br />
Ich säume nicht, dieses erfreuliche Resultat zur<br />
Kenntniß der patriotischen Theilnehmer zu<br />
bringen und drücke zugleich meine Freude darüber<br />
aus, daß die Idee in allen Claßen der Bevölkerung,<br />
an mehreren Orten selbst bei der<br />
Schuljugend, warmen Anklang findet.<br />
Da ich hieraus zu folgern berechtigt bin, daß<br />
der Vorschlag ins Besondere durch die Herren<br />
Geistlichen und Lehrer ein wohlgesinnter und<br />
thätiger Vorschub zugewendet wird, so nehme<br />
ich gern Veranlaßung, schon jetzt in dieser<br />
Richtung ein dankendes Anerkenntnis auszusprechen.<br />
Die Pfennige wiegen schwer, welche aus Kindeshand<br />
dem Unternehmen zugewendet werden,<br />
denn sie geben Zeugniß von einer gesunden<br />
patriotischen Erziehung und einem früh<br />
geweckten Sinn für Heimath und heimathliche<br />
Wahrzeichen.«<br />
Die erneute »Ansprache« des Regierungspräsidenten<br />
trug schon fast moderne Züge. Er<br />
wandte sich an eine Klientel, die auch eine wesentliche<br />
Zielgruppe für die heutige Fernsehwerbung<br />
ist, die Kinder und Jugendlichen. Es<br />
lässt sich im Augenblick nicht prüfen, wie erfolgreich<br />
er damit gewesen ist. Ausgehend von der<br />
Erklärung Sebaldts in seiner »Ansprache« vom<br />
1. Juli 1852 »mit der Fertigung des Planes und<br />
Kostenanschlages« voranzuschreiten, sobald<br />
die Sammlung den »Betrag von 600 Thalern erreicht<br />
haben wird«, war dieser Status anscheinend<br />
erst Anfang September 1852 erreicht.<br />
Am 7. September 1852 nämlich sprach er in einer<br />
ausführlichen Aktennotiz 11 die »ergebene<br />
Bitte« an mehrere Herren aus, sich »gefälligst<br />
als Bau Commission für die Königs Warte zu<br />
constituiren«. Der gesamte Inhalt dieser Aktennotiz<br />
soll wegen der vielschichtigen Details<br />
hiernach im Wortlaut folgen:<br />
»Die von mir angeregte Idee einer auf dem<br />
höchsten Gipfel des Hochwaldes zu erbauenden<br />
Warte (»Königs-Warte«) findet so lebhaften<br />
Anklang, daß ich die Ausführung für gesichert<br />
betrachte, und, meinem Versprechen gemäß,<br />
schon jetzt Einleitungen treffen darf, um dem<br />
Projecte näher zu treten.<br />
Da hierbei neben baulichen Fragen, auch Interessen<br />
der Forst- und Kataster-Verwaltung nahe<br />
liegen, ich auch wünschen muß, daß der zu erbauende<br />
Thurm (diese Vokabel erscheint erstmals)<br />
so angelegt werde, daß er eventuell zu<br />
wissenschaftlichen Zwecken dienen könne, so<br />
erachte ich es für zweckmäßig, wenn mehrere<br />
Herren vom Fache sich zur Formirung eines<br />
Bauprojektes vereinigen, und ich richte daher<br />
an nachgenannte Herren die ergebene Bitte,<br />
Sich gefälligst als Commission /: Bau Commission<br />
für die Königs Warte :/ zu constituiren, und<br />
mir seiner Zeit die Ergebniße ihrer Berathungen<br />
in Form eines motivirten Plans und Kosten Anschlags<br />
zu kommen zu lassen. Was die Baumittel<br />
anbelangt, so hängen diese zum Theil<br />
von der Ausdehnung ab, welche man der Bestimmung<br />
des Baues giebt; unterdeßen glaube<br />
ich, daß es mir unter allen Umständen nicht<br />
schwer werden wird, einen Gesamtfonds von<br />
2 000 - 2 500 Reichsthaler flüssig zu machen,<br />
was ich bei der Projektirung zu berücksichtigen<br />
bitte. Meines Erachtens, kann der Bau im Rauhen<br />
gelassen werden, und Hausteine möchten<br />
nur zur Thüre, den Fensteroeffnungen und der<br />
Krönung erforderlich werden. Höhe circa 100<br />
Fuß. Eine Verjüngung der Verhältniße nach<br />
oben scheint mir nicht rathsam, vielmehr dürfte<br />
der Thurm nur durch möglichst massenhafte<br />
Verhältnisse imponiren p. - ich wünsche daher,<br />
daß man durch einfache Formen zu Gunsten<br />
der Masse möglichst Ersparnisse mache. Die<br />
Commission wolle unter sich einen Vorsitzenden<br />
wählen.<br />
Da der Bau später jedenfalls unter einige Aufsicht<br />
gestellt werden muß, so wünsche ich, daß<br />
namentlich der Herr Oberforstmeister darauf<br />
reflektire, ob nicht forstliche Interessen /:etwa<br />
Vereinigung eines forstlichen Etablissements :/<br />
mit dem Bau nützlich verbunden werden könnte<br />
- äußersten Falls müßte man etwa auf Gründung<br />
eines Invaliden Postens reflektiren, für<br />
welchen die Dotation höheren Orts zu erwirken,<br />
mir voraussichtlich gelingen dürfte, wenn das<br />
Unternehmen im Uebrigen ein gelungenes zu<br />
nennen sein wird.« Diese Aktennotiz erhielten<br />
161
nach dem Willen Sebaldts der Oberforstmeister<br />
Waßerburger, der Regierungsrat Hoff, der<br />
Direktor Dr. Viehoff, der Gymnasial-Oberlehrer<br />
Flesch und der Regierungs-Sekretär Vassen im<br />
Umlaufverfahren zur Kenntnis.<br />
Ihr waren zwei Kartenausschnitte beigefügt,<br />
die über die Lage des Erbeskopfes und dessen<br />
Einbindung in das Gefüge der verschiedenen<br />
trigonometrischen Netze Auskunft gaben.<br />
Bei dieser Sachlage, so ließ sich vermuten,<br />
Auszug aus<br />
dem Haupt-<br />
Dreiecknetz<br />
1. Ordnung<br />
Der Erbeskopf,<br />
zentraler Punkt<br />
in den trigonometrischen<br />
Netzen<br />
um 1850<br />
könnte mit der Errichtung des »Erinnerungszeichens«<br />
in der Form der »Königs-Warte« im<br />
kommenden Jahr begonnen werden. In Wirklichkeit<br />
aber nahm die Angelegenheit einen<br />
gänzlich anderen Verlauf.<br />
In der ersten Novemberhälfte des Jahres 1852<br />
ging dem Regierungspräsidenten Sebaldt ein<br />
Brief des Ministers des Innern aus dem fernen<br />
Berlin unmittelbar zu. Dass der nicht auf dem<br />
Dienstweg zu ihm kam, ließ etwas Besonderes<br />
erwarten. Dem war auch so. Der Brief enthielt<br />
einen Erlass des Ministers, den dieser am 6.<br />
November 1852 unterzeichnet hatte. 12<br />
Sein Inhalt bedeutete das Aus für die Errichtung<br />
eines »Erinnerungszeichen an den beglückenden<br />
Besuch Sr. Majestät des Königs«,<br />
der »Königswarte« auf dem Erbeskopf!<br />
Der Erlass des Innenministers hatte folgenden<br />
Wortlaut:<br />
»Se. Majestät der König haben aus dem von<br />
der dortigen Regierung unterm 10ten v<br />
Mts. für die Monate August und September<br />
d. J. erstatteten Zeitungsberichte 13 ent-<br />
162<br />
nommen, daß der durch Ew. Hochwohlgeboren<br />
angeregte Plan, zur Erinnerung an die Allerhöchste<br />
Anwesenheit in dem dortigen Regierungsbezirke<br />
während des Monats Juni und<br />
Juli ein Denkmal unter dem Namen »Königswarte«<br />
zu errichten, zur Ausführung kommen<br />
soll und daß zu deßen Verwirklichung bereits<br />
Subscriptionen Behufs Aufbringung der Kosten<br />
im Gange sind. Wenngleich Se. Majestät die<br />
patriotischen Gefühle gern anerkennen, die<br />
diesem Plan zu Grunde liegen, so haben Allerhöchstdieselben<br />
es doch nicht für angemeßen<br />
erachten können, daß zum Andenken an einen<br />
gewöhnlichen, durch kein Ereigniß irgendeiner<br />
Art bezeichneten Besuch einer Allerhöchst Ihrer<br />
Provinzen ein sichtbares Monument errichtet<br />
werde. Dabei habe Se. Majestät zu bemerken<br />
geruht, daß wenn etwa beabsichtigt werden<br />
sollte, zum Andenken an jenen Allerhöchsten<br />
Aufenthalt an der Mosel, anstatt jenes<br />
sichtbaren Monuments eine wohlthätige Stiftung<br />
zu errichten und solche nach dem Allerhöchsten<br />
Namen zu benennen, hiergegen gar<br />
nichts zu erinnern sein, solches vielmehr gerne<br />
gestattet werden sollte. (...)« . . . »Daß Ew.<br />
Hochwohlgeboren es überdem zu vermeiden<br />
wißen werden, die Entschließung Sr. Majestät<br />
des Königs in auffallender eine öffentliche Kritik<br />
hervorrufender Weise bekannt zu machen, setze<br />
ich voraus.«<br />
Es muss für Sebaldt schmerzlich gewesen<br />
sein, erkennen zu müssen, wie die mit großem<br />
Pathos in die Öffentlichkeit getragene Idee von<br />
der entscheidenden Instanz wie eine Schimäre,<br />
ein Hirngespinst bewertet wurde. Statt des erwarteten<br />
rühmenden Echos die nüchterne<br />
Feststellung, es sei nichts geschehen, woran<br />
ein »sichtbares Monument« ein Andenken bewahren<br />
könnte. Die mit auffälliger Hast von Sebaldt<br />
in Gang gesetzte Spendensammlung, die<br />
wohl vollendete, unumkehrbare Tatsachen<br />
schaffen sollte, beeinflusste die negative Entscheidung<br />
nicht. Statt der erwarteten »Allerhöchsten«<br />
Anerkennung wurde ihm nicht ohne<br />
Zynismus aufgegeben, für das Scheitern des<br />
Projektes eine für die Öffentlichkeit kritikfreie<br />
Ursache zu finden. Die konnte nur im Eingeständnis<br />
eines Fehlverhaltens, einer Fehlleistung<br />
gefunden werden.<br />
Regierungspräsident Sebaldt muss, wenn ihn<br />
sein Projekt nicht gänzlich blind für die Realitäten<br />
machte, erkannt haben, dass ein solches
Bauwerk ohne jeglichen wirtschaftlichen Nutzen<br />
war. Es konnte nur dazu dienen, unter günstigen<br />
Witterungsbedingungen einen einmalig<br />
weiten, herrlichen Blick in die umgebende, vielgestaltige<br />
Landschaft zu tun.<br />
Dieses Manko, diesen Makel sollte die Deklaration<br />
des Bauwerks als »Erinnerungszeichen«,<br />
als weithin sichtbares Denkmal, als ehrwürdige<br />
»Königswarte« tilgen.<br />
Aber die aus Ehrgeiz und Berechnung geborene,<br />
aber dennoch von einem gewissen romantischen<br />
Zauber umfangene Idee Sebaldts eilte<br />
der Zeit zu weit voraus! Einen Fremdenverkehr,<br />
den das herausragende Bauwerk hätte beleben<br />
helfen, gab es nicht; für »Erholung« im heutigen<br />
Sinne fehlte jegliches Verständnis, vor allem<br />
aber fehlten Zeit und Geld; wer letzteres<br />
besaß, unternahm »Badereisen«. Wozu also in<br />
einer wenig entwickelten Gegend mit geringer<br />
Bevölkerungsdichte und ungünstigen Verkehrsverhältnissen<br />
ein Bauwerk errichten, ohne<br />
praktischen Nutzen, für das es nicht einmal<br />
eine plausible Bezeichnung gab? Das waren<br />
die Kriterien, die die »Allerhöchste« Entscheidung<br />
bestimmt haben müssen. Die erkannten<br />
Antriebskräfte für Sebaldts Handeln riefen Unwillen<br />
in Berlin hervor. Der ablehnende Erlass<br />
des Ministers des Innern zwang Regierungspräsident<br />
Sebaldt, die Öffentlichkeit über das<br />
Scheitern des von ihm initiierten Projekts zu<br />
unterrichten. Doch bevor er dies tat, unternahm<br />
er in der ersten Jahreshälfte 1853 noch zwei<br />
Versuche, zu einer positiven Entscheidung zu<br />
kommen. 14 Er wandte sich an den Prinzen von<br />
Preußen und danach an den Innenminister v.<br />
Westphalen. Diese Bemühungen müssen trotz<br />
oberpräsidialer Unterstützung ergebnislos geblieben<br />
sein, denn am 14. November 1853 15 trat<br />
er mit einer »Ansprache« an die Öffentlichkeit.<br />
Er hatte sich somit mehr als ein Jahr Zeit dazu<br />
genommen, plausible Gründe für die Aufgabe<br />
des von ihm am 1. Juli 1852 so wortreich beschriebenen<br />
Vorhabens zu finden.<br />
Er begann seine Ansprache damit, den »namhaften<br />
Nettobestand« der gesammelten<br />
»Beiträge« mitzuteilen, der sich auf »1 664<br />
Reichsthaler, 1 Silbergroschen, 2 Pfennige«<br />
belief. Dieser Betrag, so führte er weiter aus,<br />
übersteige »um ein Bedeutendes« die Summe,<br />
die ursprünglich als Kostenaufwand ins Auge<br />
gefasst worden sei, um dann zu den in langem<br />
Nachdenken gefundenen »Gründen« für den<br />
Rücktritt von seinem aus »patriotischer Gesinnung«<br />
entwickelten Vorhaben zu kommen.<br />
Er sagte: »Gleichwohl findet die Ausführung<br />
des Baues ein Hindernis darin, daß die wesentlichen<br />
BauMaterialien in der Nähe der Baustätte<br />
theils gar nicht, theils nur durch mühsame<br />
Aussonderung beschafft werden können, und<br />
daß durch diesen unvorhergesehenen Umstand<br />
der ursprüngliche Überschlag um das<br />
Mehrfache überschritten werden müßte.<br />
Bei der Wärme, mit welcher das Projekt in allen<br />
Classen der Bevölkerung aufgenommen worden<br />
ist, halte ich mich zwar überzeugt, daß es<br />
nur nöthig sein möchte, den Zutritt zu der<br />
Sammlung offen zu erhalten, um selbst den unvorhergesehenen<br />
Aufwand zu decken; allein<br />
ich muß Bedenken tragen, diesen Weg einzuschlagen,<br />
und zwar aus doppelten Gründen:<br />
Zunächst verpflichten mich die Zeitumstände,<br />
selbst bei der Ansprache an freiwillige Leistungen,<br />
schonende Grenzen zu beobachten; dann<br />
- und dies ist wohl der Hauptgesichtspunkt -<br />
läßt es die Natur der Beiträge, welche überall<br />
aus williger, zum Theil aber selbst aus dürftiger<br />
Hand gefloßen sind, nicht gerechtfertigt erscheinen,<br />
daß ein unverhältnismäßig großer<br />
Theil der Sammlung den örtlichen Schwierigkeiten<br />
zum Opfer gebracht werde.«<br />
Diese vielen Wörter brauchte Sebaldt, um<br />
nicht, so wie ihm befohlen war, sagen zu müssen:<br />
»Der König hielt es nicht für angemessen,<br />
zur Erinnerung an einen ereignislosen Besuch<br />
im Regierungbezirk Trier ein sichtbares Monument<br />
zur errichten!«<br />
Damit war die Realisierung der Idee einer »Königswarte«,<br />
also die Errichtung eines ersten<br />
»Aussichts-Turmes« auf dem Erbeskopf, auch<br />
von ihrem Urheber aufgegeben. Er wählte für<br />
die Bekanntgabe erstaunlicherweise schon eine<br />
Form, die manchen heutigen öffentlichen<br />
Verlautbarungen eigen ist. -<br />
Ein Einwohner aus Deuselbach schrieb, wie<br />
Chr. und H. Keller berichteten 16 , am 23. August<br />
1852 in einem nicht abgesandten, an einen<br />
Ausgewanderten adressierten Brief: »Auf dem<br />
Erbeskopf wird ein Thurm gebaut, welcher die<br />
Königswarte genannt wird und 100 Fuß hoch<br />
wird..... «.<br />
Dieses »wird« stand für den beabsichtigten<br />
Bau eines Turmes und nicht für den etwa schon<br />
im Gange befindlichen Bau. In mehreren Berichten<br />
über die »Türme des Erbeskopf«, die<br />
163
seit Mitte der 1930er Jahre in verschiedenen<br />
Zeitschriften erschienen, wurde gesagt - wahrscheinlich<br />
im Hinblick auf den erwähnten Brief<br />
vom Jahre 1852 -, es sei 1852 oder 1854 ein<br />
Turm auf dem Erbeskopf errichtet worden,<br />
was, wie vorstehend nachgewiesen, nicht geschehen<br />
ist. Die »Königswarte« auf dem Erbeskopf<br />
blieb eine nicht realisierte Idee!<br />
Der Verbleib der gesammelten Beiträge<br />
Der Erlass des Ministers des Innern vom 6. November<br />
1852 enthielt den Hinweis, »Seine Majestät«,<br />
der König, erhebe keine Einwendungen,<br />
wenn statt eines »sichtbaren Monuments«<br />
zur Erinnerung an den »Allerhöchsten Aufenthalt<br />
an der Mosel« eine »wohlthätige Stiftung«<br />
errichtet und »solche nach dem Allerhöchsten<br />
Namen« benannt werde. In seiner »Ansprache«<br />
über die Aufgabe des Projektes »Königswarte«<br />
unterbreitete Regierungspräsident Sebaldt den<br />
»patriotischen Theilgebern«, den Spendern der<br />
Beiträge, deshalb einen zweiten Verwendungsvorschlag.<br />
Nach seinen Vorstellungen sollte<br />
der Ertrag der Sammlung zu einer »Prämienstiftung<br />
für die Elementar-Schullehrer des Regierungsbezirks<br />
Trier« verzinslich angelegt werden,<br />
um aus den Zinserträgen Lehrern Prämien<br />
zu gewähren, die eine »jährlich« auszuschreibende<br />
Preisfrage mit »Auszeichnung lösen«.<br />
Bevor er jedoch in einer weiteren »Ansprache«<br />
17 vom selben Tage das Vorgehen beschrieb,<br />
auf welche Weise die »weit über<br />
14 000 Beitragenden« 18 sich zu seinem neuen<br />
Vorschlag erklären und ablehnendenfalls ihren<br />
Beitrag zurückerhalten könnten, sagte er noch<br />
dies:<br />
»Ich thue dies mit um so größerer Zuversicht,<br />
als ich hoffen darf, daß das, durch geniale<br />
Hand 19 bereits technisch entworfene, Bauprojekt<br />
deßhalb keineswegs aufgegeben seie, vielmehr<br />
beim Wiedereintritte günstiger Zeitumstände,<br />
in Folge huldreicher Anerkennung der<br />
gesunden und patriotischen Grundidee, sicher<br />
seinen Bauherrn finden wird.«<br />
Die Zeilen zeigen, wie sehr Sebaldt in seine ursprüngliche<br />
Idee verliebt war, und wie sehr ihn<br />
deren »Allerhöchste« Ablehnung verletzt hatte.<br />
Nach diesen Verlautbarungen vergingen fast<br />
drei Jahre, ohne von der Etablierung der »Prämienstiftung<br />
für Elementar-Schullehrer« etwas<br />
zu vernehmen.<br />
164<br />
Gänzlich unvermittelt tauchte dagegen in einer<br />
Verfügung des Ober-Präsidenten von Kleist-<br />
Retzow an den Regierungspräsidenten Sebaldt<br />
vom 5. September 1856 20 noch einmal die Idee<br />
der »Errichtung eines Thurmes« in Form eines<br />
hölzernen Gerüstes auf dem Erbeskopf auf.<br />
Diese Verfügung enthielt einen Satz, der von<br />
besonderer Pikanterie für Sebaldt sein musste:<br />
»Da Euer Hochwohlgeboren vor mehreren Jahren<br />
bereits Sammlungen zur Errichtung eines<br />
steinernen Thurmes auf dem Erbeskopfe veranstaltet<br />
haben, so ersuche ich um eine gefällige<br />
Mittheilung ergebenst, inwieweit der durch<br />
letztere gebildete Fonds etwa disponibel ist<br />
resp ob aus demselben der ermittelte<br />
Plan des ersten »thurmartigen Gerüstes« auf dem<br />
Erbeskopf vom 14. August 1856
geringere Kostenbetrag von 549 Reichsthaler<br />
zu dem angegebenen Zwecke event verwendet<br />
werden könne.«<br />
Der Inhalt der Verfügung des Ober-Präsidenten<br />
und der ihr beiliegende Entwurf müssen Regierungspräsident<br />
Sebaldt überrascht und zugleich<br />
außerordentlich erstaunt haben.<br />
In seiner Antwort 21 kam Sebaldt sofort zum<br />
Kern der Sache. Er legte dar, dass er außerstande<br />
sei, aus den »für die Errichtung einer<br />
massiven Warte (Königswarte) auf dem Erbeskopf<br />
gesammelten Beiträgen, dem jetzt<br />
projektirten Holzbaue etwas zuzuwenden«. Er<br />
führte weiter aus, der Fond sei mit 1 600<br />
Reichsthaler verzinslich angelegt zur Begründung<br />
einer »Prämienstiftung für die Elementar-<br />
Schullehrer des Bezirks«. Und da er zu deren<br />
Begründung innerhalb von fast drei Jahren<br />
nichts veranlasst hatte, erklärte er die fehlende<br />
Festsetzung und Vorlage der Statuten mit der<br />
Vakanz »der hiesigen katholischen Schulratsstelle«.<br />
Er teilte weiter mit, seine öffentlichen<br />
Ansprachen wegen der gesammelten Beiträge<br />
hätten lediglich zur Rückforderung von 68<br />
Reichsthalern und 9 Silbergroschen geführt.<br />
Darin sehe er einen Beweis dafür, welche Zustimmung<br />
seine Idee in der Bevölkerung gefunden<br />
hätte.<br />
Er schrieb dazu: »Offen gestehe ich, daß ich es<br />
noch heute nicht zu erklären weiß, warum die<br />
von mir 1852 angeregte Idee, welche im Bezirk<br />
mit wahrhaft rührender Wärme aufgenommen<br />
wurde, höheren Orts mit so viel Kaltsinn aufgenommen<br />
wurde, und doppelt leid thut es mir<br />
deßhalb, der Absicht Ew. Hochwohlgeboren<br />
nicht förderlich sein zu können, denn, wenn<br />
auch ein bloser Holzbau der ursprünglichen<br />
Idee nicht genügt, so wird er jedenfalls doch<br />
geeignet sein, den großartigen Gesichtskreis<br />
des Erbeskopfes zu erschließen und den Beweis<br />
zu liefern, daß die Stelle von mir wohlgewählt<br />
war, um eine ‚Königs-Warte‘ zu tragen.« -<br />
Aus den in dieser Sache gewonnenen Erfahrungen<br />
über den Wahrheitsgehalt von öffentlichen<br />
Verlautbarungen muss man Sebaldt's Bericht<br />
nicht als eine wahrhaftige Erklärung betrachten.<br />
Sie reizt zu einigen spekulativen Erwägungen.<br />
Die Errichtung eines die Baumwipfel<br />
überragenden »Thurmes« auf dem Erbeskopf<br />
in der Form eines »hölzernen Gerüstes«<br />
von immerhin 75 Fuß Höhe hätte durchaus<br />
dem Zweck dienen können, »eine der aus-<br />
gedehntesten Fern- und Rundsichten Deutschlands<br />
darbieten, vielleicht nur vom<br />
Brocken übertroffen«, wie dies Sebaldt dem<br />
Ober-Präsidenten am 30. Juni 1852 berichtet<br />
hatte. Dem stand auch nicht der Erlass des Ministers<br />
des Innern vom 6. November 1852 entgegen.<br />
Es war in ihm nicht die Errichtung einer<br />
»massiven Warte«, die den überwältigenden<br />
Rundblick ermöglichen sollte, missbilligt worden,<br />
sondern ihre Errichtung als »Erinnerungszeichen«<br />
an den, wie Sebaldt es auszudrücken<br />
beliebte, »beglückenden Besuch Seiner Majestät<br />
im Regierungsbezirk Trier« und dessen Benennung<br />
als »Königswarte«. Der Erlass enthielt<br />
auch nicht den Auftrag, eine »wohlthätige Stiftung«<br />
zu begründen, der die Bezeichnung<br />
»Friedrich-Wilhelm-Stiftung« gegeben werden<br />
könne. Bei dieser Sachlage konnte der Ober-<br />
Präsident durchaus davon ausgehen, mit seinem<br />
Vorhaben auf der Linie des Sebaldtschen<br />
Interesses zu liegen. Die Frage, »ob aus demselben<br />
der vorgenannte geringere Betrag zu<br />
dem angegebenen Zwecke eventuell würde<br />
verwendet werden können«, war daher in keiner<br />
Weise unlauter. Den Mangel, den Turm, der<br />
Kosten wegen, nicht in massiver, sondern nur<br />
in einfacher Bauweise ausführen, ihn deshalb<br />
nicht als »Erinnerungszeichen« bestimmen und<br />
nicht »Königswarte« nennen zu können, hätten<br />
die Spender der Beiträge gewiss ohne den geringsten<br />
Widerspruch hingenommen.<br />
Dies wäre die einzige Voraussetzung für einen<br />
Zugriff auf den angesammelten Fonds gewesen.<br />
Dem Regierungspräsidenten Sebaldt passte es<br />
jedoch absolut nicht in den Kram, einem anderen<br />
die Ausführung seiner Idee, und dazu noch<br />
in einer solch abgetakelten Weise zu ermöglichen. Er versteckte<br />
sich hinter Vorwänden, weil er, so scheint es,<br />
die Verfügungsgewalt über den Fonds von<br />
1 600 Reichsthalern und den daraus fließenden<br />
Zinsertrag unangetastet behalten wollte. Er<br />
hegte wohl die nicht unbegründete Hoffnung,<br />
bei einer Änderung der politischen Konstellation<br />
- der König war krank und Ober-Präsident<br />
von Kleist-Retzow stand im Gegensatz zum<br />
Hofe des in Koblenz residierenden Prinzen von<br />
Preußen 22 - doch noch »seine« Warte auf dem<br />
Erbeskopf errichten zu können, wie er es in seiner<br />
»Ansprache« vom 14. November 1853 an-<br />
165
gedeutet hatte. Deshalb zögerte er anscheinend<br />
die Konstituierung der von ihm so benannten<br />
»Prämienstiftung« hinaus; und das gedachte<br />
er auch noch eine Weile zu tun.<br />
Daran hinderte ihn allerdings der ob der Reaktion<br />
leicht verschnupfte Ober-Präsident. Der<br />
drängte ihn fortan wiederholt, der beabsichtigten<br />
Stiftung die nötige Rechtsgrundlage zu verschaffen.<br />
Das tat Sebaldt dann auch. Am 9.<br />
September 1857 23 erlangte die Stiftung durch<br />
die landesherrliche Genehmigung ihre Rechtsfähigkeit.<br />
Ohne aus dem Regierungsbezirk Trier dazu angestoßen<br />
worden zu sein, wandte sich Ober-<br />
Präsident von Kleist-Retzow am 24. März<br />
1858 24 an den »Königlichen Wirklichen Geheimen<br />
Staatsminister und Finanzminister, Herrn<br />
von Bodelschwingh Hochwohlgeboren in Berlin«.<br />
Mit Bezugnahme auf den in der Sache<br />
»mündlich gehaltenen Vortrag« bat er unter<br />
Überreichung der Pläne und des Kostenanschlages<br />
des Baurates Hoff, durch Überlassung<br />
»des erforderlichen Holzes die Herstellung<br />
jener Warte ermöglichen zu wollen«.<br />
Der Ober-Präsident flocht eine anschauliche<br />
Schilderung der Situation in den Bericht ein.<br />
Er schrieb: »Bei meiner Anwesenheit im Regierungsbezirke<br />
Trier im Jahre 1856 hatte ich Gelegenheit,<br />
den gedachten Punkt in Augenschein<br />
zu nehmen und mich zu überzeugen,<br />
wie die Lage dieser mit schoenen alten Buchen<br />
bestandenen Höhe, welche eine weite Umschau<br />
ins Land bis nach Baiern und Frankreich<br />
gestatten wird, wenn ein Thurm welcher die<br />
umstellenden Bäume überragt, dort ausgeführt<br />
werden könnte, - außerordentlich geeignet ist,<br />
als landschaftlich ausgezeichneter Punkt zu einer<br />
Anlage benutzt zu werden, die den Besuchern<br />
von nah und fern die Freude an den Naturschoenheiten<br />
der Gegend in erhöhtem<br />
Maaße zu Theil werden lassen könnte.«<br />
Die Antwort des Ministers fiel hiergegen karg<br />
und kurz aus. Sie kam ungewöhnlich schnell,<br />
datierte vom 10. April 25 und besagte, dass keine<br />
Mittel zur Verfügung ständen.<br />
Der Erbeskopf tauchte danach für lange Zeit in<br />
den Vorgängen der Kanzleien der Ministerien<br />
der preußischen Metropole nicht mehr auf.<br />
Der Plan des Regierungsrats Hoff war die erste<br />
konkrete Darstellung eines Aussichtsturms auf<br />
dem Erbeskopf. Er landete nach zwei vergeblichen<br />
Versuchen der Verwirklichung in den Ak-<br />
166<br />
ten des oberpräsidialen Archivs. Damit blieb<br />
auch dieser zweite Turm nur eine nicht realisierte<br />
Idee!<br />
Im Oktober 1857 hatte der bisher in Koblenz residierende<br />
Prinz Wilhelm von Preußen anstelle<br />
seines königlichen Bruders provisorisch und<br />
am 7. Oktober 1858 endgültig die Regentschaft<br />
in Preußen übernommen. Wenige Tage nach<br />
dem 7. Oktober 1858 erhielt Oberpräsident von<br />
Kleist-Retzow seine Entlassung. Mit ihm schied<br />
der wirkliche Förderer eines Aussichtsturmes<br />
auf dem Erbeskopf aus dem Amt.<br />
Danach mussten noch mehr als 30 Jahre vergehen,<br />
ehe ein erster Aussichtsturm den<br />
schwärmerisch gelobten weiten Blick ins Land<br />
gestattete.<br />
Die »Prämienstiftung für Elementarschul-Lehrer<br />
im Regierungsbezirk Trier«, »Friedrich-Wilhelm-Stiftung«<br />
benannt, bestand bis in unser<br />
Jahrhundert fort.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Amtsblatt Regierung Trier, 1849, S. 137.<br />
2 Landeshauptarchiv Koblenz (LHK), Best. 433, Nr. 2733, S. 1 ff.<br />
3 »2 500´« bedeutet: 2 500 Fuß; Fuß = ca 31,50 cm.<br />
4 In der Tranchotkarte, Blatt Nr. 208 von 1811/1812 als »S(t)at. La<br />
lste Ordre« bezeichnet.<br />
5 Damit waren u. a. die Großherzogl. Oldenburgischen (Birkenfeld),<br />
Hessen-Nassauischen Gebiete gemeint.<br />
6 Wie Anm. Nr. 2, S. 1.<br />
7 »Ansprache«, etwas aufgeplustert für Verlautbarung, Bekanntmachung;<br />
im übrigen wie Anm. Nr. 2, S. 11 ff.<br />
8 Höhenangaben für den Erbeskopf wechseln zwischen 816 und 818<br />
m ü.NN; die TK 1 : 25.000 von 1959 gibt 817,7 m an, die TK 1 :<br />
50.000 von 1970 weist 818 m ü.NN aus; Meyers Enzyklopädisches<br />
Lexikon, Bd. 8, 1973, S. 59 sagt ebenfalls 818 m ü.NN.<br />
9 Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 4, Leipzig 1841, S. 658.<br />
10 Wie Anm. Nr. 2, S. 15.<br />
11 Wie Anm. Nr. 2, S. 17ff.<br />
12 Wie Anm. Nr. 2, S. 25.<br />
13 »Zeitungsberichte« erstatteten die Bürgermeister den jeweiligen<br />
Landräten, die Landräte solche den Regierungspräsidenten und<br />
diese dem Minister des Innern. Darin war über die wesentlichsten<br />
Vorgänge innerhalb der Verwaltungsbezirke zu feststehenden Terminen<br />
zu berichten. Auf diese Weise wurde die jeweils vorgesetzte<br />
Behörde über wesentliche Geschehnisse, Pläne usw. informiert.<br />
14 Wie Anm. Nr. 2, S. 27 ff.<br />
15 LHK, Best. 403, Nr. 1413, S. 17 ff.<br />
16 Deuselbach, eine Dorfchronik, Trier 1961, S. 64.<br />
17 Wie Anm. Nr. 15, S. 18.<br />
18 Wenn es wirklich »weit über 14 000« Spender gegeben haben sollte,<br />
dann betrug der durchschnittliche Spendenbetrag etwa drei Silbergroschen.<br />
19 Ein solcher Plan konnte bisher nicht aufgefunden werden.<br />
20 Wie Anm. Nr. 15, S. 11 f.<br />
21 Wie Anm. Nr. 15, S. 13 ff.<br />
22 Meyers Konversations-Lexikon, Bd. 11, Leipzig 1905.<br />
23 Wie Anm. Nr. 15, S. 41.<br />
24 Wie Anm. Nr. 15, S. 43 f.<br />
25 Wie Anm. Nr. 15, S. 47.
»De Bollerjaunes jaahn«<br />
Ein alter kirchlicher Osterbrauch in Bischofsdhron<br />
Gern erinnert man sich als Erwachsener an Ereignisse,<br />
die einen in der Kindheit beeindruckt<br />
haben oder die sehr geheimnisvoll erschienen.<br />
So auch das Folgende:<br />
Ab dem »Gloria« der Gründonnnerstagsmesse<br />
schweigen die Glocken in allen katholischen<br />
Kirchen. Die Glocken sind nach Rom geflogen,<br />
heißt es im Volksmund. Die »Rufer Gottes«<br />
trauern um den Tod Jesu.<br />
Nun beginnt die Zeit der Kläpperjungen (heute<br />
auch -mädchen). Es sind immer die Messdiener.<br />
Sie ziehen an drei Tagen während der Grabesruhe<br />
Jesu mit Kläppern und Raspeln<br />
durchs Dorf und rufen zur hl. Messe: »Et kläppert<br />
ahn« und beim zweitenmal: »Et kläppert<br />
sesahme«. Morgens und abends erklingt der<br />
Ruf: »Et kläppert Betglock« und mittags: »Et<br />
kläppert Mettisch«. Am Karsamstagmorgen<br />
gehen sie dann gemeinsam den Lohn ihrer Arbeit<br />
im Form von Geld, Eiern oder Süßigkeiten<br />
einsammeln.<br />
Das Kläppern schließen sie am Ostersonntagmorgen<br />
mit dem letztmaligen Ausrufen: »Et<br />
kläppert ahn und sesahme« und mit dem Verkünden<br />
der Osterbotschaft: »Steht auf, steht<br />
auf, ihr lieben Leut, der Heiland ist erstanden<br />
heut«.<br />
Dieser Brauch hat sich auch bis heute nicht<br />
wesentlich geändert, außer dass früher der<br />
letzte Kläppergang durchs Dorf zügiger gehen<br />
musste, damit die Messdiener noch zeitig vor<br />
der Auferstehungsmesse, die meistens um<br />
sechs Uhr begann, an der Prozession um die<br />
Kirche teilnehmen konnten. Hier beginnt die eigentliche<br />
Geschichte des »Bollerjaunes jagens«.<br />
Diese Prozession, die sich aus den Messdienern,<br />
einem Teil des Kirchenchores und dem<br />
Pastor zusammensetzte, ging dreimal mit Gesang<br />
und Gebet um die Kirche. Die Gläubigen<br />
waren derweil schon im Gotteshaus. Am Osterfeuer,<br />
das noch von den Weihezeremonien der<br />
Karsamstagnacht brannte und mit alten Holz-<br />
Eduard Wagner<br />
grabkreuzen und Buchsbaumzweigen (Palm)<br />
gespeist wurde, entzündete man die Osterkerze.<br />
Jedesmal, wenn die Prozession am Kirchenportal<br />
vorbei kam, pochte der Priester mit dem<br />
Kreuz an die Kirchentür und sang dabei: Tollite<br />
portas principes vestras: et introibit rex gloriae:<br />
Öffnet die Türe, denn einziehen will der König<br />
der Herrlichkeit.<br />
Aus dem Inneren der Kirche wurde geantwortet:<br />
Quis est iste rex gloriae?<br />
Wer ist dieser König der Herrlichkeit?<br />
Nach der dritten Antwort rief der Priester:<br />
Dominus virtutum, ipse est rex gloriae:<br />
Der Herr der Heerscharen ist der König der<br />
Herrlichkeit.<br />
St. Paulinus-Kirche in Bischofsdhron<br />
167
Dann öffnete sich die Kirchentür und der »Bollerjaunes«,<br />
der die ganze Zeit den Einlass der<br />
Prozession verhinderte, ergriff beim Anblick<br />
des Kreuzes polternd über die Treppe (damals<br />
noch im Turm), die zur Empore führte, die<br />
Flucht. Dort angekommen, wurde er mit Kläppern,<br />
Raspeln und Fußgetrampel, ja mit einem<br />
ohrenbetäubenden Lärm durchs Kirchenfenster<br />
zum nahe gelegenen Donnersberg in die<br />
Flucht getrieben.<br />
Mit Glockengeläut, Orgelmusik und dem Lied<br />
»Christus ist erstanden« zog der Priester mit<br />
seinem Gefolge feierlich in die Kirche ein. Die<br />
Auferstehungsmesse begann. Für uns Kinder<br />
war dieses angsterregende Spektakel jedes<br />
Jahr ein Erlebnis. Vermuteten wir doch, dass<br />
der »Bollerjaunes« bei der Jagd getreten, geschlagen,<br />
ja sogar aufs Schwerste misshandelt<br />
wurde.<br />
Zu Hause auf die Frage an meinen Vater, ob er<br />
den »Bollerjaunes« schon mal gesehen hätte,<br />
168<br />
antwortete dieser: »Nur den Schwanz!«, was in<br />
uns den Eindruck erweckte, der »Bollerjaunes«<br />
sei ein Wesen ähnlich der Gestalt des Teufels.<br />
War er für uns doch nie sichtbar, so lebte er in<br />
unserer Vorstellung als ein leibhaftiges Geschöpf.<br />
Der »Bollerjaunes« wurde bei uns viele Jahre<br />
von Josef Eibes (wegen seines starken Bartes<br />
auch »Eibes Bär« genannt) und später von Johann<br />
Braun dargestellt. Dieser alte Osterbrauch<br />
war bis Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
in der Pfarrkirche St. Paulinus Bischofsdhron<br />
und darüber hinaus nur in der trierischen Kirche<br />
vorzufinden. Er basiert wohl auf einem alten<br />
vorchristlichen heidnischen Brauch, der dann<br />
bei der Christianisierung als Zugeständnis an<br />
die heidnische Kultur übernommen wurde. Leider<br />
ist der Brauch heute in keiner Pfarrei im<br />
Bistum Trier mehr anzutreffen. Er ist es aber<br />
wert, aufgeschrieben zu werden, damit er nicht<br />
ganz in Vergessenheit gerät.<br />
Das »Bürgermeister-Amtslocal«<br />
in Thalfang<br />
Die Thalfanger Verwaltungsstandorte früher und heute<br />
Das Zusammenleben der Menschen in großen<br />
oder kleinen Gemeinschaften hatte zu allen<br />
Zeiten eine zentrale Stelle, an der Verhaltensregeln<br />
für die Gemeinschaft organisiert wurden.<br />
»Rathaus« ist heute die Bezeichnung für die<br />
Dienststelle der Gemeinde, von der das Organisieren<br />
nach des Volkes Wille ausgeht. Es mag<br />
verwundern, dass diese allein im 19. Jahrhundert<br />
an acht verschiedenen Stellen im Amtsort<br />
Thalfang untergebracht war. Heute befindet<br />
sich das Rathaus in der Saarstraße in Thalfang,<br />
und die jetzige Generation meint, es sei immer<br />
dort gewesen. Dem ist aber nicht so.<br />
Der Ursprung der Verbandsgemeinde Thalfang<br />
geht zurück zur Mark Thalfang. Diese ist erstmals<br />
1112 urkundlich nachgewiesen und existierte<br />
als Verwaltungseinheit bis zum Auslauf<br />
Walter Freis<br />
der Feudalzeit 1794, als die französische Revolutionsarmee<br />
u. a. auch die Mark Thalfang eroberte<br />
und besetzte, so nachweislich den Ort<br />
Hilscheid am 8. Oktober 1794. 1 Während dieser<br />
Zeit (12. Jh. bis 1794) war die Verwaltungsstelle,<br />
von der alle Weisungen für die Menschen in<br />
der Mark Thalfang ausgingen, im Schloss<br />
Dhronecken untergebracht. Die Wildgrafen,<br />
danach die Wild- und Rheingrafen, unterhielten<br />
dort einen übermächtigen Amtmann als Organisator<br />
und Verwaltungschef. Seine Tätigkeit<br />
endete mit der Übernahme der Herrschaft<br />
zunächst durch die französischen Besatzungstruppen<br />
(1794) und dann durch den französischen<br />
Staat (1802). Dieser schuf in den auf der<br />
linken Rheinseite eroberten Gebieten neue Verwaltungseinrichtungen<br />
nach seinem Muster.
Das waren zunächst neben den Departements<br />
1798 die Kantone, zwei Jahre danach auf der<br />
örtlichen Ebene die Mairien (Bürgermeistereien)<br />
als unterste gemeinschaftliche Verwaltungseinheiten.<br />
Dabei wurde das Gebiet der<br />
Mark, dessen Landesherr die Wild- und Rheingrafen<br />
waren, geteilt und mit anderen Gemeinden<br />
aus dem kurtrierischen Gebiet zusammen<br />
in je eine Mairie Thalfang und Talling gegliedert.<br />
Es gab also bei diesen sogenannten kommunalen<br />
Anfängen nach der Feudalzeit und dann<br />
ab 1800 in der Mark Thalfang, weil auf der linken<br />
Rheinseite gelegen und nach 1802 offiziell<br />
dem französischen Staat zugehörig, zwei Mairien<br />
mit je einem Maire (Bürgermeister). Die Geschäftsräume<br />
dieser beiden Mairien nannte<br />
man auch »französische Amtsstuben«.<br />
Für die Mairie Thalfang (Gemeinden Thalfang,<br />
Bäsch, Burtscheid, Deuselbach, Etgert, Hilscheid,<br />
Immert, Malborn und Rorodt) war diese<br />
Amtsstube im Schlossbereich Dhronecken und<br />
befand sich dort bis 1819. Nachgewiesen ist<br />
dies durch die Personenstandsurkunden, die<br />
nach Einführung der französischen Verwaltung<br />
gemäß Beschluss des französischen Generalkommissars<br />
ab dem 1. Mai 1798 nicht mehr bei<br />
der Kirche, sondern bei dem Staat, das heißt<br />
bei der Mairie (Gemeindeverwaltung) zu führen<br />
waren. 2 Die Beurkundungen sind sichere Quellen<br />
für den Nachweis des Verwaltungssitzes.<br />
Für die Mairie Talling (Gemeinden Berglicht,<br />
Gielert, Lückenburg, Neunkirchen, Schönberg<br />
und Talling) waren nach der Umstellung die<br />
Geschäftsräume zunächst wahrscheinlich<br />
auch noch in Dhronecken. Die Personenstandsurkunden<br />
zwischen 1800 und 1805 geben<br />
hierüber keine Auskunft. In ihnen ist nur die<br />
Erklärung »vor dem Maire der Mairie Talling«<br />
aufgenommen, hingegen nicht, wo dies erfolgte.<br />
Ab 1805 aber, und zwar bis einschließlich<br />
1812 wurden alle Beurkundungen in Talling<br />
vorgenommen. 3 Der Dienstraum oder die französische<br />
Amtsstube des Maire war demnach<br />
während dieser Zeit in Talling. In welchem<br />
Haus und an welcher Stelle, ließ sich bisher<br />
nicht feststellen. Es existieren zwei Hinweise.<br />
Zunächst gibt es in Talling ein Anwesen mit<br />
dem Hausnamen »Mairisch«. Es wird angenommen,<br />
dass der Name von »Maire« abgeleitet<br />
und sich während nunmehr 200 Jahren so<br />
erhalten hat. Es handelt sich um ein Haus an<br />
der Straße nach Neunkirchen, das allerdings<br />
keine Merkmale aufweist, aus denen man einen<br />
öffentlich-rechtlichen Bezug herleiten könnte.<br />
Dabei muss man auch bedenken, dass es sich<br />
bei der Mairie Talling um nur sechs Gemeinden<br />
handelte und der damalige Maire diese in seiner<br />
Wohnung, der sogenannten französischen<br />
Amtsstube, verwaltet hat.<br />
Über eine zweite Möglichkeit berichtete dem<br />
Verfasser eine Zeitzeugin: Gegenüber ihrem<br />
Wohnhaus auf der anderen Straßenseite hätte<br />
das Bürgermeister-Haus gestanden. Davor sei<br />
ein Brunnen gewesen, in den ein Kind des Bürgermeisters<br />
hineingefallen sei. Das habe sie<br />
von ihren Eltern und Großeltern erzählt bekommen.<br />
4<br />
Auch 1813 und 1814 wurden die Beurkundungen<br />
nachweislich noch in Talling vorgenommen,<br />
wobei die Person des Maire wechselte,<br />
bis 1819 in Schönberg und vorwiegend in<br />
Berglicht. Der Maire wohnte zu dieser Zeit in<br />
Berglicht.<br />
Das Ende der Feudalzeit 1794, die offizielle Zugehörigkeit<br />
zu Frankreich ab 1802 sowie,<br />
gemäß der Entscheidung des Wiener Kongresses<br />
1814, die Übernahme durch das Land<br />
Preußen waren große geschichtliche Ereignisse<br />
auch in der Mark Thalfang.<br />
Die Preußen übernahmen die französischen<br />
Verwaltungsstrukturen im Wesentlichen unverändert.<br />
Im anderen Falle wären die Turbulenzen<br />
vom Ende des 18. Jahrhunderts erneut aufgetreten<br />
und vielleicht unübersehbar gewesen.<br />
Dazu kam aber auch die Erkenntnis, dass die<br />
von Frankreich geschaffenen organisatorischen<br />
Einrichtungen zumindest zum Teil<br />
zweckmäßig und gut waren. Man denke dabei<br />
nur an das allgemeine Zivilrecht, den »Code civil«,<br />
das französische Zivilgesetzbuch vom 21.<br />
März 1804, das auf dem linken Rheinufer bis<br />
zur Übernahme des Gebietes durch das Land<br />
Preußen im Jahre 1815 galt. Danach trat das<br />
Preußische Allgemeine Landrecht in Kraft und<br />
galt bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />
in Deutschland am 1. Januar 1900.<br />
Natürlich wurde die deutsche Sprache wieder<br />
Amtssprache. Die Mairien Thalfang und Talling<br />
mit ihren französischen Amtsstuben in<br />
Dhronecken und im Bereich Talling blieben<br />
zunächst auch im Hinblick auf ihren Standort<br />
im Land Preußen unverändert.<br />
Das Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung<br />
in Trier erschien erstmals am 22. April<br />
169
1816. Darin gab die Regierung bekannt, dass<br />
sie »mit dem heutigen Tag in förmliche Dienstwirksamkeit<br />
getreten ist«. Beide französischen<br />
Mairien wurden in preußische Bürgermeistereien<br />
umbenannt. Die früheren französischen<br />
Amtsstuben hießen jetzt Bürgermeister-Amtslocale.<br />
Diese Amtslocale der beiden Bürgermeistereien<br />
in Dhronecken und im Bereich Talling<br />
wurden am 1. April 1819 an ihren bisherigen<br />
Standorten aufgehoben, zusammengefügt<br />
und für beide zusammen in Thalfang neu eingerichtet.<br />
Von dem Ende der Feudalzeit im Jahre 1794<br />
bis zum erstmaligen Einrichten eines Bürgermeister-Amtslocales<br />
in Thalfang für zwei Bürgermeistereien<br />
in Personalunion ab dem 1.<br />
April 1819 war insgesamt ein Vierteljahrhundert<br />
vergangen.<br />
Es konnte bisher nicht festgestellt werden, in<br />
welchem Thalfanger Haus das Bürgermeister-<br />
Amtslocal sich zunächst etablierte. Dies liegt<br />
noch im Dunkel der Geschichte. Nach den Beweisen,<br />
die für die Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
geführt werden konnten, muss angenommen<br />
werden, dass es sich von 1819 bis<br />
1852 jeweils in der »besseren Stube der Bürgermeister-Wohnung«<br />
befand.<br />
Am 15. Juli 1852 verfügte die Königlich Preußische<br />
Regierung zu Trier: »Die Verlegung des<br />
Bürgermeisterei-Amtslocals zu Thalfang [...] in<br />
das Wohnhaus des Kaufmanns Philipp Ackermann«.<br />
5 Zeitzeugen berichten, dass es den Namen<br />
Ackermann noch in der ersten Hälfte unseres<br />
Jahrhunderts in der Friedhofstraße in<br />
Thalfang - im Bereich der früheren Synagoge -<br />
gab. Da kein anderes Hausgrundstück Ackermann<br />
bekannt ist, wird angenommen, dass<br />
sich dort das Amtslocal bis 1857 befand.<br />
Danach, ab 1858 bis 1869,finden wir es an einem<br />
dritten Standort in Thalfang, nämlich im<br />
Hause des Bürgermeisters Wentzel. 6 Der Umzug<br />
dorthin stand im Zusammenhang mit der<br />
Vereinigung der beiden Bürgermeistereien<br />
Thalfang und Talling im Jahre 1859. 7 Bereits am<br />
5. Mai 1857 beschäftigten sich beide Bürgermeistereiräte<br />
mit dem Thema Amtslocal. Die<br />
Unterbringung im Hause Ackermann war nicht<br />
mehr möglich, weil es sich hier um ein Mietverhältnis<br />
handelte. In der Ratssitzung wurde festgestellt,<br />
dass ein Neubau zu teuer sei und nicht<br />
vorgenommen werden könne. Dem damals<br />
amtierenden Bürgermeister Heinrich Wentzel<br />
170<br />
schlug man vor, selbst zu bauen und ein Bürgermeister-Amtslocal<br />
in diesen Neubau einzubeziehen.<br />
Die Bürgermeistereien sagten ihm einen<br />
Zuschuss von 550 Thalern zu. 8 Er ging auf<br />
den Vorschlag ein und errichtete sich an der<br />
heutigen Hauptstraße in Höhe des Marktplatzes<br />
ein Haus.<br />
Im Jahre 1869 schied Bürgermeister Wentzel<br />
aus dem Amt, und das Mietverhältnis bezüglich<br />
des Amtslocals zwischen der Bürgermeisterei<br />
und ihm musste gelöst werden. Ein vierter<br />
Standort wurde gesucht. Dieser ergab sich für<br />
die Zeit von 1869 bis 1870 im Hause des Kaufmanns<br />
Georg Philipp Kehrein in Thalfang 9 , Eckplatz<br />
Hauptstraße/Im Eck, das auch heute als<br />
Haus Kehrein bekannt ist. Es war offensichtlich<br />
eine Übergangslösung vom Zeitpunkt des Ausscheidens<br />
des Stelleninhabers bis zum Etablieren<br />
eines neuen Amtslocales. Dies geschah<br />
dann 1870 an einem fünften Standort im Hause<br />
Albert Simon in Thalfang Nr. 68. 10 Das ist zum<br />
Teil das heutige Anwesen des Friedrich Weinig-Keuper,<br />
Hauptstraße Nr. 26. Von diesem<br />
Amtslocal berichten Zeitzeugen, 11 dass ihre<br />
Großeltern dort vor Bürgermeister Loch die<br />
Ehe geschlossen haben und danach 1873 die<br />
»Bürgermeisterei ausgezogen sei«.<br />
Der Umzug zur nächsten Station nach rund 50<br />
Jahren ging in Richtung kath. Pfarrhaus. Die<br />
Königlich Preußische Regierung zu Trier veröffentlichte<br />
am 26. Mai 1873 eine Bekanntmachung<br />
darüber im Amtsblatt der Königlich<br />
Preußischen Regierung zu Trier.<br />
In jenem Jahr stand das katholische Pfarrhaus<br />
neben dem jetzigen Pfarrhaus auf dem heutigen<br />
Grundstück Rösler/Eckstein in der<br />
Lückenburger Straße Nr. 6. Es war wegen »Vakanz«<br />
der katholischen Pfarrstelle Thalfang seit<br />
1865 unbewohnt. 12 Die Verwaltung der Pfarrei<br />
erfolgte 1873 durch den Pfarrverwalter Altmann<br />
in Schönberg. Er führte die Verhandlungen<br />
mit Bürgermeister Loch einerseits und<br />
dem Generalvikariat in Trier andererseits wegen<br />
der vorübergehenden Verwendung des<br />
Vermögens der katholischen Kirchengemeinde<br />
Thalfang. Das Pfarrhaus war, weil nicht bewohnt,<br />
sehr reparaturbedürftig, so dass der<br />
Mietwunsch von Bürgermeister Loch dem Generalvikariat<br />
in Trier günstig erschien und es auf<br />
Dauer der Vakanz zu einem Preis von 40 Mark<br />
je Jahr vermietet wurde. 13<br />
Die Verhandlungen wurden nach den Nieder-
Rathaus Thalfang, Aufnahme ca. 1930 (oben)<br />
Das heutige Verwaltungsgebäude der Verbandsgemeinde Thalfang (unten)<br />
171
schriften in den Akten in großer Einmütigkeit<br />
geführt, obschon der Kirchenrechner Schäfer<br />
aus Lückenburg im Benehmen mit dem Fußgendarmen<br />
aus der Bürgermeisterei Thalfang<br />
sich gegen den angeblich zu geringen Mietpreis<br />
bei dem Generalvikariat in Trier für die katholische<br />
Kirchengemeinde – allerdings erfolglos<br />
– beschwerte. So war der sechste Standort<br />
für das Amtslocal im kath. Pfarrhaus bis 1877<br />
gefunden. 14<br />
In diesem Jahr erwarb die Bürgermeisterei<br />
erstmals Eigentum, um das »Umherziehen« zu<br />
beenden. Sie kaufte das heute mit Haus Nr. 4 in<br />
der Bahnhofstraße gelegene Anwesen (damals<br />
Haus Nr. 11) 15 , das nunmehr siebte Amtslocal,<br />
später wurde es Bürgermeisterei genannt.<br />
Während einer langen Periode, nämlich weitere<br />
50 Jahre bis 1927 bestand es. Nur wenige Zeitzeugen<br />
können sich daran noch erinnern.<br />
Die 20er Jahre in unserem Jahrhundert brachten<br />
die kriegsbedingten negativen Besonderheiten<br />
im Bereich von Wirtschaft und Verwaltung,<br />
aber auch Entwicklung und Fortschritt.<br />
Die Bürgermeisterei von 1877 in der Bahnhofstraße<br />
mit einem Bürgermeisterzimmer und einem<br />
Sekretärzimmer konnte den neuen Aufgaben<br />
in der Weimarer Republik nicht mehr gerecht<br />
werden. Deshalb wurde am 9. März 1927<br />
ein Neubau beschlossen.<br />
Es handelt sich um das heutige Dienstgebäude<br />
Anmerkungen<br />
1 Familienchronik von Johann Georg Platt aus Hilscheid, anno 1765<br />
2 Personenstandsregister im Archiv der Verbandsgemeindeverwaltung<br />
Thalfang<br />
3 Ebd.<br />
4 Die Zeitzeugin war Frau Erna Zimmermann, geborene Klein, geb.<br />
am 26.11.1904<br />
5 Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Trier Jahrgang<br />
1852, S. 241<br />
6 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1858, S. 371<br />
7 Bis dahin waren es zwei rechtlich selbstständige Körperschaften<br />
(Thalfang und Talling), die seit 1819 in Personalunion geführt worden<br />
sind. Die Vereinigung beider Körperschaften wurde durch Mitteilung<br />
der Königlich Preußischen Regierung zu Trier im Amtsblatt<br />
derselben am 3. Februar 1859 »zur Ausführung gebracht«.<br />
8 Beschlussbuch der Bürgermeisterei von 1857<br />
9 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1869, S. 59<br />
172<br />
in der Saarstraße. 16 Diese achte Verwaltungsstelle<br />
aus dem Jahre 1927, jetzt mit der Funktionsbezeichnung<br />
»Rathaus«, hat zwar ein<br />
schwarzes Schieferdach, wurde aber von einem<br />
»roten« Dachdecker mit hergestellt. Erich<br />
Honecker, der Staatsratsvorsitzende der früheren<br />
DDR war es, der während seiner Dachdeckerlehrzeit<br />
von 1926 bis 1928 als Lehrling in<br />
der Dachdeckerfirma Müller/Becker in Wiebelskirchen<br />
beschäftigt war und bei dem Neubau<br />
des Thalfanger Rathauses mitwirkte. 17<br />
Der zweite Umbruch im Bereich der öffentlichen,<br />
örtlichen Verwaltung ergab sich um 1970<br />
durch die Gebietsreform im Lande Rheinland-<br />
Pfalz. Das aus der Bürgermeisterei hervorgegangene<br />
»Amt« wurde »Verbandsgemeinde«<br />
und um sechs Gemeinden vergrößert. Eine Erweiterung<br />
des Rathauses war notwendig und<br />
wurde durchgeführt. Die Dienstwohnungen<br />
sind in Büroräume umgewandelt worden. Der<br />
achte Standort hingegen blieb unverändert.<br />
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts, genau<br />
1996/97, erfolgte ein weiterer Umbau, der erneut<br />
den Bedürfnissen einer modernen Verwaltungsstruktur<br />
entsprach. Auch hierbei blieb der<br />
Standort unverändert, obwohl sich seit 1988<br />
ein besonderes Verwaltungsgebäude für die<br />
Verbandsgemeindewerke 18 und seit 1995 auch<br />
ein Verwaltungsgebäude für die Ortsgemeinde<br />
Thalfang 19 in der Nähe des Rathauses befinden.<br />
10 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1870, S. 278<br />
11 Frau Lina Weinig geborene Keuper aus Thalfang<br />
12 Bischöfliches Archiv Trier, Abt. 70 Nr. 6127, Band I, Blatt 57 bis 64,<br />
Protokoll über den Zustand der »erledigten Pfarrei Thalfang« vom<br />
30.10.1865<br />
13 Bischöfliches Archiv (wie Anm. 12), Blatt 310 bis 317<br />
14 Bischöfliches Archiv (wie Anm. 12), Band II, Blatt 1<br />
15 Amtsblatt (wie Anm. 5), Jahrgang 1877, S. 214<br />
16 Früher: Hermeskeiler Straße<br />
17 Honecker; Aus meinem Leben, Seite 26 und 101 sowie Zeitzeugen/Bewohner:<br />
Dachdeckermeisterin Morawitz, Tochter des<br />
Dachdeckerobermeisters Franz Ecker aus Wiebelskirchen und<br />
Heinrich Werth aus Spiesen,<br />
18 Für die Betriebszweige Wasser und Abwasser<br />
19 »Hans der Begegnung«, Verkehrsamt und Postamt (letzteres ab<br />
1998)
200 Jahre Grenzstreit zwischen<br />
Schönberg und Breidt<br />
Die Wilden und Hecken uff Herrl<br />
Ein Wort aus Kindertagen ist die letzte Erinnerung<br />
an diesen Streit: Brädter Aarssen hieß unser<br />
Reizwort und von der anderen Talseite kam<br />
prompt die Antwort: Schemerijer Kaapesbauern.<br />
Bei der Kartoffelernte im Herbst, wenn wir<br />
in der Wandel 1 waren, und auf der anderen Talseite<br />
Leute aus Breidt ebenfalls Kartoffeln gruben,<br />
dann war eine gute Gelegenheit für dieses<br />
Neckspiel. Während der Kartoffelernte gingen<br />
wir nicht nach Hause zum Mittagessen, sondern<br />
das Essen wurde auf das Feld gebracht.<br />
Zuerst wurden Kartoffelsäcke aus grobem Leinen<br />
auf dem Boden ausgebreitet, ein sauberes<br />
Tischtuch darüber gelegt, dann - wie daheim<br />
an dem großen Tisch - Teller und die Speisen<br />
hingestellt. Alle setzten sich auf den Boden<br />
oder auf schon gefüllte Kartoffelsäcke, das<br />
Tischgebet wurde gesprochen, und, Hunger ist<br />
der beste Koch, dann schmeckte es. Während<br />
oder nach dem Essen riefen wir Kinder dann oft<br />
im Chor, damit es auf der anderen Talseite<br />
auch gehört wurde: Brädter Aarssen. Oft kam<br />
nur die Anwort: Schemerijer Kaapesbauern.<br />
Aber manchmal drohten uns die Leute von der<br />
anderen Talseite. Der Großonkel und die<br />
Großtante, die bei uns im Feld waren, mahnten<br />
uns, nicht solche Schimpfworte hinüberzurufen.<br />
Die Mahnung war wirklich ernst gemeint,<br />
denn das spürten wir am Ton und an der Miene<br />
unserer Großtante. Das Verhalten der älteren<br />
Leute hüben und drüben zeigte, bewusst oder<br />
unbewusst, dass zwischen Breidt und Schönberg<br />
einmal eine Auseinandersetzung stattgefunden<br />
haben musste, die noch wurmte. Es<br />
wurde niemals darüber gesprochen, was wirklich<br />
geschehen war. Wollte man sich nicht<br />
mehr erinnern oder war das Geschehen schon<br />
vergessen? Unserer Generation war von dem<br />
Streit nichts mehr bekannt. Nur die Redewendung:<br />
Brädter Aarssen, war uns lebhaft in Erinnerung.<br />
Robert Schmitz<br />
Die Ursachen zu dieser Redewendung finden<br />
sich in den Akten der Archive. In den Prozessakten<br />
2 des Reichskammergerichts (RKG) zu<br />
Wetzlar, wo der Fall von Januar 1726 bis 1808<br />
verhandelt wurde, ist die Geschichte festgehalten.<br />
Das RKG zu Wetzlar der damaligen Zeit<br />
entspricht dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe<br />
unserer Tage.<br />
Die Streitursache - die Wilden und Hecken uff<br />
Herrl - muss für unsere Vorfahren von großer<br />
Bedeutung gewesen sein, weil sie durch alle<br />
Gerichtsinstanzen bis zum obersten Gericht,<br />
dem RKG, appellierten. Für die Prozessführung<br />
am RKG wurden alle Unterlagen, die mit diesem<br />
Prozess zu tun hatten, zu einer Prozessakte<br />
zusammengetragen. Zu diesen Unterlagen<br />
gehörten: die Protokolle und Urteile aus früheren<br />
Verhandlungen am churfürstlichen Hofgericht<br />
zu Koblenz und am Maximiner Amtsgericht<br />
in Trier, Urkunden und Weisthümer, Kartenzeichnungen<br />
und Zeugenvernehmungen. In<br />
der vorliegenden Grenzstreitigkeit zwischen<br />
Schönberg und Breidt umfasst die Prozessakte<br />
fast 1 000 Seiten. Neben dem eigentlichen Prozessverlauf<br />
ist die Akte eine Fundgrube für den<br />
Heimatforscher. Die Akte enthält: Namen der<br />
Deputierten und Namenslisten der Haushaltsvorstände<br />
beider Dörfer, Namen der Zeugen<br />
und Zeugenaussagen, die über die Sozialstruktur<br />
der damaligen Zeit Auskunft geben; Flurnamen,<br />
Grenzbeschreibungen und erste kartographische<br />
Zeugnisse der Gemarkung. Auch<br />
Spuren der großen Politik sind zu finden. Zwei<br />
große Ereignisse fanden während des fast 200<br />
Jahre währenden Streits statt: der 30-jährige<br />
Krieg und die Französische Revolution.<br />
Anhand der vielen Protokolle, Urteile, Zeugenaussagen<br />
und Notizen der Advokaten soll der<br />
zeitliche Verlauf des Grenzstreits beschrieben<br />
werden. Tugenden und Untugenden unserer<br />
Vorfahren sollen beleuchtet werden. Flurna-<br />
173
men und Wegbezeichnungen, die unsere Vorfahren<br />
unserer Heimat gaben, sollen aus der<br />
Vergessenheit zurückgeholt werden.<br />
Wann der Streit zwischen Schönberg und<br />
Breidt um die Wilden und Hecken uff Herrl begann,<br />
liegt im Dunkeln. Die erste schriftliche<br />
Nachricht ist datiert vom 25. Januar 1628. Sie<br />
enthält eine Abschrift des Urteils der Klage<br />
Breidt gegen Schönberg aus dem Jahre 1626.<br />
In dem Urteil heißt es: ...wird erklärt, daß den<br />
Beklagten (Schönberg) nit geziehmen noch gebühren<br />
wollen, klagende Gemeinde (Breidt) der<br />
in actis bemelten streitiger Wilden und Hecken<br />
uff Herrl zu turbiren (behindern), sondern darahn<br />
zu viel und unbillig gethan, ...die klagende<br />
Gemeinde soll den strittigen Ort erhalten und<br />
schirmen, die beklagte Gemeinde muß die erwachsenen<br />
Unkosten tragen.<br />
Für unser heutiges Verständnis war das Urteil<br />
nicht präzise formuliert. Eine einigermaßen genaue<br />
Grenzbeschreibung des strittigen Ortes<br />
fehlte. Auch in unserer Zeit umfasst die Distriktbezeichnung<br />
in der Wild und in der Heck, - der<br />
Bereich der Wilden und Hecken uff Herrl aus<br />
der Streitsache -, ein größeres Gebiet mit vielen<br />
Einzelflurnamen. So ist es nicht verwunderlich,<br />
dass trotz dieses Urteils der Streit weiterging.<br />
Am 18. Mai 1629 richteten Zender und Ge-<br />
174<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
meinde des Dorfs Schönberg eine hochnotwendige<br />
Bittschrift an den Maximiner Amtmann<br />
mit folgendem Inhalt: Zender und Gemeind<br />
des Dorffs Schönberg haben eine pferdeswayd<br />
bey Trittschel ahn die 20 Jahre, jetzt<br />
mit einer lebendig gewachsenen Hecke umgeben<br />
ohne Nachteil für die benachbarten Dörfer,<br />
mit unseren Pferden und Viehe abgenutzt. des<br />
ungeachtet haben Zender und Gemeinde zu<br />
Breidt heutigen Tags 18. Mai 1629 gelüsten lassen<br />
die pferdesperg niederzuhauen, auszuwerfen,<br />
zu vertilgen, ihr Vieh dorthin zu führen, abzuweiden<br />
...sie haben ihren Hirten zum hüten<br />
hingeschickt, andere gemeine Hauffen haben<br />
sich dort versteckt und aufgelauert, ob jemand<br />
pfändung gegen ihr Vieh deswegen wollte vornehmen.<br />
Als drei von unseren Nachbarn kommen<br />
solche turbation und Gewalttaten in effectu<br />
befinden, wir billig deswegen mit pfändung<br />
gegen sie und ihren Hirten und das Vieh verfahren<br />
sollen, seyend beklagte Gewalttäter und<br />
turbatores herauff gewischt gesagte unsere<br />
Nachbarn nit allein die pfand mit gewalt uff unserer<br />
Hoheit und bann entschlagen, sondern<br />
auch ganz feindlicherweis angelaufen, übel geschlagen<br />
und verwund, ja einer mit namen...<br />
hat mit einer Schiffel hauen, hinderwerths auf<br />
das Haupt geschlagen, das wohl sagen mögte<br />
wär ein Mörders Streich gewesen ...deshalb<br />
Abb.1:<br />
� Diesen Bezirk nennen<br />
die Breidter uff Herrl;<br />
� gehört den Breidter,-<br />
Schönberger Kappesstücker-,<br />
die Schönberger<br />
Heck;<br />
� Locus pignorationis<br />
(Ort, wo gepfändet wurde),<br />
grauen Stein;<br />
� Kalenborn, Breidter<br />
Eigenland, Wacken,<br />
Breidterwieß<br />
� der Brimmen bei dem<br />
ronden baum;<br />
� Grenzen/Marken: bitzenborn,<br />
Mark, buchenreiß,<br />
Scheidborn, Scheidweg,<br />
Mark, Saltzborn
unser unterthänig Bitt, euer Hochwürden und<br />
Gnaden wollen von rechts und billigkeit wegen<br />
beklagte und gemeine Thäter dahin anhalten<br />
zwingen und dringen sich mit dem Vieh aussenhalten,<br />
wegen zugefügter Schmerzen und<br />
...die wohlverdiente Buss mit allen Unkosten<br />
Schadens abtragen sollen... Das Urteil erging<br />
am 17. Juni 1629 und darin steht: In Sachen<br />
Schönberg gegen Breidt wird zu recht erkannt,<br />
daß beklagte schuldig seyn sollen...und die Kosten<br />
zu tragen haben.<br />
Nach diesen ersten Auseinandersetzungen fragen<br />
wir uns: Was sind die Ursachen für diese<br />
und die noch viele Jahre dauernde Streitigkeit?<br />
Dazu einige Informationen: Schönberg und<br />
Breidt, die mit Büdlich eine Meyerei bildeten,<br />
gehörten beide zum Amt Maximin. Offensichtlich<br />
gab es in einem Grenzbereich zwischen<br />
beiden Dörfern Maximinisches Land, das gemeinweidig<br />
war, d. h. beide Dörfer durften dort<br />
ihr Vieh weiden, nämlich in den Wilden und<br />
Hecken uff Herrl. Aber wie verliefen die Grenzen<br />
dieses Bezirks? Grenzsteine wie heute gab<br />
es nicht. Der Grenzverlauf wurde von den älteren<br />
Leuten mündlich weitergegeben und im sogenannten<br />
Jahrgeding festgelegt.<br />
Als Grenzpunkte wurden Quellen (Brunnen),<br />
markante Bäume und Wegführungen angesehen.<br />
Und so sagten die Zeugen, die von der<br />
Gemeinde benannt und zu der Auseinandersetzung<br />
vom 18. Mai 1629 gehört wurden:<br />
...daß der Distrikt vom Kalenborn zum Buchenreis<br />
bis zum Bitzenborn uff Herrl genannt wird,<br />
daß der Bezirk gemeinwaydig seyend, und daß<br />
die Perg nit alda gewesen... Der Zeuge<br />
Schohmachers Wilhelm von Haff zu Fell sagte:<br />
als er vor 27 Jahren zu Breidt gewohnt und die<br />
Kühen und Geissen gehütet, sei die strittige<br />
Perg nit gewesen, er sei gewarnt worden, er<br />
solt nit holz hauen uff hanen trainen landt, so in<br />
dem Broch gelegen, denn es würde dort eine<br />
seltsame Frau gesehen ... dies Buchenreis<br />
scheid nicht allein beyde Dörfer Schönberg und<br />
Breidt sondern auch das landbezirk Trier und<br />
Maximin. Der Zeuge Schieffer Jakob aus Geisfeld<br />
sagte: das hanenland liege nicht in der jetzt<br />
strittigen perg und dem Bruch, sondern in der<br />
Herrler Heck. Die perg sei vor etwa 16 Jahren<br />
gemacht worden und die Breidter hätten etliche<br />
male Löcher in die Hecken gehauen, welche<br />
die Schönberger wieder zugemacht haben,<br />
er der Zeuge war aber nicht dabei.<br />
Wie in den Akten vermerkt, wurde bei diesen<br />
Verhandlungen im Jahre 1629 Abbildung 1 als<br />
Karte beigefügt. Die Skizze verdeutlicht das<br />
Problem: Nach den Zeugenaussagen bildet der<br />
Breidenweg mit dem Heidenbergerweg die<br />
Grenze zwischen Schönberg und Breidter<br />
Weidgang. Die Grenzpunkte der Bitzenborn,<br />
die Mark, das Buchenreis (rechts oben im Bild)<br />
bilden die Grenzen zu dem Dorf Berg-Licht.<br />
Dazwischen liegen die Schönberger Heck, die<br />
Schönberger Kappesstücker, Breidter (Eigen)land,<br />
der Landstrich, um den gestritten wird uff<br />
Herrl und die Schönberger Pferdesperg. Diese<br />
ist ganz wichtig, deshalb ist sie auch groß gezeichnet.<br />
Die hier genannten Orientierungspunkte wie<br />
Kalenborn, Bitzenborn und Broch waren auch<br />
uns noch bekannt. Wenn wir in diesem Distrikt<br />
auf den Feldern waren, gingen wir zum Kalenborn<br />
und holten Trinkwasser. Der Weg durch<br />
»das sumpfige hanen trainen land« zum Kalenborn<br />
war für uns Kinder auch unheimlich, denn<br />
die seltsame Frau, die dem Zeugen Schohmacher<br />
Wilhelm um 1600 Furcht einflößte, geisterte<br />
noch im Moor. Die Perg war ein uns bekannter<br />
Flurname. Nur wusste wohl niemand um<br />
den Ursprung des Namens. In dem Gebiet haben<br />
wir öfter kleine Hufeisen gefunden. Weil in<br />
unmittelbarer Nähe eine Römerstraße vorbeiführt,<br />
konnten die Hufeisen ihre Erklärung<br />
nur in einer stattgefundenen Römerschlacht<br />
finden. Der genannte Broch, ein sumpfiges,<br />
mooriges Wiesengelände, wurde vor dem<br />
Zweiten Weltkrieg vom Reichsarbeitsdienst<br />
durch Dränagerohre entwässert und trockengelegt.<br />
Die Streitigkeiten aus den Jahren 1626 bis<br />
1630 fallen in die Zeit des 30-jährigen Krieges.<br />
In den Prozessakten wird der Krieg nicht direkt<br />
erwähnt. Spätere Zeugenaussagen beziehen<br />
sich auf die Auswirkungen dieses Krieges in<br />
den Dörfern Schönberg und Breidt. So schreibt<br />
der Maximiner Amtmann im Protokoll vom 14.<br />
Juni 1670, dass, nachdem wegen der eingefallenen<br />
Kriegsleute und Kriegstroublen die Angelegenheit<br />
liegengeblieben war, die klagenden<br />
Parteien vor dem Amt Maximin den Prozess<br />
vom Jahre 1629 wieder aufnehmen wollten.<br />
Dies wurde ihnen gestattet, damit er zu einem<br />
Ende kommen mochte.<br />
Die Verhandlungen von 1670 brachten auch<br />
keine endgültige Klärung. Immer wieder taucht<br />
175
die Frage auf: Liegt die Schönberger Pferdesperg<br />
im Bereich uff Herrl, wie die Breidter behaupten,<br />
oder liegt sie außerhalb auf Schönberger<br />
Bann, wie die Schönberger behaupten?<br />
Der Streit ging weiter, und die nächsten Gerichtsverhandlungen<br />
begannen im Jahre 1708<br />
und zogen sich hin bis 1725, als die Gemeinde<br />
Breidt an das RKG appellierte. Ob Breidt oder<br />
Schönberg als Kläger auftrat, die Anklage lautete<br />
immer: ...betreffend den Waidstrich auf sogenannter<br />
Herrler Heck. Im Folgenden sollen<br />
nicht alle Klagen und Gegenklagen und die dazu<br />
ergangenen Urteile aufgelistet werden. Die<br />
Streitursache blieb und die Urteile wiederholten<br />
sich. Einmal wurde die Gemeinde Schönberg<br />
verurteilt, weil sie dem Hirten von Breidt<br />
ein Pferd gepfändet oder ihn beim Weiden auf<br />
dem strittigen Gelände gehindert hatte. Dann<br />
wurde die Gemeinde Breidt verurteilt, weil sie<br />
ihre Behauptungen nicht beweisen konnte,<br />
welches Gelände zur Herrler Heck gehört, oder<br />
weil sie Gewalt angewendet und die Umzäunung<br />
der Schönberger Pferdesperg oder Kappesgärten<br />
eingerissen hatten. Wichtiger und interessanter<br />
sind bei diesen Verhandlungen die<br />
Zeugenaussagen, aufgrund derer man Rückschlüsse<br />
auf die zeitlichen Verhältnisse und<br />
Gewohnheiten der Leute ziehen kann.<br />
Die folgenden Zeugenaussagen wurden in den<br />
Verhandlungen der Jahre 1708 bis 1711 gemacht.<br />
Sie beschreiben Erinnerungen an die<br />
Zeit nach dem 30jährigen Krieg bis etwa 1700.<br />
Deshalb vorab einige geschichtliche Hintergrundinformationen<br />
aus dieser Zeit, die das<br />
Erzstift Trier und das Trierer Land und damit<br />
auch die Dörfer Breidt und Schönberg betreffen.<br />
Als Grenzland zwischen Frankreich und<br />
Deutschland geriet unsere Heimat oft zwischen<br />
die Mahlsteine der großen Politik und wurde<br />
deshalb wundgerieben und ausgesaugt. Von<br />
1623 bis 1652 regierte Philipp Christoph von<br />
Sötern als Kurfürst und Bischof in Trier. Um<br />
seine Macht zu vergrößern, wollte er 1625 von<br />
der Abtei St. Maximin Besitz ergreifen. Maximin<br />
wehrte sich und suchte Hilfe bei der Schutzmacht<br />
Luxemburg, das mit Belgien und den<br />
Niederlanden zu Spanien gehörte. Daraufhin<br />
rückten spanische Truppen in Trier ein. 1632<br />
verbündete sich der Kurfürst mit Frankreich,<br />
und die spanische Besatzung musste der französischen<br />
Übermacht weichen. Das Land litt<br />
176<br />
dann unter der Herrschaft der Franzosen. Diese<br />
wurden 1635 ein weiteres Mal besiegt, und<br />
es zogen wieder spanische Truppen in Trier<br />
ein. 1645 wandte sich die Lage erneut. Der Kurfürst<br />
zog unter dem Schutz französischer Truppen<br />
wieder in Trier ein. Das Land litt erneut unter<br />
französischer Einquartierung. Der ersehnte<br />
Friede nach dem 30-jährigen Krieg brachte unserer<br />
Heimat keine lange Ruhepause. Der Sonnenkönig<br />
Ludwig XIV. von Frankreich benutzte<br />
das Trierer Land in seinen Eroberungskriegen<br />
gegen die spanischen Niederlande als Aufmarsch-<br />
und Durchzugsgebiet. So wurde das<br />
Land ab 1670 wieder durch Kriege ausgeraubt<br />
und geplündert. Ein Bericht des Amtmanns von<br />
St. Maximin aus dem Jahre 1673 beschreibt<br />
die Situation folgendermaßen: Alle Dorfschaften<br />
des Amts St. Maximin sind überfüllt mit<br />
Kriegsvolk, Mußgetiers und Leibgarde des Königs.<br />
Es sind Häuser, worin 6 oder 8 zugleich<br />
und so viel Knecht und Pferd inlogiert sein. Sie<br />
verzehren und verderben die ganze Ernte. Es ist<br />
ein Jammer zu sehen und zu hören der armen<br />
verderbten Unterthanen Geschrei und Lamentation.<br />
In Trier lebten 1675 nur noch etwa 3 600 Einwohner.<br />
Auch in den Dörfern des Trierer Landes<br />
waren sehr viele Menschen in den Kriegswirren<br />
umgekommen oder verhungert. So sagte<br />
der Zeuge Thömmes Peter: ...es wären damals<br />
nur acht oder neun hausstätten alda (in<br />
Schönberg) gewesen. Wegen der Kriegszeiten<br />
wären wenig Leuthe und wenig Vieh gewesen.<br />
Diese Aussage wird bestätigt durch eine Erhebungsliste<br />
3 des Amts St. Maximin aus dem<br />
Jahre 1654, also direkt nach dem 30-jährigen<br />
Krieg. Darin werden in Schönberg 6 Hausstätten<br />
(Familien) mit Namen genannt. Wie viele<br />
Familien vor dem 30-jährigen Krieg in Schönberg<br />
lebten, müsste noch untersucht werden.<br />
Aus Angaben des Klosters St. Maximin geht<br />
hervor, dass in der Zeit um 1200 mindestens 25<br />
Familien in Schönberg wohnten. Geht man davon<br />
aus, dass die Einwohnerzahl in den folgenden<br />
Jahrhunderten mäßig zunahm, dann sind<br />
in den Kriegswirren 3 /4 der Bevölkerung umgekommen.<br />
Die Aussagen von zwei weiteren<br />
Zeugen beziehen sich ebenfalls auf die Kriegswirren.<br />
Johann Ohleris sagte: ...er habe vor 40<br />
Jahren etwa fünf Jahre lang die Schafe zu<br />
Breidt gehütet, die Thüringischen Völker (Soldaten)<br />
hätten bei ihrem Durchzug die Breidter
Herden hinweggenommen.... Ein anderer sagte:<br />
...er habe um das Jahre 1674 oder 1675 die<br />
Schafe zu Breidt geführet, das Kriegsvolk hätte<br />
dieselben und die Schönberger genötigt ihr<br />
Vieh ins gewälds zu fliehen.<br />
Andere Zeugen berichten, dass sie in dem besagten<br />
Gebiet das Vieh gehütet hätten, ohne<br />
von den Schönbergern gestört worden zu sein.<br />
Ein Zeuge sagte: ... er erinnere sich auch einmal<br />
bei dem Buchenreis mit dem Vieh gehalten,<br />
die Schönberger von Büdlich auf einen Sonnoder<br />
Feiertag mit großer Menge aus der Büdlicher<br />
ihrer Pfarrkirchen kommen und langst sie<br />
gangen, hätten aber darahn nicht gestört und<br />
sie weiden lassen. Er hätte unterschiedlich<br />
mahlen gesehen, daß die Breidter Kühe und<br />
Schafe mit den Schönberger Kühen und Schafen<br />
in dem Bezirk miteinander geweidet, da<br />
niehmalen von einem Streit wegen gemeinwayden<br />
gehört, er hätte mit dem Breidter Vieh zu<br />
Mittag im onner gelegen und hetten die Schönberger<br />
mit ihrem Vieh bei ihm gelegen.<br />
Aus den Zeugenaussagen wird deutlich, daß<br />
der Streit in den Jahren von 1650 bis 1700 ruhte,<br />
weil, wie oben geschildert, wenige Familien<br />
in den Dörfern wohnten, deshalb wenig Vieh da<br />
war, und das Weideland für beide Dörfer reichte.<br />
Um 1710 scheint sich Schönberg von den Wirren<br />
der Kriege erholt und die Einwohnerzahl<br />
wieder zugenommen zu haben. Schönberg begründet<br />
am 4. Februar 1710 seine erneute Klage<br />
gegen Breidt mit dem Argument: ...daß wan<br />
die Breidter berechtiget seyen und auch die<br />
Herrler Heck platzen nach belieben fahren sollen,<br />
die Schönberger bei jetzt angewachsener<br />
Einwohnerzahl unmöglich das notwendige Viehe<br />
halten könnten.<br />
In den Verhandlungen der Jahre 1710 und 1711<br />
wurden noch einmal Zeugen vernommen. Am<br />
30. September 1710 wurde auch die Karte<br />
nach Abb. 1 vorgelegt. Weiterhin wurden am<br />
7. Februar 1711 auf der churfürstlichen Kantzley<br />
zu Trier die Deputierten beider Gemeinden<br />
befragt. 4<br />
Das Ergebnis der Befragung war: der strittige<br />
Ort bei bitzenborn blieb zu beider Dörfer Bann<br />
und Bezirk gemeinweidig. Breidt war mit dem<br />
Ergebnis der Befragung nicht zufrieden und<br />
appellierte am 16. Februar 1711 an das churfürstliche<br />
Hofgericht in Koblenz. An die Gemeinde<br />
Schönberg erging die Aufforderung,<br />
am 21. Tag nach Verkündigung morgens vor<br />
den churfürstlichen Hofgerichts-Directoren zu<br />
erscheinen, um auf die Anklagen zu antworten.<br />
Im Urteil vom 28. April 1718 wurde die Appellation<br />
zurückgewiesen. Der Urteilsspruch lautete:<br />
... in puncto limitum (grenzen) wird aus den vorliegenden<br />
acten hiermit zu recht erkennt, daß<br />
vom Richter voriger Instanz wohl gesprochen,<br />
übel davon appelliert, darumb die Urteil dahin<br />
zu bestätigen, daß die appellation in dem<br />
Schieffelland oben dem liegenden Scheid oder<br />
bitzenborn, auch in dem streitigen Kappesgarten<br />
wohl gepfändet, appellantes den Zaun allda<br />
mit Unrecht abgeworfen, und darum appellati<br />
von dem weg so langs der appellantes pferdesperg<br />
gehet bis an den Salzborn, davon jetziger<br />
Quellen nach die linie zu ziehen, davon dannen<br />
bis an den Scheidstein ... Koblenz am Churfürstlichen<br />
Hofgericht 28. April 1718. Hier wird<br />
der Kappesgarten genannt, der schon in Abb. 1<br />
eingezeichnet ist und auf ihn geht der Breidter<br />
Schlachtruf: Schemerijer Kappesbauern<br />
zurück, der oben genannt wurde.<br />
Die Akten zeigen weiterhin, dass Schönberg<br />
langsam des Streitens müde wird. Es wird beklagt,<br />
dass Breidt sie zu zwei Prozessen an das<br />
Hofgericht nach Koblenz gezogen hat. Der eine<br />
Prozess aus dem Jahre 1711 beziehe sich auf<br />
das Weiderecht (puncto pascui), der andere<br />
aus dem Jahre 1714 beziehe sich auf Grenzstreitigkeit<br />
(puncto limitum). Schönberg drängt<br />
auf Beendigung des Streits. Es schlägt vor,<br />
beide Parteien sollen sich einigen, was in dem<br />
Maximiner Urteil von 1628 enthaltenen Wilden<br />
und Hecken uff Herrl zu verstehen sei, das soll<br />
von beiden Dörfern unterschrieben werden.<br />
Am 1. Juli 1718 werden die Vertreter beider<br />
Gemeinden zum Vertreter des Hofgerichts Coblentz<br />
nach Trier eingeladen. Es wird ihnen der<br />
Vorschlag gemacht, neutrale Beobachter einzuladen<br />
und eine Ortsinspektion vorzunehmen.<br />
5 Das Schema nach Abb. 2 wurde visitiert<br />
von Mark zu Mark, von Zeichen zu Zeichen und<br />
am 7. Juli den Gemeinden zur Unterschrift vorgelegt.<br />
Abbildung 2 zeigt, dass die Vertreter der beiden<br />
Gemeinden sich weitgehend geeinigt haben.<br />
Der Streit um die Schönberger Pferdesperg<br />
scheint ausgeräumt worden zu sein. Der<br />
strittige Bezirk Herrler Heck ist durch Markierungen<br />
gekennzeichnet. Dieser Bezirk bleibt<br />
weiterhin gemeinweidig.<br />
177
Bis zum Jahre 1718 haben unsere Vorfahren<br />
schon etwa hundert Jahre um die Herrler Heck<br />
gestritten und viel Geld dafür bezahlt. Wie sich<br />
die Sache für den Notar Geyfgens, Bevollmächtigter<br />
des Hochgerichts Coblentz in Trier,<br />
darstellte, zeigt folgende Mitteilung von ihm, in<br />
dem er bemerkt, dass die Gemeinde Breidt das<br />
genannte Schema (Abb. 2) angenommen habe.<br />
Weiter schreibt er: ... der rechte Streit bestehet<br />
in dem ganzen Bezirk der sogenannten Herrler<br />
Heck, allwo beide Gemeinden gemeinwaydig<br />
seien sollen. Und ich für solchen ganzen Bezirk<br />
wan zu Breidt oder Schönberg wohnen thäte<br />
nit zehn Reichsthaler dafür geben wollte, liegt<br />
hoch auffm Berg, ist gar rauw, dürr druckene<br />
(trockene) wilde Erde, gar wenig Weid auszunutzen<br />
ist, seyend beiderseits - wan mit Wahrheit<br />
reden darf - hartnäckige Leuth, keiner dem<br />
anderen weihwill (wohlwollend), selbsten beide<br />
gemeinde bekennet daß der Ort mehr als 200<br />
Reichsthaler allbereits gekostet hette, dennoch<br />
sich nit untereinander accomodieren (einigen)<br />
können. Breidt den 7. Juli 1718 Geyfgens.<br />
Notar Geyfgens hatte Recht, wenn er sagte, es<br />
sind hartnäckige Leuth, denn schon am 8. Februar<br />
1719 zogen beide Dörfer wieder vor Gericht.<br />
Wieder die gleiche Frage: wo liegt die<br />
Herrler Heck? Die Gemeinde Breidt hatte in Er-<br />
178<br />
fahrung gebracht, dass in der gräflichen Wittgenstein<br />
Neumagischen repositur (Aktenarchiv)<br />
zu Berleburg uralte Dokumente und Briefschaften<br />
befindlich sein sollen, woraus man<br />
Auskünfte bezüglich der Herrler Heck bekommen<br />
könnte. Die wollten sie einsehen. Es wird<br />
sogar genau angegeben, wo sich die Akten befinden;<br />
und zwar: achte lade darauf geschrieben<br />
Neumagen. Ein pergament Brief mit anhangendem<br />
Siegel, die Verpfändung der Dörfer<br />
Büdlich und Breidt und der zwey Neuweiler<br />
(Naurath) groß und klein, Bach und Schönberg<br />
betreffend aus dem Jahre 1458. Dieser Hinweis<br />
bezieht sich auf die Zeit, als die Vögte von Hunolstein<br />
die genannten Dörfer zu Lehen hatten.<br />
Der Notar in Neumagen bestätigte, dass die<br />
Herrschaft Wittgenstein in der Gemeinde Büdlich<br />
und Breidt Ländereien hatte. Es geht aber<br />
nicht daraus hervor, dass die Herrler Heck zu<br />
den Ländereien derer von Wittgenstein gehörten.<br />
So geschehen zu Neumagen 6. Mai 1719.<br />
Weiterhin werden Weisthümer aus dem Kayserlichen<br />
Dorf zu Detzem aus den Jahren 1537<br />
und 1562 zu Rate gezogen. Darin steht der Bericht<br />
über das freie Jahrgeding. Vertreter der<br />
Meyereien: Detzem, Poelich, Büdlich, Breidt<br />
und Schönberg kamen dabei zusammen und<br />
legten die Banngrenzen fest. Interessant ist ei-<br />
Abb. 2:<br />
� Grenzbezeichnungen: A)<br />
Ein Mark an der Römerstraß;<br />
B) Salßborn; C) ein Mark;<br />
D) ein bohr oder brunnen;<br />
�<br />
E) der bitzenborn; F) ein<br />
Mark; G) buchenreis und ein<br />
Mark; H) die sogenannte<br />
Römerstraß; J) Schönberger<br />
Pferdesperg; K) Dorff<br />
�<br />
Schönberg; L) breidter pferdesperg;<br />
M) Dorff breidt;<br />
� Hoc schema approbatur<br />
�<br />
nomine Communitatis in<br />
Breidt zender Meyer in Trittenheim.<br />
Dieses Schema<br />
�<br />
halte ich namens der Gemeinde<br />
Schönberg vor gutt,<br />
außerhalb, daß kein Herrler<br />
Heck und kein römerstraß so zum Zeichen oder Scheid dienen solle erkennen. Breidt den 7. Juli 1718<br />
� Daß ich unterschriebener vor ahngefehr drei oder 4 Jahren auf requisition....Junck ...von Trier in loco<br />
quath (strittiger Ort) in beysein desselben also in dieser Form gegenwärthiges Schema eingereicht habe,<br />
wird hiermit beschienen. Trier den 23. Mai 1718 Tilmanns
ne Formulierung, die damals für diese Dörfer<br />
gebraucht wurde, nämlich: das St. Maximinische<br />
Kirchspiel. Eine Bezeichnung, die sich in<br />
anderen Gegenden bis heute erhalten hat.<br />
In Urteilen des Hofgerichts zu Koblenz vom 20.<br />
Oktober 1722 und vom 11. Oktober 1725 wurde<br />
der strittige Bezirk bei Bitzenborn der Gemeinde<br />
Schönberg zuerkannt, weil er auf ihrer<br />
Hoheit liegt, so das Gericht. Mit diesem Urteil<br />
war die Gemeinde Breidt nicht einverstanden<br />
und appellierte an das RKG in Wetzlar. Am 20.<br />
Januar 1726 wurde der Prozess am RKG eröffnet.<br />
Am 27. Februar 1726 um 10 Uhr erschien<br />
der Gerichtsbote Jacob Michel in Schönberg<br />
beim dortigen Bürgermeister Jakob Matheiß<br />
und informierte über den Appellationsprozess.<br />
Er zeigte das Beglaubigungsschreiben und Unterlagen.<br />
Die Gemeinde Breidt wurde vertreten<br />
durch den Advokaten am RKG, Joh. Wilhelm<br />
Weilach. Die Vollmacht für Weilach wurde von<br />
24 Breidter Bürgern unterschrieben. Die Bürger<br />
von Schönberg bevollmächtigten den Advokaten<br />
am RKG, Wilhelm Brack. Alle bis zu diesem<br />
Zeitpunkt angefertigten Unterlagen - Klageschriften,<br />
Urteile, Zeugenaussagen, Protokolle<br />
- wurden zusammengestellt und zu einem Votum<br />
zusammengefasst. Am 21. März 1730<br />
schien der Streitfall entscheidungsreif, denn er<br />
wurde mit completum (d. h. vollständig) vermerkt.<br />
Ein Urteil wurde aber noch nicht gesprochen,<br />
denn im Prozessverlauf wurde vermerkt,<br />
dass in den folgenden Jahren nichts geschehen<br />
sei (19. Juni 1754). Am 21. April 1769 stand<br />
der Prozess am RKG zwar wieder auf der Tagesordnung.<br />
Aber in diesem und den darauf<br />
folgenden Jahren geschah nichts mehr. Beide<br />
Dörfer waren während der vielen Jahre arm und<br />
des Streitens müde geworden. Am 5. Oktober<br />
1808 wurde ein Urteil gesprochen. Darin wurden<br />
zwei Aussagen gemacht: 1. das Petitionsgesuch<br />
wurde gewährt, d. h. Breidt durfte - wie<br />
anno 1626 schon bestätigt - auf Herrler Heck<br />
das Vieh weiden (ius compascui) 2. das Possesionsgesuch<br />
- d. h. der Antrag, die Herrler Heck<br />
als Breidter Bezirk zu erklären, wurde abgelehnt.<br />
In dem Urteil wurde den Parteien freigestellt,<br />
die offenen Fragen in einem weiteren Prozess<br />
gerichtlich klären zu lassen. Es sind aber keine<br />
weiteren Unterlagen vorhanden und daraus<br />
folgt, es wurde nicht weiter prozessiert. Oder<br />
wurde dieser 200jährige Streit von der großen<br />
Politik überrollt? 1814/15 ging wieder einmal<br />
eine französische Besatzung des Trierer Landes<br />
zu Ende, es kam zu Preußen. Das RKG<br />
wurde aufgelöst und die Akte um die Wilden<br />
und Hecken uff Herrl geschlossen.<br />
Uns bleibt die Frage, warum haben unsere Vorfahren<br />
so lange um diese dürre, trockene und<br />
wilde Erde, keine zehn Thaler wert, wie Notar<br />
Geyfgens sagte, gestritten? Sicher war es der<br />
Wille, in schwieriger Zeit zu überleben, und die<br />
Grundlage dafür war ihr Land und ihr Vieh. Aber<br />
von unserer Wohlstandswarte aus betrachtet<br />
werden wir diesen Überlebenskampf unserer<br />
Vorfahren wohl nie ganz verstehen.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Flurname in Schönberg.<br />
2 Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 96, Nr. 256.<br />
3 Stadtbibliothek Trier.<br />
4 Befragung:<br />
1. erstlich wurden die Schönberger erfragt ob sie denen von Breidt<br />
die Übertrift ihres Viehes über die Wacken in ihr der Breidter aigenland<br />
zur Wayd geständig? Antworten die Schönberger: sie gestunden<br />
den Breidter die Übertrifft zur wayden in der Breidter aigenland,<br />
so sich in den wacken nennet bis zum Kalenborn, gleichmäßig<br />
in der Breidter wiesen so viel den Breidter aigen ist, und seie bei<br />
diesem Ort kein Streit.<br />
2. gestunden die Schönberger auf erfragen denen Breidter aigenland<br />
zu bitzenborn zu auf Schönberger Hoheit, welches sie die<br />
Schönberger Heck nennen, den Breidter aber gestunden die<br />
Schönberger keineswegs die Übertrifft daselbst.<br />
3. Die breidter werden gefragt, ob der strittige Ort auf Schönberger<br />
jurisdiction (Hoheit) gelegen seye geständig oder nicht? Sie antworten,<br />
daß die Hoheit, auf welcher der strittige Ort gelegen den<br />
Schönbergern und den Breidtern gemein seye.<br />
4. wurden die Breidter gefragt, warumb sie dan in der acte angeben,<br />
daß sie über der Schönberger land zu ihren Eigenland zur wayden<br />
fahren müßten, und warumb sie in der acte angaben solche<br />
Gerechtigkeit von den Schönbergern erkauft zu haben? Antworten<br />
sie, daß der strittige district außer ihrem Eigenland, dem Schönberger<br />
eigenthümblich zugehöre, sie hätten aber die Mitweid darauf<br />
gleich wie die Schönberger auch auf ihrem Breidter land die Mitweid<br />
hätten.<br />
5. seyend die Schönberger geständig, daß zwar eine Hoheit nemblich<br />
St. Maximinisch seye, beyde Gemeinde aber hetten ihren besonderen<br />
Bezirk und auf ihrem Schönberger Bezirk seie das strittige<br />
Land gelegen.<br />
6. Breidter wurden gefragt warumb sie laut protokoll vom 14. Juni<br />
1670 die gemeinwayd auf dem strittigen Ort weiter nit als auf ihrem<br />
Eigenland begehrt anjetzo aber auch darüber auf der Schönberger<br />
Eigenland die Mitweid forderten. Antworten die Breidter sie wüßten<br />
nicht wie weit ihr eigenland sich erstrecke, Schönberger aber offerierten<br />
zu zeigen wie weith der Breidter eigenland gehe.´<br />
5. Die eingeladenen Vertreter von Breidt waren: Theis Haubrick, Alten<br />
Class und Muhlers Theis. Auf Seiten der Schönberger: Hans Peter<br />
Schömer und Theobald Peter. Am 6. Juli findet die Besichtigung<br />
statt. Als neutrale Beobachter waren anwesend: Johann Georg<br />
Martini Hochgerichtsland Zender von Morbach vom Commissar<br />
des Hofgerichts benannt. Niclas Zender Meyer zu Trittenheim auf<br />
Seiten Breidt. Auf Seiten der Gemeinde Schönberg Henser Ambtmann<br />
zu Drohnecken. Doctor Molitor als Advokat der Gemeinde<br />
Schönberg.<br />
179
Seit dem 16. März 1961 darf Wenigerath, Ortsbezirk<br />
der verbandsfreien Einheitsgemeinde<br />
Morbach (so seit dem 31. Dezember 1974, vorher:<br />
Verbandsgemeinde) ein eigenes Wappen<br />
führen 1 . Damals hatte der Bonner Kommunalbeamte<br />
Dr. Decku für die Gemeinden des Amtes<br />
Morbach eigene Wappen nach den Regeln<br />
der Heraldik entworfen, so auch das Wenigerather:<br />
In der oberen Hälfte zeigt es auf silbernem<br />
Grund ein rotes Balkenkreuz, also das<br />
Wappen des ehemaligen Erzbistums Trier, zu<br />
dessen Territorium Wenigerath bis 1794 gehörte.<br />
In der unteren Hälfte hat es auf grünem<br />
Grund zwei schragenförmig gekreuzte silberne<br />
Rodehacken. Damit weist es auf den zweiten<br />
Namensbestandteil hin, es ist ein sogenanntes<br />
redendes Wappen.<br />
In dieser spärlichen Form passt es eigentlich<br />
auf alle –rath-, -ert-, und –roth-Orte des Trierer<br />
Landes. Diese haben gewöhnlich noch einen<br />
Hinweis auf den Kirchenpatron, den anderen<br />
Namensteil oder sonst etwas Ortstypisches.<br />
Wenigeraths Wappen jedoch fällt auf durch<br />
das Weniger an weiteren Symbolen. Ja, dieses<br />
180<br />
Kapellenjubiläum bringt Wenigeraths<br />
Geschichte an den Tag<br />
Rudolf-Vitus Schabbach<br />
Weniger könnte man geradezu als versteckten<br />
Hinweis auf die ortsübliche Erklärung des Ortsnamens<br />
auffassen: Der Boden der Gemeinde<br />
sei so gut gewesen, dass man weniger als in<br />
der Nachbarschaft roden wollte, damals, als<br />
die Orte Hundheim, Bischofsdhron und Morbach<br />
in der zweiten fränkischen Landnahme<br />
darangingen, Tochtergemeinden 2 zu gründen.<br />
Klaus-Peter Schommer, einer der Autoren<br />
der Wenigerather Ortsbezirks-Chronik (1997),<br />
macht jedoch auf Folgendes aufmerksam: Bei<br />
der Namensgebung wird man wohl schwerlich<br />
das spätere Ergebnis der Rodung vorweggenommen<br />
haben, sondern diese Wenigerather<br />
Rodung wird wohl, wie bei allen anderen umliegenden<br />
Rodungsorten auch, als ersten Namensbestandteil<br />
den Namen des für die Rodung<br />
verantwortlichen Franken bekommen haben.<br />
3 Dem Versuch der Namensdeutung geht<br />
eine ausführliche Analyse der Schreibweisen<br />
des Ortsnamens zwischen 1315 und 1800 voraus.<br />
4 Demnach wird der erste Franke in Wenigerath<br />
den erschlossenen Personennamen<br />
Vingo (meine Deutung) oder den mit dem altdeutschen<br />
»Hoffnung« verwandten Personennamen<br />
Wanig (Schommers Deutung) getragen<br />
und der von ihm gegründeten Hofstelle eingebracht<br />
haben.<br />
Wie dem auch sei, die Autoren der Wenigerather<br />
Ortschronik gehen davon aus, dass die<br />
Siedlungsstelle Wenigerath nach einem Franken,<br />
der etwa im 12. Jahrhundert lebte, benannt<br />
wurde.<br />
So weit kommt man an schriftlichen Zeugnissen<br />
für unsere Dorfschaften des Morbacher<br />
Raumes allerdings nicht zurück. Eine der<br />
frühesten Nennungen ist die der Höfe des Grafen<br />
von Castel / Nonnweiler in »Morscheit«<br />
und in »Merscheit« im Jahre 1215. 5 Die meisten<br />
umliegenden Orte werden in der Salmschen<br />
Pfändung von 1281 genannt. 6 Das vermutlich<br />
»kleine« Wenigerath ist nicht dabei,<br />
sondern wird erst 1315 indirekt in einem Weis-
tum genannt durch die Angabe »zwene<br />
(Fryhoffe) zu wengeraid«. 7 Wie Klaus-Peter<br />
Schommer nach den Vorarbeiten des Altmeisters<br />
Heinrich Sturm sehr schön herausgearbeitet<br />
hat, sind durch die beiden Freihöfe in Wenigerath<br />
größere Bezirke eigenen Rechts herausgehoben.<br />
8 Das Weistum sagt aus, dass die auf<br />
dem Gebiet der Freihöfe wohnenden Leute<br />
dem Hof zu Drone hilfspflichtig waren.<br />
Sollten damals schon neben den Freihöfen andere<br />
Siedler oder Helfer für die Höfe gewohnt<br />
haben, so waren sie den entsprechenden Leuten<br />
in (dem späteren Bischofs-)Dhron zugeordnet.<br />
Denn zehntmäßig wurden Bischofsdhron<br />
und Wenigerath immer als eine Samtgemeinde<br />
9 behandelt, die die Abgaben nach<br />
der Kopf- oder Familienzahl aufteilen musste.<br />
Der älteste bekannte Einigungsvertrag bezüglich<br />
gemeinsamer Viehweiden nach offensichtlichen<br />
Streitigkeiten datiert von 1608. 10 (Durch<br />
den zweiten Winterschullehrer in Wenigeraths<br />
Geschichte, Georg Seuß, gelangte das Wenigerather<br />
Exemplar 1672 nach Bischofsdhron.)<br />
11 Ein Jahrhundert später waren die<br />
Streitigkeiten der beiden Gemeindeteile wiederum<br />
so stark angewachsen, dass ein siebenjähriger<br />
Prozess in Trier geführt wurde, der<br />
nach Wenigeraths Anrufung des »gnädigsten<br />
Landesvaters« durch Trierer Rechtsanwälte<br />
und unter Mithilfe der beiden ältesten Gerichtsschöffen<br />
des Bischofsdhroner Schöffengerichts,<br />
das bis Ende des 18. Jahrhunderts seine<br />
Kompetenz für die Umgebung zu behaupten<br />
wusste, im Jahr 1707 entschieden wurde und<br />
zur Aufteilung der gemeinsamen Weiden beider<br />
Ortsteile führte. 12<br />
Die Aufteilung der Samtgemeinde Bischofsdhron-Wenigerath<br />
war damit aber noch nicht<br />
verbunden, sondern der gemeinsame Zehnte<br />
blieb für beide bestehen und musste nach der<br />
Umwandlung des Zehnten in Geldzahlung<br />
gemäß der Anzahl der Haushalte umgelegt<br />
werden. Heinrich Sturm hatte Belege dafür gefunden,<br />
dass die Loslösung Wenigeraths von<br />
der Muttergemeinde Bischofsdhron erst um<br />
1790 gelang. 13 Leider machte er keine genauere<br />
Angabe über die Fundstelle. Aber in Zusammenarbeit<br />
mit dem zuständigen Archiv, dem<br />
Landeshauptarchiv in Koblenz, ist es Klaus-Peter<br />
Schommer gelungen, die endgültige<br />
Waldaufteilung zwischen Wenigerath und Bischofsdhron<br />
aufzufinden: Sie datiert vom 25.<br />
August 1828. 14 Weiter hat die Aufarbeitung von<br />
Wenigeraths Vergangenheit für die Erstellung<br />
der Chronik aus dem Anlass heraus, dass die<br />
neue (!) Wenigerather Kapelle 1997 gerade 250<br />
Jahre alt wurde 15 , dazu geführt, dass eine Fülle<br />
von Material vorgelegt werden konnte mit reichen<br />
historischen Erkenntnissen über Wenigerath.<br />
16<br />
Wie das Bischofsdhroner Schöffenweistum<br />
von 1560 17 belegt, hat sich inhaltlich in den vergangenen<br />
Jahrhunderten auch durch Balduins<br />
Organisation des Morbacher Landes (s. a.<br />
Schöffenweistum von 1431 18 ) kaum etwas<br />
geändert. Die Steuerlisten offenbaren, dass<br />
1651 bzw. 1654 19 beide Freihöfe noch existieren.<br />
Der eine, oberhalb der Kapelle gelegen,<br />
war 1588 20 und auch 1668 21 wieder an vier Rapperather<br />
verpachtet (als »die Hoube«). Durch<br />
die spätere Erweiterung Wenigeraths an der<br />
Straße entlang kam er von der Randlage immer<br />
mehr in die Ortsmitte und war wohl schon vor<br />
1700 an mehrere Wenigerather verkauft. Der<br />
andere Freihof, unterhalb der (alten) Kapelle 22<br />
ganz am unteren Ortsrand gelegen, war der sogenannte<br />
Hunolsteiner Hof, den Hunolsteiner<br />
Vögten, später deren Erben, den Herren von<br />
Züsch, bis um 1773 zugehörig. Er war seit 1603<br />
in der Hand der Leineweber- und Schmiedefamilie<br />
Herrig. 23 Im Dreißigjährigen Krieg zerstört,<br />
wurde er von Carl Caspar von der Leyen (1652<br />
bis 1676 Erzbischof von Trier) einem Förster<br />
»Meister Nicolas« zum Wiederaufbau übergeben,<br />
auf dass er hier in Wenigerath seinen Sitz<br />
nähme als der kurfürstliche Förster für den<br />
Idarwald. 24 Die Försterfamilie Pfeiffer, mit<br />
Schabbach verschwägert, stammte ursprünglich<br />
aus Senterfer (= St. Avold in Lothringen 25 ).<br />
Dieser zweite Hof, später auch (kurfürstlicher)<br />
Kameralhof genannt, hatte seinen Bestand bis<br />
zur Franzosenzeit. Um 1800 wird er wohl ganz<br />
an die Försterfamilie gelangt sein. Denn die<br />
Merscheider Familie Pfeiffer, Erbe der Wenigerather<br />
Familie Pfeiffer, hier inzwischen Herlach<br />
mit Familiennamen, lag laut Urkataster von<br />
1829 im Streit mit den Miterben. 26<br />
Es wird wohl nicht mehr zu klären sein, ob die<br />
Freihöfe oder hofunabhängige Siedler in Wenigerath<br />
zuerst zu finden waren. Jedenfalls hat<br />
die rechtliche Institution der Freihöfe nach Notund<br />
Zerstörungszeiten mit Sicherheit dafür gesorgt,<br />
dass der Wohnplatz Wenigerath wieder<br />
aufgebaut wurde und die Siedlungskontinuität<br />
181
gewahrt blieb. Nach dem Feuerbuch von<br />
1556 27 gab es in Wenigerath schon 12 Hausstätten,<br />
also etwa 60 Einwohner. In der Steuerliste<br />
1624 28 sind 13 Familien genannt, darunter<br />
die des späteren Jägers Paulus Jhanes. Nach<br />
dem seit 1583 geführten Buch der Taufen in<br />
Wenigerath 29 (Sie müssen in einer Hofkapelle<br />
oder in einer kleinen Vorläuferkapelle der heutigen,<br />
die bei den Visitationen nicht eigens erwähnt<br />
wird, durchgeführt worden sein.) waren<br />
darunter viele ältere Familien. Das brachte<br />
mich schon einmal auf die Idee, dass es vielleicht<br />
in Wenigerath ein Hospital oder eine Pflegestation<br />
gegeben habe, wofür es aber keinen<br />
konkreten Hinweis gibt. Jedenfalls war Wenigerath<br />
einer der kleineren Orte des Morbacher<br />
Landes und bisweilen sogar etwas größer als<br />
der eigentliche Pfarr- und Mutterort Bischofsdhron.<br />
1556 werden in Wenigerath schon ein Zender,<br />
ein Meier und ein Müller genannt. Spätestens<br />
zwei Generationen danach ist ein Jäger in Wenigerath<br />
ansässig. So ist es also keine große<br />
Besonderheit, wenn ab etwa 1652 Wenigerath<br />
aus der gesamten Umgebung durch den Erzbischof<br />
dadurch herausgehoben wird, dass es<br />
Sitz des für den ganzen kurfürstlichen Idarwald<br />
zusammen mit dem Hottenbacher Forst zuständigen<br />
Jägers wird, der auch die Aufsicht<br />
über den Fünfgemeinden-Wald hatte, den Leuten<br />
das Brand- und Bauholz anwies, für die<br />
Hochwild- und für die Auerhahnjagd zuständig<br />
war, die Bäche beaufsichtigte und für den<br />
<strong>Bernkastel</strong>er Kellner Forellen und Fische fing<br />
und dort auch lebendig einlieferte. Dr. Valentin<br />
Palm unterstreicht das, indem er sagt, dass die<br />
Leute der umliegenden Ortschaften nicht sagten,<br />
sie gingen zum kurfürstlichen Jäger, sondern<br />
sie gingen zum Wenigerather Jäger. 30<br />
In der Steuerliste von 1663 31 wird der Jäger<br />
Pfeiffer unter den sieben Steuerpflichtigen als<br />
»Meister Nicolas Waldfürster« genannt. Er war<br />
wohl am Aufbau Wenigeraths wesentlich beteiligt.<br />
Die wenigen Überlebenden und die Neusiedler<br />
in Wenigerath vollbrachten nach V.<br />
Palm 32 eine vorbildliche Kulturtat: Sie begründeten<br />
im Trierer Land eine der ersten Winterschulen<br />
im Jahr 1649, 20 Jahre vor der Verordnung<br />
der beiden Schulen der Pfarrei in Bischofsdhron<br />
bzw. in Rapperath 33 , indem sie mit<br />
einem Schreib- und Lesekundigen (vielleicht<br />
einem Hirten oder auch Handwerker) einen<br />
182<br />
Vertrag auf 14 Jahre zur Unterrichtung ihrer<br />
Kinder im Winterhalbjahr schlossen. Die Existenz<br />
der Wenigerather Winterschule wird bestätigt<br />
für 1672 34 im 1707 entschiedenen Weidestreit<br />
mit Bischofsdhron (s. o.). In Wenigerath<br />
ist heute noch aus dem Jahr 1736 ein Rechenbuch<br />
überliefert, das der Wenigerather<br />
»Schullmeister franciscus jung« für den (24jährigen)<br />
Matthias »pfeyffer« geschrieben hatte,<br />
um ihm das Zehnersystem und die vier<br />
Grundrechenarten zu erklären. 35<br />
Leineweberei besaß Wenigerath schon 1617 36<br />
und spätestens 1650 eine Schmiede mit dem<br />
Schmiedemeister Mathias Herrig, bei dem der<br />
jüngere der ersten beiden Brüder Schappach/Schabach<br />
das Schmiedehandwerk erlernt<br />
hat. 37 Wenn in Wenigerath nicht schon wie<br />
zum Beispiel in Bischofsdhron zur damaligen<br />
Zeit das Zimmermanns-Handwerk gepflegt<br />
worden war, brachte dies möglicherweise der<br />
ältere der beiden Schabbach-Brüder im Jahre<br />
1662 aus Gutenthal mit; er wird wohl auch Wirt<br />
in Wenigerath neben der alten Wenigerather<br />
Kapelle gewesen sein, die spätestens 1691 38<br />
als renommierter Kapitalgeber für den mittleren<br />
Moselraum nachgewiesen ist.<br />
So ist Handwerk also schon früh in Wenigerath<br />
vertreten, zwar nicht professionell, zur Besteuerung<br />
verwertbar, aber doch für die Nachbarschaftshilfe<br />
der Eingesessenen nutzbar.<br />
Spätestens gegen 1750 kommt auch in Wenigerath<br />
private Gerberei (Lohmühle Martini) 39<br />
dazu, wie sie bis Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
nach Erzählungen der Leute noch präsent ist<br />
(Flesch). 40 Während die Schmiedetradition in<br />
der Familie Schabbach im 19. Jahrhundert<br />
nach sechs Generationen zu Ende geht 41 (und<br />
von anderen Familien fortgeführt wird, z. B.<br />
Martini, Mettler, Marx), zeichnet sich ab 1780<br />
eine Wenigerather Schustertradition in dieser<br />
Familie ab, die hier allerdings auch nur noch in<br />
mehreren Hausnamen weiterlebt und längst in<br />
der Schabbach-Familie nach Bischofsdhron<br />
und von hier nach Hermeskeil weitergewandert<br />
ist, hier in sechster Generation noch blühend. 42<br />
Dass ein Schmied, ein Müller, ein Wagner am<br />
Ort wirkten, war nichts Besonderes, denn diese<br />
Dienste brauchte die Allgemeinheit. 1743 wurde<br />
in das Steuerprotokoll von Wenigerath aufgenommen,<br />
dass der Schmied sein Handwerk<br />
nicht professionell betrieb (sondern nur für sich<br />
und die Nachbarschaft) und deshalb nicht zur
Alte Wenigerather Mühle<br />
Gewerbesteuer veranlagt werden wollte; andernfalls<br />
würde er sein Handwerk ganz niederlegen<br />
43 (mit der Konsequenz, dass die anderen<br />
Steuerzahler dann in ihrem Bauernberuf unversorgt<br />
gewesen wären, was Pferd und Wagen<br />
und Hausgeschirr anging)!<br />
183
In Wenigerath scheint aber die Schmiedetradition<br />
noch einen tieferen Grund zu haben: Denn<br />
der heute etwas zurückgedrängte Flurname<br />
Iser 44 deutet auf früheres Erzschürfen hin, wie<br />
es auch aus der Nachbarschaft bekannt ist<br />
(Heinzerath, Hunolstein). Möglicherweise wurde<br />
auch Silber dabei gewonnen, was V. Palms<br />
Äußerung, Wenigerath habe ein mittelalterliches<br />
Bankinstitut für den Moselraum besessen,<br />
erklären und stützen würde. 45<br />
So wäre auch verständlich, dass Wenigerath<br />
schon 1556 Zender, Meier und Müller hatte.<br />
Während die alte Mühle (spätestens seit dem<br />
18. Jahrhundert Gemeinde- [Genossenschafts-]<br />
Mühle 46 ), an der Hunsrück-Höhenstraße<br />
gelegen und dadurch dem Autofahrer so<br />
vertraut, durch die Unterschutzstellung 1987<br />
erhalten bleibt und damit direkt auf ihre Tradition<br />
hinweist, erfährt man von einer anderen Wenigerather<br />
Einrichtung, der »Segmühl« an der<br />
Grenze zu Heinzerath, erst aus den Flurbezeichnungen<br />
im Wenigerather Urkataster von<br />
1829. 47 Zu dieser Zeit war aber schon kein Wenigerather<br />
mehr Anlieger dort, weil die schon<br />
vor 1720 erbaute Bischofsdhroner Sägemühle<br />
48 viel günstiger gelegen war.<br />
Dass Wenigerath schon vor der heutigen Kapelle<br />
aus dem Jahr 1747 49 eine alte Kapelle besaß,<br />
belegen Notizen zur Steuerveranlagung<br />
1773. 50 Vermutlich stammen die Holztafeln der<br />
Vierzehn Nothelfer des 17. Jahrhunderts, die<br />
im Lagerbuch der Pfarrei Bischofsdhron erwähnt<br />
werden 51 und von denen H. Vogts Ende<br />
der 1920er Jahre noch (alle?) vier gesehen<br />
hat 52 , aus der Zeit um 1660, als die Försterfamilie<br />
Pfeiffer aus St. Avold (Stadtpatron: hl. Hilarius)<br />
zugezogen war. Denn unter den von Pfarrer<br />
Finken († 1962) auf dem Emporenboden wiederentdeckten<br />
Holztafeln vom Anfang des 19.<br />
Jahrhunderts, also Erneuerungen der ganz alten,<br />
ist, abweichend vom gewöhnlichen Zyklus<br />
der Nothelfer, der hl. Ägidius durch den hl. »Hilarion«<br />
(!) ersetzt. 53<br />
Vom religiösen Leben in Wenigerath zeugen<br />
auch die namhaften Geldspenden, die Wenigerather<br />
Frauen und Männer der 1719 für die<br />
Pfarrei Bischofsdhron gegründeten Rosenkranzbruderschaft<br />
vermachten. 54<br />
Nach der Errichtung der neuen Kapelle bemühten<br />
sich die Wenigerather 1753, sechs Jahre<br />
später, angeführt von sechs namentlich Genannten,<br />
mit Erfolg um die Genehmigung einer<br />
184<br />
von ihnen gemeinschaftlich zu stiftenden<br />
Werktagsmesse und einer jährlichen Sonntagsmesse<br />
in ihrem Filialort zu Ehren der Vierzehnheiligen<br />
(vom Bischof wurde an erster<br />
Stelle der hl. Dionysius bestimmt). 55 Ein Bürger<br />
der Gemeinde (Nicolaus Schabbach) stiftete einen<br />
goldenen Kelch in barocker Form, ein anderer<br />
ein Messbuch.<br />
Aus dem kleinen Ort sind vier Geistliche hervorgegangen:<br />
Pfarrer und Definitor Matthias<br />
Schabbach, *1798; Pfarrer, Reichstags-Abgeordneter<br />
und Kirchengründer in USA, Johannes<br />
Greber, *1874 56 ; bischöflicher Notar, Dechant<br />
Johann Zerwes, *1879 und Prof. Dr.<br />
theol. Friedrich Andres, *1882. Außerdem sind<br />
aus Wenigerath sieben geistliche Schwestern<br />
und Brüder bekannt geworden sowie vier weitere<br />
noch mit einer Wenigerather Wurzel gefunden.<br />
57<br />
Wenigeraths materieller Reichtum bestand seit<br />
je in seinem Wald, der nach der Enteignung der<br />
geistlichen und weltlichen Herren um 1800 etwas<br />
über 160 Hektar umfasste. Wenn auch<br />
1955 für gut eine Generation 35 ha an das Munitionslager<br />
weggefallen waren (bei Bischofsdhron<br />
war es ebenso, bei Rapperath waren es<br />
sogar 90 ha 58 ), so wurden durch den Wald dennoch<br />
jährlich ca. 50 000 DM erwirtschaftet.<br />
Hiervon finanzierte die Gemeinde manche fortschrittliche<br />
Einrichtung. Besonders das erste<br />
Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg brachte<br />
eine Fülle von Maßnahmen unter dem rührigen<br />
Bürgermeister Matthias Martini: Wasserleitung<br />
und Kanalisation, Ausbau der Dorfstraße, Bau<br />
des Feuerwehrgerätehauses, Erweiterung der<br />
Kirche, nach der unendlichen Baugeschichte<br />
schließlich 1954 den Bau des Schulhauses,<br />
dann das Gefrierhaus.<br />
Wenn auch hiervon schon wieder vieles der<br />
Vergangenheit angehört und sich die wirtschaftliche<br />
Existenz vom ländlichen Hauptoder<br />
Nebenerwerb stark verlagert hat 59 , z. B.<br />
auf dem Dienstleistungssektor, so hat Wenigerath<br />
seine Größe doch gehalten und bietet sich<br />
darüber hinaus mit seinem Neubaugebiet als<br />
Wohnort an. Mehrere Gewerbebetriebe, darunter<br />
ein Omnibusbetrieb, ein Babyshop, ein Taxiunternehmen<br />
und ein Computerhandel, bieten<br />
30 Personen Arbeitsplatz. Das schmucke<br />
Örtchen ist lebendiger Bestandteil der aufstrebenden<br />
Hunsrückgemeinde Morbach am Erbeskopf.
Altar in der Kapelle Wenigerath<br />
185
Anmerkungen:<br />
1 Urkunde im Gemeindearchiv.<br />
2 S. a. Heinrich Sturm: Die Zenderei-Markgenossenschaft Bischofsdhron,<br />
in: Jahrbuch des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1987, S.<br />
246.<br />
3 Materialien zur Vergangenheit und Gegenwart von Wenigerath,<br />
Chronik von Wenigerath, 1997, herausgegeben von der Ortsgemeinde<br />
Wenigerath, S. 51.<br />
4 Chronik Wenigerath, S. 49 f.<br />
5 F. Toepfer, Urkundenbuch der Vögte von Hunolstein, Bd. 1 (1866),<br />
S. 7.<br />
6 F. Toepfer, a.a.O., S. 55.<br />
7 Landeshauptarchiv Koblenz (LHA), Bestand 1 A, Nr. 355.<br />
8 Chronik Wenigerath, S. 39.<br />
9 Siehe z. B. H. Sturm, wie Anm. 2 (s. a. Chronik Wenigerath, S. 109<br />
unten).<br />
10 LHA, 1C, 1409 (Chronik Wenigerath, S. 111).<br />
11 Chronik Wenigerath, S. 199.<br />
12 LHA, 1C, 13 242 (Chronik Wenigerath, S. 116 ff.).<br />
13 H. Sturm: Die Zenderei-Markgenossenschaft Bischofsdhron – Die<br />
Teilung des Gemeindenwaldes -, in: Jahrbuch des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
1990, S. 171.<br />
14 Chronik Wenigerath, S. 45; LHA, Best. 655, 172, Nr. 261.<br />
15 Türsturz der heutigen Kapelle.<br />
16 »Chronik von Wenigerath, herausgegeben von der Ortsgemeinde<br />
1997« mit 382 S., 250 Abbildungen, vielen Tabellen, Zeichnungen<br />
und Graphiken und fünf Beilagen, ist erhältlich bei der Ortsvorsteherin,<br />
Hildegard Nauerth-Mettler, oder im Gasthaus Gemmel,<br />
54497 Morbach-Wenigerath. Sie enthält auch die Geschichte aller<br />
Häuser seit wenigstens 1800, die Lotte Prohaska erforscht und dokumentiert<br />
hat. Nach dem Urteil der Deutschen Zentralstelle für<br />
Genealogie im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, der rund 1 500<br />
ähnliche Arbeiten zum Vergleich vorliegen, ist »die Chronik von<br />
Wenigerath eine Leistung in der Spitzengruppe« (Brief vom<br />
19.03.1998). Weiter schreibt Dr. Weiß: »Was die Organisation und<br />
Motivation einer erfolgreichen Gruppenarbeit von freiwilligen Mitarbeitern<br />
anbetrifft, scheint Ihre Leistung deutschlandweit am besten<br />
dazustehen.«<br />
17 LHA, 1C, 1314 (s. a. Chronik Wenigerath, S. 106 ff.).<br />
18 LHA, 1C, 1312 (Faksimile betr. Wenigerath: Chronik Wenigerath, S.<br />
103 ff.).<br />
19 Stadtarchiv Trier, Abt. L 10/1.<br />
20 LHA, 1C, 1314.<br />
21 LHA, 1C, 1317.<br />
186<br />
22 LHA, 1C, 1318, S. 45 und S. 108’.<br />
23 Stadtarchiv Trier, Steuerliste Wenigerath 1651.<br />
24 LHA, 1C, 10 512.<br />
25 Chronik Wenigerath, S. 71.<br />
26 Urkataster Wenigerath, LHA, Außenstelle Kobern-Gondorf, Best.<br />
732, Nr. 48.<br />
27 LHA, 1C, 12 928.<br />
28 LHA, 1C, 1311.<br />
29 Kirchenbucharchiv Trier, Best. 71, Nr. 202,1.<br />
30 Valentin Palm: Wenigerath und seine restaurierte Filialkirche, Manuskript<br />
1963 (am 18.01.1966 dem Verfasser zur Veröffentlichung<br />
überlassen).<br />
31 Stadtarchiv Trier.<br />
32 Brief vom 30.01.1964 und unveröffentlichtes Manuskript.<br />
33 Kirchenbucharchiv Trier, 40,8.<br />
34 LHA, 1C, 1409.<br />
35 Chronik Wenigerath, Abb. S. 127.<br />
36 Wie Anm. 29.<br />
37 LHA, 1C, 1409, S. 12 (Faksimile: Chronik Wenigerath, S. 117).<br />
38 Chronik Wenigerath, S. 83 ff. (mit Faksimile).<br />
39 LHA, 1C, 1692 (Chronik Wenigerath, S. 197).<br />
40 Chronik Wenigerath: Hausgeschichte von Lotte Prohaska, S. 139<br />
f., besonders interessanter Beitrag.<br />
41 Rolf (= R.-V.) Schabbach: Familientafel Schabbach, Göttingen<br />
1963 (auch Beilage zur Chronik Wenigerath).<br />
42 Ebenso.<br />
43 LHA, 1E, 554 (Chronik Wenigerath, S. 74 f.).<br />
44 Wie Anm. 26.<br />
45 Brief vom 18.01.1966.<br />
46 LHA, E, 533 (Jahr 1733).<br />
47 Wie Anm. 26.<br />
48 Chronik Wenigerath, S. 120.<br />
49 Türsturz.<br />
50 LHA, 1C, 1318, S. 45 und S. 108’.<br />
51 Lagerbuch 1, 1995 ff., S. 160.<br />
52 Kunstdenkmäler des Kreises <strong>Bernkastel</strong>, 1935, S. 153.<br />
53 Siehe heutige, restaurierte Tafeln in der Kapelle.<br />
54 Chronik Wenigerath, S. 88 ff.<br />
55 LHA, 1C, 12604; Faksimile: Chronik Wenigerath, S. 93.<br />
56 Johannes Greber hat sogar eine eigene Bibelübersetzung herausgegeben.<br />
57 Chronik Wenigerath, S. 277 bis 294.<br />
58 Chronik Wenigerath, S. 317 ff.<br />
59 1997 existierten nur noch zwei landwirtschaftliche Vollerwerbsbe-
Vor 110 Jahren: Neubau einer Kapelle<br />
in Pohlbach<br />
Wenn man von Salmtal kommend das Dorf<br />
Pohlbach erreicht, ist ein stilvoll gestaltetes<br />
Ortsschild mit dem Namen »Klausen Wallfahrts-<br />
und Fremdenverkehrsort« nicht zu übersehen.<br />
Bei der Gebietsänderung von Gemeinden<br />
im Jahre 1969 wurde aus den Gemeinden<br />
Pohlbach und Krames die neue Gemeinde<br />
Klausen gebildet. 1 Bis zu diesem Zeitpunkt war<br />
der Wallfahrtsort kommunalpolitisch zweigeteilt.<br />
Die Ortsstrasse in Klausen war gleichzeitig<br />
die Grenze zwischen den Gemeinden Krames<br />
und Pohlbach.<br />
Die pfarrliche Zuordnung dieser beiden Orte<br />
nach Klausen erfolgte bereits vor fast 200 Jahren.<br />
Nach der Besetzung des linksrheinischen<br />
Gebietes durch die französischen Truppen im<br />
Jahre 1794 wurde das Kloster Klausen 1802<br />
aufgelöst. Die zum Kloster gehörigen Gebäude<br />
und Ländereien wurden versteigert. Die Kloster-<br />
und Wallfahrtskirche Klausen blieb nur dadurch<br />
erhalten, dass sie 1803 Pfarrkirche der<br />
neu errichteten Sukkursal(Hilfs)pfarrei Klausen<br />
mit den Filialorten Pohlbach und Krames wurde.<br />
2 Über Jahrhunderte gehörte Krames zur<br />
Pfarrei Piesport und Pohlbach zur Pfarrei Kirchhof-Altrich.<br />
In beiden Orten bestanden damals<br />
schon Kapellen als Filialkirchen, die aber baulich<br />
in einem schlechten Zustand waren. Bis<br />
zum Jahre 1803 beerdigten die Einwohner ihre<br />
Toten auf den Kirchhöfen neben den Kapellen.<br />
Der Kirchenvorstand der Pfarrei Klausen unter<br />
der Leitung von Pfarrer Richard Fisch (1865-<br />
1896) beauftragte 1887 den Kreisbaumeister<br />
Köchling zu <strong>Wittlich</strong> mit der Planung für den<br />
Neubau einer Kapelle in Pohlbach. Am 28. April<br />
1887 lag der Plan dem Kirchenvorstand vor.<br />
Der Kostenvoranschlag betrug 12 000 Mark.<br />
Nach eingehender Beratung stimmte der Kirchenvorstand<br />
am 8. Mai 1887 der Planung zu<br />
und beschloss den Neubau einer Kapelle. Am<br />
gleichen Tage stimmte auch die Gemeindevertretung<br />
diesem Beschluss zu. Das bischöfliche<br />
Generalvikariat genehmigte den Neubau um-<br />
Hermann Hoffmann<br />
gehend mit der Einschränkung, dass »nur<br />
10 000 Mark aus dem Fonds der Kapelle« ausgegeben<br />
werden durften. Nach der Ausschreibung<br />
des Bauvorhabens reichten drei Firmen<br />
Angebote ein: Johann Rauen zu Dörbach<br />
10 640 Mark; Matthias Kohl zu Monzel 10 630<br />
Mark; Stefan Nicolay zu Zeltingen 10 600 Mark.<br />
Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, der<br />
auch Ortsvorsteher von Pohlbach war, und einige<br />
weitere Mitglieder des Kirchenvorstandes<br />
entschieden sich für den Bauunternehmer Matthias<br />
Kohl, weil bei ihm die Einwohner von<br />
Pohlbach mehr verdienen würden, denn der<br />
Kapellenbau sei von Anfang an darauf angelegt,<br />
den armen Leuten in Pohlbach Verdienstmöglichkeiten<br />
zu schaffen. Die Mehrzahl der<br />
übrigen Mitglieder des Kirchenvorstandes<br />
neigte jedoch dazu, dem Unternehmen Rauen<br />
den Auftrag zu erteilen. Die Entscheidung des<br />
Kirchenvorstandes fiel am 5. Februar 1888. Der<br />
Bauunternehmer Johann Rauen erhielt den<br />
Auftrag zum Preis von 10 400 Mark. Weil der<br />
Kirchenvorstand nicht über mehr als 10 000<br />
Mark verfügen durfte, wurde die bischöfliche<br />
Behörde um Bewilligung der noch fehlenden<br />
kleinen Summe gebeten. Die Gemeindevertretung<br />
weigerte sich jedoch, den Vergabebeschluss<br />
des Kirchenvorstandes zu unterschreiben.<br />
Dadurch musste das Generalvikariat die<br />
Unterlagen nach den damals geltenden Gesetzen<br />
dem Regierungspräsidenten zur Entscheidung<br />
vorlegen. Dieser entschied am 5. Juni<br />
1888 und setzte den »Voranschlag der Filialkirche<br />
zu Pohlbach bei der Weigerung der Gemeindevertretung<br />
und des Vorsitzenden des<br />
Kirchenvorstandes (...) zwangsweise« auf<br />
10 400 Mark fest. 3 Die alte Kapelle wurde abgebrochen<br />
und der Neubau in den Jahren<br />
1888/89 durchgeführt. Ein jahrhundertealter<br />
Lindenbaum, »dieses altehrwürdige Wahrzeichen<br />
von Pohlbach, mußte leider beim Neubau<br />
der Kapelle weichen«. 4 Der Zeitpunkt der Fertigstellung<br />
und das Weihedatum konnten noch<br />
187
Die Kapelle in Pohlbach<br />
189
nicht festgestellt werden. Die Kapelle ist<br />
schlicht und einfach ausgestattet. Auffällig sind<br />
die Spitzbogenfenster und das spitzbogige Gewölbe<br />
des Kirchen- und Chorraumes. Daran ist<br />
die Vorliebe für vorangegangene Stilformen<br />
beim Kirchenbau des 19. Jahrhunderts erkennbar.<br />
Der Altar im Chorraum trägt einen angemessenen<br />
Holzaufbau mit Tabernakel.<br />
An die vorkonziliare Zeit erinnert die Kommunionbank<br />
als Abgrenzung des Chorraumes.<br />
Eine kleine Figur der heiligen Margaretha als<br />
Schutzpatronin der Kapelle schmückt die rechte<br />
Seitenwand. Eine Figur der heiligen Theresia<br />
vom Kinde Jesu ist auf der gegenüberliegenden<br />
Seite angebracht. Großfiguren zur Herz-<br />
Jesu- und Marienverehrung bilden beidseitig<br />
den Abschluss des Kapellenraumes. An der<br />
Rückwand der Kapelle über dem Eingangsportal<br />
hängt ein Bild mit der Darstellung der Flucht<br />
der heiligen Familie. Die Kapelle besaß zwei<br />
Glocken. Eine davon stammte aus dem Jahre<br />
1432 und trug die Aufschrift »Maria heiß ich. Nikolaus<br />
von Esch goß mich.« Die beiden<br />
Glocken mussten 1943 zu Kriegszwecken abgeliefert<br />
werden. Heute sind wieder zwei neue<br />
Glocken vorhanden. 5<br />
In den vergangenen Jahren hat das äußere Erscheinungsbild<br />
der Kapelle durch die Gestaltung<br />
des Vorplatzes gewonnen. Im Inneren des<br />
Gotteshauses aber hat der Zahn der Zeit durch<br />
bedrohliche Risse im Mauerwerk deutliche<br />
Spuren hinterlassen. Um die Bauschäden nicht<br />
unnötig zu vergrößern, muss das Läuten der<br />
Glocken unterbleiben. Bauliche Maßnahmen<br />
sind dringend erforderlich, um ein Gotteshaus<br />
zu erhalten, in dem Menschen seit 110 Jahren<br />
über Generationen hinweg durch ihren Glauben<br />
und ihr Beten Trost in der Not, Sicherheit in<br />
der Angst und Hoffnung in der Verzweiflung<br />
fanden.<br />
Der Bau der Kapelle in Pohlbach vor 110 Jahren<br />
reicht weit in die Vergangenheit zurück. Unsere<br />
Erinnerung reicht nicht so weit. Sie wirft<br />
aber Fragen über die geschichtliche Entwicklung<br />
auf, macht neugierig und regt an, in unserer<br />
schnelllebigen Zeit den Spuren der eigenen<br />
Vergangenheit nachzugehen und die Wurzeln<br />
der Gegenwart zu erkennen.<br />
So wird Pohlbach erstmals im Jahre 1250 als<br />
Kapellengemeinde »Polenbach« urkundlich erwähnt.<br />
Der Erzbischof von Trier hatte dort einige<br />
Besitzungen. Als Schutzheilige der Kapelle<br />
188<br />
werden im Jahre 1569 die heilige Margaretha,<br />
1656 der heilige Stephanus genannt. 6 Erzbischof<br />
Balduin belehnte 1325 den Johann Hutzink<br />
von der Neuerburg unter anderen Gütern<br />
auch mit dem Dorfe »Polimbach«. Mit dem halben<br />
Dorfe »Polimbach« wurde 1340 Heinrich<br />
Mul von der Neuerburg belehnt. 7 Am 6. Mai<br />
1450 verpflichteten sich Bernhard von Pallandt<br />
und seine Hausfrau Anna von Wiltperg, ihre der<br />
Kapelle zu Eberhards-Clausen verpfändeten<br />
Güter zu »Polembach« wieder einzulösen. 8 Das<br />
Kloster Eberhards-Clausen besaß ein bedeutendes<br />
Gut und eine Mühle zu Pohlbach. Das<br />
Gut wurde am 20. Juli 1805 für 10 000 Francs<br />
(= 2 666 Thaler) und die Mühle mit zwei Gärten<br />
und Wiesen für 2 190 Francs (= 584 Thaler) versteigert.<br />
9 In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts<br />
zählte Pohlbach 407 Einwohner in 78<br />
Wohnhäusern. 10<br />
Diese wenigen geschichtlichen Daten schlagen<br />
einen großen Bogen über die Jahrhunderte. Sie<br />
gleichen Meilensteinen auf dem Weg der Geschichte<br />
und geben bruchstückhaft Auskunft<br />
über das Werden des Heimatortes. In gleichem<br />
Umfang wecken sie das Interesse für geschichtliche<br />
Zusammenhänge und stärken die<br />
Verbundenheit mit der Heimat.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Karl Becker: Vom Amt zur Verbandsgemeinde. Die Verbandsgemeinde<br />
<strong>Wittlich</strong>-Land; in: Günter Hesse, Andreas Wisniewski: <strong>Wittlich</strong>-Land.<br />
Geschichte einer Verbandsgemeinde zwischen Vulkaneifel<br />
und Mosel. <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1999, S. 538.<br />
2 Peter Dohms: Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes<br />
Eberhardsklausen an der Mosel, Ludwig Röhrscheid Verlag, Bonn<br />
1968, S. 176<br />
3 Bistumsarchiv Trier (BAT) Abt. 70, Nr. 2808, Blatt 364<br />
4 J. Gansen: Wallfahrts- und Andachtsbuch. Trier 1922; S. 49<br />
5 Günter Hesse, Andreas Wisniewski: <strong>Wittlich</strong>-Land. Geschichte einer<br />
Verbandsgemeinde zwischen Vulkaneifel und Mosel. <strong>Bernkastel</strong>-Kues,<br />
1990, S. 892.<br />
6 Ferdinand Pauly: Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum<br />
Trier; Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung,<br />
Trier 1961, S. 387.<br />
7 N. Hebler: Burg Neuerburg »novum castrum« und Dorf Neuerburg<br />
bei <strong>Wittlich</strong> 2. Auflage 1933, S. 80.<br />
8 ebd. S. 83.<br />
9 Georg Bärsch: Eiflia illustrata. Neudruck der Ausgabe 1855, S. 120.<br />
10 ebd. S. 110.<br />
Dank sage ich Herrn Franz Schmitt für die Literaturangaben und Frau<br />
Monika Bollig für die freundliche Führung in der Kapelle.
Seit Menschengedenken kennen wir die Sicherung<br />
des Überlebens durch Solidarität unter<br />
Generationen, Familien, Alten/Jungen, Gesunden/Kranken.<br />
Der Solidaritätsgedanke und seine<br />
praktische Umsetzung ist und bleibt ein<br />
Grundpfeiler für die Existenzsicherung der<br />
Menschheit überhaupt.<br />
Die Sozialversicherung – als Zweig dieser Versicherung<br />
die gesetzliche Krankenversicherung<br />
– gibt es nun seit mehr als 100 Jahren.<br />
Auch sie baut auf den Solidaritätsprinzipien<br />
auf. Alle Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
haben grundsätzlich gleiche<br />
Leistungsansprüche, wobei die Finanzierung<br />
über Beiträge nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
des einzelnen Versicherten erreicht<br />
wird. Unsere Sozialversicherung ist ein<br />
wichtiger Garant für die freiheitlich-soziale<br />
Rechtsordnung und den Erhalt des sozialen<br />
Friedens in unserer Bundesrepublik Deutschland.<br />
Die AOK <strong>Wittlich</strong> hatte ihre Geburtsstunde Anfang<br />
des Jahres 1899. Über 100 Jahre wird in<br />
unserer Region durch das Krankenversicherungsunternehmen<br />
»AOK« das Risiko »Krankheit«<br />
abgesichert. Damit einher geht die Zuteilung<br />
und Umschichtung von Finanzmitteln zwischen<br />
Gesunden und Kranken, Einkommensschwachen<br />
und Besserverdienenden.<br />
Die gesetzliche Krankenversicherung<br />
von heute<br />
Im Laufe von 100 Jahren ist die gesetzliche<br />
Krankenversicherung groß geworden. Strukturen,<br />
Zuständigkeiten und Verwaltungen haben<br />
sich seither stetig verändert. Immer wieder ist<br />
der Gesetzgeber gefordert und bemüht, seine<br />
Sicherungskonzepte an die Fortentwicklung<br />
des Staates und die sich ändernden wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen anzupassen. Heu-<br />
190<br />
AOK – Die Gesundheitskasse im Kreis<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Ein 100-jähriges Krankenversicherungsunternehmen ist<br />
auch für das nächste Jahrtausend gerüstet<br />
Edgar Schneider<br />
te wird die soziale Krankenversicherung erheblich<br />
beeinflusst durch die hohe Arbeitslosigkeit,<br />
die Überalterung der Gesellschaft und die insgesamt<br />
angespannte öffentliche Finanzlage.<br />
Der Reformbedarf der letzten Jahrzehnte war<br />
gewaltig und tangierte auch überwiegend den<br />
Leistungsbereich der Krankenversicherung.<br />
Der medizinische Fortschritt mit neuen Therapieangeboten<br />
war zu bewerten und über den<br />
Leistungskatalog der Krankenversicherung für<br />
die Versicherten verfügbar zu machen. Zu den<br />
Spielregeln der Reformierung gehörte aber immer<br />
auch die Berücksichtigung der vorhandenen<br />
Finanzmittel. Der Gesundheitsstandort<br />
»Deutschland« hat eine im internationalen Vergleich<br />
hohe Abgabenlast. So wurden durch Kostendämpfungs-<br />
und Strukturänderungsgesetze<br />
– sozialverträglich – Eigenbeteiligung und<br />
Zuzahlungen für die Versicherten eingeführt.<br />
Hier ging der Gesetzgeber gleichfalls davon<br />
aus, das verantwortungsvolle Handeln – die Eigenverantwortung<br />
– der Versicherten zu fördern<br />
und zu stärken.<br />
Für die Finanzierung der Leistungsausgaben<br />
erhebt die Krankenversicherung Beiträge. Am<br />
Gesamtbeitrag beteiligen sich Versicherte und<br />
Arbeitgeber je zur Hälfte. Die Unterstützung<br />
des Bundes durch Zuschüsse kennen wir hier<br />
nicht. Kassenartenübergreifend findet ein Risikostrukturausgleich<br />
statt. Dabei geht es in erster<br />
Linie um eine annähernde Gleichstellung<br />
der Krankenkassen auf der Einnahmenseite.<br />
Nur die Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung<br />
kennt eine ausgedehnte Trägervielfalt.<br />
Die Krankenversicherung wird –<br />
nach gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
– durchgeführt von Orts-, Innungs-, Betriebskrankenkassen,<br />
Ersatzkassen, den Landwirtschaftlichen<br />
Krankenkassen, der Bundesknappschaft<br />
und der See-Krankenkasse.
Vorteile für die Versicherten brachte die jüngst<br />
eingeführte Wahlfreiheit. Seit 1996 kann jeder<br />
Versicherte selbst bestimmen, welcher Krankenkasse<br />
er angehören möchte. Das Wahlrecht<br />
kann grundsätzlich einmal jährlich ausgeübt<br />
werden.<br />
Durch diese Einführung des Wettbewerbs in<br />
der gesetzlichen Krankenversicherung kam es<br />
zu erheblichen Strukturveränderungen in der<br />
Krankenkassenlandschaft. Gerade bei den<br />
Ortskrankenkassen wurden in den letzten Jahren<br />
größere Organisationseinheiten geschaffen.<br />
Die seinerzeit meist für einen <strong>Landkreis</strong><br />
bzw. eine Stadt gebildeten Ortskrankenkassen<br />
– insgesamt bundesweit 270 – wurden zu Landes-Ortskrankenkassen<br />
vereint. So ist die<br />
AOK-Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> heute<br />
eingegliedert in die AOK Rheinland-Pfalz.<br />
Der Sprung in das nächste Jahrtausend<br />
Die Höhe der öffentlichen Abgaben (Steuern<br />
und Sozialabgaben) hat in der Bundesrepublik<br />
derzeit einen Höchststand erreicht. Unser gesamtes<br />
Sozialsicherungssystem steht mehr<br />
denn je auf dem Prüfstand. In gesundheitspolitischen<br />
Diskussionen wird der Eindruck erweckt,<br />
dass unser Gesundheitssystem an seinen<br />
Grundstrukturen erkrankt ist. Richtungsweisend<br />
soll die anstehende Gesundheitsreform<br />
<strong>2000</strong> sein. Die schwierige Aufgabe der<br />
Politik lautet »eine optimale medizinische Versorgung<br />
zu gewährleisten und gleichzeitig die<br />
Beitragssätze stabil zu halten.« Wenn wir eine<br />
qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung<br />
für die Zukunft absichern wollen, dann ist<br />
eine Steigerung der Effizienz und der Qualität<br />
unerlässlich. Ein wirtschaftlicher Mitteleinsatz –<br />
Rationalisierung – erfordert eine bessere Verzahnung<br />
der einzelnen Versorgungsbereiche<br />
und auch den Abbau von Überkapazitäten. Die<br />
Förderung verantwortungsvollen Handelns für<br />
den Erhalt der wichtigen Gesundheitsziele wird<br />
von allen am Gesundheitswesen Beteiligten<br />
eingefordert. Wichtig ist in jedem Falle, die Solidarziele<br />
der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
zu erhalten. Dies bedeutet<br />
• jeder erhält die Leistung, die er benötigt;<br />
• die Finanzierungslast wird je nach Leistungsfähigkeit<br />
der Mitglieder verteilt;<br />
• paritätische Finanzierung durch Arbeitnehmer<br />
und Arbeitgeber;<br />
• bestimmte Personengruppen werden entsprechend<br />
dem Solidaritätsprinzip beitragsfrei<br />
mitversichert;<br />
• das Sachleistungsprinzip bleibt erhalten, die<br />
Kosten werden unmittelbar von den Krankenkassen<br />
gezahlt.<br />
AOK- Die Gesundheitskasse in<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Die AOK Rheinland-Pfalz mit Sitz in Eisenberg/Pfalz<br />
betreut insgesamt 1 274 000 Versicherte,<br />
einschließlich 396 000 Familienversicherte.<br />
Das Ausgabenvolumen beträgt insgesamt<br />
4,95 Milliarden DM. Größter Einzelposten<br />
sind die Kosten für stationäre Behandlung mit<br />
1,81 Milliarden DM (36,6 %). Durchgeführt werden<br />
ebenfalls eine Lohnfortzahlungsversicherung<br />
für Arbeitgeber mit einem Finanzvolumen<br />
von 138 Mio. DM und seit 1995 die Pflegeversicherung<br />
mit einer Ausgabensumme von 768<br />
Mio. DM jährlich.<br />
Für die Geschäftsführung verantwortlich sind<br />
drei hauptamtliche Vorstände.<br />
Die Grundziele der AOK lauten: optimale Kundenbetreuung<br />
und Kundenzufriedenheit, Leistungsgewährung<br />
auf einem hohen Niveau,<br />
Präventionsmaßnahmen und besondere Unterstützungsaktivitäten<br />
bei Krankheit und Rehabilitationsmaßnahmen.<br />
Strukturell ist die AOK Rheinland-Pfalz so gegliedert,<br />
dass die Kundenbetreuung und Aufgabenbewältigung<br />
wohnortnah durch 25 Regionaldirektionen,<br />
104 Geschäftsstellen und<br />
600 Mitarbeiter-Servicestellen mit umfassender<br />
Fachkompetenz sichergestellt werden<br />
kann. Selbstverständlich ist ebenfalls die Beratung<br />
bei dem Versicherten zu Hause oder bei<br />
dem Arbeitgeber im Betrieb.<br />
Die AOK-Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
betreut in ihrer Hauptverwaltung in <strong>Wittlich</strong><br />
sowie in drei weiteren Geschäftsstellen in<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues, Morbach und Traben-Trarbach<br />
insgesamt mehr als 46 000 Versicherte.<br />
Dies entspricht einem Anteil von 41 % der<br />
Kreisbevölkerung. Unsere Kunden sind zudem<br />
auch 2 700 Arbeitgeber und 400 Vertragspartner.<br />
Die AOK-Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> mit ihren Geschäftsstellen beschäftigt<br />
95 Mitarbeiter sowie neun Auszubildende und<br />
trägt somit zu einem beachtlichen Arbeitsplatzangebot<br />
in der hiesigen Region bei. Verantwortlich<br />
für die laufenden Verwaltungsgeschäf-<br />
191
te ist der Regionalgeschäftsführer. Er arbeitet<br />
mit der Direktion und dem Vorstand eng zusammen.<br />
Der Dienstleistungsbetrieb der AOK wird ständig<br />
an die neuen Herausforderungen angepasst.<br />
Trotz Rationalisierungsmaßnahmen ist der<br />
Standort <strong>Wittlich</strong> nicht gefährdet. So wurde<br />
auch kürzlich das Verwaltungsgebäude in <strong>Wittlich</strong><br />
modernisiert. Überregionale Aufgabengebiete<br />
konnten in <strong>Wittlich</strong> angesiedelt werden.<br />
Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der<br />
AOK-Regionaldirektion stehen unsere Kunden<br />
im Mittelpunkt: Versicherte, Arbeitgeber, Leistungsanbieter<br />
und Vertragspartner. Wir sind<br />
sicher, mit gut ausgebildetem Personal und einer<br />
optimalen Erreichbarkeit die Kundenwünsche<br />
und -anliegen zufrieden stellen zu können.<br />
Die Angebote der AOK werden im Rahmen der<br />
gesetzlichen Möglichkeiten zusätzlich erweitert<br />
durch Gesundheitsangebote der Sekundärund<br />
Tertiärprävention. Zielgerichtet bietet die<br />
AOK Gesundheitsleistungen für ihre Mitglieder<br />
an. Im Bereich der Arbeitgeberbetreuung genießt<br />
die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren<br />
einen hohen Stellenwert. Dies<br />
führte vor ca. zwei Jahren dazu, dass eine Kooperation<br />
mit der Kreishandwerkerschaft <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
eingegangen wurde und in diesem<br />
Bereich gemeinsame Zielsetzungen optimal<br />
verwirklicht werden konnten.<br />
Die AOK will ihre wichtigen Gesundheitsziele<br />
weiterverfolgen. Dabei steht uneingeschränkt<br />
die Gesundheit und die Lebensqualität der Versicherten<br />
im Vordergrund.<br />
Die Selbstverwaltung der AOK<br />
Jüngst haben wiederum Sozialwahlen zu den<br />
Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger<br />
stattgefunden. Als Besonderheit<br />
zu erwähnen ist, dass auch bei der AOK Rheinland-Pfalz<br />
auf der Versichertenseite erstmals<br />
eine sogenannte »Urwahl« stattgefunden hat.<br />
870 000 versicherte Mitglieder der AOK waren<br />
aufgerufen, ihre Stimme für die Wahl zur<br />
Selbstverwaltung abzugeben. Die Wahlbeteiligung<br />
betrug 25,6 %. Die Arbeitgeberseite einigte<br />
sich auf eine Besetzung ohne Wahlhandlung,<br />
in einer sogenannten Friedenswahl.<br />
Die Selbstverwaltung bei der AOK ist paritätisch<br />
besetzt, je zur Hälfte aus Vertretern der<br />
Versicherten und der Arbeitgeber. Wichtigstes<br />
Selbstverwaltungsorgan ist der Verwaltungsrat<br />
192<br />
der AOK Rheinland-Pfalz, der aus 30 Mitgliedern<br />
besteht. Aus dem Verwaltungsrat heraus<br />
bilden sich verschiedene Ausschüsse. Ebenso<br />
wird ein Regionalbeirat für jede der 25 Regionaldirektionen<br />
berufen. Er besteht vor Ort für<br />
die Regionaldirektionen und ist in die Aufgabenabwicklung<br />
eingebunden. Der Regionalbeirat<br />
unserer Regionaldirektion setzt sich aus je<br />
zehn Versicherten und Arbeitgebern zusammen.<br />
Aus diesem Regionalbeirat hat sich ein<br />
Widerspruchsausschuss gebildet, je zwei Arbeitnehmer-<br />
und Arbeitgebervertreter. Er ist für<br />
die Durchführung des sogenannten »Vorverfahrens«<br />
zuständig.<br />
Die Mitarbeit in einem Selbstverwaltungsorgan<br />
ist ein Ehrenamt. Durch ihre Mitarbeit schließen<br />
die Mitglieder der Organe eine wichtige Lücke<br />
in der Ausgestaltung des Krankenversicherungsrechts.<br />
Ihnen ist die wichtige Aufgabe<br />
übertragen, Satzungen zu erlassen und auch<br />
aktiv die Haushalts- und Verwaltungspolitik<br />
mitzubestimmen.<br />
Anfang 1999 konnten wieder einmal verdiente<br />
Mitglieder des Regionalrates unserer Regionaldirektion<br />
für ihre jahrzehntelange Mitarbeit in<br />
der Selbstverwaltung geehrt werden. Durch die<br />
Ausübung dieses Ehrenamtes werden die Interessen<br />
unserer Versicherten und Arbeitgeber<br />
in hervorragender Weise vertreten. Sie bestimmen<br />
mit großer Kompetenz die Geschicke der<br />
AOK vor Ort mit. Die AOK-Regionaldirektion<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> ist mit der Selbstverwaltungsarbeit<br />
zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen<br />
gewachsen.<br />
Blick in die Zukunft<br />
Die AOK als Teil der sozialen Krankenversicherung<br />
wird sich angesichts der vielfältigen Herausforderungen<br />
ihren sozialpolitischen und gesundheitspolitischen<br />
Zielen – zum Wohle der<br />
Versicherten – verpflichtet fühlen. Sie wird ihre<br />
Position und ihren Einfluss als größtes Krankenversicherungsunternehmen<br />
in die Sicherung<br />
und erforderlichenfalls in die Umgestaltung<br />
des Gesundheitssystems einbringen.<br />
Unser Blickwinkel wird sich selbstverständlich<br />
auf die Region des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
ausrichten. Hier wollen wir im Gesundheitsbereich<br />
als modernes Dienstleistungsunternehmen<br />
noch viele Jahrzehnte agieren. Wir bauen<br />
auf das Vertrauen unserer Kunden in die AOK<br />
Regionaldirektion <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.
Herbst an der Mosel<br />
Wie mattes Gold<br />
leuchten in der Herbstsonne<br />
die weitgestreckten Berge<br />
an den Ufern des Stromes<br />
Die Reben<br />
an den steilen Hängen<br />
lassen leise<br />
schon die ersten Blätter fallen<br />
Doch die Beeren<br />
wachsen noch der letzten Reife zu<br />
wandeln täglich sich<br />
zu Saft und größerer Süße<br />
In der Stille der Morgennebel<br />
warten sie<br />
bis die Sonne durchbricht<br />
und das milde Licht dieser späten Tage<br />
sie der Vollendung näher bringt<br />
Zur Zeit der Lese<br />
wenn die Kelter<br />
ihre letzte Wandlung wirkt<br />
wird ihr Duft sich erheben<br />
und die Dörfer am Fluss<br />
durchströmen<br />
und füllen<br />
Elisabeth Badura-Zenz<br />
241
<strong>Wittlich</strong>er Synagoge - gebaut vor 90 Jahren<br />
Als um die Jahrhundertwende in <strong>Wittlich</strong> Hausnummern<br />
eingeführt wurden, wohnten in 45<br />
Häusern 47 Judenfamilien. 1 Seit 1831 benutzte<br />
die <strong>Wittlich</strong>er Judengemeinde die ehemalige<br />
Kirche des Hospitals Sancti Wendelini als Gotteshaus<br />
in der Himmeroder Straße 499a als ihr<br />
Gotteshaus. 2 Im Jahre 1906 zählte <strong>Wittlich</strong><br />
6 235 Einwohner. Davon waren 5 560 Katholiken,<br />
448 Nichtkatholiken und 227 Juden. 3 Der<br />
Anteil der jüdischen Bürger an der Gesamtbevölkerung<br />
betrug demnach 3,6 %. Angesichts<br />
des stetigen Wachstums der jüdischen Gemeinde,<br />
die sich in der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts um das Vierfache vergrößert hatte,<br />
dachte man an den Neubau einer Synagoge.<br />
4 Dieses Vorhaben war auch deshalb notwendig,<br />
weil sich die bisherige Synagoge in einem<br />
sehr schlechten und unwürdigen Zustand<br />
befand. 5 Bereits 1909 hatte die jüdische Gemeinde<br />
in der Himmeroder Straße ein geeignetes<br />
Grundstück erworben und die Baupläne bei<br />
Kreisbaumeister Hans Vienken in Auftrag gegeben.<br />
Der Neubau war veranschlagt auf ca.<br />
Bau der <strong>Wittlich</strong>er Synagoge im Jahr 1910<br />
Franz Schmitt<br />
40000 Mark. 6 Baumeister der Synagoge waren<br />
die Gebrüder Philipp und Josef Bungert aus<br />
<strong>Wittlich</strong>, die auch das Kreishaus errichteten. 7<br />
Die neue Synagoge wurde am 25. und 26. November<br />
1910 eingeweiht. Lehrer Kahn wünschte,<br />
dass das neue Gotteshaus eine Stätte der<br />
Andacht und des Friedens werde. 8 Beim Festbankett<br />
am Abend begrüßte Pastor und Dechant<br />
Friedrich Stein seine jüdischen Mitbürger<br />
in hebräischer Sprache und stellte seine Festrede<br />
unter den Spruch: »Gepriesen sei der Ewige,<br />
der seinem Volke Israel den Frieden gegeben<br />
hat«. 9 Die Presse stellte fest, »daß ganz besonders<br />
die auswärtigen Gäste voller Erstaunen<br />
und Bewunderung darüber waren, daß man in<br />
<strong>Wittlich</strong> solche Feste zu feiern verstehe. Dies sei<br />
nur möglich, weil hier alle Konfessionen einträchtig<br />
und friedlich zusammenwirkten.« 10<br />
1975 erwarb die Stadt <strong>Wittlich</strong> von der Rechtsnachfolgerin,<br />
der ehemaligen in der NS-Zeit<br />
vernichteten jüdischen Gemeinde das Synagogengebäude<br />
und richtete darin eine städtische<br />
Kultur- und Begegnungsstätte ein. 11<br />
Anmerkungen:<br />
1 M. J. Mehs, in: Der Säubrenner 1971.<br />
2 M. J. Mehs, Das <strong>Wittlich</strong>er Spital, <strong>Wittlich</strong> 1924 (Sonderdruck);<br />
ders., Kleine <strong>Wittlich</strong>er Stadtchronik, in: Die schöne Eifel, <strong>Wittlich</strong>er<br />
Land, Köln 1958, S. 5-13, hier S. 12.<br />
3 Handbuch des Bistums Trier (BT) von 1906, S. 152-153.<br />
4 Nach W. Knopp (Bearb.), Statistische Materialien zur Geschichte<br />
der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland,<br />
Koblenz 1955, S. 132; vgl. auch Handbuch BT Trier 1912, S.<br />
178/79.<br />
5 K. Freckmann, Die ehemalige Synagoge zu <strong>Wittlich</strong>, in: Jahrbuch<br />
1978 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 57-64, hier S. 58.<br />
6 Freckmann, wie Ziff. 5, S. 58.<br />
7 Im Aufsatz des Verfassers »In <strong>Wittlich</strong> geht die Post ab«, in: Jahrbuch<br />
1998 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 140-148, hier S.<br />
146, wird lediglich Philipp Bungert als Erbauer der Synagoge und<br />
des Kreishauses angegeben. Es ist zu ergänzen, dass auch dessen<br />
Bruder Josef, also die Gebrüder Bungert, diese Gebäude errichteten.<br />
So wurde es bereits im Artikel »Die Judengemeinde in <strong>Wittlich</strong>«<br />
vom selben Autor, in: Jb. 1991, S. 164-185, hier S. 176, berichtet.<br />
An gleicher Stelle (Jb. 1998) wurde irrtümlich angegeben, dass<br />
Frau Johanna Marg. Bungert, geb. Fier, Ehefrau des Philipp Bungert,<br />
die Poststelle in <strong>Wittlich</strong> innegehabt habe. Richtig ist jedoch<br />
nach glaubwürdiger Aussage von Walburga Pfeiffer-Bungert aus<br />
<strong>Wittlich</strong>, dass Margarethe Bungert, geb. Kunsmann, die Mutter der<br />
Gebrüder Bungert, die Postbesitzerin war. Sie und nicht Johanna<br />
Bungert, geb. Fier, starb am 28. März 1932 in <strong>Wittlich</strong>, Kurfürstenstraße<br />
25, im Alter von 81 Jahren (StA-Nr. 19/1932).<br />
8 Freckmann, wie Ziff. 5, S. 58-59.<br />
9 <strong>Wittlich</strong>er Kreisblatt vom 01.12.1910.<br />
10 <strong>Wittlich</strong>er Kreisblatt, wie Ziff. 9.<br />
11 Freckmann, wie Ziff. 5, S. 60.<br />
245
Nach dem Libellus de rebus Treverensibus<br />
vom Ende des 11. Jahrhunderts 1 schenkte König<br />
Dagobert I. (623-639) dem Bistum Trier und<br />
St. Paulin die Villen Altrich, <strong>Wittlich</strong>, Platten,<br />
Salmrohr, Maring und Noviand. Die Gesta Treverorum<br />
nennen die gleichen Orte dieses geschlossenen<br />
Gebiets links der Lieser von <strong>Wittlich</strong><br />
bis zur Liesermündung als Schenkung<br />
Dagoberts ans Bistum. 2 Aber die früheste<br />
Pfarrorganisation ist nicht mehr erkennbar, da<br />
auch Salmrohr, Noviand und <strong>Wittlich</strong> früh<br />
selbstständige Pfarreien wurden. 3 <strong>Wittlich</strong> und<br />
Plein lagen auf dem linken Lieserufer und mögen<br />
zunächst zur Pfarrei Bombogen gehört haben.<br />
Nach <strong>Wittlich</strong> war Plein eingepfarrt. 4 Denn<br />
nach dem Grimotestament zu Anfang des 7.<br />
Jahrhunderts besaß das Trierer Kloster St. Maximin<br />
Weinberge an der Lieser. Damit ist ein<br />
Hinweis auf den 940 bezeugten Besitz von<br />
Bombogen gegeben. 5 Erzbischof Ruotbert von<br />
Trier (931-956) nennt Altrich 952 »sedes nostra«.<br />
6 Das Bistumsurbar um 1200 lässt Grundherrschaften<br />
mit den Zentren Altrich und <strong>Wittlich</strong><br />
erkennen, unter denen Altrich den Vorrang<br />
246<br />
Beginn der Pfarrei St. Markus <strong>Wittlich</strong><br />
Innenansicht der Pfarrkirche St. Markus, <strong>Wittlich</strong><br />
Franz Schmitt<br />
hat. 7 Wegen der Stellung des erzbischöflichen<br />
Zentralhofes in Kirchhof – ein Kilometer vor<br />
Altrich – wird ebenso angenommen, dass <strong>Wittlich</strong><br />
ursprünglich zur Pfarrei Altrich gehörte.<br />
Aber auch die Bezeichnung Kirchhof-Altrich<br />
weist auf eine alte Pfarrkirche hin. Schon Lamprecht<br />
betonte, dass Altrich in älterer Zeit eine<br />
größere Bedeutung hatte als <strong>Wittlich</strong>. 8 Ende<br />
des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts<br />
stieg neben Altrich auch <strong>Wittlich</strong> auf: Erzbischof<br />
Johann I. (1189-1212) von Trier erwarb<br />
einen Teil des Zehnten in <strong>Wittlich</strong> für bischöflichen<br />
Gebrauch. 9 Um 1220 ist ein Schultheiß in<br />
<strong>Wittlich</strong> bezeugt, was größeren erzbischöflichen<br />
Besitz dort erwarten lässt. 10 Damals war<br />
<strong>Wittlich</strong> schon Marktort und Zollstätte. König<br />
Rudolf von Habsburg verlieh am 29. Mai 1291<br />
dem Marktflecken <strong>Wittlich</strong> die Rechte einer<br />
Stadt. 11 Im Zuge dieses Aufstiegs ist wohl auch<br />
die Entwicklung <strong>Wittlich</strong>s zur Pfarrei zu sehen.<br />
Am 27. Mai 1152 bestimmte Papst Eugen III.,<br />
dass die Eifelabtei Himmerod niemandem zinspflichtig<br />
sei und nur freiwillige Abgaben zu leisten<br />
habe, darunter im Bereich des Hofes <strong>Wittlich</strong><br />
dem Pfarrer jährlich einen<br />
Malter Weizen und einen Malter<br />
Hafer. Hier erscheint urkundlich<br />
erstmals ein <strong>Wittlich</strong>er Pfarrer<br />
(clericus), dessen Name aber<br />
nicht genannt ist. 12 Anno 1157 bestätigt<br />
Erzbischof Hillin von Falmagne<br />
(1152-1169), Legat des<br />
Apostolischen Stuhles, im Sinne<br />
seines Vorgängers Albero von<br />
Montreuil (1131-1152) sowie der<br />
Päpste Innozenz II. (1130-1143)<br />
und Eugen III. (1145-1153) dem<br />
Kloster Himmerod die jährlichen<br />
Zinsabgaben, darunter auch im<br />
Bereich des erzbischöflichen Hofes<br />
zu <strong>Wittlich</strong> an den Pastor (pastori!)<br />
einen Malter Weizen und einen<br />
Malter Hafer. 13 Auch die Pastöre<br />
(pastores) von Großlittgen<br />
und Altrich werden erwähnt. Weil<br />
also schon Papst Innozenz II. eine<br />
solche Verfügung traf, hat be-
eits zwischen 1130 und 1143, wohl unter dem<br />
trierischen Erzbischof Albero von Montreuil, ein<br />
Pfarrer von <strong>Wittlich</strong> die Abgabe von Himmerod<br />
erhalten. Erzbischof Boemund I. von Warsberg<br />
bestätigte am 5. Januar 1293 erneut dem Kloster<br />
Himmerod nach dem Beispiel seiner Vorgänger<br />
Albero von Montreuil (1131-1152), Hillin<br />
von Falmagne (1152-1169), Arnold I. von Walcourt<br />
(1169-1212), Theoderich II. von Wied<br />
(1212-1242), Arnold II. von Isenburg (1242-<br />
1259) und Heinrich II. von Finstingen (1260-<br />
1286), dessen Besitzungen, darunter in der<br />
Stadt <strong>Wittlich</strong> (die unter Boemund I. die Stadtrechte<br />
erhalten hatte) einen Hof und zwei<br />
Mühlen, die früher dem Kloster Springiersbach<br />
gehörten. Ferner die festen Abgaben, die das<br />
Kloster wegen des Zehnten an die betreffenden<br />
Pastöre oder weltlichen Zehntherren nach<br />
getroffener Vereinbarung leistet, auch: dem<br />
Pastor in <strong>Wittlich</strong> wegen des Klosterhofes einen<br />
Malter Weizen, einen Malter Hafer und eine<br />
Ohm Wein (160 Liter) oder einen Weingarten,<br />
aus dem sich pro Jahr etwa eine Ohm Wein<br />
ernten lässt. 14<br />
Damit steht fest, dass ausweislich der lückenlosen<br />
Bestätigungen seit Erzbischof Albero,<br />
dessen Amtszeit 1131 begann, in <strong>Wittlich</strong> ein<br />
Pfarrer tätig war, aber auch, dass <strong>Wittlich</strong> Pfarrei<br />
geworden war.<br />
Unabhängig davon findet sich im Bistumsurbar<br />
um 1220 die etwas sonderbare Notiz: »Der Erzbischof<br />
ist Gründer (fundator) der Kirche in<br />
<strong>Wittlich</strong> und erhält deshalb zwei Drittel des<br />
Zehnten. Dafür muss er das Dach der Kirche<br />
decken«. 15 Das letzte Drittel bekam dann wohl<br />
der Pfarrer. 16 Als Erzbischof ist wohl Johann I.<br />
gemeint, der auch »fundator« der Pfarrkirche<br />
zu Andernach genannt wird, die er wenige Jahre<br />
vorher aus dem Besitz des Reiches für Trier<br />
erhalten hatte. 17 Da »fundator« sich in Andernach<br />
auf den Erwerb und das Patronatsrecht<br />
bezieht und unter Johann I. der Neubau der Kirche<br />
begonnen wurde, liegt der Gedanke an einen<br />
ähnlichen Vorgang auch in <strong>Wittlich</strong> nahe,<br />
der die Verlegung des Pfarrzentrums von<br />
Altrich nach <strong>Wittlich</strong> zur Folge hatte. Unter Erzbischof<br />
Johann I. wurde auch der alte Pfarrsitz<br />
auf dem Petersberg im Zeller Hamm aufgegeben<br />
und nach Zell verlegt. Zell, das vorher Filialort<br />
der Peterskirche war, wurde Pfarrort und<br />
Sitz der kurtrierischen Amtsverwaltung. 18 Bekanntlich<br />
wurde <strong>Wittlich</strong> unter Erzbischof Bal-<br />
duin von Luxemburg (1307-1354) um 1320<br />
ebenfalls Sitz eines kurtrierischen Amtes. Auch<br />
im Vergleich mit der ersten Erwähnung eines<br />
Pfarrers wurde die Pfarrei <strong>Wittlich</strong> wahrscheinlich<br />
um 1150 vom Trierer Erzbischof begründet.<br />
Am 27. Mai 1222 stiftete Erzbischof Theoderich<br />
II. von Wied mit seinen kirchlichen Einkünften<br />
»zum ewigen Lohne« an der Kirche des heiligen<br />
Petrus (der Domkirche zu Trier) eine dauernde<br />
Vikarie, »der wir die Kirche (ecclesia) in Witheliche<br />
zur Hilfe für den Geistlichen überweisen. Er<br />
hat mit den Höherstehenden als Letzter den<br />
Platz inne (er stand demnach unter den Herren<br />
des Domkapitels). Am Hochaltar hat er wie ein<br />
Kanoniker das Privileg des Singens. Der Pleban<br />
oder Leutepriester ist zum Dienst an Sonntagen,<br />
Montagen und Samstagen verpflichtet.<br />
Wenn die Vikarie frei wird, soll sie der Domdechant<br />
mit einigen ehrenwerten Leuten vom<br />
Domkapitel an eine geeignete Person vergeben.<br />
Diese soll den Dienst in eigener Person<br />
versehen und die Erinnerung an uns festhalten«.<br />
19<br />
Weil die Urkunde betont, »in der Zeit werde<br />
leicht etwas vergessen, deshalb halten wir die<br />
beständige Erinnerung fest«, muss der Inhalt<br />
der Urkunde folgerichtig zeitlich weiter zurückliegen.<br />
Die Eheleute Simon und Osilia von <strong>Wittlich</strong>,<br />
Bürger in Trier, und ihre Kinder, namentlich der<br />
Priester Theoderich Berwicus und Simon, bekunden<br />
am 11. August 1280, dass sie kein<br />
Recht an den beiden Mühlen zu <strong>Wittlich</strong> haben,<br />
sondern dass diese allein dem Kloster Himmerod<br />
gehören. Die Siegelbitte der Aussteller ergeht<br />
an die Zeugen: Werner, Propst von St. Castor<br />
in Koblenz; Theoderich, Sohn der oben genannten<br />
Eheleute und Pfarrer (Pleban) von<br />
<strong>Wittlich</strong>; Ferghinus, Trierer Schöffe. 20 Theoderich<br />
erscheint als der erste namentlich bekannte<br />
Pfarrer von <strong>Wittlich</strong>.<br />
Am 14. Juni 1293 bestätigt der Offizial der Trierer<br />
Kurie, dass Konrad Scherer (tonsor) und<br />
seine Ehefrau Adelheid, Angehörige der Pfarrei<br />
<strong>Wittlich</strong>, ihre Schenkung an das Kloster Himmerod<br />
vom Jahre 1282 erneuern. 21 Am 4. Februar<br />
1304 ist Hermann, Pleban (Leutepriester)<br />
in <strong>Wittlich</strong>, neben anderen Zeuge in einem Verkaufsakt<br />
an das Kloster Himmerod. 22 Anno<br />
1326 bestätigen die Pfarrer Aegidius von <strong>Wittlich</strong><br />
und Theoderich von Wintrich (rectores<br />
247
ecclesiarum), dass der Stiefvater, Knappe (armiger)<br />
Georg von Veldenz, die Schenkung von<br />
Gütern in Wintrich durch Benedikta an das Kloster<br />
Himmerod genehmigt hat. 23<br />
Reppere und seine Frau Katharina, Bürger in<br />
<strong>Wittlich</strong>, bekunden am 15. September 1332,<br />
dass Abt und Konvent des Klosters Himmerod<br />
ihnen ein Haus, das vordem der <strong>Wittlich</strong>er Pfarrer<br />
Hermann bewohnte und das frei ist von allen<br />
Lasten und Verpflichtungen, auf Lebenszeit<br />
als Wohnstätte und Besitz gegeben haben. 24<br />
Der in der Urkunde genannte Pleban oder Leutepriester<br />
Hermann ist 1304, 1308, 1311 und<br />
1317 als Seelsorger von <strong>Wittlich</strong> erwähnt. 25<br />
Am 16. Juli 1343 richtet Papst Clemens VI.<br />
(1342-1352) an den Kleriker Jakob, Sohn des<br />
Balduin Ellinscheidir von <strong>Wittlich</strong>, seinen Gruß.<br />
Auf Bitten des Trierer Erzbischofs Balduin von<br />
Luxemburg providiert der Papst den Priester (in<br />
sacerdotio constituto) Jakob Ellinscheidir mit<br />
einem Kanonikat an St. Paulin zu Trier und mit<br />
der Anwartschaft auf eine dort bei Vakanz innerhalb<br />
eines Monats zu vergebende Präbende.<br />
26 Weder der Erzbischof noch sonst jemand<br />
haben in die dem Kanoniker zustehenden<br />
Rechte einzugreifen oder sie ihm streitig zu<br />
machen, nicht einmal aufgrund anders lautender<br />
apostolischer Briefe und Indulte. Der Provision<br />
mit dem Kanonikat an St. Paulin steht<br />
auch nicht im Wege, dass Jakob Ellinscheidir<br />
die Pfarrkirche zu <strong>Wittlich</strong> innehat. Zum selben<br />
Datum ergeht an die Äbte von St. Maximin und<br />
St. Martin in Trier sowie an Robert von Adria,<br />
Kanoniker von Neapel, die Aufforderung, den<br />
Kanoniker in seine Rechte einzusetzen und ihn<br />
darin zu schützen. 27 Papst Bonifaz IX. gestattet<br />
am 1. März 1404 dem Conemann von <strong>Bernkastel</strong>,<br />
Rektor der Pfarrkirche zu <strong>Wittlich</strong>, einen<br />
Tragaltar. 28 Zu allen Zeiten besaß der Erzbischof<br />
das Patronatsrecht. So stellt es noch die<br />
Beschreibung des Amtes <strong>Wittlich</strong> von 1786<br />
fest: »In der Pfarrkirche ist ein regierender Erzbischof<br />
ordentlicher Pastor. Er ordnet lediglich<br />
einen vicarium residentem zur Seelsorge an. 29<br />
Demnach war der eigentliche Pfarrer von <strong>Wittlich</strong><br />
der Erzbischof, der durch einen dortselbst<br />
residierenden Vikar (Vizepastor, Pleban) die<br />
Seelsorge in seinem Namen ausüben ließ. Von<br />
1568 bis 1587 war Gerlach Loerich zuerst Vizepastor,<br />
dann auf Bitten der <strong>Wittlich</strong>er Sendschöffen<br />
Pfarrer. 30<br />
Ursprünglich scheint der Erzbischof den ge-<br />
248<br />
samten Zehnten im Besitz gehabt zu haben,<br />
später fielen an ihn zwei Teile, das letzte Drittel<br />
an die Domvikare zu Trier, denn diese mussten<br />
aus ihrem Zehntanteil sechs Malter Weizen<br />
zum Unterhalt des <strong>Wittlich</strong>er Pastors abgeben.<br />
Sie waren auch verpflichtet, das Chor der Kirche<br />
zu unterhalten, was sonst üblicherweise<br />
der Pfarrer zu besorgen hatte. Vom kleinen<br />
Zehnten erhielt der Erzbischof zwei und der Pastor<br />
ein Drittel. Außer diesen sechs Malter Weizen<br />
bezog der Pastor nach den Angaben der<br />
Visitation von 1715, die am genauesten sind,<br />
an Einkommen: in Altrich 15 Joch Land und einige<br />
Wiesen = zwei Malter Korn und ein halbes<br />
Malter Hafer, in Platten 13 Joch und einige<br />
Wiesen = 2 Malter Korn, in Crames 15 und in<br />
Salmrohr acht Achtel Korn; in Niederöfflingen<br />
abwechselnd sechs Achtel Korn und vier Achtel<br />
Hafer; aus dem Hospital <strong>Wittlich</strong> wegen einer<br />
Monatsmesse vier Achtel Korn, aus dem<br />
Himmeroder Haus zu <strong>Wittlich</strong> wegen der Salvestiftung<br />
15 Achtel Korn, in Plein ein Malter Hafer<br />
und sieben Wagen Holz sowie aus einem<br />
abgegrenzten Bezirk den ganzen Zehnten =<br />
zwei Malter, aus zwei Morgen Land bei der Kapelle<br />
Heiligkreuz in der Pfarrei Bombogen den<br />
ganzen Zehnten = zwei Achtel, in Lüxem fünf<br />
und in Neuerburg 3 /4 Joch Ackerland = vier<br />
Achtel; aus den <strong>Wittlich</strong>er Weinbergen »zwei<br />
ganze Pichtere«. Er musste aber davon 48 Sester<br />
(1 Sester = 5,3 Liter) an den Erzbischof abgeben.<br />
Er hatte einen Weinberg »in pettgel«,<br />
und deren vier »in tratschert«; ein Drittel Traubenzehnten<br />
bezog er »in der kung« und in einem<br />
kleinen Distrikt »karfelt«. Von Himmerod<br />
erhielt er jährlich wegen des Hofes Vailtz ein<br />
halbes Fuder Wein. In Kröv hatte er in einem<br />
Distrikt den dritten Teil der Trauben und 15<br />
Krüge Weinrenten. Außer einer halben Ohm (=<br />
80 Liter) hatte er in <strong>Wittlich</strong> 35 Morgen Ackerland<br />
und sechs 1 /2 Wagen Heu; im Distrikt Grampert<br />
bezieht er den ganzen Heuzehnten. Dazu<br />
kamen noch etwa 112 Florenen aus Stiftungen.<br />
Außerdem teilte sich der Pfarrer mit den Altaristen<br />
bestimmte Einnahmen. 1569 bestanden sie<br />
in 21 Maltern Frucht und 30 Florenen. 1641<br />
musste der Pfarrer auch die Stolgebühren (die<br />
dem Geistlichen für Taufen, Trauungen, Beerdigungen<br />
etc. zukamen) mit den Altaristen teilen.<br />
31 Der Rang der Pfarrkirche <strong>Wittlich</strong> ergibt<br />
sich aus dem Steuerregister des Landkapitels<br />
Piesport, welches unter Erzbischof Balduin von
Luxemburg um 1350 aufgestellt wurde. Hiernach<br />
ist <strong>Wittlich</strong> als Mutterkirche (matrix ecclesia)<br />
bezeichnet, die 30 Solidi zu bezahlen hatte.<br />
Damit hatte <strong>Wittlich</strong> alle Pfarrrechte, während<br />
Altrich als halbselbstständig mit Teilbesitz (semimatrix)<br />
erscheint. Demzufolge hatte es seinen<br />
ehemals höheren Rang an <strong>Wittlich</strong> abgeben<br />
müssen. 32 Als Mutterkirche im weiten Umkreis<br />
war dem Pfarrer Vollmacht durch den Erzbischof<br />
erteilt, alle Sakramente zu spenden.<br />
Die Pfarrangehörigen waren verpflichtet, die<br />
Sakramente nur von einem Priester der Pfarrkirche<br />
bzw. in der Pfarrkirche zu empfangen,<br />
besonders die Taufe. Die Pfarrei war selbstständig<br />
in der Vermögensverwaltung. Sie besaß<br />
das Zehntrecht und die Pfarrsendgerichtsbarkeit.<br />
33<br />
Der Visitationsbericht von 1569 nennt als Patron<br />
der Pfarrkirche St. Markus. 34 Sein Fest wird<br />
am 25. April gefeiert. Die Stadt, in der seine Gebeine<br />
ruhen, hat von jeher ihren Stolz darein<br />
gesetzt, sein Andenken zu verherrlichen. »Republik<br />
San Marco« nannte sich Venedig auf der<br />
Höhe seiner Macht und seines Glanzes. Die<br />
Stadt Venedig trägt noch heute den geflügelten<br />
Löwen im Wappen, das Symbol des Evangelisten.<br />
An seinem Festtag ziehen hierzulande die<br />
Markusprozessionen über die Ackerfluren und<br />
Weingärten und flehen um seinen Schutz und<br />
seine Fürbitte. 35 Das Haus seiner Mutter Maria<br />
bildete in den Jahren der Verfolgung den Versammlungs-<br />
und Zufluchtsort der Jerusalemer<br />
Christengemeinde, als Jakobus getötet und<br />
Petrus ins Gefängnis gebracht worden war. 36<br />
Auf der Reise nach Kleinasien begleitete er<br />
Paulus, verweigerte diesem nach einem erregten<br />
Wortwechsel den Gehorsam und kehrte<br />
nach Jerusalem zurück. 37 Als er sich zu einer<br />
weiteren Missionsreise meldete, lehnte Paulus<br />
jedoch ab. 38 Markus hielt sich später in der<br />
Nähe des Apostels Petrus zu Rom auf. 39 Indem<br />
er dessen Vorträge aufzeichnete, entstand sein<br />
Evangelium. Er schrieb es volkstümlich nieder.<br />
40 Nach der Überlieferung zog er nach<br />
Ägypten, organisierte in Alexandria die erste<br />
christliche Zelle. Nach einem Jahrzehnt missionarischer<br />
Tätigkeit am unteren Nil starb er als<br />
Blutzeuge. Seine sterblichen Überreste wurden<br />
829 nach Venedig überführt und im Dom der<br />
Stadt beigesetzt. 41<br />
Das Markuspatrozinium in <strong>Wittlich</strong> könnte ins<br />
12. Jahrhundert zurückreichen. 42 Damit weisen<br />
alle Urkunden und Indizien, welche die Gründung<br />
der Pfarrei <strong>Wittlich</strong> betreffen, in die Mitte<br />
des 12. Jahrhunderts.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Gesta Henrici archiepiscopi Trev. MG SS XIV., S. 103.<br />
2 Eugen Ewig, Trier im Merowingerreich, Civitas, Stadt, Bistum, in:<br />
Trierer Zeitschrift 1952, Heft 1-2, S. 166 und 249.<br />
3 E. Ewig, wie Ziff. 2, S. 249, Anm. 69.<br />
4 E. Ewig, wie Ziff. 2, S. 249, Anm. 68.<br />
5 E. Ewig, wie Ziff. 2, S. 167.<br />
6 MUB I, Nr. 193.<br />
7 MUB II, Nr. 15 des Nachtrags, S. 391-428.<br />
8 K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben DWL II, S. 172, 178 ff.;<br />
Edmund Müller, Seit wann ist <strong>Wittlich</strong> eine Pfarrei, in: Jahrbuch<br />
1982 des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 98-102; TV vom<br />
20.08.1949; Klaus Petry, Altrich hatte mal die Nase vorn, in: Jahrbuch<br />
1998 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 167-173; E. Ewig,<br />
wie Ziff. 2, S. 249, Anm. 67.<br />
9 Emil Zenz (Herausgeber), Die Taten der Trierer, Bd. 3, Trier 1959, S.<br />
41.<br />
10 Lamprecht, wie Ziff. 8, DWL II, S. 171.<br />
11 F. Schmitt, Wann hat <strong>Wittlich</strong> Stadtrechte bekommen, in: Jahrbuch<br />
1988 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 130-134.<br />
12 Stadtarchiv Trier, Urk. Q 2. Abschrift und Regest: G. Kortenkamp,<br />
<strong>Wittlich</strong>, 1989; Jaffé-Löwenfeld, Regesta pontificum ... Nr. 8112;<br />
MUB I, Nr. 563; MRR II, Nr. 7.<br />
13 StA Trier, Urk. F 3; Abschrift und Regest von G. Kortenkamp; MUB<br />
I, Nr. 604; MRR II, Nr. 117.<br />
14 StA Trier, Urk. K 12; Abschrift und Regest von G. Kortenkamp;<br />
MRR IV, 2114.<br />
15 MUB II, Nr. 15 des Nachtrags, S. 421; Ferdinand Pauly, Siedlung<br />
und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier, Landkapitel Piesport<br />
u. a., Trier 1961, S. 56-60.<br />
16 A. Lennarz, Die Entstehungszeit des Liber annalium iurium archiepiscopi<br />
et ecclesiae Trevirensis, in: Trier. Archiv 28/29, 1919,<br />
S. 1-58, hier S. 42.<br />
17 MUB II, S. 413.<br />
18 F. Pauly, wie Ziff. 15, Landkapitel Kaimt-Zell, Trier 1957, S. 136.<br />
19 Visitation von 1569; de Lorenzi, Beiträge I, 1887, S. 675-676; MUB<br />
III, Nr. 183 und E. Lichter, Das Urkundenverzeichnis des Domkapitels<br />
zu Trier im 14. Jahrhundert, in: Festschrift für Alois Thomas,<br />
Trier 1967, S. 245-258, hier S. 251.<br />
20 LHAK, Abt. 96, Nr. 2204, fol. 51; Abschrift und Regest von G. Kortenkamp;<br />
MRR IV, Nr. 733. Bei den Mühlen handelt es sich um die<br />
Hasenmühle und die Stadtmühle.<br />
21 LHAK, Best. 96, Nr. 2204, Nr. 63, S. 52; Abschrift und Regest von<br />
G. Kortenkamp; MRR IV, Nr. 2183.<br />
22 LHAK, Best. 96, Nr. 544, Abschrift und Regest von G. Kortenkamp.<br />
23 E. Müller, Himmerod in Wintrich, in: Unsere liebe Frau von Himmerod<br />
39, 1969, S. 24-27; Arch. Himmerod, Copiar Siebenborn 141.<br />
24 LHAK, Best. 96, Nr. 757; Abschr. und Reg. von G. Kortenkamp.<br />
25 Vgl. Verzeichnis der Pfarrer von St. Markus (lückenhaft), in: Festschrift<br />
der Pfarrkirche St. Markus; für 1308: LHAK, Best. 96, Nr.<br />
580.<br />
26 Vat. Archiv, Suppl. V, fol. 94; Abschr. u. Regest von G. Kortenkamp.<br />
27 Vat. Archiv, Reg. 161, fol. 273, Nr. 16 (Cop.); Abschrift u. Regest<br />
von G. Kortenkamp; H. V. Sauerland, Regesten 3, Nr. 220.<br />
28 Vat. Archiv, Reg. Lat. 118, fol. 177; Abschrift u. Reg. von G. Kortenkamp;<br />
H. V. Sauerland, Regesten 7, Nr. 428.<br />
29 Karl Brückmann, <strong>Wittlich</strong> als kurfürstliche Residenz, III. Die Pfarrei,<br />
Zehntverhältnisse (MS), S. 6.<br />
30 K. Brückmann, wie Ziff. 29, S. 6; Müller, Pfarrei, 1982.<br />
31 Brückmann, wie Ziff. 29, S. 7.<br />
32 F. Pauly, wie Ziff. 15, S. 14.<br />
33 F. Pauly, wie Ziff. 15, S. 56, Anmerk. 1.<br />
34 F. Pauly, a.a.O., S. 33.<br />
35 H. Hümmler, Helden und Heilige, Bonn 1938, S. 208; V. Schrauber,<br />
H. M. Schindler, Die Heiligen und Namenspatrone im Jahresverlauf,<br />
München 1985, S. 209.<br />
36 S. Apostelgeschichte (Apg.) 12, 12.<br />
37 Apg. 13, 13.<br />
38 Apg. 15, 36-38.<br />
39 Kol. 4, 10; 1 Petr. 5, 13; Tun. 4, 11.<br />
40 Vgl. Markus 1, 29, 33, 36ff.; 4, 38; 5, 3; 9, 3; 11, 4.<br />
41 H. Hümmler, wie Ziff. 35.<br />
42 F. Pauly, wie Ziff. 15, S. 227, A. 80.<br />
249
Drei Fotografen des Fotoforums <strong>Wittlich</strong> haben<br />
vor dem geplanten Abriss der alten Holzindustrie<br />
in der Kalkturmstraße eine umfangreiche<br />
Foto-Dokumentation erstellt, aus der einige<br />
Abbildungen hier gezeigt werden. Das ehemalige<br />
Sperrholzwerk Kümmel & Co. wurde im Jahre<br />
1913/14 erbaut und in den zwanziger Jahren<br />
von Ernst Braun übernommen. Bis zu 600 Arbeiter<br />
waren Mitte der dreißiger Jahre in der<br />
derzeit größten <strong>Wittlich</strong>er Industrieanlage beschäftigt.<br />
Zu Beginn der sechziger Jahre musste<br />
die Firma schließen. Die riesigen Produktionshallen<br />
dienten seitdem als Lagerraum oder<br />
250<br />
Die ehemalige Holzindustrie in <strong>Wittlich</strong><br />
Paul Valerius<br />
standen leer. Im Laufe der Jahre zeigten sich<br />
deutliche Spuren des Verfalls an den Gebäuden.<br />
Der Stadtrat stimmte daher mehrheitlich<br />
dem Planentwurf zum Bebauungsplan »Holzindustrie«<br />
zu und gab so dem Investor »Eifelhaus«<br />
grünes Licht zum Abriss und zur Errichtung<br />
einer stadtnahen Wohnanlage. Dann wird<br />
lediglich noch die Fabrikanten-Villa an die Zeit<br />
der Holzindustrie erinnern.<br />
Quellen:<br />
TV <strong>Wittlich</strong>,<br />
Heimatbücherei der Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>.<br />
Blick vom Pichterberg auf das <strong>Wittlich</strong>er Holzunternehmen Kümmel & Co. mit Fabrikschornstein<br />
(Foto: Helmut Krütten, Plein)
Haupttor der Holzfabrik Kümmel & Co. in <strong>Wittlich</strong> mit Windenhäuschen (oben und unten links). In ihm<br />
befand sich die Seilwinde (unten rechts), die die Güterwaggons von den an der Fabrik entlanglaufenden<br />
Bahngleisen auf firmeneigene Schienen in die Fabrikationshalle zog. (Fotos: Paul Valerius, Dreis)<br />
251
Blick in die ehemalige Produktionshalle, die zuletzt als Lager genutzt wurde<br />
(Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)<br />
252<br />
Der ehemalige Kesselraum (Foto: Paul Valerius, Dreis)<br />
Die Fabrikhallen (vom Hahnerweg aus gesehen) sind heute<br />
aus dem <strong>Wittlich</strong>er Stadtbild verschwunden.<br />
(Foto: Michael Roth, <strong>Bernkastel</strong>-Kues)
Zur Lage<br />
Örtlich lässt sich die ehemals »Leiderath« genannte<br />
Hofsiedlung in etwa in den Bereich zwischen<br />
Hof Mellich und Bruch, südlich der Verbindungsstraße<br />
zwischen den beiden Orten<br />
einordnen. Der Hof liegt etwa einen Kilometer<br />
südöstlich des heutigen alten Hofguts Mellich,<br />
in der Nähe des sogenannten Ledertbaches.<br />
Am 23. April 1657 wurden die Felder, Wiesen<br />
und Wälder des Leiderather Hofes begangen.<br />
Die Güter lagen auf kurfürstlich trierischem Gebiet<br />
und stießen an das Hofgut Mellich, »dies<br />
teilweise umschließend« sowie an den Arenrather<br />
und Niersbacher Bann, den Niersbach<br />
(heute wird der Bach Dörbach genannt) und<br />
das Hofgut Hassau. 1<br />
Aus der Schulchronik der Gemeinde Bruch ist<br />
über die Lage von Leiderath Folgendes zu entnehmen:<br />
»Eine Flurbezeichnung `Leidert` gibt<br />
es jetzt noch in Bruch. Der so bezeichnete Berg<br />
liegt rechts der Straße nach Arenrath, kurz vor<br />
der Abzweigung nach Niersbach. Näheres über<br />
einen dort gelegenen Hof ist aber nicht zu erfahren.«<br />
Der Chronist geht davon aus, dass<br />
Leiderath eine alte Hofwüstung war.<br />
Auf den heutigen topographischen Karten, die<br />
teilweise auf den Urkatasterkarten basieren,<br />
wird die Siedlung »Unterer Hof Mellich« genannt.<br />
Besitzverhältnisse<br />
Eine alte vergessene Hofsiedlung<br />
im <strong>Wittlich</strong>er Land<br />
Die erste urkundliche Nennung des Hofes<br />
stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.<br />
Leiderath war damals im Besitz des<br />
Erzstifts Trier. Die Grenze zwischen Kurtrier<br />
und dem Herzogtum Luxemburg war identisch<br />
mit der südlichen Hofgrenze. Das Weistum der<br />
Herrschaft Bruch aus dem Jahre 1497 liefert<br />
uns den genauen Grenzverlauf: »Und der Zender<br />
van Hedwiler (Heidweiler) ist vermandt were<br />
wydt und ebne breidt das der vorgen land<br />
Hof Leiderath bei Arenrath<br />
Andreas Wisniewski<br />
hochgerechtigkeit wist.... van der Landt mure<br />
[Die römische Langmauer, wahrscheinlich ein<br />
von einer ca. 72 km langen bis 90 cm starken<br />
Mauer umgebener abgegrenzter Jagdbezirk<br />
beiderseits der Kyll] an biß an den ußeltzbach<br />
byß in die Nersbach die Nersbach zu bis in die<br />
Salm und alle die Salm mitten in bis zu ovedorff<br />
(?)....«<br />
Von Schannat-Bärsch erhalten wir einen<br />
Überblick über die Besitzverhältnisse des Hofs<br />
im 16. Jahrhundert: »Der Hof Leiderath gehörte<br />
dem Erzstifte Trier und wurde den 14. Februar<br />
1571 vom Erzbischof Jakob III. (von Eltz) sowie<br />
am 16. Juni 1590 von dem Erzbischof Johann<br />
VII. (von Schönenberg) einem Thernuß Richter<br />
in Erbpacht vergeben. Letzterer verglich am 8.<br />
Juli 1597 den Hof mit der Gemeinde Arenrath<br />
wegen der Viehdrift. 2<br />
Die Besitzer der Herrschaft Bruch, die den Hof<br />
und Teileinkünfte des Hofes vom Erzstift erhalten<br />
hatten, machten in der Folgezeit mehrmals<br />
von ihrem Recht Gebrauch, den Hof als Lehen<br />
zu vergeben. Im Jahre 1664 nahm Wolf Heinrich<br />
von Metternich, Herr der Herrschaft Bruch,<br />
Carl Dietrich von Manderscheid als seinen<br />
Amtmann zu Bruch an. Als Lohn verschrieb er<br />
ihm den Lämmerzehnten des Hofes Leiderath. 3<br />
Als Wolf Heinrich von Metternich kurz darauf im<br />
Jahre 1699 starb, kam die Herrschaft Bruch<br />
und mit ihr der Hof Leiderath in den Besitz der<br />
Familie von Kesselstatt. Der Kurfürst bestätigte<br />
im Jahre 1700 den Erwerb der Lehen.<br />
Der Besitz der Familie von Kesselstatt wurde<br />
nach dem Einmarsch der Franzosen im Jahre<br />
1794 zunächst von der damaligen Departementsverwaltung<br />
eingezogen. Nachdem die<br />
Rheinlande im Jahre 1815 an Preußen gelangten,<br />
wurden der Familie von Kesselstatt große<br />
Ländereien und Waldungen als Besitz zugewiesen.<br />
Hierzu gehörte auch der Hof Leiderath.<br />
Im Jahre 1834 wurde die Fideikommiss und<br />
253
Majoratsstiftung gegründet, der Graf Edmund<br />
von Kesselstatt 4 365 Morgen Besitz zuwies. 4<br />
Hofwirtschaft und Hofleute<br />
Der Hof hatte eine wechselvolle Geschichte im<br />
16. und 17. Jahrhundert. Wirtschaftlich geriet<br />
er anscheinend in Schwierigkeiten. Im Jahre<br />
1601 wird von der »verfallen Hofstatt« berichtet.<br />
Die Ländereien und die Besitzungen bestanden<br />
jedoch weiter und wurden in der Folgezeit<br />
mehrmals als Tauschobjekte eingesetzt.<br />
Auch Abgaben von den Pächtern der Hofländereien<br />
wurden an die Lehensherren entrichtet.<br />
In einer Brucher Rechnung des Jahres 1697<br />
hieß es »Leyderath von dasigen verfallenen<br />
Hofgütern nytziger Zeit ahn Korn 3 Ächtel, ahn<br />
Hafer 3 Ächtel«. Der Hof war damals schon<br />
über 100 Jahre verfallen. Die Ländereien wurden<br />
jedoch weiterhin als Abgabeneinheit behandelt.<br />
Dieser Zustand sollte auch noch weiter<br />
so bleiben.<br />
Im Jahre 1714 wurde mit dem Hofmann Follmann<br />
vereinbart, dass er den Hof aufbauen<br />
sollte. 5 Ob dies erfolgte, ist zunächst unklar.<br />
Der Hofmann Follmann wurde aber weiterhin<br />
als »Hoffmann auf Leiderath« in den Akten und<br />
Urkunden genannt. Aus einer Urkunde über eine<br />
Wiesenverpachtung aus dem Jahre 1731<br />
entnehmen wir: »Am 7. November 1731 wurden<br />
die Hassauer Wiesen auf 6 Jahre für die<br />
jährliche Pacht von 36 Rtlr. und 12 Pfund<br />
Wachs durch Anna Maria von Berg an .... [es<br />
folgen mehrere Pächter]... an Hans Peter Vollmann<br />
(Leiderath) ...« verpachtet. 6 In der Folgezeit<br />
scheint es mit dem Hof wieder wirtschaftlich<br />
aufwärts gegangen zu sein. Ein Verzeichnis<br />
der Schatzungsgelder und Schirmgulden des<br />
Hofes aus dem Jahre 1744 7 nennt ganz erträgliche<br />
Einnahmen des Hofbesitzers aus den<br />
Pacht- und Schatzungseinnahmen. Der Hof<br />
war in der Zwischenzeit, wie bei der Verpachtung<br />
zu Anfang des 18. Jahrhunderts als Bedingung<br />
festgehalten, wieder aufgebaut worden.<br />
Ein Beleg für die Anwesenheit von Hofleuten<br />
auf Leiderath findet sich im Taufbuch der Pfarrei<br />
Arenrath. Mit Eintrag vom 15. Juni 1758 wird<br />
ein Täufling mit dem Zusatz »ex Leidenrath«<br />
aufgelistet.<br />
Das Recht, seine Schweine und Viehherden in<br />
bestimmten Distrikten weiden zu lassen, war<br />
zur damaligen Zeit äußerst wichtig. Man prakti-<br />
254<br />
zierte noch nicht, wie heutzutage, eine geregelte<br />
Stallhaltung und Weidewirtschaft mit eingezäunten<br />
Wiesen. Die Herde des Hofes oder einer<br />
Siedlung wurde von einem Viehhirten zu<br />
den besten Weidegründen geführt und dort beaufsichtigt.<br />
Kam es hierbei jedoch zu Ungereimtheiten<br />
und Unklarheiten über den Grenzverlauf<br />
zwischen benachbarten Höfen und<br />
Siedlungen, war Streit vorprogrammiert.<br />
Des Öfteren hatten die Hofleute von Leiderath<br />
mit ihren Nachbarn, der Gemeinde Arenrath<br />
und dem Hofgut Mellich, Streitigkeiten um die<br />
Weidegerechtigkeit. Der letzte Vergleich des<br />
Hofgutes Leiderath mit dem Hof Mellich datiert<br />
aus dem Jahre 1807. 8<br />
Die Familie Follmann blieb als Pächter bis zum<br />
Jahre 1843 auf dem Hof, der ab dem Anfang<br />
des 19. Jahrhunderts »Unterer Hof Mellich« genannt<br />
wurde. Die Bezeichnung »Leiderath« verschwand<br />
gänzlich. Lediglich die Flurbezeichnung<br />
»Leidert« hat sich erhalten.<br />
Von 1850 bis 1874 war Jakob Legrand Pächter,<br />
anschließend sein Sohn Adam bis zum Jahre<br />
1887. Ab dem Zeitpunkt war Johann Buchholz<br />
für 13 Jahre, bis 1890, in den Pachtverträgen<br />
eingetragen, von 1890 bis 1902 Johann Freis,<br />
während der letzten Jahre die Witwe Freis. Im<br />
Jahre 1890 erfuhr der Hof als »geringes Gut«<br />
eine Taxierung von 28 656 Mark. Im Jahre 1902<br />
wurde der Pachtvertrag mit Johann Buchholz<br />
erneuert. Der Pachtpreis belief sich damals auf<br />
jährlich 750 Mark.<br />
Die Kesselstättische Majoratsverwaltung gab<br />
einige Jahre später den Hof ganz auf. Franz<br />
Heinen kaufte ihn im Jahre 1914 mit einer<br />
Größe von 40 Morgen Ackerland für 17 100<br />
Mark. Einige Restflächen des Hofes wurden<br />
von Brucher und Arenrather Bauern ersteigert. 9<br />
Anmerkungen:<br />
1 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />
Seite 1091.<br />
2 Eiflia Illustrata Bd. 1 S. 46 und Landeshauptarchiv Koblenz , Bestand<br />
1 A 2606.<br />
3 Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 54 K 5197.<br />
4 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />
Seite 190.<br />
5 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />
Seite 1091.<br />
6 Wisniewski, Andreas; Hesse, Günter: Chronik <strong>Wittlich</strong>-Land 1990,<br />
Seite 1087.<br />
7 DK = Depositien Kesselstatt im Stadtarchiv Trier Nr. 705.<br />
8 DK Nr. 920.<br />
9 Akten und Unterlagen betreffs Hof Leiderath und Hof Mellich Dep.<br />
Kesselstatt im Stadtarchiv Trier.
Wie <strong>Bernkastel</strong>-Kues Fremdenverkehrsund<br />
Weinfestmetropole der<br />
Mittelmosel wurde<br />
Die <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung vom 24. Mai 1888 teilt<br />
unter »Vermischtes« mit: »Wie sehr unser schönes<br />
Moselthal immer mehr und mehr bekannt<br />
und gewürdigt wird, beweist der große Zug von<br />
Touristen, welche während der Feiertage unsere<br />
Stadt besuchten. Aus aller Munde ist aber<br />
auch zu hören‚ hier ist es schön, wirklich<br />
schön, das müssen wir unseren Freunden und<br />
Bekannten sagen, daß dieselben auch einmal<br />
hierhin kommen, um hier die guten Moselweine<br />
zu kosten, die so froh und munter machen, um<br />
sich hier an Gottes schöner Natur zu laben und<br />
diese zu bewundern. Es herrscht, wie uns unsere<br />
Hoteliers und Wirthe erzählen, nur eine<br />
Stimme darüber, daß es wirklich schön hier sei<br />
und wundern sich die Touristen nur darüber,<br />
daß die <strong>Bernkastel</strong>er Geschäftsleute nicht<br />
mehr Kapital aus der schönen Gegend zu<br />
schlagen wissen und nicht alles aufbieten, um<br />
den Touristenbesuch noch zu vergrößern, da<br />
doch jeder mit der größten Befriedigung unsere<br />
Stadt verläßt.«<br />
Es sollte noch eine geraume Zeit dauern, bis<br />
die angesprochenen Geschäftsleute diese<br />
Mahnung verstanden und in die Tat umsetzten.<br />
Nicht nur das naturgegebene reizende Landschaftsbild<br />
zieht Touristen und Fremdengäste<br />
an, sondern auch das innere Aussehen eines<br />
Ortes und die verkehrsmäßige Erschließung<br />
und Infrastruktur spielen eine große Rolle. Der<br />
einzige Verkehrsweg nach <strong>Bernkastel</strong> führte im<br />
19. Jahrhundert noch über die Mosel. 1874<br />
verband die erste Brücke <strong>Bernkastel</strong> mit dem<br />
gegenüberliegenden Ort Cues. 1883 fand die<br />
Stadt Anschluss an das überörtliche Eisenbahnnetz<br />
durch die Strecke Wengerohr-Cues.<br />
Mit der Kleinbahn zwischen Trier und Bullay<br />
wurde in den Jahren 1904 und 1905 ein weiterer<br />
Zugang nach <strong>Bernkastel</strong> geschaffen, das<br />
1905 mit Cues zur Mittelmoselstadt <strong>Bernkastel</strong>-Cues<br />
zusammengelegt wurde. Der ge-<br />
Franz Schmitt<br />
gründete Verschönerungsverein erschloss<br />
dem Publikum die Umgebung. Er schuf bequeme<br />
und sichere Wanderwege und ermöglichte<br />
dadurch herrliche Ausflüge und Gebirgstouren.<br />
Innerhalb der Burg Landshut entstanden Anlagen,<br />
ihre Mauern wurden wieder hergestellt. 1<br />
Am Moselgestade ließ derselbe Verein 1892<br />
eindrucksvolle Uferalleen herstellen. 1908 gaben<br />
Gewerbeverein und Verschönerungsverein<br />
einen praktischen Führer heraus: »<strong>Bernkastel</strong>-<br />
Cues, die Perle der Mosel und seine Umgebung«.<br />
Darin heißt es: »<strong>Bernkastel</strong>-Cues, 4 700<br />
Einwohner, alte Stadt mit sehenswerten Bauten.<br />
Prächtige hochromantische Lage zu beiden<br />
Ufern der Mosel inmitten grüner Weingelände.<br />
Beliebter Ausflugsort für Touristen<br />
und weinfröhliche Sommerfrischler. Ausgangspunkt<br />
einer Reihe herrlicher Ausflüge in das<br />
weingesegnete Moseltal, das Hunsrück- und<br />
Eifelgebiet. Gelegenheit zu Hochwildjagden<br />
und Angelsport«.<br />
Besonders verdient um die Entwicklung <strong>Bernkastel</strong>s<br />
zur Fremdenverkehrsstadt machte sich<br />
Amtsgerichtsrat Dr. Hermann Bresgen. Sein<br />
Buch »Das schöne, lustige <strong>Bernkastel</strong>« vom<br />
Jahre 1891 und andere seiner literarischen Arbeiten<br />
trugen wesentlich dazu bei, dass <strong>Bernkastel</strong><br />
am Ende des 19. Jahrhunderts an der<br />
Spitze der Fremdenverkehrsorte an der Mosel<br />
stand. Mit Oberförster Heinrich Bauer war er<br />
Begründer des Verschönerungsvereins. Bauer<br />
stellte Wegeverbindungen her zum Schlosshotel<br />
(jetzt Jugendherberge), durch den Barbelnberg<br />
zum Goldenen Kreuz, durch den Altenwald,<br />
den Antoniusberg und den Cueser Wald<br />
auf <strong>Bernkastel</strong>er Seite. Er ließ an geeigneten<br />
Stellen Ruhebänke aufstellen und hatte durch<br />
seine Tätigkeit erheblichen Anteil an der Steigerung<br />
des Reiseverkehrs an die Mosel. Unter<br />
den Hoteliers und Gastwirten der Stadt, die<br />
sich eifrig für den Fremdenverkehr und seine<br />
255
Benkasteler Weinfest 1937, Festumzug in nationalsozialistischer Zeit<br />
256
Entwicklung einsetzten, muss pars pro toto Johann<br />
Fritz erwähnt werden. Er war Eigentümer<br />
des Hotels »Römischer Kaiser« und eines<br />
größeren Weingutes. Auch Christian Veltin, Leiter<br />
der Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>, war eifrig<br />
bemüht um die Verschönerung der Doppelstadt.<br />
2 Im Zuge dieser Entwicklung etablierten<br />
sich Gaststätten und Weinstuben in der Stadt:<br />
1896 die Metzgerei und Gastwirtschaft Peter<br />
Huwer (vorher Engel) in der Römerstraße<br />
34/35 3 , 1904 das Schlosshotel über der Burg<br />
Landshut des Franz Josef Blau, 1906 erwarb<br />
Peter Schömann aus Lösnich das Hotel »Römischer<br />
Kaiser« und baute es 1914 um 4 , 1911<br />
Metzgerei und Gastwirtschaft Josef Binz in der<br />
Brückenstraße 5 , 1912 eröffnete Witwe Anton<br />
Lauer im Hotel Landshut einen großen Saal 6 ,<br />
1914 stand der Ratskeller dem Publikum offen,<br />
1929 konnte die Gastwirtschaft in der Burg<br />
Landshut aufgesucht werden 7 . Auch Einrichtungen<br />
für die Weiterentwicklung des Weinbaus<br />
siedelten sich in <strong>Bernkastel</strong>-Cues an:<br />
1911 im Distrikt »Cueser Wasem« die königliche<br />
Rebenveredlungsanstalt 8 , 1925 wurde die<br />
Biologische Reichsanstalt von Trier nach <strong>Bernkastel</strong>-Cues<br />
verlegt 9 . Die im 19. Jahrhundert<br />
wegen Brandgefahr verputzten Häuser wurden<br />
wieder freigelegt und verwandelten <strong>Bernkastel</strong><br />
in ein Schmuckkästchen: 1906 die Anwesen<br />
Klerings in der Römerstraße 48, Gerhard Hansen,<br />
Alte Römerstraße 3, Nikolaus Rau sowie<br />
Peter Stöck, Am Markt 5 und 3. 10 Im gleichen<br />
Jahr wurde der Marktbrunnen von 1606 renoviert,<br />
von dem es heißt, »er sei das schönste<br />
Baudenkmal unserer Stadt, die Zierde des<br />
Marktplatzes und der Anziehungspunkt aller<br />
Besucher« 11 . 1914 erschienen in früherer Fachwerkpracht<br />
das Spitzhäuschen und das Anwesen<br />
des Peter Rapedius in der Römerstraße<br />
51. 12 Die beiden Weltkriege (1914-18 und 1939-<br />
1945) brachten diese Entwicklung zum Erliegen.<br />
Aber zwischen diesen und danach ging<br />
die Freilegung der Häuserfassaden weiter:<br />
1934 das stattliche Haus des Johann Meyer-<br />
Plein am Marktplatz 13 , 1939 das Café Michel in<br />
der Römerstraße 31. 14<br />
Um den Reiseverkehr zu fördern und zu ordnen,<br />
beschloss der Stadtrat am 30. September<br />
1925, ein städtisches Verkehrsbüro einzurichten<br />
15 , das am 1. April 1926 seine Tätigkeit aufnahm.<br />
Stadtbürgermeister Dr. Anton Ley, der<br />
am 1. März 1949 seinen Dienst begann, hatte<br />
fest vor, der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues die Geltung<br />
als Fremdenverkehrsort wiederzugeben, die<br />
sie vor dem Kriege hatte. Er ließ die Kriegsschäden<br />
beseitigen, das Rathaus, soweit es<br />
durch Bomben beschädigt war, wieder aufbauen<br />
und weitere Fachwerkhäuser freilegen: 1950<br />
die Häuser des Uhrmachermeisters Nikolaus<br />
Kronser am Markt 15 und des Johann Nikolaus<br />
Simon am Markt 6 16 , 1951 das Anwesen Josef<br />
Lauer in der Alten Römerstraße 9, die Buchhandlung<br />
Karl Engel, Am Markt 10, das Haus<br />
Piesbach am Markt 9, das Haus des Peter Höfing<br />
am Markt 8, das Haus Peter Rapedius zwischen<br />
Alter Römerstraße und ehemaligem Präsenzgäßchen,<br />
Am Markt 12 sowie das Anwesen<br />
des Peter Pfeiffer in der Römerstraße 16<br />
und das Café Coblenz, Moselstraße 10 und<br />
Kirchhof 3. 17 Es folgten 1954 das Haus des<br />
Theo Pastor am Britannieneck 18 , 1957 das<br />
Haus Wintrath, Am Markt 11 19 , 1958 das Haus<br />
des Johann Burg in der Moselstraße 3 20 und<br />
1962 das Doppelhaus in der Burgstraße<br />
95/96. 21 Diese Renovierungsarbeiten veränderten<br />
das innere Gesicht der Stadt vollkommen<br />
und gaben ihr das spätmittelalterliche Aussehen<br />
zurück. Bisher feierten die <strong>Bernkastel</strong>er am<br />
Sonntag nach dem 29. September ihre Michaelskirmes,<br />
das Fest ihres Kirchen- und Stadtpatrons.<br />
Wie die <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung vom 28.<br />
September 1931 berichtet, »ist die Stadt in den<br />
schönen Herbsttagen auch das Reiseziel vieler<br />
Fremden. Sie empfinden und würdigen die milden,<br />
farbenfrohen Herbsttage an der Mosel als<br />
köstliches Geschenk. Gerade jetzt, wo die<br />
Abende schon etwas länger sind, finden sich in<br />
den behaglichen Weingaststätten frohe weinkundige<br />
Zecher aus dem Rheinland und dem<br />
übrigen Deutschland ein, die nach dem Genuß<br />
der herrlichen Natur bei frischen Walnüssen<br />
gute Moseltropfen schlürfen. Es ist also, wenn<br />
die Trauben und Nüsse reifen, Weinkirmes in<br />
<strong>Bernkastel</strong>. .. Der Not der Zeit folgend hat es<br />
sich die Stadtverwaltung im Einvernehmen mit<br />
dem Gewerbeverein und den interessierten<br />
Kreisen besonders angelegen sein lassen, im<br />
weiten Umkreise auf die diesjährige Weinkirmes<br />
besonders aufmerksam zu machen, um an<br />
diesem Tage einen verstärkten Fremdenstrom<br />
nach <strong>Bernkastel</strong> zu leiten, im Interesse des<br />
Weinkonsums und der Besserung der gewerblichen<br />
Lage, die durch den ungünstigen Ausfall<br />
der diesjährigen Reisesaison besonders gelit-<br />
257
ten hat.« Der Aufruf zum Besuch der <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Weinkirmes hatte sich gelohnt. Denn<br />
das gleiche Blatt gab am 5. Oktober 1931 bekannt,<br />
der gestrige Kirmestag habe die alte<br />
Zugkraft <strong>Bernkastel</strong>s als Wein- und Moselstadt<br />
erneut bestätigt: »Noch nie hat es an der Kirmes«,<br />
so heißt es weiter, »in seinen Mauern einen<br />
solch starken Fremdenbesuch zu verzeichnen<br />
gehabt. Schon am Samstag trafen die Wochenendausflügler<br />
ein. Am Sonntag sah man<br />
von morgens bis abends Hunderte von Autos<br />
parken. Zu beiden Seiten des Gestades und in<br />
der Brückenstraße stand Wagen an Wagen. In<br />
allen Gaststätten herrschte Hochbetrieb;<br />
abends hatte man Mühe, noch ein Plätzchen in<br />
den Tanzlokalen zu finden. Bis spät hielten die<br />
Fremden in weinfroher Stimmung aus. Ein Zeichen,<br />
daß in dieser düsteren Zeit der Wein als<br />
probater Sorgenbrecher die ihm gebührende<br />
Wertung und Anerkennung findet. Bei aller Beteiligung<br />
jedoch war der Zug der Sparsamkeit<br />
festzustellen, da viele Besucher sich auf den<br />
Verzehr der sogenannten ‚Anstandsflasche‘<br />
beschränkten. Alles verlief in schönster Harmonie,<br />
so daß keinerlei Ausartungen zu beklagen<br />
sind. Auf dem Kirmesplatz am Moseltalbahnhof<br />
entwickelte sich in den Nachmittagsstunden<br />
ein außergewöhnlich starker Verkehr. Die Einladung<br />
zur <strong>Bernkastel</strong>er Weinkirmes zeigte auch<br />
hier ihre günstige Auswirkung. Durch die Anwesenheit<br />
von Karussell, Schießbuden,<br />
Glücksrädern und Verkaufsständen war – in einer<br />
im Vergleich zu früheren Jahren beschränkten<br />
Weise – Gelegenheit zur Volksbelustigung<br />
gegeben.«<br />
Das war die Geburtsstunde der <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Weinkirmes. Im Jahr 1932 wurde in <strong>Bernkastel</strong><br />
die zweite Weinkirmes gefeiert. Nach Mitteilung<br />
der <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung vom 17. September<br />
1932 »steht die Zugkraft der <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Weinkirmes als Mittel der Fremdenwerbung<br />
außer Zweifel. Im vorigen Jahr war ihr<br />
ein voller Erfolg beschieden, so daß die weitere<br />
Ausgestaltung derselben allen, denen das wirtschaftliche<br />
Gedeihen unserer Stadt am Herzen<br />
liegt, eine Selbstverständlichkeit sein muß. ...<br />
Der Vorschlag des Fremdenausschusses geht<br />
dahin, die Weinkirmes zu einem moselländischen<br />
Volks- und Trachtenfest auszubauen.<br />
Der erste Schritt in dieser Richtung soll bereits<br />
in diesem Jahre erfolgen.« Der städtische Verkehrsausschuss<br />
teilte der Presse mit, für die<br />
258<br />
Weinkirmes dieses Jahres – verbunden mit<br />
moselländischem Trachtenfest – habe eine<br />
umfassende Werbetätigkeit eingesetzt. Einem<br />
Misserfolg müsse durch starke Beteiligung der<br />
Bevölkerung vorgebeugt werden, denn dieses<br />
Fest, in seiner jährlichen Wiederholung gedacht,<br />
solle für die Zukunft das große Weinfest<br />
der Mosel werden. »Darum richten wir an alle,<br />
die sich unserer schönen Moselheimat und<br />
ihrem Weinbau verbunden fühlen, die Aufforderung,<br />
in ihren Familien für das Trachtenfest<br />
zu werben und darüber hinaus auch den Hausund<br />
Betriebsangehörigen die Beteiligung zu<br />
empfehlen und zu ermöglichen. Die moselländischen<br />
Trachten müssen das ganze Straßenbild,<br />
die Tanzlokale und Gaststätten beherrschen.<br />
Jeder Fremde, der an diesem Tage unsere<br />
alte Stadt betritt, soll den Eindruck empfangen,<br />
daß es sich hier um ein Volksfest ursprünglichster<br />
Art handelt, um ein Stück bodenständiger<br />
Kultur, um ein Bekenntnis der<br />
Heimatliebe, das alle ohne Unterschied des<br />
Standes umschließt.« 22 Am 29. September beschloss<br />
der Verkehrsausschuss u. a. das Programm<br />
der Weinkirmes. Dazu gehörte: ein<br />
Platzkonzert am Kriegerdenkmal (vor dem<br />
Kreishaus) durch die Musikvereinigung Cues<br />
und ein Festzug, an dessen Spitze der Mandolinenclub,<br />
dahinter der Schülerchor, dann die<br />
Kapelle der Musikvereinigung, gefolgt von den<br />
in Tracht teilnehmenden Moselblümchen und<br />
Winzerburschen in Viererreihen über das Gestade<br />
durch die Hebegasse, Graacherstraße<br />
zum Marktplatz um den Marktbrunnen herum<br />
marschierte. Sie klang aus in dem gemeinsamen<br />
Gesang des Moselliedes. 23 Die Idee des<br />
Weinfestes der Mittelmosel mit Umzug war aus<br />
der Taufe gehoben. Am 2. Oktober 1932 wogte<br />
eine festlich bewegte Menge von über 4 000<br />
Menschen unter Fahnen und Flaggen durch die<br />
Straßen. Sie kamen zu Fuß, mit dem Fahrrad<br />
und mit der Bahn aus den Nachbarorten von<br />
Mosel und Hunsrück, mit dem Kraftwagen und<br />
Motorrad von Trier, aus dem Saargebiet, aus<br />
Luxemburg, vom Rhein und selbst aus Holland.<br />
Die Gasthäuser und Hotels waren überfüllt. In<br />
althergebrachter Weise wurde die Kirmes<br />
durch einen feierlichen Gottesdienst in der St.-<br />
Michaels-Kirche eingeleitet. Nachmittags<br />
spendete der Markbrunnen Wein. Die <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Weinkirmes fand in der Bevölkerung<br />
und bei den Kirmesgästen begeisterten Wider-
hall. Die Presse nannte sie »Das Weinfest der<br />
Mosel«. 24 Damit hatte das <strong>Bernkastel</strong>er Weinfest<br />
auch seinen Namen erhalten. Im Folgejahr<br />
wurde das Weinfest der Mosel ebenso festlich<br />
begangen. 25<br />
1934 erschien die Burg Landshut im nächtlichen<br />
Feuerschein, die Uferhäuser leuchteten in<br />
tausend Flämmchen auf, Fackelboote trieben<br />
auf der Mosel, der BdM (Bund deutscher Mädel)<br />
präsentierte einen Feuerreigen, die Kreisfeuerwehrkapelle<br />
gab ein Konzert. Der Festzug<br />
bestand aus 35 Wagen, welche die Weinbergsarbeit<br />
während des Jahres, die Schädlingsbekämpfung,<br />
die Winzernot, die Beziehung von<br />
Winzer und Weinkommissionär, die Schröter,<br />
das Stadtwappen, die Weinlagen von <strong>Bernkastel</strong>-Kues:<br />
<strong>Bernkastel</strong>er Schloßberg, Cueser<br />
Weißenstein, <strong>Bernkastel</strong>er Badstube, <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Held und <strong>Bernkastel</strong>er Rosenberg,<br />
<strong>Bernkastel</strong>er Doktor sowie Cueser Königsstuhl<br />
symbolisierten. 26<br />
Vom Jahre 1935 ab wurde die Weinkirmes als<br />
das Fest der deutschen Traube und des Weines<br />
gefeiert. Im Zuge der Weinpatenschaften<br />
kamen 1936 (vom 26. bis 28. September) Sonderzüge<br />
aus Hannover, Lüneburg, Bad Harzburg<br />
und Witten nach <strong>Bernkastel</strong>-Kues und beteiligten<br />
sich am Festzug. 27<br />
Aus allen Weinbaugebieten der Westmark warben<br />
70 Gruppen mit Wagen und Musikkapellen<br />
für ihre Weine. Abgesandte der zwölf Weinbaukreise<br />
des Westmarkgaues begleiteten ihn.<br />
Denn dieses Fest sollte in jedem der Folgejahre<br />
in einem anderen Kreis stattfinden. 28 20 bis<br />
25 000 Menschen weilten in der Stadt. Der anderthalb<br />
Kilometer lange Zug nahm seinen<br />
Weg durch die Burgstraße, Römerstraße,<br />
Marktplatz, Moselbrücke, Friedrichstraße, Martertal,<br />
Adolf-Hitler-Straße (Goethestraße), Kardinalstraße,<br />
Nikolausufer, Saarallee, wieder<br />
über die Moselbrücke zurück zum <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Gestade und marschierte an den Ehrengästen<br />
im Amt <strong>Bernkastel</strong>-Land vorbei.<br />
Mit einer prächtigen Burgbeleuchtung, Illumination<br />
der Häuser, buntstrahlenden Bootsauffahrt<br />
und Uferbeleuchtung endete das erste<br />
glanzvolle Weinfest der Westmark. 29 Erst nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg konnte die Tradition<br />
fortgeführt werden. Seit 1950 bis heute wird jeweils<br />
am ersten Wochenende des September<br />
das <strong>Bernkastel</strong>-Kueser Weinfest der Mittelmosel<br />
begangen. 30<br />
Festumzug 1950 in <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
Anmerkungen:<br />
1 Vgl. F. Schmitt, <strong>Bernkastel</strong> im Wandel der Zeiten, Trier 1985, S.<br />
421-423.<br />
2 S. ebenda, S. 424/25.<br />
3 <strong>Bernkastel</strong>er Zeitung (BZ) vom 02.04.1896.<br />
4 BZ vom 09.10.1906; Gebäudebeschreibung vom 07.10.1907, R.<br />
Nr. 9 beim Katasteramt <strong>Bernkastel</strong>.<br />
5 Gebäudebeschreibung wie vor, R. Nr. 13.<br />
6 Gebäudebeschreibung wie vor, R. Nr. 6.<br />
7 Gebäudebeschreibung wie vor, R. Nr. 462.<br />
8 BZ vom 26.10.1911.<br />
9 BZ vom 29.12.1925.<br />
10 BZ vom 12.04.1952.<br />
11 BZ vom 02.08.1906.<br />
12 BZ vom 26.05.1914.<br />
13 BZ vom 19.03.1934.<br />
14 BZ vom 21./22.01.1950.<br />
15 BZ vom 30.09.1925.<br />
16 BZ vom 26.08.1950; TV vom 21./22.08.1954.<br />
17 BZ vom 30.05.1951.<br />
18 BZ vom 21./22.08.1954.<br />
19 BZ vom 10.07.1957.<br />
20 BZ vom 04.06.1958.<br />
21 BZ vom 30.03.1962.<br />
22 BZ vom 23.09.1932.<br />
23 BZ vom 30.09.1932.<br />
24 BZ vom 03.10.1932.<br />
25 BZ vom 01.10.1933.<br />
26 BZ vom 03.10.1934.<br />
27 Erwin Schaaf: Weinpatenschaften; in: Jahrbuch 1998 des Kreises<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 154-166, hier S. 161.<br />
28 BZ vom 27.08.1937; E. Schaaf, wie Ziff. 27.<br />
29 BZ vom 27.08., 30.09., 16.10., 18. u. 19.10.1937.<br />
30 F. Schmitt: <strong>Bernkastel</strong> im Wandel der Zeiten; Trier 1985, S. 432;<br />
ders.; Chronik von Cues, <strong>Bernkastel</strong>-Kues 1981, S. 283.<br />
259
Von »Hurerey Sachen«, »Dieberey« und<br />
dem Prozess um einen Mistplatz....<br />
Der Hut, den man am Morgen des 6. März 1726<br />
bei der »kleinen leyen« am Wegesrand zwischen<br />
Wolf und Trarbach fand, erinnerte als<br />
einziger Hinweis an das nächtliche Missgeschick<br />
von Johann Justus Lorenz: Offensichtlich<br />
war der Gerichtsschöffe aus Wolf auf dem<br />
Heimweg in der Dunkelheit volltrunken in die<br />
Hochwasser führende Mosel gefallen – die Leiche<br />
des 40-jährigen entdeckte erst Wochen<br />
später zufällig ein Schiffer an der Untermosel...<br />
Mit diesem unglücklichen Todesfall erreichte<br />
die jahrelange Fehde zwischen dem Wolfer<br />
Schultheißen Johann Max Artopoeus 1 und dem<br />
dortigen Pfarrer Johann Carl Giel 2 einen weiteren,<br />
traurigen Höhepunkt. Schließlich hatte<br />
sich der verunglückte Gerichtsschöffe auf dem<br />
Rückweg von einem Verhör des Hochfürstlichen<br />
Konsistoriums in Trarbach befunden, um<br />
über die jüngste Auseinandersetzung der beiden<br />
Streithähne auszusagen. Der unerquickliche<br />
Zwist unter den beiden kommunalen Würdenträgern<br />
der Moselgemeinde war längst<br />
auch zum Ärgernis der Obrigkeit geworden. Im<br />
Jahre 1722 kam es in dieser Sache sogar zu einer<br />
ordentlichen Verhandlung vor den Räten<br />
des Hochfürstlichen Konsistoriums in Trarbach,<br />
die daraufhin die Wolfer Bürgerschaft offiziell<br />
aufforderten, »sich künfftighin ihren Herrn<br />
Pfarrer friedfertiger zu erweisen« (siehe: »Fehde<br />
zwischen Schultheiß und Pfarrer« im Jahrbuch<br />
1999, S. 167-172). Doch die in diesem Zusammenhang<br />
von den Räten ebenfalls ausgesprochene<br />
Hoffnung, dass damit »ruhe und ein gutes<br />
Vernehmen wieder in eurer gemein hergestellet<br />
werde«, erwies sich durchaus als verfrüht.<br />
Nach zwei Jahren der trügerischen Ruhe war<br />
es eine »Hurerey Sache« – dies die damals übliche<br />
Bezeichnung für jeden außer- oder vorehelichen<br />
Kontakt – über die Pfarrer und Schultheiß<br />
erneut aneinander gerieten: Am 27. No-<br />
260<br />
Aus der Wolfer Ortsgeschichte des 18. Jahrhunderts<br />
Christof Krieger<br />
vember 1724 erschien der Wolfer Bürger Johannes<br />
Arentz im Pfarrhaus mit der Anzeige,<br />
dass dessen noch ledige, 23-jährige Tochter<br />
Maria Margaretha von dem ebenfalls aus Wolf<br />
stammenden Küfergesellen Johann Caspar<br />
Karp geschwängert worden sei. Noch am selben<br />
Abend ließ der Pfarrer den jungen Burschen<br />
samt dessen Vater Max Peter Karp rufen.<br />
Doch zu einem ordentlichen Verhör des<br />
Beschuldigten kam es erst gar nicht. Kaum<br />
hatte Giel den Küfergesellen von dessen »bösen<br />
Ruff mit gedachter Arentzin« unterrichtet,<br />
als dieser mit den Worten »Johannes Arentz<br />
wäre ein unnützer Mann« auch schon wieder<br />
die Türklinke ergriff. Vergebens ermahnte ihn<br />
der Pfarrer zum Bleiben. »[...] der Vatter griff<br />
Ihm beym Arm, Er aber risse sich loß, und gienge<br />
fort, zum Zeügnus, wie ein wildes ungezogenes<br />
gemüth Er Habe«, hielt Giel den ungehörigen<br />
Vorfall sogleich im Zensurprotokoll fest.<br />
Wie man später erfuhr, hatte Johann Caspar<br />
Karp noch am selben Abend sein Bündel geschnürt<br />
und das Dorf verlassen.<br />
Trotz dieses offensichtlichen, indirekten<br />
Schuldeingeständnisses des Küfergesellen begannen<br />
der Pfarrer und die örtlichen Zensoren 3<br />
nun eine umfassende Untersuchung des Falles.<br />
Bereits am folgenden Tag unterzogen sie<br />
die Schwangere einem peinlichen, fast inquisitorischen<br />
Verhör, das von der Frage, »ob gedachter<br />
Karp mehrmahlen in Unzucht Ihr beygewohnet?«,<br />
bis hin zu der genauen Erkundigung,<br />
»wann Hat sich das Geblüt gestellet?«,<br />
reichte.<br />
Eine Woche darauf, am 5. Dezember 1724, an<br />
dem weitere Zeugen verhört werden sollten,<br />
warteten Pfarrer und Zensoren jedoch vergebens<br />
im Pfarrhaus. Nur durch Zufall erfuhr Giel,<br />
dass Schultheiß Artopoeus den selben Fall an<br />
sich gezogen hatte und zeitgleich vor dem örtlichen<br />
Schöffengericht verhandelte. Nachdem
der Pfarrer diesen ungehörigen Eingriff in seine<br />
Amtsbefugnisse selbstredend sofort dem Inspektor<br />
4 (= Superintendenten) anzeigte, erhielt<br />
er von diesem die Anweisung, sich eine Kopie<br />
des Gerichtsprotokolls vom Schultheißen anfertigen<br />
zu lassen und diese dann zusammen<br />
mit seinem eigenen Protokoll dem Trarbacher<br />
Konsistorium zu übersenden.<br />
Nicht ahnend, »daß Gottes gerechter Zeigefinger<br />
zur Entdeckung der boßheit des Schultheisen<br />
Hierinn walten sollte«, machte sich Giel<br />
daran, den Auftrag zu erfüllen. Aber wie es das<br />
Schicksal wollte, fand der Pfarrer bald eine Unstimmigkeit<br />
in beiden Protokollen! Giel, der Artopoeus<br />
bereits zuvor der Urkundenfälschung<br />
überführt zu haben glaubte, witterte hierin bald<br />
eine erneute Schandtat des Schultheißen. Als<br />
nun die Weihnachtsfeiertage des Jahres 1724<br />
näher rückten, ersuchte er den Bürgermeister<br />
deshalb, sich gegenüber der Kirche über diesen<br />
schweren Vorwurf offiziell zu erklären. Eine<br />
Bitte, der Artopoeus – wie leicht zu denken ist –<br />
schwerlich nachkam. In seinem Antwortschreiben<br />
an den Pfarrer stellte er vielmehr klar, »daß<br />
der H[err] Gevatter mir nichts zu befehlen noch<br />
vor zu schreiben in meinem ambt« habe, da er<br />
als Schultheiß »nicht dependiere [= abhängig<br />
sei] von Ihme« und so auch nicht der »sachen<br />
halber bey censur antwort schuldig« sei.<br />
Giel, der in diesem Punkt durchaus anderer<br />
Meinung war, nahm die Weigerung des Schultheißen<br />
kurzerhand zum Anlass, Artopoeus<br />
künftig solange vom heiligen Abendmahl auszuschließen,<br />
bis dieser die geforderte Erklärung<br />
gegeben haben würde. 5 Schließlich<br />
müsse er die Sache mit den unterschiedlichen<br />
Protokollen als nichts anderes »alß eine schwere<br />
und Gott Verhaste Sünde« betrachten, begründete<br />
der Seelsorger seine Entscheidung<br />
und wies im Weiteren darauf hin, dass Artopoeus,<br />
falls er denn »ohne Erkantnus und bekantnus<br />
der Sünden« vor den Tisch des Herrn trete,<br />
»das Gericht [Gottes] über sich nur vergrössern«<br />
würde. Dass er als Pfarrer »bey ausspendung<br />
des H. Abendmals ein Diener abgeben<br />
soll«, um »die Vergrosserung der Gottlichen gerichte<br />
wider die Absicht des H. Abendmahls zu<br />
befördern«, hielte er mit seinem seelsorgerischen<br />
Gewissen schlichtweg für unvereinbar.<br />
Auch ansonsten zeigte sich der Gottesmann<br />
sehr um das Seelenheil des Schultheißen<br />
bemüht. Dass dieser ihm als Hauptgrund für<br />
die Abweisung »einem alten eingesessenen<br />
Groll« unterstellt hatte, verzieh der Pfarrer bereitwillig<br />
in christlicher Großmut und erklärte, er<br />
wolle »doch solches lieber einem übereilenden<br />
Eyffer zu schreiben und es nach der liebe deüten«.<br />
Schließlich würde ja auch Artopoeus eines<br />
Tages erkennen müssen, »daß ein dergleichen<br />
gerechter Eyffer [des Pfarrers], den Er [der<br />
Schultheiß] bißher alß seinen Feind angesehen<br />
[hat], Ihme wahre Freündstücke erwiesen [habe]«.<br />
Von dieser Art des Freundschaftsbeweises<br />
wollte Artopoeus jedoch verständlicherweise<br />
nichts wissen. Dieses Mal war er es, der einen<br />
Beschwerdebrief an den Inspektor nach Trarbach<br />
schrieb. Hierin erklärte er, dass er »sich<br />
keiner beleidigung bewust sey, womit er sich<br />
an demselben [= Pfarrer Giel] vergriffen hette,<br />
und demselben auch die versöhnung, so [=<br />
falls] [et]was wider sein wissen geschehen<br />
wär[e], angeboten habe«. Liernur, der seinem<br />
Amt und seiner Persönlichkeit entsprechend<br />
um Ausgleich und Versöhnung bemüht war,<br />
wies daraufhin Giel an, »wenn demnach keine<br />
weiteren obstacula [= Hindernisse] vorhanden«<br />
seien, den Schultheißen künftig wieder zum<br />
Abendmal zuzulassen. Zähneknirschend, jedoch<br />
nicht ohne die Bitte zu Gott, »Er werde<br />
sein blut auf den fall nicht erfolgender busse<br />
nicht von meinen Händen fordern«, kam Giel<br />
der Anweisung nach – diese Auseinandersetzung<br />
der beiden Streithähne hatte offensichtlich<br />
mit einem Punktsieg des Bürgermeisters<br />
geendet.<br />
Doch schon bald darauf wurde bereits die<br />
nächste Runde der Fehde eingeläutet: Um den<br />
Katalog der in Wolf verübten Laster zu vervollständigen,<br />
war es im Jahre 1726 der Diebstahl,<br />
der den Gemeindehirten ernsthaft um das Seelenheil<br />
der ihm anvertrauten Schäflein bangen<br />
ließ. Pfarrer Giel wäre nicht er selbst gewesen,<br />
wenn er in diesem Zusammenhang nicht bald<br />
auch den Schultheißen als »werckzeüg« des<br />
Teufels entlarvt zu haben glaubte. Tatsächlich<br />
war der Geistliche überzeugt, dass »nicht allein<br />
der Ruff, sondern auch viele Umstände [...] es<br />
deütlich genug gaben, das der Schultheis dieser<br />
Diberey u[e]berzuhelffen suchte.« Und der<br />
wackere Gottesmann war keineswegs gewillt,<br />
»dem Feind, der Unkraut zu s[a]ehen beflissen«,<br />
tatenlos zuzuschauen. »[Ich erachtete] mich<br />
verpflichtet, das zum besten der Kirchen Christi<br />
261
Wolfer Pfarrhaus aus dem 18. Jahrhundert. Es wurde vor ca. 40 Jahren abgerissen.<br />
262
nach aller gelegenheit zu thun was mir möglich«,<br />
begründete Giel später seinen Entschluss,<br />
ausgerechnet im Rahmen eines Gottesdienstes<br />
vor der gesamten versammelten<br />
Gemeinde »wider solche Gottlosigkeit [ebenso]<br />
alß wider den Dibstall zu eyfferen«.<br />
Um, wie er es selbst nannte, »des Feindes [=<br />
Teufels] anschläge zu zernichten und Christi<br />
reich zu pflantzen«, predigte der Wolfer Pfarrer<br />
am 10. Februar 1726 über das Pauluswort »es<br />
gehet ein gemein geschrey, das Hurerey, Dieberey,<br />
und Hegung der Dibe, unter Eüch seye«<br />
– und fügte mit eigenen Worten hinzu: »wollte<br />
Gott, ich ha[e]tte nicht Ursach, mit Paulo [dasselbe]<br />
auch zu sagen!« Würde der unaufhörliche<br />
Diebstahl in Wolf, »wo man nun über dieses<br />
den Dieben unterschleiff gebe«, nicht abgestellt<br />
werden, so stellte der Seelsorger im<br />
Weiteren unmissverständlich klar, »so würde<br />
es eine Diebs Höhle werden und der Bann über<br />
uns seyen«. War bereits mit dieser Feststellung<br />
Giels jedem Gottesdienstbesucher klar, wen<br />
genau unter den Anwesenden der Pfarrer der<br />
»Hegung der Diebe« bezichtigte, so sorgte<br />
dessen abschließende Mahnung, »wie ferne<br />
sich diejenigen durch schweigen versündigen<br />
und theil an der Sünden nehmen könten, welchen<br />
das Gericht anbefohlen [sei]«, schlichtweg<br />
für einen Eklat.<br />
Bereits am folgenden Montag lud der Schultheiß<br />
seine Gerichtsschöffen zur Krisensitzung<br />
ins Rathaus. Sie würden »wegen solches üblen<br />
auffbürden und meynung sich beschweret finden,<br />
so stand es auf einem von ihnen rasch formulierten<br />
Beschwerdeschreiben an den Pfarrer<br />
zu lesen, in dem sie weiterhin berichteten, auch<br />
dem Oberamt in Trarbach ein entsprechendes<br />
Protokoll überschickt zu haben mit der Anklage,<br />
dass Giel »auff der Cantzel die Richter zu<br />
Wolff vor [= als] Vertuscher und Verheler der<br />
Dieb« bezeichnet habe. Mit diesem Zettel<br />
schickten sie ausgerechnet einen Boten ins<br />
Pfarrhaus, der selbst im Ruf stand, wegen gestohlener<br />
Räder vom Schultheißen gedeckt zu<br />
werden. Hatte bereits die ausgesprochene<br />
Drohung mit dem Oberamt den Kampfgeist<br />
des Pfarrers geweckt, so ließ ihn diese Frechheit<br />
geradezu in Rage geraten.<br />
Am 14. Februar ergriff er selbst die Initiative,<br />
um dem Hochfürstlichen Konsistorium ebenso<br />
wie dem Fiskalbeamten Patrick zu berichten,<br />
»wie bund und graus es in unserm Wolff zum<br />
Verderb der Gemeinde, und Kränkung der justitia<br />
hergehe«. »Anerwogen der Schultheis damit<br />
umgehet, dem Pfarrer daß maul zu stopffen,<br />
und die Diebe so frech machet, daß Sie mit<br />
schelmen [= Schimpfworten] in Angesicht des<br />
Pfarrers so um sich werffen, daß nichts mehr<br />
fehlet, alß daß Sie den Pfarrer nicht deütlich einen<br />
Schelmen heissen!« Doch die Aufregung<br />
des Pfarrers erwies sich schon bald als durchaus<br />
verfrüht. Denn in Trarbach zeigte man sich<br />
von einer etwaigen Klageschrift des Schultheißen<br />
völlig ahnungslos, wie Inspektor Liernur<br />
in seinem Antwortschreiben an den Pfarrer bekennen<br />
musste.<br />
Der Grund, warum der Schultheiß offensichtlich<br />
auf seine Klage vor dem Hochfürstlichen<br />
Konsistoriums verzichtet hatte, offenbarte sich<br />
einige Zeit später. Johann Max Artopoeus hatte,<br />
wie er glaubte, schließlich noch ein anderes<br />
Eisen im Feuer, um an Pfarrer Giel für die Bloßstellung<br />
vor der ganzen Gemeinde Vergeltung<br />
zu üben. Ihm war es nämlich gelungen, »die<br />
schwachheit eines sehr wunderlichen Alters«,<br />
bei Giels hochbetagtem Vater, Johann Burkhard<br />
Giel 6 , der über Jahrzehnte hinweg das<br />
Schulmeisteramt in Wolf versah, zu Nutze zu<br />
machen. Der offensichtlich geistig schon etwas<br />
verwirrte Greis ließ sich vor dem Wolfer Schöffengericht<br />
zu einer Klage gegen seinen eigenen<br />
Sohn überreden. Dieser sei, so lautete die Anklage,<br />
mit den bei der Übergabe der Güter zwischen<br />
Vater und Sohn vereinbarten jährlichen<br />
Unterhaltszahlungen säumig geworden. Als<br />
nun der Schulmeister einen »Ehrlichen Mann«<br />
zu dem Pfarrer geschickt habe, um seine Güter<br />
zurückzufordern, habe dieser ihm sein berechtigtes<br />
Begehren »mit kurtzen Worten abgeschlagen«.<br />
Dass das Gericht in diesem Fall die Schuld des<br />
Pfarrers »zu Recht erkant[e]«, mag im Weiteren<br />
kaum verwundern. Der Beklagte wurde von ihnen<br />
kurzerhand dazu verurteilt, »seine Güter so<br />
wohl mütterlicher alß vätterlicher[seits] zu extradieren<br />
[= zurückzugeben]«. Doch als nun der<br />
Gerichtsbote dem Pfarrer das Urteil überbringen<br />
wollte, zerriss Giel kurzerhand das Dokument<br />
in aller Öffentlichkeit und schickte den<br />
Boten mit den Papierfetzen zum Schultheißen<br />
zurück. Da waren nicht wenige im Ort, die das<br />
weitere Schicksal des Geistlichen bereits zu<br />
bedauern begannen, zumal Artopoeus ihnen<br />
glaubhaft versicherte, dass Pfarrer Giel mit<br />
263
dem Zerreißen eines rechtskräftigen Gerichtsurteils<br />
nichts anderes als ein Majestätsverbrechen<br />
begangen habe. Nachdem der Streit des<br />
Pfarrers und Schultheißen auf diese Weise eskaliert<br />
war, wurde ein erneutes Eingreifen der<br />
Obrigkeit in dieser Sache unumgänglich. Der<br />
weiteren Anklage des Seelsorgers, der sich unter<br />
anderem bei Inspektor Liernur über diese,<br />
so wörtlich, »abgeschmackt[e] und unbefugte<br />
Klage« und »Geschmiers« beschwerte und im<br />
Weiteren forderte, dass sein »Ampt von ferneren<br />
solchen tollkühnen Anschlägen mehr gesichert<br />
werden« möge, hätte es da gar nicht<br />
mehr bedurft.<br />
Für den 5. März 1726 war der Wolfer Schultheiß<br />
mitsamt seinen Gerichtsschöffen Johann Justus<br />
Lorenz, Justus Weyrich, Johann Kaspar<br />
Comes und Ruprecht Homburger von den Räten<br />
des Hochfürstlichen Konsistoriums zum<br />
Verhör nach Trarbach bestellt worden. Nachdem<br />
ihnen dort vorgehalten wurde, dass sie als<br />
»incompetente Richter« zu dem Gerichtsverfahren<br />
gegenüber dem Pfarrer gar nicht befugt<br />
gewesen seien und das hierüber geführte Protokoll<br />
und Urteil von ihnen offiziell ausgestrichen<br />
werden sollte, musste Artopoeus auch eine<br />
weitere Niederlage einstecken. Da er vor der<br />
Obrigkeit nicht hatte beweisen können, dass<br />
Pfarrer Giel auf der Kanzel tatsächlich »die<br />
Richter in Wolff [als] Hehler und vertuscher der<br />
diebe außgescholten«, wurde ihm zu seinem<br />
besonderen Verdruss darüber hinaus befohlen,<br />
sich für diese Behauptung schriftlich bei Pfarrer<br />
Giel zu entschuldigen.<br />
Der Schultheiß und seine Schöffen hatten,<br />
nachdem das offizielle Verhör noch vor 11 Uhr<br />
vormittags beendet war, offensichtlich allen<br />
Grund, ihren Ärger im Alkohol zu ertränken.<br />
Noch in Trarbach kehrten sie so zum gemeinschaftlichen<br />
Frühschoppen ins Wirtshaus<br />
»dem wilden Mann« ein, wo sie mit Ausnahme<br />
von Ruprecht Homburger, der gegen zwei Uhr<br />
nachmittags nach Wolf zurückkehrte, den<br />
ganzen Tag über sitzen blieben. Als sie sich zu<br />
später Stunde dann endlich doch noch auf den<br />
Heimweg machten, waren die beiden Schöffen<br />
Johann Justus Lorenz und Johann Kaspar Comes<br />
so betrunken, dass sie schon vor der Tür<br />
des Gasthauses stolperten und zu Boden fielen.<br />
Einige Trarbacher Bürger, die dieses gesehen<br />
hatten, boten daraufhin an, die beiden<br />
nach Wolf zurückzubringen. Doch während<br />
264<br />
sich Comes stützen ließ, wollte sich Lorenz<br />
nicht halten lassen. Er machte sich schwankenden<br />
Schrittes in der Dunkelheit allein auf<br />
den vier Kilometer langen Weg, auf dem der<br />
Schultheiß ein Stück vor ihm und der Schöffe<br />
Justus Weyrich ein wenig dahinter gingen.<br />
Angekommen in Wolf ist Johann Justus Lorenz<br />
jedoch nie! Sein am nächsten Morgen am Wegesrand<br />
gefundener Hut legte die Vermutung<br />
nahe, dass der Schöffe offensichtlich in die<br />
Hochwasser führende Mosel gefallen und ertrunken<br />
war. Hierfür sprach schließlich auch<br />
die Tatsache, »daß Er [= Lorenz] wenige Wochen<br />
zuvor, von Trarbach gehend, gleichfalls<br />
trunckener Weise ins Wasser, welches groß<br />
war, gefallen und in Gefahr gewesen [ist],schon<br />
damals zu ersauffen, wo [= wenn] nicht Johann<br />
Görg Moltz in beystand eines Fremden Ihn damals<br />
gerettet Hätten, denen Er aber anfangs<br />
statt des Dankes unnütze Wort gegeben«, wie<br />
Pfarrer Giel im Sterberegister des Wolfer Kirchenbuches<br />
vermerkte.<br />
Dieser bedauerliche Unglücksfall ließ die beiden<br />
Streithähne jedoch ebenso wenig zur Besinnung<br />
kommen, ihre jahrelange, unerquickliche<br />
Fehde endlich zu beenden, wie die gegenüber<br />
Giel ausgesprochene ernste Mahnung<br />
des Konsistoriums, dass nach Abschluss des<br />
jüngsten »streitthändels« nun endlich der »weg<br />
zur vereinigung zwischen Euch und H[er]rn<br />
Schultheißen gebahnet« werde. Ganz im Gegenteil:<br />
Als wenige Monate darauf Niklas Michels<br />
als Hausnachbar von Giels hochbetagtem<br />
Vater dem bald 80-jährigen Schulmeister<br />
erklärte, dass »im alten [Gerichts-]Protokoll<br />
sich etwas finde, daß der Mistenplatz«, den dieser<br />
bislang benutzt habe, in Wirklichkeit »Ihme<br />
gehöre«, war der Pfarrer sofort von neuem<br />
überzeugt, dass auch in dieser Sache »des<br />
Schultheisen Arglistigkeit unter der Decken läge«.<br />
Ein Verdacht, der sich kurze Zeit darauf durchaus<br />
bestätigte. Denn als sich Michels am 17.<br />
August 1726 tatsächlich »erkühnte«, Mist von<br />
dem eigenen Mistplatz auf den des Schulmeisters<br />
zu ziehen, gab dessen Frau sogar offen<br />
zu, »h[err] Schultheiß habe sie geheissen, den<br />
Mist auf den Platz zu ziehen«. Daraufhin beauftragte<br />
der Pfarrer kurzerhand seine Magd, den<br />
fremden Mist einfach auf die Straße zu werfen,<br />
wo dieser dann vorerst liegen blieb. Schließlich<br />
habe Michels »doch endlich sich des Mists wie-
der an- und selbigen zu sich genommen«, notierte<br />
Giel später mit Befriedigung.<br />
Aber erledigt, wie der Pfarrer glauben mochte,<br />
war dieser Streit damit noch keineswegs: Die<br />
Auseinandersetzung um den Mistplatz wurde<br />
nun Gegenstand eines ordentlichen Gerichtsverfahrens.<br />
Und da sich Giel weigerte, vor dem<br />
örtlichen Schöffengericht auch nur zu erscheinen,<br />
wurde der Prozess sofort an das Oberamt<br />
überwiesen. Niemand anderer als der sponheimische<br />
Oberamtmann Ernst von Koppenstein<br />
unterzeichnete schließlich höchstpersönlich<br />
das Urteil über den strittigen Mistplatz – der,<br />
zum Ärger Giels, dann tatsächlich dem Nachbarn<br />
zugesprochen wurde.<br />
Mochte diese für Pfarrer Giel sicherlich etwas<br />
peinliche »Niederlage« die Ursache gewesen<br />
sein oder, was durchaus wahrscheinlicher sein<br />
dürfte, die Kriegsereignisse, die bald darauf<br />
unsere Heimatregion heimsuchten – jedenfalls<br />
endete die jahrelange Fehde der beiden kommunalen<br />
Würdenträger von Wolf den vorhandenen<br />
Dokumenten nach mit dieser Auseinandersetzung.<br />
1733 übernahm Johann Carl Giel<br />
das Pfarramt in Traben. Darüber, ob und wie er<br />
Eigenhändige Skizze des strittigen<br />
Mistplatzes in Wolf von Pfarrer Giel.<br />
Legende:<br />
A. Der Weg<br />
B. Peter Mäürers Maur am Hauß<br />
C. Der Hofgang zum Haus<br />
D. Das Oderloch<br />
E. Der Mistenplatz quaestionis<br />
F. Der Anstossende<br />
Peter Grossen Platz<br />
G. Peter Grossen Hauß<br />
H. Ein Platz zum verkauften<br />
Hauß gehörig<br />
a. das scheüren Thor<br />
b. die Haußthür<br />
c. die Kellerthür<br />
sich mit dem dortigen Schultheißen vertragen<br />
hat, ist jedoch bislang nichts bekannt...<br />
Anmerkungen:<br />
1 Die genauen Lebensdaten von Johann Max Artopoeus konnten<br />
bislang noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Sicher ist jedoch,<br />
dass er nicht in Wolf geboren wurde.<br />
2 Johann Carl Giel: * 11.08. 1681 in Wolf, 1708 bis 1718 Pfarrer in Alterkülz,<br />
1734 bis 1743 in Traben, † 1743 in Traben.<br />
3 Anstelle des heutigen Presbyteriums besaßen die evangelischen<br />
Kirchengemeinden im 18. Jahrhundert eine Art Kirchengericht, die<br />
»Zensur«, der die Ahndung insbesondere von Sittlichkeitsdelikten<br />
unterlag.<br />
4 Inspektor war damals Christoph Adolph Liernur: * 27.04. 1680 in<br />
Winningen, † 22.11.1748 in Zweibrücken.<br />
5 Der Ausschluss vom Abendmahl galt als eine der schwereren Strafen<br />
des Kirchengerichtes.<br />
6 Johann Burkhard Giel: * 02.05. 1647 in Kleinich, Sohn des dortigen<br />
Schulmeisters Johann Peter Giel. Johann Burkhard Giel trat 1678<br />
die Schulmeisterstelle in Wolf an, † 1737 in Wolf.<br />
Quellen:<br />
Archivstelle Boppard der Evangelischen Kirche im Rheinland:<br />
Best. 119 Nr. 1, 2 (Kirchenbücher)<br />
Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Traben-Trarbach/Wolf:<br />
Best. A Nr. 1.2, 1.3 (Zensurprotokolle)<br />
Best. 160 (kirchliche Sitte und Ordnung)<br />
Best. 195 (Verfassungen und Verordnungen)<br />
Best. 207a (Beleidigungsklagen)<br />
Dem Archivbetreuer der ev. Kirchengemeinde Traben-Trarbach/Wolf,<br />
Uwe Hauth, gilt für die freundliche Unterstützung besonderer Dank.<br />
265
Oberhalb von Traben-Trarbach auf der Starkenburger<br />
Höhe, befinden sich am Rande eines<br />
Ackers zwei mächtige alte Steine, ein<br />
schwarzer liegender Schieferstein in Spindelform<br />
und ein weißer stehender Quarzstein. Sie<br />
bewachen seit Menschengedenken eine keltische<br />
Grabstätte. Man nennt sie »Kampsteine«.<br />
Bereits in den frühen romantischen Moselbeschreibungen<br />
nahm die Starkenburger Höhe<br />
wegen dieser Steine als Schauplatz eines dramatischen<br />
Geschehens Raum ein. Der »große<br />
Schwarze« soll einst von dem »strahlend<br />
Weißen« in einem Schwertkampf besiegt worden<br />
sein, darum seine liegende Stellung.<br />
Vor einigen Jahren konnte ich einen Naturfreund<br />
dazu bewegen, einmal die der Straßenseite<br />
abgekehrte, völlig zugewachsene Seite<br />
des liegenden schwarzen Kampsteines mit einer<br />
starken Motorsäge von Gesträuch und<br />
Laubgewächsen zu befreien und zu säubern.<br />
Für das schöne Foto von »vorn«, von Ernst Havenstein,<br />
war die Arbeit von über einer Stunde<br />
mit der »Wingertsscheer« nötig. Groß war meine<br />
Freude, als ich die bisher im feuchten Schatten<br />
wuchernden Flechten abziehen konnte.<br />
Nach der Bearbeitung mit einer Drahtbürste<br />
kam ein ca. 40 bis 60 cm langer und bis 20 cm<br />
breiter goldgelber Einschluss zum Vorschein.<br />
Nach 1918 wurde wahrscheinlich mit Schwarzpulver<br />
ein Sprengversuch unternommen, um<br />
266<br />
Der Kampstein auf der<br />
Starkenburger Höhe<br />
Helmut Wendhut<br />
aus den Schieferstücken einen Hühnerstall zu<br />
bauen. Die Maße des Steines betragen in der<br />
Höhe 3,80 m (liegend), in der Breite 1,00 m und<br />
im Durchmesser 0,80 m. Die nach Süden gerichtete<br />
Spitze ist gebrochen, das verdickte<br />
Ende (wahrscheinlich die ehemalige Standfläche)<br />
zeigt nach Norden.<br />
Einst dürfte dieser Kampstein der im Nordosten<br />
aufgehenden Sonne als Morgengruß gedient<br />
haben.<br />
Als nach der Flurbereinigung um 1970 zum ersten<br />
Mal die Wiese zwischen Straße und dem<br />
liegenden Stein umgepflügt wurde, kam um die<br />
Hügelmitte im Abstand zwischen 20 bis 30 Meter<br />
eine kreisförmige braune Bodenverfärbung,<br />
vermutlich eine einstige Palisadenabgrenzung,<br />
zum Vorschein. Im Hochsommer bei fast untergegangener<br />
Sonne ist der Hügel in der Ansicht<br />
von Nord-Ost nach West-Nord für ein geübtes<br />
Auge noch gut zu erkennen.<br />
Eines Tages brachte ein Urlauber mit einem<br />
Fußtritt aus einem dicken Erdklumpen, der aus<br />
den Hinterrädern eines landwirtschaftlichen<br />
Großfahrzeuges gefallen war, einen verzierten<br />
Kinderbronzearmreif ans Licht. Eine Begutachtung<br />
durch das Rheinische Landesmuseum<br />
Trier erbrachte das Ergebnis, dass dieser um<br />
400 bis 600 vor Christus gefertigt worden war.<br />
Er stammt vermutlich aus der Grabstätte bei<br />
den zwei keltischen Kampsteinen.<br />
Der schwarze Kampstein auf der Starkenburger Höhe bewacht eine keltische Grabstätte
Ein alter Streitfall um die Glocken der<br />
Trabener Simultankirche<br />
Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde<br />
Traben-Trarbach-Wolf aufgefunden<br />
Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde<br />
Traben-Trarbach-Wolf findet sich eine alte Beschreibung<br />
des Ortes Traben aus dem Jahre<br />
1826, die ein Trabener mit Namen Georg Knod<br />
im Jahre 1826 einem Freund auf dessen Bitte<br />
anfertigte. Darin schildert er unter anderem die<br />
Kirche in anschaulichen Worten und einen gar<br />
absonderlichen Streit zwischen den Trabener<br />
Katholiken und Evangelischen um die Glocken<br />
des gemeinsam genutzten Gotteshauses. Der<br />
Text wird in der originalen Schreibweise des<br />
Jahres 1826 im Folgenden wiedergegeben:<br />
Die Kirche, ein altes dunkles in gotischer Manier<br />
erbautes, von dem Kirchhofe umgebenes<br />
Gebäude, befindet sich mit dem daran gebauten<br />
Spitzturm, worin drei Glocken hangen, und<br />
eine Kirchenuhr ausgestellt ist, an der nordöstlichen<br />
Seite des Ortes, zählt 12 Fenster, vier<br />
Thüren, hat im Inneren eine steinerne gewölbte<br />
Decke, eine Emporkirche, eine Kanzel, einen<br />
kleinen Hochaltar, eine Orgel, welche 12 Register,<br />
ein Manual, ein Pedal und zwey Bälge hat,<br />
und die von den beyden hiesigen evangelischen<br />
Schullehrern bey dem öffentlichen Gottesdienst<br />
gespielt wird. Sie ist für die volle Anzahl<br />
der hiesigen evangelischen Christen nicht<br />
geräumig genug und gleicht eher etwas anderem<br />
als einem Tempel des Herren. Sie diente<br />
früherhin, und zwar von der Zeit an, als die<br />
durch Doctor Martin Luther bewirkte Reformation<br />
auch hier, als einem zu der Grafschaft<br />
Sponheim gehörigen Orte unter dem Pfalzgrafen<br />
Friedrich dem Zweiten im Jahre 1557 weiten<br />
Fuß gewonnen hatte, und der damalige katholische<br />
Geistliche Namens Christoph Kreich<br />
mit seiner ganzen Pfarrgemeinde zu den<br />
Grundsätzen der verbesserten evangelischen<br />
Kirche übergetreten war, bis zur Erbauung der<br />
Festung Montroyal, nur den hiesigen evangelischen<br />
Christen zur Ausübung ihres Gottesdienstes,<br />
weil keine Katholiken damals mehr<br />
Uwe Hauth<br />
vorhanden waren. Der mit vieler Grausamkeiten<br />
geführte dreißigjährige Krieg, welcher vieles<br />
Elend über Traben und die Umgebung gebracht,<br />
und der darauf erfolgte, von Ludwig<br />
dem XIV im Jahre 1681 aus Eroberungssucht<br />
angefangene sogenannte französische Reunionskrieg<br />
waren dem evangelischen Kirchenwesen<br />
hier sehr nachteilig, denn während desselben<br />
wurden die hiesigen Evangelischen in<br />
ihren kirchlichen Rechten mehr als auf eine Art<br />
offenbar gekränkt und geschmälert, indem die<br />
französischen Prister, welche mit den französischen<br />
Herren aus Frankreich hierher gekommen<br />
waren, es ohne alle Befugniß wagten, blos<br />
auf die Stütze und Beyhülfe ihrer Eroberer<br />
rechnend, den katholischen Gottesdienst in<br />
der hiesigen evangelischen Kirche wieder einführen,<br />
den steinernen Altar der Evangelischen<br />
wegzunehmen und in einen sogenannten<br />
Hochaltar zum ausschließlichen Gebrauche der<br />
Katholiken zu verwandeln, so daß sich seitdem<br />
bis jetzt die hiesigen Evangelischen bey der<br />
Taufe, dem Abendmahl, der Confirmation usw.<br />
eines tragbaren hölzernen Tisches bedienen<br />
müßen.<br />
Der zu Ryswijk im Jahre 1697 geschlossene<br />
Friede endigte zwar den Reunionskrieg, was<br />
aber in kirchlicher Hinsicht den Katholiken<br />
während desselben mit Gewalt verschafft worden<br />
war, nämlich die öffentliche Religionsausübung<br />
in der hiesigen Kirche usw. nun da ihnen<br />
durch Ludwig des XIV Religionseifer und Übermuth<br />
in gedachtem Friedensschlusse auch für<br />
die Zukunft geliefert, so daß sie seitdem ihren<br />
Gottesdienst so wie die Evangelischen in der<br />
hiesigen Kirche ausüben dürfen, ohne irgend<br />
etwas zur Unterhaltung derselben betragen zu<br />
müssen. Am schmerzlichsten für die Evangelischen<br />
ist es, daß sie des feststehenden Altares,<br />
eines wesentlichen Stückes einer evangelischen<br />
Kirche bisher entbehren und die Unter-<br />
267
Bauzeichnung vom 29. April 1890<br />
268
haltungskosten derselben aus geringen Mitteln<br />
bis jetzt allein (daher sie sich in einem ziemlich<br />
schlechten Zustand befindet) tragen mußten!<br />
Der Gottesdienst derselben wird von zwei Predigern<br />
von welchen der erste seit 25 Jahren,<br />
und der zweite seit zwei Jahren im Segen dahier<br />
gewirkt hat, abwechselnd versehen. Nur<br />
beklagen die Evangelischen sehr, daß sie, statt<br />
wie früher, das Zeichen zur kirchlichen Versammlung<br />
mit allen Glocken, seit beinahe sieben<br />
Jahren, nur mit zweien, nämlich der zweiten<br />
und dritten Glocke erhalten. Die Ursache<br />
davon ist folgende: Im Jahre 1818 ließ der Vorstand<br />
dahier mit Einwilligung der hiesigen Einwohner,<br />
aus dreyen ziemlich kleinen Glocken,<br />
welche den hiesigen Evangelischen eigenthümlich<br />
gehörten, und wovon die Katholiken<br />
nur den beschränkten Mitgebrauch hatten,<br />
zwei gießen. Weil aber die Absicht des hiesigen<br />
Vorstandes war, sie um ein Beträchtliches<br />
größer als die vorige gießen zu lassen, und deshalb<br />
noch Glockenstoff gekauft werden mußte,<br />
so beschloß derselben mit Einwilligung der<br />
Bürger dahier, das damals von der Behörde für<br />
Verpflegung des Militairs zurück erhaltene Geld<br />
dazu anzuwenden. Alle evangelischen Einwohner<br />
waren damit sehr zufrieden, nur die katholischen<br />
nicht, und forderten und erhielten ihren<br />
gebührenden, verlangten Antheil von den Verpflegungsgeldern.<br />
Die Evangelischen ließen<br />
darauf die Glocken ganz auf ihre eigenen Kosten<br />
gießen. Nachdem sie fertig und auf dem<br />
Thurme aufgehängt waren, läuteten die Evangelischen<br />
wie früher gewohnt mit denselben.<br />
Die Katholiken verlangten dasselbe thun zu<br />
dürfen, es wurde ihnen aber von den Evangelischen<br />
aus triftigen Gründen, nur das Läuten mit<br />
der zweiten und dritten Glocke gestattet.<br />
Die Katholiken damit nicht zufrieden, versuchten<br />
einigemale in den Glockenturm einzubrechen<br />
um sich gewaltthätiger Weise den Gebrauch<br />
aller Glocken zu verschaffen, weil ihnen<br />
aber die Evangelischen von ihrer Seite pflichtgedrungen<br />
durch alle sich ihnen darbietende,<br />
erlaubten Mittel dagegen Wiederstand zu leisten<br />
dachten: so fragten sogar die Katholiken<br />
bei der Obrigkeit um die Erlaubnis an, ob sie<br />
sich nicht mit Gewalt in den Besitz der Glocken<br />
setzen dürften! Was ihnen aber von denselben<br />
gänzlich untersagt wurde. Die Evangelischen,<br />
immer gewohnt sich schonend, nachsichtig<br />
und liebevoll gegen die Katholiken zu bezeigen<br />
und lieber etwas von ihren Rechten fahren zu<br />
laßen, als Zwist und Unruhe zu stiften, erklärten<br />
ihnen freiwillig in Gegenwart des Herrn Landrath<br />
zu Zell, im Beisein der evangelischen und<br />
katholischen Geistlichen so wie des evangelischen<br />
und katholischen Presbyteriums daß,<br />
wenn sie ihren kleinen Altar aus der Kirche<br />
wegräumen, und den Raum desselben den<br />
Evangelischen zu ihrer Benutzung geben wollten,<br />
die ihnen den Mitgebrauch aller Glocken<br />
gestatten wollten. Damit sehr zufrieden, wurde<br />
von dem Herrn Landrath Moritz und dem Cantonspfarrer<br />
Herr Schunk in Zell, den beiden in<br />
den Sachen ernannten Commisarien, sogleich<br />
diese Übereinkunft beider Religionsparteien zu<br />
Papier gebracht und von beiden Theilen unterschrieben.<br />
Es dauerte aber nur einige Tage, so<br />
hoben die Katholiken diese, förmliche Übereinkunft<br />
einseitig auf, und verlangten von der Regierung,<br />
daß sie die Evangelischen mit Gewalt<br />
anhalten sollte, ihnen den Mitgebrauch der<br />
größten umgegossenen Glocke, ohne Rücksicht<br />
auf die von ihnen mit den Evangelischen<br />
getroffene Übereinkunft, zu gestatten, da aber<br />
dieselbe solches zu bewirken nicht im Stande<br />
war: so baten sie dieselbe um Ermächtigung,<br />
ihre Ansprüche auf besagte Glocke vor den Gerichten<br />
geltend zu machen. Sie erhielten die<br />
selbe im Jahre 1822 und seit dieser Zeit ist die<br />
Sache bei den Gerichten anhängig und in diesem<br />
Augenblick noch nicht entschieden. Zum<br />
Beweis der großen Friedensliebe der Evangelischen<br />
haben sie, während die schon vor die Justizbehörden<br />
gebracht wurden war, um die<br />
Quelle des Streites auf immer zu verstopfen,<br />
den Katholiken, für die Verzichtsleistung auf alle<br />
Ansprüche an die Kirche die Summa von 1800<br />
Thalers Preußisch cur: zu zahlen sich erboten,<br />
allein sie sind damit nicht zufrieden, sondern<br />
fordern 2500 Thaler und 18 Ruthen Land. Simultankirchen<br />
zwischen Protestanten und Katholiken<br />
waren, sind und bleiben eine unversiegbare<br />
Quelle unseliger Streitigkeiten. So<br />
lehrt die Geschichte derselben in aller Zeit.<br />
Pfarrer Bessel konnte durch einen Vertrag mit<br />
der katholischen Kirchengemeinde vom 8. Juni<br />
1889 das Simultaneum auflösen. Die katholische<br />
Kirchengemeinde durfte noch bis zum<br />
Bau einer eigenen Kirche in Traben die Glocken<br />
weiterläuten.<br />
Quellenangabe:<br />
Abt. Traben 4.5. Nr. 21<br />
269
Die lange Zeit der Fähre, eine der ältesten Verkehrseinrichtungen,<br />
ging auf weiten Strecken<br />
des Mosellaufs mit dem Brückenbau und der<br />
Schiffbarmachung des Flusses zu Ende. Am<br />
26. Mai 1964 wurde bei einem glanzvollen<br />
Festakt in Trier der Verkehr auf der neuen Moselwasserstraße<br />
durch die Staatsoberhäupter<br />
von Deutschland, Frankreich und Luxemburg<br />
eröffnet. Durch Stauregelung – 14 Staustufen<br />
zwischen Koblenz und Thionville (Diedenhofen)<br />
– ist der Fluss für 1500-t-Schiffe und Schubverbände<br />
von 172 m Länge und 11,40 m Breite<br />
mit einem Tiefgang von 2,50 m ausgebaut worden.<br />
Durchgehender Schiffsverkehr bei Tag<br />
und Nacht machte die behäbigen Pontenfähren<br />
nun für ihre Aufgabe untauglich. Ihre Antriebskraft,<br />
die natürliche Strömung, wurde<br />
durch den Stau der Mosel so vermindert, dass<br />
sie nicht mehr verkehren konnten. Die Gierfähren<br />
waren nicht mehr beweglich genug, um<br />
der Großschifffahrt hinreichend schnell aus<br />
dem Wege zu gehen. Fährponten, bislang ans<br />
Seil gebunden, mussten motorisiert werden,<br />
um bei Überfahrt notfalls ausweichen und beschleunigen<br />
zu können. Die Mosel verlor ein<br />
idyllisches Bild; die einst ruhig über den Fluss<br />
treibende Ponte gehört der Vergangenheit an.<br />
Wenige Fährtürme und Fährhäuschen erinnern<br />
noch an den einstigen Fährbetrieb und stehen<br />
als Merkzeichen an den Ufern.<br />
Von der Fähre zur Brücke<br />
Die Überquerung von fließenden Gewässern<br />
mittels Fähren ist so alt wie die Herstellung<br />
tragfähiger Übersetzgeräte. Die Fähre war das<br />
einfachste Mittel zur Beförderung von Personen<br />
und Waren von Ufer zu Ufer. Brücken, die<br />
aufwendig und teuer zu bauen waren, konnten<br />
nur an den wichtigsten Übergängen geschaffen<br />
und unterhalten werden. Je weniger<br />
Brückenbauten es gab, umso dringlicher wurden<br />
Fähren und Ponten für den allgemeinen<br />
270<br />
Von Fähren und Brücken an der Mosel<br />
Blick in die Geschichte der Moselfähren von<br />
Trittenheim bis Reil<br />
Heinz H. Grundhöfer<br />
Verkehr. Sie hatten aber den Nachteil, dass sie<br />
nicht ganzjährig genutzt werden konnten, dann<br />
nämlich, wenn Eistreiben und Hochwasser es<br />
verhinderten. Bis weit in die zweite Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts gab es nur zwei steinerne<br />
Brücken über die Mosel, die Römerbrücke in<br />
Trier und die Balduinbrücke in Koblenz. 1<br />
Da Weinberge und Äcker der vorwiegend<br />
Weinbau treibenden Moselorte häufig auf der<br />
gegenüberliegenden Flussseite liegen, waren<br />
die Bewohner von alters her auf die Benutzung<br />
von Fährnachen und Ponten angewiesen. Fast<br />
jedes Moseldorf hatte seine Fähre; sie wurde<br />
Fahr, Fähre oder Pont genannt. Zuerst wurden<br />
die im Zuge regional bedeutender Straßen<br />
stark frequentierten Moselfähren durch<br />
Brücken ersetzt. <strong>Bernkastel</strong> und Kues wurden<br />
schon 1874 durch eine Straßenbrücke miteinander<br />
verbunden. 2 Traben-Trarbach feierte<br />
1899 Brückenweihe. 3 1909 erhielt der Moselü-<br />
Alter Fährturm an der Brücke Trittenheim, 1996
ergang bei Trittenheim eine feste Brücke. 4<br />
1913 folgten Piesport und – verhältnismäßig<br />
spät – 1929 Zeltingen-Rachtig. 5 Die Winzerorte<br />
Wehlen (1915) 6 und Niederemmel-Müstert<br />
(1922) erleichterten sich den Weg zu den ganz<br />
oder überwiegend auf der anderen Moselseite<br />
gelegenen Weinbergen durch kommunale<br />
Brücken. Von Wehlen heißt es: »Sie konnten es<br />
sich leisten, sich eine Brücke zu bauen, die<br />
Wehlener, die einzige zwischen <strong>Bernkastel</strong> und<br />
Trarbach.« Die Brücke Niederemmel-Müstert 7<br />
dient, wie man sagt, nur dem Wein und ist aus<br />
»Wein erbaut«. Schließlich verschafften sich<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg die Moselorte Reil<br />
1953, Wolf 1963, Kinheim 1966, Erden-Lösnich<br />
1968, Mülheim-Lieser 1968, Minheim 1979 und<br />
Neumagen-Dhron 1964 anstelle der Fähren eine<br />
Brücke, eine feste hochwasserunabhängige<br />
Verbindung ans jenseitige Ufer.<br />
Altes Sprachgut<br />
Spätestens seit dem 13. Jahrhundert sind<br />
Fährstellen an der Mosel aktenkundig. Im älteren<br />
lateinischen Urkundenbestand erscheint<br />
die Fähre als Flussübergang: transitus (fluminis)<br />
oder passagium (Überfahrt). Moselfränkisch<br />
heißt die Fähre Fohr bzw. Fear, in der Schriftform<br />
Fahr. 8 In Urkunden und Ratsprotokollen<br />
des 18. Jahrhunderts erscheint sie 1744 in Kues<br />
als gemeine Fahr (Gemeindefähre) 9 , 1710 in<br />
<strong>Bernkastel</strong> als städtische Fahr oder Stadtpont.<br />
10 Bemerkenswert ist, dass der so unentbehrliche,<br />
an festem Landungsplatz angesiedelte<br />
Fährbetrieb sich auch in den Flurnamen<br />
niedergeschlagen hat. Der Flurname Fahr für<br />
das jeweilige Areal an der Überfahrtstelle ist<br />
nicht selten an der Mosel überliefert. Häufig<br />
lautet die Flurbezeichnung auf´m Fahr (Rachtig),<br />
unter´m Fahrborn (Minheim), hinter‘m Fahrhaus<br />
(Trittenheim), unter´m Fahrfels (Brauneberg).<br />
11 Auch die Ponte, die breite, rechteckig<br />
gebaute Fähre für Fuhrwerke und größere<br />
Personengruppen (Wagenfähre), wurde namensgebend<br />
für Flure, so in Dhron: Ackerland<br />
in der Punt, in Graach: Weingart in der Pondt. 12<br />
Das Wort Ponte 13 kommt vom lateinischen ponto<br />
(Transportschiff), ponton französisch<br />
(Brückenschiff, flacher offener Kahn), niederdeutsch<br />
punte. Von einer »fliegenden Schiffsbrücke«<br />
(städtische Ponte) ist im <strong>Bernkastel</strong>er<br />
Schöffenbuch von 1526 die Rede. Der Fährmann<br />
begegnet uns an der Mosel als<br />
Ferge/Ferger 14 , mundartlich Ferja, in <strong>Bernkastel</strong><br />
1712 Föhriger, in Kues 1744 Faerger/Färger 15 ,<br />
mittelhochdeutsch verje, verige. Ortsüblich<br />
wurde der Fährmann, heute würde man sagen<br />
der Fährbetreiber, mit dem Vorwort Fehr/Ferja<br />
gerufen: Fehrjupp, Ferjakloas. 16<br />
Der Fährmann war eine wichtige Persönlichkeit,<br />
von deren Einsatz Handel und Wandel in<br />
einem Moseldorf abhing. Er musste ja stets<br />
und ständig bereit sein, Menschen und Menschenschicksale<br />
herüber und hinüber zu geleiten.<br />
Das Reglement über die Fähranstalten für<br />
den Regierungsbezirk Trier von 1851 17 schreibt<br />
ausdrücklich vor: »Das Übersetzen muß zu jeder<br />
Tages- und Nachtzeit, wie auch bei gutem<br />
als üblem Wetter ohne Zeitverlust geschehen.«<br />
Ausgenommen blieben natürlich Fahrten mit<br />
augenscheinlicher Lebensgefahr. »Hol über!«,<br />
war gemeinhin der Ruf nach dem Fährmann an<br />
der Mosel.<br />
Fährenrecht<br />
Schon in alten Zeiten nahmen die Landesherren<br />
das Hoheitsrecht für sich in Anspruch, über<br />
die Einrichtung des Fährverkehrs zu bestimmen.<br />
Da die Fähre jedermann zu dienen hatte,<br />
sollte es dem Fährmann als dem alleinigen<br />
Nutznießer eines Flussübergangs verwehrt<br />
sein, über Gebühr daran zu verdienen. Um die<br />
Frage zum Nutzen der Allgemeinheit zu regeln,<br />
wurde schon unter den fränkischen Königen<br />
das Recht, Fähren zu halten, den Regalien des<br />
Königs, später des Staates, zugezählt (Fährregal).<br />
18 Die Ausübung des königlichen Regals<br />
wurde weitervergeben durch Lehen/Erblehen<br />
oder Privilegien. So kam die Fährgerechtigkeit<br />
an die verschiedenen Grundherren. Sie hatten<br />
die Fähre zu stellen, den Fährmann in Dienst zu<br />
nehmen und die Aufsicht zu führen. Über<br />
Fährenrecht und -pflichten in alter Zeit unterrichten<br />
örtliche Weistümer, später Moselfährverordnungen.<br />
Einige Weistümer berichten uns<br />
über die Größe der Fähren. Eine solche musste<br />
»sechzehn Schuhe lang und acht Schuhe weit<br />
sein, dass man mit einem Wagen aus- und einfahren<br />
mag«. Außerdem musste auf jeder<br />
Flussseite ein Brückenkopf sein, »daß die Leute<br />
keinen Schaden bekommen«. 19 Die Fährgerechtsame<br />
blieben in der Regel bis zum Ende<br />
der Feudalzeit unverändert.<br />
Durch Gesetz vom 6. Frimaire des Jahres VII<br />
(26. November 1798) wurden sämtliche Fähren<br />
271
Die Fähre von Zeltingen im Jahre 1900. Sie war die einzige Verbindung zu den auf der linken Moselseite<br />
liegenden Weinbergen.<br />
für staatlich erklärt. 20 Nach 1815 übernahm<br />
Preußen an der Mosel die ehemaligen Regalien<br />
gemäß dem späteren Wasserstraßen-Staatsvertrag<br />
vom 29. Juli 1921 21 , der die Fähren an<br />
natürlichen Wasserstraßen sowie das Fährregal<br />
von dem Übergang auf das Deutsche Reich<br />
ausschloss. Seit 1947 übt das Land Rheinland-<br />
Pfalz die Fährrechte aus und lässt den Fährbetrieb<br />
durch die Behörden der Wasser- und<br />
Schifffahrtsverwaltung überwachen. So geschah<br />
dies bei allen Fähren, mit Ausnahme der<br />
von Brauneberg und Rachtig. 22 Hier waren die<br />
beiden Gemeinden von alters her Besitzer der<br />
Privatfährgerechtsame und konnten selbst<br />
über die Nutzung des Fährrechts bestimmen.<br />
Der staatlichen Aufsicht unterlagen aber auch<br />
sie; denn Fähren und Fährleute auf der Bundeswasserstraße<br />
Mosel unterstanden in schifffahrtspolizeilicher<br />
Hinsicht ausnahmslos der<br />
Verordnungsbefugnis des Bundes. Das Fährrecht<br />
– Fährregal, Fährgerechtigkeit, Fährgerechtsame<br />
– wurde für Rheinland-Pfalz durch<br />
das Landeswassergesetz (LWG) vom 1. August<br />
1960 geregelt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1969<br />
sind schließlich die staatlichen Fährrechte am<br />
gesamten Mosellauf zur finanziellen Entlastung<br />
der Fährbetriebe aufgehoben worden. 23 Die mit<br />
den Fährbetriebsinhabern abgeschlossenen<br />
Pachtverträge über das Fährrecht wurden mit<br />
272<br />
gleichem Zeitpunkt gegenstandslos. Eine<br />
Pachtzahlung an das Land entfiel hiermit.<br />
Betrieb der Fähren<br />
Mittelalterliche Fähren wurden hauptsächlich<br />
durch Menschenkraft betrieben. Von alters her<br />
bediente man sich dazu der Ruderfähren. Zur<br />
Erleichterung der Ruderarbeit setzte man gelegentlich<br />
neben der Muskelkraft auch noch Segel<br />
ein. Seit dem 17. Jahrhundert sind die von<br />
der Wasserkraft betriebenen Gierfähren oder<br />
Gierponten wohl die meistbenutzten an der<br />
Mosel. Ihre Einrichtung lässt sich u. a. zwischen<br />
<strong>Bernkastel</strong> und Kues nachweisen.<br />
Eine Gierfähre pendelt hier zwischen beiden<br />
Ufern an einem in der Flussmitte verankerten<br />
Tiefseil, das von Buchtnachen getragen wird. In<br />
alten Stichen und Bildern finden wir häufig in<br />
romantischem Stil Moselfähren dieser Konstruktion<br />
und Betriebsart abgebildet. Gierponten<br />
gab es zumeist an einem quer über den<br />
Fluss gespannten Seil, also nicht als Pendel mit<br />
einem Fixpunkt am Seilende. Die grundsätzliche<br />
Technik ist dabei nicht verändert worden.<br />
An einem Führungsseil, das entweder als<br />
Hochseil von Fährturm zu Fährturm (oder Fährmast)<br />
straff über den Fluss gespannt oder als<br />
Tiefseil im Fluss befestigt war, wurde die Fähre<br />
leicht schräg gegen die Stromrichtung gestellt,
Pendelfähre auf der Mosel zwischen <strong>Bernkastel</strong><br />
und Kues, Kartenausschnitt, altkolorierte Zeichnung<br />
von J. P. Dilbecker 1774; LHAK Best. 702,<br />
Nr. 323.<br />
sodass sie durch die Strömung seitwärts zum<br />
anderen Ufer gedrückt wurde, während sie,<br />
durch ein Laufrollseil festgehalten, nicht flussabwärts<br />
treiben konnte. Ähnlich gierten auch<br />
größere Personennachen zum jenseitigen Ufer<br />
und nutzten so geschickt die Wasserkraft aus,<br />
wie z. B. die Nachenfähren in Kröv und Ürzig. In<br />
Trittenheim erinnern noch heute die beiden<br />
Fährtürme am Flussufer unterhalb der Brücke<br />
an die alte Hochseilfähre. Nach dem ersten<br />
Giernachenfähre Ürzig<br />
Brückenbau im Jahre 1909 wurde die gemeindeeigene<br />
Pontenfähre eingestellt.<br />
Die Ponte, ein breites, flaches Fährschiff, wurde<br />
in preußischer Zeit oft als Prahm (kastenartiges<br />
Transportschiff) bezeichnet. Auch die Begriffe<br />
Übersetzgerät und Fahrgefäß 24 tauchten<br />
im Amtsdeutsch auf. Durch das günstige Verhältnis<br />
von Breite und Tiefe war die Ponte ein<br />
sehr belastbares Fahrzeug. Aus Sicherheitsgründen<br />
führte sie einen Handkahn als Beiboot<br />
im Schlepp mit. Zur Moselfähre gehörte aber<br />
auch das Fährhaus, das ufernahe Wohnhaus<br />
des Fährmanns, oder ein kleines Wachthaus.<br />
»Oberhalb dem Dorf [Wintrich] steht ein Fahrhaus,<br />
worin ein zwischen Wintrich und Minheim<br />
gemeinschaftlicher Färger wohnet« 25 , so lesen<br />
wir in der kurfürstlichen Amtsbeschreibung<br />
<strong>Wittlich</strong> von 1784. Gegenüber Rachtig, bei Altmachern,<br />
steht noch an der Uferstraße das<br />
ehemalige Fährhäuschen unter dem Schutz<br />
des hl. Nikolaus (Fährpatrozinium). 26<br />
Fährenbestand 1893 und 1914<br />
Ende des 19. Jahrhunderts verkehrten auf der<br />
Mosel von Koblenz bis Trier nach einem Verzeichnis<br />
im »Führer auf den Deutschen Schifffahrtsstraßen«<br />
27 von 1893 insgesamt 61 Personen-<br />
und Wagenfähren. Neben dem Bestandsregister<br />
der alten Moselfähren wurde die jeweilige<br />
Betriebsart mit angeführt. Im Bereich des<br />
heutigen <strong>Landkreis</strong>es <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> fuhren<br />
1893 die Moselfähren: Reil (Gierponte mit<br />
hohem Querseil), Burg (Nachenfähre), Enkirch<br />
(Gierponte mit hohem Querseil), Trarbach<br />
(Gierbrückenfähre mit Buchtnachen), Wolf<br />
(Pontenfähre), Kinheim, Erden, Rachtig, Zeltingen<br />
und Wehlen (alle desgl.), Graach (Nachenfähre),<br />
Kues (desgl.), Lieser (Ponten- und Nachenfähre),<br />
Dusemond, seit 1925 Brauneberg<br />
genannt (Pontenfähre), Kesten (desgl.), Geierslay-Wintrich<br />
(Nachenfähre), Reinsport (Pontenfähre),<br />
Müstert, Piesport, Neumagen und Trittenheim<br />
(alle desgl.). Am 13. Dezember 1899<br />
wurde zwischen Trarbach und Traben der<br />
Fährbetrieb mit der fliegenden Brücke eingestellt,<br />
weil eine feste Brücke von nun an die beiden<br />
Orte miteinander verband.<br />
Im Jahre 1914 wurden zusätzlich die weiteren<br />
Fähren verzeichnet 28 : Litzig (Nachenfähre),<br />
Kröv (desgl.), Lösnich (Pontenfähre), Ürzig<br />
(Nachenfähre), Minheim (Pontenfähre).<br />
Die große Bedeutung der Fähren für die Mosel-<br />
273
Die eiserne Fährponte Enkirch-Kövenig bei einer Überfahrt um 1938.<br />
orte geht mittelbar aus den obigen Aufstellungen<br />
hervor. Der Weinbau ist und war stets die<br />
Lebensgrundlage der Moselanrainer. Manche<br />
Fähre diente ausschließlich oder überwiegend<br />
dem landwirtschaftlichen Verkehr zur Bewirtschaftung<br />
der gegenüberliegenden Weinberge.<br />
Das gilt besonders für die gemeindeeigenen<br />
Fähren bei Erden, Rachtig, Brauneberg und<br />
Niederemmel.<br />
Bei Kriegsende 1945 waren sämtliche Eisenbahn-<br />
und Straßenbrücken über die Mosel –<br />
mit Ausnahme der Römerbrücke in Trier und<br />
der Balduinbrücke in Koblenz – zerstört. Die<br />
Fähren hatten wieder erhöhte Bedeutung erlangt,<br />
war man doch an der gesamten Mittelmosel<br />
auf das Übersetzen mit Fähren angewiesen.<br />
Auch die Städte Traben-Trarbach und<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues, durch die Brückenzerstörung<br />
vom jeweiligen Stadtteil am jenseitigen Ufer<br />
abgeschnitten, richteten mit behelfsmäßigen<br />
Mitteln wieder einen Personenfährbetrieb ein.<br />
Ende Mai 1945 wurde in <strong>Bernkastel</strong>-Kues eine<br />
Fährverbindung mit dem aus St. Marien (Trier)<br />
angelandeten Fährnachen »Jupp Seiler« geschaffen.<br />
29 An einem Leitdraht gierte bis September<br />
1947 der Personennachen unterhalb<br />
der kriegszerstörten Brücke über die Mosel.<br />
Fährmann war der <strong>Bernkastel</strong>er Heinrich Ham-<br />
274<br />
mes. Die nach dem Ausbau der Mosel zur<br />
Großschifffahrtsstraße geänderten Wasserverhältnisse<br />
machten eine Umstellung der vorhandenen<br />
Gierfähren auf Motorfähren erforderlich.<br />
Durch den Aufstau des Flusses und die Ausbaggerung<br />
der Fahrrinne wurde der Abflussquerschnitt<br />
beträchtlich vergrößert, wodurch<br />
eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit der<br />
Mosel und dadurch eine Verminderung der<br />
Gierwirkung an den Fähren eintrat. Um den<br />
Fährverkehr zu erhalten, mussten deshalb die<br />
Fähren motorisiert werden. Das bedeutete<br />
natürlich eine große Umstellung für das Fährpersonal.<br />
Die Anhebung des Wasserspiegels<br />
machte zudem eine Anpassung der bestehenden<br />
Fährrampen (Fährköpfe) 30 an den Stauspiegel<br />
der ausgebauten Mosel erforderlich.<br />
Die durch die Umstellung entstandenen Kosten<br />
trug die Ausbauunternehmerin der Mosel, die<br />
Internationale Moselgesellschaft m.b.H., durch<br />
die Zahlung von Entschädigungsbeiträgen. Der<br />
Neubau von Brücken machte an einigen Stellen<br />
die Fähren überflüssig. Hier zahlte die Ausbauunternehmerin<br />
Ablösebeiträge zu den<br />
Brückenbauten, so u. a. zum Brückenneubau<br />
in Wolf, Kinheim, Erden-Lösnich, Neumagen<br />
und Lieser-Mülheim.<br />
Mit der Stilllegung der Moseltalbahn bzw. des
Die Ponte von Traben-Trarbach um 1895<br />
Schienenverkehrs auf der Teilstrecke Trarbach-<strong>Bernkastel</strong><br />
(31. Dezember 1962) kam<br />
auch das Ende der Kröver Fahr. Mit der am<br />
Hochseil geführten Nachenfähre hatten die<br />
Leute nicht nur übergesetzt, um zu den jenseitigen<br />
Weinbergen, sondern auch zum Kröver<br />
Bahnhof der Moseltalbahn zu gelangen. Fährpächter<br />
Edmund Römer und Sohn Helmut waren<br />
die letzten Fährmänner. Die Gemeindefähre<br />
Wolf (Gierponte) stellte am 19. Oktober 1962<br />
den Fährbetrieb ein. Die feierliche Einweihung<br />
der Moselbrücke Wolf erfolgte am 1. Juni<br />
1963. 31 Gleichzeitig mit der Brückenweihe war<br />
die offizielle Verkehrsfreigabe verbunden. Der<br />
Ruf »Hol über« zum Fährmann Franz Sausen in<br />
Kinheim-Kindel hallte am 21. Mai 1966 letztmals<br />
über die Mosel, am Tag der Brückenweihe<br />
in Kinheim. 32 Die gemeindeeigene Pontenfähre<br />
Lösnich wurde schon zum 31. Dezember<br />
1966 außer Betrieb genommen. Das Fährpersonal<br />
waren damals Alfred Coen und Erwin<br />
Roth. Die Pontenfähre der Gemeinde Erden<br />
stellte am 15. Mai 1967 den Betrieb ein. Die<br />
letzten Fährleute waren Walter Melcher und<br />
Egon Schwab. Die Verkehrsübergabe der neuen<br />
Brücke Erden-Lösnich erfolgte am 16. März<br />
1968. 33 Die Giernachenfähre (für 40 Personen)<br />
der Gemeinde Ürzig unter Fährmann Johann<br />
Friedrich aus Wehlen wurde Anfang 1964 für<br />
immer stillgelegt. 34 Die Neumagener Ponten-<br />
fähre stellte mit der Verkehrsfreigabe der Moselbrücke<br />
Neumagen-Dhron Ende Juni 1964<br />
den Fährbetrieb ein. Letzter Fährmann auf der<br />
gemeindeeigenen Gierponte NOVIOMAGIUS<br />
war Peter Basten aus Neumagen. 35<br />
Fähren 1964 nach dem Moselausbau 36<br />
Enkirch-Kövenig (Motor-Fährnachen), Traben-<br />
Trarbach (Fährnachen, privat, für 18 Personen),<br />
Kinheim-Kindel (Ponte am Hochseil), Lösnich<br />
(desgl.), Erden (desgl.), Ürzig (Nachenfähre am<br />
Hochseil), Rachtig (Ponte am Hochseil), <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
(Rudernachen für zwölf Personen),<br />
Lieser-Mülheim (Ponte am Hochseil), Brauneberg,<br />
Kesten, Minheim und Neumagen (alle<br />
desgl.)<br />
Nach dem Bau der Straßenbrücke Lieser-Mülheim,<br />
Inbetriebnahme 28. August 1968, wurde<br />
der Fährbetrieb am 9. April 1968 eingestellt.<br />
Letzter Fährmann der Motor-Wagenfähre war<br />
Karl König aus Lieser. 37 Die motorisierte Pontenfähre<br />
St. Nikolaus in Kesten (Matthias<br />
Becker) wurde zum 31. März 1969 stillgelegt.<br />
Fähren 1969 38 :<br />
Enkirch-Kövenig (Motor-Fährnachen für 26<br />
Personen), Traben-Trarbach (Motor-Fährnachen,<br />
privat, 18 Personen), Rachtig (ab 1967<br />
Personen-Motorfähre, 22 Personen), <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
(Rudernachen, 12 Personen), Brauneberg<br />
(Motorponte am Hochseil), Kesten (Motorponte<br />
am Hochseil), Minheim (Motorponte<br />
freifahrend).<br />
Am 21. September 1979, dem Tag der festlichen<br />
Brückenweihe in Minheim, kam die Fähre<br />
»St. Nikolaus« der Gemeinde Minheim außer<br />
Betrieb. Letzter Fährmann auf der freifahrenden<br />
Fährponte war Johann Sausen, sein Fährgehilfe<br />
Josef Göbel. 39 Der städtische Fährnachen<br />
am Kueser Hafen wurde 1982 stillgelegt. 40<br />
Fährmann war Franz Port aus Kues. Für die<br />
Motor-Fährponte Brauneberg kam am 31. Dezember<br />
1970 das Ende; letzter Fährmann war<br />
hier Bernhard Reuter. 41 Die Hochseil-Pontenfähre<br />
der Gemeinde Rachtig wurde Ende 1967,<br />
der motorisierte Personennachen St. Maria im<br />
Jahre 1971 außer Betrieb genommen. Letzter<br />
Rachtiger Fährmann war Heinrich Gessinger.<br />
Fähren 1999:<br />
Nach Angaben im Schifffahrtskalender Weska<br />
’99 sind auf der gesamten Mosel bis zur Bun-<br />
275
Ab Mai 1945 wurde der Personenfährbetrieb mit dem Fährnachen »Jupp Seiler« zwischen <strong>Bernkastel</strong><br />
und Kues eingerichtet.<br />
desgrenze zu Frankreich, Moselkilometer<br />
242,21, nur noch die folgenden Fähren in Betrieb:<br />
Koblenz Deutsches Eck (Personenfähre),<br />
Lay (Wagenfähre), Klotten (Wagenfähre), Cochem-Cond<br />
(Personenfähre), Beilstein-Ellenz<br />
(Wagenfähre), Bullay (Personenfähre), Briedel<br />
(Wagenfähre), Pünderich (Wagenfähre), Enkirch-Kövenig<br />
(Personenfähre), Oberbillig-<br />
Wasserbillig (Wagenfähre). Die motorisierte<br />
Nachenfähre zwischen Enkirch und Kövenig –<br />
sie verkehrt nur im Sommer – ist noch die einzige<br />
Fähre, die im <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
betrieben wird. 42<br />
An der Mittelmosel, flussaufwärts Enkirch, gibt<br />
es keine Fähre mehr. Dafür überspannen in<br />
dem Moselabschnitt Reil-Trittenheim heute 14<br />
moderne Straßenbrücken den Moselfluss; so in<br />
Reil, Traben-Trarbach, Wolf, Kinheim, Erden-<br />
Lösnich, Zeltingen-Rachtig, Wehlen, <strong>Bernkastel</strong>-Kues,<br />
Lieser-Mülheim, Minheim, Niederemmel-Müstert,<br />
Piesport, Neumagen-Dhron und<br />
Trittenheim. 43<br />
276<br />
Versteigerung der Fährbohlen und Laufplanken<br />
der alten Fährponte Lösnich am 12. August 1967<br />
am Moselufer.
Anmerkungen:<br />
1 Johann B. Keune: Moselverkehr in alter und neuer Zeit, Trier 1925,<br />
Anhang, S. 50 f. Schon in römischer Zeit war die Mosel nachweislich<br />
in Koblenz, Trier und Metz überbrückt.<br />
2 Heinz H. Grundhöfer: Die Moselbrücke <strong>Bernkastel</strong>-Kues – Historisches<br />
vom Brückenbau; in: Festschrift Moselbrücke <strong>Bernkastel</strong>-<br />
Kues, hrsg. von der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1995.<br />
3 Willi Westermann: Die Ankerfehde von Traben-Trarbach; in: Jahrbuch<br />
Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1983, S. 345 f. - Am Morgen des 13.<br />
März 1945 wurde die alte Moselbrücke Traben-Trarbach (Baujahr<br />
1899) durch Sprengung von deutschen Truppen zerstört.<br />
4 Der erste feste Moselübergang bei Trittenheim wurde in den Jahren<br />
1907-1909 durch den Bau einer Betonbogenbrücke hergestellt.<br />
Bis zur Fertigstellung der Brücke musste der Verkehr über<br />
den Fluss durch eine Pontenfähre bewältigt werden. Überörtliche<br />
Bedeutung erhielt die Brücke in den Jahren 1930-1933 nach dem<br />
Ausbau der Mittelmoselstraße (B 53) von Schweich nach Trittenheim.<br />
Die Brücke war der einzige feste Moselübergang zwischen<br />
Schweich und <strong>Bernkastel</strong>. Gegen Kriegsende, Anfang 1945, wurde<br />
die Brücke gesprengt.<br />
5 Erst 1927 kam es zum Bau einer Brücke bei Zeltingen-Rachtig. Am<br />
19.09.1929 wurde das Brückenbauwerk, eine Beton-Bogenbrücke,<br />
für den Verkehr freigegeben. Bis dahin hatten die beiden<br />
Ortsteile Zeltingen und Rachtig eine eigene Gierfähre betrieben.<br />
6 In den Jahren 1913-1915 erfolgte der Bau der ersten massiven<br />
Brücke in Wehlen. Durch ein Missgeschick und einer Reihe ungünstig<br />
zusammenwirkender Umstände stürzte die Betonbogenbrücke<br />
am 15.01.1920 bei einem starken Hochwasser ein und wurde<br />
total zerstört. Untersuchungen ergaben, dass die nicht auf den<br />
Fels gegründeten Pfeiler unterspült wurden und den Einsturz herbeiführten.<br />
Zum Übersetzen richtete die Gemeinde Wehlen wieder<br />
eine Wagenfähre ein. Der zweite Wehlener Brückenbau erfolgte in<br />
den Jahren 1925/26. Diese Brücke wurde gegen Kriegsende am<br />
12. März 1945 beim Rückzug von deutschen Truppen gesprengt.<br />
Zum Übersetzen wurde ein Personenfährbetrieb eingerichtet. Am<br />
17. September 1949 erfolgte die Freigabe der dritten Brücke (Hängebrücke)<br />
für den Verkehr.<br />
7 Der gesamte Weinbergsbesitz des Winzerdorfes Niederemmel, rd.<br />
55 ha, lag auf der linken Moselseite. Vor dem Brückenbau hatte die<br />
Gemeinde zum Übersetzen eine Wagenfähre. Infolge der ungünstigen<br />
Wasserverhältnisse (geringe Strömung) konnte der Fährbetrieb<br />
als Wagenfähre nicht immer genutzt werden. 1921 erteilte die<br />
Gemeinde Niederemmel den Auftrag zum Bau einer massiven<br />
Brücke. Ende 1922 war das Bauwerk fertiggestellt und konnte dem<br />
Verkehr übergeben werden. Am 12. März 1945 wurde das<br />
Brückenbauwerk (Bogenbrücke) durch Sprengung von deutschen<br />
Truppen zerstört. 1945 Einrichtung eines Personenfährbetriebes<br />
und ab 1947 einer Wagenfähre. 1949/50 erfolgte der Wiederaufbau<br />
der Moselbrücke Niederemmel-Müstert, eine Blechträgerbrücke<br />
mit aufgelegter Stahlbetonfahrbahn.<br />
8 Josef Müller (Hrsg.): Rheinisches Wörterbuch, 9 Bde., Bonn 1929-<br />
1971, hier Bd. 2, Sp. 251.<br />
9 Franz Schmitt: Die Cueser Gemeindeordnung vom 19. Mai 1744;<br />
in: Chronik von Cues, hrsg. von der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1981,<br />
S. 197, Nr. 41 f.<br />
10 Valentin Palm: Das <strong>Bernkastel</strong>er Schöffenbuch von 1526, hrsg. von<br />
der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1962, S. 73, Nr. 28.<br />
11 Flurbezeichnungen in Katasterplänen der Mosel.<br />
12 Werner Schuhn: Fähren im Trierischen; in: Kurtrierisches Jahrbuch<br />
1985, S. 260.<br />
13 Wolfgang Jungandreas: Historisches Lexikon der Siedlungs- und<br />
Flurnamen des Mosellandes, Trier 1963, S. 823 f.<br />
14 Siehe Rheinisches Wörterbuch (wie Anm. 8) zu Ferger: Bd. 2, Sp.<br />
386. Der Ausdruck verge wird schon im Nibelungenlied für den<br />
Fährmann an der Donau verwandt.<br />
15 Schmitt (wie Anm. 9), S. 197.<br />
16 Eigene Kenntnis.<br />
17 Reglement über die Fähranstalten im Amtsblatt des Reg. Bez.<br />
Trier vom 24. September 1851, § 7.<br />
18 Josef Mergen: Die Fähren hatten eigene Rechte; in: Beilage »Mosella«<br />
im TV vom 18./19. November 1961.<br />
19 Jakob Grimm: Weisthümer Bd. 1-6, Göttingen 1840-1869, hier Bd.<br />
2, S. 82.<br />
20 Schuhn (wie Anm. 12), S. 265.<br />
21 Gesetz über den Staatsvertrag betr. den Übergang der Wasserstraßen<br />
von den Ländern auf das Reich vom 29. Juli 1921; RGBl.<br />
Nr. 80 vom 3. August 1921.<br />
22 Heinrich Rüffler: Fähren auf der Mosel; in HKB 1959, S. 93.<br />
23 Aufhebung der staatlichen Fährrechte an der Mosel durch Anordnung<br />
des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 27. Januar<br />
1969; in: Staatsanzeiger Rheinland-Pfalz, Nr. 6 vom 9. Februar<br />
1969.<br />
24 Fährreglement (wie Anm. 17), S. 474.<br />
25 Gottfried Kentenich: Das kurtrierische Amt <strong>Wittlich</strong>, in: Trierische<br />
Chronik 10, 1913/14, S. 182.<br />
26 Fährhäuschen = Schutzhäuschen an Fähren. Eine Bürgerinitiative<br />
renovierte das Rachtiger Fährhäuschen am linken Moselufer im<br />
Jahre 1983 vorbildlich. Ein neues Nikolaus-Relief für die Nische<br />
über dem Eingang wurde vom Bildhauer Bernd Wendhut, <strong>Bernkastel</strong>-Kues,<br />
geschaffen. (TV vom 8. Dezember 1983)<br />
27 Führer auf den Deutschen Schifffahrtstraßen, 1. Teil, Berlin 1893,<br />
S. 61.<br />
28 Führer auf den Deutschen Schifffahrtstraßen, 1. Teil, Berlin 1914,<br />
S. 104 ff.<br />
29 Heinz Grundhöfer: <strong>Bernkastel</strong>-Kues – Die Stadt in Bildern vergangener<br />
Tage, hrsg. von der Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues, 1991, S. 96 f.<br />
30 Fährrampe oder Fährkopf = Der in den Fluss vorspringende feste<br />
Damm oder Kribbenkopf zum Anlegen der Fähre.<br />
31 Festschrift Einweihung Moselbrücke Wolf, 1. Juni 1963.<br />
32 Festschrift Brückeneinweihung Kinheim-Kindel, 21.-23. Mai 1966.<br />
33 Festschrift Moselbrücke Erden-Lösnich, Brückenfest: 25.-27. Mai<br />
1968.<br />
34 Mitteilung Ernst Weiskopf, Ürzig.<br />
35 Mitteilung der Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron.<br />
36 Westdeutscher Schiffahrts- und Hafenkalender (Weska ’64), Duisburg-Ruhrort<br />
1964.<br />
37 Mitteilung Karl König, Lieser.<br />
38 Weska ’69 (wie Anm. 36), S. 651-655.<br />
39 Walter Feilen: Fährgeschichte von Minheim; in: Festschrift<br />
Brückenweihe Minheim vom 21.-24. September 1979, S. 59 ff.<br />
40 Die Stadtgemeinde <strong>Bernkastel</strong>-Kues pachtete am 1. April 1928 das<br />
staatliche Fährrecht zu <strong>Bernkastel</strong>-Kues. Fährleute der stadteigenen<br />
Nachenfähre am Kueser Hafen waren Jakob Günther (bis März<br />
1946), Johann Thiesen (bis Juni 1951) und Franz Port (bis zur<br />
Außerbetriebnahme der Nachenfähre 1982). Der von Hand geruderte<br />
Personennachen verkehrte überwiegend nur in den Sommermonaten.<br />
41 Mitteilung Kurt Thomas, Brauneberg.<br />
42 Walter Zelter: Chronik über die Moselfähre zwischen Enkirch und<br />
Kövenig von 1816-1993, Enkirch 1993.<br />
43 Mancherorts, wo heute eine Brücke die Mosel überspannt, erinnert<br />
eine »Fährstraße« an den einstigen Fährbetrieb. So in Wolf, Lösnich,<br />
Erden und Zeltingen.<br />
277
Vor langer Zeit unternahm die Herzogin Mathilde<br />
de Toscane (1046-1115) eine Jagdpartie<br />
durch ein romantisches Tal im heutigen Belgien.<br />
Als sie Rast an einem Brunnen machte, fiel<br />
ihr durch ein Missgeschick ihr goldener Ring<br />
hinein. Alle Versuche, den Ring zurückzuholen,<br />
blieben erfolglos. Nach einem Gebet im nahe<br />
gelegenen Oratorium ging sie zum Brunnen<br />
zurück, als plötzlich ein Fisch aus dem Wasser<br />
emporsprang mit dem Ring im Maul. In diesem<br />
Augenblick soll die glückliche Herzogin ausgerufen<br />
haben: »Vraiment, c'est ici un Val d'Or!«,<br />
was bedeutet: »Das hier ist ja ein richtig goldenes<br />
Tal!« Diese Anekdote stammt aus der<br />
Chronik der belgischen Trappistenabtei Orval<br />
(einst gehörte sie zu Luxemburg), die ihren Na-<br />
278<br />
Forelle und Wolfsangel -<br />
Kurfürsten und Heilige<br />
Grenzsteine - Wegweiser zur Ortsgeschichte<br />
Benedikt Heinemann / Rudolf Meiers<br />
men (Val d'Or = Orval) u. a. auf den besagten<br />
Ausruf der Herzogin zurückführt. Auf einem<br />
Grenzstein von 1676, der heute im Abteimuseum<br />
von Orval steht, finden wir den Ring der<br />
Herzogin wieder. Der runde Kreis symbolisiert<br />
einerseits den Ring und bildet mit dem eingearbeiteten<br />
»R« die Anfangsbuchstaben für »Orval«.<br />
(Abb. 1)<br />
Bevor wir von Belgien nach Deutschland<br />
Abb. 1 Grenzstein von Orval Abb. 2 Grenzstein von St. Gereon<br />
zurückkehren, machen wir noch einmal Halt in<br />
Stavelot. Die Benediktinerabtei St. Remaclus,<br />
von deren Kirche heute nur noch eine Ruine<br />
emporragt, hatte einst, mit der Abtei von Malmedy<br />
einen gemeinsamen Abt. Die Äbte von<br />
Stavelot/Malmedy besaßen den Rang von<br />
Reichsäbten. Stavelot hatte im Mittelalter eine
Abb. 3 Grenzstein von St. Remaclus, Stavelot<br />
übermächtige Stellung. Insofern erstreckten<br />
sich die Besitztümer bis in die Eifel. Ähnlich wie<br />
in Orval hat man auch hier einen besonders<br />
schönen Grenzstein im Abteimuseum untergebracht.<br />
Das »SR« für Sankt Remaclus erinnert<br />
an den Gründer der Abtei. (Abb. 3)<br />
Zahlreiche Kölner Klöster und Stifte hatten Besitztümer<br />
in der Eifel. Stellvertretend für die vie-<br />
len Klöster soll St. Gereon genannt werden,<br />
weil wir hier wieder einen sehr interessanten<br />
Grenzstein vorstellen können. (Abb. 2)<br />
Auf dem Grenzstein von St. Gereon sieht man<br />
ein Kreuz, das mit einer Dolchspitze abschließt.<br />
Zwei Geschichten sind damit verbunden: Der<br />
fränkische König Theudebert II. kam Anfang<br />
des 7. Jahrhunderts nach seinem Sieg über<br />
seinen Bruder, den er getötet hatte, nach St.<br />
Gereon, um sich dort huldigen zu lassen. Plötzlich<br />
empfand er einen starken Schmerz in der<br />
Seite und meinte, den Stich eines Dolches zu<br />
spüren. Er starb auf der Stelle. Am Körper des<br />
Toten fand man jedoch nur eine kleine gerötete<br />
Stelle. Den Brudermörder hatte die gerechte<br />
Strafe ereilt. Die zweite Geschichte, weniger<br />
grausam, handelt vom heiligen Norbert von<br />
Xanten, der archäologische Grabungen in St.<br />
Gereon durchführen ließ, um die Reliquien des<br />
heiligen Gereon zu finden. Als man schließlich<br />
die sterblichen Überreste entdeckte, waren sie<br />
mit einem purpurfarbenen Gewand bekleidet.<br />
Auf dem Gewand war noch ein Kreuz in Goldgewebe<br />
zu erkennen, und auch die Reste eines<br />
Schwertes hat man gefunden.<br />
In beiden Geschichten kann man Erklärungen<br />
für das Emblem auf dem Grenzstein finden.<br />
Der Kurtrierische Kanzler Ludolph von Enschringen<br />
(gest. 1504) gründete bei Trier das Kloster<br />
Helenenberg vom Orden des heiligen Kreuzes,<br />
das Kreuzherren aus Köln 1488 übernahmen.<br />
Das Wappen der Kreuzherren findet sich<br />
auf einem Grenzstein, der in der Nähe vom<br />
Helenenberg gefunden wurde. (Abb. 4) Heute<br />
ist das Kloster Helenenberg eine Sozialpädagogische<br />
Schul- und Berufsausbildungsstätte der<br />
Salesianer Don Boscos. Wie weit der Einfluss<br />
Kölns in den Bereich des heutigen Kreises<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> reichte, wird am Beispiel<br />
von Zeltingen-Rachtig deutlich. Hier gibt es<br />
heute als Erinnerung eine »Churkölner-Straße«.<br />
Allen Interessierten können wir empfehlen, in<br />
die Gestadestraße in Rachtig zu fahren. Dort hat<br />
man neben dem »Europabaum« diesen kurfürstlichen<br />
Grenzstein aufgestellt. (Abb. 6)<br />
An die Adelsfamilie der Manderscheider erinnert<br />
ein Grenzstein mit Wolfsangel, der bei<br />
Spangdahlem gefunden wurde. Die Wolfsangel,<br />
auch »Doppelhaken« genannt, ist ein Wappenmotiv,<br />
das dem Weidwerk entnommen ist.<br />
Die Wolfsangel taucht in vielen Wappen auf,<br />
u. a. in dem der Manderscheider. (Abb. 5)<br />
279
Abb. 4 Grenzstein vom Kloster Helenenberg<br />
Abb. 6 Grenzstein von Zeltingen-Rachtig Abb. 7 Grenzstein der Abtei St. Maximin<br />
280<br />
Abb. 5 Grenzstein mit Wolfsangel
An den Besitz der ehemaligen Trierer Abtei St.<br />
Maximin erinnert der Grenzstein am Ortsausgang<br />
von Detzem (an der Grenze des Kreises<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>). Der Stein wurde, wie es<br />
uns Anwohner berichteten, beim Straßenbau<br />
im Erdreich gefunden und in die nahe gelegene<br />
Mauer eingebaut. Das »MX« steht für »Maximin«,<br />
das »X« erinnert zusätzlich an den Ursprung<br />
des Ortsnamens »Detzem«, der auf die<br />
römische Zahl 10 zurückgeführt werden kann.<br />
Aus »decem« für die 10. römische Meile wurde<br />
»Detzem«. (Abb. 7)<br />
Bereits in unserem letzten Artikel erwähnt,<br />
möchten wir nun noch eine Abbildung eines<br />
Metternicher Grenzsteins zeigen. Im Kloster<br />
Machern findet man über jedem Fenster an der<br />
Außenseite der Kirche Jakobsmuscheln als<br />
Metternicher Wappen. (Abb. 8)<br />
Mit diesem Artikel schliessen wir die Grenzsteinartikelserie,<br />
die seit 1996 in den Kreisjahrbüchern<br />
erschienen ist. Für den besonders interessierten<br />
Leser geben wir noch einige Museen<br />
an, in denen Grenzsteine zu besichtigen<br />
sind. Die meisten Grenzsteine sind jedoch tief<br />
in den Wäldern verborgen und werden dort<br />
hoffentlich als Zeugen der Vergangenheit die<br />
nächsten Jahrhunderte überdauern.<br />
Museen mit Grenzsteinen:<br />
Kreismuseum Bitburg<br />
Enkircher Heimatstube<br />
Heimatmuseum Speicher<br />
Kreismuseum Neuwied<br />
Genovevaburg Mayen<br />
Abteimuseum Orval (Belg.)<br />
Abteimuseum Stavelot (Belg.)<br />
Durchs Astgewirr ein rosa Schimmer glüht.<br />
Ein zartes Farbenspiel im dunklen Grau.<br />
Ein kühler Wind, der durch den Morgen weht<br />
und manchmal scheint ein Stückchen Blau.<br />
Im hohen Baum ein Amsellied erklingt<br />
so hoffnungsfroh in diese frühe Zeit.<br />
Der Haselbusch die gelben Kätzchen schwingt.<br />
Der Weidenstrauch zeigt sich im Silberkleid.<br />
März<br />
Abb. 8 Metternicher Grenzstein<br />
Zeichnungen: Benedikt Heinemann<br />
Literatur:<br />
Schäfke, Werner: Kölns romanische Kirchen-Architektur, Ausstattung,<br />
Geschichte. DuMont-Buchverlag, Köln 1986.<br />
Wendt, Christoph: Reisebuch Ardennen. Meyer & Meyer Verlag, Aachen<br />
1993.<br />
Petri / Droeger (Hrsg.) Rheinische Geschichte, Bild- und Dokumentarband.<br />
Schwann-Verlag, Düsseldorf 1978.<br />
Informationsschrift der Abtei Orval, Editions Abbaye d'Orval, Druck:<br />
De Windroos, Beernem 1987.<br />
Ein Sonnenstrahl huscht über Berg und Tal.<br />
Verzaubert all mit seinem goldnen Schein.<br />
Und sind auch noch die weiten Wälder kahl,<br />
die Veilchen blühn, bald wird es Frühling sein.<br />
Eleonore Mertes<br />
281
Mit diesem Beitrag soll an die Weinleseordnung<br />
erinnert werden, die heute schon fast in<br />
Vergessenheit geraten ist. Wann an der Mosel<br />
erstmals eine Leseordnung eingeführt wurde,<br />
ist nicht mehr genau zu ermitteln. Eine einheitliche<br />
Anwendung ist schon deshalb nicht möglich<br />
gewesen, weil bis zur Französischen Revolution<br />
die verschiedensten Territorialherren hier<br />
an der Mosel das Sagen hatten.<br />
Im Brauneberg wird erstmals im Jahre 1779 ein<br />
Lesetermin genannt. Dort heißt es:<br />
Octobris 1779 »Dieses Jahr hat die Weinlese<br />
im Brauneberg ab dem 5ten mit der Vorlese<br />
und ab dem 9ten mit der allgemeinen Lese angefangen.«<br />
Also muss eine Leseordnung bestanden<br />
haben, sonst wären nicht die beiden<br />
Termine genannt worden.<br />
Nach Paragraph fünf der Polizeiverordnung<br />
des Regierungspräsidenten von Trier, betr.<br />
Schließung der Weinberge vom 7. Oktober<br />
1890, war in jedem Weinbauort ein Leseausschuss<br />
zu wählen. So auch in Brauneberg. Er<br />
setzte sich zusammen aus vier Gemeinderatsmitgliedern<br />
und sechs der Meistbegüterten.<br />
Die Leseordnung wurde sehr streng gehandhabt.<br />
War doch der Brauneberg wegen seiner<br />
Lage auf der anderen Moselseite gut zu kontrollieren<br />
und außerdem auch nur mit der Moselfähre<br />
zu erreichen.<br />
Ab Mitte August wurden die Weinberge geschlossen<br />
und der Fährbetrieb eingestellt. Das<br />
war aber nur möglich, weil sich die Fähre im Eigentum<br />
der Gemeinde befand und ausschließlich<br />
der Bewirtschaftung des Braunebergs<br />
diente. Nur einmal, zwischen der Schließung<br />
der Weinberge und dem Beginn der Lese, wurde<br />
die Fähre für einen Tag in Betrieb genommen,<br />
nämlich am ersten Montag im Oktober,<br />
dem Kirmesmontag. An diesem Tag wurden<br />
die Weinberge auf der anderen Moselseite zur<br />
Besichtigung freigegeben.<br />
Der Brauneberg war in vier Leseabschnitte<br />
(Banne) eingeteilt. Die vorhandenen Fußpfade<br />
282<br />
Eine alte Weinleseordnung aus<br />
Brauneberg<br />
Ernst Schiffmann-Junk<br />
trennten sie voneinander. Diese Fußpfade waren<br />
teilweise gut ausgebaut und dienten bis zur<br />
Flurbereinigung der Bewirtschaftung des Berges.<br />
War die Lesezeit durch den Ausschuss bestimmt,<br />
so hieß es zum Beispiel: Beginn der Lese<br />
im Brauneberg: Montag 1. Bann: vom Hoscheter<br />
Pfad bis Mötscherter Pfad. Dienstag 2.<br />
Bann: vom Mötscherter Pfad bis Pferdschünner<br />
Pfad. Mittwoch 3. Bann: von Kestener<br />
Grenze bis Hoscheter Pfad. Donnerstag 4.<br />
Bann: vom Pferdschünner Pfad bis zur Scheresbach.<br />
Noch nach dem Zweiten Weltkrieg ist morgens<br />
um 7.30 Uhr in den Weinberg und um 17 Uhr<br />
aus dem Weinberg geläutet worden. Vorher<br />
und nachher durfte sich niemand mehr im Berg<br />
aufhalten.<br />
Waren die letzten Trauben eingebracht, wurde<br />
durch die Ortsschelle der Berg zum Gelönnen<br />
freigegeben. Das Gelönnen geht auf einen alten<br />
Brauch nach einem ungeschriebenen Gesetz<br />
zurück.<br />
Nachdem die Freigabe des Berges erfolgt war,<br />
konnte jedermann die in den Wingerten übersehenen<br />
Trauben einsammeln und sich so<br />
noch einige Groschen verdienen. Aufkäufer<br />
postierten sich mit Bütte und Waage am Fährkopf,<br />
um die »gelönnten« Trauben aufzukaufen.<br />
Diese waren in einzelnen Jahren von hoher<br />
Qualität.<br />
Das Gelönnen war noch in den 50er Jahren üblich.<br />
Teilweise sind die Trauben aufgekauft<br />
worden, oder einzelne Vereine stellten Bütten<br />
auf, um so ihre Kasse zu füllen.<br />
Der Sportverein Brauneberg rief im Jahre 1953<br />
die Bevölkerung zum Gelönnen auf, weil ihm<br />
Trikots und Fußballschuhe fehlten. Franz<br />
Baum, Weinkommissionär und Winzer, erklärte<br />
sich bereit, dieses Vorhaben mit durchzuführen.<br />
Bütte und Waage wurden aufgestellt,<br />
die gelönnten Trauben gewogen und zusammengeschüttet.<br />
Was bei dieser Kelterung her-
aus kam, war von einmaliger Qualität - 550 Ltr.<br />
Most , Mostgewicht : 110° Öchsle. Der Most<br />
floss wie Sirup - war doch der Jahrgang 1953<br />
einer der Besten in unserem Jahrhundert.<br />
Der Preis für ein Kilogramm Trauben betrug eine<br />
DM. Das besserte die Kasse des Vereins für<br />
die damalige Zeit erheblich auf.<br />
Dies war das letzte Mal, dass gelönnt wurde.<br />
Im Jahre 1954 lohnte es sich nicht, denn der<br />
Jahrgang war zu gering an Qualität und 1955<br />
begann schon die Zeit des Wirtschaftswunders.<br />
Eine sehr aufschlussreiche Auflistung über Aufkäufe<br />
gelönnter Trauben aus dem Jahre 1796<br />
ist erhalten geblieben (siehe Abbildung). Hierbei<br />
handelt es sich um Eintragungen in der<br />
Hauskladde des Christian Arnoldi, Einnehmer,<br />
Winzer und Schnapsbrenner zu Dusemond.<br />
Inzwischen ist im Brauneberg die Flurbereinigung<br />
durchgeführt und jede Parzelle ist durch<br />
ein neues Wegenetz erschlossen. Keiner muss<br />
mehr durch des Nachbarn Grundstück. Damit<br />
wurde die strenge Leseordnung überflüssig.<br />
Auflistung der Aufkäufe<br />
gelönnter Trauben aus<br />
dem Jahr 1796<br />
Oktober:<br />
29. Hat man in Brauneberg gelundt.<br />
Hab ich kauft erstlich<br />
Michael Schreiber Thl. Alb.<br />
. – 33<br />
Johannes Nees . – 27<br />
Henrikus Heil 2. – 24<br />
Conrad Michelsen Kinder . – 45 1 /2<br />
Nickel Ostermann . – 7 1 /4<br />
Heinrich Heilen Witib 1. – 50<br />
Mein Knecht sein . – 24<br />
31. Daniel Schmidt . – 29<br />
Sein Schwestern . – 39<br />
Michel Fehres . – 22<br />
Peter Nees . – 39<br />
November:<br />
1. Julianna Bauerin . – 36<br />
Sophia Bauerin . – 20<br />
Conrad Michelsen Kinder . – 94<br />
Mathes Ostermann Kinder . – 96<br />
Peter Schneider Tochter . – 18<br />
Seit acht Jahren ist der örtliche Leseausschuss<br />
abgeschafft, der Regierungspräsident bestimmt<br />
den frühestmöglichen Lesetermin.<br />
So kann nach diesem Termin jeder nach seinen<br />
Vorstellungen Trauben lesen, wann und wo er<br />
will.<br />
Mit dieser neuen Regelung beginnt die Traubenlese<br />
sehr zögerlich, denn nun ist der eine<br />
Winzer hier und der andere mal dort bei der Lese.<br />
Dagegen setzte früher die Lese schlagartig ein.<br />
An den einzelnen Pfaden stand immer eine Reihe<br />
von Fahrzeugen, ein Feuer brannte, um den<br />
Krug mit Wein zu erwärmen. Während der Lesezeit<br />
war es an der Mosel früher immer sehr<br />
beschaulich, und den Moselanern merkte man<br />
an, dass sie sich dann am wohlsten fühlten.<br />
Die Weinleseordnung gehört der Vergangenheit<br />
an. Ein wenig schade ist es schon. Aber<br />
ohne Flurbereinigung und moderne Bebauung<br />
wäre der Moselweinbau in der heutigen Zeit<br />
nicht mehr den Wettbewerbsbedingungen gewachsen.<br />
283
Seit die römische Kelter in der Flurlage »im<br />
Briesch« entdeckt wurde, wird oft gefragt, wo<br />
dieser Lagename sich herleitet. Gebräuchlich<br />
ist er schon lange nicht mehr. Der Distrikt wird<br />
jetzt »hinter den Heimeshäusern« genannt. Nur<br />
die Parzellen oberhalb heißen heute noch »of<br />
Preesch«, und nicht wie Jungandreas schreibt<br />
»auf Brösch«. Diese Bezeichnung kann wohl<br />
auf die römische Zeit zurückgeführt werden.<br />
Aber die Römer kannten den Zischlaut »sch«<br />
nicht. Nur ihre Nachfahren, die Italiener und die<br />
Moselromanen, machten ein »c« vor i und e, zu<br />
einem Zischlaut: z. B. das italienische centro<br />
wird tschentro ausgesprochen oder das lateinische<br />
piscis, zu deutsch Fisch, italienisch pesce,<br />
wird pesche ausgesprochen oder cucina,<br />
gesprochen cutschina = Küche.<br />
So gibt es viele Beispiele, besonders im Dialekt<br />
der unteren Po-Ebene. Geht man also von<br />
Preesch zurück auf prec-, findet man im lateinischen<br />
Wörterbuch von Langenscheidt: preciae<br />
= Weinreben. Das lateinische Lexikon von Forcellini:<br />
»Totius latinitatis lexicon« gibt weitere<br />
Auskunft. Vergil, der nur 15 der über 100 antiken<br />
Rebsorten aufführt, die durch Columella<br />
bekannt sind, erwähnt die preciae als purpureae,<br />
also als rote Trauben. Er bezeichnet sie<br />
»quasi praecoquae, quod ante alias coquantur«,<br />
d. h. als frühreife, weil sie früher als andere<br />
reifen. Plinius und Columella berichten: Preciae<br />
oder auch Pretiae gibt es in zwei Arten, die sich<br />
in der Größe der Beeren unterscheiden und<br />
nennen sie »uva generosa«, also eine edle<br />
Traube, die schnell reift, ihr Blatt der Sellerie<br />
ähnlich und bestens für die Aul geeignet ist. Die<br />
aula oder auch olla war ein Tongefäß mit<br />
Deckel und diente zum Frischhalten von Obst<br />
und ähnlichem. Sie ist die Vorläuferin unseres<br />
Römertopfes.<br />
Die Bezeichnung »im Briesch«, ehemals »in<br />
preciis«, war also eine Ortsbestimmung, wie<br />
man heute sagt: »in den Müller-Thurgauern«<br />
oder »in den Kernern«. Das »e« in preciis wurde<br />
durch Lautangleichung zum »im Briesch«, und<br />
damit auch die Weinbergslage mit den roten<br />
Trauben. Damit wird auch die Annahme von Dr.<br />
284<br />
<strong>2000</strong> Jahre Rotwein in Piesport<br />
Reinhold Haart<br />
Gilles (Oberkustos des Rhein. Landesmuseums<br />
Trier) bestätigt, dass die Holunderbeeren,<br />
deren Kerne die Paläoethnobotanikerin Dr.<br />
M. König bei der Ausgrabung der römischen<br />
Kelteranlage in Piesport unter den Traubenresten<br />
fand, der kräftigeren Farbgebung des Weines<br />
dienten.<br />
Während seiner Moselreise im 6. Jahrhundert<br />
beschreibt Venantius Fortunatus die Trauben:<br />
»inde coloratas decerpit vinitor uvas« = wo der<br />
Winzer die farbigen Trauben pflückt.<br />
Jahrhundertelang war die vorherrschende<br />
Rebsorte der Römer an der Mosel die uva alba,<br />
Alba, Elba, Elbling, auch Kleinberger, bei uns<br />
Klemprich genannt. Sie war ertragreicher und<br />
früher reif und deshalb nicht so der Gefahr der<br />
Frühfröste ausgesetzt. Heute wächst sie noch<br />
an der Obermosel. In Piesport wurde sie schon<br />
früh vom Riesling verdrängt. Christian von<br />
Stramberg schreibt 1835: »Um die Mitte des<br />
vorigen Jahrhunderts galt der Piesporter Wein<br />
für den ersten beinahe unter allen Moselweinen.<br />
Damals wurde beinahe ausschließlich<br />
Rießling gebauet, wie ich glaube, daß der ursprünglich<br />
wohl von dem Libanon (durch<br />
Kreuzritter) eingeführte Moselrießling hier zuerst<br />
das Bürgerrecht erlangt habe.« Er bemerkt<br />
weiter: »... darunter befindet sich auch, in geringer<br />
Quantität freilich, ein ganz guter rother<br />
Wein zum Glück kam in den 60er Jahren (1765!)<br />
ein neuer Pastor nach Piesport, J. Hau, später<br />
seit 1779 auch Landdechant, und dieser hielt<br />
es für seine Pflicht, der Gemeinde in zeitlichen,<br />
wie in geistlichen Dingen vorzustehen ... es gelang<br />
ihm, unterstützt von einem durch sein Ansehen<br />
durchgesetzter Gemeindebeschluß, jene<br />
verderblichen Rebensorten (gemeint war der<br />
Klemprich!) auszurotten.«<br />
Als er nämlich im Jahr 1765 seine Pfarrstelle<br />
antrat, fand er in den Lagen »im Heimeshäuser«<br />
2 116 Stöcke und im »Michelsberg« 1 889<br />
Stöcke mit Rieslingreben vor, neben vielen kleineren<br />
Parzellen, die z. T. mit Riesling und auch<br />
mit roten Rebstöcken bepflanzt waren. Insgesamt<br />
gibt er etwa 10 000 Stöcke an. Hier kann<br />
der Stock einem Quadratmeter gleichgesetzt
werden. Darunter befand sich auch ein Wingert,<br />
über den geschrieben steht: »1699 am 24.<br />
März kauft Pastor J. M. Berlo von Peter Wintrich<br />
in Piesport für die Pfarrkirche einen Weingarten<br />
hinter Heimeshäuser enthaltend 180<br />
Stock, das Hundert per 54 Imp. thut 97 Imp.10<br />
Albus 6 2 /5 Pf.« Diese Parzelle, genannt »der<br />
kleine Heimeshäuser«, war noch 1818 mit roten<br />
Reben bestockt. Im Arbeitsvertrag mit seinem<br />
Baumann betont Pastor Hau: »...auch sind die<br />
toten Reben aus dem großen Heimeshäuser<br />
und dem Michelsberger per parte Pastorei vorbehalten...«<br />
Bei diesen »toten Reben« handelt es sich um<br />
die beim winterlichen Rebschnitt anfallenden<br />
Reben, die dann in die Erde zur Wurzelbildung<br />
eingelegt und dann als Setzreben (»Raiflinge«)<br />
verwendet wurden. Käufer dieser »Raiflinge<br />
grüner Riesling« waren u. a. kurfürstliche<br />
Hofräte aus Trier (von Anethan, von Sohlern,<br />
Eschermann, von Pidoll). Ebenso vermittelte er<br />
Piesporter Winzerweine an diese, den hohen<br />
Klerus und an auswärtige Weinhändler in Köln,<br />
Aachen, Essen, Roermond u. a.. Die Tätigkeit<br />
als »Weinhändler« wusste er auch für seinen<br />
Kirchenneubau, der 1777 begonnen wurde, zu<br />
nutzen. Die reiche Ausmalung und Ausschmückung<br />
des Kirchenraumes brachte ihn<br />
oft in finanzielle Not, die er dank der regen<br />
Nachfrage nach Piesporter Rieslingweinen lindern<br />
konnte. Darum ließ er auch aus einem Pilasterkapitell<br />
einen Rieslingstock in bemaltem<br />
Stuck herauswachsen, diesem gegenüber zum<br />
Ausgleich eine Rebe mit roten Trauben. Trotz<br />
der regen Nachfrage nach dem Riesling behauptete<br />
sich die rote Traube bis in unser Jahrhundert,<br />
wenn sie auch weniger angebaut wurde.<br />
Im Jahr 1774 schreibt Pastor Hau, er habe bereits<br />
am 10. Juli rote Trauben gesehen, die Lese<br />
begann aber erst am 15. Oktober, die der<br />
weißen Trauben am 18. Oktober. Als Ergebnis<br />
dieser Ernte gibt er an: »5 plaustra albi et amam<br />
rubri, optima nota«, das sind fünf Fuder (5 mal<br />
960 l) Weißwein und eine Ohm (160 l) Rotwein,<br />
beste Qualität. Das zeigt bereits den Rückgang<br />
des Rotweinanbaus an.<br />
»Im Jahr 1818 betrug der Ertrag im Reg. Bezirk<br />
Trier gewonnenen Weines nach den eigenen<br />
Angaben der Besitzer 67 Fuder rothen und<br />
6 954 Fuder weißen Weines.«<br />
1865 notiert Wilhelm Hamm in seinem »Wein-<br />
buch«: »Rhote Moselweine liefert nur Piesport<br />
und das Untermoselgebiet; sie ähneln dem<br />
Ahrweine ohne diese an Körper zu erreichen.«<br />
Weiter heißt es bei Hamm: »Unter sich reihen<br />
sich seine einzelnen Lagen folgendermaßen; I.<br />
Classe: Brauneberg, Pisport, Zeltingen, Oligsberg,<br />
Dusemont, Berncasteler-Doctor,.....«<br />
Im Jahre 1913 legte mein Großvater das letzte<br />
Fuder Rotwein, wofür er alle rote Trauben der<br />
örtlichen Winzer kaufen musste. Als Kinder<br />
freuten wir uns in den 20er Jahren, wenn wir bei<br />
der Lese noch vereinzelt einen roten Stock fanden,<br />
dessen Beeren allerdings klein waren. Die<br />
Entdeckung eines Klemprichstockes erfreute<br />
uns aber mehr. Zwar waren seine Beeren dann<br />
schon meist faul oder ausgelaufen, die restlichen<br />
aber saftreicher als die roten.<br />
Derzeit ist der Rotwein überall wieder im Kommen.<br />
An der Mosel wird er wohl keine Blüte erleben.<br />
Denn: »Gerade der Riesling findet an der<br />
Mosel-Saar-Ruwer an Klima und Boden die beste<br />
Voraussetzung, die Vielfalt seiner Eigenschaften<br />
zu entwickeln.« (Pigott)<br />
»Dieser Saft der edelsten Rebe concentriert alles<br />
in sich, was die Natur an Gewürz, Geruch,<br />
Geschmack und Liebreiz möglich zu erzeugen<br />
vermag. Die Dichter preisen diesen Nektar alter<br />
geistigen Flüssigkeiten als den wahren Göttertrank«,<br />
stellt Benedikt Kölges in seinem Handbuch<br />
der Deutschen Weincultur und Weinausbildung<br />
im Jahr 1857 fest. Gute Rotweine brauchen<br />
andere Voraussetzungen an Boden und<br />
Klima als der Riesling. Das haben die Winzer<br />
spätestens im vorigen Jahrhundert erfahren.<br />
Literatur:<br />
Bassermann-Jordan: Geschichte des Weinbaus Bd. I. – III.<br />
J. Robinson: Das Oxford Weinlexikon.<br />
F. Caspers: »Mötschert« und »Briesch«, in: <strong>Kreisjahrbuch</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<br />
<strong>Wittlich</strong> 1994.<br />
Forcellini: Totius latinitatis Lexicon, Bd. III.<br />
Felix Meyer: Weinbau und Weinhandel an Mosel-Saar-Ruwer.<br />
Pfarrarchiv St. Michael, Piesport.<br />
Christian von Stramberg: Das Moseltal zwischen Zell und Konz.<br />
Wilhelm Hamm: »Das Weinbuch«.<br />
Stuart Pigott: Die großen deutsche Rieslingweine.<br />
285
Wer in Springiersbach die hohe tonnengewölbte<br />
Durchfahrt im ehemaligen Haus Nicolay<br />
durchschreitet, entdeckt linker Hand ein Gartenportal<br />
aus dekorativ bearbeitetem Sandstein.<br />
Leider hat die Witterung die Ornamente<br />
so zernagt, dass sie fast nicht mehr zu erkennen<br />
sind. Das war vor zwei Jahrzehnten noch<br />
ganz anders. Damals bot die gut erhaltene<br />
Steinmetzarbeit auf dem Gestein dem Zeichner<br />
ein noch reizvolles Motiv. Inzwischen hat der<br />
saure Regen unserer Tage gründlich sein Zerstörungswerk<br />
getan. (Abb. 1) Nicht lange mehr<br />
wird es dauern, und ein Zeugnis Springiersbacher<br />
Geschichte wird endgültig ausgelöscht<br />
sein. Deshalb sei es wenigstens hier für die<br />
Nachwelt festgehalten.<br />
Das hoch aufgerichtete Gartenportal gibt Rätsel<br />
auf, die zu entschlüsseln ein um 1900 angefertigtes<br />
Foto hilft, auf dem sich eine junge Frau<br />
aus dem ehemaligen Hotel Nicolay durch das<br />
Portal einrahmen lässt (Abb. 2). 1 Dieses zeigt<br />
286<br />
Ein Gartenportal aus Architekturresten<br />
der ehemaligen Abtei Springiersbach<br />
Abb. 1: Gartenportal in Springiersbach im heutigen<br />
Zustand<br />
Erwin Schaaf<br />
sich – von weitem betrachtet – als durchaus<br />
harmonisch zusammengesetzt. Oben abgerundete<br />
Pfeiler, seitlich gestützt durch schwungvolle<br />
Voluten, tragen einen mit Giebelprofil geschmückten<br />
Sturz, gekrönt durch einen würfelförmigen<br />
Aufsatz. Dieser in sich stimmige Gesamteindruck<br />
löst sich bei näherem Hinsehen<br />
rasch auf. Unterschiedliche Stilelemente im<br />
Dekor und zweckentfremdet senkrecht zu Pfeilern<br />
aufgestellte Steine machen deutlich, dass<br />
hier Architekturreste aus verschiedenen Bauperioden<br />
der ehemaligen Augustiner-Chorherren-Abtei<br />
Springiersbach zusammengefügt<br />
worden sind. Dieses Stückwerk suchte ein<br />
Steinmetz dadurch zu harmonisieren, dass er<br />
die Laibungen des Portals einheitlich profilierte,<br />
den ursprünglich kantigen rechten Seitenpfeiler<br />
oben abrundete und in beide Pfeiler Sockel<br />
einmeißelte.<br />
Der streng geradlinig gestaltete Portalsturz<br />
(145 cm x 30 cm) mit seinem klassischen Giebelprofil<br />
verweist in die Zeit der Renaissance<br />
bzw. Spätrenaissance, was die eingemeißelte<br />
Jahreszahl 1629 und der ins Giebelfeld gesetzte<br />
Wappenschild des Abtes Johann Eberhard<br />
von Deusternau (1611-1638) bestätigen. Deusternau<br />
hat 1629 abgesondert vom alten Gebäudekomplex<br />
der Abtei ein Abtshaus errichten<br />
lassen, das sich links neben der heutigen<br />
tonnengewölbten Durchfahrt befindet (Abb. 4).<br />
Ein im Renaissancestil gestaltetes Portal mit<br />
der Jahreszahl 1629 in der Rückseite dieses<br />
Hauses ist erhalten geblieben. Die Vorderseite<br />
des fünfachsigen Gebäudes hingegen besitzt<br />
heute einen auffallend schlicht gestalteten Eingang,<br />
der sich sehr von den schmuckvollen<br />
Fenstereinfassungen mit dem Wappen Deusternaus<br />
in den gewölbten Fensterstürzen unterscheidet.<br />
Dieser Hauseingang ist sicher erst<br />
in jüngerer Zeit geschaffen worden. Vieles<br />
spricht dafür, dass der Sturzbalken des heutigen<br />
Gartenportals ursprünglich zum Eingangstor<br />
in der Vorderseite des Deusternaugebäudes
Abb. 2: Gartenportal in Springiersbach um 1900<br />
gehörte. Der rechte Pfeiler des Gartenportals,<br />
mit barockem Rankenwerk und dem Wappen<br />
des Abtes Hermann von Kortenbach (1638-<br />
1657) belegt, setzt sich aus zwei Teilen zusammen.<br />
Der obere Teil (136 cm x 42 cm) befindet<br />
sich in relativem Originalzustand. Veränderungen<br />
zeigen sich insofern, als der Stein unten<br />
abgebrochen ist und oben rechts – zur Anpassung<br />
an den linken Portalpfeiler – nachträglich<br />
abgerundet wurde. In seinem ursprünglichen<br />
Zustand war dieser Stein 182 cm lang. Der untere<br />
Teil des Pfeilers (56 cm x 42 cm) ist bei Er-<br />
richtung des Portals mit Dekor<br />
versehen worden; das<br />
Rankenwerk des oberen<br />
Steins wurde recht unbeholfen<br />
ergänzt und ein Sockelprofil<br />
aufgesetzt.<br />
Es fragt sich, welchem<br />
Zweck der mit Ranken und<br />
Wappen versehene Stein ursprünglich<br />
diente. Die Vermutung<br />
drängt sich auf,<br />
dass er als Türsturz in das<br />
Eingangsportal der von Kortenbach<br />
errichteten Abtswohnung<br />
eingesetzt war.<br />
Dieses Gebäude mit vierachsiger<br />
Vorderfront schließt<br />
sich rechts an das Deusternauhaus<br />
an. (Abb. 4) Nur das<br />
Fenster über der Durchfahrt<br />
im Erdgeschoss ist unverändert<br />
erhalten geblieben. In<br />
seinem barock aufgewölbten<br />
Sturz findet sich das<br />
Kortenbachwappen in gleicher<br />
Gestaltung wie im rechten<br />
Pfeiler des Gartenportals.<br />
Die Sandsteinfassung<br />
des heutigen Hauseingangs<br />
ist neueren Datums. Zur vormaligen<br />
barocken Fassung<br />
könnten auch die mit hängenden<br />
Fruchtbündeln dekorierten<br />
Konsolensteine<br />
gehört haben, die das Gartenportal<br />
seitlich stützen.<br />
Gleiches Fruchtwerk findet<br />
sich in den Stuckdecken der<br />
Abtswohnung Kortenbachs.<br />
Der linke Pfeiler des Gartenportals<br />
unterscheidet sich durch seine Stilelemente<br />
deutlich von dem rechten und diente sicher<br />
einem anderen Zweck als dieser. Er setzt<br />
sich aus zwei Steinen zusammen; der obere<br />
(102 cm x 42 cm) ist mit Rankenwerk und einem<br />
Ankerkreuz belegt, der untere (88 cm x 42<br />
cm) lässt ein Medaillon mit Inschrift erkennen,<br />
unter dem nachträglich ein Säulenfuß eingemeißelt<br />
wurde. Die heute restlos verwitterte Inschrift<br />
ist auf dem Foto von ca. 1900 noch gut<br />
lesbar; sie lautete: PAX · INTRANTIBVS · SAL-<br />
VS · EXEVNTIBVS · ANNO 1644 (Friede den<br />
287
Eintretenden, Heil den Hinausgehenden, im<br />
Jahre 1644).<br />
Die Frage nach der ursprünglichen Verwendung<br />
dieser Steine lenkt den Blick auf ein<br />
Durchfahrtstor, das freistehend auf dem von<br />
Bengel zur Abtei führenden Weg errichtet war.<br />
Ernst Wackenroder, der auf die Architekturreste<br />
des Gartenportals eingeht, hält die zu seiner<br />
Zeit in Springiersbach geäußerte Überlieferung<br />
fest, der Türsturz mit der Jahreszahl 1629<br />
solle »zu einer Torfahrt gehört haben, die nach<br />
der Mosel führte«. 2 Diese Torfahrt ist heute<br />
durch eine Kartenskizze von 1771 belegt 3 ; sie<br />
stand etwa 100 m vor dem Gebäudekomplex<br />
der Abtei. (Abb. 3) Doch es war sicher nicht der<br />
schmale Türsturz von 1629, der sie abdeckte,<br />
sondern der Stein mit der Inschrift von 1644,<br />
die in der Zeit, als die Söldnerhaufen des<br />
Dreißigjährigen Krieges aufs Ärgste Land und<br />
Leute schikanierten, ihren besonderen Sinn<br />
Abb. 3: Die Abtei Springiersbach. Ausschnitt aus<br />
einer Karte von 1771 (Quelle: LHAK, Best. 702,<br />
Nr. 6096).<br />
288<br />
hatte. Es ist durchaus denkbar, dass der Springiersbacher<br />
Konvent das vor die Klosteranlage<br />
gestellte Portal vorsorglich zur Besänftigung<br />
bedrohlicher Eindringlinge errichten ließ. Ein<br />
anderer Zweck ist dem ansonsten funktionslosen<br />
Portal kaum beizumessen. Die Kartenskizze<br />
von 1771 zeigt auf der Torfahrt zwei Aufsätze.<br />
Ist einer von diesen womöglich derjenige,<br />
der den Sturz unseres Gartenportals krönt? Er<br />
zeigt einen Würfel, umfasst von einem gekreuzten<br />
Band, dem eine Art Rosette aufgesetzt ist.<br />
Diese stellt einen Flammenkranz dar, in den ein<br />
Herz, in einer Rose stehend, eingefügt ist. Auf<br />
dem Würfel ist erkennbar, was eine sich nach<br />
oben verjüngende Abdeckung vermuten lässt,<br />
dass er als schmückender Aufsatz jener Torfahrt<br />
diente. Wie das Ankerkreuz im linken Pfeiler<br />
des Gartenportals symbolisiert er mit seinem<br />
Kreuzband den Glauben an Christus, den<br />
Gekreuzigten. Während darüber hinaus der Anker<br />
die im Glauben festgemachte Heilssicherheit<br />
andeutet, spricht der Flammenkranz mit<br />
Herz und Rose für die christliche Liebe und<br />
überdies wohl auch für die Liebe zur Gottesmutter<br />
Maria, der Schutzpatronin der Abtei<br />
Springiersbach.<br />
Das Gartenportal, so fassen wir zusammen, ist<br />
aller Wahrscheinlichkeit nach aus Architekturüberresten<br />
zusammengefügt, die zum Haus<br />
Deusternau (Sturz von 1629), zum Haus Kortenbach<br />
(rechter Pfeiler) und zur Torfahrt vor<br />
der Abtei (linker Pfeiler und Aufsatz auf dem<br />
Sturz) gehörten.<br />
Mit der Säkularisation zu Anfang des 19. Jahrhunderts<br />
kam der Großteil der ehemaligen Abteigebäude<br />
in bürgerlichen Besitz. Die von den<br />
Äbten Deusternau und Kortenbach gebauten<br />
Häuser gehörten in der Mitte des Jahrhunderts<br />
einem Hubert Kiesgen, der in Springiersbach<br />
Landwirtschaft sowie eine Lohmühle und Gerberei<br />
betrieb. 4 Vermutlich war es dieser Kiesgen,<br />
der bauliche Veränderungen an den vormaligen<br />
Abtshäusern vornahm und auch die<br />
ursprünglichen Hauseingänge umgestaltete,<br />
weil sie wohl zu aufdringlich an die klösterliche<br />
Vergangenheit erinnerten. Es ist denkbar, dass<br />
um diese Zeit auch die nicht nur funktionslose,<br />
sondern auch verkehrsbehindernde Torfahrt<br />
von 1644 eingerissen wurde. Diese Vermutung<br />
stützt sich auf die Jahreszahl 59, die in der<br />
Schreibweise des 19. Jahrhunderts der Inschrift<br />
von 1644 hinzugefügt worden ist. Es ist
Abb. 4: Das Hotel Nicolay in Springiersbach um 1920. Links neben der Hausdurchfahrt das ehemalige<br />
Abtshaus Deusternau, rechts daneben das ehemalige Abtshaus Kortenbach.<br />
anzunehmen, dass die Zahl (18)59 das Jahr der<br />
Errichtung des Gartenportals festhält. Sicher<br />
indes ist, dass man die reich dekorierten Architekturreste<br />
für wert befand, sie in der Gestalt<br />
eines schmucken Gartenportals zu erhalten.<br />
Den Hubert Kiesgen beerbte ein Johann Nicolay<br />
aus Ürzig, seit 1882 verheiratet mit Anna<br />
Maria Barzen aus Reil. Im gleichen Jahr zog<br />
das junge Ehepaar in Springiersbach ein und<br />
eröffnete wenige Jahre später das weithin bekannte<br />
Hotel Nicolay in den ehemaligen Abtshäusern.<br />
Ihre älteste Tochter, Johanna, ließ<br />
sich eingerahmt durch das Gartenportal fotografieren.<br />
Dieser Tatsache verdanken wir das<br />
aufschlussreiche Lichtbild von ca. 1900, das<br />
Zeugnisse der Springiersbacher Baugeschichte<br />
dokumentiert. (Abb. 2)<br />
In den 60er Jahren unseres Jahrhunderts hat<br />
Erwin Koch, Leiter des mittlerweile in ein Familien-Ferienwerk<br />
des Bistums Köln umgewandelten<br />
Hotels Nicolay, das wohl zwischenzeitlich<br />
baufällig gewordene Gartenportal beton-<br />
verstärkt wieder herrichten lassen. Der Beton<br />
hat den heutigen Witterungseinflüssen getrotzt,<br />
nicht aber der über 350 Jahre alte Sandstein,<br />
der Dreifaches zu erzählen weiß: Ausschnitte<br />
aus der abteilichen Baugeschichte,<br />
Episoden über bauliche Veränderungen in der<br />
bürgerlichen Zeit Springiersbachs und die Geschichte<br />
des heutigen Verfalls alten wertvollen<br />
Gesteins durch schädliche Umwelteinflüsse.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Dieses Foto wurde dankenswerterweise von Frau Marianne Melsheimer,<br />
deren Mutter aus dem Hotel Nicolay stammte, zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
2 Ernst Wackenroder: Die Kunstdenkmäler des Kreises <strong>Wittlich</strong>,<br />
Düsseldorf 1934, S. 306.<br />
3 Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 702 Nr. 6096; Näheres siehe Erwin<br />
Schaaf: Die Abtei Springiersbach um die Wende vom 18. zum<br />
19. Jahrhundert; in: Kreis <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, Jahrbuch 1988, S.<br />
234-238.<br />
4 Marianne Melsheimer: Die Familie Nicolay in Springiersbach; in:<br />
Das Alftal in Gegenwart und Geschichte, Chronik der Alftalgemeinden<br />
1994/95, S. 147-153, hier S. 147.<br />
289
Die prächtige Barockkirche in Springiersbach,<br />
1772 von Augustiner-Chorherren als Abteikirche<br />
vollendet, dann nacheinander Stifts-,<br />
Pfarr- und vernachlässigte Filialkirche, erfuhr<br />
am 8. September 1922 ihre Wiederbelebung:<br />
Der erste Prior des heutigen Karmelitenklosters<br />
celebrierte hier seine erste Messe am kirchlichen<br />
Festtag »Mariä Geburt«. Vorerst verkörperte<br />
sich in ihm ein »Ein-Mann-Konvent«, der<br />
noch nicht einmal von allen Amtsbrüdern im<br />
Umfeld mit Wohlwollen aufgenommen, geschweige<br />
denn unterstützt wurde. Ist es eine<br />
ungewollte Symbolik, dass der messefeiernde<br />
Pater sich selbst als erster in das Verzeichnis<br />
der »durchreisenden Priester« eintrug? 1<br />
Als dieses Gründungsdatum im Jahre 1997 in<br />
hochfestlichem Rahmen als Jubiläum begangen<br />
wurde, konnte der zuständige Diözesanbischof,<br />
der u.a. mit den Karmeliten, dem Abt<br />
von Himmerod und dem Regionaldekan den<br />
Festgottesdienst celebrierte, in der Festpredigt<br />
nicht nur den Karmeliten für ihren Dienst in etlichen<br />
Pfarreien und der Krankenseelsorge danken,<br />
sondern auch »die Ausstrahlung, die das<br />
Haus auch ins Bistum hinein habe, hervorheben«.<br />
2 Der Regionaldekan fügte hinzu, eine solche<br />
klösterliche Einrichtung in der Region zu<br />
haben, sei ein wahrer Segen. 3<br />
Die Entwicklung des Klosters in diesen spannungsreichen<br />
Jahrzehnten soll hier skizziert<br />
werden. 4<br />
Am Anfang der Geschichte des neuen Klosters<br />
Springiersbach steht ein irischer Karmelit, der<br />
Oberste des Ordens in Rom, der an die Zeit vor<br />
der Säkularisation anknüpfen wollte, als in der<br />
damaligen Niederdeutschen Ordensprovinz allein<br />
im Bistum Trier sechs Karmelitenniederlassungen<br />
bestanden. Er gab die Suche nach einem<br />
geeigneten Ort - die neue Niederlassung<br />
sollte keinen Neubau erfordern - im November<br />
1920 dem Wiener Konvent auf. Der dortige<br />
Subprior - er stammte aus Rommersheim bei<br />
Prüm - knüpfte die Verbindung zum bischöflichen<br />
Stuhl in Trier. Eine Ansiedlung in Trier<br />
selbst, wo früher ein Karmelitenkonvent bestand,<br />
und an anderen Orten mit aufgelösten<br />
290<br />
Das Karmelitenkloster Springiersbach<br />
Winfrid Blum<br />
Karmelitenklöstern kam nicht zustande, u.a.<br />
auch deshalb, weil die ehemaligen Klöster jetzt<br />
alle mit einer Pfarrei verbunden waren. Der Bischof<br />
bot schließlich Springiersbach an, wo<br />
Kirche und Pfarrhaus (damals zwei Mietparteien<br />
überlassen) zur Verfügung standen. Im Juli<br />
1922 kam es schließlich zum Abschluss des<br />
Kaufvertrags mit der Pfarrei Bengel, der beide<br />
Gebäude und Grundbesitz gehörten, und zur<br />
Zahlung des Kaufpreises. Der kleine Friedhof<br />
mit seinem künstlerisch bedeutenden Christus<br />
am Kreuz blieb bei der Pfarrei. Der eingetragene<br />
Verein »EV Carmel« musste durch Erklärung<br />
dem Staat gegenüber auf den Ankauf<br />
weiterer Besitzungen verzichten und den<br />
Schutz des übernommenen Baudenkmals gewährleisten,<br />
bei Vermeidung einer »Geldstrafe«,<br />
diese gesichert durch eine Hypothek. Dafür<br />
stellte der Regierungspräsident Beihilfen des<br />
Staates und der Provinz in Aussicht. Ein später<br />
gefertigtes Inventarverzeichnis gemäß Verordnung<br />
zum Schutz von Denkmalen und Kunstwerken<br />
zeigt auf, was trotz der widrigen Zeiten<br />
erhalten war und in Zukunft gepflegt sein wollte:<br />
von Altären über Weihwasserbehältern in<br />
der Kirche bis zu »Steinkisten mit Deckel« in<br />
der Gruft. Unter dem 12. April 1923 wurde der<br />
Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen.<br />
Die Ordensspitze errichtete formell am 21.<br />
Februar 1924 den neuen Konvent als kanonische<br />
Einrichtung.<br />
In der Zwischenzeit hatte der »Gründungsprior«<br />
eine schwierige Last zu tragen: Der letzte<br />
Mieter war Anfang 1923 ausgezogen; die Umbaupläne,<br />
von einem Architekten und einem<br />
Mitbruder gefertigt, waren endlich genehmigt.<br />
Der Umbau erwies sich als zwingend notwendig.<br />
Im Erdgeschoss des nunmehrigen Klostergebäudes<br />
befanden sich Schweine- und Hühnerstall<br />
nebst Kartoffelkeller zum Garten hin,<br />
nach hinten lagen Backofen und Waschküche.<br />
Sakristei und Kirche waren hinsichtlich des beweglichen<br />
Guts, das zum Celebrieren benötigt<br />
wird, sozusagen leer: kein Speisekelch, keine<br />
Messkännchen, auf dem Kerzenständer nur<br />
sechs kleine Stumpen usw. Die Balkone zu bei-
Kloster Springiersbach (Zeichnung: E. Schaaf)<br />
291
den Seiten des Kirchturms waren undicht,<br />
Denkmalschutz-Vertreter kamen und »empfahlen«<br />
wasserdichte Abdeckungen. Das Turmkreuz<br />
drohte herunterzufallen. Der Umbau war<br />
durchzuziehen, wurde aber wegen Geldmangels<br />
zeitweise eingestellt.<br />
Die personelle Vergrößerung des Konvents<br />
vollzog sich in kleinen Schritten, als endlich ein<br />
Bruder und ein weiterer Pater 1922/23 nach<br />
Springiersbach versetzt wurden. Der geplagte<br />
Prior schaffte es, den Grundstock des neuen<br />
Konvents zu legen. Er kennzeichnete eine der<br />
sicher zahlreichen Unterredungen mit einem<br />
Behördenvertreter so: »Diese Aussprache war<br />
gerade keine sehr höfliche, aber eine nützliche.«<br />
Der Orden hatte dem Generalvikariat Trier gegenüber<br />
die Errichtung des neuen Konvents<br />
u.a. mit dessen folgenden Zielen begründet:<br />
Möglichkeit des beschaulichen Lebens, Verbreitung<br />
der Marienverehrung (der Karmeliterorden<br />
trägt den offiziellen Titel »Brüder und<br />
Schwestern Unserer Lieben Frau vom Berge<br />
Karmel«), Aushilfen in der Seelsorge, Exerzitienkurse.<br />
Darüber hinaus sollte in Springiersbach<br />
das Noviziat für die gesamte Ordensprovinz<br />
eingerichtet werden. 1928 folgte für etliche<br />
Jahre die Etablierung eines ordensinternen<br />
Philosophiestudiums.<br />
Das neue Kloster hatte also sehr schnell mit<br />
seiner personellen Stabilisierung einen festen<br />
Stellenwert im Ordensgefüge bekommen. Diese<br />
Feststellung soll den Abschluss einer Phase<br />
charakterisieren, in der häufiger konventualer<br />
Wechsel die Regel und unangebrachtes Misstrauen<br />
von Dekanatsgeistlichen üblich waren.<br />
Nach Beurkundungen des Priors fürchteten<br />
diese die »Abwanderung« von Pfarrangehörigen<br />
und damit finanzielle Nachteile. Hier musste<br />
mehrfach das Ordinariat eingreifen. Der endlich<br />
begonnene Umbau wurde aus Geldmangel<br />
unterbrochen, bis die aufgelaufenen Schulden<br />
bezahlt waren. Aber bei aller Armut im Alltag:<br />
Das Kloster bestand, die Insassen wuchsen zu<br />
einem Konvent zusammen.<br />
Die Karmeliten fassten im schulischen Religionsunterricht<br />
und in der Seelsorge in umliegenden<br />
Pfarreien und bei dem »Pfarrvolk« Fuß. Um<br />
schlecht honorierten Aushilfen (z. B. für dreimalige<br />
Aushilfen im Beichtstuhl bei langem Anweg:<br />
ein Liter Öl!), von denen nicht ein Mann,<br />
geschweige denn das Kloster, hätte leben kön-<br />
292<br />
nen, zu entgehen, übernahmen die Karmeliten<br />
die zur Pfarrei Cröv gehörige Filiale Cövenig.<br />
Hier war Pater Dr. Clemens Martini jahrelang<br />
tätig und bekam laut Zeitungsberichten bei seinem<br />
Fortgang eine überwältigende Verabschiedung.<br />
Er vollendete übrigens in dieser Zeit<br />
sein Geschichtswerk über den Deutschen Karmel<br />
und bereitete die Herausgabe der »Karmelstimmen«<br />
vor. (heute »Karmel-Kontakt«).<br />
Im Mai 1924 war in Springiersbach die »Skapulierbruderschaft«<br />
eingerichtet worden. Die Mitglieder<br />
(Laien) trafen sich an jedem zweiten<br />
Sonntag im Monat zu einer Marienfeier (Andacht,<br />
Predigt, Prozession). Diese über Pfarrgrenzen<br />
hinausgehende Bruderschaft führte<br />
damit zu einer starken Verwurzelung der Marienverehrung<br />
und der sie tragenden Karmeliten<br />
in der Region.<br />
Als äußeres Zeichen der inzwischen erreichten<br />
Klosterstabilität kann die Gestaltung (Erweiterung)<br />
des Hochaltars mit der beherrschenden<br />
Stellung der Madonna 1935 gesehen werden.<br />
Beliebt wurde die Klosterkirche auch als Trauungskirche.<br />
Bis zum Kriegsbeginn fand im<br />
Durchschnitt fast jede Woche eine Trauung in<br />
der immer anziehender werdenden Kirche<br />
statt.<br />
Der wachsende Zuspruch, auch von überörtlichen<br />
Besuchern, ermöglichte dem Kloster,<br />
Ausstattung und Umgebung der Kirche zu verbessern<br />
und zu verschönern. Hervorzuheben<br />
sind das neue Geläut mit drei Glocken, die Anschaffung<br />
einer Orgel, die Herstellung eines<br />
klösterlichen Innenhofs in dem ehemals abteilichen<br />
Geviert, das damals neben dem Karmelitenkloster<br />
vier weitere Eigentümer hatte. Jeden<br />
Donnerstag hielten die Patres für Wallfahrer ein<br />
eigenes Amt. Ihre Mithilfe in der Seelsorge wurde<br />
nun in steigendem Maße von nahe und ferner<br />
gelegenen Pfarreien gesucht. Eine klosterinterne<br />
Übersicht, mit dem Jahr 1946 abschließend,<br />
zählt gelegentliche und ständige<br />
Aushilfen in 84 Eifel- und Moselorten auf. 5 Die<br />
Karmeliten waren in das »Volk« (z. B. Messe-<br />
Stiftungen) und die Pfarreien hineingewachsen,<br />
die Pfarrangehörigen kamen gerne zu kirchlichen<br />
Feiern und Festen, besonders auch zum<br />
Beichten vor Ostern.<br />
Welche Erschwernisse und Verfolgungen das<br />
Naziregime und der Kriegsbeginn nach sich<br />
ziehen würden, war erst in Umrissen erkennbar,<br />
da traf ein unerwarteter Schlag Kirche,
Am 10./11. März 1940 verwüstete ein Brand die Abtei Springiersbach<br />
Kloster und den gesamten ehemaligen Abteikomplex:<br />
ein vernichtender Brand am 10./11.<br />
März 1940, dem im Mai der Einsturz des kostbar<br />
bemalten Gewölbes in der Kirche folgte. 6<br />
Das gesamte blühende Werk schien vernichtet,<br />
der Prior beim Einsturz des Gewölbes lebensgefährlich<br />
verletzt. Bistum und Orden hatten<br />
diese Niederlassung bereits aufgegeben und<br />
den Springiersbacher Karmeliten das (frühere)<br />
Kloster Beilstein als neue Wirkungsstelle zugedacht.<br />
NS-Parteistellen zeigten Interesse am<br />
Wiederaufbau zur Einrichtung eines eigenen<br />
Zentrums in Springiersbach.<br />
Aber niemand hatte mit der Zähigkeit wiederum<br />
des Priors gerechnet. Er gesundete nicht<br />
nur, er kämpfte nach allen Seiten um »sein«<br />
Kloster - und gewann! Was ehedem für das neu<br />
gegründete Kloster eine schwer erträgliche<br />
Last schien - Erhaltung und Pflege des Baudenkmals<br />
Kirche/Kloster - wurde nun der Rettungsanker:<br />
Das Kunstdenkmal wurde - heute<br />
fast unglaublich! - im Krieg wieder aufgebaut.<br />
Es bleibe dahingestellt, welche Hintergedanken<br />
Parteigrößen dabei hatten. Zähigkeit, Verhandlungskunst,<br />
Menschenkenntnis des Priors<br />
auf der einen Seite, kunstbeflissene, verständi-<br />
ge, versteckt sympathisierende Partner auf<br />
Behördenseite - das Werk gelang! Außenstehende<br />
mögen den Rest zum Gelingen »Glück«<br />
nennen; die Karmeliten - die »Liebfrauenbrüder«-<br />
sahen darin das Wirken ihrer »Schutzmantel«<br />
- Madonna!<br />
Am 18. August 1946 fand in bedrückender Zeit<br />
die erhebende Marienfeier - mit hochrangiger<br />
Beteiligung des Bistums und des Weltklerus -<br />
zur (vorläufigen) Vollendung des Wiederaufbaus<br />
von Kirche und Kloster statt. M. J. Mehs<br />
aus <strong>Wittlich</strong> gab in einer »Tagebuchaufzeichnung«<br />
genannten Zeitungsveröffentlichung<br />
diesem Feiertag eine nachjubelnde Begeisterung,<br />
die im Schlusssatz gipfelt: »Dieser Tag in<br />
Springiersbach wird bei allen Teilnehmern einen<br />
tieferen Eindruck machen als die Ankündigung<br />
des neuen Dogmas.« 7 (Der Weihbischof<br />
hatte eine Andeutung auf das zu erwartende<br />
Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den<br />
Himmel gemacht.)<br />
In den Nachkriegsjahren füllten sich die Kirchen.<br />
Auch die Springiersbacher Klosterkirche<br />
zog immer mehr Gläubige an. Andachten, Wallfahrten,<br />
Ansprachen, Kirchenführungen nahmen<br />
zu. Zahlreiche Pfarreien baten um Aushilfe<br />
293
zu Beicht- und Gottesdiensten, zur feierlichen<br />
Gestaltung von Patronatsfesten und Jubiläen.<br />
Die Seelsorge im Zeller Krankenhaus, die Übernahme<br />
von Pfarrvertretungen, die Betreuung<br />
der verschiedenen Schwestergemeinschaften:<br />
der kleine Konvent - lange Zeit in der Besetzung<br />
drei Patres, zwei Brüder - hätte sich vervielfältigen<br />
müssen, wollte er all dem nachkommen.<br />
Eine Vergrößerung war unvermeidlich.<br />
Der nächste Schritt war die Verlegung des Noviziats<br />
von Straubing nach Springiersbach im<br />
Herbst 1961. Zur behelfsmäßigen ersten räumlichen<br />
Erweiterung dienten die bis dahin vermieteten<br />
Räume im ausgebauten Dachgeschoss<br />
des Klostergebäudes. Ab 1962 konnte<br />
geplant und dann auch gebaut werden: die<br />
Verlängerung des Karmelitenklosters über den<br />
gesamten Ostflügel des ursprünglichen Abtei-<br />
Karrees, schließlich der Erwerb des Nordflügels<br />
- und damit war das Geviert wieder in einer<br />
Hand. Was sich hier in einen Satz drängt, ist die<br />
nach jahrelangen, geduldigen Verhandlungen<br />
mit mehreren Eigentümern, kirchlichen, staatlichen<br />
und kommunalen Behörden und Geldgebern<br />
glücklich erreichte Endstation. 8<br />
Die Eröffnung eines »großen Hauses« (Kirche,<br />
Kloster, Tagungsstätte usw.) war vorausschauend<br />
konzipiert und im glücklich gewählten Zeitraum<br />
begonnen und durchgeführt worden. Bei<br />
einleuchtender Zielvorgabe war es in den 60er<br />
Jahren leichter als 1922 oder gar 1940/41,<br />
wohlwollende Unterstützung und finanzielle<br />
Beihilfen zu erhalten.<br />
Was geschaffen wurde, stellte sich aller Öffentlichkeit<br />
offen, begehbar und einladend dar.<br />
Exerzitien, Tagungen, Einkehrtage, Besinnungswochenenden<br />
und vieles mehr konnten<br />
nun einem breiten überörtlichen Kreis angeboten<br />
werden. Das Gästebuch spiegelt Unterschiedlichkeit<br />
und Vielfalt der Besucher wider,<br />
in Texten und Bildern!<br />
Der Orden, der Konvent, der einzelne Konventuale<br />
haben frühzeitig die Konsequenz aus der<br />
Tatsache gezogen, dass das Kirchenvolk nicht<br />
mehr von sich aus in die Kirche strömt, wie jahrelang<br />
nach dem Zusammenbruch 1945. Der<br />
Einzelne ist kritisch geworden, verlangt andere<br />
als nur schematische Katechismus-Antworten,<br />
sieht sich damit aber in einem Pulk Gleichgesinnter,<br />
die bereit sind, neue Antworten entgegenzunehmen,<br />
sie zu verarbeiten und letztlich<br />
auch anzunehmen, wenn die Antwortenden<br />
294<br />
ernst, engagiert und überzeugend als kompetent<br />
angesehen werden. Die Umstellung auf<br />
Seelsorge dieser Art hat das Kloster Springiersbach<br />
offenbart, offen-gelegt, damit jeder<br />
Mensch in einer neuen »Spiritualität« Wege suchen,<br />
finden, oder auch nur aufgezeigt bekommen<br />
kann.<br />
Aufgabenstellung dieser Art und der praktizierte<br />
Ansatz zu Lösungen werden mit Sicherheit<br />
über die Jahrtausendwende Bestand haben.<br />
Die geschichtliche Entwicklung hielt für die<br />
Schwierigkeiten, unter denen das Karmelitenkloster<br />
sich seit 1922 behaupten musste, einen<br />
damals nicht für möglich gehaltenen »Ausgleich«<br />
bereit: Die Klosteranlage hat die alten<br />
Abteiausmaße annähernd erreicht; die drei<br />
Alftal-Pfarreien Bausendorf, Kinderbeuern und<br />
Bengel mit ihren Filialen werden von den Karmeliten<br />
betreut. Das Kloster kann seine Barockkirche<br />
mit dem beschwingten Rokoko-Dekor<br />
und der neuen Orgel, seinen wiedererrichteten<br />
Kapitelsaal mit z. T. Original-Säulen und<br />
-Kapitellen, seinen versteckten Innenhof dem<br />
Musikkreis Springiersbach (private Träger) für<br />
viel beachtete und z. T. einmalige musikalische<br />
Darbietungen zur Verfügung stellen. Und siehe<br />
da, die Musik passt in diese Räume so fugenlos<br />
hinein, als hätten sie und ihre Ausstattung immer<br />
schon auf diese Ergänzung gewartet. Der<br />
Gründungsprior konnte mit solch einer Entwicklung<br />
nie rechnen; aber die klösterliche<br />
Identität der »Liebfrauenbrüder« unter bisher<br />
15 weiteren Prioren, die nun über ein Dreivierteljahrhundert<br />
hinweg besteht, hat er begründet.<br />
Anmerkungen<br />
1 Erster Eintrag in »Liber sacerdotum peregrinantium qui S. Missam<br />
celebraverunt«. Dieses Buch sowie die als Quelle hier und weiterhin<br />
benutzten maschinen- und handgeschriebenen Vermerke des<br />
ersten Priors der Karmeliten, Schriftverkehr mit Behörden und Notar<br />
u.a. befinden sich im Archiv des Priorats im Karmelitenkloster<br />
Springiersbach.<br />
2 Paulinus - Trierer Bistumsblatt, 19.10.1997, S.22<br />
3 Trierischer Volksfreund 30.09.1997<br />
4 Dazu: P. Clemens Martini: Der neue Karmel von Springiersbach<br />
a.d. Mosel, Aschaffenburg, 1923, Dr. Adalbert Deckert: 50 Jahre<br />
Karmeliten in Springiersbach, Volkach 1972. Zur Geschichte des<br />
Karmelitenordens allg.: P. Clemens Martini: Der deutsche Carmel,<br />
Bamberg 1922/26, Günter Benker (Hrsg.): Die Gemeinschaften des<br />
Karmel, Mainz 1994<br />
5 Archiv des Provinzialats in Bamberg<br />
6 Ausführliche Beschreibung von Karl Laas in Chronik der Alftalgemeinden<br />
1989 S.75 ff.<br />
7 Archiv des Priorats (wie Anm. 1)<br />
8 Näheres siehe Deckert (wie Anm. 4)
Die Eckfelder Stockgüter<br />
Manderscheider Notariatsakten als Quelle<br />
heimatkundlicher Forschungen 1<br />
Unter dem Titel »Die Eifelsachsen« erschien im<br />
Jahrbuch 1990 des Kreises <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
ein Artikel von Gregor Brand 2 , der sich mit der<br />
rechtlichen und sozialen Situation von Stockgütern<br />
befasste, indem er Forschungsergebnisse<br />
vorstellte, wonach die Bauern der Südwesteifel<br />
überwiegend von durch Karl den<br />
Großen zwangsweise umgesiedelte Sachsen<br />
abstammen. Am deutlichsten belegt die besondere<br />
Verwaltung des landwirtschaftlichen<br />
Hofes, das Stockgut genannt wurde, den sächsischen<br />
Ursprung. Stockgüter wurden nach<br />
speziellen Regeln bewirtschaftet. Die größte<br />
Einschränkung der Stockbauern bestand darin,<br />
dass sie teilweise 800 Jahre lang Grund und<br />
Boden bewirtschafteten, der ihnen nicht gehörte,<br />
sondern im Eigentum des Landesherrn verblieb.<br />
Am Anfang der Bewirtschaftung der<br />
Stockgüter stand die gemeinsame Rodung von<br />
Wald und Busch, um Siedlungen anzulegen.<br />
Daraus entwickelte sich eine gemeinsame Bewirtschaftung<br />
des Gemeindewaldes und auch<br />
zum Teil von Feldern, um die Bedürfnisse der<br />
Gemeinde, die Nachfrage nach Bau- und<br />
Brandholz und die Versorgung der Viehherden<br />
zu gewährleisten. Diese Form des bäuerlichen<br />
Rechtes gab es in Sachsen, nicht aber in der<br />
Eifel. Die Grafschaft Manderscheid nimmt wegen<br />
der starken Präsenz ihrer Stockgüter eine<br />
besondere Stellung ein. Auch hier war es die<br />
Ansiedlung von Leibeigenen, die unter sehr<br />
harten Lebensbedingungen Land rodeten und<br />
Siedlungen schafften. Im Laufe der Jahrhunderte<br />
änderte sich das Verhältnis zwischen Untertan<br />
und Herr. Die Rahmenbedingungen wurden<br />
für die Bewohner der Grafschaft günstiger,<br />
der Bauer gewann neue Freiheiten. Am Ende<br />
des 18. Jahrhunderts waren die im Obereigentum<br />
eines Grundherrn gestandenen Güter allmählich<br />
fast vollständiges Eigentum der »nur<br />
besitzenden« bäuerlichen Untereigentümer geworden,<br />
deren Abgabepflicht fast nur noch den<br />
Charakter einer Rente trug. Von den ursprüngli-<br />
Karl Oehms<br />
chen Regelungen blieb vor allem das Verbot<br />
der Realteilung bestehen. Der Hof musste »ungeteilt«<br />
an den Erben weitergegeben werden.<br />
Die Vorschriften überließen es dem Bauern, ob<br />
er das älteste oder jüngste Kind, den Sohn<br />
oder die Tochter als Erben einsetzte, auch<br />
wenn die Erbfolge in der Regel auf den ältesten<br />
Sohn fiel. Er konnte den Hof an »das Kind, das<br />
ihm am besten gefalle« weitergeben. Alle anderen<br />
Kinder durften auf dem Hof bleiben und<br />
ihren Lebensunterhalt als Knecht oder Magd<br />
verdienen. Kinder, die nicht auf dem Hof bleiben<br />
wollten, hatten Anrecht auf einen Anteil am<br />
Vermögen. Dabei blieb das »Betriebsvermögen«:<br />
Haus, Hof, das Vieh und die landwirtschaftlichen<br />
Geräte dem Hoferben vorbehalten<br />
und gehörten nicht zur Vermögensmasse. Geteilt<br />
wurden Möbel, Haushaltsgeräte, Wäsche<br />
und Geld. Kinder, die ihren Anteil am Vermögen<br />
erhalten hatten, mussten den Hof verlassen<br />
und konnten nie mehr zurück. Natürlich konnten<br />
auch verheiratete Geschwister auf dem Hof<br />
bleiben, häufig wohnten sie »auf dem Backes«<br />
und erhielten so den Namen Backesleute oder<br />
Backes. Sie hatten kein Mitspracherecht bei<br />
den Entscheidungen des »Herrn« oder der<br />
»Frau«, wie der jeweilige Stockbesitzer genannt<br />
wurde. Durch den Verbleib des Hofes innerhalb<br />
einer Familie war der ursprüngliche Familienname<br />
so fest mit dem Hof verbunden,<br />
dass eingeheiratete Schwiegersöhne oder neue<br />
Hofbesitzer ihren eigenen Namen ablegen mussten<br />
und nur noch mit dem »Hausnamen« geführt<br />
wurden. Das Verbot der Realteilung stellte<br />
sich schließlich als großer Vorteil heraus, weil<br />
das Betriebsvermögen - der Hof - wirtschaftlich<br />
erstarkt, zu Wohlstand geführt hatte. Am Ende<br />
der Feudalzeit konnten die Bauern auf den<br />
Stockgütern über den Hof nach Gutdünken verfügen,<br />
obwohl sie nur Besitzer, nicht Eigentümer<br />
waren. Die Abgaben, die sie für den fremden<br />
Boden zu leisten hatten, bestanden häufig<br />
nur noch aus einer »Grundrente«. 3<br />
295
Die Französische Revolution mit ihren Wirren<br />
beendete das »Ancien Regime«, schaffte bewusst<br />
alles Alte ab und wollte die von Adel und<br />
Geistlichkeit erlöste Bevölkerung mit den<br />
Wohltaten der französischen Republik beglücken.<br />
4 Die Folgezeit belegt häufig genug das<br />
Gegenteil: die Realteilung führte zur Zersplitterung<br />
des Hofes und des Vermögens. Das Wegbrechen<br />
der alten Märkte ins soziale Abseits<br />
der Bevölkerung, Missernten und Hungersnöte<br />
zwangen die Menschen schließlich zum Verkauf<br />
von Hab und Gut, um in Brasilien, Algerien<br />
oder den Vereinigten Staaten von Nordamerika<br />
ihr besseres Glück zu suchen. Wie wenig die<br />
chaotischen Verhältnisse nach 1794 Denken<br />
und Handeln der Menschen änderten, zeigen<br />
auch einige Akten aus dem Manderscheider<br />
Notariat.<br />
Die Manderscheider Schöffenbücher belegen<br />
bereits vor 1600 die Residenz eines Notars, der<br />
häufig auch Lehrer, Schreiber oder Bote war,<br />
denn die Notarstätigkeit alleine nährte nicht<br />
ihren Mann. 5 Viele der heutigen Notarsaufgaben<br />
wurden auch durch die Gemeindeschöffen<br />
wahrgenommen, die die bäuerlichen Erbangelegenheiten<br />
unserer Vorfahren oder vermögensrechtliche<br />
Übergänge auf Kinder und Erben<br />
im Schöffenbuch 6 festhielten. Manderscheid<br />
war ein kleines Notariat, denn die ab<br />
1838 erhaltenen Urkunden im Landeshauptarchiv<br />
Koblenz belegen, dass in Dudeldorf etwa<br />
die dreifache Anzahl an Beurkundungen vorzunehmen<br />
war. Nach dem Tod des Manderscheider<br />
Notars Joh. Peter Pütz am 31. Januar 1843<br />
folgten unzählige preußische Beamte, deren<br />
Verweildauer oft nur wenige Jahre betrug. Häufig<br />
wird es sich um die erste Amtsstelle der<br />
Kandidaten gehandelt haben. Ganz im Gegensatz<br />
zu dem »Manderscheider« Notar Johann<br />
Peter Pütz, der dieses Amt vierzig Jahre versah<br />
und noch an seinem Sterbetag die Verkaufsurkunde<br />
der auswanderungswilligen Eheleute<br />
Joh. Flesch - A. Maria Schmitz handschriftlich<br />
niederlegte. 7<br />
J. Peter Pütz wurde am 18. April 1775 in Niederstadtfeldt<br />
als erstes Kind der Mühlenpächter<br />
Johann P. Pütz und Margaretha Oehms geboren.<br />
Diese Eheleute lassen sich 1783 auf der<br />
Manderscheider Neumühle nieder. 8 Ihr zweiter<br />
Sohn Hubert übernimmt mit seiner Linie die<br />
Müllertradition, die in einer Zwangsversteigerung<br />
im Jahre 1907 ihr vorzeitiges Ende findet. 9<br />
296<br />
Die Neumühle war eine reiche Mühle, und so<br />
verwundert es nicht, dass der Notar J. P. Pütz<br />
nach seiner Eheschließung 1803 mit Maria Josepha<br />
Walscheid bereits 1804 Räumlichkeiten<br />
von der französischen Regierung 10 ersteigern<br />
konnte, um seine [Dienst-] Wohnung einzurichten.<br />
Die Patenschaften bei seinen Kindern oder<br />
deren Eheschließungen belegen, dass die Familie<br />
zur Oberschicht gerechnet wurde. 11 Neben<br />
Anton Thielen, Großgrundbesitzer aus<br />
Dierfeld, zieht Joh. Peter Pütz 1828 als Grundbesitzer<br />
und Notar in den <strong>Wittlich</strong>er Kreistag<br />
ein. 12<br />
Urkunden von 1838 zeigen die wirtschaftliche<br />
Situation der Stockgüter der Gemeinden<br />
Eckfeld und Steinborn<br />
Akten des Notars Pütz sind erst ab 1838 erhalten.<br />
13 Laut Beurkundung Nr. 175 vom 27. Dezember<br />
1838 kaufen die Eckfelder<br />
Einsassen/Stockgüter 14 die Grundrente an<br />
Korn und Hafer des Hillscheider Hofes von Peter<br />
Paul Jurion, Advokat in Diekirch im<br />
Großherzogtum Luxemburg, der durch Anton<br />
Buchholz, Ackerer zu Gelsdorf 15 vertreten wird.<br />
Der Herr Advokat Jurion .... verkauft und überträgt<br />
hierdurch seine auf dem sogenannten Hillscheider<br />
Hof zu Eckfeld 16 zu fünf Malter vier<br />
Sümmer [= vierundzwanzig Scheffel] Korn, und<br />
zehn Malter acht Sümmer [= circa achtundvierzig<br />
Scheffel] Habern haftende Grundrente, welche<br />
ihm von Seiten der Französischen Regierung<br />
.... lt. Beschluß vom 01. May 1810 übertragen<br />
und abgetreten wurde. Als Kaufpreis wird<br />
ein Betrag von 1 050 Preußischen Thalern ausgehandelt,<br />
den die Eckfelder teils in Gold - und<br />
zwar in 10-Thaler-Stücken [dabei hat jedes einen<br />
Wert von elf Thalern zehn Silbergroschen] -<br />
und in preußischen Kassenanweisungen bezahlen.<br />
Anschließend »untersuchte« man die<br />
Geldstücke. Neben der Begutachtung der<br />
Münzen benutzte man auch die Zähne, um sich<br />
von der Echtheit des Goldes zu überzeugen.<br />
Eine weitere Klausel erwähnt, dass die Ernte<br />
des laufenden Jahres noch dem Verkäufer zufalle,<br />
weil .... die laufendjährige Lieferung der<br />
fraglichen Rente, welche Martini Episcopi abhin<br />
anfalle...., d. h. am 11. November waren Raten<br />
und Zinsen aus Verträgen zu zahlen, eine Regelung,<br />
die auch heute noch bei der Übergabe<br />
und Verpachtungen von Grundstücken, Ländereien<br />
oder Gärten Bestand hat. Obwohl
zunächst genaue Ratentermine und Zinsen<br />
festgelegt oder abgesprochen waren, zahlten<br />
die Eckfelder den Betrag in einer Summe. Die<br />
Käufer waren unsicher, ob die Zinsen tatsächlich<br />
nicht zu leisten waren und beauftragten<br />
Peter Hommes, den Bürgermeister, mit der<br />
nachträglichen Klärung.<br />
Die nächste Klausel macht deutlich, dass sich<br />
1838 noch nichts an der Bewirtschaftung<br />
durch die Stockbesitzer geändert hatte. Sie<br />
stellt fest, dass das Hillscheider Land .....von<br />
der fraglichen Grundrente befreyet, nun ihnen<br />
zur freyen Verfügung stehe, so hätten sie unter<br />
sich festgestellt, daß sie dasselbe, sey es als<br />
Wildland, oder in Zuschaffung zu Ackländereyen<br />
nach der bisherigen Benutzungsweise sofort<br />
benutzen und gebrauchen wollten, so lange,<br />
bis die Mehrheit der sechszehn Theilhaber eine<br />
andere Benutzungsweise..... für vortheilhafter<br />
hielte.<br />
Vorausgegangen war diesem Akt eine<br />
Urkunde 17 , mit der die Eckfelder Stockerben einen<br />
Teil des Hillscheider Hofes an Brockscheider<br />
Bürger 18 verkauften, um so überhaupt erst<br />
die finanziellen Mittel zum Kauf der Kornrente<br />
zu erhalten. In dieser Urkunde wird auch das<br />
Wirken der preußischen Verwaltung deutlich:<br />
Die angeführten Einsassen von Eckfeld, die respektierlichen<br />
Ehemänner ihre angeführten<br />
Eheweiber hierzu ermächtigend, verkauffen ...<br />
usw. Im Gegensatz zu der vorherigen Stellung<br />
der Frau, die bereits in den Schöffenbüchern<br />
Manderscheids vor 1700 selbstständig Geschäfte<br />
abschloss, war nun die zumeist als<br />
Haus/Landfrau tätige Ehefrau grundsätzlich<br />
»geschäftslos« und bedurfte generell der Erlaubnis<br />
ihres Ehemannes, um An- oder Verkäufe<br />
zu erledigen. Dies nahm teilweise groteske<br />
Züge an, wenn z. B. der Ehemann seine sterbende<br />
Ehefrau ‚ermächtigte‘, damit diese ein<br />
Testament zu seinen Gunsten ausfertigen 19<br />
konnte.<br />
Die Eckfelder Stockbesitzer verkauften zu dem<br />
ausgehandelten Preis von 940 Thalern<br />
‘Preußisch Kourant‘ das .... gemeinschaftliche<br />
und ungetheilte Grundstück und Wildfeld auf<br />
Hillscheid in der Abseite, Flur drey Nummer<br />
zwey des Gemeinde-Kataster von Eckfeld, welches<br />
durch den Königlichen Wald Herrnloch,<br />
durch die Wiese Hötzbach, durch den Wald<br />
Hillscheid und zu dieser Seite theilweise durch<br />
die Bergrippe und theilweise durch den Hill-<br />
scheider Feldweg begränzt wird, und ferner<br />
[weiter] langst den Wald Herrnloch, über die<br />
Bergrippe, langst den Hillscheider Feldweg und<br />
auf dem unteren jenseitigen Kopf mit einem<br />
Graben abgeschlossen ist. Anhand dieser Beschreibung<br />
lässt sich für den Ortskundigen das<br />
verkaufte Areal auch heute noch im Grenzbereich<br />
zwischen der Gemeinde Brockscheid und<br />
dem Wald Herrnloch nachweisen.<br />
Die Eckfelder verzichteten bei diesem Verkauf<br />
auf den »Waidstrich« der Waldparzellen, das<br />
heißt, sie konnten Kühe und Schweine nicht<br />
mehr zur Mast in diesen Teil der Gemeinde treiben.<br />
Sie reservierten sich aber den Mitgebrauch<br />
des Feldwegs, welcher ..... aus dem<br />
Districkt »Asbachen« über die unteren diesseitigen<br />
Ecken des verkauften Grundstücks führet.<br />
Ebenso wie beim Kauf der Eckfelder wollten<br />
die Brockscheider .... das fragliche Grundstück<br />
in Gemeinschaft kaufen, und zur gemeinschaftlichen<br />
Winnung, Benutzung und Genießung,<br />
sey es in Behandlung als Wildland, Schiffelland,<br />
oder in Umschaftung als Ackerland solange so<br />
zu behalten, als die Mehrheit der Theilhaber damit<br />
einverstanden seyn wird.<br />
Nach Verlesung des Vertrages folgten die Unterschriften<br />
im Beisein der Zeugen. 20<br />
Am Ende des 20. Jahrhunderts können wir uns<br />
kaum vorstellen, dass die Gemeinden um 1840<br />
in einer Rechtsverfassung lebten, als hätte es<br />
weder Französische Revolution, die französische<br />
Republik oder die fast 25-jährige Zugehörigkeit<br />
zu Preußen gegeben. Die preußische<br />
Gemeindeordnung wurde aber 1845 eingeführt,<br />
und die preußische Regierung begann<br />
erst nach 1850 mit Maßnahmen, um die wirtschaftliche<br />
Situation in der Eifel zu verbessern.<br />
In einer Zeit, in der in Folge der Französischen<br />
Revolution, durch wirtschaftlich/sozialen Niedergang<br />
und Missernten das gesamte wirtschaftliche<br />
Leben darniederlag, in der Preußen<br />
sich einem sehr langen Gewöhnungsprozess<br />
unterzog, um das ungewollte »Rheinland« zu<br />
verwalten, in der die Auswanderungswellen<br />
nach Amerika, Brasilien oder Algerien auf einen<br />
ersten Höhepunkt zustrebten, lebten die Menschen<br />
nach den erprobten Mustern oder Rechten<br />
von Vätern und Großvätern: Die Besitzer<br />
der Stockgüter traten nicht unter eigenem Namen,<br />
sondern als Anteilseigner eines Stockgutes<br />
»gemeinsam« als Käufer auf und die erworbenen<br />
Parzellen verblieben »gemeinsames« Ei-<br />
297
gentum. Als »Gehöferschaft« wollte man das<br />
Land nutzen und auch darüber entscheiden, ob<br />
und wie die Nutzung geändert wurde. Die<br />
Rechtsstellung der jahrhundertelang gepflegten<br />
Stockgutverfassung bestimmte den Alltag,<br />
schloss gleichzeitig Fremde, Knechte, Mägde,<br />
Lehrer oder »nicht-am-Stockgut-Beteiligte«<br />
aus. Peter Esch 21 sieht in der Erhaltung der<br />
Stockgüter bis ins 19. Jahrhundert wirtschaftliche<br />
Gründe. Er verweist darauf, dass das traditionelle<br />
Rechtsempfinden der Bauern deshalb<br />
so ausgeprägt war, weil es sich ohne Grundherrschaft‘<br />
(d. h.: Grundeigentum) in Jahrhunderten<br />
bewährt und durchgesetzt hatte. Der<br />
Grund für den Rückkauf der Kornrente durch<br />
die Eckfelder liegt vermutlich in der wirtschaftlichen<br />
Notwendigkeit: Sie benötigten Nutz- und<br />
Brachland des Hillscheider Hofes, um in den<br />
schlechten Zeiten die Versorgung ihrer Familien<br />
zu gewährleisten. Der Verkauf von »Hillscheid<br />
in der Abseite« an Brockscheid finanziert<br />
den Rückkauf weitgehend.<br />
So wenig, wie sich die Vorstellung von rechtlichem<br />
Handeln oder Gepflogenheiten geändert<br />
hatte, hatte sich auch der Ort selbst verändert.<br />
Wir können dem Eckfeld aus der Erhebung des<br />
Jahres 1686 22 (da galt Eckfeld als das größte<br />
Dorf der Grafschaft) das Eckfeld aus dem Jahre<br />
1838 gegenüberstellen und finden kaum Veränderungen.<br />
Die Anzahl der Güter hatte sich<br />
von 17 auf 16 verringert: Aus den Familiennamen<br />
des Jahres 1686 sind nun »Hausnamen«<br />
geworden, die identisch waren mit dem Namen<br />
des Stockgutes. 1686 werden Peter Borns und<br />
Peter Hofmann aufgeführt, deren Namen 1838<br />
fehlen; dafür kommen Peter Hommes, Greins-<br />
Gut, Weyers-Gut und Saurens-Gut hinzu.<br />
Die vorstehenden Angaben widersprechen den<br />
Ausführungen von Franz Josef Zens, der für<br />
Bettenfeld und Eckfeld im Jahre 1790 sechs<br />
Stockhäuser nachweist. 23 Die Notariatsakte belegt<br />
eindeutig 16 Stockgüter für Eckfeld und<br />
kaum Veränderungen bei den Namen. Dies war<br />
nur möglich, weil die eingeheirateten Schwiegersöhne<br />
oder Anerben ihren eigenen Namen<br />
ablegten 24 , um fortan den Namen des Hauses<br />
oder Stockgutes zu tragen. In der Grafschaft<br />
Manderscheid-Blankenheim verbot das Landrecht<br />
noch 1694 die Realteilung, sodass auch<br />
die Anzahl der Güter nahezu unverändert blieb.<br />
Bestätigt wird dies auch am 25. April 1789 in einem<br />
kurfürstlichen Protokollakt, denn ... ganz<br />
298<br />
besonders gilt dieses Vererbungsrecht für die<br />
Schafft- und Lehensgüter. 25 Bei den neuen Familien<br />
im Vergleich zur Aufstellung des Jahres<br />
1686 wird es sich um neue Stockbesitzer handeln,<br />
die in wüst gewordene Güter eingesetzt<br />
wurden.<br />
Die Urkunden zeigen uns - anhand der erwachsenen<br />
Vertragspartner, die »des Schreibens<br />
unerfahren« sind - die katastrophale Bildungssituation:<br />
Die Verbesserungen, die der letzte<br />
Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus ab<br />
1779/80 im Schulwesen bewirkt hatte, waren<br />
durch ihn selbst beim Herannahen der Französischen<br />
Revolution teilweise wieder rückgängig<br />
gemacht worden. Die Zeit nach 1794 zerstörte<br />
jegliche Ordnung. Die französische Republik<br />
und ihre Verbesserungen im Schulwesen<br />
waren zu kurz, um zu greifen, und nach<br />
1815 begannen die Preußen nur zögerlich, ein<br />
geeignetes Schulwesen einzuführen.<br />
In welch schwieriger Situation sich Stockbesitzer<br />
gegenüber ihrer Gemeinde befanden, zeigt<br />
ein weiterer Vertrag des Notars Pütz auf. 26 Vor<br />
dem Notar, der sich auf Ansuchen in das Gemeinde-<br />
und Schulhaus zu Steinborn im Kreise<br />
<strong>Wittlich</strong> [bei Kyllburg] begeben hatte, erschienen<br />
die Steinborner Stockerben 27 . Sie führen<br />
aus, dass sie ....die Dreyzehn alte Einwohner<br />
unter dem Namen von Stockbesitzern, woraus<br />
ihre Gemeinde in früheren Zeiten bestanden,<br />
seyen, und bis auf die neueren Zeiten in dem<br />
guten Glauben, daß ihre Waldungen ihr Privat-<br />
Eigentum gewesen, gelebt hätten. In welchem<br />
Standpunkte sie nicht nur deren Bewirtschaftung<br />
geführt, sondern auch ihre Gemeinde Bedürfnisse<br />
daraus bestritten, und unter anderem<br />
in der jüngsten Zeit eine neue Kirche und ein<br />
Schulhaus erbaut hätten, deren Baukosten sie<br />
in dem Glauben, selbe nach und nach daraus<br />
zurück zu nehmen. Als Ausgleich für die Schulden<br />
und Kosten, die die Stockgüter gemeinsam<br />
eingegangen waren, wollten die Stockerben<br />
den »Schafwald« einschlagen lassen, um<br />
mit dem Erlös die Kosten zu decken. Nach Einspruch<br />
durch die Obrigkeit (Förster?) kam es zu<br />
Prozessen vor dem Appellations-Gerichtshof in<br />
Köln 28 und am Revisions- und Kassationshof in<br />
Berlin 29 , danach ....hätten sie sich Höheren Orts<br />
dafür verwenden müssen, daß die Schulden,<br />
welche sie zur Erbauung ihrer Kirche und ihres<br />
Schulhauses eingegangen seien, auch als Gemeindeschulden<br />
erklärt werden, welches so
nach durch Verfügung der königlichen Regierung<br />
zu Trier vom 14. Juny d. J., unter dem Vorbehalt,<br />
daß sie alle ihre Privat-Ansprüche auf ihre<br />
Kirche und ihr Schulhaus aufgeben und an<br />
die Gemeinde abtreten müßten, geschehen sei.<br />
Die dreizehn Komparenten 30 beurkundeten daher<br />
gemeinschaftlich und einstimmig, dass sie<br />
ihrer Gemeinde die auf solche Art erbaute Kirche<br />
und das Schulhaus übertragen und verpflichteten<br />
sich gleichzeitig, auf weitere Ansprüche<br />
an die Gemeinde zu verzichten. Sie<br />
verpflichteten sich in der Notarsurkunde sogar,<br />
ein Urteil anzuerkennen, das ihnen noch gar<br />
nicht zugestellt worden war .... die beyden Urtheile<br />
nicht nur als rechtskräftig anerkennen,<br />
sondern auch das letztere vom Königlichen Revisions-<br />
und Kassationshof, welches ihnen<br />
noch nicht zugestellt worden seye, als zugestellt<br />
anzusehen.<br />
Hier hatten die Stockgutbesitzer um 1800 auf<br />
ihre Kosten Kirche und Schulhaus bauen lassen.<br />
Peter Esch weist nach, dass die Stockbesitzer<br />
soviel Holz schlagen lassen konnten, wie<br />
für ihren Haushalt, ihre Ackergerätschaften und<br />
für die Errichtung oder Reparaturen der Gebäude<br />
notwendig war. Das Vieh wurde in gemeinschaftlichen<br />
Herden auf die Waldweiden getrieben.<br />
Die Steuern und den Förster bezahlte<br />
man ebenfalls gemeinschaftlich. 32 In preußischer<br />
Zeit legte die Regierung sehr früh Wert<br />
auf eine bessere Bewirtschaftung der Wälder<br />
und ersetzte die Gemeindeförster weitgehend<br />
durch Beamte. Der Wald, den die Steinborner<br />
zur Kostendeckung einschlagen lassen wollten,<br />
war nun aber der ganzen Gemeinde und<br />
nicht den Stockbesitzern gerichtlich zugesprochen<br />
worden. Sie verzichteten mit dieser Urkunde<br />
auf ihr Eigentum an Kirche und Schule,<br />
die sie nun der Gemeinde überschrieben - die<br />
ihrerseits die Kosten für die Schuldentilgung zu<br />
übernehmen hatte.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Nach Kopien der Originalunterlagen im LHAK, Außenstelle Rommersdorf.<br />
2 Verwendete Literatur: Laeis: Die Stock- und Vogteigutsbesitzer der<br />
Eifel, 2 Bände, Trier 1831. F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-,<br />
Schafft- u. Vogteigüter in der Südwesteifel vor der Einführung des<br />
Code Civil, Köln 1938. Peter Esch: Die Stock- und Vogteigüter der<br />
Eifel, Heidelberg 1946. Günter Hesse u. Wolfgang Schmitt-Kölzer,<br />
»Manderscheid«, Geschichte einer Verbandsgemeinde, 1986. Gregor<br />
Brand: Die Eifelsachsen, in: <strong>Kreisjahrbuch</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
1990, Seite 313. Johann Heck, Düsseldorf, 1996: Familienbuch I<br />
Laufeld, mit den Orten Eckfeld, Niedermanderscheid, Oberöfflingen,<br />
Pantenburg, Schladt und Wallscheid 1694 - 1807. Karl<br />
Oehms: Familienbuch Manderscheid, Manderscheider Familien<br />
von 1700 - 1900. Karl Oehms: Manderscheider Geschichte(n),<br />
<strong>Kreisjahrbuch</strong> Bemkastel-<strong>Wittlich</strong> 1999, Seite 103.<br />
3 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter in<br />
der Südwesteifel vor der Einführung des Code Civil, Köln 1938.<br />
4 Aus der Rede des Bürgers Rudler, einem Elsässer Regierungskommissar<br />
für alle Länder zwischen Maas und Rhein, Rhein und Mosel<br />
vom 11. Dez. 1797.<br />
5 Wilhelm Jöntgen: Notarssignete aus dem Kreisgebiet, <strong>Kreisjahrbuch</strong><br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1979, Seite 152.<br />
6 Scheffenbuch Manderscheid, Anno 1570, LHAK Best. 1 C 6124.<br />
7 S. G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 867.<br />
8 Die Familie Pütz wird seit dem 09.02.1773 auf der Neumühle nachgewiesen,<br />
als der Bruder des Johann Peter Pütz-Oehms, nämlich<br />
Johann Peter Pütz mit Gertrud Lenz, Witwe Rollmann, eine Ehe<br />
eingeht.<br />
9 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 858.<br />
10 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 195.<br />
11 Oehms: Familienbuch Manderscheid, Nr. 896.<br />
12 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, Seite 344.<br />
13 Hinweise auf den Verbleib von Akten vor 1838 werden gerne entgegengenommen.<br />
14 Die Inhaber der Eckfelder Stockgüter:<br />
Peter Hommes - für sich und als Rechtshaber der Nicolas Lenertz<br />
Erben<br />
Margaretha Schleidweiler, Witwe Blum für Weyers Gut<br />
Friedrich Heyer - Rechtshaber für Lorens Gut<br />
Nicolas Zimmer - Rechtshaber für Muhnen Gut<br />
Peter Scherman - Rechtshaber für Mitterich/Müderichs Haus<br />
Jacob Herres u. Bernard Stadtfeld - für Greins Gut<br />
Jacob Walper - für Saurens Gut<br />
Mathias Borsch und Philipp Borsch - für Walpers Gut<br />
Mathias Gerhards - für Theis Gut<br />
Jacob, Peter und Barbara Gerhards; Nicolas Müller und Peter MüllerRechtshaber<br />
für Pauls Gut<br />
Peter Hohns & Mathias Berg, dieser Wollenweber, wohnhaft zu Niedermanderscheid<br />
- beyde Rechtshaber für Bauers Gut<br />
Margaretha Hammes, Wittib, für sich und ihre Kinder - als Rechtshaber<br />
des Thullen Gut<br />
Nicolas Schermann - für Peters Gut<br />
Johann Nicolas Otten - Rechtshaber für Schmitz Gut<br />
Mathias Schneider, Nicolas Kurtz, Matthias Schmitz & Catharina<br />
Kauffmann - Rechtshaber für Schneiders Gut;<br />
alle Ackersleute, wohnhaft zu Eckfeld & 16 Theilhaber ausmachend,<br />
indem Peter Hommes zu 2/16 partizipiert.<br />
15 Dieser wird bei der Verpachtung der Himmeroder Mühle im Jahre<br />
1845 als »Gastwirt« in Großlittgen geführt.<br />
16 G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Manderscheid, S. 144/145, S. 564 f.<br />
17 Laut Notarsakte Nr. 170 vom 07.12.1838.<br />
18 Die Brockscheider Einwohner: Peter Peiffer, Peter Schenk, Mathias<br />
Gillen, Adam Schneider, Adam Schmitz, Peter Mittler, Friedrich<br />
Schneider, Johann Mathias Wallerath, Mathias Schneider,<br />
Adam Thulen, Peter Schmitt, Anna Maria Hommes, Wittib, Martin<br />
Hendges, Sebastian Ackermann, alle Ackersleute & Nicolas Hennen,<br />
Müller und Ackerer, alle wohnhaft zu Brockscheid.<br />
19 Testament der Kath. Oehms geb. Steffens, Notarsakte Nr. 358 v.<br />
31.12.1892, Notariat Manderscheid, Notar Emil Krüll.<br />
20 Nicolas Pauly, Schullehrer zu Buchholz und Peter Becker, Tagelöhner,<br />
Eckfeld, mit Ausnahme ...der Wittib Blum, die Ehefrau<br />
des Peter Schermann, der Ehefrau Stadtfeld und der Ehefrau<br />
Hohns; dann mit Ausnahme der Ankäufer Mathias Gillen, Friedrich<br />
Schneider und A. Hommes, Wittib, welche alle erklärten, wegen<br />
Schreibens-Unerfahrenheit nicht unterschreiben zu können, und<br />
welche sich verhandzeichnet (Sie machten ihr Kreuz, bzw. ein X)<br />
haben. Geschehen zu Eckfeld am 17. Dez. 1838.<br />
21 Peter Esch: Die Stock- und Vogteigüter der Eifel, Heidelberg 1946,<br />
Seite 32.<br />
22 HvCrA Dülmen und G. Hesse/W. Schmitt-Kölzer, Seite 564/565.<br />
23 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter,<br />
Seite 18.<br />
24 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter,<br />
Seite 36, nach Anton Hecking: Geschichte der Herren von Schönberg<br />
nebst Beiträgen zur Geschichte der Eifel, St. Vith 1884, S. 6.<br />
25 F. J. Zens: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- u. Vogteigüter,<br />
Seite 16.<br />
26 Notarsakte Nr. 136 vom 11. Aug. 1838.<br />
27 Steinborner Stockbesitzer: 1.) Johann Schilz 2.) Hugo Eisen genannt<br />
Löwen 3.) Catharina Diedrich, Witwe des Mathias Meyers,<br />
für sich und ihre Kinder, wofür sie sich stark gehalten erklärt 4.) Mathias<br />
Schmitz, genannt Backes 5.) Nicolas Zanders, genannt<br />
Scholzen 6.) Johann Adam Berrens, genannt Even 7.) Georg Clemens,<br />
genannt Keilen 8.) Simon Esch, genannt Schon, 9.) Nicolas<br />
Berrens, genannt Agnessen 1 0.) Catharina Koenig, Witwe von Johann<br />
Heinz 11.) Johann Schwickerath, genannt Neissen 12.) Johann<br />
Hein, genannt Zires, und 13.) Jacob Lenz, genannt Mires.<br />
28 Urteil vom 7. Aug. 1828.<br />
29 Urteil vom 13. Febr. 1838.<br />
30 Vertragspartner.<br />
299
Erzählungen,<br />
Erinnerungen<br />
und<br />
Unterhaltsames
Nauß Kloas un sein Trauwenhäek<br />
Wie et an isem Doaref nach kän Stroaßenlampen<br />
gänn hätt, haaden die jong Burschen, wie<br />
ma su sät, frei Hand fia aowends Deiwelareien<br />
ze maachen. Un d’n Hearest, su bal et frejhja<br />
dejsta guf, hänn se Gebrouch davon gemaach.<br />
Ob waat fia’n ousgefaalen Ideen se an<br />
hiarem Iewamout kommen sejn, daat beweist<br />
die Geschicht, die ich hei obgeschriewen hänn.<br />
Nauß Kloas, von da Natur bößi kurz gehaal,<br />
waat Schienhät oanbelaangt un och naach<br />
schwiar-hiarich, mut ömma rom herhalen. Oan<br />
sei’m Haus, zwöschen Staal un Scheija, hätt<br />
sich en schien Trauwenhäek hichgerankt. Die<br />
hätt de Kloas et ganz Joahr gehegt un geflegt<br />
wie sein Aochäpelchen. Un d’n Herest, wenn<br />
de Trauwen zeidig guwen, hätt’en drob obgepasst<br />
wie en Luchs.<br />
O wieh, et aß moal ejmen mat laange Fangan<br />
der Trauwenhäek ze nikst kommen! Fia dä Faal<br />
haat’en ömma è fäarem Baachschejt griffberät<br />
hanna da Housdia leijen. De Loft broucht blus<br />
deboußen en Äma omzejäjen oder è bößi oan<br />
de Finstaloaden ze roppen; schwupp hätt de<br />
Kloas wie è Wädamäennchen ob da Housdia<br />
gestaan un gefiahrlich mat d’m Baachejd an da<br />
Loft her gefuchtelt.<br />
Daat haaden die Durfjongen och flott spatz, un<br />
se haaden sich viagehuul, de Kloas bös zum<br />
Äußersten ze treiwen.<br />
Et woar rom Hearest, de Trauwen am Kloas<br />
seina Häek hänn schun goldgäl geliecht, un<br />
moanija äm, dän durch de Hönnigtgaaß gung,<br />
aß et Waaßa an da Maul zesoamengeloaf.<br />
Ob da Schear, von jeher Treffpunkt fia die<br />
männlich Durfjugend, hänn änes aowends hiara<br />
veja halefwießija Burschen de Käpp zesoamengestaach.<br />
»D’n Aowend hole ma Nauß<br />
Kloas rous,« hätt äne gesoat. »Ejch hänn de<br />
möttig en Striehpopp an isa Scheija gemaach.<br />
Et aß en Käalen wie Schiewig Michel. Die krejt<br />
de Kloas d’n Aowend ob de Läta oan sein Trauwenhäek<br />
gestallt. Da wölle ma äß sejn, waat’é<br />
mäet.«<br />
Dreiser Mundart<br />
Katharina Pawelke<br />
Schun noah’a knappa Stonn sejn die veja Lausaten<br />
mat der Striehpopp durch et Dräspiedchen<br />
an de Hönnigtgaaß geschlach. Bei Linnen<br />
Haans hänn se de Schobenläta gehul, die bei<br />
de Kloas oan de Trauwenhäek gestallt un doa<br />
die Striehpopp drob. Änen von dä Burschen<br />
duppat mat’a Buhnestang fäarem beim Kloas<br />
oan de Kichefinsta, lißt die Staag faalen un gäht<br />
wie die anan an Linnen Haans sei’m Schoben,<br />
hanna de Bäelichfäesan an Deckung.<br />
Schun kömmt de Kloas, wie awoart mat d’m<br />
Baachschejd ob de Housdia geloaf, kuckt sich<br />
om un sejht joa dat laang Gestäel ob da Läta<br />
oan seina Trauwenhäek stoahn. Hä schlejcht<br />
sich viasichtig roan, just an dem Moment gäht<br />
de Moand an Deckung. En hätt blus naach mat<br />
äm Aoch viawötzig hanna’ra Wolk rousgeblinzelt,<br />
un et aß nommi en foahle Schejn ob die<br />
Trauwenhäek gefaal, su dat die laang Gestalt<br />
nött ze a-käenen woar.<br />
»Daat lao wird ich dia aobgewehnen«, hät de<br />
Kloas gerouf, un du hajt’en dem vermeindlichen<br />
Trauwenströppat kurzerhand än mat dem<br />
Baachschejd iewa de Rommel ,dat' dän hiem<br />
fia de Fejß fäelt.<br />
»Majusebetta! Wenn ich däm weilen ze deck<br />
gedoan hänn,« hätt de Kloas su bei sejch gedoacht,<br />
wie die Gestallt sich nött geriehrt un<br />
bewiecht un kän Tun von sich gänn hätt.<br />
An seina Vazweiwelung gung' é sei Kätt roufen.<br />
Se hänn sich allen zwai, de Kloas un’d Kätt, iewa<br />
die leblos Gestallt gebeckt. De Moand hätt<br />
sich flott ganz hanna en Wolk vastoppt, un de<br />
Kloas woar am Jamman: »Nä, nä! Dut schloan<br />
wollt ich’en nött, wirklich nött! Waat solle ma<br />
nommen maachen? Ejch kommen hanna<br />
Faala, wenn dat lao rouskömmt. Da soa dach<br />
äepes, Kätt, soa dach äepes! Waat solle ma<br />
maachen?!«<br />
»Gih d’n Herr roufen,« hätt et Kätt gesoat, »dat<br />
dän oarme Sünder hei naach de Letzt-Ölung<br />
krejt! Mih wird doa nött mih ze maachen sejn!«<br />
Loa äwa kömmt ous Linnen Haans seim Scho-<br />
301
en è Gelächter, daat die zwai zesoamengefoahr<br />
sejn. De Kloas guf stutzig, un wie endlich<br />
de Groschen gerötscht woar, hätt’é gerouf:<br />
»Die Pänz hänn mia en Sträch gespielt! O woart<br />
dia! Daat krej’da hämgezoahlt!«<br />
Die veja Burschen sejn wie de Rih hanna de<br />
Et woar kurz noah da Währung, wie a Meerfeld<br />
e Musikfest, änt von d'n ischten noahm Kriech<br />
gefeiert guf. Et gung du zwoar nach sia bescheiden<br />
zou. Ob en freie Plaatz beim Doaref<br />
hänn die Mitglieder vom Musikvarejn an Eigenleistung<br />
en Zelt obgebaut, un doadran hätt sich<br />
dat Festchen daan oabgespielt. De Musikvarejn<br />
voa Bäetefeld woar och ageloaden. Äwa<br />
die Nachwuchsspieler woarn nach nött su wejt,<br />
dat se bei em Auftritt matspieln kunnten. D'n<br />
Dirigent hätt se zesoamengehul un hienen die<br />
Sachlage kloar gemaach.» Et sei denn«, hätt'en<br />
denen vaklickat, dat se berät sejn, nach<br />
zousätzlich zwu Stonnen an da Woch an de<br />
Musikproof ze kommen, un och nach dahäm<br />
fäarm ze üben. Die Jongen woarn berät, un se<br />
sejn treu un redlich nött nommen moandes un<br />
freides Aowends an de Proof, se hänn och<br />
nach jed frei Minut ousgenotzt un den Alen<br />
dahäm de Uahne voll gebloasen. Ob jede Faal,<br />
se durften mat noah Meerfeld.<br />
Nou woarn du joa nach de Groschen sia knapp<br />
un Schneida Bebbi guf sei'm Jong, d'm Metti<br />
sechs Groschen mat, dat`en sich och e Gläßi<br />
Beja oda e Wuuschbritchen, wat du veja Groschen<br />
kost hätt, käfen kinnt.<br />
De Metti hätt sich stolz wie Oskar mat dä sechs<br />
Groschen un seina Trompet ob de Weg gemaach.<br />
Beim Durfplaatz hänn sich die Musikannten<br />
getraaf, un von doa ous sejn se mat<br />
em ale klapprije Bus noah Meerfeld getuckat.<br />
Beim Festzug durch et Doaref sejn d'm Metti<br />
beim Spielen, ob der holprija Stroaß, wat joa kä<br />
Wonna woar, alt e poar falscher Tin dazwöschen<br />
geroaden, su dat d'n Dirigent bal an't<br />
302<br />
Sechs Groschen<br />
Dreiser Mundart<br />
Katharina Pawelke<br />
Bäelichfäeßan rousgesprongen, un nejßt wie<br />
ab.<br />
De Kloas aß’en mat d’m Baachschejd durch et<br />
halef Durf noahgeloaf. Un et woar è Gottesgleck,<br />
dat die Jongen flotta woan, soß wiar’et<br />
am Äen äwa nach è Mäläar gänn.<br />
schwitze kommen aß. Äwa den Zuschauern<br />
wird daat nött weida obgefaal sejn. De Hauptsaach,<br />
hän haat et mat seine 17 Joahn geschafft,<br />
dabej ze sejn. Ja dat ischt Musikfest<br />
woar fia de Metti en Erlebnis, wu'en nach laang<br />
davon geziehrt hätt. Un et schinst bei der<br />
Saach, se sejn frejgehaal gänn. Et hätt jedaänen<br />
von dä Nachwuchsspielan è Limo oder è<br />
Beja un è Wuschtbritchen ous da Vareinskass<br />
bezoahlt krejt. Sein sechs Groschen kunnt de<br />
Metti bahalen. Die hänn ob d'm Hämweg am<br />
Bochsesaak su schin woarm gehaal, un die<br />
hätt'en seina Motta den anare Morjen rom<br />
zreckgänn.<br />
De Joahr sejn vagaangen, de Zeiden hänn sich<br />
geäenat, se sejn bessa gänn, un wie de Motta<br />
Bebbi hia'n 80. Geburtsdaach gefeiat hätt, sejn<br />
hia Kanna ous aalen Hiemelsrichtungen hämgeströmt.<br />
Viel schin al Erinnerungen sejn obgefröscht<br />
gänn. De Red kum och ob et ischt Musikfestchen<br />
a Meerfeld. »Motta«, hätt de Metti<br />
gefroacht, »wäß de naach wie's de ma sechs<br />
Groschen gänn haat's, fia noah Mehrfeld ob et<br />
Musikfest ze goahn, un ich hänn se rom mat<br />
hämbroacht un dia den anare Morjen zreck<br />
gänn ?« »Ja«, hätt de Motta gesoat, »ich wäß et<br />
nach! Wäß dou daan och, dat ich die letzt Fennijen<br />
zesoamengeraaf un och nach die zwai<br />
letzta Aja, die ma am Haus haaden vakoat<br />
hänn, dat ich die Groschen zesoamen krejt<br />
hänn, fia dia matzegänn?«<br />
Nä, daat haat de Motta bös haut fia sejch bahaal,<br />
un et woarn'a weilen en etlich an da Runde,<br />
die sich de Trinen ous d'n Aoren gewöscht<br />
hänn.
Mit wenich musst merr sich begnieche,<br />
dat Geld war knapp, die Ärwet schwer,<br />
in Schwierichkeete renn sich fieche,<br />
Maschine ware noch nit heer.<br />
Vier Kieh im Stall, paar Säi un Rinner,<br />
of jerem Hof noch Hinkelsvieh.<br />
En Großfamillich mit peer Kinner,<br />
do hat en jeder so sei Mieh.<br />
Of Äcker Ährereffe sin-merr,<br />
aus Gerscht hot Kaffie merr gebrannt.<br />
Mir ware domols jo noch Kinner.<br />
De Backes, der war niemols kalt.<br />
Un hinnerm Backowe die Derre,<br />
det iewerich Obst hot merr verwandt,<br />
geschniet of Hierdcher, alsmol scherre,<br />
datt war bei alle Leit bekannt.<br />
Jed‘ kleener Grombier is merr nogang,<br />
merr braucht jo Fuurer for det Vieh,<br />
de Fuhr no gehen, so hinnerm Pluch lang,<br />
dat war for Kinner nit zu viel.<br />
For Woll hat merr en Schof rumlofe,<br />
hot se gefärbt, gesponn, verstrickt,<br />
die Kleerung konnt merr nit all keefe,<br />
an Wechschmeiße, do dacht merr nit.<br />
In friehere Joahr<br />
Hunsrücker Mundart<br />
Liesel Franz<br />
Jed‘ Johr wat Naues, war vermesse,<br />
en Auslach hot merr gut bedacht,<br />
von wehe Urlaub, rausgiehn esse,<br />
och Audo kam nit en Betracht.<br />
Merr hat ke Fernsehunerhallung,<br />
hot viel geles un hat mie Ruh,<br />
doch Maiegiehn, dat hat sei Stellung,<br />
ganz ohne Ofwand gong dat zu.<br />
Mit Äppel un de Weihnachtsplätzjer<br />
ist merr bewirt wor un war froh,<br />
vielleicht noch Flubbes aus-sem Keller,<br />
gen Durscht war Kranewasser do.<br />
Mit Schlacht un Sauerkraut im Stänner,<br />
un Grombiere en gut Portion,<br />
so kam merr dorch de längste Winder.<br />
Im Holzwald bot sich bißje Lohn.<br />
Acht Grosche, wenn eich meich besinne,<br />
un spärer dann en Mark un zehn,<br />
sost war ke Ärwet lo se finne,<br />
bis dann de »Hahn« kam of die Been.<br />
Wei is jo alles aus de Fuhe,<br />
kaum eener streckt sich no de Deck,<br />
so geh-ret enne, gieh-ret owe,<br />
wie datt noch wird, merr weß et nit.<br />
303
Als Bonn 1949 zum Sitz der ersten Bundesregierung<br />
Deutschlands bestimmt wurde, wobei<br />
auf den benachbarten Wohnsitz des Kanzlers<br />
Adenauer in Rhöndorf Rücksicht genommen<br />
worden war, trat die kleine Stadt in den allgemeinen<br />
Mittelpunkt und ragte politisch plötzlich<br />
weit über die Großstädte hinaus. Bis dahin<br />
war Bonn eine bekannte Universitätsstadt und<br />
beliebter Altersruhesitz höherer pensionierter<br />
Beamter.<br />
Über die aufwendige Renovierung des Bahnhofes<br />
Bonn wurde damals sehr kritisch in der<br />
Presse berichtet. Diese Veröffentlichungen und<br />
auch die Tatsache, dass ein Bürger unserer<br />
Kreisstadt <strong>Wittlich</strong> - der Politiker Matthias Joseph<br />
Mehs - mit überwältigender Mehrheit mit<br />
Direktmandat in den ersten Deutschen Bundestag<br />
1949 gewählt worden war, veranlassten<br />
mich, auf der Fahrt zu einem erkrankten Verwandten<br />
im Ruhrgebiet, in Bonn kurz Halt zu<br />
machen. Nach der Besichtigung des Bahnhofes,<br />
der meiner Ansicht nach gar nicht so besonders<br />
herausgeputzt war, wie es die Zeitungen<br />
darzustellen versuchten, wollte ich den<br />
heimischen Bundestagsabgeordneten Matthias<br />
Joseph Mehs besuchen, der mir von gemeinsamen<br />
Aktivitäten im Eifelverein her persönlich<br />
bekannt war.<br />
Vor dem Bahnhof stieg ich in einen Bus mit der<br />
Aufschrift: »Zum Bundeshaus«. Die kurze Fahrt<br />
war kostenlos. Die Mitpassagiere waren Abgeordnete,<br />
wie ich von mitgehörten Gesprächsfetzen<br />
vermutete. Beim Aussteigen sprach ich<br />
einen der Herren an und bat ihn, mir beim Eintritt<br />
in das Bundeshaus behilflich zu sein. Es<br />
war der Abgeordnete Dr. Karl Weber aus<br />
Koblenz. Er wurde später Justizminister. Ich<br />
durfte mit ihm durch den speziellen Eingang<br />
der Abgeordneten das hohe Haus betreten. Dr.<br />
Weber ließ mir am Empfangsschalter einen Besucherausweis<br />
ausstellen. Er erzählte mir, dass<br />
der Abgeordnete Mehs im Plenarsaal neben<br />
ihm sitze. Derweil telefonierte der Portier, um<br />
304<br />
Ein Besuch des Bundeshauses in Bonn<br />
im Jahre 1950<br />
Alois Clemens<br />
meinen nicht vorgeplanten Besuch bei M. J.<br />
Mehs anzumelden. Doch leider war der Abgeordnete<br />
nicht zu erreichen. Da stand ich nun<br />
und wusste nicht, was ich weiter tun sollte. Ich<br />
blieb erst einmal bei dem netten Portier stehen<br />
und unterhielt mich eine Weile mit ihm. Derweil<br />
gingen viele Mitglieder des Parlaments an uns<br />
vorbei, hinein und hinaus. Er machte mich auf<br />
damals besonders bekannte Abgeordnete aufmerksam.<br />
Plötzlich grüßte mich ein junger Bursche in<br />
Kellnerkleidung beim raschen Vorbeigehen<br />
überaus freundlich, verschwand mit einem Tablett<br />
Tassen in einem Zimmer, kehrte kurz dar-<br />
Besucherausweis für das Bundeshaus in Bonn für<br />
Alois Clemens aus Hontheim zur Vorsprache bei<br />
dem Abgeordneten Matthias Joseph Mehs.<br />
auf wieder zurück und sprach mich an: Er kenne<br />
mich, denn er komme aus Bad Bertrich, erzählte<br />
er mir. Er arbeite hier, weil ein Bekannter<br />
seines Elternhauses - dieser stamme übrigens<br />
aus Manderscheid - Geschäftsführer des Restaurationsbetriebes<br />
hier im Bundestag sei. Er<br />
habe ihn als Kellnerlehrling eingestellt. Der junge<br />
Mann gab mir Grüße an seine Eltern und<br />
Großeltern mit. Damals gehörte mein Heimatort<br />
Hontheim noch postalisch zu Bad Bertrich.
Auch die ärztliche Betreuung und vieles andere<br />
ging von Bad Bertrich aus. Dadurch kamen die<br />
Hontheimer Bürger sehr häufig in den Kurort<br />
und man kannte sich untereinander.<br />
Ein zufällig vorbeikommender Beamter mit Akten<br />
unter dem Arm ging in den bis dahin noch<br />
verschlossenen Plenarsaal. Der Portier lief ihm<br />
plötzlich hinterher und winkte mir von der Tür<br />
her, ich solle kommen. Er hatte den Bediensteten<br />
gefragt, ob ich mir den Saal einmal ansehen<br />
dürfte. Dieser hatte nichts dagegen. Ich konnte<br />
mich in aller Ruhe umsehen und bekam von<br />
dem Ministerialbeamten alles bestens erklärt.<br />
Als er sich bei mir verabschiedete, empfahl er<br />
mir noch einen Besuch im Restaurationsraum<br />
und im Sonderpostamt des Bundeshauses.<br />
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und erkundete<br />
auch noch in Ruhe das Haus von unten<br />
bis oben.<br />
Lange nach Ende der offiziellen Besuchszeit<br />
verließ ich erst das Bundeshaus. Die Emp-<br />
fangsschalter waren bereits geschlossen. Daher<br />
konnte ich meinen Besucherausweis Nr.<br />
48 149 behalten, der normalerweise beim Verlassen<br />
des Hauses wieder abgegeben werden<br />
musste. Diesen Ausweis und eine Postkarte<br />
mit Sonderstempel sind mir ein bleibendes Andenken<br />
an den so interessanten Besuch im<br />
Bonner Bundeshaus am 11. Dezember 1950.<br />
Poststempel des<br />
Sonderpostamtes<br />
im Bundeshaus vom<br />
11. Dezember 1950.<br />
Kinderbeuerner Anekdoten<br />
Anekdoten sind witzige Kleinstgeschichten, die<br />
das Leben selbst geschrieben hat. Immer haftet<br />
ihnen etwas Originelles, Milieu- und Zeittypisches<br />
an. Zumeist sind es »Originale«, eigensinnige<br />
Menschen, die aus ihrem Alltag den<br />
Stoff für Anekdoten liefern. Diese Geschichten<br />
sind zwar nur erzählte Lebenssplitter, sagen<br />
aber dennoch vieles über die jeweiligen Lebensverhältnisse<br />
aus. Deshalb sollten sie als<br />
Geschichtsquellen eigener Art geschätzt, gesammelt<br />
und bewahrt werden.<br />
Im Volksmund pflanzte sich bisher die Anekdote<br />
über Generationen fort. Als sich die Men-<br />
Erwin Schaaf<br />
schen noch in den Familien und Gasthäusern<br />
selbst unterhalten mussten, erzählten sie sich<br />
die aus ihrem Lebensraum überlieferten Anekdoten<br />
und fügten neue hinzu. Diese Erzählkultur<br />
ist in der heutigen Bildschirmzeit fast gänzlich<br />
abgestorben, und mit ihr geht auch der<br />
Anekdotenschatz verloren. Nur noch einige<br />
wenige alte Leute bewahren ihn in ihrem Gedächtnis.<br />
Einer von diesen ist Josef Könen aus<br />
Kinderbeuern, 85 Jahre alt. In einem Gasthaus<br />
groß geworden, weiß er aus seinen jungen Jahren<br />
noch zahlreiche Anekdoten zu erzählen. Einige<br />
davon seien hier wiedergegeben:<br />
305
Eine Boll voll Kotelett<br />
Um die Jahrhundertwende gab es in Kinderbeuern<br />
viele arme Leute. In den kleinbäuerlichen<br />
Familien war das Geld sehr knapp, und<br />
die Tagelöhner verdienten so wenig, dass sie<br />
ihre Familien kaum ernähren konnten. Da war<br />
Schmalhans Küchenmeister.<br />
Suppen aus Haferbrei, Kartoffeln und Hülsenfrüchten<br />
waren in vielen Häusern das alltägliche<br />
Essen. Fleisch konnten sich nur die wenigsten<br />
leisten. Und waren die Erntevorräte nach<br />
den Wintermonaten aufgezehrt, reichte es bisweilen<br />
nicht einmal mehr für eine Suppe auf<br />
dem Mittagstisch. Dann ließ die Gemeinde bei<br />
den besser gestellten Familien Nahrungsmittel<br />
einsammeln, um wenigstens den hungrigen<br />
306<br />
Schulkindern eine Suppe zu bereiten. So war<br />
es wohl kein Vorwitz, dass der Kinderbeuerner<br />
Lehrer Meilchen seine Schüler des Öfteren<br />
fragte, was sie am Vortage zu Hause gegessen<br />
hatten. Ein Junge aus begütertem Hause sagte:<br />
»Kotelett«, sein armer Nachbar antwortete:<br />
»Suppe«. So ging das ein paar Tage lang, bis<br />
sich der arme Junge seiner immer gleichen<br />
Suppen-Antwort genierte. Als nun der Lehrer<br />
ein weiteres Mal die Mahlzeiten abfragte, erwiderte<br />
er kurzentschlossen: »Kotelett«. »Wieviel<br />
denn?«, wollte der Lehrer wissen. »Ein ganz<br />
Boll voll«, antwortete prompt der arme Kerl und<br />
sah sich endlich seinem reichen Banknachbarn<br />
gleichgestellt.<br />
Der Lehrer verstand und schmunzelte.
Kaninchenfutter<br />
Vor einigen Jahrzehnten blieb im Wald - ganz<br />
anders als heute - kein dürrer Ast liegen; denn<br />
damals lasen die armen Leute alles gefallene<br />
Holz in den Wäldern auf und schleppten es auf<br />
ihren Handkarren nach Hause. Hier schnitten<br />
sie es mühsam mit der Handsäge auf Ofenlänge<br />
und stapelten es für die Wintermonate auf.<br />
Nun war es keineswegs so ohne weiteres erlaubt,<br />
abgestorbenes Holz dem Wald zu entnehmen.<br />
Dazu benötigte man vielmehr einen<br />
»Leseschein«, den der Förster für ein paar Mark<br />
ausstellte. Weil aber mancher arme Mann dieses<br />
Geld nicht hatte, schlich er sich auch ohne<br />
den nötigen Schein mit seinem Karren in den<br />
Wald, hoffend, vom Förster nicht ertappt zu<br />
werden. Das ging nicht immer gut.<br />
Diese Erfahrung musste auch der Tagelöhner<br />
Pitter Z. aus Kinderbeuern machen. Eines Tages<br />
war er wieder einmal ohne Leseschein im<br />
Wald, hatte eifrig dürres Holz zusammengetragen<br />
und war dabei, seinen Karren zu beladen.<br />
Plötzlich herrschte ihn hinter seinem Rücken<br />
eine Stimme an: »Na, was hast du denn da geladen?«<br />
Erschrocken schaute sich Pitter um<br />
und sah den gefürchteten Förster Pepping wie<br />
ein Standbild der grünen Zunft da stehen. Einen<br />
Augenblick verschlug es ihm die Sprache,<br />
doch dann kam es stotternd über seine Lippen:<br />
»Kaneinschesfoder, Herr Förster.« »Wie, das<br />
fressen die Kaninchen doch nicht«, meinte dieser<br />
auf das Holz zeigend. »Eich kann et jo mol<br />
probere«, gab darauf Pitter zu bedenken,<br />
»wenn se et net fräße, dann don ejch et ewwe<br />
verbrenne.«<br />
Diese Logik rang dem Förster dann doch ein<br />
Schmunzeln ab, und er drückte für diesmal ein<br />
Auge zu. Allerdings gab er dem Pitter den guten<br />
Rat, künftig sein Kaninchenfutter nicht<br />
mehr im Wald zu suchen.<br />
307
Das Doppeldach<br />
In der Ännengasse in Kinderbeuern lebte zu<br />
Anfang des Jahrhunderts ein armer Junggeselle<br />
in einem strohgedeckten Häuschen. Eines<br />
Tages zog eine Frau bei ihm ein. Als das der sittenstrenge<br />
Pastor Feuser erfuhr, begab er sich<br />
schnurstracks in die Ännengasse, klopfte den<br />
Junggesellen aus seinem Haus und herrschte<br />
ihn an: »Ich dulde nicht, daß Sie mit einer Frau<br />
unter einem Dach wohnen!« »Dat gäht in Ordnung,<br />
Herr Pastor«, erwiderte der Junggeselle.<br />
Ein paar Tage später war er auf seinem Haus-<br />
308<br />
dach am Werkeln. Aus dem nahen Ewesbüsch<br />
hatte er Stangen herbeigetragen und sich ein<br />
paar Bauschen Stroh besorgt. Nun zimmerte er<br />
ein zweites Dach auf sein Haus.<br />
Wieder erschien der Pastor, um loszupoltern.<br />
Doch der Junggeselle beruhigte ihn: »Watt<br />
wellt Ihr daan, Herr Pastor?<br />
Wei lewwen eich doch met der Frau net mie enner<br />
änem Dach, sonnern enner zwei!« Diese<br />
Geschichte machte schnell die Runde im<br />
ganzen Dorf. Der gewitzte Junggeselle hatte<br />
die Lacher auf seiner Seite.
Koppelkamm und der Wirtze Kloon<br />
Koppelkamms Jupp besaß ein stattliches Haus<br />
am Bahnhof Ürzig, in dem er Weinhandel betrieb.<br />
Seinen Wohlstand demonstrierte er dadurch,<br />
dass er sich wie ein Landbaron kleidete<br />
und auftrat, als wolle er sagen: »Was kostet die<br />
Welt? Ich kaufe sie.« So konnte er indes noch<br />
lange nicht jeden beeindrucken und schon gar<br />
nicht den Kinderbeuerner Gastwirt Johann<br />
Wirtz, einen Junggesellen, den man »den<br />
Kloon« nannte. Eines Tages erschien Koppel-<br />
kamm in seinem Gasthaus, setzte sich an einen<br />
Tisch und bestellte lauthals dem Wirt zurufend:<br />
»Breng die best Flasch, die dou em Keller has!«<br />
Der Wirtze Kloon verschwand für eine Weile,<br />
kehrte mit einer Flasche zurück, griff ein Glas,<br />
stellte beides wortlos dem Koppelkamm auf<br />
den Tisch und drehte sich zum Gehen. »Is dat<br />
och die best Flasch?«, rief ihm Koppelkamm<br />
nach. Da drehte der Wirt den Kopf über die<br />
Schulter, zeigte auf die Flasche und sagte seelenruhig:<br />
»Dou sejfst, wot dou krejst.«<br />
309
Das Schwein an der Leiter<br />
Sobald in früherer Zeit gegen Herbstende die<br />
ersten Frostnächte kamen, begann in unseren<br />
Dörfern das große Schlachten. In den Ställen<br />
standen gemästet die Schweine und warteten<br />
auf den Metzger, der von Haus zu Haus seinem<br />
Handwerk nachging. War die Arbeit getan, hingen<br />
die Schweine nackt und ausgeweidet<br />
kopfunter an einer Leiter, die an die Hauswand<br />
angestellt war. Bisweilen gönnten sich der<br />
Metzger und seine Gehilfen im Gasthaus den<br />
schwer verdienten Feierabendtrunk. So saßen<br />
sie eines Abends im Gasthaus Könen, als der<br />
Kinderbeuerner Schuster Karl Kerner, als »lustiger<br />
Vogel« bekannt, in die Stube trat. »Na,<br />
310<br />
Karl«, rief ihm einer zu, »wann schlachst dou da<br />
dej Schwejn?«, wohl wissend, dass der arme<br />
Schuster kein Schwein im Stall stehen hatte.<br />
»Morje omend«, entgegnete prompt der Herausgeforderte,<br />
»hängt och an mejnem Hous ä<br />
Schwejn. Wette mir im en Flasch Schnaps!«<br />
Gesagt - getan. Am folgenden Tag verrichteten<br />
die Schlachter wie gewohnt ihre Arbeit. Gegen<br />
Abend gingen sie, ihrer Wette sicher, zum Haus<br />
des Schusters, staunten aber nicht wenig, als<br />
sie diesen nackt bis auf die Unterhose kopfunter<br />
an einer Leiter hängen sahen. »Na, hängt hej<br />
nou ä Schwejn oder net!«, hielt ihnen der<br />
Spaßvogel entgegen. Die Schlachter gaben mit<br />
Vergnügen die Wette für verloren.
Reim und Spruch für Topf und Tuch<br />
Ob Waschtrog oder Wassereimer, Möbel oder<br />
Handtuch, Fachwerktürstock oder Aussteuerschrank<br />
– Sprüche gab es früher überall. Man<br />
hatte die Zeit, Becken und Möbelstücke, Türen,<br />
Truhen und sogenannte Überhandtücher damit<br />
zu verzieren oder zu bedrucken einschließlich<br />
Tassen und Tellern und anderen Gebrauchsgegenständen.<br />
Gestickte Sprüchetücher gibt es heute bald nur<br />
noch in Museen zu sehen. »Trautes Heim –<br />
Glück allein« oder »Ordnung ist des Hauses<br />
Zierde« waren wohl die bekanntesten, aber keineswegs<br />
die einzigen. Sprüche gab es wirklich<br />
in Hülle und Fülle. »Die kühle Flut gibt frischen<br />
Mut« stand beispielsweise auf dem Waschzuber.<br />
»Der Tag erwacht mit seiner Pracht« war<br />
unter der Hausglocke eingeritzt, die frühmorgens<br />
das Gesinde weckte und zusammenrief<br />
auf den Höfen. »An Gottes Segen ist alles gelegen«<br />
steht in verblasster Goldschrift auf dem<br />
ältesten meiner ererbten Teller, gerettet aus<br />
Kindertagen.<br />
Nicht immer reimten sich die Sprüche. Oft waren<br />
die Gerätschaften einfach nur mit dem Wort<br />
verziert, das ausdrückte, wofür sie benutzt<br />
wurden. Mich wunderte das immer ganz besonders.<br />
Die Leute mussten doch unverhältnismäßig<br />
dumm sein, dachte ich mir, wenn man<br />
noch »Petroleum« oder »Heißes Wasser« auf<br />
die Kanne schreiben musste, wie auf einer alten<br />
Emailkanne meiner Schwiegermutter steht,<br />
und das in gotischen Zierbuchstaben. Viel<br />
übrig hatte ich dagegen als Kind für prächtige<br />
Stuckaturen mit Goldverzierungen und ebenso<br />
»goldigen« Sprüchen wie beispielsweise »Der<br />
lieben Mutter«, »Dem treuen Vater« auf Tassen<br />
oder gar »Dem lieben Kinde«. Ganz ausgestorben<br />
ist die Sprüchemalerei eigentlich bis heute<br />
nicht. Besonders in Andenkenläden steht diese<br />
Gebrauchspoesie nach wie vor in voller Blüte,<br />
wenn sie auch vielleicht die frühere Derbheit<br />
nicht mehr ganz erreicht. Hierbei erinnere ich<br />
mich an einen Spruch auf einem alten Nachttopf<br />
aus der Zeit der Jahrhundertwende, der<br />
lautet: »So drücket und brunzt mit aller Kraft für<br />
die notleidende Landwirtschaft«.<br />
Gertrud Knobloch<br />
Solchen höchst ungesitteten Reimereien standen<br />
natürlich die frommen Wünsche gegenüber,<br />
wie sie sich besonders in Sprüchen für das<br />
Poesiealbum niederschlugen, deren jedes Kind<br />
auf Anhieb Dutzende hersagen konnte und jederzeit<br />
präsent hatte. »Bin ich dir nah, bin ich<br />
dir fern, kannst sicher sein, ich hab’ dich gern«<br />
beispielsweise oder »Täglich weiser, besser<br />
werden, das ist unser Ziel auf Erden«, »Rede<br />
wenig, aber wahr, vieles Reden bringt Gefahr«<br />
oder ganz banal »Bleibe lustig, lebe froh wie<br />
der Mops im Haferstroh«. Dem Zeitgeist entsprach<br />
wohl am besten folgender Spruch: “Unter<br />
vielen tausend Sachen, die den Menschen<br />
glücklich machen, wünsch’ ich, Liebe, dir nur<br />
drei: lebe lang, gesund und sorgenfrei.« Bei<br />
weitem überwiegen im Poesiealbum einer alten<br />
Tante allerdings die frommen, welche schon<br />
die Kinder verinnerlicht hatten, wie etwa »Sei<br />
treu im Kleinen und arbeite gern, liebe die Deinen<br />
und Gott den Herrn« oder »Unschuld, Demut,<br />
Fleiß und Güte sind des Mädchens Feierkleid,<br />
doch dein Kranz sei Herzensgüte und<br />
dein Kleid sei Frömmigkeit!«<br />
Die frommen Sprüche haben auch heute noch<br />
Hochkonjunktur. Besonders im Monat Dezember<br />
ist hohe Zeit für Spruchweisheiten, denn<br />
dann werden die neuen Kalender unter’s Volk<br />
gebracht. Am meisten von allen Sprüchen beeindruckt<br />
mich aber dieser, der als alter »Haussegen«<br />
gestaltet, auf gelochtem weißen Zelluloid<br />
gestickt und von zwei ebenfalls gestickten<br />
Engeln samt Blumen und Rankenwerk umrahmt<br />
ist: »Wo Glaube, da Liebe, wo Liebe, da<br />
Friede, wo Friede, da Gott, wo Gott, keine<br />
Not!« - Ein Spruch, den man beherzigen sollte.<br />
Und sehr sinnvoll im Gegensatz zu den irreführenden<br />
Bezeichnungen beispielsweise auf<br />
den Topfregalen.<br />
Großmutter und Schwiegermutter hatten solche<br />
Staubfänger, die allmählich wieder Wert<br />
als Antiquitäten gewinnen. Wie viele Topfdeckel<br />
davon habe ich vergeblich aufgehoben.<br />
Nie war das drin, was drauf stand. Vielmehr war<br />
das Puddingpulver unter »Mehl«, das Backaroma<br />
unter »Pfeffer«, die Gelatine unter »Grau-<br />
311
pen« zu finden. Unter »Grieß« dagegen fand ich<br />
Pflaster, unter »Nudeln« Kamillentee – es war<br />
immer die totale Verwirrung vorgeplant, wenn<br />
man auf fremdem Terrain kochen musste, seit<br />
die Verpackungsindustrie immer mehr im<br />
Mehrfarbendruck beschriftete standfeste<br />
Packungen für die Lebensmittelindustrie kreierte.<br />
Für diejenige, die sich in einer fremden<br />
Küche zu kochen genötigt sah, wirklich der totale<br />
Horror!<br />
Inzwischen sind auch diese meistgehassten<br />
Gegenstände, die auch noch einer wöchentlichen<br />
Wäsche durch weibliche Kinderhände be-<br />
312<br />
durften, der man in meiner Jugend unter keinen<br />
Umständen entrinnen konnte, gottlob aus dem<br />
Verkehr gezogen und höchstens noch als dekoratives<br />
Element in Küchen zu finden, desgleichen<br />
die spruchbestickten textilen Küchenzierden<br />
aller Art. Verblasst und vom vielen Waschen<br />
dünn, haben sie nur noch Platz auf dem<br />
untersten Schrankboden, sofern man sie noch<br />
nicht an’s nächste Heimatmuseum abgegeben<br />
hat.<br />
Und ... das ist gut so, wenn auch ihre gestickte<br />
Botschaft noch immer mahnt: »Schönheit vergeht,<br />
Tugend besteht!«<br />
Wunschliste<br />
Anpassung<br />
aber keine<br />
Unterwerfung<br />
Einordnung<br />
aber keine<br />
Unterordnung<br />
Freiheit<br />
aber keine<br />
Rücksichtslosigkeit<br />
Großzügigkeit<br />
aber keine<br />
Verschwendung<br />
Kompromisse<br />
aber keine<br />
Selbstaufgabe<br />
Sparsamkeit<br />
aber kein<br />
Geiz<br />
und Liebe<br />
die wächst<br />
Elisabeth Freitag
Dä Chresbohm Greimerather Mundart<br />
Die Oma säht, et aß suweit<br />
enn Chresbohm moßt dia sochen<br />
un matt där Säch, die sia gohd schneid,<br />
dursch Eschen un dursch Boochen<br />
gihn mia dahn matt langem Schritt<br />
zuar Fischtelenkuldua<br />
un opp däm fresche Polewaschnie<br />
sehn mia enn Gummistiwelenspua<br />
där gihn mia noh un goanet weit<br />
enn Stekschi weida hunnen<br />
reft dä Jupp un hella Freid<br />
Eisch honn mei Bohm schunn funnen.<br />
Ma moß et soan, enn schihne Bohm<br />
dähn groad geschnidden gett<br />
die Zeit die mia vatrenntelt honn<br />
die deht oß weilen Lehd<br />
dahn wia daht ohse Chresbohm gänn<br />
denken mia vagäwens<br />
dä Jupp reift sech wie doll die Hänn<br />
un freut sech seines Läwens<br />
Najoh, et notzt ohs nix, daht ganze lamändieren<br />
Dä Jupp matt seinem dolle Bohm,<br />
dä hott ohs net zo stieren<br />
Su soochen mia de ganzen Daach<br />
et gett duhtdeista Noscht<br />
die Motta sät, waht aß daht loh<br />
joh waht hott dia dahn loh mattbroscht?<br />
Dä Bohm dä aß fia die gruß Stuv<br />
doch ehrlisch vill zo klehn<br />
un seich gedriht, die Spetzt aß ohp<br />
un Äst hott dä bahl kehn<br />
Daht aß enn Gedöns loh matt däm Bohm<br />
ma mäht sech ganz vareckt<br />
die Oma sät, get ohpgewoard<br />
wie dähn sech mäd, geschmekt<br />
Omm Heilisch Ovent, noh da Mäht<br />
dahn aß Bescherungszeit<br />
un opp dä Bohm kuckt kehne mih<br />
nur opp daht Zeisch waht drinna leit<br />
Et aß esu wie all die Joar<br />
denken eisch, als eisch viam Bohm stihn<br />
et aß och dissmoal widda woar<br />
noh Chresdach woaren se all schihn Hans-Peter Schäfer<br />
313
Es gibt Gute und Böse und <strong>Wittlich</strong>er, sagte ein<br />
Mann, der im Jahr 1890 in Maring auf die Welt<br />
kam, wo sich die Lieser der Mosel nähert, und<br />
wo man ein Deutsch redet, das dem der <strong>Wittlich</strong>er<br />
nur scheinbar ähnlich ist - weniger breit<br />
und gedehnt, weniger selbstbewusst und verwegen,<br />
dafür rasch, hurtig und hitzig. Der<br />
Mann, Sohn eines Winzers, war fünfzehn Jahre,<br />
als er nach <strong>Wittlich</strong> ging. Dass die <strong>Wittlich</strong>er<br />
»Städter« wären und von besonderer Art, hatte<br />
man ihn früh gelehrt. Auch hatte man ihm gesagt,<br />
dass die <strong>Wittlich</strong>er Haare auf den Zähnen<br />
hätten und dass es schwer sein würde, sich in<br />
<strong>Wittlich</strong> durchzusetzen. Dort bleibe sein Lebtag<br />
jeder ein Fremder, der nicht das Glück gehabt<br />
hätte, in <strong>Wittlich</strong> geboren zu sein.<br />
Weil er schon in der Schule gut rechnen konnte,<br />
erlernte der Mann aus Maring in <strong>Wittlich</strong> die<br />
Kunst der Buchführung, und da er nicht nur akkurat<br />
und fleißig, sondern auch verschwiegen<br />
war, gewann er das Vertrauen seines Chefs, eines<br />
<strong>Wittlich</strong>er Unternehmers. Ihm und der jungen<br />
Frau, die er am ersten Sonntag im Juni<br />
1920 auf der Reiler Kirmes kennenlernte und im<br />
folgenden Herbst heiratete, blieb er sein Leben<br />
lang treu. In der Trierer Landstraße erwarb er<br />
ein Haus und lebte darin vierundfünfzig Jahre.<br />
Wurde er auch ein <strong>Wittlich</strong>er? Wenn man von<br />
den vier Jahren des Ersten Weltkriegs absieht,<br />
als er bei den Kölner Husaren diente, hat er<br />
mehr als sechzig Jahre in <strong>Wittlich</strong> gelebt. Auch<br />
gewann er Freunde, aber die Sprache der <strong>Wittlich</strong>er<br />
lernte er nicht. Auch noch mit siebzig<br />
Jahren sprach er sein hurtiges, hitziges, moselländisches<br />
Deutsch. Auf seinen alten Tag<br />
sah er bei klarem Himmel an Heiligabend 1944<br />
vom Fenster seines Hauses überm Fallerberg<br />
die amerikanischen Flieger, als sie ihre Bomben<br />
warfen, davon bekam sein Haus einen Riss<br />
vom Fundament bis zum Dach - es ließ sich<br />
noch einmal ausbessern, und alles in allem war<br />
es ein Glück gewesen, dass er mit fünfzehn<br />
Jahren nach <strong>Wittlich</strong> gegangen war. Im Dezember<br />
1976 ist er in seinem Hause gestorben und<br />
wurde auf dem neuen Friedhof von St. Bernhard<br />
begraben - ein <strong>Wittlich</strong>er seit dem Jahre<br />
314<br />
Gute und Böse und <strong>Wittlich</strong>er<br />
Hermann Klippel<br />
1905, sollte man sagen. Doch er wurde, sagte<br />
er, nie das, was man einen <strong>Wittlich</strong>er nennt.<br />
Dass die <strong>Wittlich</strong>er im Umland »Säubrenner«<br />
genannt werden, wusste er schon, als er in die<br />
erste Klasse ging. Sein Lehrer, »der alte Henkel«,<br />
hatte gesagt: Es gibt Gute und Böse und<br />
<strong>Wittlich</strong>er.<br />
Wir wollen sehen, was an der Sache wahr ist.<br />
Was ist das Besondere an den <strong>Wittlich</strong>ern?<br />
Den Leuten in Maring, in Osann, Noviand, Ürzig,<br />
auch in Bergweiler und Hupperath, kurz<br />
gesagt den Dorfbewohnern in der näheren Umgebung,<br />
gelten die <strong>Wittlich</strong>er von jeher als<br />
Städter. Mussten sie, selten genug, nach <strong>Wittlich</strong><br />
gehen, sagten sie: Wir gehn in die Stadt.<br />
Nach <strong>Wittlich</strong> gingen sie, um ein Paar neue Pinnenschuhe<br />
oder den Sonntagsanzug zu kaufen.<br />
Oder man ging zum Herrn Doktor, doch<br />
dann musste man sehr krank sein; denn eigentlich<br />
konnte man sich Kranksein nicht leisten.<br />
Oder man ging zum Notar, um über den Kauf<br />
oder Verkauf eines Stücks Flur einen Akt unter<br />
Dach zu bringen. Aber dann schlug man hernach<br />
die Hände überm Kopf zusammen, wenn<br />
man erfuhr, was der Akt gekostet hatte, und<br />
man nahm sich vor, lieber nicht noch einmal<br />
nach <strong>Wittlich</strong> zu gehen.<br />
In die Stadt gingen sie nicht in ihren Bauernkleidern.<br />
Die Frauen tauschten das Kopftuch gegen<br />
den schwarzen Sonntagshut, den sie sonst<br />
nur auf dem Gang zur Frühmesse oder zum<br />
Hochamt trugen, die Männer ihre Pinnenschuhe<br />
gegen das eine Paar Sonntagsschuhe, das<br />
sie besaßen. Dennoch, wenn sie durch die<br />
Burgstraße gingen, um für ein paar Groschen<br />
ein Ende Wurst zu kaufen, unterschieden sie<br />
sich sehr von den <strong>Wittlich</strong>ern. Auch wenn sie<br />
sich für den Stadtbesuch fein gemacht hatten,<br />
sah jedermann in <strong>Wittlich</strong>, dass sie »Bauern«<br />
waren. Und auch sie spürten, dass »die Säubrenner«<br />
sie von der Seite ansahen. Heute mag<br />
das anders sein, aber vor fünfzig Jahren war es<br />
noch so.<br />
Zwar behaupten die <strong>Wittlich</strong>er, sie hielten »auf<br />
gut Nachbarschaft«, wie es Georg Fischer in<br />
seinem »<strong>Wittlich</strong>er Wörterbuch« überliefert hat,
aber als unser Mann aus Maring in <strong>Wittlich</strong> in<br />
die Lehre ging, galt diese Redensart allenfalls<br />
für den Umgang der <strong>Wittlich</strong>er miteinander. Für<br />
sie war ihre Stadt der Mittelpunkt der Welt. Die<br />
Stadt bot ihnen alles, was sie zu ihrem Glück<br />
brauchten. Man musste nicht in der Welt herumgekommen<br />
sein, um in <strong>Wittlich</strong> etwas zu<br />
gelten. Man musste weder in Bergweiler noch<br />
in Manderscheid noch in Trier gewesen sein,<br />
um in <strong>Wittlich</strong> in den Himmel zu kommen. Einmal<br />
im Jahr die Wallfahrt nach Klausen - das<br />
musste genügen. Den alten <strong>Wittlich</strong>ern konnte<br />
keiner etwas vormachen. Auch die Preußen<br />
nicht. Weltläufig wie die Schwaben waren die<br />
<strong>Wittlich</strong>er nicht. Das muss kein Nachteil sein.<br />
Denn es spricht für Zufriedenheit und Solidität,<br />
freilich nicht nur für Solidität. Also, was ist das<br />
Besondere an den <strong>Wittlich</strong>ern?<br />
Wer diese Stadt einmal im Jahr besucht, um<br />
dabei zu sein, wenn auf dem Markt die Kirmes<br />
gefeiert wird (die den <strong>Wittlich</strong>ern, es kann nicht<br />
anders sein, nicht mehr so recht gemütlich,<br />
nämlich über den Kopf gewachsen ist), wird<br />
diese Frage anders beantworten als einer, der<br />
hier Kind war und in den Gassen, durch die einoder<br />
zweimal am Tag ein Automobil fuhr,<br />
Klicker und Dilldopp und Fußball spielte, in die<br />
alte Volksschule an der Karrgasse ging, dann in<br />
die »höhere Stadtschule«, die sich ihren Pausenhof<br />
mit dem Ferkelmarkt teilte - dennoch<br />
trugen ihre Schüler bis in die dreißiger Jahre<br />
zum Zeichen, sie seien etwas Besseres, ihre<br />
bunten Schülermützen - ich will sagen, es<br />
braucht seine Zeit, um die <strong>Wittlich</strong>er kennenzulernen,<br />
ihre Tugenden und Untugenden (ihre<br />
»Naupen«), ihre Lust zu leben, zu lachen, zu<br />
streiten und sich zu vertragen; ihren Eifer, die<br />
Dinge beim Namen zu nennen und, wenn es<br />
sein muss, zurechtzurücken; ihre Verwegenheit<br />
und Tüchtigkeit und, als Regulativ, ihre Lust zu<br />
spotten und sich gelegentlich wohl auch selber<br />
auf den Arm zu nehmen - und vor allem ihre<br />
Sprache.<br />
Dass <strong>Wittlich</strong> bis in unsere Gegenwart eine kleine<br />
Stadt blieb, hat wenig zu sagen. Auch kleine<br />
Städte bilden eine Welt. Der Ort, in dem sie zur<br />
Welt kommen und ihre Muttersprache erlernen,<br />
prägt die Menschen stärker als ihr Vaterland.<br />
Das Vaterland zu lieben, werden die Menschen<br />
von jeher angehalten. Die Vaterstadt zu lieben,<br />
muss man sie nicht ermahnen. Und es hat weder<br />
mit der Größe noch der Schönheit noch mit<br />
der Gunst der Lage zu tun, ob eine Stadt von<br />
ihren Bewohnern geliebt wird.<br />
Von seinen Bewohnern geliebt wurde <strong>Wittlich</strong><br />
schon, als durch die Kordel und die Karrgasse<br />
noch die Erntewagen rollten, in luftigen Scheuern<br />
im Herbst der Tabak reifte und am Rollkopp<br />
die Kartoffelfeuer glühten - so lange ist es noch<br />
nicht her. Oder, als man, nach Geschlechtern<br />
getrennt, in die alte Badeanstalt zum Schwimmen<br />
ging, wenn nicht in die Lieser am Bürgerwehr,<br />
wo man sich das sanft strömende Wasser<br />
der Lieser mit Schwärmen von Forellen und<br />
Schleien teilte.<br />
Doch die <strong>Wittlich</strong>er sind zu nüchtern, um über<br />
ihre Stadt in Jubel auszubrechen. Heimatdichter<br />
finden hier kein Feld. Hymnische Äußerungen<br />
der Heimatverehrung haben es in <strong>Wittlich</strong><br />
schwer. Hier wurden keine Idyllen, keine Oden<br />
gedichtet. Sie hätten in <strong>Wittlich</strong> keinen Beifall<br />
gefunden. Denn die <strong>Wittlich</strong>er haben für<br />
falsches Pathos ein feines Ohr. So sehr sie<br />
sonst Tüchtigkeit schätzen, das Musische ist<br />
ihnen verdächtig: »Kamedi's Dinger«. Ihr nüchterner<br />
Sinn zielt auf's Praktische. Für sie gilt<br />
nicht, was Heinrich Heine von den Deutschen<br />
gesagt hat, sie fühlten sich mehr »im Luftrevier<br />
des Traums« zu Hause, während die anderen,<br />
Franzosen und Engländer, »sich auf platter Erde<br />
entwickelt« hätten. In diesem Punkt sind die<br />
<strong>Wittlich</strong>er nicht »typisch deutsch«. Sie packen<br />
gern an. Sie verändern, verbessern gern. Bauen<br />
ist ihre Leidenschaft. Da entwickeln sie Fantasie,<br />
da ist das Beste gut genug. Das größte<br />
Krankenhaus, die besten Schulen, der größte<br />
Parkplatz auf einer so schönen Wiese neben<br />
der Lieser, das modernste Altersheim, die läufigste<br />
Fußgängerzone - da will man sich nicht<br />
lumpen lassen, eine verbreitete <strong>Wittlich</strong>er Redensart.<br />
Das Argument, dass man heute nicht brauche,<br />
was man gestern nicht besaß, gilt in <strong>Wittlich</strong><br />
nicht viel. Dass der <strong>Wittlich</strong>er am Alten hängt,<br />
kann man ihm nicht nachsagen. Konservativ ist<br />
er nicht. Er geht gern mit der Zeit. Sein unternehmerischer<br />
Sinn ist bemerkenswert. Auch<br />
mag er es nicht, etwa im Stadtrat, wenn über<br />
das Für und Wider eines Projekts lange debattiert<br />
wird. Bedachtes Erwägen ist seine Sache<br />
nicht. Eher verführen ihn sein Schneid, seine<br />
Umtriebigkeit und sein Ungestüm zu kommunalen<br />
Entscheidungen, die er vielleicht morgen<br />
bedauert. Bereut er sie dann? Eigentlich nicht.<br />
315
Was er im Kopf hatte, war schon gut und richtig.<br />
Aber manchmal geht es in dieser Welt mit<br />
dem Teufel zu.<br />
Der Römer Vitellius tat wohl recht daran, dass<br />
er <strong>Wittlich</strong> nicht auf der Pleiner Höhe, sondern<br />
im Tal der Lieser gründete, so dass sich die<br />
Siedlung, angelehnt an den Schlossberg, der<br />
kein unbezwingbares Hindernis bot, in der<br />
Ebene entfalten konnte. Einen Tagesmarsch<br />
von der Römerstadt Trier entfernt, vielleicht<br />
vom Rotenberg herab, habe Vitellius, so die<br />
freundliche Legende, ausgerufen:<br />
Ein solches Tal bewahrst du auf<br />
Unkultivierten Kelten?<br />
Das Lied wird in <strong>Wittlich</strong> nicht im Ernst, sondern<br />
im Scherz gesungen, von zwei oder drei<br />
Schoppen Wein beflügelt. Dass es jedoch auf<br />
seine holprige, unkultivierte Weise die Wahrheit<br />
sage, daran mag kein <strong>Wittlich</strong>er zweifeln; zu<br />
augenfällig ist ja die günstige Lage, die es erlaubt,<br />
an sanften Hügeln nicht nur kommode<br />
Villen, die teuersten und feinsten weit und breit,<br />
zu errichten, sondern sich in gehörigem Abstand<br />
von diesen Villen auf plattem Grund auf<br />
dem Weg nach Wengerohr auch ein ergiebiges<br />
Industriefeld anzugliedern.<br />
Was die Tallage angeht, so weht in <strong>Wittlich</strong>,<br />
auch meteorologisch betrachtet, ein frischerer<br />
Wind als im Moseltal, und es ist wahr, dass das<br />
weite Tal von einer herben Brise Eifeler Luft<br />
durchmischt wird, so dass kein <strong>Wittlich</strong>er daran<br />
zweifeln mag, man habe von beiden, Eifel und<br />
Mosel, das Beste gewonnen. <strong>Wittlich</strong>er, die es<br />
in »die Welt«, also nach Koblenz, Bonn, Köln<br />
oder weiter verschlagen hat, rühmen, wenn sie<br />
für einige Tage heimkehren, das heimische Klima,<br />
das nicht nur einen gesunden Schlaf fördert,<br />
sondern auch übertriebene Sorgen und<br />
Kopfweh vertreibt.<br />
Unkultivierten Kelten fühlen sich die <strong>Wittlich</strong>er<br />
von Anbeginn nicht zugehörig. Zwar müssen<br />
sie wohl von ihnen abstammen - von wem<br />
sonst? Darüber weiß man nicht viel, und was<br />
Carl Zuckmayer, der Nackenheimer in seinem<br />
Schauspiel »Des Teufels General« die »Völkermühle«<br />
genannt hat, mag auch hier im Spiel gewesen<br />
sein, da sich die Vorfahren der heutigen<br />
<strong>Wittlich</strong>er so früh als Städter fühlten und so<br />
entschieden anders waren als die von ihnen<br />
verwalteten und mitunter verachteten Bauern<br />
im Umland.<br />
Manchmal, in früheren Zeiten, wenn die Wittli-<br />
316<br />
cher Grund zu haben glaubten, sich über einen<br />
Menschen zu erregen, der kein <strong>Wittlich</strong>er war,<br />
sagten sie auch über so einen, er sei ein »Bauer«,<br />
obgleich er kein Bauer war. Als der 1912<br />
gegründete <strong>Wittlich</strong>er Sportverein noch eine<br />
respektable Fußballmannschaft aufbot (mit<br />
Spielern wie dem »Surri«, dem »Babbo« und<br />
seinem Bruder »Zigges« und dem unvergessenen<br />
Franz Fischer, genannt »Stumpen«, einem<br />
kleinen, feinen, technisch hervorragend begabten<br />
Spieler), kam es auf dem Sportplatz am<br />
Bürgerwehr mitunter zu der Widerwärtigkeit,<br />
dass ein <strong>Wittlich</strong>er Spieler von einem »Bauern«<br />
aus Kröv oder Trier gefoult oder von einem<br />
»Bauern«-Schiedsrichter aus Ehrang zurückgepfiffen<br />
wurde, und jedesmal war dann der<br />
Volkszorn der zuschauenden <strong>Wittlich</strong>er groß. In<br />
richtiger Erkenntnis der Sachlage wurde in<br />
<strong>Wittlich</strong> auch einmal ein »politischer Leiter« des<br />
Dritten Reiches, ein »Goldfasan«, als »Bauer«<br />
bezeichnet, also als ein Mann ohne Kultur.<br />
Eigentlich konnte ein geborener <strong>Wittlich</strong>er kein<br />
hundertprozentig überzeugter Nationalsozialist<br />
sein. Denn zu dem Fanatismus, den Hitler forderte,<br />
war er seiner Natur nach nicht fähig.<br />
Auch mussten ihm die hehren Worte, die hymnischen<br />
Töne, die völkische Verzückung und<br />
der nationale Überschwang der Gefühle im<br />
Grunde seiner Seele zuwider sein. »Worüber<br />
lachst du?« fragte ein nicht in <strong>Wittlich</strong> geborener,<br />
nach 1933 zugereister »Gefolgschaftsführer«<br />
der Hitlerjugend meinen damals vierzehn<br />
Jahre alten Freund Rudi, genannt »Gandhi«,<br />
der in der Römerstraße zu Hause war und in<br />
Russland gefallen ist. Wir standen »angetreten«,<br />
er auf »Tuchfühlung« mit mir, und er beobachtete<br />
den »vor der Front« hin und her flitzenden<br />
»Gefolgschaftsführer« - und darüber<br />
musste er lachen. »Worüber lachst du?, wurde<br />
er gefragt, und er antwortete: »Über dein Gedöns.«<br />
In <strong>Wittlich</strong>, wie in anderen kleinen Städten das<br />
Trierer Landes, bedurfte es zahlreicher Appelle,<br />
Aufmärsche, Fackelzüge und Fanfarenchoräle,<br />
um die Mehrzahl der Bürger »in die Reihe« zu<br />
zwingen.<br />
Bei den letzten, halbwegs freien Wahlen am 5.<br />
März 1933 errangen die Nationalsozialisten im<br />
gesamten Reichsgebiet 43,8 Prozent der Stimmen,<br />
sie verfehlten also auch im Reichstag die<br />
absolute Mehrheit. In <strong>Wittlich</strong> wählten die Bürger<br />
11 Abgeordnete des Zentrums, 3 Abgeord-
nete der Wirtschaftspartei und nur drei Nationalsozialisten<br />
in den Stadtrat, dessen erste Sitzung<br />
am 29. März stattfand.<br />
In dieser ersten Sitzung brachten die drei Nationalsozialisten<br />
den Antrag ein, Hitler die<br />
Ehrenbürgerschaft der Stadt <strong>Wittlich</strong> zu verleihen.<br />
Darüber wurde beraten, und der damals<br />
40-jährige Fraktionsführer des Zentrums, Matthias<br />
Joseph Mehs, fand das demokratische<br />
Mittel, um diesen Antrag abzuwürgen. Ein Ausschuss<br />
solle gebildet werden, sagte er, der Hitlers<br />
Verdienste für die Stadt <strong>Wittlich</strong> untersuche,<br />
»denn diese Verdienste«, so lautete sein<br />
im Sitzungsprotokoll festgehaltenes Argument,<br />
»sind hierorts noch nicht ausreichend bekannt«.<br />
Sein Antrag wurde mit neun gegen<br />
sechs Stimmen gutgeheißen. Als dann der<br />
Ausschuss, der Hitlers Verdienste untersuchen<br />
sollte, zu seiner ersten Sitzung zusammentrat,<br />
blieben die Antragsteller fern, und ihr Antrag<br />
wurde zu den Akten gelegt.<br />
Noch einmal spielte Mehs den neuen Machthabern<br />
einen Streich, den sie ihm ebenso wenig<br />
vergaßen wie die verhinderte Ehrenbürgerschaft<br />
ihres Führers. Da trafen im Sommer<br />
1934 zahlreiche höhere Parteiführer zu einem<br />
offiziellen Besuch in <strong>Wittlich</strong> ein, wurden am<br />
Bahnhof mit Musik und großen Worten empfangen<br />
- und staunten nicht schlecht, als sie<br />
am Hause des Matti Mehs statt der befohlenen<br />
Hakenkreuzfahnen die heraldisch exakten<br />
Nachbildungen aller historischen Wappen des<br />
Kreises <strong>Wittlich</strong> erblickten. Zum Rapport befohlen,<br />
sagte Mehs, er habe geglaubt, dass<br />
man die Verbundenheit mit der Heimat mit diesen<br />
Wappen besser unter Beweis stelle als mit<br />
dem reichseinheitlichen Hakenkreuz. Ein Jahr<br />
nach der »Machtergreifung« und Gleichschaltung<br />
gehörte dazu schon Mut.<br />
Mut bewies die alte Frau, die am Morgen des<br />
10. November 1938, nach der »Reichskristallnacht«,<br />
sah, wie uniformierte Männer aus dem<br />
ersten Stockwerk des Hauses einer jüdischen<br />
Familie Stühle und Tische, Gläser und Teller auf<br />
die Straße warfen, und sie rief weinend, wenn<br />
auch vergebens, nach der Polizei. Oder die<br />
<strong>Wittlich</strong>er Lehrer, die all ihren Mut zusammennahmen<br />
und, die stets mögliche Denunziation<br />
nicht scheuend, in ihrem Unterricht Kritik übten.<br />
So der katholische Religionslehrer Peter<br />
Schneider, Sohn eines Eifeler Bauern, der den<br />
Ungeist des Regimes in der nach Nicolaus Cu-<br />
sanus benannten Schule fast in jeder Unterrichtsstunde<br />
hart attackierte und zum Beispiel<br />
erklärte, in vielen Liedern der Hitlerjugend werde<br />
Gott gelästert. So der nach <strong>Wittlich</strong> strafversetzte<br />
Deutschlehrer Josef Wessel. Man hielt<br />
ihm zugute, dass er im Ersten Weltkrieg Führer<br />
einer Sturmkompanie und durch einen Kopfschuss<br />
schwer verwundet worden war, so dass<br />
er, wenn er erregt war, unter einem unbezähmbaren<br />
Schütteln seines Kopfes litt. Im Herbst<br />
1938 sandte die Koblenzer Kulturbehörde einen<br />
Oberschulrat, der Hitlers Parteiabzeichen<br />
am Rock trug, nach <strong>Wittlich</strong>, um die Gesinnung<br />
des Studienrates Wessel zum wiederholten<br />
Mal zu prüfen. Schon der Gegenstand der<br />
Deutschstunde war unerwünscht: Wessel<br />
sprach über Schillers Idee der Humanität und<br />
eines die Nationen überwindenden Weltbürgertums.<br />
Der Oberschulrat, angepasster Bürokrat<br />
und Parteigenosse, unterbrach den Unterricht.<br />
In einer längeren Rede betonte er, der<br />
Dichter Friedrich Schiller hätte solche Ideale<br />
ohne Zweifel nicht gepriesen, wenn ihm das<br />
Glück zuteil geworden wäre, im neuen<br />
Deutschland des Führers zu leben. Während<br />
der Funktionär so sprach, stand Studienrat<br />
Wessel neben ihm, mit ernster Miene und gefurchter<br />
Stirn, die Augen geschlossen, und<br />
hundertmal sagte sein grauhaariger Kopf mit<br />
dem unbezähmbaren Schütteln: nein.<br />
Mut bewiesen auch die Männer der St. Sebastianus-Bruderschaft,<br />
als sie 1933, als so viel<br />
von nationalem Heldentum die Rede war, einen<br />
Wettbewerb für ein Standbild des christlichen<br />
Soldaten und Märtyrers, des heiligen Sebastian,<br />
ausschrieben, und zwar nicht im Innenraum<br />
der Pfarrkirche, sondern als große Außenskulptur.<br />
Der <strong>Wittlich</strong>er Bildhauer Hanns Scherl, ein<br />
junger Mann von 25 Jahren, gewann den Wettbewerb.<br />
Sein Werk wurde Ostern 1935 geweiht,<br />
so dass die aufragende Gestalt des<br />
christlichen Mannes etliche Jahre genau in das<br />
Dienstzimmer des »Kreisleiters« der unchristlichen<br />
Partei blickte - da sei »keine Stelle«, heißt<br />
es in dem Gedicht von Rilke, »die dich nicht<br />
sieht«.<br />
Noch sprechen einige hundert <strong>Wittlich</strong>er ihr<br />
»<strong>Wittlich</strong>er Deutsch«. Wer die Sprache der<br />
<strong>Wittlich</strong>er abschätzig »altmoselfränkisches<br />
Platt« nennt, kennt nicht den reichen Wortschatz,<br />
die Fülle, die lebendige Bildkraft dieser<br />
gewachsenen Sprache, die das Derbe wie das<br />
317
Zarte auf unnachahmliche Art auszudrücken<br />
vermag. Zum Beweis ein paar Beispiele. Sie<br />
sind Georg Fischers »Wörterbuch« entnommen,<br />
das im handschriftlichen Original den Titel<br />
»Wedlia Daitsch« trägt; auch er dachte nicht<br />
daran, die Worte »Platt« oder »Dialekt« zu verwenden.<br />
Diese Beispiele zeigen, dass die hochdeutsche<br />
Entsprechung oft ledern und lahm wirkt im Vergleich<br />
zu den anschaulichen und stets kraftvollen<br />
Wörtern und Redensarten im <strong>Wittlich</strong>er<br />
Deutsch.<br />
Betrachten wir das <strong>Wittlich</strong>er Wort »Bangschesser«.<br />
Die hochdeutsche Übersetzung<br />
müsste wohl »Angsthase« lauten, allenfalls<br />
»Bangemann«, aber so kommt das Wort nur<br />
noch als seltener Familienname vor. Das <strong>Wittlich</strong>er<br />
Wort für »betrügen« heißt »bedubpen«; es<br />
lässt einen Spielraum für augenzwinkernde<br />
Nachsicht, klingt weniger hart. Auch das Wort<br />
»faudteln« für »falsch spielen« (»Faudtlerei befinnd<br />
sisch«) geht dem Ohr ganz anders ein.<br />
Wer erfand so geniale Wörter wie »Moldhiewel«<br />
für den Maulwurfhügel, »Bollesmaan« für den<br />
Polizisten, »Dinnepidter« für die Wirkung von<br />
zuviel »Biereviez«, das verwegene »Flämmsen«<br />
für »Rauchen« (»Nau gäwd nooch 'n Zigga geflämmsd«),<br />
das anschauliche »Fixfaier« für's<br />
Streichholz oder den »Flubbes« für einen minderwertigen<br />
Wein. Ein Höhepunkt lautmalender<br />
Qualität ist »Sämmsen« für das lahme hochdeutsche<br />
»Davonlaufen«. Man versuche, ins<br />
Hochdeutsche zu übersetzen, was die Winzigkeit<br />
von »e klä klidzisch Kriemelschi« oder die<br />
Eigenschaft »knaddschgääkisch« bedeutet!<br />
Unübersetzbar auch »Quiesel« für eine besondere<br />
Frauenart - und das heißt nichts anderes,<br />
als dass eine Besonderheit des Menschseins,<br />
die es ja nach wie vor gibt, nicht mehr »zur<br />
Sprache« kommen kann; es gibt kein hochdeutsches<br />
Wort dafür. Köstlich auch der Vorrat<br />
von sehr zarten Wörtern, die man zu Kindern<br />
sagt, etwa das »gelunge Dudzji« oder das<br />
»Häämelmaisji« oder »dat klä mugkelisch Mädschi«<br />
oder das lebendige Wort »Schdrubpes«<br />
für einen kleinen Jungen - genug der Beispiele,<br />
die zeigen, dass diese Sprache in puncto Genauigkeit,<br />
Anschaulichkeit, Bildkraft und Wärme<br />
der heutigen Normsprache, wie die Schule<br />
sie lehrt, überlegen ist.<br />
Ein sinnfälliges Zeichen für die unverbrauchte<br />
Kraft einer Sprache ist auch ihre Fähigkeit,<br />
318<br />
Fremdwörter zu entlehnen und zu verwandeln.<br />
So passen »kommood« und »duddswidd«,<br />
früher viel gebraucht, wie angegossen in den<br />
heimischen Sprachleib. Ohne Umstände wurde<br />
auch das französische »merci« für »danke« eingebracht<br />
und verwandelt, indem man es<br />
gehörig dehnte und die Betonung auf die erste<br />
Silbe legte. Das Wort ging in eine kleine <strong>Wittlich</strong>er<br />
Geschichte ein, die vielleicht erfunden ist.<br />
Aber sie ist so gut erfunden, dass sie wahr sein<br />
könnte, besitzt also die Eigenschaft, die man<br />
an den Anekdoten rühmt:<br />
Zwar rückten im März 1945 als Erste die Amerikaner<br />
in die Stadt ein, doch schon im Juni folgten<br />
ihnen französische Soldaten. An einem heiteren<br />
Frühsommertag fuhr der erste Jeep mit<br />
einer Handvoll französischer Soldaten auf den<br />
Markt und hielt. Ein <strong>Wittlich</strong>er schaute sich das<br />
an, und als einer der von dem Jeep hinabspringenden<br />
Soldaten ihn in halbem Französisch<br />
und schlechtem Deutsch fragte, wie sie schnell<br />
nach Platten kämen, erklärte es ihm der Mann<br />
aus <strong>Wittlich</strong> so: »No Blaadt'n? Da foard'a hai en<br />
d' Buuaschgaas« (was man damals noch konnte)<br />
»un' bai da Posd foard'a schdrigks hodz un'<br />
daan rischdford da Noohs no.« Ob der Franzose<br />
diese Wegbeschreibung verstand, ist zweifelhaft.<br />
Doch rief er, aufspringend: »Merci«. Da<br />
schüttelte der Mann aus <strong>Wittlich</strong> anerkennend<br />
den Kopf und sagte: »Da sein de Käärl'n noch<br />
kään zwai Minut'n hai un' schwääzn schunst<br />
Wedlia Pladt.«<br />
In <strong>Wittlich</strong> lebte von 1893 bis 1976 ein bedeutender<br />
Mann, Matthias Joseph Mehs - von dem<br />
schon die Rede war - , ein belesener, gebildeter,<br />
dennoch einfacher Mensch, ein geborener<br />
Politiker und Demokrat, ein radikaler Christ und<br />
Patriot. Er war Stadtrat in <strong>Wittlich</strong> von 1929 bis<br />
1933, von 1946 bis 1953 ehrenamtlicher Bürgermeister<br />
seiner Heimatstadt und von 1949<br />
bis 1953 für die Kreise <strong>Wittlich</strong>, Daun, Bitburg<br />
und Prüm Abgeordneter des Deutschen Bundestags.<br />
Als einziger Abgeordneter der Union<br />
verweigerte er am 18. März 1953 sein Ja zur<br />
Wiederbewaffnung, und er begründete seine<br />
Entscheidung mit politischen und moralischen<br />
Bedenken. Sein Nein beendete fast automatisch<br />
seine politische Laufbahn, was ihn<br />
schmerzte, jedoch nicht verbitterte.<br />
Ihn fragte ich im Sommer des Jahres 1968, was<br />
er über seine Landsleute dächte. Wir saßen am<br />
runden Tisch seiner Studierstube. Der Blick
ging über den Schlossplatz, dessen Gestaltung<br />
ihm so sehr am Herzen lag. Wie es seine Art<br />
war, ließ er sich für seine Antwort Zeit. Er schob<br />
die Brille mit den runden Gläsern auf die gewölbte<br />
Stirn und sagte: »An den <strong>Wittlich</strong>ern gefällt<br />
mir, dass sie kritisch sind, dass sie sich<br />
kein X für ein U vormachen lassen; dass sie ein<br />
Gespür dafür haben, wenn eine Sache faul ist.<br />
Ihren Standpunkt können sie mit der Beredsamkeit<br />
eines römischen Advokaten vertreten.<br />
Davon habe ich viel gelernt. Was man demokratische<br />
Auseinandersetzung nennt, hat in<br />
<strong>Wittlich</strong> Tradition. Die <strong>Wittlich</strong>er sind keine<br />
Duckmäuser, keine Leisetreter, sondern aufrichtig<br />
und geradeheraus, was nicht überall in<br />
der Welt als Tugend gilt.«<br />
Andererseits seien sie für eine gute Sache immer<br />
zu haben. Da denke er vor allem an den<br />
Sommer 1945, drei Monate nach Hitlers Krieg,<br />
als er mit der Billigung der amerikanischen Militärbehörde<br />
einen »städtischen Beirat« bilden<br />
konnte, der mit den schwierigen Problemen einer<br />
durch Bomben schwer getroffenen Stadt<br />
mit Vernunft und Sachverstand fertig werden<br />
musste. Dieser Beirat, diese »<strong>Wittlich</strong>er Lösung«<br />
einer demokratischen Selbstverwaltung,<br />
Der Raureif spinnt um Baum und Strauch<br />
ein zartes Silberfiligran.<br />
Der Morgensonne heller Schein,<br />
er zündet tausend Lichter an.<br />
Und zaubert weithin Licht und Glanz,<br />
der leuchtend übers Schneeland rinnt.<br />
Am Himmel zwischen grau und blau<br />
die Wolkenschatten jagt der Wind.<br />
Rau greift er in den Flockentanz,<br />
der wirbelnd sich im Kreise dreht.<br />
Der weite Wald im Schneegewölk<br />
und übers Feld der Nebel weht.<br />
Ein Wintertag<br />
habe gute Arbeit geleistet, und im Grunde habe<br />
diese Lösung als Modell für den Aufbau der<br />
kommunalen Selbstverwaltung in der gesamten<br />
Französischen Zone gedient. »So sind die<br />
<strong>Wittlich</strong>er in schwerer Zeit in die Geschichte<br />
eingegangen«, schloss er, »ohne es zu wollen<br />
und ohne dass sie es merkten, und sie haben<br />
Recht, wenn sie das Nächstliegende, und das<br />
ist ihre Stadt, für die wichtigste Sache auf der<br />
Welt halten.«<br />
Darüber, was die wichtigste Sache auf der Welt<br />
sei, kann man sich einigen; wie sie zu betreiben<br />
sei, darüber sind die Ansichten, nicht nur in<br />
<strong>Wittlich</strong>, verschieden. In vielen Städten<br />
glaubte man eine Zeit lang, die wichtigste Sache<br />
sei das Auto, und so sehen diese Städte<br />
jetzt aus.<br />
Die Gunst der Lage und die Tüchtigkeit der<br />
<strong>Wittlich</strong>er haben aus ihrem kleinen Gemeinwesen<br />
eine ins Tal ausufernde Stadt gemacht.<br />
Wie sagte Vitellius? Nicht Wachstum, nicht<br />
Größe ist das Wichtigste. Unkultivierten Planern<br />
darf man das einst ländlich-schöne Tal<br />
nicht überlassen. Die <strong>Wittlich</strong>er müssen noch<br />
lernen, mit ihrer Tüchtigkeit fertig zu werden.<br />
Dann geht es ihnen gut.<br />
So tief verschneit liegt hingeduckt<br />
das kleine Dorf im Wiesental.<br />
Zum kalten Himmel steigt der Rauch,<br />
zu Eis erstarrt der Brunnenstrahl.<br />
Laut lärmend zieht ein Krähenschwarm<br />
mit seinem dunklen Flügelschlag.<br />
Die Dämmrung blaue Schatten wirft,<br />
im Abendrot vergeht der Tag.<br />
Eleonore Mertes<br />
319
Es waren drei Gespanne, die flussauf unterwegs<br />
waren. Die unberittenen Pferde gingen an<br />
Handleinen. Vornweg ritt der kleine Rensch.<br />
Der Junge trug seines Vaters Lederhut mit der<br />
wippenden Feder. Dem Jungen fehlte Erfahrung.<br />
Der Rothaarige in der Mitte war barhäuptig.<br />
Zwar hatte er am Kummet für den Notfall<br />
die Heeb hängen. Ob er aber mit dem Haumesser<br />
die Taue zu kappen wüsste, sollte eine starke<br />
Strömung das Schiff rückwärts ziehen und<br />
auf dem Treidelpfad die Pferde ins Straucheln<br />
bringen, war eine andere Frage. Ohne Hut war<br />
das kein gelernter Halfe.<br />
Dem Jakob Polch tat der Hintern weh. Morgen<br />
würde er umgekehrt auf dem Pferd sitzen, morgen<br />
würde er rückwärts auf das Schiff blicken,<br />
das sie dann im Schlepptau hatten. Doch so<br />
oder so, die alten Knochen waren den breiten<br />
Sattel nicht mehr gewöhnt. Er richtete sich in<br />
den Steigbügeln auf und zog die Hutkrempe in<br />
die Stirn. Unter der sinkenden Sonne war der<br />
Fluss aus gleißendem Silber.<br />
Das Dorf war näher gekommen. Vom Pferderücken<br />
aus sah man die Dächer, die im<br />
Abendlicht glänzten, und gegen den Weinberg<br />
die Kirche. Das Schiff ankerte oberhalb des<br />
Krans und der Ufermauer, die Mosel hatte wenig<br />
Wasser. Die Männer waren zu erkennen,<br />
die beim Entladen vom Schiff an Land wateten<br />
und die Böschung hochstiegen. Man konnte<br />
auch die Weinfässer ausmachen, die an der<br />
Straße bei dem großen Nussbaum lagen.<br />
Der alte Polch pfiff auf zwei Fingern. Die Pferde<br />
merkten auf, das Hufgestampf klang fester, als<br />
ob sie begriffen hätten, dass es dem Stall zuging.<br />
Der in der Mitte wandte den ziegelroten<br />
Kopf und an der Spitze des Zuges drehte der<br />
Junge Hut und Feder.<br />
Der Jakob Polch hielt die Hände vor den Mund:<br />
»Die laden noch Kalkstein aus. Dann müssen<br />
wir Weinwach halten.«<br />
In Kesten wurden sie erwartet. Die Sonne war<br />
hinter die bewaldete Bergkuppe gewandert.<br />
Der Grad Liesemer beaufsichtigte das Entladen.<br />
Das Schiff zeigte geleichtert das nassdunkle<br />
Holz der Bordwand, am Bug strammte<br />
320<br />
Die Weinwach<br />
Roland Steines<br />
die Ankerkette flussauf ins Wasser. Die Männer<br />
kamen mit den Körben auf der Schulter die<br />
Uferböschung hoch gestiegen. Es staubte<br />
weißlich, wenn sie die Körbe auskippten. Dem<br />
karrenartigen Wagen waren zwei Kühe vorgespannt,<br />
um das Gestein in das Dorf zum Kalkofen<br />
zu fahren. Die Weinfässer lagen beiderseits<br />
des Nussbaums in einer Reihe. »Noch<br />
drei Fuhren, dann sind wir fertig! Und Jakob?<br />
Altes Herz wird wieder jung, wenn man auf nem<br />
Gaul sitzt und die Musel daneben, oder?«<br />
»Mein Arschbacken sagn wat anneres!« antwortete<br />
der Jakob Polch und vertrat sich die<br />
lahmen Beine. »Wenn et net für dich wär, hätt<br />
ich dem alten Rensch net den Gefallen getan.<br />
Wat haste denn die Fässer noch an Land liegen?«<br />
»Et war kein Vorankommen mit dem<br />
Schiff. Et is kaum Strömung bei dem niedern<br />
Wasser. Ich hatt in Pelm schon weniger Stein<br />
geladen. An den Stromschnellen aber is de<br />
Strömung umso schalkiger, da müssen wir<br />
morgen höllisch aufpassen!« »Mal den Deiwel<br />
net an die Wand! Wie kriegste de Fässer auf dat<br />
Schiff?«<br />
»Wir däuen zwei Wagen ins Wasser und legen<br />
Balken, da rollen die Männer, die ausladen, die<br />
Fässer drüwer, die sind in aller Früh wieder da.<br />
Lauter Umständ, die net wären bei normalem<br />
Wasser! Da läg das Schiff beim Kranen an der<br />
Mauer.« Wenn die Kestener Männer an der<br />
Bordwand den gefüllten Korb auf die Schulter<br />
nahmen, reichte ihnen das Wasser bis zum<br />
Bauch. Der Schiffer wandte sich dem jungen<br />
Rensch zu: »Will der Vater net mehr? Das ist<br />
doch sein Hut, ich kenn nämlich die weiß Reiherfeder!«<br />
Er bezog den Rothaarigen, der noch<br />
im Sattel saß, in die Begrüßung mit ein und<br />
wies auf die Weinfässer: »Ihr seht ja, was euch<br />
erwartet!«<br />
Die Fässer waren mit Kreide beschriftet, neben<br />
den Kestener Lagen waren die guten Wingertslagen<br />
aus der Nachbarschaft vertreten, Brauneberger,<br />
Lieserer, auch Piesporter. »Wer soll<br />
denn in der Nacht die Fässer klauen?«, maulte<br />
der Rothaarige. »Es ist immer so gehalten worden<br />
mit der Weinwach, außerdem wird sie gut
ezahlt«, antwortete der Schiffer. Der Grad<br />
hielt sich gebückter, als es der Jakob in Erinnerung<br />
hatte, und abgemagert war er bis auf die<br />
Knochen. »Geld? Das bisschen Kupfer!« Der<br />
Rothaarige sprang mit Schwung vom Pferd.<br />
»Dat Gezänk bringt nix«, sagte der alte Polch<br />
schlichtend. »De Sonn is weg, et wird schnell<br />
dunkel. Wo kommen die Perd in den Stall?«<br />
Ins Dorf hinein lag auf ein paar Schritte, mit<br />
dem Fachwerkgiebel und dem aus behauenem<br />
Sandstein gefügten Erdgeschoss auf die Mosel<br />
ausgerichtet, ein größeres Anwesen mit Hof<br />
und seitlicher Stallung und Scheune.<br />
Der Schiffer wies auf den Torbogen: »Ihr seid<br />
im Himmeroder Hof angekündigt.«<br />
Der kleine Rensch und der Rothaarige führten<br />
ihre Gespanne hinüber.<br />
»Ich komm nach«, rief der alte Polch.<br />
»Es gibt nur noch den Himmeroder Hof«, sagte<br />
der Liesemer, »die Konkurrenz hat dicht gemacht.<br />
Weniger Fracht und Fahrten, weniger<br />
Halfen, die in Kesten die Perd einstellen. Seitdem<br />
die Eisenbahn transportiert, ist mit dem<br />
Treideln nix mehr zu verdienen. Wat war dat<br />
früher ein Betrieb.« Der Jakob Polch klatschte<br />
seinem Wallach auf die trockene Flanke, der<br />
ruhige Ritt hatte die Pferde nicht in Schweiß<br />
gebracht, das würde morgen bei der gefürchteten<br />
Wintricher Strömung anders sein, da würden<br />
die Taue ächzen.<br />
»Grad«, sagte er, »so is halt dat Leben. Die Zeit<br />
setzt allem ein End! Wenn du dein Dampfschiff<br />
hast, geht der hier zum Perdsmetzger.«<br />
Die schweren Kaltblüter waren hinter dem Torbogen<br />
verschwunden. Aus dem Dorf kam ein<br />
leerer Kuhwagen, die Dämmerung hatte die<br />
Schieferdächer bläulich eingetönt.<br />
»Wie is et, Jakob? Haste wieder ne Kuh im<br />
Stall?«<br />
»Erst muss der Stall wiederaufgebaut sein. Dat<br />
verflucht Gewitter! Wir habn Wochen gebraucht,<br />
bis dat Geröll und der Schlamm weg<br />
waren.«<br />
»Gegen Feuer wärst du versichert gewesen?«<br />
Der alte Polch winkte ab: »Wärst du versichert,<br />
wenn du mal vom Schiff fällst und ersäufst? Na<br />
also! Grad, wat machen die Frau und die Kinner?«<br />
»Danke der Nachfrage. Und in Premm?« »Dito«,<br />
sagte der alte Polch. »Aber du bist dünn<br />
geworden seit der Beerdigung.«<br />
»Wat ich im Sommer aufm Schiff verlier, futter<br />
ich mir im Winter wieder an. Tut mir wegen der<br />
Weinwach leid. Ich übernehm mit dem Rensch<br />
die erst Hälft von der Nacht. Wenn es hell wird,<br />
haust du dich nochmal aufs Ohr, bis die Fässer<br />
aufm Schiff sind. Dann sehn wir weiter. Oder<br />
hast du Bedenken?« »Ein Anfänger und zwei<br />
Aushilfen, der Rothaarige ist auch net vom<br />
Fach!«<br />
»Stell dein Licht net unter den Scheffel, du bist<br />
doch ein alter Fuhrmann! Bei dem wenigen<br />
Wasser kann ich gar net so viel Fässer laden,<br />
dass die neun Perd in die Knie gingen. Schlaf<br />
gut, Jakob!«<br />
Es war ein Stück nach Mitternacht, als sie von<br />
dem Jungen geweckt wurden. Die Nacht war<br />
warm. Die gebückte hagere Gestalt wartete unter<br />
dem Torbogen. Vom Hofeingang aus sah<br />
man die Schattenmauer der Weinfässer, im<br />
Nussbaum war der Widerschein eines Feuers,<br />
lang und dunkel hob sich das Schiff von dem<br />
helleren Wasser ab. Am Himmel zog lichtes<br />
Gewölk, das eine Mondsichel verschleierte<br />
oder freigab, die schief hing. Im Stall klopfte ein<br />
Pferd gegen Holz.<br />
Der Schiffer verabschiedete sich flüsternd. Seine<br />
Schritte verloren sich in einer Nebengasse.<br />
Der Rothaarige zog den Jakob am Ärmel: »Geh<br />
mal vor und, hier, nimm meinen Mantel mit!«<br />
Die Nacht war still. Der Fluss vermied längs des<br />
Schiffes jegliches Geräusch. Im Licht des<br />
schmalen Mondes verwirbelte unter der Ankerkette<br />
die Wasserfläche. Nur ab und an war ein<br />
Platschen zu hören, die großen Fische waren<br />
zugange. Wäre nicht der Sommer vorbei gewesen,<br />
hätte vom jenseitigen Ufer her eine Nachtigall<br />
geschlagen.<br />
Der alte Polch schob mit den Absätzen Glut<br />
und Holz zusammen. Dann setzte er sich auf<br />
seinen Mantel und lehnte, wobei er den Hut<br />
nach vorn schob, Rücken und Hinterkopf gegen<br />
die Fasswand. Er war sich nicht im Klaren,<br />
was er von dem Rothaarigen halten sollte, ganz<br />
katzgrau war der nicht. Je länger er auf die<br />
Lichtflecken starrte, die vor der Bordwand<br />
längs trieben, umso stärker war der Anschein,<br />
dass die Kette das Schiff stromauf zog.<br />
Lautlos war der andere unter dem Nussbaum<br />
aus dem Dunkel heraus aufgetaucht. »Gläser«,<br />
sagte er, »waren im Schankraum, das Schläuchelchen<br />
musst ich im Keller suchen.«<br />
»Dat kannst de net machen!«, sagte der Jakob.<br />
»Im Gegenteil«, sagte der andere und hockte<br />
321
sich neben ihn, »ich muss! In puncto Wein kenn<br />
ich mich aus, aber ich bin noch lang nicht gut<br />
genug.«Der alte Polch verkniff sich die Frage,<br />
woher er Ahnung vom Wein hätte. Stattdessen<br />
fragte er nach dem fehlenden Hut. »Was soll<br />
ich damit? Um aufzufallen hab ich die roten<br />
Haar geerbt. Deinem speckigen Deckel nach<br />
warst du immer bei dem Verein?« Das Feuerchen<br />
war aufgeflammt. »Bei den Halfen? Als<br />
ich freien ging, bin ich mitgeritten, um zu zeigen,<br />
dass ich in das Reiler Haus pass. Und wie<br />
ist dat bei dir?« »Komplizierter.« »Redst du net<br />
gern drüwer?« »Wie man es nimmt.« »Kannst<br />
de kein Platt?« »Ist Hochdeutsch verboten?«<br />
»Wieso verstehste denn wat vom Wein?« »Wieso?<br />
Durch Probieren.« »Dat geht über Studieren.«<br />
»Eben. Deswegen geh ich einen Stein suchen.«<br />
»Dat kannst du net machen!«, wiederholte<br />
der Jakob Polch. »Halt die Gläser und sei<br />
kein Spielverderber!«<br />
Als sie das dritte Fass probierten, war der alte<br />
Polch rasch zur Hand mit seinem Urteil, indem<br />
er ausspuckte. »Nicht nur viel zu sauer! Auch<br />
zu flach im Abgang!«, sagte der Rothaarige, er<br />
schüttete im Aufstehen das Glas aus, es roch<br />
jetzt nach Wein und dem Rauch des Holzfeuers.<br />
»Das Fass machen wir schnellstens wieder<br />
zu!« Man vernahm das leise Zuklopfen und<br />
dann am nächsten Weinfass das vorsichtige<br />
Anpochen, um obenauf den Holzpropf zu lösen.<br />
Dass der Rothaarige den Wein durch den<br />
Schlauch ansaugte, war dagegen nicht zu<br />
hören. »Und?« »Um Stufen besser!« »Das ist eine<br />
Brauneberger Juffer.« Der Rothaarige<br />
schlürfte nochmals mit hörbarem Genuss.<br />
»Noch frisch und jugendlich, aber mit der notwendigen<br />
Balance zwischen Säure und Süße,<br />
schon sehr harmonisch, sehr. Natürlich zu<br />
warm, dem fehlt entschieden Kellertemperatur.«<br />
»Dillenburger«, sagte der alte Jakob<br />
Polch, »du redest wie ein ausgepichter Weinkenner.<br />
Woher kenn ich deinen Namen?« »Vielleicht<br />
hast du meinen Vater gekannt.« »Deinen<br />
Vater?« »Der war 21 geboren. Das ist ungefähr<br />
dein Jahrgang, oder?«<br />
»Gib mir dein Glas her! Ich hol nochmal aus<br />
dem Brauneberger Fass.«<br />
Das Feuer knackte. Der Rothaarige kam<br />
zurück. Sie saßen und tranken und schwiegen.<br />
Einmal war, drüben am Ufer, im Wasser ein<br />
heftiges Platschen und Springen. »Die Großen<br />
fressen die Kleinen«, sagte der Rothaarige, »ich<br />
322<br />
geh die nächste Probe ziehen!« »Trink allein<br />
weiter! Nach der Kolik bei der Beerdigung hat<br />
mir de Doktor Sauferei verboten. Du meinst, ich<br />
könnt deinen Vater kennen?« »Gekannt haben.«<br />
»Is er tot?« »Leider. Hör mal, was sie über<br />
den geschrieben hatten:<br />
Johann Dillenburger, Tagelöhner und Landwehrmann<br />
1. Aufgebot, geboren und wohnhaft<br />
zu <strong>Wittlich</strong>, fünf Fuß sechs Zoll groß, mit rötlichen<br />
Haaren, breiter Stirn, grauen Augen,<br />
dicker Nase, gesunden Zähnen, rundem Kinn,<br />
gesunder Gesichtsfarbe, starker Gestalt.«<br />
»Wie gemalt!«, sagte der Jakob. »Den sieht<br />
man leibhaftig vor sich. Sogar im Dusteren.<br />
Und wer hat dat geschriewen?« »Erinnerst du<br />
dich, was 49 war?« »Da ging et mancherorts<br />
drunner unn driewer.« »Richtig! Und wo Prüm<br />
liegt, weiß du auch? Also! Mein Vater war 49<br />
mit dabei, wie sie das Zeughaus gestürmt haben.<br />
Meine Mutter war damals im Mai mit mir in<br />
der Hoffnung. Die haben das Zeughaus gestürmt,<br />
um an Gewehre zu kommen. Und das<br />
ist gelungen, obwohl es bewacht war, die Soldaten<br />
wollten nämlich nicht auf Landsleute<br />
schießen. Die Beschreibung ist aus der Anklageschrift.«<br />
»Kam dein Vater deswegen vor Gericht?«<br />
»Angeklagt, aber freigesprochen. Mein<br />
Vater hat dem Richter erzählt, dass er zufällig<br />
unter den Haufen geraten wär, er wär an dem<br />
Tag zu Fuß nach Prüm, um eine Geiß zu kaufen.«<br />
»Statt sich auf dem <strong>Wittlich</strong>er Viehmarkt<br />
umzugucken? Der war aber schön tappig, der<br />
Richter!« »Der Richter hat eher mit den Augen<br />
gezwinkert. Der Rädelsführer in Prüm war nämlich<br />
ein Rechtsanwalt aus Trier. Und eine Krähe<br />
hackt der anderen kein Auge aus. Bei den Soldaten<br />
allerdings wurd nicht gezwinkert. Das<br />
Militärgericht kannte keinen Pardon. Die wurden<br />
verurteilt und erschossen!« »Jesses! Die<br />
mussten sterben, weil se deiner Mutter deinen<br />
Vater nicht totschießen wollten?« »So ist es«,<br />
sagte der Rothaarige.<br />
»Jesses! Et gibt Sachen, die gibt et net! Ich war<br />
mal in Trier bei einer komischen Sach dabei. Da<br />
hat der Scharfrichter beim Marktkreuz einem,<br />
der war nach Amerika gefloh und der war auch<br />
wegen politischer Sachen zum Tod verurteilt,<br />
den Kopp abgeschlagen.«<br />
Der Dillenburger lachte. Er hatte den dünnen<br />
Schlauch um den Hals hängen. Das Feuer war<br />
abgebrannt, der Rest von Glut verlieh auch seinem<br />
Gesicht eine dunkelrote Färbung. »Der
Scharfrichter hat die groß Axt in de Richtblock<br />
gehau und so getan, als wär der Kopp ab. »Dadrauf<br />
trinken wir einen, Alter!« »Dat is aber endgültig<br />
mein letztes.« »Was ist, wenn ich eine<br />
Beerenauslese erwische?« Er verschwand wieder<br />
in der Dunkelheit unter dem Nussbaum. Die<br />
Mondsichel war aus den Wolkenschleiern herausgetreten.<br />
Nach einer Weile erst kam er<br />
zurück und war leise am Fluchen. »Probier mal!<br />
Riech erst! Das ist ein Reinfall!« Im Stehen<br />
nahm er erneut einen Probeschluck auf die<br />
Zunge. Der Jakob Polch roch, schlürfte, spuckte<br />
weg: »Da war zuviel Mist am Stock! Und du<br />
hast mir eine Beerenauslese in Aussicht gestellt!«<br />
Der Rothaarige setzte sich wieder. »Was hattest<br />
du wissen wollen? Woher ich mich beim<br />
Wein auskenn! Jakob, ich hab immer versucht,<br />
als Kellner in guten Häusern zu arbeiten, in<br />
besseren Hotels und so. Mit roten Haaren ist<br />
das nicht einfach. Aber wenn ich rausgeflogen<br />
bin, hatte ich gründlichst den Weinkeller studiert.<br />
Warst du schon mal bei einer großen Weinprobe<br />
dabei, wo auf dem Damasttischtuch die Sil-<br />
Da geh ich hin mit Augen<br />
die nicht sehn,<br />
mit einem Lächeln,<br />
das mir nicht bewusst,<br />
mit Worten<br />
die ich nicht gedacht,<br />
und einem Kleide,<br />
das mir völlig fremd. –<br />
Da geh ich hin<br />
und weiß nicht mal den Weg, –<br />
da geh ich hin,<br />
und weiß nicht mal das Ziel<br />
Da geh ich hin<br />
berkübel stehen, um den besten Wein auszuschütten?«<br />
Der Jakob verneinte. »Da müsstest<br />
du mal dabei sein! Meine Herren, ich bitte um<br />
Aufmerksamkeit für die nächste Probe! Wir verkosten<br />
nun eine 73er Essigkupp, eine hochgezuckerte<br />
Sauerampferbrühe aus dem Weingut<br />
Panscher, Besitzer Dr. von und zu Beschiss.«<br />
Da musste der Jakob doch prusten vor Lachen,<br />
obgleich er seit einiger Zeit schon dieses Sodbrennen<br />
im Hals spürte: »Bist du ein Ulkiger!«<br />
»Pass mal auf, ich geh nochmal ziehen, dann<br />
leg ich erst richtig los: Meine Herren, ich bitte<br />
um Aufmerksamkeit für die nächste Probe. Wir<br />
haben nun einen Riesling der Bischöflichen<br />
Weingüter im Glase aus dem Jahre Dominusvobiscum,<br />
mit einem reifen Weihrauchton in<br />
der Blume, während wir seitlich auf der Zunge<br />
den Geschmack von hochfeiner Nonnen ...«<br />
»Hör auf! Ich trink nichts mehr.« »Dann eben<br />
nicht! Dann lass uns schlafen, Alter!«<br />
Das Schiff war nur noch Schatten und Schemen,<br />
über dem nächtlichen Fluss woben Nebelfahnen.<br />
Aus dem Nussbaum fiel Kälte herab.<br />
Es roch nach Wein und nach dem strengem<br />
Blattwerk des dunklen Nussbaumes.<br />
Maria Kern-Steenvoort<br />
323
Wie fruh es dä Wallfahrer, dä bäi de Motdergotdes<br />
nao Klausen gäht, wenn en von weidem<br />
dä Klausener Kerchturm säiht. Wenn en dann<br />
immer nichsder kimmt, da saiht en owen of der<br />
Kerchturmspétz dat Fääßie, jao, e richdich run<br />
Wäinfääßie. Wie kimmt nou ousgerechent e<br />
Wäinfääßie lao of dä Kerchturm? Dat wéll ich<br />
äich erzehlen:<br />
Dat es nou schun mieh wie finefhunnert Joahr<br />
her, du waor en däm klänen Dorf Ferres nichst<br />
bäi Pejsbert innen aon der Musel en frume<br />
Mann, Eberhard, dä es jeden Daach dä Berch<br />
erofgedout bäi dä Graf Gottfried von Ääsch, fier<br />
bäi däm als Knäächt ze schaffen. Dä frumen<br />
Eberhard haat sich én en décke Baom, dä aon<br />
seinem Wääch gestan haot, en Motdergotdesfigur<br />
gestallt, en Schmerzhaft Mutdergotdes,<br />
on dao haot en jed Tour, wenn en draon vorbäigang<br />
es, gebäät, morgens on aowens.<br />
Änes Daochs, wie en mejdgeschafft von der<br />
Aorbet kum, haot en sich dao bäi däm Bildchie<br />
nejergeknejt, on du waor et em mät änemaol,<br />
als wie wenn en en Stimm hieren diet: »Meine<br />
gouden Eberhard, hei of der Plaaz sélls dou mir<br />
en Kerch bauen. Graod hei of der Plaaz séllen<br />
vil Lait bei mich kummen on bääden, on aalen,<br />
die mir ihr Nuut saon, séll geholf gen.«<br />
Helf-mer-stieh-mer-bäi, haot dä Eberhard gedaocht,<br />
lejv Motdergotdes, ich wéll jao alles<br />
gear fier dich doun, awer wie séll ich dat lao<br />
daorkrejn! On du haot en namaol die Stimm gehiert:<br />
»Maach nummen, et wird schun gaohn,<br />
äich helfen dir dabäi.«<br />
On du haot dä Eberhard sich mät Äifer draongen.<br />
Dä Pasdur von Ääsch waor sofort of seiner<br />
Sait. Dä Graf Gottfried haot em e Grundstéck<br />
geschenkt. On aal de Lait ous der ganzer Gejend<br />
hon aongepackt, Stään bäigeschlääft on<br />
bäim Bauen geholf, wu se nummen kunnten.<br />
Jeden Aorbeter, dä epbes schafft, es et wert<br />
dat en beluhnt get, on jed Aorbet es et wert, dat<br />
se esdamiert get, dat stäht schun en der Bibel.<br />
Su haot dä Eberhard däne Laiden, die su<br />
fläißich aongepackt hon, e Fääßie Wäin spen-<br />
324<br />
Dat Eberhardsfääßie en Klausen<br />
En Sage of Muselfränkisch erzehlt<br />
Josefine Wittenbecher<br />
diert. »Et wird net laang daorgaohn, dihr lejv<br />
Lait«, haot en gesaot, »awer et es doch mieh<br />
wie näist.«<br />
On, wat mänt dihr? Haot et daorgang fier änen<br />
Daach? Fier zwien? Oh Wunner, fier vil mieh!<br />
Die Bou-lait kunnten su laang ous däm Fääßie<br />
zaapen, bis dat dä ganze Kerchebou feerdich<br />
waor, on kaum waor de letzden Handgréff gedaon,<br />
kum kän Dréps mieh ous dem Kraonen.<br />
Lejv Motdergotdes, haot dä Eberhard bäi säich<br />
gedaocht, äich hon meint gedaon, on dou<br />
daint. Of däich es Verlaoss.<br />
Wat séllten se nou mät däm ledije Fääßie maachen?<br />
Dat waor flott beschloss: Et sollt owen of<br />
die Kerchturmspétz. On dao es et nach haut.<br />
Wenn nou en Wallfahrer nao Klausen bäi de<br />
Motdergotdes gäht on ä säiht dat Fääßie lao<br />
owen, dann séll en sich daodraon erinnern: Die<br />
Motdergotdes wääß, wat Menschen brouchen,<br />
on se helft, wu´t niedich es.<br />
In der Klosterkirche<br />
Sommerblumen<br />
blühen von<br />
der hohen Decke<br />
Während das<br />
Licht der Nachmittagssonne<br />
durch die bunten Scheiben<br />
fällt<br />
Auf mich<br />
die ich<br />
auf einer Bank sitzend<br />
nach vorne schaue<br />
Ich bin zwar unten<br />
aber keineswegs<br />
am Boden zerstört<br />
Elisabeth Freitag
Käremeß in Cues fia fofzesch<br />
Joare un mee<br />
Et iß schun mee wie en hallef hunnat Joar häa,<br />
datt in Cues Käremeß gefajat iß gänn. Vill iß net<br />
dohäa gemaach gänn, wail dä Käremeßdaach<br />
maaßdens in die Zäjt gefalle iß, wenn die Trauwe<br />
gelääse säj gänn. Un datt woa anfangs Novämba.<br />
Dä Kirjehällije von Cues iß dä Brixius.<br />
Dää woa Bischef von Tour in Frankräjsch noa<br />
däm hällije Meades. Däm Meades sajne Noamensdaach<br />
iß oam ällefde un däm Brixius sajne<br />
oam dräjzejnde Novämba. Dää Sunndaach<br />
troff odda dafia iß dann Käremeß gewääß. In<br />
däa Kiresch säjn dann all die Foahne offgehang<br />
gänn: vom Kirjekoa, von däa Broudaschaft, un<br />
so waida. Wie noch en Kaploahn in Cues woa,<br />
iß en dräjspännisch Hochamt gehaalt gänn. All<br />
die Kloahge säjn gelout gänn. Ma moost se<br />
noch meet Stregge zeje. Die Orejel hott fajalischa<br />
wie soaß gespillt. Un wail se doahfia mee<br />
Loft gebroucht hoat, moost dä junge Kärl, wo<br />
dä Ballesch geträäde hott, flodda maache wie<br />
on Wäadääsch. Noah dääm Hochamt woaret<br />
Zäjt fia ze ääse. Die Fraalajt haaden sesch<br />
schun dääschlang fiahäa geploacht: dat Hous<br />
gebotzt, Kuche gebaak un dä Proahde feadesch<br />
gemaach. En Daal von däne Lajde haat<br />
en Schwäjn geschloahcht. Un wämma noah<br />
däa Meeß durresch die Stroase iß gang, iß aanem<br />
dat Waasa in däa Maul zesoahmegelauf.<br />
So gout hoaddet iiwerall geruch noah Käremeßbroahde<br />
un roode Kaabeß odda Weeschem.<br />
Wail doahmoahls in Cues noch so en<br />
rischdesch Dorrefkäremeß gefajat iß gänn, koahmen<br />
och die Vawande von oußwäatz haj hin<br />
un worren gäa dabäj. Noah däm Ääse hoan die<br />
Vaddare en Zigga geraucht, genauso, wänn se<br />
en Fouda Wäjn vakauft haade. Meddes um<br />
zwoo Aua woa dann die Vääsba. Doah haaden<br />
die Lajt net vill droan, wail die Psaleme off Ladäjn<br />
gesung säj gänn. Dannoah iß Kaffee getrunk<br />
gänn. Die Fraalajt haaden doafia en Woahn<br />
voll Kuche gebaak: Zimmetkuche, Aabel-<br />
Cueser Mundart<br />
Franz Schmitt<br />
kuche, Bunt, Rosienekuche, Kasdekuche,<br />
Kranz un alles, wat dazou geheat. Dann hoan<br />
die Kinna en Krosche krejt un kunde off de<br />
Käremeßplaatz goahn. Dää woa bäjm Juuchenthajm.<br />
Träj odda veja Buude hoan doah<br />
gestanne un en Karressell. Äjsch waaß noch,<br />
wie die Käale on dääne Buude gerouf honn:<br />
»Hau den Lukas, dann dreht sich der Baias, der<br />
Sohn des Zacharias« odder: »Dreimal gedreht<br />
ist viermal gewonnen!« Oan aanem Stant haat<br />
dää Mannskäal zejn leedesch Bixe offgestallt:<br />
inne veja, doa troaff träj, dann zwoo un dalätzt<br />
aan Bix. Via en Krosche kunnt ma träj Balle ous<br />
Stoff kaufe und doameet off die Bixe schmäjse.<br />
Wemma all Bixe roahfgeschmeeß haat, hott ma<br />
en Bäa krejt. Doahmoahls woa in Cues en junge<br />
Mannskäal, dä kunt bäßa schmäjse wie all<br />
die annere. Däßwäje hoan sen Staaneknibbat<br />
genannt. Jeedesmoahl, wänn dää träj Bällscha<br />
geschmeeß haat, worren die Bixe vaschwunde.<br />
Die Kinna hoan zougekuukt. Dann hoan se gesoaht:<br />
»Joaggeb (ää hott Kriebse odda Härriese<br />
Joaggeb gehaaß), schmäjß aaß fia<br />
mähjsch!« Jeet Kinnt bekoahm en Bäa. Off aamoahl<br />
säat dää Mannskäal hinna däa Teek:<br />
»Heeren se off, se maachen mesch bankrott!«<br />
Dä Joaggeb hoatt noch en Bäa krejt un hott dä<br />
Mann in Rou geloaß. In mannije Joahre woa<br />
och en Schougel doa. Die Cueser Kinna haaden<br />
Gescheck fia se schougele. Iare Vadda<br />
haat hinnerem Haus on aanem Boahm en<br />
Heetschel fia sie gemaach. Dat haaßt, ää haat<br />
on aanem Boamaast en Streck ongekneppt un<br />
inne en Präät in dat Saal gezooche, datt die<br />
Kinna sisch troffsetze kunnde. Dann honnse<br />
geheetschelt. Noa via die Baan gestraakt un<br />
noa hinne oangezooche. Wat woa dat en<br />
scheen Zäjt, die Cueser Käremeß. Wie dat<br />
Bärekässeler Wäjnfästsche oaffkumme iß, dat<br />
woa näjnzejnhunnatahnunfoffzesch, woaret<br />
meet däa Cueser Käremeß ouß.<br />
325
Natur<br />
im<br />
<strong>Landkreis</strong>
Tal der kleinen Kyll<br />
Idyllische Bachtäler im Kreis<br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
Zu den landschaftlichen Sehenswürdigkeiten<br />
unseres <strong>Landkreis</strong>es gehören sicherlich die in<br />
Eifel und Hunsrück eingeschnittenen Bachtäler,<br />
die sich durch ihre natürliche Ursprünglichkeit<br />
und Schönheit zum Wandern geradezu<br />
anbieten und eignen. Im Hunsrück sind es die<br />
Täler der Kleinen und Großen Dhron, das Tal<br />
des Hölzbaches, des Veldenzer Baches, das<br />
Hinterbachtal mit seinen Mühlen zwischen<br />
Gonzerath und Veldenz, das Tiefenbachtal<br />
zwischen Longkamp und <strong>Bernkastel</strong>, das Trabener<br />
Bachtal von Wederath nach Kautenbach,<br />
das Kautenbachtal, das Kleinicher<br />
Bachtal, das Ahringsbachtal zwischen Lötzbeuren<br />
und Enkirch sowie das Großbachtal bei<br />
Enkirch. In der Eifel zieren das Tal der Salm,<br />
des Bendersbaches, des Kailbaches, der Lieser,<br />
der Kleinen Kyll, des Alfbachs zwischen<br />
Eckfeld und Alf und des Ueßbaches zwischen<br />
Arnold Binzen<br />
Strotzbüsch und Alf das landschaftliche Angebot<br />
unseres Kreisgebietes. Ihre verschwiegene<br />
Naturschönheit macht sie zu Oasen der Natur.<br />
Die zahlreichen Mühlen in den Bachtälern<br />
zeugen von der einstigen Bedeutung der Wasserläufe<br />
für den Menschen. In der heutigen<br />
Zeit sind die Mühlen Ferien- und Wochenenddomizile<br />
von Menschen, die ihre Ruhe und Erholung<br />
und die Begegnung mit der Schönheit<br />
unserer Landschaft suchen. Dem Wanderer<br />
und Naturfreund bieten die verträumten Täler<br />
eine beeindruckende Naturlandschaft und Begegnungen<br />
mit der Flora und Fauna von Eifel<br />
und Hunsrück.<br />
Besondere Aufmerksamkeit wollen wir den wenigen<br />
Wasserfällen und Stromschnellen widmen,<br />
die wir in unserem <strong>Landkreis</strong> haben, und<br />
die den romantischen Tälern ihren außergewöhnlichen<br />
Reiz verleihen.<br />
327
Der Wasserfall im Tal der Kleinen Kyll<br />
Der kleine Wasserfall unterhalb der Mündung<br />
des Horngrabens in die Kleine Kyll lässt nur<br />
noch wenige Spuren eines vor einigen zehntausend<br />
Jahren existierenden 30 Meter hohen<br />
Wasserfalles der Kleinen Kyll erkennen.<br />
Ein Lavastrom der Vulkangruppe des Mosenbergs<br />
hatte der Kleinen Kyll den Lauf versperrt<br />
und sie angestaut. Die Strudellöcher in den Felsen<br />
unter der Wanderbrücke und der kleine<br />
Wasserfall sind die letzten Zeugen dieses ehemaligen<br />
Naturschauspiels im Tal der Kleinen<br />
Kyll.<br />
Der Wasserfall in der Hölzbachklamm<br />
Durch die Hunsrücklandschaft fließt die kleine<br />
Hölzbach, die als unscheinbares kleines Rinnsal<br />
in die Große Dhron mündet. Von Merscheid-Hölzbach<br />
her verläuft ein Wanderweg<br />
entlang dieses Baches. Das letzte Drittel dieses<br />
empfehlenswerten Weges führt den Wanderer<br />
durch die sogenannte »Hölzbachklamm«, ein<br />
Wasserfall Hölzbachklamm Rauschkümpel<br />
328<br />
enges Tal, in dem der Bach malerisch durch<br />
das Schiefergestein mäandriert und etwa 100<br />
Meter vor der Mündung einen der schönsten<br />
Wasserfälle des Hunsrücks bildet.<br />
Der Rauschkümpel im Ahringsbachtal<br />
Vorbei an idyllisch gelegenen alten Mühlen, die<br />
den Bachlauf zwischen Enkirch und Lötzbeuren<br />
säumen, trifft der Wanderer auf seinem<br />
Weg zwischen Mosel und Nahe auf einen Wegweiser<br />
mit dem Namen »Rauschkümpel«. Hinter<br />
diesem Begriff verbirgt sich nicht, wie sich<br />
vielleicht annehmen lässt, ein wallender Born,<br />
sondern ein wenig bekannter, aber attraktiver<br />
Wasserfall des Hunsrücks. Begleitet vom lauten<br />
Rauschen des Wassers stürzt der Steierbach<br />
aus einem Seitental des Ahringsbachtales<br />
über eine Felsstufe in sein Auffangbecken,<br />
um sich wenig später durch ein schmales und<br />
glattes Felsbett, einer Rutschbahn ähnlich,<br />
über kleine Kaskaden dem Ahringsbach langsam<br />
zu nähern.
Das Felsenmeer der Großen Dhron<br />
Zwischen Reinhardsmühle und Hunolstein bietet<br />
die Große Dhron in einer landschaftlich reizvollen<br />
Umgebung das Bild eines reißenden<br />
Wildbaches. Ein Felsenmeer von großen Quarzitblöcken,<br />
»Weiße Wacken« genannt, zwängt<br />
den Lauf der Großen Dhron ein und lässt sie<br />
zwischen den großen Brocken hindurchschlängeln.<br />
Der ruhige Fluss wird durch die zahlreichen<br />
Stromschnellen und Verengungen zu einem<br />
lauten und kraftvollen Wildbach.<br />
Die Große Dhron sucht sich ihren Weg durch das Felsenmeer (Bild oben und unten)<br />
329
330<br />
Die Dhron<br />
Ein Plätschern und Springen,<br />
ein Gurgeln und Singen,<br />
ein Schäumen und Purzeln<br />
auf Steinen und Wurzeln.<br />
Nie kann sie verweilen<br />
ein Strömen und Eilen,<br />
es sei denn im Eise,<br />
da flüstert sie leise<br />
und kuschelt sich hin<br />
in träumendem Sinn.<br />
Die D h r o n.<br />
Doch weckt sie die Sonne<br />
des Lenzesschein Wonne,<br />
dann wird sie lebendig,<br />
gesprächig und wendig.<br />
Dem Wand’rer zur Kühle,<br />
den Kindern zum Spiele,<br />
den Tieren zum Labe<br />
ohn’ großes Gehabe.<br />
Die D h r o n.<br />
Durch Wiesen und Felder,<br />
längst Hecken und Wälder<br />
geht schlängelnd ihr Lauf,<br />
sie hält niemand auf.<br />
Tritt früh aus der Enge<br />
und weitet die Zwänge,<br />
strebt rastlos ohn’ Ruh<br />
dem Moselbett zu.<br />
Die D h r o n.<br />
Der Wolken Geleite,<br />
der Bäume Geschmeide,<br />
sie runden das Bild,<br />
von Frieden erfüllt,<br />
das, der D h r o n.<br />
Liesel Franz
Der Allgemeinbegriff des Grünlandes umfasst<br />
eine Vielzahl von Biotoptypen und Pflanzengesellschaften,<br />
die als ökologische Standortanzeiger<br />
zur Bewertung von Landschaftsteilen eine<br />
erhebliche Rolle spielen. Unser heutiges<br />
Grünland ist wie jede Vegetationseinheit Mitteleuropas<br />
nicht stabil, sondern unterliegt einer<br />
ständigen dynamischen Entwicklung, ökologisch<br />
gesehen zum Positiven wie zum Negativen<br />
hin, und zwar abhängig von dem Maß der<br />
Bewirtschaftung. Eine Betrachtung und Analyse<br />
des Grünlandes in einem bestimmten geographischen<br />
Raum muss zwangsläufig von der<br />
Tatsache ausgehen, dass dieser Vegetationstyp<br />
gerade für unseren Kreisraum nicht als<br />
natürlich anzusehen, vielmehr anthropogen bedingt<br />
ist. Dazu sei ein historischer Rückblick<br />
gestattet.<br />
Historie<br />
Grünland im Kreisgebiet<br />
Als Grünland wird gemeinhin die landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche bezeichnet, die als Wiese<br />
oder Weide Grundlage für die Viehwirtschaft<br />
in unserem Raum ist; man muss dazu aber<br />
auch Streuwiesen, Hutungen (Magerweiden)<br />
oder Ödland rechnen. Von dieser Feststellung<br />
ausgehend verdanken die meisten Grünländereien<br />
ihre Existenz der Waldrodung durch<br />
Schlag oder Feuer ebenso wie einer Waldzerstörung<br />
durch Weidenutzung (Waldweide).<br />
Wiesen und Weiden sind also vom Menschen<br />
geschaffene Ökosysteme (Klapp, 1965), die<br />
durch bestimmte Nutzungsformen im künstlichen<br />
Gleichgewicht gehalten werden. Wirklich<br />
natürliches Grünland findet sich in Mitteleuropa<br />
heute nur noch an ausgesprochen waldfeindlichen<br />
Standorten, d. h. jenseits der Baumgrenze<br />
in den Alpen bzw. im Überschwemmungsbereich<br />
von Gewässern sowie in Moorgebieten,<br />
wie es sie hier und da in Eifel und Hunsrück<br />
meist in Verbindung mit Fließgewässern noch<br />
gibt, z. B. Dhrontal, Ahringbachtal, Liesertal.<br />
Die Grünlandentwicklung in Mitteleuropa verlief<br />
über mehrere Jahrtausende. Wenn man davon<br />
ausgeht, dass sich die Pflanzendecke in<br />
Mitteleuropa vor etwa 5 000 Jahren unter den<br />
Jochen Hild<br />
vorliegenden natürlichen ökologischen Bedingungen<br />
entwickelte, so hat man damit in etwa<br />
auch den Beginn der Grünlandentwicklung. Wir<br />
wissen heute über die Entwicklung unserer<br />
Kulturlandschaft recht gut Bescheid, so etwa<br />
auch, dass seit Ende der mittleren Wärmezeit<br />
(ca. 3 000 v. Chr.) in klimatisch und bodenmäßig<br />
geeigneten Gebieten die erste ackerbauliche<br />
Bewirtschaftung erfolgte (= neolithischer<br />
Ackerbau). Die beginnende bäuerliche<br />
Kultur bediente sich zunächst und vorwiegend<br />
des Getreideanbaues, der eine nachhaltige<br />
Veränderungswirkung auf die Vegetationsstruktur<br />
hatte, da mit ihm erstmals eine Waldvernichtung,<br />
ausgehend von den Siedlungsbereichen,<br />
verbunden war. Während der späten<br />
Wärmezeit (3 000 bis 500 v. Chr.) verstärkte<br />
sich diese Entwicklung erheblich, und in der<br />
Bronze- und Eisenzeit wurden z. B. auch die<br />
Flussauen vielerorts in eine landwirtschaftliche<br />
Nutzung einbezogen. In zunehmendem Maße<br />
kam zu dieser Zeit auch die Viehhaltung in Mode,<br />
die sowohl in den Auen- als auch in den Hügellandbereichen<br />
nur durch eine mehr oder weniger<br />
intensive Waldweide möglich war. Damit<br />
wurde dann gleichzeitig die Grundlage für die<br />
Entstehung spezieller Biotoptypen wie Zwergstrauchheiden,<br />
Magerrasen und Trockenrasen<br />
geschaffen.<br />
In der Nachwärmezeit (ab ca. 500 v. Chr.)<br />
benötigte man in zunehmendem Maße Holzkohle<br />
zum Schmelzen von Eisen und übernutzte<br />
dazu die mittlerweile in unserem kühlfeuchten<br />
Klima entstandenen Buchenwälder, welche<br />
die Eiche als Hauptholzart verdrängt hatten.<br />
Fast zeitgleich gründeten die Römer die ersten<br />
größeren, auf reine landwirtschaftliche Nutzung<br />
ausgerichteten Gutshöfe. In dieser Zeit<br />
entstanden Ackerflächen, sog. Hochäcker, die<br />
heute mittlerweile alle wieder von Wald überwachsen<br />
sind, da sie wegen ihrer ungünstigen<br />
ökologischen Bedingungen - Klima, Boden -<br />
unrentabel sein mussten. Ein wichtiges Ereignis<br />
für die Landschaft war dann sicherlich die<br />
Völkerwanderung, da in dieser Zeit die »Inkulturnahme«<br />
von Land unterblieb und sich zu-<br />
331
nehmend wieder Buchenwälder ausbreiteten.<br />
Die beiden der Völkerwanderung folgenden<br />
Siedlungswellen im 7./8. und im 11./12. Jahrhundert<br />
hatten dann wieder nicht unerhebliche<br />
Waldrodungen zur Folge, während danach im<br />
Mittelalter Wüstungsperioden einsetzten. Darunter<br />
versteht man die Aufgabe von Nutzland<br />
durch Abwanderung der Landbevölkerung in<br />
größere Siedlungsbereiche oder auch durch<br />
Dezimierung der Bevölkerung infolge Krieg und<br />
Seuchen; eine Klimaverschlechterung vom 15.<br />
bis 17. Jahrhundert tat ein Übriges dazu. Im<br />
Endergebnis waren alle Wüstungsperioden in<br />
besonderem Maße kulturlandschaftsverändernd,<br />
da der Wald immer wieder einmal eine<br />
Chance zur Regeneration erhielt, die meist jedoch<br />
nur über kurze Perioden von wenigen<br />
Jahrzehnten erfolgte.<br />
Entscheidend für die weitere Entwicklung war<br />
die Tatsache, dass die Nutzung des Waldes<br />
durch Vieh, Holz und Laubstreugewinnung andauerte,<br />
sodass sich anstelle der natürlichen<br />
und ursprünglichen Waldgesellschaften Ersatzgesellschaften<br />
bildeten. In unserem Raum<br />
entstanden aus Buchen-Eichenwäldern z. B.<br />
Heidegesellschaften, aus trockenen Eichen-<br />
Birkenwäldern Trockenrasen, aus Kalk-Buchenwäldern<br />
Kalk-Halbtrockenrasen und aus<br />
fichtenreichen Buchen-Wäldern Ginster-Heiden,<br />
wie sie heute noch weit verbreitet im<br />
Kreisgebiet vorkommen. Diese Ersatzgesellschaften,<br />
denen heute sogar ein nicht unerheblicher<br />
ökologischer Wert zukommt, wiesen nur<br />
noch Waldreste auf, z. B. stachelige und dornige<br />
Waldmantelgebüsche, die vom Vieh verschmäht<br />
wurden; die Entwicklung zur sogenannten<br />
Triftweide war damit aber eingeleitet<br />
und blieb bis zur Trennung in landwirtschaftlich<br />
und forstwirtschaftlich genutzte Flächen bestehen.<br />
Erst um 1850 etwa wurden in Mitteleuropa<br />
die Waldweiderechte nach und nach abgelöst.<br />
Damit endete dann eigentlich auch die sog.<br />
Koppel- und die Dreifelderwirtschaft, durch die<br />
man seit dem Mittelalter eine gewisse Ordnung<br />
in die landwirtschaftliche Landnutzung zu bringen<br />
versucht hatte. An die Stelle dieser Bewirtschaftungsformen<br />
trat im 19. Jahrhundert die<br />
Wechselwirtschaft: Getreide, Hackfrucht, Futterpflanzen,<br />
Grünland. Diese Fruchtfolge<br />
brachte bessere Erträge, und auch die Viehwirtschaft<br />
erfuhr eine Erleichterung; eine Waldweide<br />
konnte entfallen, die höhere Futterpro-<br />
332<br />
duktion führte zur Vergrößerung der Viehbestände<br />
und somit auch des anfallenden natürlichen<br />
Düngers, der wiederum dem Ackerbau<br />
zugute kam. Die Wiesen waren in dieser Zeit<br />
um 1850 noch einschürig, da sie nicht gedüngt<br />
wurden; zweischürige Wiesen entstanden erst,<br />
als im Ackerbau die Mineraldüngung eingeführt<br />
wurde, jedoch versuchte man schon, durch<br />
Bewässerung infolge Grabenziehung in trockeneren<br />
Grünlandbereichen eine Ertragserhöhung<br />
der Wiesen zu erreichen; es entstanden<br />
z. B. vorwiegend in Talbereichen Wässerwiesen.<br />
Die zunehmende Industrialisierung gegen Ende<br />
des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
führte vielfach schon kleinflächig zu einer sehr<br />
starken Differenzierung des Grünlandes, da der<br />
Einsatz von Maschinen und die Verwendung<br />
von Mineraldüngern die unterschiedlichsten<br />
Bewirtschaftungsintensitäten und auch die<br />
Nutzung von Extremstandorten - Grenzertragsböden<br />
- erlaubten. Der Begriff der Melioration<br />
wurde insbesondere in den Jahrzehnten vor<br />
und nach dem letzten Weltkrieg groß geschrieben.<br />
Man versteht darunter alle kulturtechnischen<br />
Maßnahmen zur agrarwirtschaftlichen<br />
Bodenverbesserung: Trockenlegung und Entwässerung<br />
ebenso wie Bewässerung und Beregnung,<br />
Intensivdüngung sowie Moor- und<br />
Ödlandkultivierung, letztlich aber auch alle<br />
Maßnahmen der Flurbereinigung. Bedauerlicherweise<br />
erfolgten derlei Kultivierungsmaßnahmen<br />
manchmal sogar trotz besseren Wissens<br />
ohne Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten,<br />
wodurch es zu einer Verarmung<br />
an Grünlandtypen kam, die nur noch<br />
großflächig und einheitlich bewirtschaftet wurden.<br />
Diese Verarmung wirkte sich nicht nur hinsichtlich<br />
der Flora, sondern auch und ganz besonders<br />
im Hinblick auf die Fauna äußerst negativ<br />
aus. Die weitere Intensivierung der Nutzung<br />
- Vielschnittwiesen -, die durch bedenkenlose<br />
organische und anorganische Düngung<br />
möglich wurde sowie der Einsatz von<br />
Herbiziden zur »Unkraut«-Bekämpfung führte<br />
über Jahre zu einer Erschöpfung der Wuchskraft<br />
des Grünlandes; die Flächen wurden wieder<br />
umgebrochen, mit ertragsreicheren Saatgutgemischen<br />
eingesät; es entstand das Saatgrasland,<br />
das in manchen Teilen Mitteleuropas<br />
heute 90 % der Grünlandfläche einnimmt.<br />
Der Rückgang der landwirtschaftlichen Pro-
Grünland-Ackerbau-Landschaft im Hunsrück bei Morbach<br />
Goldhafer-Grünland der Weichholzaue bei Rachtig<br />
333
duktion kam in den letzten beiden Jahrzehnten<br />
jedoch der Natur zugute; extensive Bewirtschaftungsformen<br />
sowie das Offenlassen von<br />
großflächigen Grünlandbereichen führten auch<br />
in unserem Kreisgebiet zu einer zunehmenden<br />
Vernatürlichung der Grünlandstandorte. Zieht<br />
man das Fazit aus der Entwicklung der Landwirtschaft<br />
über viele Jahrhunderte hinweg, so<br />
ergibt sich die Notwendigkeit, alle zukünftigen<br />
Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen sowie<br />
-systeme an ökologischen Eckdaten zu orientieren,<br />
um die Pflege der historisch gewachsenen<br />
Kulturlandschaft und eine Renaturierung<br />
ehemals intensiv genutzter Grünlandflächen sicherzustellen.<br />
Ökologische Eckdaten<br />
Grundsätzlich ist bei Grünland in unserem<br />
Kreisgebiet zwischen Extensiv- und Intensivgrünland<br />
zu unterscheiden. Ersteres unterliegt<br />
heute meist einer ein- oder zweischürigen Nutzung<br />
mit Nachbeweidung oder es dient als<br />
Koppel- bzw. Magerweide; bei Sonderstandorten<br />
verzichtet man vielfach auch auf die jährliche<br />
Nutzung, »bewirtschaftet« stattdessen in<br />
mehrjährigem Abstand und erreicht so eine gewisse<br />
Form von Brachen. Extensivgrünland ist<br />
generell durch standortangepasste, meist artenreiche<br />
Pflanzengesellschaften geprägt. Für<br />
den Arten- und Biotopschutz hat die extensive<br />
Grünlandnutzung deshalb auch eine herausragende<br />
Bedeutung, da es hier zu einer langfristigen<br />
Sicherung von Tier- und Pflanzenarten sowie<br />
ihren Lebensräumen kommt.<br />
Die Intensivnutzung dagegen strebt, da auf Ertrag<br />
ausgerichtet, Grünland mit wenigen leistungsfähigen<br />
Futterpflanzen an, die sowohl<br />
häufigen Schnitt als auch hohe Trittbelastung<br />
ertragen. Das bedeutet, dass sich standortangepasste<br />
Pflanzengesellschaften nicht mehr<br />
entwickeln können und solche Flächen für den<br />
Arten- und Biotopschutz verloren sind.<br />
Aus dem Vorstehenden ergibt sich also, dass<br />
die Art der Nutzung entscheidend für die ökologische<br />
Wertigkeit der einzelnen Grünland-Biotoptypen<br />
ist. Welche Nutzungsformen müssen<br />
nun unterschieden werden? Flächen mit landwirtschaftlicher<br />
Nutzung, d. h. Futterbau und<br />
Beweidung sind als ökologisch minderwertig<br />
anzusehen; sie können nur durch zunehmende<br />
Extensivierung eine ökologische Aufwertung<br />
erfahren. Die Erholungsnutzung, der heute<br />
334<br />
viele Grünlandflächen auch im Bereich von Naturparks<br />
unterliegen, ist in ihrer Wirkung auf<br />
den Arten- und Vegetationsbestand sehr differenziert<br />
zu betrachten. Folgen die »Erholungsuchenden«<br />
den meist vorgegebenen Wanderstrecken,<br />
entstehen keine Schäden, werden<br />
solche Flächen aber durch Modellflugsport,<br />
Drachenflieger, Motocrossfahrer, frei laufende<br />
Hunde »genutzt«, gehen sie in ihrem ökologischen<br />
Wert sehr schnell zurück, insbesondere<br />
dann, wenn es sich um Wiesenvogelschutzgebiete<br />
handelt, die einer für die Wiesenvögel<br />
nicht kalkulierbaren Nutzung unterliegen. Die<br />
militärische und verkehrstechnische Nutzung<br />
hat, so absurd das auch klingen mag, in<br />
vielen Fällen eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt<br />
erhalten. Gerade in den Regierungsbezirken<br />
Koblenz und Trier sind solche ehemaligen<br />
Militärflächen seit Beginn der neunziger<br />
Jahre als ökologisch besonders wertvoll bekannt.<br />
Der Grund für diese hohe ökologische<br />
Bewertung liegt in der über Jahrzehnte erfolgten<br />
extensiven Nutzung mit zum Teil kurzfristig<br />
extremen Einschnitten z. B. durch Panzerbefahrung<br />
oder Schießbetrieb; dadurch entstanden<br />
vielfach Extremstandorte mit entsprechender<br />
Fauna und Flora. Die jagdliche Nutzung<br />
schließlich ist eine der ältesten Nutzungsformen<br />
des Grünlandes und im ökologischen Sinne<br />
positiv zu bewerten, wenn eine extensive<br />
Grünlandnutzung erhalten werden kann, negativ<br />
wirkt sich dabei jedoch die vielfach erfolgende<br />
Anlage von Wildäckern aus, wodurch es zu<br />
einer Entwertung der Grünlandstandorte<br />
kommt, weil damit vielfach auch ein zu hoher<br />
Wildbestand verbunden ist, der wiederum zu<br />
erheblichen Verbissschäden führt.<br />
Im Einzelnen entwickeln sich die Grünland-Biotoptypen<br />
in sehr starker Abhängigkeit von den<br />
ökologischen Gegebenheiten, die über die<br />
pflanzensoziologische Zuordnung entscheiden:<br />
Bodenart, Bodentyp, Wasserhaushalt,<br />
Nährstoffversorgung und Klimaeinflüsse!<br />
Grundsätzlich gilt, dass der Grünlandertrag mit<br />
zunehmendem Tongehalt des Bodens steigt,<br />
und damit verbessern sich dann auch die Nährstoff-<br />
und Bodenwasserverhältnisse, wohingegen<br />
die Neigung zur Bodenverdichtung und<br />
Oberflächenvernässung mit zunehmendem<br />
Tongehalt ansteigt, eine sehr eindrucksvolle<br />
ökologische Beziehungskette, die sowohl positiv<br />
wie negativ zu bewertende Zusammenhän-
ge zeigt. Die Grünlandböden sind in unserem<br />
Raum meist Braunerden mit tief liegendem<br />
Grundwasser, in den Fluss- und Bachlaufbereichen<br />
finden sich zudem Aueböden, die sich<br />
aus Sedimenten verschiedenster Herkunft zusammensetzen,<br />
in grundwassernahen Bereichen<br />
aber auch Gleyböden, die mineralische,<br />
grundwasserbeeinflusste Lehmböden darstellen<br />
und für Feuchtwiesen und Röhrichte charakteristisch<br />
sind. Schließlich finden sich im<br />
Bereich von Verlandungszonen und grundwassernahen<br />
Geländesenken Moorböden verschiedener<br />
Struktur, die je nach Feuchtigkeitsgehalt<br />
wiederum eine ganz spezielle meist torfmoosreiche<br />
Vegetationsform zur Folge haben.<br />
Es bleibt also festzuhalten, dass Bodenart (z.<br />
B. toniger Lehm), Bodentyp (Braunerde) und<br />
Wasserhaushalt (Niederschlagswasser, Grundwasser,<br />
Haftwasser und Stauwasser) sehr wesentlich<br />
Art und Entwicklung des jeweiligen<br />
Grünland-Biotoptyps bestimmen.<br />
Von nicht minder großer Bedeutung sind Nährstoffversorgung<br />
und Klimaeinflüsse. Wesentlichste<br />
Nährstoffe sind Stickstoff, Phosphor,<br />
Schwefel, Kalium, Calcium und Magnesium sowie<br />
eine Reihe von Spurenelementen wie Bor,<br />
Eisen, Mangan, Zink und Kupfer. Diese Nährstoffe<br />
müssen aber verfügbar, d. h. für die<br />
Pflanze aufnehmbar sein, denn die Pflanzen<br />
der Grünlandgesellschaften sind den jeweils<br />
verfügbaren Mengen dieser Nährstoffe angepasst.<br />
Es gibt z. B. Arten mit geringen Stickstoffansprüchen<br />
wie das Borstgras (Nardus<br />
stricta) und solche mit hohen Stickstoffansprüchen<br />
wie das Rote Straußgras (Agrostis<br />
capillaris). Solche stickstoffliebenden Arten beantworten<br />
z. B. eine Stickstoffdüngung mit einem<br />
verstärkten Massenwachstum, wodurch<br />
andere Arten im Extremfall verdrängt werden<br />
und der urspüngliche Grünlandbestand an<br />
Natürlichkeit verliert. Verzichtet man dagegen<br />
auf Düngung und entfernt den jährlichen Aufwuchs<br />
regelmäßig durch Mahd, magert man<br />
den Bestand aus, vernatürlicht ihn also wieder.<br />
In der ökologischen Landschaftspflege des<br />
Grünlandes gilt deshalb: Schützenswertes<br />
Grünland sollte die vom jeweiligen Standort<br />
vorgegebene Nährstoffversorgung als Ausgangsbasis<br />
erhalten mit dem Ziel, die Artenvielfalt<br />
in der jeweiligen Pflanzengesellschaft<br />
sicherzustellen. Ähnliche Wechselwirkungen<br />
lassen sich auch mit anderen Nährstoffen auf-<br />
bauen, z. B. durch Zufuhr von Kalk. So kann<br />
man etwa durch gezielte Stickstoff- oder Kalkgaben<br />
den Charakter einer Grünlandpflanzengesellschaft<br />
manipulieren, etwa die Entwicklung<br />
eines saueren Magerrasens durch Verzicht<br />
auf Kalk und die eines Kalkmagerrasens<br />
durch Zufuhr von Kalk und Verzicht auf Stickstoff,<br />
sofern das Ausgangsgestein für die Bodenbildung<br />
dies überhaupt zulässt.<br />
Unter den Klimaeinflüssen sind die Faktoren<br />
Licht, Temperatur, Klimafeuchte und Wind von<br />
entscheidender Bedeutung. Der Lichtfaktor ist<br />
entscheidend für die Stoffproduktion. In einer<br />
einschürigen Mähwiese haben Pflanzenarten in<br />
den unteren Schichten kaum eine Entwicklungschance;<br />
zur Steigerung des Artenreichtums<br />
ist deshalb eine zweite Mahd/Jahr erforderlich.<br />
Der beste Massenzuwachs im Wirtschaftsgrünlandbestand<br />
erfolgt bei einer Temperatur<br />
zwischen 17 und 21° C; Borstgrasrasen<br />
bevorzugen für eine geschlossene Entwicklung<br />
jedoch niedrigere Temperaturen (< 15 ° C).<br />
Die Verbreitung der Grünland-Biotoptypen ist<br />
in unserem stark strukturierten Raum aber<br />
auch ganz wesentlich von der Höhenlage abhängig.<br />
Grünlandverbreitung und Ertragshöhe<br />
steigen mit den Niederschlägen an, jedoch besteht<br />
hier eine Wechselwirkung mit der Temperatur,<br />
denn abnehmende Temperatur lässt Erträge<br />
trotz erhöhter Niederschläge in größeren<br />
Höhenlagen absinken. Und schließlich der<br />
Windfaktor, der in offenen Grünlandbeständen<br />
z. B. auf flachgründigen Böden und in Höhenbereichen<br />
der Mittelgebirge erodierend wirken<br />
kann.<br />
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass<br />
die meisten Pflanzenarten des Grünlandes<br />
deutlicher Ausdruck der ökologischen Situation<br />
nicht nur ihres jeweiligen Wuchsraumes,<br />
sondern auch ihres Standortes sind. Sog. Zeigerpflanzen<br />
sind in solchen Pflanzenbeständen<br />
ausgezeichnete Indikatoren zur Beurteilung der<br />
Umweltverhältnisse in einem Kleinraum.<br />
Zukunftsperspektiven<br />
Nicht nur während der vergangenen Jahrhunderte,<br />
sondern auch in den letzten 50 Jahren ist<br />
die Landwirtschaft in unserem Raum einem erheblichen<br />
Strukturwandel unterlegen. Dabei<br />
waren insbesondere die Veränderungen der<br />
letzten Jahrzehnte vergleichsweise schnell und<br />
tiefgreifend. Die erste Folge dieses Struktur-<br />
335
wandels war bedauerlicherweise eine »Maximierung<br />
der Uniformität« in der Landschaft.<br />
Dies beginnt mit offen gelassenem, verbrachendem<br />
Nutzland und endet mit großflächigen<br />
Monokulturen von Raps, Mais, Fichten und<br />
Reben. Die landschaftlichen Kleinstrukturen,<br />
die ihren Ursprung in der speziellen bäuerlichen<br />
Wirtschaftsweise Mitteleuropas hatten<br />
und die ökologisch so wichtig sind, wurden in<br />
den letzten Jahrzehnten von Betriebsformen<br />
der Weltmärkte verdrängt, wobei durch die EG-<br />
Bestimmungen derartige Entwicklungen noch<br />
eine Förderung erfuhren. Auf der Strecke blieben<br />
nicht nur viele kleinbäuerliche Betriebe,<br />
sondern auch viele Tier- und Pflanzenarten, wie<br />
die landesweit erstellten Roten Listen erkennen<br />
lassen.<br />
Nach Aufgabe der Grünlandbewirtschaftung<br />
stehen entsprechende Flächen vielfach für eine<br />
Aufforstung zur Verfügung, was einen gewissen<br />
Ertrag erwarten lässt. Diese Vorhaben entsprechen<br />
aber in keiner Weise den Vorstellungen<br />
und Forderungen des Naturschutzes, gehen<br />
dadurch doch wertvolle Biotopflächen verloren<br />
und nimmt die Diversität der Landschaft<br />
immer mehr ab, was auch ökologisch negative<br />
Folgen haben muss und wird.<br />
Wenn Grünländereien brachfallen oder durch<br />
Meliorationsmaßnahmen, z. B. Entwässerung,<br />
verändert werden, verändern sich auch Artenzusammensetzung<br />
und Bestandesstruktur<br />
meist sehr schnell. Endet auf Nass- und<br />
Feuchtwiesen oder auf Trocken- und Halbtrockenrasen<br />
die Bewirtschaftung etwa durch<br />
regelmäßige Mahd, so setzen sich wuchsstarke,<br />
ausläufertreibende Kräuter durch, oder es<br />
kommen je nach Bodenverhältnissen einige<br />
wenige Gras- oder Seggen-Arten zur Dominanz;<br />
das Reitgras ist dafür ein sehr gutes Beispiel.<br />
Das Ergebnis ist auch hier wiederum ein<br />
Rückgang der Diversität im Einzelbestand und<br />
damit eine Einschränkung der ökologischen<br />
Wertigkeit.<br />
Ähnlich verhält es sich mit dem Weideland; aufgelassene<br />
Weiden »verunkrauten« und verbuschen<br />
innerhalb kurzer Zeit und büßen an ökologischem<br />
Wert ein. Es ist deshalb eine von allen<br />
europäischen Ländern erhobene Forderung,<br />
Grünland in extensiver Bewirtschaftung<br />
durch landschaftspflegerische Maßnahmen zu<br />
erhalten und ein Nebeneinander von so genutzten<br />
Flächen sowie jungen Grünland- und<br />
336<br />
Gebüschbrachen, aber auch von Wäldern anzustreben.<br />
Das EG-Extensivierungsprogramm für Landwirtschaft,<br />
Landschaft und Natur, genannt<br />
»MEKA« (= Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich)<br />
des Jahres 1992 bietet für<br />
die Grünlandflächen eine echte Chance. Seine<br />
Hauptelemente sind:<br />
· Erhaltung der Kulturlandschaft durch Grünland-Förderung<br />
· Sicherung landschaftsökologisch günstiger<br />
Nutzungsformen, z. B. Extensivierung<br />
· Bonusregelung für Biotoppflege, d.h. flächenbezogene<br />
Prämienzahlung.<br />
Unterstützt wird dieses Programm auch durch<br />
nationale Wiesen- und Artenschutzprogramme,<br />
die etwa Umfang, Art und Zeitpunkt von<br />
Mahden festlegen, Alternativen zum Grünland-<br />
Management für alle Grünland-Biotoptypen<br />
anbieten und einen Ausgleich zwischen Ökonomie<br />
und Ökologie anstreben, d. h. auch Vermarktungsprogramme<br />
mit einschließen.<br />
Alle diese Programme und die auf ihnen gründenden<br />
Forderungen des amtlichen und nicht<br />
amtlichen Naturschutzes beruhen auf folgenden<br />
Feststellungen:<br />
· Grünland stellt ein altes Natur- und Kulturgut<br />
dar, das des Schutzes bedarf.<br />
· Grünland ist ebenso wie der Wald eine landschaftliche<br />
Nutzungsform, die wesentlichen<br />
Einfluss auf den Wasserhaushalt einer Landschaft<br />
hat.<br />
· Grünland in seinen vielen verschiedenen Ausprägungsformen<br />
trägt erheblich zur Landschaftsdiversität<br />
bei und wertet einen Naturraum<br />
ökologisch auf.<br />
In der nächsten Jahrbuch-Ausgabe werden die<br />
verschiedenen Wiesenarten im <strong>Landkreis</strong><br />
<strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> vorgestellt.<br />
Literatur:<br />
Ellenberg, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. Verlag<br />
Eugen Ulmer, Stuttgart.<br />
Hutter, C. P. et al. (1993): Wiesen, Weiden und anderes Grünland.<br />
Weitbrecht-Verlag, Stuttgart.<br />
Klapp, E. (1965): Grünlandvegetation und Standort nach Beispielen<br />
aus West-, Mittel- und Süddeutschland. Parey-Verlag, Berlin/Hamburg.<br />
Klapp, E. (1983): Wiesen und Weiden. Parey-Verlag, Berlin.
Seltene Gesteinsformationen bei Reil<br />
Schon vor 65 Jahren, beim Osterspaziergang<br />
mit seinen Eltern und seinen sechs Geschwistern,<br />
war der damals noch in den Kinderschuhen<br />
steckende Heimatforscher Helmut Wendhut<br />
von der »Steinschlange« und den steinernen<br />
»Brotlaibern« an der Bahnstrecke zwischen<br />
Kövenig und Reil begeistert. Seine<br />
Schwester Dora Ortwein machte 1967 Aufnahmen,<br />
die das Interesse des Verfassers weckten<br />
und zu diesem Bericht geführt haben. Der<br />
Fundort liegt ca. 100 Meter von dem Zufluss<br />
des Burger Baches in die Mosel unterhalb der<br />
Reiler Gemarkung »Pfahlscheid«, ca. zehn Meter<br />
von der Landesstraße Nr. 53 entfernt, in<br />
der Nähe des ehemaligen »Burger Haltestell’chens«.<br />
Nach der Flurbereinigung in Burg<br />
kam am Fels des unteren Weinbergweges<br />
(bergseitig) die »Fortsetzung« quer durch die<br />
Mosel zum Vorschein. Der Fels wurde mit Zementguss<br />
zur Sicherung überzogen.<br />
1991 hat Helmut Wendhut aus Mainz vom Landesamt<br />
für Denkmalpflege (Bearbeiter Dr.<br />
Kuhn) Antwort auf seine Anfrage bekommen,<br />
um welch‘ seltenes Naturdenkmal es sich offensichtlich<br />
handelt:<br />
Schon 1908 wurden diese »Steinwürste« von<br />
Max Lohest als »Boudins« (= Würste, franz.)<br />
bzw. »Boudinage« (= Verwurstelung) bezeichnet.<br />
Es sind Gesteinsgefüge, bei denen feste<br />
Die Reiler »Steinschlange«.<br />
Hubertus Schulze-Neuhoff<br />
Gesteinsschichten, der Tonschiefer, durch den<br />
Jahrmillionen dauernden Druck des Devonmeeres<br />
bzw. die bei der Gebirgsfaltung auftretenden<br />
Dehnungen in einzelne Stücke getrennt<br />
und die Kanten gerundet wurden.<br />
In der Nordeifel bei Dedenborn, zwischen Monschau<br />
und dem Rursee, und in den Ardennen<br />
sind diese »Boudins« bekannt (Meyer, 1986, S.<br />
198 und 502). An der Mosel wurden die seltsamen<br />
»Steinwürste« noch nicht aufgefunden,<br />
soweit die Forschungen dies bisher ergaben.<br />
Liegen die »Würste« fast senkrecht übereinander,<br />
am überkippten Faltenschenkel, so nennt<br />
man sie »Mullions« (nach den Pfeilerbündeln<br />
der Stützbögen gotischer Kirchen, nach G. H.<br />
Nolau, 1891).<br />
Diese seitlich versetzten ellipsenförmigen/ovalen<br />
»Steinbrote« sind beim Bau der Bahnstrecke<br />
freigelegt worden. Das eine davon besteht<br />
aus ringförmigen Strukturen, die nach<br />
Wendhut als aufgerollte Sedimente gedeutet<br />
werden können, die halbschalenförmig von<br />
oben flachgedrückt wurden.<br />
Für meinen Kollegen, Diplom-Geologe Dieter<br />
Hellbach, sind diese möglicherweise ein Indiz<br />
auf sogenannte »Belastungsmarken« = »load<br />
casts« an der Grenze zwischen Ton und Sand.<br />
Diese Marken (casts) entstehen durch ungleiche<br />
Belastung von Meeres- oder Flussschlamm.<br />
Es kann somit angenommen werden,<br />
dass beim »Wachsen« des Devonmeerbodens<br />
dieses Unikum »unter die Räder« der Erdschichten<br />
kam, und in seiner jetzigen Form bei<br />
Naturfreunden die Suche nach weiteren Gesteinsformationen<br />
Fortsetzung findet.<br />
Auf jeden Fall rege ich hiermit an, dass dieses<br />
»Naturdenkmal« auch in den Wanderkarten der<br />
Mittelmoselregion registriert und für die Touristen<br />
und Einheimischen von Seiten des Reiler<br />
Fremdenverkehrsausschusses eine Hinweistafel<br />
auf diese seltene Steinformation errichtet<br />
wird.<br />
Quellen:<br />
Meyer, 1986: »Geologie der Eifel« mit weiteren Literaturangaben.<br />
Wunderlich, H.-G.: »Einführung in die Geologie«, Bd. 2, Endogene Dynamik,<br />
S.93 (»Mullions« und »Boudins« an stark geneigten Faltenschenkeln).<br />
337
338<br />
Ausblick<br />
Hildegard Kohnen<br />
Und morgens wenn alles weiß ist<br />
Lange Läufer flauschigen Neuschnee´s<br />
Sich durch die Weinberge ziehen<br />
Jeder Rebstock ein eisiges Häubchen trägt<br />
Die Häuser niedrig am Waldrand kauern<br />
Fest in Tannen eingeschmiegt<br />
Verwittert altersschwach und wunderbar<br />
Wie Schäferwagen auf Winterweiden<br />
Glaubst du das Kläffen von Hunden zu hören<br />
Die lautstark Schafe in die Herde bellen<br />
Doch es bleibt still<br />
Nur der Wind pfeift<br />
Eintönig ein Lied unterm Dach und<br />
Spielt leise mit den Läden<br />
Dein Blick fällt gedankenverloren<br />
Aus geborgener Behaglichkeit<br />
Durch ein großes Fenster<br />
Auf eine Landschaft<br />
Atemberaubender Schönheit<br />
Als wäre dieses Bild<br />
Dieses kostbare Bild Heimat<br />
Das keines Rahmens bedarf<br />
Alltägliche Selbstverständlichkeit
Blauflügelprachtlibelle<br />
Libellen<br />
fliegende Edelsteine unter den Insekten<br />
Arnold Binzen<br />
339
Ihrer Schönheit und ihrer leuchtenden Farben<br />
wegen dürfen sich Libellen bei Naturfreunden<br />
neben den Schmetterlingen besonderer Wertschätzung<br />
erfreuen. Ihre auffällige Flugweise<br />
und ihre Neigung zu ausgeprägten Segelflügen<br />
schlägt sich in der englischen Namensgebung<br />
»dragonflies« – Drachenflieger nieder. Als relativ<br />
stille Bewohner an unseren Bächen, Flüssen<br />
oder Teichen machen sie durch ihre bemerkenswerten<br />
Flugmanöver auf sich aufmerksam.<br />
Während der Revierverteidigung oder ihrer<br />
Beutejagd steigen sie einem Helikopter<br />
ähnlich auf, kontrollieren im Rüttelflug ihr Revier<br />
und verfolgen eindringende Rivalen oder<br />
Beutetiere in wendigen und schnellen Verfolgungsflügen<br />
bis an die Reviergrenze. Schauspiele<br />
dieser Art können über längere Zeit beobachtet<br />
werden. Besonders bei hartnäckigen<br />
Eindringlingen, die sich vom prächtigen und<br />
leuchtenden Farbenspiel und den eindrucksvollen<br />
Flugbewegungen nicht überzeugen lassen,<br />
wird das Territorialverhalten der Libellen<br />
intensiv herausgefordert und zu einem fantastischen<br />
Schaukampf. Grundlage dieses künstlerischen<br />
Flugvermögens bildet der relativ<br />
schmale und lange Körper mit den vier großen<br />
netzartigen Flügeln, von denen jedes Paar unabhängig<br />
schlägt. Dadurch sind sie in der Lage,<br />
blitzschnell zu manövrieren oder sogar<br />
rückwärts zu fliegen. Die Flügel weisen ein<br />
dichtes Adernetz mit einem dunklem Fleck,<br />
dem Pterostigma, auf und verursachen<br />
während des Flugs allenfalls knisternde Geräusche.<br />
Von den über 5 000 bekannten Arten auf<br />
der Welt können die in Europa vorkommenden<br />
100 Arten den beiden Unterordnungen Kleinlibellen<br />
und Großlibellen zugeordnet werden.<br />
Kleinlibellen unterscheiden sich von den Großlibellen<br />
durch ihren zarten und dünnen Körperbau<br />
und ihre gleich ausgebildeten Vorder- und<br />
Hinterflügel, die sie in Ruhehaltung nach oben<br />
zusammenlegen. Großlibellen lassen sich an<br />
ihrem kräftigeren Körperbau, den etwas breiteren<br />
Hinterflügeln an der Flügelbasis, der flach<br />
ausgebreiteten Flügelhaltung in Ruhestellung<br />
und den großen Netzaugen, die sich zumeist<br />
berühren, erkennen. Die Größe der Augen lässt<br />
auf ein außerordentlich gutes Sehvermögen<br />
schließen, das sie zur Verfolgung ihrer Beute im<br />
Flug benötigen. Die dornigen Beine bilden<br />
während des Flugs einen Fangkorb, den sie<br />
zum Greifen von Mücken und Fliegen ge-<br />
340<br />
schickt einsetzen. Am Körperende der Libellen<br />
befindliche Greifzangen dienen der Paarung.<br />
Das Männchen greift das paarungsbereite<br />
Weibchen mit seinen Greifzangen hinter dem<br />
Kopf und fliegt in der sogenannten Tandemposition<br />
zum Paarungsplatz.<br />
An einem Halm klammernd, führt das Weibchen<br />
seinen Hinterleib zum vorderen Teil des<br />
Hinterleibes des Männchens nahe den Flügeln,<br />
um das dort zuvor vom Männchen in speziellen<br />
Kopulationsorganen abgelagerte Sperma aufzunehmen.<br />
Diese Paarungshaltung wird als<br />
Paarungsrad bezeichnet. Die Tandemposition<br />
kann von den Tieren über längere Zeit bis zur<br />
Eiablage beibehalten werden. Die Eier werden<br />
entweder ins Wasser, in den Gewässerschlamm<br />
oder in den Schlitz eines Pflanzenstengels<br />
abgegeben, überwintern und reifen im<br />
folgenden Frühjahr zu Libellenlarven heran. Die<br />
Entwicklung der Larve dauert wiederum ein bis<br />
zwei Jahre, bei manchen Großlibellenlarven sogar<br />
bis zu 5 Jahren.<br />
Die Larven wachsen im Wasser heran und<br />
ernähren sich von kleinen Flusstieren wie Würmern,<br />
Insekten, Kaulquappen und Krebstieren.<br />
Als Beutegreifer dient ihnen eine mit einer<br />
Greifzange versehene Fangmaske, die ungeheuer<br />
schnell hervorgeschleudert werden<br />
kann. Bis zur vollkommenen Entwicklung der<br />
Nymphe, so die Bezeichnung der ausgewachsenen<br />
Larve, können sich 9 bis 15 Häutungen<br />
vollziehen. Die Metamorphose, d. h. die Wandlung<br />
der Libellenlarve in das fertige Insekt, ist<br />
an äußerlichen Veränderungen zu erkennen<br />
(Veränderungen der Augen, eingeschränkte<br />
Beweglichkeit, Rückbildung der Fangmaske).<br />
Kurz vor dem Schlüpfvorgang klettern die Larven<br />
an einer Pflanze aus dem Wasser und beginnen<br />
mit der Atmung. Die Haut der Larve<br />
trocknet, wird spröde und reißt. Aus der Larve<br />
steigt langsam die Libelle (Imago) als weiches<br />
und bleiches Insekt hervor und unternimmt<br />
nach wenigen Stunden ihren »Jungfernflug«.<br />
Erst in den folgenden Tagen bzw. der ersten bis<br />
zweiten Woche färben sie sich vollkommen<br />
aus, erhalten ihren festen Chitinkörper und erreichen<br />
die Geschlechtsreife.<br />
Ans Wasser zurückgekehrt, beginnt eine dreibis<br />
vierwöchige Reproduktionsphase (Paarungszeit)<br />
der Libellen. Angesichts einer<br />
äußerst kurzen Lebenserwartung von zwei bis<br />
drei Monaten werden sie ca. drei bis vier Wo-
chen nach ihrer aktiven Lebensphase langsam<br />
ihre Kräfte verlieren und sterben. Während dieser<br />
Zeit werden sie zahlreiche Mücken und<br />
Fliegen gejagt, kunstvolle Flüge am Gewässer<br />
unternommen und viele Stunden in der Sonne<br />
gebadet haben. Viele andere werden dagegen<br />
ihren Feinden wie Vögeln, Spinnen, anderen Libellenarten<br />
oder einem Unfall zum Opfer gefallen<br />
sein. In ihrem kurzem Leben gilt ihr Interesse<br />
besonders der Nahrungssuche und der<br />
Fortpflanzung. Jenen Naturliebhabern, die in<br />
ihren Gärten einen Teich angelegt haben, sind<br />
sie äußerst nützliche Tiere und gern gesehene<br />
Gäste. Wenn auch ihre temperamentvollen Revierflüge,<br />
ihr räuberisches Jagdverhalten und<br />
ihre winzigen Greifzangen am Hinterleib einen<br />
angriffslustigen und gefährlichen Eindruck erwecken<br />
können, sind Libellen äußerst harmlose<br />
Tiere, die gerne am Wasser und in der Nähe<br />
des Menschen leben und ihre Nützlichkeit unter<br />
Beweis stellen.<br />
Blattbauchlibelle (m.)<br />
Quelljungfer<br />
341
Adonislibelle<br />
Prachtlibelle (w.)<br />
342
Gebänderte Prachtlibelle<br />
343
Viele Ornithologen zieht es auf der Suche nach<br />
ihnen noch unbekannten Vogelarten hinaus in<br />
die weite Welt. Kein Land, keine Region unserer<br />
Erde bleibt dabei ausgespart. Ein beredtes<br />
Zeugnis für die Reiselust der Vogelkundler ist<br />
die Fülle der Vogelbestimmungsbücher, die inzwischen<br />
für fast jeden Winkel der Erde angeboten<br />
werden. Dass aber nicht nur in fernen<br />
Ländern, sondern bereits vor der Haustür interessante<br />
und spannende vogelkundliche Entdeckungen<br />
möglich sind, soll der nachfolgende<br />
Beitrag aufzeigen. Schauplatz der hier geschilderten<br />
Beobachtungen ist ein mit fünf Einfamilienhäusern<br />
bebautes Areal am südlichen Ortsrand<br />
von Enkirch. In diesem Gebiet, etwa<br />
Gartengelände im Süden Enkirchs<br />
344<br />
Vogelleben vor der Haustür<br />
Heinrich Weitz<br />
3 000 m 2 groß, wechseln die Häuser mit Gärten,<br />
Sträuchern, Bäumen, Rasenflächen und<br />
einem kleinen Teich ab. An zwei Seiten<br />
schließen sich bewirtschaftete Weinberge an.<br />
Insgesamt also ein Gebiet, das eine Vielzahl<br />
kleinräumiger, unterschiedlicher Biotopstrukturen<br />
aufweist und daher für die Tierwelt nicht<br />
uninteressant sein dürfte. So wurde denn auch<br />
das Frühjahr 1999 dazu genutzt, vor allem die<br />
hier vorkommende Vogelwelt einmal etwas genauer<br />
unter die Lupe bzw. vor das Fernglas zu<br />
nehmen.<br />
Anfangs, d. h. Ende Februar, Anfang März, war<br />
es noch relativ ruhig. Die im Garten hängenden<br />
Vogelfutterautomaten waren von uns schon
seit einiger Zeit nicht mehr mit Sonnenblumenkernen<br />
beschickt worden, so dass Buch- und<br />
Grünfinken, Haus- und Feldsperlinge, Kohlund<br />
Blaumeisen ausblieben. Lediglich ein Paar<br />
der Rabenkrähe balzte bereits zu diesem Zeitpunkt<br />
mit lautem »krah, krah«, die übrigen Vögel<br />
verhielten sich noch recht unauffällig, dachten<br />
wohl noch nicht an die bevorstehende Brutzeit.<br />
Als Nistplatz hatten sich die Rabenkrähen<br />
übrigens einen starken Seitenast nahe der<br />
Spitze einer alten, nahezu 10 m hohen Fichte<br />
ausgewählt.<br />
Einen Monat später, an der Wende vom März<br />
zum April, setzten die Aktivitäten der Vögel<br />
dann aber mit Macht ein. Hausrotschwanz,<br />
Bachstelze, Hänfling, Stieglitz und Girlitz waren<br />
aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt und<br />
ergänzten das Vogelstimmenkonzert von Amsel,<br />
Buchfink und Kohlmeise. An zwei Nistkästen<br />
aus Holzbeton - die bereits seit mehreren<br />
Jahren von Kohlmeisen zur Brut benutzt wurden<br />
- erschienen auch Ende März 1999 wiederum<br />
zwei Paare der Kohlmeise und fanden erneut<br />
Gefallen daran, da sie nur kurze Zeit später<br />
mit dem Nestbau begannen. Zu einer Brut<br />
kam es jedoch nicht, da die beiden nahezu fertigen<br />
Nester von anderen Tieren übernommen<br />
wurden. In Nistkasten Nr. 1 quartierte sich ein<br />
Gartenschläfer ein, in Kasten Nr. 2 eine Hummel.<br />
Für die Kohlmeisen blieb daher nichts anderes<br />
übrig, als sich andernorts neue Nistgelegenheiten<br />
zu suchen. Der Gartenschläfer hatte<br />
allerdings nicht sehr lange Freude an seinem<br />
neuen Heim, da er nur wenige Tage später tot<br />
in einem Wasserfass in der Nähe des Nistkastens<br />
gefunden wurde. Es ist zu vermuten,<br />
dass er auf seinen nächtlichen Streifzügen von<br />
der Hauswand oder der Dachrinne abstürzte, in<br />
den darunter stehenden Wasserbehälter fiel<br />
und ertrank. Auch Kasten Nr. 2 war kurze Zeit<br />
später wieder frei. Ob die Hummel ihn freiwillig<br />
oder unfreiwillig verließ, konnte nicht beobachtet<br />
werden. Da die Brutzeit aber gerade erst begonnen<br />
hatte, stand zu erwarten, dass die beiden<br />
künstlichen Nistgelegenheiten doch noch<br />
besetzt werden würden. Während der zwei<br />
Wochen Osterferien konnten keine Beobachtungen<br />
gemacht werden. Nach der Rückkehr<br />
aus dem Urlaub hatten sich an beiden Nistgelegenheiten<br />
erneut Interessenten eingefunden.<br />
Diesmal waren es zwei Paare des Feldsperlings.<br />
Das freute mich besonders, ist doch der<br />
Feldsperling eine Vogelart, die in den letzten<br />
Jahren deutliche Bestandseinbußen erlitten<br />
hat. Als Gründe sind insbesondere die Intensivierung<br />
der Landwirtschaft und der Einsatz von<br />
Spritzmitteln anzuführen. Hinzu kommen erhebliche<br />
Nahrungsengpässe außerhalb der<br />
Brutzeit, da im Herbst durch frühes Unterpflügen<br />
der abgeernteten Getreidefelder keine<br />
Dreschabfälle mehr vorhanden sind. Der Feldsperling<br />
ist kleiner und schlanker als der bekanntere<br />
Haussperling. Männchen wie Weibchen<br />
haben einen rotbraunen Oberkopf und einen<br />
markanten schwarzen Ohrfleck auf den<br />
weißen Kopfseiten. Der Name Feldsperling<br />
weist eindeutig auf dessen bevorzugte Wohngebiete<br />
hin: Das landwirtschaftlich genutzte<br />
Umfeld von Siedlungen und Waldränder mit<br />
angrenzenden Freiflächen.<br />
Während sich die Sperlinge noch nicht so recht<br />
entscheiden konnten, ob sie nun die beiden<br />
Kästen beziehen sollten, waren die Rabenkrähen<br />
bereits mit der Fütterung ihrer inzwischen<br />
geschlüpften Jungvögel beschäftigt.<br />
Auch in Nachbars Garten fütterte ein Amselpaar<br />
seine fünf Jungvögel. Das Nest stand in<br />
einer Edeltanne in etwa 2 m Höhe über dem<br />
Boden.<br />
Bei den Feldsperlingen begann der Nestbau<br />
erst am 1. bzw. 3. Mai. Zuvor erfolgten eine<br />
Vielzahl von Inspektionen beider Nistkästen,<br />
wobei die Vögel anfangs nur für sehr kurze Zeit<br />
in den Höhlen verschwanden, um sie unmittelbar<br />
darauf wieder zu verlassen. Es hatte den<br />
Anschein, als kämen ihnen die künstlichen<br />
Nistgelegenheiten nicht ganz geheuer vor.<br />
Später hielten sich die Vögel dann aber für längere<br />
Zeit im Inneren auf. Aus dem Einschlupfloch<br />
herausschauend nahmen sie eine<br />
kritische Begutachtung ihrer neuen Umgebung<br />
vor. Dabei erinnerten sie durchaus an ältere<br />
Menschen, die das Geschehen vor ihrem Haus<br />
oder ihrer Wohnung aus dem Fenster beobachteten.<br />
Ab dem 15. Mai wurde in beiden<br />
Nistkästen gebrütet. In Kasten Nr. 1 waren<br />
sechs Eier, in Nr. 2 drei Eier gelegt worden. Von<br />
dem 6er-Gelege waren drei Eier unbefruchtet,<br />
da nur drei Jungvögel schlüpften, von denen<br />
wiederum nur zwei erfolgreich ausflogen. Ein<br />
Jungvogel starb in den ersten Tagen. In Kasten<br />
Nr. 2 schlüpften aus allen drei Eiern Jungvögel,<br />
die nach einer Nestlingszeit von 17 Tagen das<br />
Nest verließen.<br />
345
Junge Feldsperlinge im Nistkasten<br />
Junge Hausrotschwänze in Halbhöhle<br />
346<br />
Der Hausrotschwanz hatte sich im Frühjahr<br />
1999 mit drei Brutpaaren im besagten Gebiet<br />
eingefunden. Die Brutplätze befanden sich in<br />
zwei Fällen auf den Firstbalken von Häusern, in<br />
einem Falle wurde das Nest in einem Nistkasten<br />
für Halbhöhlenbrüter angelegt. Männchen<br />
und Weibchen dieses Paares unterschieden<br />
sich nur minimal in der Gefiederfärbung, ein Indiz<br />
dafür, dass es sich um ein sehr junges<br />
Männchen handelte, da diese erst mit zunehmendem<br />
Alter ein überwiegend schwarzgraues<br />
Gefieder mit weißem Flügelfleck bekommen.<br />
Mein Nachbar beobachtete dieses Paar ebenfalls<br />
sehr intensiv bei der Fütterung der Jungvögel<br />
und meinte angesichts der fehlenden Unterschiede<br />
in der Gefiederfärbung, dass es sich<br />
wohl um zwei Weibchen handele: Der Mutter<br />
und der Tante der Jungvögel. Wichtigster<br />
»Nestbaumateriallieferant« für dieses Hausrotschwanzpaar<br />
war übrigens unser Hund Leica,<br />
ein schwarzer Labrador-Schäferhund-Mischling.<br />
Wie alle Hunde verlor auch Leica im Frühjahr<br />
trotz eifrigen Bürstens eine Menge Haare,<br />
die vom Hausrotschwanz aufgesammelt und<br />
zur Auspolsterung des Nestes verwendet wurden.<br />
Besondere Freude machte uns während
Amselweibchen »Trude« auf dem Nest<br />
der Brutperiode 1999 ein Amselweibchen, das<br />
wir Trude getauft hatten. Ihr Nest hatte Trude<br />
beim Nachbarn in einem Kirschlorbeer in 1,80<br />
m Höhe angelegt. Wir fanden es erst am 25. Juni.<br />
Zu diesem Zeitpunkt waren die vier Jungvögel<br />
etwa sechs bis sieben Tage alt. Trude war<br />
ein Vogel, der nahezu keine Scheu vor den<br />
Menschen zeigte. Wenn ich in einem Gartenstuhl<br />
auf der Terrasse saß, kam es häufiger vor,<br />
dass Trude bei der Nahrungssuche direkt unter<br />
meinem Gartenstuhl herlief. Auch an ihrem<br />
Nest zeigte sie keinerlei Scheu. So ließ sie sich<br />
aus nur 50 cm Entfernung beobachten und fotografieren,<br />
ohne die Fütterung ihrer Jungvögel<br />
zu unterbrechen. Das Männchen von Trude beteiligte<br />
sich weit weniger häufig an der Fütterung<br />
der Nachkommen, es zeigte auch nicht<br />
die Vertrautheit des Weibchens. Oftmals saß es<br />
auf der Spitze eines Baumes oder auf einem<br />
der Hausdächer und sang. Das Nest verließen<br />
alle vier Jungvögel erfolgreich am 3. Juli, d.h. in<br />
einem Alter von 14-15 Tagen.<br />
Als Ergebnis der Brutperiode 1999 bleibt festzuhalten,<br />
dass in dem oben beschriebenen Gebiet<br />
im Süden Enkirchs insgesamt neun verschiedene<br />
Vogelarten zur Brut schritten und es<br />
in mindestens 14 gefundenen Nestern zur Eiablage<br />
kam. Ohne Bruterfolg waren Stieglitz,<br />
Hänfling und Dorngrasmücke. Deren Nester<br />
wurden ausgeraubt, wobei die Nesträuber in<br />
allen drei Fällen unbekannt blieben. Nicht gefunden<br />
wurde das Nest eines ständig im Gebiet<br />
anwesenden Girlitzpaares. Als Fazit der erfolgreichen<br />
Bruten bleibt festzuhalten: Aus drei<br />
Hausrotschwanzbruten flogen insgesamt 14<br />
Jungvögel aus, bei zwei Feldsperlingbruten<br />
waren es fünf Jungvögel, bei einem Bachstelzen-<br />
und Rabenkrähenpaar fünf und vier Jungvögel<br />
und bei zwei erfolgreichen Amselbruten<br />
insgesamt neun Jungvögel. Addiert man diese<br />
Zahlen, so ergibt dies einen Wert von 37 ausgeflogenen<br />
Jungvögeln, insgesamt doch ein<br />
recht überraschendes Ergebnis für ein relativ<br />
kleines Gebiet wie das hier vorgestellte.<br />
Die vogelkundlichen Beobachtungen im Frühjahr<br />
und Frühsommer 1999 haben nicht nur viel<br />
Freude gemacht, sie haben zusätzlich gezeigt,<br />
dass auch in bebauten Gebieten vieles zu entdecken<br />
und zu beobachten ist. Wie bei allen<br />
Naturbeobachtungen ist es entscheidend, Geduld,<br />
Ausdauer und Liebe fürs Detail mitzubringen.<br />
347
Lebensläufe<br />
und<br />
Würdigungen
Die Künstlerin Hedwig Schulze<br />
Ich hatte in den vergangenen Monaten mehrfach<br />
Gelegenheit, mit der früheren Kunstlehrerin<br />
am Cusanus-Gymnasium, Hedwig Schulze,<br />
die heute in Koblenz lebt, zu telefonieren und<br />
Briefe über ihre <strong>Wittlich</strong>er Zeit zu wechseln.<br />
In etlichen <strong>Wittlich</strong>er Familien kann man einige<br />
der 50 beeindruckenden Holzschnitte mit <strong>Wittlich</strong>er<br />
Ansichten von ihr bewundern. 13 der<br />
kleinformatigen Meisterwerke fanden Eingang<br />
in das 1993 erschienene »<strong>Wittlich</strong>er Lesebuch«<br />
des ehemaligen <strong>Wittlich</strong>er Bürgermeisters Matthias<br />
Joseph Mehs. Er war es, der Hedwig<br />
Schulze zu diesen Holzschnitten als Illustration<br />
einer Heimatbuchreihe anregte. Aus seiner reichen<br />
Bibliothek stellte er ihr historische Vorlagen<br />
zur Verfügung. Viele Motive aber zeichnete<br />
sie zwischen 1946 und 1949 vor der Natur. Die<br />
Druckplatten aus Birnbaumholz wurden von<br />
dem ortsansässigen Tischler Teusch angefertigt.<br />
Leider hat die Stadt <strong>Wittlich</strong> keinen Gebrauch<br />
vom Angebot der Künstlerin gemacht,<br />
diese Druckstöcke für <strong>Wittlich</strong> zu erwerben.<br />
Immerhin wurden die Holzschnitte selbst im<br />
Rahmen einer Gemeinschaftsausstellung von<br />
Gesellenstücken der Schreinerinnung Bern-<br />
Gerd Bayer<br />
kastel-<strong>Wittlich</strong> mit Gemälden und Aquarellen<br />
des Künstlers Hugo Möhl zwischen dem 15.<br />
August und dem 7. September 1980 in der<br />
<strong>Wittlich</strong>er Synagoge gezeigt.<br />
Hedwig Schulze, die an Ausstellungen ihrer<br />
Werke nie sonderlich interessiert war, ließ sich<br />
vom damaligen Bürgermeister Graf Walderdorff,<br />
der auch die Eröffnungsrede hielt, dazu<br />
bewegen.<br />
Die Resonanz der Bevölkerung auf diese Ausstellung<br />
war groß (1 000 Besucher am ersten<br />
Wochenende), und die Presse würdigte vor allem<br />
die klaren Holzschnitte der Künstlerin, die<br />
damals und heute in <strong>Wittlich</strong> einen guten Namen<br />
hatte und noch hat.<br />
Aus mehreren ausführlichen Briefen erfuhr ich<br />
einiges über ihre Lebensdaten und ihren beruflichen<br />
Werdegang.<br />
Sie wurde am 24. April 1912 in Essen-Rüttenscheid<br />
geboren. Ihr Vater fiel als Soldat des Ersten<br />
Weltkrieges beim Rückmarsch aus Russland<br />
1918, für sie ein »tragisches Erlebnis«, das<br />
sie »stark geprägt« hat. Sie lebte mit ihrer Mutter,<br />
die aus Hinterpommern stammte, zehn<br />
Jahre in dieser Region. Nach dem Abitur be-<br />
Holzschnitt Rathaus <strong>Wittlich</strong> Holzschnitt Türmchen <strong>Wittlich</strong><br />
349
Hedwig Schulze: Stillleben mit Blumen<br />
350
Hedwig Schulze: Blumenbild<br />
351
suchte sie die berühmte Folkwangschule in Essen,<br />
wo sie bei Professor Urbach Akt- und<br />
Pflanzenzeichnen belegte. Das Aktzeichnen<br />
galt in der klassischen Künstlerausbildung immer<br />
als unverzichtbare Grundlage jeglichen<br />
Künstlertums. Hedwig Schulze hat Professor<br />
Urbach besonders wegen seiner strengen Korrekturen<br />
geschätzt. So gehörte folgender Satz<br />
zu seinen typischen Äußerungen: »Es hat keinen<br />
Zweck weiterzumachen, fangen Sie noch<br />
einmal an!« »Das hat später kein Professor<br />
mehr so deutlich ausgesprochen«, sagt sie<br />
noch heute.<br />
Ihre weitere Ausbildung vollzog sich an der<br />
Kunstakademie Düsseldorf. »Sie war für uns<br />
ein schützendes Gehäuse, in dem man von<br />
morgens 8 Uhr bis abends 19 Uhr arbeiten<br />
konnte.« Mehrere Professoren prägten die angehende<br />
Künstlerin und Kunstlehrerin, so Professor<br />
Bindel, Professor Heuser, der spätere<br />
Direktor der Akademie, und Professor<br />
Schmurr.<br />
Otto Coester wurde an der Kunstakademie in<br />
Düsseldorf ihr Lehrer für die Kunst der Radierung,<br />
in der sie Beachtliches vorzuweisen hat.<br />
Schon in dieser Zeit beschäftigte sich Hedwig<br />
Schulze mit der Problematik des reinen Künst-<br />
Die Künstlerin Hedwig Schulze<br />
352<br />
lertums zum Beruf des Kunsterziehers. Sie<br />
schreibt: »... wie ja der Übergang vom freien<br />
Künstler zum Schulbetrieb für jeden schwer ist<br />
(Freiheit contra Zwang?). Ich habe versucht,<br />
diesen Zustand mit Arbeit zu bekämpfen.«<br />
Vor dem Kunstlehrerexamen in Berlin (1939)<br />
legte sie in Hildesheim ihr Werklehrerexamen in<br />
den Fächern Tischlern, Buchbinden und Weben<br />
ab. Das erweiterte in besonderer Weise<br />
ihren späteren schulischen Einsatz. Ihr Referendariat<br />
absolvierte sie in Essen und Remscheid,<br />
schon unter Kriegsbedingungen. Am<br />
Augusta-Gymnasium Trier lehrte sie kurzzeitig<br />
als Assessorin, um dann für zehn Jahre am Cusanus-Gymnasium<br />
in <strong>Wittlich</strong> (1941-1951) vielfältige<br />
Aufgaben zu übernehmen und mit Bravour<br />
auszuführen. Ihr künstlerisches Wirken in<br />
der Schule wurde treffend in einem lokalen Zeitungsartikel<br />
beschrieben:<br />
»Da ist der Zeichensaal. Es klingt viel zu nüchtern,<br />
wenn man das Reich von Stud.-Rätin<br />
Schulze mit dem gängigen Namen ’Zeichensaal’<br />
bezeichnet. Dieser lichtdurchflutete,<br />
große Raum ist viel, viel mehr. Kunstwerke,<br />
Plastiken aus Stein, kantige Sockel, von denen<br />
grünes Pflanzengerank herabrieselt, verändert<br />
die mögliche Nüchternheit eines Lehrsaales<br />
entscheidend. Gute Arbeiten von Schülern aller<br />
Stufen an den Wänden, Tonkrüge auf Simsen,<br />
köstliche Arbeiten aus dem Werkunterricht,<br />
Schlangen, Drachen oder sagenhafte Tierformen<br />
aus Wurzelwerk, Nachgestaltung von Kirchenfenstern<br />
aus Buntpapier, das alles ist wie<br />
eine wertvolle, künstlerische Schau. Eigenwillig<br />
die Anordnung der Zeichentische. Großartig<br />
das ganze und einmalig. Man versteht es, wenn<br />
der Oberschulrat Dr. Schwister sagt, so etwas<br />
habe er noch nicht gesehen. Hier ist kein<br />
Zwang, hier wächst das Verständnis zur Kunst,<br />
elementar.«<br />
Wenn man ihre schulische Arbeit in <strong>Wittlich</strong> betrachtet,<br />
fällt auf, dass Hedwig Schulze sich mit<br />
»Haut und Haaren« der Schule verschrieb. »Da<br />
war für eigene Arbeit keine Zeit, weil man ja<br />
auch schlecht zwei Herren dienen kann.«<br />
Sie kam während des Krieges nach <strong>Wittlich</strong>.<br />
Die Stadt machte auf sie einen landschaftlich<br />
verlockenden Eindruck. Hier war sie vor dem<br />
Kriegsgeschehen, das schon im Ruhrgebiet<br />
tobte, einigermaßen sicher. Sie schreibt: »Darum<br />
kam mir das Angebot ’<strong>Wittlich</strong>’ sehr entgegen.<br />
Der Krieg musste ja bald zu Ende sein
Holzschnitte Wildblumen<br />
(1941?), denn nun wurde er ja fast gegen die<br />
ganze Welt geführt. Ich war froh, nicht in einer<br />
Großstadt leben zu müssen. Meine erste Unterkunft<br />
fand ich im Gasthaus Mehs. Ich arbeitete<br />
weit über mein Soll hinaus, gab am Nachmittag<br />
Werkunterricht. Wir bastelten Kasperlepuppen,<br />
mit Puppenspielen gingen wir dann an<br />
die Öffentlichkeit. Später dann Theaterspiele:<br />
Peter Squenz von Gryphius, sogar ein Freilichtspiel,<br />
wozu wir einen passenden Platz am Walde<br />
zum Amphitheater ausbauten und mit<br />
Scheinwerfern arbeiteten, für Jungen ein besonderes<br />
Vergnügen. Es erregte damals viel<br />
Aufsehen. Auch in der Presse fanden diese Aktivitäten<br />
viel Anerkennung...«<br />
Die bildnerischen Arbeiten von Hedwig Schulze<br />
und ihren Schülern sind in den Kriegs- und<br />
Nachkriegswirren abhanden gekommen:<br />
»Doch sind (im und nach dem Krieg) einige<br />
Aquarelle von <strong>Wittlich</strong> entstanden, aber bei der<br />
Zerstörung und Plünderung der Besatzung von<br />
Amerikanern, Engländern, Franzosen in der<br />
Schule im Keller verloren gegangen samt Ra-<br />
dierplatten, Holzschnittplatten, Fotographien<br />
usw. Nur was ich im Leiterwägelchen nach Ürzig<br />
gebracht hatte, wo ich die letzten Monate<br />
vor dem Zusammenbruch erlebte, ist erhalten<br />
geblieben (Aquarelle, Pinselzeichnungen, Radierungen)«.<br />
In den folgenden Jahren bis zu ihrer Versetzung<br />
an das Hilda-Gymnasium Koblenz (1951-1970)<br />
erfährt die Öffentlichkeit immer wieder vom<br />
Wirken der beliebten Kunstlehrerin Hedwig<br />
Schulze bei Schulfesten, bei Bühnenbildern,<br />
bei Ausstellungen von Schülerarbeiten. Zwischen<br />
1946 und 1949 schuf sie die 50 Holzschnitte<br />
von <strong>Wittlich</strong>. Aus der Notwendigkeit<br />
der Nachkriegszeit heraus, Illustrationen von<br />
Büchern mit alten Techniken und in Schwarzweiß<br />
auszuführen, entstanden Bilder, die jeder<br />
modernen Drucktechnik standhalten, ja sie<br />
übertreffen. Der Holzschnitt kommt im Gegensatz<br />
zur Radierung oder zu den Stichen mit einfachen<br />
Linien aus. Er arbeitet plakativ. Der<br />
Blick auf das Wesentliche einer Ansicht wird<br />
nicht durch überflüssige Linien verstellt. Das<br />
353
gebietet allein schon der Druckstock, der in<br />
diesem Falle aus hartem Birnbaumholz bestand.<br />
Der Holzschnitt erlebte gerade in der<br />
Zeit, in der die angehende Kunstlehrerin ausgebildet<br />
wurde, eine mächtige Renaissance<br />
durch den gestalterischen Willen der Expressionisten,<br />
die schnörkellos den Ausdruck, das<br />
Wesen, die Ausstrahlung eines Menschen, einer<br />
Landschaft, einer Häuserzeile, eines einzelnen<br />
Gebäudes darstellen wollten.<br />
Bei Hedwig Schulze spürt man auch ein besonderes<br />
Anliegen in denjenigen Holzschnitten, die<br />
sie vor der Natur entworfen hat: Eines ihrer Naturwerke<br />
bezeichnete ein Kunsthistoriker in der<br />
Presse als »Kunstwerk von wunderbarer Geschlossenheit,<br />
das ein tiefes Einfühlen in die<br />
Natur zum Ausdruck bringt.« Viele ihrer Holzschnitte<br />
tragen den Ausdruck von Heimeligkeit<br />
und Liebe zur Heimat. Deshalb enthalten einige<br />
der Werke eine anrührende kleinstädtische Idylle,<br />
die dem Menschen in allem Graus der Zeit<br />
Heimatgefühl vermitteln kann.<br />
Überraschend fein fertigte sie daneben eine<br />
Gruppe von zwölf Blumenholzschnitten, vorwiegend<br />
Wildblumen: Anemone, Schlüsselblume,<br />
Campanula, Maiglöckchen, Erika und andere.<br />
Über die Zeit nach ihrer Pensionierung schreibt<br />
sie: »Ich war noch nie so glücklich. Ich wollte<br />
354<br />
Wandern<br />
auf nadelweichem Boden<br />
Feenhaargräser am Rand<br />
vom Winde gewiegt<br />
Märchenhaftes Blau<br />
über hohen Tannen<br />
Bequeme Schuhe<br />
aber unbequeme Gedanken<br />
Nicht nur<br />
die nächste Weggabelung<br />
fordert eine Entscheidung<br />
Wanderung<br />
endlich ganz frei sein. Ich fing an zu malen mit<br />
einer neuen Technik (Acryl). Am liebsten arbeitete<br />
ich im Garten, den ich bei Studienfreunden<br />
fand. Bei Vogelgezwitscher, leichtem Rauschen<br />
der Blätter entstanden meine Blumenbilder<br />
und Stilleben. Nicht nur die Holzschnitte<br />
sind Schwerpunkte in meinem Leben!«<br />
Bei einem Besuch in Koblenz lernte ich die<br />
Künstlerin persönlich kennen und konnte mich<br />
an ihren Bildern aus den 80er Jahren erfreuen.<br />
Die mittelgroßen Formate in Acryl und Aquarell<br />
sind von eher gedämpften Farben geprägt. Ihre<br />
Acryle prunken dagegen in kräftigen Farben.<br />
Fast alle Bilder sind »Stillleben mit Blumen«.<br />
Aus der Stille leben diese Bilder, kein verbaler<br />
Irrtum! Ihre Motive fangen erst in der Zusammenschau<br />
an zu reden. Hortensien, Geranien,<br />
Kapuzinerkresse, Stiefmütterchen oder Pantoffelblümchen<br />
zeigen sich in farbigem Einklang<br />
mit Äpfeln, Birnen, Zitronen und stilvollen Tellern<br />
und Vasen. Hedwig Schulze ist umgeben<br />
von ihren vielen schönen Bildern, die in Farbe<br />
und Komposition eine große Reife ausstrahlen<br />
- dem Schönen verschrieben.<br />
Als ehemalige Kunsterzieherin darf sie sich<br />
freuen, dass einer ihrer früheren Schüler, der<br />
Grafiker Tony Munzlinger, ihr den schönen Satz<br />
geschrieben hat: »Vielen Dank für‘s Sehen lernen!«<br />
Elisabeth Freitag
In der Zeitung liest man heute,<br />
dass zwei hochbetagte Leute<br />
gestern das Jahrhundert voll:<br />
Glückwunsch! Das ist wirklich toll.<br />
Frau Enthaltsam, die im Leben,<br />
sich nicht viel von ihm gegeben,<br />
schöpfte daraus den Gewinn,<br />
dass sie Abstinenzlerin.<br />
So sind beide, ganz verschieden,<br />
alt geworden denn hienieden.<br />
Ein Rezept, was jedem frommt,<br />
man von niemandem bekommt.<br />
Wilfried Hilgert<br />
Wie wird man Hundert?<br />
Von den munt’ren Jubilaren<br />
möchte jeder nun erfahren,<br />
was denn ihr Rezept gewesen,<br />
dass auch andere genesen.<br />
Herr Genussreich sprach hingegen<br />
von dem Wein als einem Segen;<br />
ohne diese Arzenei<br />
wär´ er längst nicht mehr dabei.<br />
Doch wofür, so ist zu fragen,<br />
wird man alt in diesen Tagen,<br />
alt und älter, wenn denn nicht,<br />
dass der Wein uns aufgetischt?<br />
355
Am 17. Januar 1719 wurde dem Ehepaar Nikolaus<br />
Friedrich Meisterburg und Susanna, geb.<br />
Heinz, ein Sohn geboren, der Franziskus Antonius<br />
getauft wurde und am 21. Oktober 1737 in<br />
den Jesuitenorden eintrat. Nach seiner Priesterweihe<br />
1748 ging Pater Meisterburg in die<br />
südamerikanischen Missionen. 1750 landete er<br />
am Amazonas. Als seine Mutter in <strong>Bernkastel</strong><br />
die Nachricht von der glücklichen Ankunft<br />
empfing, ließ sie, wie sie mit dem Sohn vereinbart<br />
hatte, auf dem neuen Altar des Schifferund<br />
Wasserheiligen Nikolaus in der Pfarrkirche<br />
St. Michael eine Statue des Jesuitenheiligen<br />
Franz Xaverius aufstellen. Darunter einen Neger<br />
und einen Indianer, die noch heute dort flehend<br />
die Hände erheben. Am Rio Xingu, dem<br />
letzten rechten Nebenstrom des Amazonas,<br />
leitete Meisterburg die Indianermission Aricara<br />
und später am Rio Madeira die Mission Santa<br />
Cruz de Abacexis. Pater Meisterburg verteidigte<br />
die Indianer gegen die weißen Ausbeuter.<br />
Der portugiesische Minister Pombal hatte seinen<br />
Bruder zum dortigen Statthalter ernannt.<br />
Dieser wurde der schlimmste Feind der Mission.<br />
Er sabotierte die Arbeit Pater Meisterburgs<br />
und sandte Lügenberichte über ihn nach Portugal.<br />
1757 erfolgte unerwartet seine Verhaftung<br />
und Ausweisung. Als Gefangener wurde er in<br />
Ketten nach Portugal gebracht und in die<br />
schauerlichen Verliese von San Julian da Barra<br />
an der Tejomündung 1759 eingeliefert. In sämtlichen<br />
Kolonien ließ der portugiesische Minister<br />
Pombal die Jesuiten verhaften und sperrte sie<br />
in die modrigen Keller der riesigen Festung an<br />
der Tejomündung. Jahrzehnte hörte niemand<br />
mehr was von ihnen. Ohne Gerichtsurteil, ohne<br />
Licht und frische Luft verbrachte Pater Meisterburg<br />
mit noch anderen Leidensgenossen 18<br />
Jahre in unmenschlicher Kerkerhaft. In regelmäßigen<br />
Abständen weidete sich Minister<br />
Pombal am Anblick der gefangenen Jesuiten<br />
356<br />
Von der Mosel zum Amazonas<br />
Zur Erinnerung an den <strong>Bernkastel</strong>er Jesuitenpater<br />
Anton Meisterburg<br />
Wolfgang Gilles<br />
und rief in die stickigen Grüfte hinunter: »Seid<br />
ihr noch nicht verfault?« Was hatten die Gequälten<br />
verbrochen? Nichts als ihrem Orden<br />
die Treue gehalten. Auch an diesem<br />
Schreckensort lebten die Jesuiten den Tag<br />
nach der Ordensregel in Andacht, Gebet und<br />
Buße. Die Feier der hl. Eucharistie aber wurde<br />
ihnen verboten. Pater Meisterburg war es, der<br />
ihr Flehen um das hl. Lebensbrot in einem bewegten<br />
Gebet der Gottesmutter vortrug. Ihrer<br />
Vermittlung schrieben die Eingekerkerten es<br />
zu, dass sie trotz schier unüberwindlicher<br />
Schwierigkeiten schon bald wieder heimlich<br />
das hl. Messopfer vor einem schlichten Marienbild,<br />
das ein Mitbruder vor allen Durchsuchungen<br />
und Kontrollen gerettet hatte, feiern konnten.<br />
Siebenundreißig Jesuiten starben in den<br />
stickigen Höhlen, andere verloren den Verstand.<br />
Als der König von Portugal starb, wurde<br />
sein Minister Pombal gestürzt und die Jesuiten<br />
aus dem Kerker befreit. Die Gläubigen kamen<br />
aus Lissabon herbei, um 1777 im Kerker bei<br />
den »Blutzeugen Christi« die Osterbeichte abzulegen.<br />
Es dauerte einige Monate, bis sich Augen<br />
und Lungen der Befreiten an das Licht und<br />
die frische Luft gewöhnt hatten. Kaiserin Maria<br />
Theresia bezahlte die Kosten der Heimreise für<br />
Pater Meisterburg und einen Mitbruder aus<br />
Köln. Mit dem Schiff fuhren sie bis Amsterdam<br />
und dann den Rhein hinauf in ihre Heimat<br />
zurück. In <strong>Bernkastel</strong> erwartete Pater Meisterburg<br />
seine 85 Jahre alte Mutter, die das priesterliche<br />
Leben ihres verschollen geglaubten<br />
Sohnes in der Heimat noch ein Jahr miterleben<br />
durfte. Am 24. Oktober 1799 verstarb Pater Anton<br />
Meisterburg bei den Kapuzinern in <strong>Bernkastel</strong>.<br />
Sein Schicksal stärkte die Gläubigen für<br />
die kommenden schweren Jahre der Französischen<br />
Revolution. Die Stadt <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
hat vor einigen Jahren eine Straße nach ihm<br />
benannt.
Der Bildhauer Peter Knödgen meißelt die<br />
Geschichte seines Dorfes in Stein<br />
Wer durch den Salmtalort Bruch kommt, dem<br />
bietet sich, wenn er von der Salmbrücke abwärts<br />
den Weg nimmt, ein überraschender Anblick,<br />
denn er kann bei gutem Wetter einem<br />
dort wohnenden Steinmetz bei der Arbeit zusehen<br />
und seine Werke, die entlang der Hausfront<br />
zur Freude vieler Vorbeigehender ausgestellt<br />
sind, bewundern. Es ist Peter Knödgen,<br />
Jahrgang 1925, der hier seit noch nicht allzu<br />
langer Zeit seine schon immer in ihm schlummernde<br />
Ader zum künstlerischen Schaffen<br />
ausgegraben hat. Gerne hätte er schon in jungen<br />
Jahren sein künstlerisches Talent entfaltet,<br />
aber – wie es damals üblich war – erwarteten<br />
die Eltern von ihm, dass er einen praktischen<br />
Beruf erlernte. So absolvierte er eine Maurerlehre.<br />
Wie viele andere musste er als Soldat am<br />
Zweiten Weltkrieg teilnehmen. Zurückgekehrt<br />
gründete er eine Familie, baute ein Haus und<br />
ging seiner Arbeit nach. Nachdem er nun im Alter<br />
aus dem Erwerbsleben ausschied, begann<br />
er, sich seinen Jugendtraum zu erfüllen. Er beschäftigt<br />
sich mit Porträt- und Landschaftsmalerei<br />
und dem Modellieren mit Ton. Er schuf eine<br />
Weihnachtskrippe, für die er bei der überregional<br />
bedeutenden Weihnachtskrippenausstellung<br />
»Krippina« den zweiten Preis erhielt.<br />
Die meiste Zeit verbringt er mit der künstlerischen<br />
Bearbeitung des heimischen Sandsteins.<br />
In einprägsamer Art gibt er den rohen<br />
Sandsteinblöcken Form und Gestalt und damit<br />
Leben. Unter seinen Händen entstehen kleine<br />
Kunstwerke, obwohl er ein reiner Autodidakt<br />
ist. Alles was er kann, hat er sich selbst beigebracht.<br />
Seine Werke kommen aus seinem Innersten<br />
heraus. Er hat weder Kurse besucht<br />
noch eine Lehre als Bildhauer hinter sich gebracht.<br />
Der Christophorus auf der Salmbrücke<br />
zählt zu einer seiner ersten Arbeiten. Dieser<br />
weiße Kyllsandstein hat es ihm ein für allemal<br />
angetan. Zeugnisse seines Talents zieren heute<br />
die Brucher Pfarrkirche und Plätze des Dorfes.<br />
In seinen steinernen Gruppenbildnissen und<br />
Einzelfiguren spiegelt sich die Geschichte des<br />
Josef Schmitt<br />
Dorfes Bruch wider, das viele Generationen<br />
lang geprägt wurde von den Krug- und Pfeifenbäckern<br />
und den Händlern, die diese irdenen<br />
Waren im weiten Umfeld verkauften. Daneben<br />
gab es nur noch die mühevolle Landwirtschaft<br />
auf den drei hohen Plateaus um Bruch. Die<br />
Knödgen-Familie kam vor Generationen aus<br />
dem Kannebäckerland, und ihre Nachfahren<br />
sind in Bruch und Niersbach auch heute noch<br />
zuhause.<br />
357
Zur Bedeutung der Volksschullehrer<br />
allgemein<br />
In dem 1916 von dem bedeutenden Pädagogen<br />
W. Petersen herausgegebenen Buch »Der<br />
Aufstieg der Begabten« hat K. Muthesius darauf<br />
aufmerksam gemacht, welche enorme kulturelle<br />
und wirtschaftliche Bedeutung für die<br />
deutsche Gesellschaft den Volksschullehrern<br />
im Kaiserreich zugekommen ist. Er stellte fest,<br />
dass sich in der ganzen Gesellschaft eine spürbare<br />
soziale Höherbewegung vollziehe. Innerhalb<br />
dieser Aufwärtsbewegung nehme der<br />
Volksschullehrerstand eine sehr wichtige Mittelstellung<br />
ein. Über den Beruf des Volksschullehrers<br />
vollzog sich in der Tat oft der Übergang<br />
vom einfachen zum gehobenen Mittelstand<br />
oder sogar zur akademischen Oberschicht,<br />
wobei diese Entwicklung auch nach dem Ersten<br />
Weltkrieg keineswegs beendet war. Die<br />
Volksschullehrer selbst entstammten durchweg<br />
der breiten Bevölkerungsmehrheit der<br />
Bauern und Handwerker, während ihre Söhne –<br />
und gelegentlich auch ihre Töchter – bereits eine<br />
akademische Ausbildung erlangten und damit<br />
in die führenden Berufe aufrücken konnten.<br />
Da es sich bei nicht wenigen Volksschullehrern<br />
um die regsamsten Köpfe der Dörfer handelte,<br />
ist es nicht verwunderlich, dass auch ihre<br />
Sprösslinge in der Regel eine überdurchschnittliche<br />
geistige Befähigung besaßen. 1<br />
Groß war auch die Bedeutung der Volksschullehrer<br />
für das soziale Leben der Gemeinschaft<br />
insgesamt. In vielen Dörfern gestalteten sie das<br />
kulturelle Leben bis vor wenigen Jahrzehnten in<br />
erheblichem Umfang mit. 2 Da schließlich die<br />
überwältigende Mehrheit der Bevölkerung keine<br />
höhere Schulausbildung kannte als die der<br />
Volksschule, hing es außerdem wesentlich von<br />
der Qualität dieses Unterrichts ab, wie gut man<br />
etwa für technische und wirtschaftliche Neuerungen<br />
gerüstet war und auch mit welcher Einstellung<br />
man überhaupt auf Veränderungen<br />
reagierte.<br />
Um die folgenden Ausführungen zum Werde-<br />
358<br />
Der Aufstieg eines Begabten<br />
Lebensstationen des Lehrers Kaspar Hebler<br />
Gregor Brand<br />
gang Kaspar Heblers richtig einordnen zu können,<br />
muss man sich die großen Veränderungen<br />
auch in der Lehrerausbildung vor Augen halten,<br />
die sich im 19. Jahrhundert vollzogen. 3 Bis<br />
nach 1800 hatte es überhaupt keine feste Ausbildung<br />
für Lehrer gegeben. Lehrer konnte jeder<br />
werden, den eine Gemeinde als solchen<br />
einstellte, wobei die Bezahlung meist unter der<br />
für Viehhirten lag. Erst 1810 hatte der Trierer<br />
Domvikar Dewora die erste Bildungsanstalt für<br />
die trierische Eifel gegründet. Diese wurde<br />
1816 zum Königlich-Preußischen Lehrerseminar<br />
erhoben, und es blieb bis 1876 das einzige<br />
Lehrerseminar in der Eifel. Bis nach dem Ersten<br />
Weltkrieg brauchte man für die Zulassung zum<br />
Lehrerseminar keine höhere Schulausbildung<br />
mit Abitur, was andererseits bedeutete, dass<br />
Volksschullehrer auch nicht zur Universität zugelassen<br />
waren. Während also auf der einen<br />
Seite die Volksschullehrer bildungsmäßig die<br />
breite Bevölkerung der Dörfer überragten,<br />
klaffte andererseits zwischen ihnen und den<br />
akademischen Berufen (Arzt, Pfarrer, Apotheker<br />
z. B.) eine spürbare Kluft.<br />
Wie sich der Weg vom Volksschüler zum Volksschullehrer<br />
– und sogar darüber hinaus – in der<br />
Eifel vor über 100 Jahren vollzogen hat, lässt<br />
sich sehr gut anhand des Lebenslaufes des<br />
Bausendorfers Kaspar Hebler darstellen, der<br />
diese Entwicklung in seinen unveröffentlichten<br />
Lebenserinnerungen geschildert hat. Darüber<br />
hinaus sind diese Lebenserinnerungen auch eine<br />
interessante Quelle für manche geschichtlichen<br />
und kulturellen Vorgänge in Heblers Eifeler<br />
Heimat.<br />
Der familiäre Hintergrund 4<br />
Kaspar Hebler wurde am 12. Februar 1857 in<br />
Bausendorf geboren. Die Heblers waren mit<br />
Johann Matthias Hebler, dem Urgroßvater<br />
Kaspars, aus Strotzbüsch nach Bausendorf<br />
gekommen, als dieser dort im Jahr 1764 Anna<br />
Gertrud Warbach, die Witwe von Johann Zirbes,<br />
heiratete. Angehörige der Familie War-
ach zählten zu den bestgestellten Einwohnern<br />
Bausendorfs. 5 Auch in den folgenden Generationen<br />
verbanden sich die Heblers immer wieder<br />
mit Familien der sogenannten dörflichen<br />
Oberschicht (z. B. Moseler, Schmitt). Johann<br />
Matthias Hebler wurde in französischer Zeit<br />
Munizipalagent und starb 1803 infolge einer<br />
durch Franzosen beigebrachten Säbelverletzung<br />
sowie anderer Misshandlungen, die verdeutlichen,<br />
wie spannungsreich das Verhältnis<br />
der Einheimischen zur französischen Besatzung<br />
vielfach war. Sein Sohn Johann Hebler<br />
(1769-1846) gehörte schon zu den wohlhabenderen<br />
Bausendorfern, denn er konnte sich drei<br />
oder vier Pferde halten, die er nicht nur für den<br />
Ackerbau, sondern auch für Holzkohlentransporte<br />
verwendete. Neben dem Ackerbau betrieb<br />
er auch das Küferhandwerk. Er war in<br />
zweiter Ehe mit Anna Maria Moseler verheiratet;<br />
aus dieser Ehe gingen vier Söhne hervor.<br />
Der jüngste Sohn Johann (1825-1902) wurde<br />
der Vater des hier behandelten Kaspar Hebler.<br />
Er arbeitete in der heblerschen Küferwerkstatt,<br />
betrieb daneben Landwirtschaft und bekleidete<br />
zahlreiche Ämter im dörflichen Bereich. So<br />
war er zeitweilig Ortsvorsteher, Kirchenrechner,<br />
Schöffe, Schiedsmann und Vorsteher der<br />
Alftal-Meliorations-Genossenschaft. Er war<br />
verheiratet mit Anna Schmitt aus Bausendorf,<br />
die einer angesehenen Bausendorfer Familie<br />
angehörte, mit der die Heblers mehrfach Heiratsverbindungen<br />
eingingen; auch der später<br />
berühmte Staatsrechtler und politische Philosoph<br />
Prof. Carl Schmitt (1888-1985) entstammte<br />
dieser Familie. 6 Dass mit Carl Schmitt<br />
einmal jemand aus seiner Verwandtschaft zu<br />
weltweiter Berühmtheit gelangen würde, war<br />
Kaspar Hebler offenbar nicht bekannt. Dies ist<br />
insofern nicht verwunderlich, als die Verwandtschaft<br />
damals sehr zahlreich war und man<br />
schnell den Lebensweg einzelner Angehöriger<br />
aus den Augen verlieren konnte. Kaspar Hebler<br />
hatte noch einen jüngeren Bruder Nikolaus, der<br />
ebenfalls Lehrer wurde und der wie sein älterer<br />
Bruder auch heimatgeschichtliche Veröffentlichungen<br />
vorlegte. 7 Nikolaus Hebler hatte sieben<br />
Söhne, die größtenteils studierten und zur<br />
weiteren Verbreitung der Sippe beitrugen. Sowohl<br />
unter den Nachkommen Kaspars als auch<br />
unter denen von Nikolaus befanden sich zahlreiche<br />
weitere Lehrerinnen und Lehrer, so dass<br />
man in gewisser Weise von einer »Lehrerdyna-<br />
stie« sprechen kann. Im Folgenden sollen nun<br />
deren Anfänge dargestellt werden.<br />
Vom Volksschüler zum Volksschullehrer<br />
Einschneidendstes Kindheitserlebnis Kaspar<br />
Heblers war der verheerende Brand in Bausendorf,<br />
den der achteinhalbjährige Junge im Juli<br />
1865 miterlebte und den er später eingehend<br />
beschrieben hat. 8 Die Feuersbrunst war der<br />
Auftakt für weitere Katastrophen, die in den<br />
nächsten Jahren das Alftal heimsuchten. Wie<br />
viele andere Bausendorfer hatten auch die<br />
Heblers ihr Haus durch das Feuer verloren und<br />
verständlicherweise litten die meisten Bausendorfer<br />
besonders im folgenden Winter hart. Als<br />
dieser überstanden war, folgte im Frühjahr<br />
1866 der preußische Krieg mit Österreich und<br />
bald darauf eine Choleraepidemie, die vor allem<br />
in Bengel, das ebenfalls 1865 abgebrannt<br />
war, zahlreiche Todesopfer forderte. Für den<br />
jungen Hebler ging in diesen schlimmen Jahren<br />
in gewisser Weise eine Welt unter. Dies zeigte<br />
sich für ihn auch in dem veränderten Gesicht<br />
der Dörfer nach dem Wiederaufbau. In einer<br />
kulturgeschichtlich interessanten Notiz erwähnt<br />
er in seinen Lebenserinnerungen, dass<br />
mit dem Brand die alten Strohdächer und<br />
Fachwerkhäuser verschwanden und durch mit<br />
Blauschiefer gedeckte Rotsandsteinhäuser ersetzt<br />
wurden. Das von seinen Eltern 1866 neu<br />
erbaute Haus befand sich Anfang der dreißiger<br />
Jahre im Besitz eines alten Schulkameraden<br />
Heblers, des jüdischen Schlossersohnes Salomon<br />
Levi. 9<br />
In der Bausendorfer Schule mit über 100 Jungen<br />
und Mädchen wurde Kaspar – wie sogar<br />
schon seine Eltern – von dem Körpericher Matthias<br />
Bohn unterrichtet. Es wurde viel auswendig<br />
gelernt, insbesondere, wenn es um religiöse<br />
Themen ging, aber auch das Rechnen nahm<br />
im Unterricht breiten Raum ein. In geradezu<br />
moderner Art verstand es Bohn, im Unterricht<br />
zwischen weniger und besser begabten<br />
Schülern teilweise differenzierten Unterricht<br />
abzuhalten. Er gab den besten Schülern der<br />
Oberklasse häufig Denkrechenaufgaben<br />
(»Knacknüsse«), woran Kaspar und andere oft<br />
stundenlang zu knabbern hatten, während die<br />
übrigen Schüler anderweitig beschäftigt waren.<br />
Hebler erinnert sich an Bohn als einen tüchtigen<br />
Lehrer und schreibt:<br />
»Aber er war etwas allzu ernst. Lachen oder<br />
359
lächeln sah ich ihn nie in der Schule, und ein<br />
Scherzwort kam nicht über seine Lippen. Deshalb<br />
hatten wir Jungen einen höllischen Respekt<br />
vor ihm. Kam man aber mal zu ihm in die<br />
Wohnung, dann war er sehr freundlich. – Sein<br />
Familienleben war vorbildlich.... Nach den<br />
Schulstunden zog er den blauen Kittel an,<br />
steckte ihn hinten in die Hosenschnalle, nahm<br />
die Peitsche in die Hand und trieb Ackerbau.«<br />
Wie viele Volksschullehrer der damaligen Zeit<br />
hatte Bohn etliche Kinder. Von seinen sechs<br />
Söhnen wurden drei Lehrer und drei Förster, so<br />
dass man auch an dieser Familie das anfangs<br />
erwähnte soziale Emporstreben deutlich erkennen<br />
kann.<br />
Eine weitere Respektsperson in Bausendorf<br />
war der Pfarrer Franz Karl Wülfing. Hebler hat<br />
ihn in Erinnerung als großen und sehr hageren,<br />
stark gebückt gehenden nervösen Mann, der<br />
»zuweilen mitten in der Predigt zu weinen anfing<br />
und Schluss machen musste. Im übrigen<br />
tat er stillerweise viel Gutes an Armen und<br />
Kranken.«<br />
Wülfing scheint manche Feinde in Bausendorf<br />
gehabt zu haben, was möglicherweise mit den<br />
Kulturkampfauseinandersetzungen dieser Zeit<br />
zusammenhängt. Während die katholischen<br />
Priester durchweg erbitterte Feinde Bismarcks<br />
waren, hatte der damalige Reichskanzler vor<br />
allem unter den gedienten Männern viele Anhänger.<br />
Dazu kamen persönliche Auseinandersetzungen.<br />
Hebler weiß von einem Vorfall zu<br />
berichten, bei dem der Geistliche von einem<br />
Bauern mit einem Schlachtermesser bedroht<br />
worden war.<br />
Als Kind wollte Kaspar Hebler, der zeitlebens<br />
eine große Liebe zur Natur zeigte und sich später<br />
beträchtliche naturkundliche Kenntnisse<br />
und Fertigkeiten erwarb, Gärtner oder Förster<br />
werden. Damit waren jedoch seine Eltern nicht<br />
einverstanden. Sie widersetzten sich auch dem<br />
Vorschlag von Pfarrer Wülfing, Kaspar studieren<br />
zu lassen und ihn dafür zunächst nach Trier<br />
aufs Gymnasium zu schicken. Aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach wäre dann aus dem treuen<br />
Katholiken und späteren Zentrumsanhänger<br />
Kaspar ein Priester geworden. Vielleicht scheuten<br />
seine Eltern die finanzielle Belastung einer<br />
solchen Ausbildung oder sie hofften, dass ihr<br />
Ältester den Namen und die Familie der Hebler<br />
fortsetzen würde, was er als zölibatärer Priester<br />
nicht mehr hätte tun können. Johann Hebler<br />
360<br />
und seiner Frau Anna aber war es durchaus bewusst,<br />
dass Kaspar ein aufgeweckter Junge<br />
war, und so entschieden sie, dass er Lehrer<br />
werden solle.<br />
Als Heblers Eltern sich entschlossen, den<br />
Zwölfjährigen auf eine Tätigkeit als Volksschullehrer<br />
vorzubereiten und ihn dementsprechend<br />
auszubilden zu lassen, gab es in der preußischen<br />
Rheinprovinz noch keine allgemeinen<br />
Regelungen darüber, wie sich angehende<br />
Volksschullehrer auf das spätere Seminar vorbereiten<br />
mussten. Erst 1872 wurde eine allgemeine<br />
Regelung für die sogenannte Präparandenausbildung<br />
geschaffen. Für den zwölfjährigen<br />
Hebler begann der Berufsweg im Oktober<br />
1869 mit einem zweimal pro Woche erteilten<br />
Klavierunterricht bei Lehrer Jakob Paulus in Ürzig.<br />
Ab Ostern 1870 folgte zunächst beim gleichen<br />
Lehrer, dann bei seinem Nachfolger W.<br />
Bimmermann, der Unterricht in Deutsch, Rechnen<br />
und Religion. Als Bimmermann krank wurde,<br />
wurde dieser Unterricht für einige Zeit unterbrochen,<br />
dann wieder bei dem mittlerweile<br />
nach Wehlen versetzten Lehrer Paulus fortgesetzt.<br />
Kaspar legte den Weg mittwochs und<br />
samstags nach Wehlen stets zu Fuß zurück,<br />
wobei er für Hin- und Rückweg fast sechs<br />
Stunden brauchte. Im Winter konnte er in Wehlen<br />
im Haus der Lehrerin Therese Simon übernachten,<br />
wofür diese mit Butter, Eiern, Käse<br />
und Gemüse bezahlt wurde.<br />
Kaspar Hebler war schon in jungen Jahren<br />
stets bestrebt, seine Fähigkeiten und Verdienstmöglichkeiten<br />
ständig zu erweitern. Ein<br />
solcher Ehrgeiz war keineswegs selbstverständlich.<br />
Viele von denjenigen, die mit ihm auf<br />
jeweils gleicher Ausbildungsstufe standen, gaben<br />
nach einiger Zeit auf und wendeten sich<br />
anderen Berufen zu. In Wehlen half er dem Lehrer<br />
Paulus als Küster und Organist, wofür ihn<br />
dieser bei sich kostenlos wohnen ließ und auch<br />
fortan unentgeltlich unterrichtete. Das erste<br />
selbstverdiente Geld aber gewann der junge<br />
Hebler, wie er sich noch im Alter erinnerte,<br />
durch den Verkauf von Zwetschgen von seinen<br />
selbstgesetzten und gepflegten Zwetschgenbäumen.<br />
1873 weitete sich die Organisten- und<br />
Küstertätigkeit Heblers erheblich aus, was sich<br />
finanziell für ihn deutlich bemerkbar machte. Er<br />
übernahm für etwa ein Jahr die Organistenstelle<br />
an der seinerzeit von zahlreichen Pilgern besuchten<br />
Wallfahrtskirche in Klausen und spielte
zudem noch sonntags in Bausendorf die Orgel.<br />
Als Sechzehnjähriger erhielt Hebler im September<br />
1873 vom Beringsschulinspektor Dorbach<br />
die Weisung, die Winterschulstelle in Thiergarten<br />
im Hunsrück anzutreten. Sein Vater riet ihm<br />
jedoch eindringlich von dieser Stelle ab, da dieser<br />
von der dortigen Bevölkerung ein ausgesprochen<br />
schlechtes Bild hatte, das auf die Zeit<br />
zurückging, als er im Zusammenhang mit den<br />
revolutionären Unruhen der Jahre 1848/49 im<br />
Hunsrück als Soldat eingesetzt gewesen war.<br />
Johann Hebler äußerte sich folgendermaßen:<br />
»... nach Thiergarten gehst Du nicht, da schlagen<br />
sie einen für drei Pfennig tot. Ich war 1848<br />
mit meiner Korporalschaft zum Schutze des<br />
Försters dorthin kommandiert. Ich kenne das<br />
Nest. Es sind nur Wilddiebe und Holzlöffelmacher<br />
darin.«<br />
Nachdem Kaspar – natürlich mit anderer Begründung<br />
– diese Stelle abgelehnt hatte, wurde<br />
dem auch in Anbetracht seines Alters kleinen<br />
und schmächtigen Bausendorfer die Verwaltung<br />
der Schule in Langweiler angetragen.<br />
Hebler hatte in diesem Hunsrückdorf 51 Schülerinnen<br />
und Schüler im Alter von 6 bis 13 Jahren<br />
zu unterrichten, wofür er 33 Mark als Gehalt<br />
erhielt. Zusätzlich arbeitete er auch hier als Organist,<br />
Küster und Chorleiter, außerdem erteilte<br />
er Privatunterricht. In seinen Erinnerungen erwähnt<br />
er die Armut der Langweilerer, die als<br />
Achatschleifer, Holzhauer, Schieferbrecher<br />
und in anderen Handwerksberufen nur wenig<br />
verdienten, womit Hebler sich auch die<br />
tatsächlich sehr stark verbreitete Wilddieberei<br />
erklärt. Von der Bevölkerung hat er im Gegensatz<br />
zu seinem Vater ein positives Bild:<br />
»Der Hunsrücker, soweit ich ihn von dort kenne,<br />
ist beweglicher, arbeitsamer und freundlicher<br />
wie der Eifeler, aber auch leichtsinniger«.<br />
Auch in Langweiler hatte der angehende Lehrer<br />
sich fortzubilden, um sich zunächst auf seine<br />
erste Präparandenschulprüfung im Frühjahr<br />
1874 und dann gleich auf die nächste Prüfung<br />
vorzubereiten. Für diese Ausbildung blieb jedoch<br />
neben dem Unterrichten und den sonstigen<br />
Nebentätigkeiten nicht genügend Zeit,<br />
außerdem fehlten dem jungen Hebler die Kollegen,<br />
die ihn hätten weiterbilden können. Der<br />
Umgang mit den evangelischen Lehrern der<br />
Nachbarorte war verpönt, so dass Hebler sich<br />
ziemlich isoliert und einsam vorkam. Bei der<br />
zweiten Schulprüfung um Ostern 1875 schnitt<br />
er nicht so gut wie gewohnt ab, was für ihn der<br />
entscheidende Anstoß war, um Ablösung in<br />
Langweiler zu bitten. Diese erfolgte dann am 1.<br />
Oktober 1875; sein Nachfolger Karl Meier kam<br />
ebenfalls aus Bausendorf.<br />
Im folgenden Jahr verdiente der Präparand<br />
Hebler sein Geld mit kurzzeitigen Vertretungsstellen<br />
sowie als Hauslehrer. Zunächst wurde<br />
er für sechs Wochen vertretungsweise mit der<br />
Schulverwaltung in Binsfeld beauftragt. Diese<br />
Stelle trat er mit zwiespältigen Gefühlen an,<br />
denn die einklassige Schule war mit 126 Schülerinnen<br />
und Schülern mehr als doppelt so groß<br />
wie die in Langweiler. Als er in das Klassenzimmer<br />
eintrat, wurde ihm »angst und bange«,<br />
doch erlebte er in dieser Zeit keine einzige Unbotmäßigkeit,<br />
was ihn sehr verwunderte, da er<br />
gerade von den zahlreichen Hausiererkindern<br />
dieser Gegend etwas anderes erwartet hatte.<br />
Nach dieser kurzen Zeit bewarb sich Hebler erfolgreich<br />
um eine Hauslehrerstelle in Wehlen.<br />
Dort unterrichtete er den einzigen Sohn des<br />
Weingutsbesitzers Konrad Prüm-Steffen,<br />
während er selbst wieder von Lehrer Paulus<br />
fortgebildet wurde. Der junge Wehlener Winzererbe,<br />
schon aus der Volksschule entlassen,<br />
wurde jeden Vormittag unterrichtet, wobei täglich<br />
um 10 Uhr eine Flasche Wein aufgemacht<br />
wurde und sich Lehrer und Schüler eine halbstündige<br />
Frühstückspause gönnten. Auch<br />
beim gemeinsamen Mittagessen des Weingutsbesitzers<br />
mit seinen fünf Kindern, dem<br />
Lehrer, den männlichen und weiblichen Weinbergsarbeitern<br />
sowie den Knechten und Mägden<br />
gab es Wein, diesmal aus einem Steinkrug,<br />
ebenso beim Abendessen.<br />
Ostern 1876 erhielt Hebler den Auftrag, die<br />
Vertretung für den erkrankten Lehrer Carls in<br />
Maring zu übernehmen. Für diese Stelle erhielt<br />
er monatlich 60 Mark Gehalt; für Kost und Logis<br />
hatte er pro Tag eine Mark zu zahlen. Die<br />
Kost beim Weingutsbesitzer Johann Schmitt<br />
entsprach – einschließlich der Weinmenge –<br />
der vorangegangenen in Wehlen. Einmal<br />
wöchentlich wurde der junge Lehrer von Bürgermeister<br />
Melsheimer, dem Eigentümer des<br />
Hofes Siebenborn (mit Bierbrauerei, Branntweinbrennerei,<br />
Mühle und ansehnlichem Weinbergsbesitz),<br />
eingeladen zu Spaziergang und<br />
Umtrunk. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit<br />
einmal mehr, dass die Volksschullehrer in jener<br />
Zeit durchweg – es kam sicher auch immer auf<br />
361
die einzelne Persönlichkeit an – zu den angesehensten<br />
Einwohnern eines Dorfes zählten, mit<br />
denen die sonstigen Honoratioren (etwa Pfarrer,<br />
Gutsbesitzer, Förster) gern geselligen Kontakt<br />
pflegten. Dabei dürfte vielfach nicht nur der<br />
allgemeine Wunsch nach Geselligkeit eine Rolle<br />
gespielt haben, sondern auch das spezielle<br />
Bedürfnis nach einem ansonsten in dieser Weise<br />
nicht möglichen geistigen Austausch. Auch<br />
Kaspar Hebler, dessen Äußerungen keinen<br />
Standesdünkel oder Überheblichkeit gegenüber<br />
einfachen Leuten erkennen lassen, suchte<br />
gern den Kontakt zu stärker intellektuell orientierten<br />
Menschen. So war er beispielsweise gut<br />
befreundet mit dem Lehrer und späteren Professor<br />
Otto Follmann aus Landscheid.<br />
Das Lehrerseminar in <strong>Wittlich</strong><br />
Als die Vertreterstellung in Maring Ende September<br />
1876 ablief, befand sich der neunzehnjährige<br />
Hebler schon in den Vorbereitungen für<br />
eine ganz wichtige Prüfung. Im Jahr 1876 wurden<br />
die ersten Eifeler Lehrerseminare eingerichtet,<br />
darunter auch eines in <strong>Wittlich</strong>. Der junge<br />
Hebler hatte sich zur ersten Aufnahmeprüfung<br />
dieses Seminars gemeldet. Seine Erinnerungen<br />
an die Prüfung und die anschließende<br />
Pionierzeit dieses ersten Eifeler Lehrerseminars<br />
dürften eines der ganz wenigen Zeugnisse<br />
darüber aus Sicht eines Seminaristen sein. Die<br />
Aufnahmeprüfung fand vom 9. bis 13. Oktober<br />
1876 statt. Auf 74 Bewerber kamen 30 Plätze.<br />
Am ersten Tag der Prüfung waren die schriftlichen<br />
Arbeiten zu absolvieren. Die Aufgaben<br />
zeigen, welche Kenntnisse man damals von<br />
den angehenden Seminaristen erwartete. 10 Als<br />
Erstes galt es, einen zweistündigen Aufsatz zu<br />
dem Thema »Regen« zu schreiben. Danach<br />
hatten die Prüflinge jeweils einige Minuten Zeit,<br />
um die folgenden Aufgaben zu bewältigen: 2.<br />
Wie heißen die Sakramente der Toten und warum<br />
haben sie diese Namen? 3. Welche Wunderwerke<br />
des hl. Petrus werden in der Apostelgeschichte<br />
erzählt? 4. »Ein gutes Kind gehorcht<br />
geschwind« (Wort- und Satzanalyse),<br />
5. Angabe zweier Dichter und je ein von ihnen<br />
verfasstes Gedicht, 6. Rechenaufgaben: a) 34:<br />
128,9 b) 9 3 /8 mal 4 2 /7 : 2 1 /4 c) 7,2 Pfund kosten<br />
9,80 Mark. Was kostet 1 Gramm? 7. Angabe<br />
der verschiedenen Dreiecke und Zeichnung<br />
derselben, 8. Angabe der Gebirge auf der rechten<br />
Rheinseite, 9. Preußische Festungen an El-<br />
362<br />
be und Oder, 10. Kriege zur Regierungszeit des<br />
großen Kurfürsten, 11. Angabe von vier wildwachsenden<br />
Pflanzen, welche jetzt blühen, 12.<br />
Beschreibung des Thermometers.<br />
Für die Fragen 2 bis 12 hatte man jeweils nur<br />
ein paar Minuten Zeit, was angesichts der<br />
großen Aufregung viele Prüflinge erheblich belastete.<br />
Diejenigen, die bei der schriftlichen Prüfung<br />
nicht durchgefallen waren, mussten sich an<br />
den nächsten vier Tagen mündlichen Prüfungen<br />
unterziehen, wobei sie verständlicherweise<br />
schließlich »bis zum Umfallen« müde waren.<br />
Kaspar Hebler bestand diesen Wissens- und<br />
Belastungstest, der übrigens auch gewisse<br />
Übereinstimmungen mit manchen Intelligenztests<br />
zeigt, und durfte sich daher am 10. November<br />
1876 mit den 29 anderen Zöglingen im<br />
Seminar einfinden.<br />
Die Seminaristen wurden auf vier Stuben verteilt;<br />
geschlafen wurde in zwei großen ungeheizten<br />
Schlafsälen in einem eisernen Bett mit<br />
»Seegrasmatratze, Keilkissen und dünnem Federkissen;<br />
außerdem unter uns ein Bettuch,<br />
über uns 2 Pferdedecken aus Wolle mit kariertem<br />
Leinenüberzug...«. Im Seminar galt eine<br />
strenge Hausordnung. Der Tag begann für die<br />
jungen Männer um fünf Uhr mit dem Aufstehen.<br />
Eine Viertelstunde später erfolgte das gemeinschaftliche<br />
Morgengebet, eine weitere Viertelstunde<br />
danach begann der Unterricht. Um 7.30<br />
Uhr gab es das Frühstück. Den ganzen Vormittag<br />
über wurde unterrichtet, ebenso nachmittags<br />
von 14 - 16 Uhr. Von 17 - 20 Uhr war Arbeitszeit<br />
auf den Stuben. Danach folgte das<br />
Abendessen. Um 21.15 Uhr mussten die angehenden<br />
Volksschullehrer ins Bett.<br />
Die erste Seminar-Abgangsprüfung fand nach<br />
knapp dreijähriger Ausbildungszeit im August<br />
1879 unter der Leitung von Provinzialschulrat<br />
Linnig statt. Hebler, der nach glaubwürdigen<br />
eigenen Angaben stets zu den leistungsstärksten<br />
Seminaristen gezählt hatte, erhielt im Abschlusszeugnis<br />
die beste Durchschnittsnote.<br />
Wohl im Hinblick auf den zu erwartenden guten<br />
Abschluss hatte ihm der Kreisschulinspektor<br />
Simon schon Monate vorher eine Stelle in Hupperath<br />
in Aussicht gestellt; diese konnte er nun<br />
im Herbst 1879 antreten.<br />
Der Umzug nach Hupperath bedeutete einen<br />
entscheidenden Einschnitt im Leben dieser<br />
Bausendorfer Familie Hebler, denn er war nicht
nur für Kaspar, sondern auch für seine Eltern<br />
mit dem Weggang aus Bausendorf verbunden.<br />
Heblers Eltern waren – wie die meisten Bausendorfer<br />
– nach dem verheerenden Feuer von<br />
1866 in eine bedrängte finanzielle Lage geraten.<br />
Sie entschlossen sich 1879, in ihrem Heimatdorf<br />
alles zu verkaufen, beglichen mit dem<br />
Erlös ihre Schulden und zogen mit Kaspar nach<br />
Hupperath, wo Hebler senior sich um die Bewirtschaftung<br />
der Parzellen kümmerte, die seinem<br />
Sohn Kaspar zusätzlich zum Lehreramt<br />
überlassen worden waren. Auch Kaspars Bruder<br />
Nikolaus zog mit nach Hupperath. Er wollte<br />
auch Volksschullehrer werden und erhielt seine<br />
Präparandie-Ausbildung in <strong>Wittlich</strong> unter<br />
Hauptlehrer Geiter und seinem Bruder, ehe er<br />
von 1881-1884 ebenfalls Zögling des Katholischen<br />
Lehrerseminars in <strong>Wittlich</strong> wurde.<br />
Sein älterer Bruder Kaspar erteilte neben der<br />
Lehrertätigkeit in Hupperath mittwochs und<br />
samstags je drei Stunden am Nachmittag den<br />
angedeuteten Unterricht am Präparandenkursus<br />
in <strong>Wittlich</strong>, der der Vorbereitung auf das<br />
Seminar diente. Hebler lehrte Religion sowie<br />
Naturwissenschaften (Botanik, Zoologie, Physik,<br />
Mineralogie), während sein einziger Kollege,<br />
Hauptlehrer Andreas Geiter, die übrigen Fächer<br />
gab. Diese Tätigkeit am Präparandenkursus<br />
übte Hebler von 1879 bis 1892 aus. Er war stolz<br />
darauf, dass die Zöglinge seines Kursus bei der<br />
Seminaraufnahmeprüfung stets am besten abschnitten.<br />
Während der Hupperather Zeit hatte<br />
Hebler 36 Stunden Unterricht in der Woche zu<br />
erteilen, wozu noch weitere Privatstunden kamen.<br />
Nach einiger Zeit plagten ihn beständige<br />
Halsschmerzen, was er auf das viele Reden<br />
und die anstrengenden Wege den Pichterberg<br />
herauf zurückführte. Als mit seiner Versetzung<br />
nach <strong>Wittlich</strong> 1883 zumindest diese Wege<br />
wegfielen, verschwanden auch seine Halsbeschwerden.<br />
Nachdem Hebler 1882 das für Lehrer obligatorische<br />
zweite Examen mit gutem Erfolg absolviert<br />
hatte, bewarb er sich um eine Stelle an der<br />
höheren Stadtschule in <strong>Wittlich</strong>. Im Herbst<br />
1883 durfte er sie antreten. Sein Lehrergehalt<br />
stieg von jährlich 900 Mark in Hupperath (plus<br />
freie Wohnung) auf 1 500 Mark in <strong>Wittlich</strong>, wo<br />
ihm vom Rektor der Schule, Ferdinand Buck,<br />
eine Fünf-Zimmer-Dienstwohnung für jährlich<br />
150 Mark überlassen wurde. Im ersten Jahr<br />
wohnten auch noch seine Eltern in dieser Woh-<br />
nung, dann zogen die alten Heblers nach Deudesfeld,<br />
wo ihr jüngerer Sohn Nikolaus 1884<br />
nach dem Verlassen des Seminars seine erste<br />
Lehrerstelle antrat.<br />
Die höhere Stadtschule <strong>Wittlich</strong> hatte zu jener<br />
Zeit nur drei Klassen – Sexta, Quinta, Quarta –<br />
und nur knapp über 50 Schüler, darunter eine<br />
nicht unbeträchtliche jüdische Minderheit. Die<br />
Schule wurde teils durch das zu zahlende<br />
Schulgeld, teils durch die Stadt <strong>Wittlich</strong> finanziert.<br />
Hebler erwähnt eine weit verbreitete Gegnerschaft<br />
gegen diese städtische Finanzierung<br />
sowohl seitens des Stadtparlaments als auch<br />
seitens desjenigen Bevölkerungsteils, dessen<br />
Söhne an dieser Schule nicht vertreten waren.<br />
In diesen <strong>Wittlich</strong>er Jahren unterrichtete Hebler<br />
auch noch an der neu gegründeten landwirtschaftlichen<br />
Winterschule, so dass sein Einkommen<br />
insgesamt das Zweieinhalbfache eines<br />
Volksschullehrers betrug.<br />
Im Herbst 1889 bestand er als Zweiunddreißigjähriger<br />
in Koblenz das Mittelschulexamen für<br />
Mathematik und Naturwissenschaften, was<br />
ihm die Möglichkeit eines weiteren beruflichen<br />
Aufstiegs gab.<br />
Kaspar Heblers familiäre Lage<br />
Kaspar Hebler hatte Ende der achtziger Jahre<br />
schon weit mehr erreicht als die Mehrzahl der<br />
Volksschullehrer. Sein beruflicher Erfolg drückte<br />
sich nicht nur in Einkommen und seiner Mittelschullehrerqualifikation<br />
aus, sondern dürfte<br />
auch im sozialen Umfeld deutlich geworden<br />
sein. Entsprechend seinem Naturell war er jedoch<br />
damit noch nicht zufrieden, sondern<br />
suchte sich beruflich weiter zu verbessern.<br />
Dies entsprang nicht nur persönlichem Leistungsstreben,<br />
sondern zu diesem Zeitpunkt<br />
spielten weitere Überlegungen privater Art eine<br />
wichtige Rolle. Hebler hatte mittlerweile nicht<br />
nur für sich zu sorgen, sondern auch für Frau<br />
und Kinder. Während seiner Hupperather und<br />
<strong>Wittlich</strong>er Zeit hatte er die acht Jahre jüngere<br />
Anna Fischer kennengelernt, deren blonde<br />
Zöpfe und zugleich schlankes und kräftiges<br />
Aussehen ihm gut gefielen. Anna war eine<br />
Tochter des <strong>Wittlich</strong>er Gerbers, Gastwirts und<br />
Stadtrats Balthasar Fischer und der aus Dhron<br />
stammenden Winzerstochter Maria Katharina<br />
Arens. Balthasar Fischer war nach Angaben<br />
seines Schwiegersohnes ein stattlicher, starker<br />
und wortkarger Mann, der bei den Gardeküras-<br />
363
sieren gedient hatte und in seiner Gerbergesellenzeit<br />
bis nach Venedig gekommen war.<br />
»Er besaß im Gegensatz zu seiner Frau ein sehr<br />
ruhiges Temperament, sprach sehr wenig, war,<br />
obwohl Gastwirt, äußerst solid, trank in der<br />
ganzen Woche kaum eine halbe Flasche Wein.<br />
In seiner Wirtschaft verzapfte er nur Wein eigenen<br />
Wachstums und konnte sich, als das Biertrinken<br />
allgemeiner wurde, nur schwer dazu<br />
verstehen, auch Flaschenbier einzulegen. Sein<br />
Fehler war seine zu große Gutmütigkeit.«<br />
Dass er als Gerber zusehends in größere wirtschaftliche<br />
Schwierigkeiten geriet, dürfte allerdings<br />
weniger Folge seiner Gutmütigkeit gewesen<br />
sein. Alle Eifeler Gerbereien wurden in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwer<br />
bedrängt von zunehmender großindustrieller<br />
Konkurrenz, der sie schließlich erlagen.<br />
Die Heirat Heblers mit Anna Fischer fand an einem<br />
ungewöhnlichen Termin, nämlich am 31.<br />
Dezember 1887, bei minus 17 Grad in <strong>Wittlich</strong><br />
statt. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor,<br />
deren Werdegang typisch war für den aufstrebenden<br />
katholischen Volksschullehrerstand<br />
dieser Zeit und zugleich auch verdeutlicht,<br />
welch harten Schicksalsschlägen die Menschen<br />
damals ausgesetzt waren. Zu der noch<br />
recht hohen Sterblichkeit infolge heute meist<br />
behandelbarer Krankheiten (z. B. Tuberkulose)<br />
kam die Belastung durch den Ersten Weltkrieg.<br />
Das erstgeborene (am 28. September 1888)<br />
Kind Anna starb schon drei Wochen nach der<br />
Geburt. Katharina (*1889) wurde Lehrerin und<br />
heiratete 1924 den Verlagsdirektor Bitter in<br />
Recklinghausen. Der älteste Sohn Joseph<br />
(*1890), Gymnasiast in Prüm und Münster, wurde<br />
ebenfalls Lehrer, bevor er in das Geschäft<br />
seines Schwiegervaters in Drolshagen eintrat.<br />
Felix (*1891) wurde der erste Abiturient und<br />
Akademiker in der Familie. Er wurde freiwillig<br />
Leutnant, mehrfach schwer verwundet und mit<br />
dem EK I ausgezeichnet. Später studierte er<br />
Pharmazie und arbeitete nach der Promotion<br />
als Apotheker. Der nächstgeborene Karl trat<br />
nach dem Abitur ins Priesterseminar in Trier<br />
ein. Er wurde freiwillig Soldat und fiel 1917 als<br />
Dreiundzwanzigjähriger in den Karpaten. Der<br />
vierte Sohn Balthasar meldete sich als Unterprimaner<br />
freiwillig, wurde später Flugzeugführer<br />
und zog nach Kriegsende zum Kampf gegen<br />
die Bolschewisten im Baltikum. Er fiel 1919<br />
bei Riga als Leutnant des 1. Litauischen Garde-<br />
364<br />
regiments. Luzie Hebler, nach dem durchaus<br />
glaubhaften Zeugnis ihres Vaters ein hochintelligentes<br />
Mädchen, wurde die erste Abiturientin<br />
der Familie und wollte danach Lehrerin werden.<br />
Schon bald jedoch erkrankte sie an Tuberkulose.<br />
Als Zwanzigjährige starb sie Weihnachten<br />
1916. Kaspar Hebler schreibt dazu im Hinblick<br />
auf ihren Bruder Karl:<br />
»Unser letzter Feldpostbrief an ihn enthielt die<br />
Todesnachricht seiner 1. Schwester Luzie, die<br />
ihn am 8. Januar 1917 erreichte. Ein halb fertiger<br />
Brief von diesem Tag, ohne seine Unterschrift,<br />
bestätigt den Empfang der Trauernachricht,<br />
– und am andern Tage war er mit seiner 1.<br />
Schwester vereint. Mögen beide in Frieden ruhen!«<br />
Anna (*1897), ebenfalls Abiturientin, wollte<br />
schon als Kind Missionsschwester werden. Als<br />
sie 20 Jahre alt war, erlaubte es ihr Vater nach<br />
langem Drängen. Sie trat in den Orden der<br />
Schwestern von der göttlichen Vorsehung ein.<br />
Ludwig (*1901), das jüngste der Hebler-Kinder,<br />
absolvierte die Oberrealschule in Münster und<br />
wurde gegen den Willen des Vaters Landwirt.<br />
Als staatlich geprüfter Landwirt arbeitete er auf<br />
verschiedenen Gütern.<br />
Hebler als Lehrer am Gymnasium zu Prüm<br />
Als Kaspar Hebler Ende 1892 von einer für Seminaristen<br />
ausgeschriebenen Stelle am Gymnasium<br />
zu Prüm 11 hörte, hatte er schon zwei<br />
Söhne und die Familie war auf weiteren Zuwachs<br />
ausgerichtet. Hebler bewarb sich um<br />
die Stelle, wobei der Gedanke eine wichtige<br />
Rolle spielte, dass dies später für die Ausbildung<br />
seiner Kinder von Vorteil sein würde. Seine<br />
Bewerbung wurde angenommen. Er zog im<br />
April 1893 mit seiner Familie nach Prüm um, wo<br />
er zwölf Jahre lang blieb. Er war im Kollegium<br />
der einzige Seminarist, also Nichtakademiker,<br />
hatte aber deswegen, wie er betont, keinerlei<br />
Probleme mit den anderen Lehrern. Dies lag<br />
wohl nicht unwesentlich daran, dass er – nach<br />
eigenen Worten – deren höhere Bildung voll<br />
und ganz anerkannte und sie zuvorkommend<br />
behandelte. Schnell wurde er auch ins Prümer<br />
Casino aufgenommen, in dem sich die Prümer<br />
Oberschicht traf. Tonangebende Mitglieder<br />
waren die reichen Prümer Lederfabrikanten<br />
(Nels, Alff, Spoo, Koch u. a.), danach kamen in<br />
der sozialen Stellung erst die Akademiker der<br />
Kleinstadt (Geistliche, Ärzte, Apotheker etc.).
Außer diesen Reichen und Gebildeten waren<br />
nur noch Seminaristen zugelassen; seit 1885<br />
hatte auch Prüm ein Lehrerseminar. Bei<br />
Heblers positiver Aufnahme im Casino fiel noch<br />
die Tatsache ins Gewicht, dass er Schwiegersohn<br />
eines Gerbers war. Nach dem damals<br />
geltenden und auf der Steuerkraft beruhenden<br />
Dreiklassenwahlrecht waren in der 1. Klasse in<br />
Prüm nur sechs Gerber und ein Apotheker vertreten,<br />
woraus man ebenfalls die in diesen Jahren<br />
noch führende soziale Rolle dieser Gruppe<br />
ersehen kann.<br />
Am Gymnasium in Prüm unterrichtete Hebler in<br />
den unteren Klassen Deutsch, Rechnen, Biologie<br />
und Zeichnen. Daneben leitete er den aus<br />
140 Schülern bestehenden Chor und gab Privatunterricht.<br />
In Prüm verdiente er als Lehrer<br />
zunächst 1800 Mark, aber nach drei Jahren<br />
schon 2100 Mark, wobei er sich im Hinblick auf<br />
die Pensionsberechtigung viel günstiger stand<br />
als in <strong>Wittlich</strong>. Während dieser Zeit erhielt er<br />
auch Angebote, als Lehrer nach Posen oder<br />
Düsseldorf zu gehen, was für ihn noch günstiger<br />
gewesen wäre. Hebler wäre eigentlich gern<br />
gegangen, lehnte die Angebote jedoch aus<br />
Rücksicht auf seine Frau ab, die lieber in Prüm<br />
bleiben wollte. Alsbald ergab sich auch in Prüm<br />
eine Gelegenheit, sich gegenüber einem Mittelschullehrer<br />
noch finanziell zu verbessern: das<br />
Zeichenlehrerexamen. Diese Chance ließ sich<br />
Hebler nicht entgehen. Er absolvierte zu diesem<br />
Zweck einen sechswöchigen Kursus in<br />
Düsseldorf, zweimal in den Herbstferien Kurse<br />
in Berlin auf der Handwerker-Fortbildungsschule,<br />
einen mehrmonatigen Zeichenlehrerkurs<br />
an der Königlichen Kunstschule und<br />
schließlich wieder einen einsemestrigen Kursus<br />
an der Kunstgewerbeschule und der Akademie<br />
in Düsseldorf. Seit 1901 war er dann auch examinierter<br />
Zeichenlehrer.<br />
Außerschulisch betätigte sich Hebler mit Vorträgen<br />
im Sprach- und Altertumsverein, spielte<br />
in einem Musikquintett 2. Violine, Klavier oder<br />
Kontrabass und war außerdem noch Vorsitzender<br />
des neu gegründeten Kreisbienenzuchtvereins.<br />
Auch dies waren typische Betätigungen<br />
für die eifrigsten und tüchtigsten unter den<br />
damaligen Volksschullehrern.<br />
Realschule Münster<br />
Im Sommer 1903 erfuhr Hebler von einer freiwerdenden<br />
Zeichenlehrerstelle am Realgym-<br />
nasium im westfälischen Münster. Er glaubte,<br />
dort seien für die Ausbildung seiner Kinder<br />
bessere Voraussetzungen gegeben als in der<br />
abgelegenen Eifelkleinstadt. Vielleicht spielte<br />
für seine Entscheidung zum Wechsel, die seine<br />
Familie endgültig aus der Eifel herausführte,<br />
auch sein schlechtes Verhältnis zum Gymnasialdirektor<br />
Dr. Brüll eine Rolle. Jedenfalls konnte<br />
er auch seine anfangs widerstrebende Frau<br />
überzeugen, und er bewarb sich mit Erfolg um<br />
diese Stelle. Von April 1904 bis zu seiner Pensionierung<br />
im April 1922 war er nun Zeichenlehrer<br />
an der vom Gymnasium abgezweigten<br />
Städtischen Oberrealschule. Noch im hohen<br />
Alter hat Hebler den Wechsel nach Münster bereut,<br />
was vor allem daran lag, dass er mit dem<br />
Schulleiter, Direktor Dr. Hoffschulte, nicht gut<br />
zurechtkam und auch sonst im Kollegenkreis<br />
sich wesentlich weniger wohl fühlte als in<br />
Prüm. Im hohen Alter betrachtete er die zwölf<br />
Jahre in Prüm – insbesondere die Zeit unter<br />
dem Direktor Dr. Asbach – als schönste Phase<br />
seines Lebens. In den Prümer Jahren war seine<br />
Familie um gesunde Kinder angewachsen, sein<br />
Einkommen betrachtete er als reichlich und er<br />
fühlte sich in allen sozialen Kreisen Prüms gut<br />
gelitten und in gutem Ansehen stehend.<br />
In Münster unterwies Hebler zusammen mit<br />
zwei Volksschulrektoren seit Ostern 1904<br />
Volksschüler im Zeichnen. Der Zeichenunterricht<br />
diente der Vorbereitung auf die Handwerker-Fortbildungsschule.<br />
Hebler lehrte seine<br />
Schüler dabei nicht nur im Gebrauch des Bleistifts,<br />
sondern arbeitete auch mit Pastellkreide,<br />
Aquarellfarbe und Tusche. Die Ergebnisse seines<br />
Unterrichts wurden dann in einer Ausstellung<br />
der Öffentlichkeit präsentiert. Weiteren<br />
Zeichenunterricht gab Hebler sowohl Lehrerinnen<br />
und auch Lehrern. Er erwarb sich im<br />
ganzen Münsteraner Raum einen Ruf als qualifizierter<br />
Zeichenlehrer, was ihm gelegentliche<br />
Sonderaufträge einbrachte.<br />
Zusätzliche Einnahmen verschaffte Hebler sich<br />
auch dort, wie schon in seinen früheren Jahren,<br />
als Chorleiter, Dirigent und Gesangslehrer.<br />
Durch die zahlreichen Beschäftigungen kam er<br />
zeitweise auf über 40 Stunden Unterricht in der<br />
Woche.<br />
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erwarb er in<br />
Münster-Blitzdorf ein eigenes Haus, das er<br />
nach dem Ersten Weltkrieg teilweise vermietete.<br />
In der Inflationszeit der zwanziger Jahre<br />
365
freute er sich besonders darüber, sein Vermögen<br />
in dieses Haus gesteckt zu haben. Dies bewahrte<br />
ihn, im Gegensatz auch zu manchen<br />
Lehrerkollegen, vor den großen inflationären<br />
Verlusten, die viele trafen.<br />
Nach einigen Jahren in Münster kamen auch<br />
privat für Kaspar Hebler schwere Stunden. Seine<br />
Frau Anna starb im Frühjahr 1908. Abgesehen<br />
vom seelischen Schmerz bedeutete dies<br />
für Hebler auch eine deutliche Erschwernis seiner<br />
äußeren Lebensbedingungen. Der im<br />
Haushalt völlig unerfahrene kinderreiche Witwer<br />
suchte zunächst die anfallende Arbeit mit<br />
Hilfe von Haushälterinnen, Putzfrauen, Büglerinnen<br />
und Näherinnen zu lösen, was ihn aber<br />
finanziell und auch organisatorisch sehr strapazierte,<br />
da er mit den von diesen erbrachten Leistungen<br />
und Verhaltensweisen oft sehr unzufrieden<br />
war. Diese Probleme wurden nach fünfzehnmonatigem<br />
Witwerleben erst gelöst, als er<br />
am 9. August 1909 in Münster mit der vierzehn<br />
Jahre jüngeren Luzie Fischer, der jüngsten<br />
Schwester seiner verstorbenen Frau, eine<br />
zweite Ehe einging. Er war sich sicher, damit<br />
auch das Beste für seine Kinder getan zu haben,<br />
die zu ihrer Tante und Stiefmutter nach<br />
seinen Angaben zumindest später ein sehr gutes<br />
Verhältnis hatten. Schwere Belastungen ergaben<br />
sich für ihn dann wieder im Ersten Weltkrieg,<br />
als er nicht nur um die im Felde stehenden<br />
Söhne und Neffen bangen musste, sondern<br />
auch unter den Folgen einer Munitionskatastrophe<br />
litt, die Münster schwer heimgesucht<br />
hatte. Außerdem litt die Bevölkerung nach zwei<br />
Kriegsjahren erheblich unter Nahrungsmangel,<br />
ja, es wurde regelrecht gehungert. In dieser<br />
Zeit unternahm Hebler mehrere Fahrten in die<br />
Eifel und er freute sich, wenn er dort von Verwandten<br />
und Freunden mit Lebensmitteln unterstützt<br />
wurde. Erbost war er über das Verhalten<br />
vieler Vertreter der sogenannten besseren<br />
Kreise, die in diesen Tagen oft ein sehr zweifelhaftes<br />
und höchst eigennütziges Verhalten an<br />
den Tag legten.<br />
Nach Krieg und Inflation ging es erst in der<br />
zweiten Hälfte der zwanziger Jahre wieder<br />
deutlich besser. Hebler unternahm sogar noch<br />
eine Romreise und fand Anfang der dreißiger<br />
Jahre, als er die Siebzig schon überschritten<br />
hatte, die Kraft, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben.<br />
Außerdem entschloss er sich, seine<br />
verstreut veröffentlichten heimatkundlichen<br />
366<br />
Erzählungen in einem eigenen Band zusammenzufassen.<br />
Auch wenn diese Sammlung<br />
»Ernste und heitere Erzählungen aus Bausendorf<br />
Kreis <strong>Wittlich</strong> und anderen Orten« weniger<br />
einen literarischen, sondern mehr einen heimatkundlichen<br />
Charakter trägt und es daher –<br />
auch im Hinblick auf den relativ geringen Umfang<br />
seiner schriftstellerischen Tätigkeit – wohl<br />
verfehlt ist, Kaspar Hebler als Heimatschriftsteller<br />
zu bezeichnen, so zeigt diese Sammlung<br />
doch, dass er neben seinen pädagogischen<br />
und künstlerischen auch schriftstellerische<br />
Fähigkeiten besaß. Dass er diese nur ansatzweise<br />
entwickelte, kann man ihm angesichts<br />
seines ansonsten überaus tätigen Lebens gewiss<br />
nicht verdenken.<br />
Anmerkungen<br />
1 Die Kinder von Volksschullehrern erreichten in mehreren Untersuchungen<br />
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach den Akademikerkindern<br />
im Durchschnitt die besten Schulleistungen. Vgl. L.<br />
Winter: Der Begabungsschwund in Europa, Pähl/Obb. 1959, S. 61.<br />
2 Dazu: F. J. Faas: Hungerleider, Bildungsträger, Respektspersonen.<br />
In: Arbeitskreis Eifeler Museen (Hrsg.): Tafel, Griffel, Rutenstock.<br />
150 Jahre Eifeler Volksschulleben, Meckenheim 1989, S. 47 ff.<br />
3 Vgl. dazu insbesondere: Faas (Anm. 2) sowie die zahlreichen<br />
Beiträge zur Entwicklung der Lehrerausbildung und Schulgeschichte<br />
im rheinpreußischen Raum von E. Schaaf, wie sie in der<br />
Bibliographie der ihm gewidmeten Festschrift aufgeführt sind: U.<br />
Nonn, H. Vogelsang (Hrsg.): Landesgeschichte-Fachdidaktik-<br />
Lehrerbildung, Landau 1998, S. 212 ff.<br />
4 Diese Darstellung beruht, soweit nicht anders angegeben, auf dem<br />
sechsseitigen maschinenschriftlichen Manuskript von K. Hebler:<br />
Familiengeschichte der Bausendorfer Hebler (Münster, o. J.).<br />
Heblers mütterliche Vorfahren aus der Bausendorfer Familie<br />
Schmitt werden eingehend behandelt in meiner Abhandlung: Non<br />
ignobili stirpe procreatum: Carl Schmitt und seine Herkunft, in:<br />
Schmittiana V, Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts (hrsg.<br />
von Prof. P. Tommissen), Berlin 1996, S. 225 - 298 sowie, kürzer,<br />
in: G. Brand: Die väterliche Heimat des Carl Schmitt. Bausendorfs<br />
Beitrag zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, in: Das Alftal<br />
in Gegenwart und Geschichte. Chronik der Alftalgemeinden<br />
1994/95, S. 77-84.<br />
5 Nach Nikolaus Hebler war Anfang des 19. Jahrhunderts Kaspar<br />
Warbach in Bausendorf der Höchstbesteuerte der Bürgermeisterei<br />
Neuerburg-Bausendorf. Matthias Moseler war der begütertste<br />
Bürger Neuerburgs. Dazu: N. Hebler: Zur Geschichte der ehemals<br />
kurfürstlich trierischen Burg Neuerburg »novum Castrum« sowie<br />
des Dorfes Neuerburg bei <strong>Wittlich</strong>, 2. Aufl., <strong>Bernkastel</strong>-Cues 1933,<br />
S. 38.<br />
6 Carl Schmitts Vater Nikolaus war ein Vetter von Kaspar und Nikolaus<br />
Hebler. Deren Mutter Anna war eine Großtante Carl Schmitts.<br />
7 Das in Anm. 5 angegebene Werk zur Geschichte Neuerburgs war<br />
N. Heblers Hauptschrift. Eine Kurzlebenslauf von ihm findet sich<br />
auf S. 61 von Kaspar Heblers Buch: Ernste und heitere Erzählungen<br />
aus Bausendorf Kreis <strong>Wittlich</strong> und anderen Orten, Münster<br />
1934.<br />
8 Vgl. sein in Anm. 7 genanntes Werk (S. 5 ff).<br />
9 Salomon Levy (1855-1938) war der letzte jüdische Bürger Bausendorfs,<br />
der auf dem alten jüdischen Friedhof beerdigt wurde. Vgl. A.<br />
Klausen: Jüdische Familien im Alftal, in: Das Alftal in Geschichte<br />
und Gegenwart. Chronik der Alftalgemeinden 1990/91, S. 90 ff (99).<br />
10 Einen bildungsgeschichtlich sehr interessanten Überblick über die<br />
wechselnden Aufgaben der Volksschullehrer geben Musmacher/<br />
Beckers: Geschichte der Methodik der einzelnen Unterrichtsfächer<br />
der Volksschule. Ein Handbuch zur Vorbereitung auf die Lehrerund<br />
Rektorenprüfung, Trier 1918.<br />
11 Das Progymnasium Prüm wurde durch Erlass vom 15.04.1892 zum<br />
Vollgymnasium ausgebaut. Vgl. dazu: F. J. Faas: Von der Bürgerschule<br />
zum königlich-preußischen Gymnasium, in: Direktor u. Kollegium<br />
des Staatl. Regino-Gymnasiums in Prüm (Hrsg.): 125 Jahre<br />
Regino-Gymnasium Prüm/Eifel. Festschrift 1977, Prüm 1977, S. 9
Walther und Werner Beumelburg<br />
Leben zweier Brüder im Nationalsozialismus<br />
Vor hundert Jahren wirkte in der evangelischen<br />
Gemeinde zu Trarbach der Pfarrer und Superintendent<br />
Eduard Beumelburg (1863-1927).<br />
Pfarrer Beumelburg war verheiratet mit Marie<br />
Waldeyer (1867-1942), einer Bürgermeisterstochter<br />
aus Neuwied. Die Eheleute hatten fünf<br />
Kinder, zwei Mädchen und drei Jungen.<br />
Uns interessieren hier die Brüder Walther<br />
(1894-1944) und Werner (1899-1963). Walther<br />
war das älteste aller Geschwister, während<br />
Werner das vorletzte Kind der Familie war.<br />
Äußerer Anlass dieses Beitrages ist zwar der<br />
hundertste Geburtstag des jüngeren der beiden<br />
Brüder, des Schriftstellers Werner Beumelburg.<br />
Aber es geht hierbei um den Versuch einer<br />
Bewertung der unterschiedlichen Lebensabläufe<br />
und um die interessante Frage, wie<br />
sich die beiden Brüder dem Nationalsozialismus<br />
gegenüber verhalten haben.<br />
In Traben-Trarbach, dem Geburts- und<br />
Heimatort der beiden Beumelburgs, pflegt man<br />
ein noch immer ambivalentes Verhältnis zum<br />
Namen Beumelburg, vor allem gegenüber dem<br />
jüngeren der beiden Brüder, über die hier berichtet<br />
werden soll. Während man die Biographie<br />
des Schriftstellers Werner zu kennen<br />
glaubt, ist über das Leben und vor allem über<br />
den geheimnisvollen Tod seines älteren Bruders<br />
Walther, dem zeitweiligen Rundfunk-Intendanten,<br />
kaum etwas bekannt. Man kann davon<br />
ausgehen, dass die Kinder Beumelburg die<br />
für die damalige Zeit charakteristische Erziehung<br />
in einem preußisch-protestantischen Elternhaus<br />
erlebten, deren Wertmaßstäbe durch<br />
die ethischen Begriffe Pflichterfüllung, Staatstreue,<br />
Bekenntnis zu Geschichte und Religion<br />
umrissen werden können. Es ist überliefert,<br />
dass deutsch-nationales Gedankengut die tagesüblichen<br />
Politikgespräche im Pfarrhaus beherrschte.<br />
So wird auch das Wahlthema zu<br />
Werners Abiturarbeit verständlich, ein persönlicher<br />
und nationaler Wahlspruch aus Homers<br />
Ilias (»Immer der erste zu sein und sich unter<br />
den anderen hervorzutun«).<br />
Richard Ochs<br />
Der Schriftsteller Werner Beumelburg<br />
Als 17-jähriger Kriegsfreiwilliger folgte er 1916<br />
nach dem Notabitur seinem mehr als vier Jahre<br />
älteren Bruder ins Feld. Die mörderischen Materialschlachten<br />
vor Verdun waren das Schlüsselerlebnis<br />
seines Lebens, das er in seinen<br />
Büchern später verarbeitete.<br />
Zunächst studierte er nach dem Krieg in Köln<br />
Staatswissenschaften, ehe er 1921 nach Berlin<br />
ging, und dort als Schriftleiter der Deutschen<br />
Soldatenzeitung und Mitarbeiter im Reichswehrministerium<br />
mit der literarischen Nachbearbeitung<br />
der großen Schlachten des Ersten<br />
Weltkrieges beauftragt wurde. 1 Er übernahm<br />
danach die Position als politischer Redakteur<br />
an der Deutschen Allgemeinen Zeitung, Berlin,<br />
(1921-1924) und an den Düsseldorfer Nachrichten<br />
(1924-1926).<br />
Nach seiner Tätigkeit als Journalist lebte er ab<br />
1927 als freier Schriftsteller in Traben-Trarbach,<br />
Berlin und zeitweise in Capri. Er hatte in<br />
diesem Lebensabschnitt seine literarisch größten<br />
Erfolge. Er schrieb rund vierzig Romane<br />
und Bücher, mit meist historischen bzw. patriotisch-ethischen<br />
Themen. 2 Die Literaturwissenschaft<br />
rechnet Beumelburg in der Gruppe der<br />
»Konservativen Revolution« zum »Soldatischen<br />
Nationalismus«, zu deren zentralen Figuren<br />
u. a. der frühe Ernst Jünger sowie die bekannten<br />
Autoren Ernst von Salomon und Edwin<br />
Erich Dwinger gehören.<br />
Es verwundert daher nicht, wenn die Nationalsozialisten<br />
versuchten, Werner Beumelburg für<br />
ihre Ideologie zu vereinnahmen. Aber er wurde<br />
niemals Mitglied der NSDAP, obwohl er bereits<br />
im Mai 1933 bei der Gleichschaltung der ehemals<br />
preußischen Akademie für Dichtkunst und<br />
ihrer Umbenennung in Deutsche Akademie der<br />
Dichtung als jüngstes ihrer neu hinzugewählten<br />
Mitglieder auf Forderung des Vizepräsidenten<br />
Rudolf G. Binding zum Schriftführer bestimmt<br />
wurde. Damals war er 34 Jahre alt. Dass er sich<br />
nicht um diese Aufgabe beworben hatte, beweist<br />
die gegenseitige Antipathie, die ihn mit<br />
367
dem Akademiepräsidenten Hanns Johst verband.<br />
So führte er denn auch den Schriftverkehr<br />
der Akademie eher nüchtern-sachlich als<br />
etwa nationalsozialistisch-begeistert. Es gibt<br />
eine Äußerung von Ricarda Huch, die dem jungen<br />
Schriftsteller als einzigem der Akademie-<br />
Mitglieder ein gewisses Maß an »Benimm« und<br />
Umgangsformen bescheinigt. Als Johst den<br />
Akademie-Mitgliedern zumutete, den Austritt<br />
Deutschlands aus dem Völkerbund nachträglich<br />
gutzuheißen, unterschrieb Werner Beumelburg<br />
nicht. Dagegen unterzeichneten Will Vesper,<br />
Rudolf G. Binding, Hans Grimm, Hans-Friedrich<br />
Blunck, Börries von Münchhausen, Gustav<br />
Frenssen, Erwin G. Kolbenheyer, Ina Seidel,<br />
Gerhart Hauptmann, Gottfried Benn u.a..<br />
Gelegentlich konnte er sich positiv für damals<br />
unbequeme Künstler einsetzen, so z. B. für den<br />
in finanzieller Bedrängnis befindlichen Ernst<br />
Barlach, der sich im April 1934 bei ihm für eine<br />
finanzielle Unterstützung bedankte (»die mir<br />
willkommen sein muß und für mich in dieser<br />
Zeit in mehr als einer Hinsicht Bedeutung hat«).<br />
Seine Tätigkeit für die Akademie endete mit<br />
Kriegsbeginn, als er in Übereinstimmung mit<br />
Goebbels und Göring die Aufgabe übernahm,<br />
eine umfassende Kriegschronik des Zweiten<br />
Weltkrieges zu schaffen, zu der es allerdings<br />
nie kam.<br />
Zweifellos hat er es sich als junger und am Erfolg<br />
orientierter Autor 3 gefallen lassen, von national<br />
gesinnten Kräften Deutschlands und den<br />
Nazis wohlwollend gefördert zu werden (1936:<br />
Literaturpreis der Stadt Berlin; 1937: Kunstpreis<br />
des Gaues Westmark; 1937: Moselgemeinde<br />
Winningen »Werner-Beumelburg-<br />
Schule« und Ehrenbürgerrechte; Dezember<br />
1937: Ehrenmitglied der »Gesellschaft Casino<br />
zu Trarbach«; Februar 1938: Traben-Trarbach<br />
»Ehrenbürger« seiner Heimatstadt und Umbenennung<br />
der Kirchgasse in »Werner-Beumelburg-Gasse«.<br />
Allerdings stimmte er dem erst<br />
zu, als man seinen Vornamen wegließ, weil damit<br />
auch seine Familie bzw. sein Vater gemeint<br />
sein konnten. Nach 1945 wurde die Namensgebung<br />
wieder aufgehoben, seine Ehrenbürgerschaft<br />
aber nicht in Frage gestellt. Trotzdem<br />
hat Werner Beumelburg seiner Vaterstadt dieses<br />
Verhalten stets nachgetragen).<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er kurz in Internierungshaft<br />
bei den Amerikanern, wurde<br />
aber bald als Mitläufer entlassen und lebte als<br />
368<br />
Werner Beumelburg<br />
Autor bei München und Würzburg. Mit seinen<br />
Nachkriegsbüchern 4 konnte er an seine früheren<br />
Erfolge nicht mehr anschließen. Werner<br />
Beumelburg, der unverheiratet blieb, starb<br />
1963 und wurde im Familiengrab in Trarbach<br />
beigesetzt.<br />
Der Rundfunk-Intendant<br />
Walther Beumelburg<br />
Er hatte am Gymnasium in Traben-Trarbach<br />
sein Abitur gemacht und war als dekorierter Offizier<br />
im Ersten Weltkrieg schwer verwundet<br />
worden. Danach arbeitete er im großen Hauptquartier<br />
der mit Deutschland verbündeten Türkei.<br />
Nach dem Krieg leitete er bis 1923 den<br />
antikommunistischen Selbstschutzverband<br />
ORGESCH (Organisation Escherisch) in München.<br />
Es ist nicht auszuschließen, dass er in<br />
dieser Zeit schon erste Verbindungen zum<br />
frühen Nationalsozialismus hatte.<br />
Walther Beumelburg schien sich aber zunächst<br />
von der Politik abzuwenden, denn er ging in die<br />
Privatindustrie, wurde Diplomkaufmann und<br />
Privatsekretär des Großindustriellen Hugo Stinnes.<br />
Während dieser Zeit wurde er Mitglied der<br />
Deutsch-Nationalen Volkspartei (rechts-konservativ),<br />
deren militärische Traditionsvereinigung<br />
»Der Stahlhelm« war. Er pflegte Kontakte<br />
zur Reichswehr, die ihm die Bekanntschaft mit<br />
von Witzleben und Canaris einbrachte. Die<br />
zwei Männer waren später am Widerstand gegen<br />
Hitler und dem Attentat am 20. Juli 1944<br />
beteiligt und wurden hingerichtet.
Bereits 1932, also noch vor der nationalsozialistischen<br />
Machtergreifung, wurde Walther Beumelburg<br />
Leiter der Nachrichtenabteilung des<br />
Reichsrundfunks in Berlin. Und noch vor dem<br />
30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung,<br />
übernahm er zusammen mit dem Schriftsteller<br />
Christian Brodersen die politische Überwachung<br />
der Rundfunk GmbH, eine in der damals<br />
politisch unruhigen Zeit wohl höchst<br />
prekäre Aufgabe. Inwieweit Walther Beumelburg<br />
da noch von den traditionellen und wertkonservativen<br />
Idealen seines Elternhauses beeinflusst<br />
war oder schon innerlich völlig übereinstimmte<br />
mit dem »Geist der neuen Zeit«,<br />
lässt sich im Nachhinein kaum eindeutig sagen.<br />
Jedenfalls wurde er – vielleicht aus reinem Opportunismus<br />
– kurz nach dem Machtantritt Hitlers<br />
Mitglied sowohl der NSDAP als auch der<br />
SS und äußerte öffentlich seine politischen Einstellung:<br />
»Wir kommen vom Kriege her. Unser<br />
Lebenszweck ist, die Revolution zu vollenden,<br />
die im August 1914 begann. Auf unserer Fahne,<br />
die wir nun an unseren Sendetürmen hissen,<br />
steht Freiheit, Kameradschaft, Gerechtigkeit.<br />
Unser Herz gehört den Kämpfern der Nation,<br />
der jungen Mannschaft und der Arbeiterschaft.<br />
Unsere Aufgabe ist, durch unsere Sendungen<br />
mitzuhelfen, dem deutschen Menschen sein<br />
Leben und das Leben seines Volkes verständlich<br />
und erträglich zu machen, ihn und den Führer<br />
einander immer näherzubringen und die Re-<br />
Walther Beumelburg<br />
volution des Geistes voranzutreiben, bis Volk<br />
und Staat eins werden im Dritten Reich.«<br />
Im April 1933 wurde er Intendant des Reichssenders<br />
Frankfurt und im Juli des gleichen Jahres<br />
Mitglied des Präsidialrates der Reichsrundfunk-Kammer.<br />
Schließlich war er von 1934 bis<br />
1937 Intendant des wichtigsten Reichssenders<br />
Berlin, und er ließ es sich nicht nehmen, bei der<br />
Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1936<br />
in SS-Uniform ins Berliner Olympiastadion einzumarschieren.<br />
Diese Ergebenheits-Demonstration<br />
führte zu heftigen Auseinandersetzungen<br />
mit Elternhaus und Bruder. Und offensichtlich<br />
war damit auch bereits der Zenit seiner<br />
»Parteikarriere« erreicht.<br />
Walther Beumelburg hatte 1922/23 die Niederländerin<br />
Tippy Lindemann geheiratet, die nach<br />
ihrer Scheidung von ihm Anfang 1937 mit dem<br />
gemeinsamen Sohn Jörg Beumelburg nach<br />
Norwegen zog und dort ihren Jugendfreund<br />
Berg-Hansen heiratete. Es wird berichtet, dass<br />
Beumelburg kurz darauf mit seiner jüdischen<br />
Sekretärin liiert war. Offensichtlich hat dies zu<br />
einer grundlegenden Veränderung seiner Stellung<br />
zum Nationalsozialismus beigetragen.<br />
Denn bereits im April 1937 wurde er als Rundfunk-Intendant<br />
entlassen, weil »... als SS-Führer<br />
ungeeignet, da er die erforderliche kompromißlose<br />
Einstellung zur Judenfrage nicht besitzt.«<br />
Über den zugrunde liegenden Sachverhalt<br />
seiner Entlassung berichtet die aus Alzey<br />
stammende halbjüdische Schriftstellerin Elisabeth<br />
Langgässer »Im Funk wächst der Druck<br />
gegen Mitarbeiter, die sich nicht zum Nationalsozialismus<br />
bekennen. Selbst der neue Intendant<br />
des Reichssenders W. Beumelburg ... wird<br />
1937 entlassen, weil er am Sender eine Harfenistin<br />
geduldet hatte, die mit einem Juden befreundet<br />
ist.«<br />
In dieser kritischen Phase gab ihm der Stalling-<br />
Verlag Oldenburg, der die Bücher seines Bruders<br />
Werner erfolgreich verlegte, wirtschaftlichen<br />
Halt durch die Übertragung der Geschäfte<br />
seiner Berliner Filiale.<br />
Bei Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er<br />
als Offizier einer Panzereinheit reaktiviert und<br />
nahm 1940 am Frankreichfeldzug teil. Bereits<br />
zu dieser Zeit war ihm der Gedanke an einen<br />
Staatsstreich und an ein Attentat gegen den<br />
»Führer« nicht mehr fremd. Seine Nichte erinnert<br />
sich noch lebhaft an Gespräche in ihrem<br />
Garten in Meisenheim, in denen er sich seinem<br />
369
Bruder Werner gegenüber entsprechend<br />
geäußert hat. Als Verbindungsoffizier in Paris<br />
wurde er bald mit dem später ermordeten Widerständler<br />
General von Stülpnagel bekannt.<br />
Später hat er beim Oberkommando der Wehrmacht<br />
in Potsdam diese Kontakte aufrecht erhalten.<br />
Nach den Erinnerungen von Gerd Elgo Lampel,<br />
einem persönlichen Begleiter seines Bruders<br />
Werner, muss Walther Beumelburg in die Verschwörung<br />
zur Beseitigung des Diktators eingebunden<br />
gewesen sein. Auf jeden Fall hat in<br />
den Tagen, als Freislers Todesgericht wütete,<br />
in der Nacht vom 25. zum 26. August 1944 im<br />
Hause des Schriftstellers in Neufahrland bei<br />
Potsdam eine dramatische und stundenlang<br />
andauernde intensive Aussprache zwischen<br />
den beiden Brüdern stattgefunden, über deren<br />
Inhalt man nur Mutmaßungen anstellen kann.<br />
Vermutlich hatte Werner vertrauliche Informationen,<br />
nach denen seinen Bruder schwerste<br />
umstürzlerische Vorwürfe erwarteten, die einem<br />
Todesurteil gleichkommen mussten.<br />
Jedenfalls ist Walther Beumelburg im Morgengrauen<br />
ausgeritten. Man fand ihn tot bei seinem<br />
Pferd. Die Todesursache blieb im Dunkeln.<br />
Seine Familie nahm an, dass er von eigner<br />
Hand umgekommen ist, um möglichen Folterungen<br />
zu entgehen, die zur Preisgabe weiterer<br />
in die Verschwörung verstrickter Personen geführt<br />
hätte. Seine geschiedene Frau berichtete<br />
später, dass ihr bereits vor der offiziellen Todesnachricht<br />
ihres geschiedenen Mannes von<br />
einem bekannten deutschen Admiral sein Tod<br />
mündlich mitgeteilt worden war. Bei dem späteren<br />
Begräbnis mit militärischen Ehren in<br />
Potsdam sei ihr dann ein Schein in die Hand<br />
gedrückt worden, wonach er eines natürlichen<br />
Todes gestorben sei.<br />
Idealistische Brüder<br />
Der Lebensweg der beiden Brüder Walther und<br />
Werner Beumelburg begann im gleichen Elternhaus<br />
in Traben-Trarbach – und beide gingen<br />
mit einem gerüttelt Maß an Idealismus und<br />
Einsatzbereitschaft an die Bewältigung ihres<br />
Lebensweges. Beide durchstanden zwar die<br />
psychisch-physischen Prüfungen des Ersten<br />
Weltkrieges, aber dann entwickelten sie in der<br />
Begegnung mit dem Nationalsozialismus voneinander<br />
abweichende höchst individuelle Verhaltensmuster.<br />
Während sich der ältere Bruder<br />
370<br />
Walther zunächst die sich später als falsch erweisenden<br />
Ideale zu Eigen machte, beharrte<br />
der jüngere Bruder Werner mehr auf der Bewahrung<br />
der patriotischen Ideale, nahm aber<br />
karrierebewusst die Wohltaten und Vergünstigungen<br />
des neuen Regimes gerne entgegen.<br />
Indessen hatte der Ältere längst eine radikale<br />
innere Wandlung vollzogen, die ihn in den Einflussbereich<br />
des Widerstandes führte, was<br />
schließlich mit seinem mysteriösen Tod endete.<br />
Als sich im Februar 1999 Familienmitglieder<br />
und Eingeweihte zum hundertsten Geburtstag<br />
von Werner Beumelburg trafen und eine Gedenkplakette<br />
enthüllten, nahm die Öffentlichkeit<br />
keinerlei Notiz davon.<br />
Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie,<br />
dass man in der Doppelstadt seit Jahrzehnten<br />
dem Schriftsteller Rudolf G. Binding (1867-<br />
1938) für seine zweifellos subtile »Moselfahrt<br />
aus Liebeskummer« eine ehrende Gedenkstätte<br />
der Deutschen Weinwerbung GmbH ermöglicht<br />
hat. Man war sich vermutlich darüber nicht<br />
im Klaren, dass Binding nicht nur den Nationalsozialismus<br />
in seiner Anfangszeit emphatisch<br />
verherrlicht hatte, sondern dass er auch als Vizepräsident<br />
der Deutschen Akademie der<br />
Dichtung damals die Wahl Werner Beumelburgs<br />
zu deren Schriftführer herbeigeführt hatte.<br />
Ein Umstand, den man Beumelburg heute<br />
noch fälschlicherweise anlastet.<br />
Anmerkungen<br />
1 Sachgruppe: »Bücher vom Krieg«. Seine bekanntesten und in den<br />
zwanziger Jahren in Deutschland auflagenstärksten Bücher sind<br />
»Sperrfeuer um Deutschland« (1928) und »Gruppe Bosemüller«<br />
(1929).<br />
2 Sachgruppe: »Bücher vom Reich«. Zu dieser Gruppe gehören die<br />
auf unserem Gebiet populären Romane »Mont-Royal« (1936) und<br />
»Der Kuckuck und die 12 Apostel« (1931) sowie »Kaiser und Herzog«<br />
(1936).<br />
3 Sachgruppe: »Bücher zum Dritten Reich«. Zu diesen Gefälligkeits-<br />
Büchern zählen »Das jugendliche Reich« (1933) und das Auftragswerk<br />
»Kampf um Spanien«(1939).<br />
4 Sachgruppe: »Bücher nach 1945«. In »Jahre ohne Gnade« (1952)<br />
zieht er ein ernüchterndes Resümee des Dritten Reiches, während<br />
»Hundert Jahre sind wie ein Tag« (1950) als breit angelegtes Historiengemälde<br />
der eigenen Familie gilt.<br />
Quellen:<br />
Dr. Stefan Busch, »Und gestern, da hörte uns Deutschland«, NS-Autoren<br />
in der Bundesrepublik, Dissertation 1998 (zu W. Beumelburg, Seite<br />
82-143)<br />
Frederic Hetmann »Schlafe, meine Rose. Die Lebensgeschichte der<br />
Elisabeth Langgässer«<br />
Inge Jens, »Dichter zwischen rechts und links«, München 1979<br />
Gerd Elgo Lampel, persönliche Erinnerungen und Briefe zu Werner<br />
Beumelburg<br />
E. Loewy, »Literatur unterm Hakenkreuz«, Frankfurt 1969<br />
A. Mohler, »Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932«,<br />
Darmstadt 1994<br />
W. Podlech & A. Stollenwerk, »Kurzbiographien vom Mittelrhein und<br />
Moselland«, Trier 1970<br />
Dr. Kläre Schlarb, Nichte der Brüder Beumelburg, persönliche Erinnerungen
Hugo Hensch und die <strong>Wittlich</strong>er<br />
Demokraten 1848/49<br />
Den »Hauptaufwiegler von <strong>Wittlich</strong>« nannte ihn<br />
der Oberprokurator Deuster, der Vertreter der<br />
Anklage im Trierer Prozess gegen Dr. Karl Grün<br />
und die Prümer Zeughausstürmer im Januar<br />
1850. 1 Die revolutionäre Rolle, die Peter Josef<br />
Coblenz in <strong>Bernkastel</strong> spielte, nahm in <strong>Wittlich</strong><br />
Hugo Hensch ein, dort geboren und aufgewachsen,<br />
Sohn aus gutem Hause und tüchtiger<br />
Kaufmann im Beruf. Er begeisterte sich für die<br />
Demokratie, setzte sich wie viele andere Bürger<br />
für freiheitliche Reformen und Volksrechte<br />
ein und erhob sich für ihre Verteidigung: Im<br />
Sommer 1849 gehörte er zu den Besiegten; um<br />
der Rache der Sieger zu entgehen, musste er<br />
seine Heimat für immer verlassen.<br />
Herkunft und Familie<br />
Johann Hugo Kasimir Edmund Hensch wurde<br />
am 21. Juni 1815 in <strong>Wittlich</strong> geboren als Sohn<br />
des Bürgermeisters und Notars Philipp Hensch<br />
und seiner Ehefrau Maria Anna Aloysia, geb.<br />
Müller. Die Henschs waren seit Anfang des 17.<br />
Jahrhunderts Bürger in <strong>Wittlich</strong>, zugezogen<br />
von Eupen. Sie waren Handwerker, Gendarme,<br />
Lehrer. 2 Johannes Hensch, seit 1736 verheiratet<br />
mit Maria Elisabeth Thönes, wurde zum<br />
Bürgermeister für das Jahr 1752 gewählt. 3 Sein<br />
gleichnamiger Sohn (geb. 1744) heiratete 1769<br />
Dorothea Manternach, die Tochter des Notars<br />
Philipp Manternach. Dieser war der Pate seines<br />
Enkels Philipp Hensch, der am 12. November<br />
1775 das Licht der Welt erblickte. Sein Vater<br />
Johann Hensch war Lehrer der Knabenschule<br />
bis 1795 (†), am kurfürstlichen Seminar in Ehrenbreitstein<br />
1784 ausgebildet. 4 Der Sohn Philipp<br />
übernahm in der napoleonischen Zeit in<br />
<strong>Wittlich</strong> wichtige Ämter. Er wurde 1805 kaiserlicher<br />
Notar und 1813 Maire, als solcher Nachfolger<br />
von Peter Franz Schumm. 5 Er gehörte in<br />
der Franzosenzeit zu den Honoratioren des<br />
Trierer Arrondissements. 1807 wurde er in die<br />
Freimaurerloge »La Réunion des Amis de l´Humanité«<br />
aufgenommen, die an die Pariser<br />
H.-Günther Böse<br />
Großloge »Grand Orient de France« angeschlossen<br />
war. 35 Notabeln aus dem Trierer<br />
Raum zählte sie als Mitglieder, aus unserem<br />
Kreis waren es neben Hensch die Notare Anton<br />
Merrem (<strong>Bernkastel</strong>) und Leopold Heusner<br />
(Dhronecken), Advokat Karl Ferdinand Ruppenthal<br />
(auf der Wildenburg geboren), Kaufmann<br />
Jakob Thanisch (<strong>Bernkastel</strong>) und Gutsbesitzer<br />
Ernest von Berg (Mellich b. Landscheid).<br />
6 Die Bevölkerung hatte Vertrauen zu<br />
dem redegewandten und tatkräftigen Maire<br />
Hensch, obwohl er in schwerer Zeit infolge der<br />
langen Kriegsdauer, der Missernten, Teuerungen<br />
und Einquartierungen zu unpopulären<br />
Spar- und Steuermaßnahmen gezwungen war.<br />
Als Kantons- und Etappenkommissar hatte er<br />
1814/15 den Ab- und Durchzug der Franzosen,<br />
die Ankunft und den Weitermarsch der Verbündeten<br />
zu bewältigen, Fourageforderungen auf<br />
die Stadt und die Gemeinden zu verteilen, Proviant<br />
und Branntwein für die Soldaten, Ställe<br />
und Stroh für die Pferde (im Mai 1814 lagerten<br />
in <strong>Wittlich</strong> 1 600 Kosaken mit 2 000 Pferden!) zu<br />
stellen, ein Lazarett einzurichten. Die Preußen<br />
übernahmen Hensch, der während der provisorischen<br />
Verwaltung des Generalgouvernements<br />
den Titel »Oberbürgermeister« führte,<br />
1815 als Bürgermeister in der neuen Kreisstadt<br />
<strong>Wittlich</strong>. Er war 1815 auch Chef des Bürgermiliz-Bataillons.<br />
Der Bürgermeisterei <strong>Wittlich</strong><br />
stand er bis 1827 vor. 7 Notar Hensch hatte<br />
1810 die 28-jährige Maria Anna Aloysia Müller<br />
geheiratet. 8 Sie war die Witwe des 1806 in<br />
Koblenz verstorbenen Ökonomen Konrad<br />
Zweiffel. Dieser war 1804/05 im Mayener Raum<br />
durch Steigern von Klostergut hervorgetreten.<br />
Aus ihrer ersten Ehe brachte Frau Hensch die<br />
vier Söhne Joh. Jakob, Friedrich, Karl Hermann<br />
und Franz, die damals zwischen 7 und 13 Jahre<br />
alt waren, mit nach <strong>Wittlich</strong>. 9 Aus der Ehe mit<br />
Bürgermeister Hensch kamen noch zwei Kinder<br />
hinzu: Joh. Hugo Kasimir Edmund (geb.<br />
21.06.1815) und Elisabeth Fanny Caroline (geb.<br />
371
25.04.1821). 10 Patenschaften sind oft sehr informativ.<br />
Den vierfachen Vornamen gab der<br />
Taufpate Reiß, Verwalter des Kesselstattschen<br />
Hofes in Kröv, der diesen Namen selbst in der<br />
Taufe von dem Reichsgrafen von Kesselstatt<br />
erhalten hatte. Reiß und Hensch waren alte Bekannte<br />
und Kollegen; Reiß, nach dem heute<br />
noch eine Straße in Kröv benannt ist, war ab<br />
1809 Maire in Kröv und Mitglied des Arrondissementrats<br />
in Trier. 11 - Die Patin des Hugo<br />
Hensch war seine Tante Maria Anna Clara Müller,<br />
geb. Reineri aus Zell († 1821), die mit Carl<br />
Ludwig Müller aus Koblenz, kaiserlichem<br />
Steuereinnehmer in Zell, Nachfolger seines<br />
Schwiegervaters Benedikt Reineri, verheiratet<br />
war. Die Reineri gehörten wie die Fier zu den<br />
wohlhabenden, potenten Familien im Zeller<br />
Hamm. Ludwig Müller wurde in preußischer<br />
Zeit königlicher Gerichtsschreiber; außerdem<br />
betrieb er die Posthalterei und das ererbte Gut<br />
in Zell, das später der einzige Sohn Franz Friedrich<br />
übernahm. Er sollte im Jahre 1848/49 in<br />
Zell wie sein Vetter Hugo in <strong>Wittlich</strong> Aufsehen<br />
erregen. 12 Diese familiären und freundschaftlichen<br />
Beziehungen, in der Franzosenzeit begründet,<br />
wurden nach 1815 weiter gepflegt; dabei<br />
spielte oft die Politik mit hinein. Die Einflussmöglichkeit<br />
der Ämter, welche diese Familien<br />
innehatten oder anstrebten, darf nicht unterschätzt<br />
werden. In <strong>Wittlich</strong> gab es so verwandtschaftliche<br />
Beziehungen der Familien Hensch,<br />
Zweiffel, Neuerburg, Fier und Schömann. Hugo<br />
Henschs Mutter starb 1825, als er zehn Jahre<br />
alt war und die Stiefbrüder Zweiffel bereits erwachsen<br />
waren. Der Vater Hugos, seit 1827 im<br />
Ruhestand, starb 1846. Er hinterließ ein Anwesen<br />
mit Wohnhaus am Markt bis zur Hospitalskapelle.<br />
Dieses Eckhaus Hensch erwarb Anfang<br />
der 50er Jahre von den Erben der jüdische<br />
Kaufmann Wilhelm Stulz, der im Dezember<br />
1853 dort ein Textilgeschäft eröffnete (später<br />
Lemm, heute NKD-Markt). 13 Den Weiher von<br />
Hensch beim Himmeroder Tor erwarb der Notar<br />
J. W. Deuster.<br />
Hugo Hensch in der Revolution 1848/49<br />
Hugo Hensch trat erst im Jahre 1848, 33 Jahre<br />
alt, mit Ausbruch der Revolution in das öffentliche<br />
Rampenlicht. Er hatte nach dem Besuch<br />
der Knabenschule wohl die »Handlung« gelernt.<br />
Die Militärpflicht leistete er 1835/36 bei<br />
der Landwehr in Trier ab; 1848 gehörte er zum<br />
372<br />
<strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt vom 28. 5. 1848<br />
zweiten Aufgebot. 14 Die fortschrittliche freisinnige<br />
Denkart der Aufklärung, die Begeisterung<br />
für die Ideale der Französischen Revolution<br />
empfing er vom Vater, der sich wie viele rheinische<br />
Amtsinhaber der Franzosenzeit gern an<br />
die guten Jahre unter Napoleon erinnerte. Viele<br />
Beispiele bei den Revolutionären von 1848/49<br />
belegen diese Erfahrung. Die Parole von der<br />
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wirkte<br />
lange nach. Hugo Hensch betrieb 1848 als<br />
selbstständiger Kaufmann – die in den Gerichtsakten<br />
angegebene Berufsbezeichnung »Materialist«<br />
ist irreführend – in der 2 815 Seelen<br />
zählenden Kreisstadt <strong>Wittlich</strong> in der Trierer<br />
Straße Nr. 88 eine gut gehende Materialienund<br />
Kolonialwarenhandlung. Seine hauptsächlichsten<br />
Produkte, die er laufend in Inseraten<br />
des <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blattes anbot, waren<br />
Farben und Lacke, Putzzeug (»echte <strong>Wittlich</strong>er<br />
Glanzwichse«), Bürsten sowie Spezereien:<br />
Schokolade, Karamellen, Südfrüchte, Spirituosen,<br />
Portweine und Zigarren. 15 Seit dem 2. August<br />
1841 war er mit der sechs Jahre jüngeren<br />
Agnes Neuerburg verheiratet, der Tochter des<br />
1835 verstorbenen Gastwirts Heinrich Neuerburg<br />
»des Alten« (also nicht des Vereinswirts<br />
der Demokraten) und dessen zweiter Ehefrau<br />
Christine Flesch aus Eisenschmitt. Sie hatten<br />
vier Kinder. 16 Hugo Hensch stand seit Beginn<br />
an der Spitze der Volksbewegung in <strong>Wittlich</strong>,<br />
die am 10. März mit einer Adresse an den König<br />
für freiheitliche Reformen ihren verheißungsvollen<br />
Lauf nahm. Er begann seine<br />
politische Karriere als Adjutant der im April gegründeten<br />
Bürgerwehr. Bei der Wahl ihrer Führer<br />
am 21. April 1848 erhielt er die meisten<br />
Stimmen (201 von 250 Wehrmännern), auch
Haus von Philipp Hensch auf dem <strong>Wittlich</strong>er Marktplatz. Der jüdische Kaufmann Wilhelm Stulz eröffnete<br />
hier 1853 ein Textilgeschäft.<br />
373
mehr als der zum Kommandeur der Bürgergarde<br />
gewählte Stadtrat und Major a. D. Peter Josef<br />
Weis (1788-1865), dessen Vater wie einst<br />
auch Vater Hensch und Schömann hohe Funktionen<br />
in der Franzosenzeit innegehabt hatte.<br />
Kaufmann P. J. Weis sen., aus Enkirch zugezogen,<br />
wurde 1804/05 durch Steigern von säkularisiertem<br />
Besitz zum Gutsbesitzer. Sein Sohn<br />
hatte in den Feldzügen 1812/13, zuletzt bei<br />
Belle-Alliance, als preußischer Offizier<br />
gekämpft. 1844 heiratete er in zweiter Ehe Josephine<br />
Hensch; er war also mit seinem Adjutanten<br />
verwandt. 17 Als Adjutant oblag Hugo<br />
Hensch die Organisation und der Einsatz der<br />
Bürgerwehr, die er in der Zeitung zu Versammlungen<br />
und Übungen aufrief. Im Dienst trug er<br />
eine weiß-rote Schärpe mit Stadtwappen und<br />
einen Säbel. Am 16. Mai holte er in Koblenz<br />
beim Divisionskommando die Waffen, 150 Gewehre<br />
mit Bajonetten und 150 Lanzen für die<br />
drei Kompanien ab (300 Mann), die später noch<br />
durch eine Schützenabteilung und eine Eskadron<br />
verstärkt wurden.<br />
Wichtiger aber erschien Hensch die Mitarbeit<br />
bei der Vorbereitung der Wahlen zur deutschen<br />
und preußischen Nationalversammlung im Mai.<br />
Die Beratung des Wahlprogramms mit dem<br />
<strong>Bernkastel</strong>er Lokalkomitee ergab neben liberalen<br />
Grundforderungen auch schon radikale Töne,<br />
so die Unterwerfung der Fürsten unter das<br />
Parlament, die Neugliederung Deutschlands,<br />
die Aufhebung aller Standes- und Adelsvorrechte,<br />
die Unabhängigkeit der Kirche vom<br />
Staat. Dass eine Republik ins Auge gefasst, die<br />
Zugehörigkeit des Rheinlands zu Preußen in<br />
Frage gestellt, dem Grundsatz der Volkssouveränität<br />
gehuldigt wurde, lag ganz im Sinn des<br />
<strong>Bernkastel</strong>ers Coblenz und Henschs, deren<br />
Zusammenarbeit hier begann. 18 Am 10. Mai<br />
1848 abends, nach der Wahl des Abgeordneten<br />
für die Frankfurter Paulskirche, bildete sich<br />
aus der Versammlung der Wahlmänner, die<br />
den Trierer Friedrich Zell gewählt hatten, ein<br />
provisorisches Komitee zur Beratung der politischen<br />
Angelegenheiten im Wahlkreis IV. Es bestand<br />
aus 13 Personen, neben Hensch u. a.<br />
aus dem Kreis <strong>Wittlich</strong> Pastor Wester (Hontheim),<br />
Christian Dieden (Ürzig), Bernard v. Berg<br />
(Mellich), aus dem Kreis <strong>Bernkastel</strong> Jakob Thanisch<br />
(<strong>Bernkastel</strong>), Friedrich Herrmann (Mülheim),<br />
Joh. Bapt. Huber (Zeltingen) und Forstassessor<br />
Ulrici (Morbach). Diesem Komitee,<br />
374<br />
das später noch ergänzt wurde, oblag die Verbindung<br />
mit den Abgeordneten, auch mit denen<br />
für die preußische Nationalversamlung.<br />
Wünsche sollten diesen weitergeleitet werden,<br />
aber auch ihr Verhalten im Parlament beobachtet<br />
und am Wahlprogramm gemessen werden.<br />
Das Komitee, das monatlich tagte, jeweils an<br />
einem anderen Ort, forderte am 13. Juni, einen<br />
Monat nach Eröffnung der Parlamente, auf einer<br />
Sitzung in Lieser, an der Hensch teilnahm,<br />
unmissverständlich, die Abgeordneten sollten<br />
»nur auf solchen Sitzen, die von gutem demokratischen<br />
Holz konstruiert seien, Platz nehmen«.<br />
Mit Zells Auftreten in Frankfurt war man<br />
zufrieden, das der Berliner Abgeordneten August<br />
Reichensperger und Karl Hermann Zweiffel<br />
missfiel bald, da sie sich der Rechten zugesellten<br />
und konservative, regierungsfreundliche<br />
Politik machten. Dem Misstrauensvotum<br />
der <strong>Bernkastel</strong>er kam Reichensperger durch<br />
Mandatsverzicht entgegen; er ging nach Frankfurt,<br />
da er ein Doppelmandat hatte. Den Abgeordneten<br />
für <strong>Wittlich</strong>, den Kölner Oberprokurator<br />
Zweiffel, der die Volkssouveränität ablehnte,<br />
als »äußerst rechts« eingestuft wurde, loszuwerden,<br />
war schwieriger. Die <strong>Wittlich</strong>er Demokraten<br />
wollten einen Mann wie Dr. Grün, der<br />
auf der großen Volksversammlung auf dem<br />
Paulsberg am 8. Oktober 10 000 Menschen begeistert<br />
hatte, als ihren Volksvertreter. Zweiffel,<br />
der am 10. Mai in seinem Dankwort für die<br />
Wahl der <strong>Wittlich</strong>er Wahlmänner erklärt hatte,<br />
sich für eine Verfassung einzusetzen, die<br />
»möglichste Freiheiten verbunden mit einem<br />
ordnungsmäßigen und gesetzlichen Zustande<br />
in allen Beziehungen gewähren« solle, entsprach<br />
nicht den Erwartungen der Wahlmänner,<br />
unter denen Hensch war. 19 »Nach dieser<br />
Volksversammlung dürfte dem Abgeordneten<br />
des Kreises <strong>Wittlich</strong> das letzte Stündlein (als<br />
Abgeordneter nämlich) geschlagen haben«,<br />
hieß es in der Presse. 20 Für Hugo Hensch war<br />
diese Ablehnung des Abgeordneten Zweiffel<br />
eine besonders pikante Angelegenheit. Denn<br />
Hermann Zweiffel war sein Stiefbruder, außerdem<br />
war er mit Katharina Fier, der Tochter des<br />
verstorbenen Posthalters Damian Ernst Fier<br />
und seiner Ehefrau Anna Maria Schömann, verheiratet.<br />
Sein am 8. Mai gewählter Stellvertreter<br />
war der Kaufmann Peter Schömann jun., ein<br />
Vetter von Frau Zweiffel. Diese Familien waren<br />
sehr einflussreich. Die Fier fungierten seit 1725
Mosella Nr. 8 vom 5. 5. 1884<br />
als kaiserliche Postmeister in <strong>Wittlich</strong>; Peter<br />
Schömann sen. war vermögender Kaufmann<br />
und Besitzer des Scheuerhofs bei Bombogen.<br />
1833 war er Mitglied des Rhein. Provinzial-<br />
Landtags. 1848 saßen Peter Fier und Peter<br />
Schömanns Sohn im <strong>Wittlich</strong>er Stadtrat. 21 Hugos<br />
Stiefbruder Hermann Zweiffel hatte nach<br />
der Wiederverheiratung seiner Mutter einige<br />
Jahre im Hause Hensch in <strong>Wittlich</strong> gelebt, bis<br />
er zum Besuch des Gymnasiums nach Koblenz,<br />
zu seinem Onkel, dem Landrentmeister<br />
Joh. Josef Zweiffel, übersiedelte. 22 Nach dem<br />
Abitur 1819 und dem Studium in Bonn amtierte<br />
er an rheinischen Gerichten. Als Oberprokurator<br />
in Kleve, seit 1846 in Köln, war er einer der<br />
höchsten rheinischen Justizbeamten. In Köln<br />
setzte er mit harter Hand 1848 »Gesetz und<br />
Ordnung« gegen Arbeiter, radikale Demokraten<br />
und die »Neue Rheinische Zeitung« durch.<br />
Zweiffel hatte sich bereits 1837 in <strong>Wittlich</strong> um<br />
die vakante Stelle des Landrats beworben –<br />
vergeblich, die Kreisstände zogen ihm und<br />
Bürgermeister Meyer aus Manderscheid Nikolaus<br />
Hisgen vor, der 1848 in Schwierigkeiten<br />
geraten sollte. 23 Im Mai 1848 schickte man<br />
dann Zweiffel erfolgreich als Bewerber für die<br />
Preußische Nationalversammlung ins Rennen.<br />
Ein Inserat »eines Urwählers« brachte vor der<br />
Abgeordnetenwahl in der <strong>Wittlich</strong>er und den<br />
beiden <strong>Bernkastel</strong>er Zeitungen nachdrücklich<br />
den Wahlmännern »ihren Mitbürger« Zweiffel in<br />
Erinnerung 24 . Hugo Hensch wird, allein von seiner<br />
extrem entgegengesetzten politischen Einstellung<br />
her, kaum von der Kandidatur seines<br />
Stiefbruders begeistert gewesen sein. Verhindern<br />
hatte er sie nicht können, aber für seine<br />
Ablösung wird er mit eingetreten sein. Den Altersunterschied<br />
von 15 Jahren und die<br />
langjährige Abwesenheit Zweiffels von <strong>Wittlich</strong><br />
lassen kaum auf eine enge Beziehung<br />
schließen. Über das Verhältnis der anderen Geschwister<br />
ist nichts bekannt, außer dass der ältere<br />
Bruder Friedrich Zweiffel, Ökonom in <strong>Wittlich</strong>,<br />
1821 die Geburt der Stiefschwester Fanny<br />
Hensch anzeigte, auch 1825 den Tod der Mutter,<br />
der er noch im selben Jahr folgte. 25 Der Abgeordnete<br />
Zweiffel wollte keineswegs auf<br />
Druck sein Mandat niederlegen. Erst im Oktober<br />
1848 beantragte er vom Parlamentspräsidenten<br />
die Einberufung seines Stellvertreters.<br />
Der bisherige, Peter Schömann jun., gemäßigter<br />
Demokrat, war zurückgetreten. Der Weg<br />
war frei für Dr. Karl Grün aus Trier, der am 25.<br />
Oktober von den Wahlmännern zum Stellvertreter<br />
gewählt wurde. Als solcher nahm er<br />
Zweiffels Platz in Berlin ein, die Demokraten<br />
unter der Regie von Hensch und Coblenz hatten<br />
ihr Ziel erreicht. Mit Karl Grün und dem Kölner<br />
Advokatanwalt Borchardt gehörten »Demokraten<br />
reinsten Wassers« der äußersten Linken<br />
der Preußischen Nationalversammlung<br />
an. 26<br />
Dr. Grün wurde Henschs Mentor und Motor.<br />
Als Vizepräsident des großen Trierer Demokratischen<br />
Zentralvereins (mit über 1 400 Mitgliedern)<br />
war er an der Ausweitung des Vereinsnetzes<br />
interessiert. So gründete Hensch mit seinen<br />
Freunden, wie im Juni Coblenz in <strong>Bernkastel</strong>,<br />
auch in <strong>Wittlich</strong> am 28. Oktober einen Demokratischen<br />
Verein. Zum Präsidenten wurde<br />
Gastwirt Peter Josef Sailler gewählt, zum Vizepräsidenten<br />
Hugo Hensch, zum Schriftführer<br />
Stadtschreiber Nik. Klein. Zum Vorstand<br />
gehörten noch Uhrmacher Friedrich Eichberg,<br />
Strumpfwirker Anton Claus, Matthias Ronde.<br />
Prominente Mitglieder waren Peter Schömann<br />
jun. und Notar Friedrich Licht. Sehr aktiv waren<br />
Bierbrauer Gotthard Diedenhofen, Müller Peter<br />
Melchior, Rotgerber Matthias Britz, Buchbinder<br />
Johann Daubach, Büchsenmacher Wilhelm<br />
Deuster. Der Trierer Johann Neustädter (s.<br />
auch folgenden Beitrag), in <strong>Wittlich</strong> als Schreiber<br />
beschäftigt, trat erst im Frühjahr als Agitator<br />
hervor. Er war wie Hensch überzeugter Republikaner.<br />
Hensch war der große Antreiber,<br />
die Seele des Vereins; er lud in der Regel<br />
wöchentlich zu Versammlungen in das Vereinslokal<br />
beim Wirt Heinrich Neuerburg »dem Jungen«<br />
(† 1854) ein, der Stadtrat war und mit den<br />
Demokraten sympathisierte. Er besaß den<br />
größten Saal in <strong>Wittlich</strong> in der Oberstraße (vordem<br />
Bierbrauerei Elsen, heute Gasthaus Kai-<br />
375
Heinrich Neuerburg d. J. erwarb die Bierbrauerei Elsen und wandelte sie in ein Gasthaus um. 1848/49<br />
war das Gasthaus Vereinslokal der Demokraten.<br />
enburg). Mit dem Abgeordneten Dr. Grün, der<br />
bei seinen Auftritten in <strong>Wittlich</strong> bei ihm zu übernachten<br />
pflegte, teilte er neun Monate lang eine<br />
Zelle in der Trierer Untersuchungshaft, weil er<br />
für den Zug nach Prüm 6 - 7 Taler gespendet<br />
hatte. Der Vereinsdiener Peter Niles war mit<br />
Anton Claus einer der »Hauptwühler«. Auf der<br />
Neuerburgschen Hasenmühle schossen die<br />
Bürgerschützen 1848 auch auf die Scheibe. 27<br />
Mit seinen Funktionen im Wahlkreiskomitee, in<br />
der Bürgerwehr und im Demokratischen Verein<br />
war Hugo Hensch bis Oktober 1848 eine gewisse<br />
Machtfülle erwachsen. Als am 26. November<br />
auf einer Versammlung der Kriegsreservisten<br />
und Landsturmmänner, die in <strong>Wittlich</strong><br />
fast alle auch in der Bürgerwehr dienten, im<br />
376<br />
Kreissaal mittags die Kunde von den Unruhen<br />
in <strong>Bernkastel</strong> laut wurde, gerieten die Einberufer<br />
um Hugo Hensch in Aufregung. Man debattierte<br />
nicht mehr über den Berliner Staatsstreich,<br />
sondern griff zu den Gewehren.<br />
Hensch alarmierte die Bürgerwehr und setzte<br />
eigenmächtig trotz des Protestes des Bürgerwehrchefs<br />
Weis und des Landrats Hisgen sofort<br />
30 Mann unter Bürgerwehrfeldwebel Diedenhofen<br />
nach <strong>Bernkastel</strong> in Marsch, später in<br />
der Nacht, nach Kontaktaufnahme mit Peter<br />
Coblenz, noch 150 Mann unter Feldwebel Melchior.<br />
Beide Abteilungen kamen nur bis Wehlen<br />
und kehrten von dort zurück, da massierter Militäreinsatz<br />
in <strong>Bernkastel</strong> die Ruhe wiederhergestellt<br />
hatte und Coblenz mit seinen Gefähr-
ten fliehen musste. 28 Regierungskommissar<br />
Boltz zog auch nach <strong>Wittlich</strong> und befahl am 5.<br />
Dezember die Auflösung der Bürgerwehr, »da<br />
sie ohne Requisition der gesetzlich beteiligten<br />
Behörde sich versammelt, bewaffnet, sich<br />
außerhalb des Weichbildes der Stadt begeben<br />
und einen Zug nach <strong>Bernkastel</strong> unternommen,<br />
um einer bewaffneten Rebellion dort Hilfe zu<br />
leisten«. Am 7. Dezember mussten die Waffen<br />
abgegeben werden. 29 Insgesamt wurde gegen<br />
63 Personen ermittelt, dabei gegen 15 <strong>Wittlich</strong>er<br />
vom 11. bis 14. Dezember. Unter ihnen<br />
war Hugo Hensch, der wie einige andere Akteure<br />
mehrere Tage untergetaucht war. Aber<br />
nur drei von ihnen (Peter Melchior, Nik. Sailler<br />
und Bernhard Merten) wurden nach Trier ins<br />
Gefängnis gebracht, wo sie Mitgefangener<br />
Jean Velten aus Graach mit den anderen Einsitzenden<br />
malte. 30 Für den auch in die Novemberereignisse<br />
involvierten Präsidenten P. J. Sailler<br />
wählte man klugerweise Peter Schömann jun.,<br />
der sich in dieser Rolle zurückhielt. Die <strong>Wittlich</strong>er<br />
kamen im Gegensatz zu <strong>Bernkastel</strong><br />
glimpflich davon. Dass der Stadtrat mit Bürgermeister<br />
Peters sich gegen die Militäraktion von<br />
Boltz verwahrte, nützte nichts, zeigte aber die<br />
allgemeine Empörung an. 31 Der Hass gegen die<br />
preußische Regierung und Verwaltung war<br />
nach der Auflösung der preußischen Nationalversammlung<br />
und der Dekretierung der Verfassung<br />
am 5. Dezember auch in <strong>Wittlich</strong> noch gewachsen.<br />
Für Hensch war die Zwangsauflösung<br />
der Bürgerwehr ein harter Schlag, auch<br />
ein Prestigeverlust. Umso mehr galt sein Eifer<br />
nun dem Wahlkampf in den nächsten zwei Monaten<br />
für die neuen Kammern. Jede Woche<br />
fand eine Versammlung bei Neuerburg statt, zu<br />
der im <strong>Wittlich</strong>er Blatt aufgerufen wurde. Grün<br />
sprach mehrmals, nach ihm folgten Neustädter<br />
und Hensch, besonders letzterer war der große<br />
Wortführer und Leiter der »exzentrischen Partei«.<br />
Die am 22. Januar 1849 gewählten <strong>Wittlich</strong>er<br />
Wahlmänner, mehrheitlich Demokraten,<br />
unter ihnen Joh. Neustädter, Nik. Klein, Anton<br />
Claus, Carl Britz, Lehrer Anton Thome, Gastwirt<br />
Johann Neuerburg 32 , führten die demokratischen<br />
Kandidaten Grün und Borchardt im Februar<br />
trotz der neuen Wahlkreiseinteilung und<br />
verschärfter Gegenpropaganda der Regierung<br />
zu einem grandiosen Sieg über die Konstitutionellen.<br />
Die in Frankfurt beschlossene Reichsverfassung<br />
wurde begeistert begrüßt, weniger<br />
<strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt Nr. 5 vom 14. 1. 1849<br />
der preußische Erbkaiser. Die Demokraten beschimpften<br />
erstmals den Abgeordneten Zell,<br />
der aus Vernunft, nicht aus Sympathie für<br />
Friedrich Wilhelm IV. gestimmt hatte, um die<br />
Reichsverfassung durchzusetzen. 33 Nach Auflösung<br />
der 2. Kammer am 27. April, welche die<br />
Annahme der Reichsverfassung empfohlen<br />
hatte, schickten die <strong>Wittlich</strong>er Demokraten eine<br />
Protestadresse an das Frankfurter Parlament:<br />
Die Abgeordneten stünden über den Fürsten,<br />
wer sich ihren Beschlüssen widersetze, sei ein<br />
Hochverräter. »Wir sind bereit, auf den ersten<br />
Ruf hin uns wie ein Mann zu erheben und mit<br />
uns Tausende der Mosel entlang und in den<br />
Gebirgen.« 34 Die Ablehnung der Kaiserkrone<br />
und der Reichsverfassung durch den<br />
Preußenkönig vermehrte den Zorn im Volk, im<br />
Rheinland standen die Zeichen auf Sturm.<br />
Der Abgeordnete Friedrich Zell forderte am 8.<br />
Mai 1849 in Köln als Vorsitzender von 303 rheinischen<br />
Städten zum Widerstand gegen Berlin<br />
auf und zur Verteidigung der Reichsverfassung.<br />
Karl Grün, der schon in Cochem (04.05.),<br />
auf dem Mont Royal (06.05.) und in Bitburg<br />
(11.05.) Versammlungen abgehalten hatte, protestierte<br />
auf der letzten großen Volksversammlung<br />
am 13. Mai 1849 auf der Marienburg bei<br />
Alf vor 5 000 Menschen gegen die Berliner Politik.<br />
Auf der Versammlung im Freien sprachen<br />
nach Grün als Redner Peter Imandt aus Trier<br />
und auch Neustädter aus <strong>Wittlich</strong> sehr scharf.<br />
Zu einer internen Besprechung lud dann Grün<br />
die Vorstände der Demokratischen Vereine, die<br />
Ortsvorsteher und die Trierer in den Pavillon<br />
ein, auch Advokat Schily nahm teil. Die <strong>Wittlich</strong>er<br />
waren neben den Zeller, <strong>Bernkastel</strong>er und<br />
Kröver Demokraten stark vertreten. Hensch<br />
funktionierte die Beratung in eine Geheimbesprechung<br />
um, indem er die Überprüfung auf<br />
377
»Gesinnungstüchtigkeit« veranlasste und die<br />
Tür durch Anton Claus schließen ließ. Nach der<br />
Aufforderung Imandts, die Zeughäuser in Malmedy,<br />
Simmern und Prüm zu stürmen, um sich<br />
Waffen zu besorgen für eine allgemeine Volkserhebung,<br />
trat auch Hugo Hensch nachdrücklich<br />
für die Prümer Aktion ein. 35 Damit beschritt<br />
er den Weg der Revolution. Viktor Schily wollte<br />
diese am 20. Mai in <strong>Bernkastel</strong> ausrufen. Am<br />
14. Mai 1849 wurde in <strong>Wittlich</strong> bei Wirt Steffens<br />
das Prümer Unternehmen von Hensch und<br />
Neustädter mit Schily und Grün abgesprochen,<br />
am 15. und 17. Mai fanden Versammlungen im<br />
Vereinslokal Neuerburg statt; die letztere war<br />
kurzfristig erst mittags ohne Wissen des Präsidenten<br />
Schömann angesetzt worden. Die Parole<br />
»Auf zum Prümer Markt« gab Hensch im<br />
Saal aus, im Lesezimmer wurden die Freiwilligen<br />
aufgeschrieben und mit einem Wegegeld<br />
bedacht, Matthias Britz zum Anführer ernannt.<br />
Hensch soll auch hier schon, wie Prozesszeugen<br />
1850 aussagten, vom »Sturm auf das Prümer<br />
Zeughaus« gesprochen haben. Hensch<br />
und Neustädter nahmen persönlich am 18. Mai<br />
nicht am Zug nach Prüm teil; Neustädter half<br />
aber nachts beim Weitertransport der erbeuteten<br />
Waffen, Hensch übernahm die Bezahlung<br />
der Fuhrleute. Am 19. Mai morgens versuchte<br />
er in einer weiteren Versammlung vergeblich<br />
Freiwillige zu gewinnen, mit ihm nach <strong>Bernkastel</strong><br />
zu ziehen, um festzustellen, ob die Waffen<br />
gut angekommen seien. Hensch wurde im Gegensatz<br />
zu Neustädter in <strong>Bernkastel</strong> nicht gesehen.<br />
36 Als dann am Sonntag, dem 20. Mai,<br />
die geplante Volkserhebung in <strong>Bernkastel</strong> nicht<br />
zustande kam, weil die Regierung verstärkt<br />
Truppen in Marsch setzte und der Zuzug ausblieb,<br />
zog Neustädter mit Schily und den restlichen<br />
Zeughausstürmern ab, zunächst mit einem<br />
Kahn bis Brodenbach, von dort in die<br />
Pfalz. Johann Albert Neustädter kämpfte im<br />
Volksheer als Batterieführer, zuletzt in der von<br />
den Preußen eingeschlossenen Festung Rastatt.<br />
Es gelang ihm auf spektakuläre Weise mit<br />
Karl Schurz durch den Abwasserkanal zu entkommen<br />
(siehe auch den folgenden Beitrag).<br />
Von der Schweiz zog er nach Nordamerika, wo<br />
er 1851 in St. Louis eine neue Heimat fand und<br />
sich im Bürgerkrieg für die Union hervortat. 37<br />
Wann und wo Hugo Hensch sich aus <strong>Wittlich</strong><br />
absetzte – er hatte im Gegensatz zu Neustädter<br />
Familie und Besitz – ist nicht bekannt. In der<br />
378<br />
Pfalz tauchte er nicht auf. Er wird sich ins nahe<br />
Frankreich – wie sein Bitburger Schicksalsgefährte<br />
Josef Nels, auch Sohn eines Notars, –<br />
begeben und von dort die Abreise seiner Familie<br />
organisiert haben. Denn in Preußen konnte<br />
er bei Gefahr für Leib und Leben nicht bleiben.<br />
Die unbarmherzigen Hinrichtungen der drei Eifeler<br />
Landsturmmänner 1849 und das tragische<br />
Schicksal des Peter Coblenz geben dafür<br />
Zeugnis. Der am 5. Juli 1849 erlassene Steckbrief<br />
der Trierer Regierung gegen Hensch,<br />
Neustädter und 13 <strong>Wittlich</strong>er Zeughausstürmer<br />
ließ keine andere Wahl als die Flucht. Das Signalement<br />
wies Hugo Hensch (ein Bild existiert<br />
nicht) als einen gesetzten Mann (5 Fuß, 5 Zoll)<br />
mit schwarzem Haupthaar und Bart, blauen<br />
Augen, hoher Stirn und langer Nase aus. 38 Als<br />
im Januar 1850 der Prozess gegen Dr. Grün in<br />
Trier begann, befand sich Hensch im Ausland<br />
in Sicherheit. Ihn, den Beschuldigten Nr. 4<br />
(nach Grün, Schily, Imandt – vor Neustädter,<br />
Nels) hatte das Appellationsgericht in Köln am<br />
20. September 1849 der Anklage für schuldig<br />
befunden und dem Trierer Assisenhof überantwortet.<br />
Oberprokurator Deuster erhob die Anklage<br />
gegen Hensch, weil er 1. auf der Marienburg<br />
das Komplott zum Sturz der Regierung<br />
mit verabredet, 2. durch Versprechungen und<br />
sträfliche Kunstgriffe die Teilnehmer in <strong>Wittlich</strong><br />
zum Komplott gereizt und 3. am 17. Mai 1849<br />
im Einvernehmen mit Advokat Viktor Schily die<br />
<strong>Wittlich</strong>er zum Zug nach Prüm ausgehoben<br />
und organisiert habe; dazu kam noch die »Verhehlung«<br />
der Waffen. Hensch und Neustädter,<br />
dem dieselben Verbrechen vorgeworfen wurden,<br />
drohte das Todesurteil. Hensch brach alle<br />
Brücken hinter sich ab; er ließ seine Frau und<br />
die vier Kinder ins Ausland nachkommen und<br />
soll mit ihnen in die Neue Welt gezogen sein. 39<br />
Am 30. August 1849 zeigte im <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt<br />
Eduard Schroeder, bisher bei<br />
Hensch beschäftigt, an, dass er die Materialien-<br />
und Kolonialwarenhandlung von Hugo<br />
Hensch erworben habe. Notar Friedrich Licht,<br />
sein Parteifreund, der nach der Marienburg-<br />
Versammlung Dr. Grün und Frau in seiner Kutsche<br />
nach <strong>Wittlich</strong> mitgenommen hatte, versteigerte<br />
am 3. September das Haus, zwei<br />
Weinberge, einen Garten der Eheleute<br />
Hensch. 40 Den Erlös und andere Unterstützung<br />
wird er Hensch gegeben haben. Ein Jahr später<br />
verließ auch Henschs Schwägerin Gertrud
<strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt Nr. 75/76, 1849<br />
Neuerburg, die mit Wilhelm Lauer, dem Sohn<br />
des Kreisphysikus Friedrich Lauer, verheiratet<br />
war, <strong>Wittlich</strong> mit dem Ziel Amerika. In den Vereinigten<br />
Staaten sollen sie ein Hotel eröffnet<br />
haben. Henschs Schwiegermutter Christine<br />
Neuerburg, geb. Flesch könnte auch mit in die<br />
USA gereist sein, da sie in <strong>Wittlich</strong> nicht als verstorben<br />
geführt wird. 41 Vielleicht haben sich die<br />
Schwestern und Schwäger getroffen, um gemeinsam<br />
ein neues Leben zu beginnen. Bis<br />
heute verlief die Spurensuche ergebnislos.<br />
Nach der Revolution<br />
Karl Hermann Zweiffel gehörte 1849 zu den<br />
Siegern, er machte weiter Karriere. Im selben<br />
Jahr wurde er Appellationsgerichtsrat in Köln;<br />
als solcher führte er den Vorsitz des Assisenprozesses<br />
im Januar 1851 in Trier gegen den<br />
Trierer Abgeordneten Ludwig Simon, einen der<br />
großen Redner und führenden Demokraten der<br />
Paulskirche. Dieser, des Hochverrats und<br />
Komplotts zum Sturz der Regierung angeklagt,<br />
wurde in Abwesenheit von den Berufsrichtern<br />
zum Tode verurteilt. Der Scharfrichter, aus Köln<br />
angereist, vollstreckte das Urteil symbolisch<br />
auf dem Trierer Hauptmarkt. Die Trierer<br />
schmückten nachts den Schandpfahl mit Rosen<br />
und freuten sich, ihren Abgeordneten in der<br />
Schweiz in Sicherheit zu wissen. Ihm sollte die<br />
Heimkehr auch für immer verwehrt bleiben. 42<br />
Zweiffel wurde 1851 zum Präsidenten des<br />
Landgerichts in Saarbrücken ernannt, dem er<br />
bis 1876 vorstand. Seine Frau starb 1874, die<br />
einzige Tochter Mathilde Johanna heiratete<br />
1862 in Trier den Landgerichtsrat Schniewind<br />
aus Koblenz. 43 - Hugo Henschs Vetter Friedrich<br />
Müller, Postexpediteur in Zell, erfuhr auch die<br />
Willkür der Reaktion. Als demokratischer Abgeordneter<br />
in der preußischen Nationalversammlung<br />
und der 2. Kammer hatte er sich besonders<br />
in der Steuerfrage für die Moselwinzer engagiert.<br />
Er verlor seine Stelle als Leiter der Post<br />
und betrieb bis zum frühen Tod 1856 die eigene<br />
Landwirtschaft. 44<br />
Peter Schömann, der letzte Präsident des <strong>Wittlich</strong>er<br />
Demokratenvereins, verzog nach dem<br />
Tod seines Vaters († 1850) nach Trier, wo sein<br />
Bruder Ernst seit 1837 Bankier war. Als 1861<br />
wieder eine freiere Politik gemacht werden<br />
konnte, trat er dem liberalen Wahlkomitee bei,<br />
in dem sich auch Trierer 48er wieder betätigten.<br />
Von 1862 bis 1866 vertrat er den Wahlkreis<br />
Trier im preußischen Abgeordnetenhaus, dem<br />
linken Zentrum angehörend. Vor ihm hatte sein<br />
jüngerer Bruder Karl Schömann dieses Mandat<br />
drei Jahre inne. Er war seit 1854 ehrenamtlicher<br />
1. Beigeordneter, später auch Leiter der Stadtbibliothek<br />
in Trier. Der studierte Philologe war<br />
vorher Hauslehrer in Brüssel, danach begleitete<br />
er den niederländischen Generalgouverneur<br />
nach Batavia. 45<br />
In <strong>Wittlich</strong> verfolgte man im Januar 1850 den<br />
Prozess gegen Dr. Grün und die Zeughausstürmer<br />
mit großem Interesse; man freute sich über<br />
den glücklichen Freispruch für Grün, beklagte<br />
aber auch das harte Urteil gegen die kleinen<br />
Mitläufer, den Drechsler Peter Niles und den<br />
Tagelöhner Peter Sprink, die fünf Jahre Zuchthaus<br />
erhielten. Acht <strong>Wittlich</strong>er Angeklagte wurden<br />
freigesprochen; neben Hensch und Neustädter<br />
waren von den Angeklagten Matthias<br />
Britz, Johann Daubach und August Schroeder<br />
flüchtig, Männer zwischen 21 und 33 Jahren. 46<br />
Der Stadtschreiber Nikolaus Klein war bereits<br />
am 4. März 1849 von Landrat Hisgen »wegen<br />
Beteiligung an demokratischen Tendenzen«<br />
entlassen worden. 47 Im Februar 1850 verhinderte<br />
der Stadtverordnete Peter Josef Weis,<br />
königl.-preußischer Major a. D., die Zuwahl des<br />
Rotgerbers Carl Britz in den Stadtrat; er hielt<br />
ihn – im Gegensatz zu den anderen Ratskollegen<br />
– »für nicht geeignet, da er mit seinen Tendenzen<br />
nicht mit der Regierung in Einklang<br />
steht.« 48<br />
Das Jahr 1848/49, das eine großartige Volksbewegung<br />
für Einheit und Freiheit ausgelöst<br />
hatte und mit den großen Volksversammlungen<br />
auf dem Paulsberg und der Marienburg kulminierte,<br />
mit den <strong>Bernkastel</strong>er Novemberunruhen<br />
379
und dem Prümer Zeughaussturm aber auch eine<br />
traurige Ernte einfuhr, steht am Anfang der<br />
demokratischen Tradition unserer Heimat. Der<br />
24-jährige Bitburger Demokratenführer und<br />
Zeughausstürmer Josef Nels, der im Mai 1849<br />
als Flüchtling ins Exil gehen musste, brachte es<br />
Anmerkungen:<br />
1 Criminal-Procedur gegen Dr. C. Grün und 22 Genossen wegen<br />
Hochverrat resp. Plünderung des Zeughauses zu Prüm, Trier 1850,<br />
S. 34.<br />
2 Für die Angaben zu den Familien Hensch und Neuerburg sei<br />
grundsätzlich verwiesen auf die Sammlung von Johannes Mußweiler<br />
über <strong>Wittlich</strong>er Familien sowie Elisabeth Becker-Neuerburg: Die<br />
Familie Neuerburg in <strong>Wittlich</strong>, <strong>Wittlich</strong> 1998, Privatdruck.<br />
3 Carl Nels: Bürgermeister von <strong>Wittlich</strong>, in: Beiträge zur Chronik der<br />
Stadt <strong>Wittlich</strong>, Ergänzung 1928, S. 8 – KB <strong>Wittlich</strong>-St. Markus, Jg.<br />
1775.<br />
4 Elisabeth Becker-Neuerburg/Franz Schmitt: Die katholische Volksschule<br />
in <strong>Wittlich</strong> bis zur Französischen Revolution, in: Jb. 1990 B-<br />
W, S. 127.<br />
5 LHA Koblenz, Best. 587, Nr. 348-357. – Für die Bürgermeister-Liste<br />
(ab 1799) sei Dr. Klaus Petry, <strong>Wittlich</strong>, gedankt.<br />
6 Heinz Monz: Zur Geschichte der Trierer Freimaurerloge in der ersten<br />
Hälfte des 19. Jhs., in: Kurtrier. Jb. 35/1995, S. 318.<br />
7 Carl Nels: »Der Oberbürgermeister« Hensch von <strong>Wittlich</strong>, in: Beiträge<br />
zur Chronik der Stadt <strong>Wittlich</strong>, Ergänzung 1929, S. 17 f. – Ders.:<br />
Die Kosaken in <strong>Wittlich</strong>, ebda., 1910, S. 59 f.<br />
8 Mußweiler: oo 08.02.1810.<br />
9 Stadtarchiv Koblenz, Mitteilung v. 22.05.1998. Herrn Michael Koelges<br />
MA sei für die Auskünfte über die Familie Konrad Zweiffel herzlich<br />
gedankt.<br />
10 KB 5 <strong>Wittlich</strong>-St. Markus, Jg. 1815 u. 1821.<br />
11 Erwin Schaaf: Der <strong>Landkreis</strong> <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> zur Zeit der Französischen<br />
Revolution, 2. Teil, in: Jb. 1991 B-W, S. 214 f. – Freundl.<br />
Mitteilung von Frau Gudrun Hüls-Beth, Kröv.<br />
12 H.-Günther Böse: Die ersten demokratischen Wahlen im Kreis Zell<br />
1848/49, in: Jb. 1995 Kreis Cochem-Zell, S. 244 f.<br />
13 Mußweiler: Maria Anna Aloysia Hensch, † 24. 02. 1825 u. Philipp<br />
Hensch † 25. 05. 1846 – Maria Wein-Mehs: Juden in <strong>Wittlich</strong>, 1808-<br />
1942, <strong>Wittlich</strong> 1996, S. 533.<br />
14 Criminal-Procedur Grün, wie Anm. 1, S. 9.<br />
15 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt Nr. 5/09.01.1848, weiter 13.04.,<br />
12.10.1848 bis Nr. 76/30.08.1849.<br />
16 Mußweiler: Die Kinder von Hugo Hensch: Philipp Josef<br />
* 12.05.1842, Amalie Wilhelmine * 31.12.1843, Sophie Maximiliane<br />
* 13.04.1845, Peter Josef * 25.01.1847.<br />
17 Matthias Joseph Mehs: Die <strong>Wittlich</strong>er Bürgergarde des Jahres<br />
1848, in: <strong>Wittlich</strong>er Lesebuch, <strong>Wittlich</strong> 1993, S. 154 – Erwin Schaaf,<br />
wie Anm. 11, S. 205-215. – Michael Müller: Säkularisation und<br />
Grundbesitz. Zur Sozialgeschichte des Saar-Moselraumes 1794-<br />
1813, Boppard 1980. – Totenzettel von P. J. Weis, † 14.06.1865<br />
(Privatarchiv E. Becker-Neuerburg).<br />
18 Hermann Stahl: Die Revolution von 1848/49 an der Mittelmosel,<br />
<strong>Bernkastel</strong> 1923, S. 9.<br />
19 H.-G. Böse: Die ersten demokratischen Wahlen in den Kreisen<br />
<strong>Wittlich</strong> u. <strong>Bernkastel</strong> im Mai 1848, in: Jb. 1999 B-W, S. 264-266 f.<br />
20 Bernkast’ler Tage-Blatt Nr. 92 / 13.10.1848.<br />
21 Franz Schmitt: Chronik von Cues, <strong>Bernkastel</strong>-Kues 1981, S. 49<br />
(Die <strong>Wittlich</strong>er Linie der Familie Fier) – Ders.: In <strong>Wittlich</strong> geht die<br />
Post ab, in: Jb. 1998 B-W, S. 140-148. – Die Abgeordneten der<br />
Rhein. Provinzial-Landtage. Ein biograph. Handbuch, Bd. 1, bearb.<br />
von Vera Torunsky, Köln 1998, S. 431. – Mehs, Bürgergarde, S.<br />
152. – <strong>Wittlich</strong>er Gemeinderats-Protokolle, Jg. 1848.<br />
22 Mitteilung Stadtarchiv Koblenz: Einwohnerliste, Best. 623 Nr.<br />
2170, S. 74.<br />
380<br />
in Frankreich zu Wohlstand und Ansehen. Als<br />
er dort 1906 starb, gedachte im Bitburger<br />
Kreisblatt ein Nachruf seiner. 49 Das hätte man<br />
auch dem <strong>Wittlich</strong>er Hugo Hensch gewünscht;<br />
den Namen Hensch kennt man dort seit 1849<br />
nicht mehr.<br />
23 Peter Neu: Nikolaus Hisgen, Landrat in <strong>Wittlich</strong>, 1837-49, in: Jb.<br />
1983 B-W, S. 248.<br />
24 Mosella Nr. 8 / 05.05.1848.<br />
25 Standesamtsregister Stadt <strong>Wittlich</strong>: Geburt 25.04.21; Sterbefälle:<br />
24.02.1825 u. 15.11.1825.<br />
26 Böse, wie Anm. 19.<br />
27 Stahl, S. 19. – Criminal-Procedur Grün; S. 34-36, 97 f., 103, 107,<br />
146. Leider sind vom <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt nur wenige Exemplare<br />
des Jahrgangs 1848 erhalten. Jg. 1849 enthält viele Inserate,<br />
in denen zu den Versammlungen eingeladen wird.<br />
28 Mehs: Bürgergarde, S. 155 – Stahl, S. 22 f.<br />
29 Mehs, ebda., S. 156.<br />
30 Stahl, S. 25 f. – Criminal-Procedur Grün, S. 34.<br />
31 <strong>Wittlich</strong>er Gemeinderatsprotokoll v. 28.11.1848.<br />
32 LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 9671, S. 55 f.: Nachweis der Wahlmänner<br />
für die 2. Kammer in den zum Kreis <strong>Wittlich</strong> gehörigen Bürgermeistereien.<br />
33 Böse, wie Anm. 19, S. 268.<br />
34 Stenographische Berichte über die Verhandlungen der deutschen<br />
constituierenden Nationalversammlung in Frankfurt am Main, hg.<br />
von Franz Wigard, Frankfurt 1849, Bd. IX, S. 6566. – Stahl, S. 33.<br />
35 H.-Günther Böse: Die Versammlung auf der Marienburg am 13.<br />
Mai 1849, in: Jb. 1990 Cochem-Zell, S. 90-97.<br />
36 Criminal-Procedur Grün, S. 34-36.<br />
37 Böse, wie Anm. 35, S. 96. – Carl Schurz: Lebenserinnerungen, Bd.<br />
1, Berlin 1906, S. 222-246. – Josef Mergen: Was aus ihnen geworden<br />
ist (darin: Neustädter aus Trier als Kapitän im amerikanischen<br />
Bürgerkrieg), in: Neues Trier. Jb. 1975, S. 50 f.<br />
38 LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 6571: Namentliche Liste derjenigen<br />
dem Reg. Bez. Trier angehörigen Individuen, welche sich entfernt<br />
haben, um mutmaßlich an dem Freischaren-Kampf in der Pfalz teilzunehmen,<br />
05.07.1849. – Der Steckbrief des Trierer Oberprokurators<br />
Deuster datiert vom 25.09.1849.<br />
39 Criminal-Procedur Grün, S. 57 ff. – Elisabeth Becker-Neuerburg:<br />
Die Familie Neuerburg in <strong>Wittlich</strong>, S. 82.<br />
40 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt Nr. 75 u. 76 / 30.08.1849.<br />
41 Wie Anm. 39.<br />
42 Heinz-Günther Böse: Ludwig Simon von Trier. Leben und Anschauungen<br />
eines rheinischen Achtundvierzigers, Phil. Diss.,<br />
Mainz 1951, S. 202-208.<br />
43 Rhein. Geschlechter. Mit Köln versippt, bearb. von Robert Steimel,<br />
Bd. 2, Köln o. J. (= 1956), S. 192 / Tafel 379. – Standesamt Saarbrücken,<br />
Sterbefälle Maria Katharina Zweiffel † 20.01.1874.<br />
44 Böse, wie Anm. 12, S. 247.<br />
45 Wie Anm. 21 (Peter Schoemann sen. 1766-1850). – Preuß. Parlamentarier.<br />
Ein Photoalbum 1859-1867, bearb. von H. Conrad u. B.<br />
Haunfelder, Düsseldorf 1986, S. 127. (Peter Schoemann jun. 1802-<br />
1866) – Stephan Schölzel: Kurfürsten und Bürger, Trier 1984, S.<br />
238 (Karl Schömann 1806-1877) – Die Abgeordneten der rhein.<br />
Provinziallandtage, Bd. 1, Köln 1998, S. 430 (Damian Ernst Schoemann<br />
1807-1876). – Stadtarchiv Trier: Nachlass Milz, »Schoemann«.<br />
46 Criminal-Procedur Grün, S. 267.<br />
47 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenz-Blatt Nr. 18 / 04.03.1849.<br />
48 <strong>Wittlich</strong>er Gemeinderatsprotokoll vom 15.02.1850.<br />
49 Peter Neu: Geschichte von Bitburg, Trier 1965, S. 447.<br />
Für die freundliche Überlassung von Bild- und Archivmaterial sowie<br />
wertvolle Hinweise sei Frau Elisabeth Becker-Neuerburg, <strong>Wittlich</strong>,<br />
herzlich gedankt.
Das Ende der Revolution von 1848/49 und aller<br />
in sie gesetzten Hoffnungen jährt sich in diesem<br />
Jahr zum hundertfünfzigsten Mal. Aus diesem<br />
Anlass sei an einen Mann erinnert, der an<br />
allen demokratischen und revolutionären Bestrebungen<br />
der Bewohner des Mosellandes<br />
seinerzeit lebhaften Anteil nahm. 1 Die Rede ist<br />
von Johann Neustädter aus <strong>Wittlich</strong>.<br />
Er wurde am 12. Juli 1821 in der Trierer Vorstadt<br />
St. Paulin im Haus seiner Eltern, des Feuerwerkers<br />
Johann Neustädter und der Margarethe<br />
Zock geboren. 2 Sein Vater stammte aus<br />
Neustadt und seine Mutter aus einer Trierer<br />
Gärtnerfamilie. Beide waren am 12. Oktober<br />
1819 in St. Paulin getraut worden. 3<br />
Johann Neustädter diente als junger Mann von<br />
1840-1846 bei der preußischen Artillerie, was<br />
ihm später noch zugute kommen sollte, wie wir<br />
hören werden. Im Frühjahr 1848 war er schon<br />
seit einiger Zeit in <strong>Wittlich</strong> wohnhaft und als<br />
Schreiber angestellt. 4<br />
Wie überall war auch in der <strong>Wittlich</strong>er Bevölkerung<br />
der Wunsch nach politischen Reformen<br />
und nationaler Einheit weit verbreitet, und so<br />
wurde der Ausbruch der Revolution allgemein<br />
begrüßt. Unverzüglich ging man daran, die berechtigten<br />
Forderungen zu formulieren und sie<br />
der Obrigkeit zugehen zu lassen. In <strong>Wittlich</strong> war<br />
bereits am 10. März eine Adresse an den König<br />
in Vorbereitung. 5 Nach den Maiwahlen zur<br />
deutschen und preußischen Nationalversammlung<br />
verfolgte man aufmerksam die Verhandlungen<br />
der beiden Versammlungen.<br />
Im Laufe des Sommers hatten sich die fortschrittlichen<br />
Kräfte in <strong>Wittlich</strong> weiter konsolidiert,<br />
und so wurde schließlich am 28. Oktober<br />
auch hier nach dem Vorbild anderer Gemeinden<br />
ein demokratischer Verein gegründet, der<br />
seine Versammlungen fortan im Gasthaus Neuerburg<br />
abhielt. Der erste Vorsitzende, der Wirt<br />
Peter Joseph Sailler, geriet schon bald in politische<br />
Verfolgung wegen der <strong>Bernkastel</strong>er Unruhen<br />
vom November, die sich an der eigen-<br />
Johann Neustädter<br />
Aus dem Leben eines <strong>Wittlich</strong>er »Achtundvierzigers«<br />
Heinz Schmitt<br />
mächtigen Verlegung der preußischen Nationalversammlung<br />
seitens des Königs entzündet<br />
hatten, in der man zu Recht einen Affront gegen<br />
die Souveränität des Volkes sah. Sein Nachfolger<br />
wurde der Kaufmann Peter Schömann, der<br />
sich aber offensichtlich mit dem Amt des ersten<br />
Vorsitzenden zufrieden gab. Desto tätiger<br />
waren der Vizepräsident Hugo Hensch, Sohn<br />
des Notars Philipp Hensch, sowie Johann Neustädter.<br />
6 Hensch galt den Behörden als<br />
»Hauptaufwiegler.«<br />
Nach den Novemberunruhen wurden besonders<br />
in Preußen die reaktionären Tendenzen<br />
immer augenfälliger. Auch machte sich in der<br />
Bevölkerung zunehmend Enttäuschung breit<br />
über den bisherigen Verlauf der Revolution, da<br />
sie im Grunde keine konkreten Verbesserungen<br />
für den Einzelnen gebracht hatte. Ließ auch<br />
das Interesse an den politischen Zeitfragen beständig<br />
nach, so blieb man doch seiner demokratischen<br />
Gesinnung weiter treu.<br />
Als aber im April 1849 die 2. preußische Kammer<br />
schon wieder aufgelöst und der in Frankfurt<br />
beschlossenen Reichsverfassung die Anerkennung<br />
versagt wurde, kam noch einmal allgemeine<br />
Empörung auf. Instinktiv merkte man,<br />
dass es sich in den nächsten Wochen entscheiden<br />
musste, ob die Revolution doch noch<br />
erfolgreich sein konnte.<br />
Der Demokratische Verein <strong>Wittlich</strong> richtete unter<br />
Federführung von Hensch und Neustädter<br />
eine Adresse an die Frankfurter Nationalversammlung,<br />
in der es heißt: »Sie (die Abgeordneten)<br />
stehen über den Fürsten und sind demnach<br />
so berechtigt wie verpflichtet, denjenigen,<br />
der sich Ihren Beschlüssen widersetzt, als<br />
Hochverräter zu verfolgen. Wir sind bereit, auf<br />
den ersten Ruf uns wie ein Mann zu erheben<br />
und mit uns Tausende der Mosel entlang und in<br />
den Gebirgen.« 7<br />
Noch einmal wurden große Volksversammlungen<br />
abgehalten, in denen vor allem Dr. Carl<br />
Grün, der beste Redner der Trierer Demokra-<br />
381
ten, zur Verteidigung der neuen Verfassung<br />
aufrief. Am 13. Mai kam es zur großen Volksversammlung<br />
auf der Marienburg unter der Leitung<br />
von Dr. Grün. Tausende hatten sich eingefunden.<br />
8 Dr. Grün hielt die Hauptrede, und nach<br />
ihm sprachen Johann Neustädter für die <strong>Wittlich</strong>er<br />
und Peter Imandt für die Trierer Demokraten,<br />
die beide »etwas stärker auftrugen«. 9<br />
Anschließend beriet man hinter verschlossenen<br />
Türen in kleinerem Kreis. Hier sollen nun<br />
der Umsturz der Regierung, die allgemeine<br />
Volksbewaffnung und zu ihrem Zweck die Stürmung<br />
des Prümer Zeughauses beschlossen<br />
worden sein. 10 (s. auch S. 377 f.) Fest steht jedenfalls,<br />
dass sich Leute wie Hensch, Neustädter,<br />
Imandt, der Advokat Victor Schily und<br />
der Bitburger Joseph Nels inzwischen in absolut<br />
radikaldemokratischen Bahnen bewegten.<br />
Am 15. Mai beriefen Hensch, Neustädter und<br />
Peter Niles eigenmächtig eine außerordentliche<br />
Sitzung des <strong>Wittlich</strong>er Vereins ein und bereiteten<br />
die Anwesenden auf den bevorstehenden<br />
Volksaufstand vor. In einer weiteren Sitzung<br />
beim Wirt Neuerburg am 17. Mai wurde dann<br />
der Zug nach Prüm beschlossen und organisiert.<br />
Auch hier sprach Neustädter wieder zu<br />
den Versammelten und rief zur Teilnahme auf.<br />
Am nächsten Tag fand die Erstürmung des<br />
Prümer Zeughauses tatsächlich statt und war<br />
erfolgreich. Warum aber gerade Johann Neustädter<br />
und auch Hugo Hensch nicht persönlich<br />
an dem Unternehmen beteiligt waren, ist<br />
ungeklärt. Neustädter und Peter Niles nahmen<br />
am Abend einen Teil der in Prüm geraubten<br />
Waffen in Empfang und schafften sie am nächsten<br />
Tag zusammen mit Schily nach <strong>Bernkastel</strong>.<br />
11<br />
Hier wurden die Waffen an die wehrfähigen<br />
Männer verteilt, und Schily rief den Aufstand<br />
aus. Als aber im Laufe des Tages die erwartete<br />
Unterstützung von außerhalb ausblieb und beunruhigende<br />
Nachrichten über anrückendes<br />
Militär eintrafen, gab Schily das Unternehmen<br />
verloren. Die Waffen wurden wieder eingesammelt.<br />
Schily verließ mit seinen Getreuen, darunter<br />
auch Johann Neustädter, <strong>Bernkastel</strong> und<br />
zog moselabwärts, wo sich dann bei Brodenbach<br />
ihre Spur verliert. 12<br />
Johann Neustädter ging in die Pfalz und<br />
schloss sich dem dortigen Aufstand an. Auch<br />
in Baden war es nach dem Scheitern der<br />
Frankfurter Nationalversammlung zu Unruhen<br />
382<br />
gekommen. Hier ging sogar praktisch das gesamte<br />
Militär zu den Aufständischen über und<br />
so fiel auch die Bundesfestung Rastatt in ihre<br />
Hände. Aber gegen die zur Niederschlagung<br />
der Unruhen anmarschierenden preußischen<br />
Truppen war weder in der Pfalz noch in Baden<br />
entscheidender Widerstand zu leisten, weil<br />
Menschen und vor allem Waffen fehlten. So<br />
wurden die Aufständischen immer weiter<br />
zurückgeschlagen und schließlich am 30. Juni<br />
in der Festung Rastatt eingeschlossen. Hier<br />
nun finden wir am 23. Juli 1849 Johann Neustädter<br />
aus <strong>Wittlich</strong> wieder. An diesem Tag<br />
sollte die Festung den Preußen übergeben<br />
werden, weil weiterer Widerstand sinnlos war<br />
und man der Zivilbevölkerung Schlimmeres ersparen<br />
wollte. Der Belagerungsring war so eng<br />
geschlossen, dass, wie die Preußen sagten,<br />
»keine Maus« entwischen könne. Aber es sollte<br />
anders kommen.<br />
Mindestens drei »Mäusen« gelang es zu entkommen,<br />
von denen Johann Neustädter eine<br />
war. Kein Geringerer als der später so bekannt<br />
Carl Schurz 1829-1906. Er entkam mit Johann<br />
Neustädter aus der Festung Rastatt.
gewordene Publizist und zeitweilige amerikanische<br />
Innenminister Carl Schurz (1829-1906)<br />
schildert uns in seinen Lebenserinnerungen die<br />
tollkühne Flucht. 13 Schurz hatte es auf ähnlichen<br />
Wegen nach Rastatt verschlagen wie Johann<br />
Neustädter. Er hatte als junger Bonner<br />
Student an der missglückten Erstürmung des<br />
Zeughauses zu Siegburg teilgenommen und<br />
sich dann dem pfälzischen Aufstand angeschlossen<br />
und war so nach Rastatt gekommen<br />
und inzwischen Leutnant geworden.<br />
Einige Tage vor der Kapitulation hatte Schurz<br />
zufällig von oben herab gesehen, dass unter<br />
den Festungsmauern und Verschanzungen eine<br />
kleine Abwasserröhre verlaufen musste, da<br />
er deren in einem Graben auslaufende Mündung<br />
jenseits der Mauern wahrnehmen konnte.<br />
Dahinter befand sich ein Getreidefeld.<br />
Schurz hatte schon von seinen Eltern und<br />
Freunden schriftlich Abschied genommen, da<br />
er sich über sein Schicksal keine Illusionen<br />
machte, falls er den Preußen in die Hände fallen<br />
sollte, gerade weil er Preuße war. 14 Wie Recht<br />
er hatte, zeigten die späteren Standgerichte.<br />
Da fiel ihm, kaum eine Stunde bevor die<br />
Preußen einmarschieren sollten, der Abwasserkanal<br />
wieder ein, und es gelang ihm<br />
tatsächlich, die Einmündung innerhalb der Festung<br />
zu finden. Er ging in sein Quartier, um seinen<br />
Burschen Adam zu entlassen, dem man<br />
schwerlich etwas anhaben konnte. Aber dieser<br />
bestand darauf, bei ihm zu bleiben.<br />
In diesem Augenblick ging Johann Neustädter<br />
am Fenster von Schurz vorbei. Schurz kannte<br />
ihn, weil auch er inzwischen Artillerieoffizier geworden<br />
war und wusste, dass auch Neustädter<br />
Rheinländer, also Preuße war, dem ein ähnliches<br />
Schicksal wie ihm drohte.<br />
»Wo gehen Sie hin, Neustädter?«, rief Schurz<br />
ihm durchs Fenster zu. »Zu meiner Batterie«,<br />
antwortete er, »um die Waffen zu strecken«.<br />
»Die Preußen werden Sie totschießen«, entgegnete<br />
Schurz. »Gehen Sie mit mir und versuchen<br />
wir, davonzukommen«.<br />
Neustädter wurde aufmerksam und Schurz erklärte<br />
ihm seinen Plan. »Gut«, sagte Neustädter,<br />
»ich gehe mit Ihnen«.<br />
Während die Preußen bereits über den Marktplatz<br />
einmarschierten, schlüpften Schurz, sein<br />
Bursche und Johann Neustädter in den engen<br />
Kanal, in dem sie nur gebückt gehen konnten.<br />
Etwa in der Mitte des Kanals befand sich ein<br />
Gitter, das glücklicherweise nicht ganz herabgelassen<br />
war, so dass sie bäuchlings unter<br />
Wasser darunter durchkriechen konnten. Aber<br />
als sie die Mündung des Kanals erreicht hatten,<br />
hörten und sahen sie zu ihrem Schrecken unmittelbar<br />
vor sich eine preußische Postenkette.<br />
So mussten sie den ganzen mühsamen Weg<br />
wieder zurück.<br />
Kurz vor dem inneren Ausstieg wären sie beinahe<br />
entdeckt worden, weil ein Posten sie<br />
durch ein Kanalgitter gehört hatte. Da dessen<br />
Aufmerksamkeit nun auf dieses gerichtet war,<br />
gelang es den Dreien, den Ausgang zu erreichen,<br />
in einen anliegenden Garten zu springen<br />
und in einer nahen Scheune für die Nacht Unterschlupf<br />
zu finden. Die Scheune gehörte sogar<br />
einer Verwandten Adams. Aber sie konnten<br />
dort nur bis morgens bleiben, weil Adams Cousine<br />
zu ängstlich war, und sie außerdem am<br />
Morgen Einquartierung bekommen sollte.<br />
Unter den Augen der preußischen Soldaten<br />
schlichen sie aus der Scheune zu einem nahen<br />
von Gebüsch überwachsenen Graben. Hier<br />
saßen sie nun im strömenden Regen, von Hunger<br />
und Durst geplagt. Plötzlich kam ein Mann<br />
mit einer Säge auf dem Arm zu dem in unmittelbarer<br />
Nähe des Grabens aufgestapelten Holzstoß.<br />
Schurz vermutete richtig, dass er ihnen<br />
wohlgesonnen sei, weil er ein Arbeiter war.<br />
Sie machten den Mann auf sich aufmerksam,<br />
und nachdem Schurz ihm die Lage erklärt hatte,<br />
versprach er, ihnen zu helfen. Der Mann<br />
zeigte ihnen einen winzigen Verschlag über einem<br />
kleinen Schuppen, und das war das Letzte,<br />
was sie von ihm hörten. Dann vernahmen<br />
sie unter sich im Schuppen Gepolter, und es<br />
gab keinen Zweifel, dass die Preußen in den<br />
Schuppen Pferde eingestellt hatten. Jetzt<br />
konnte das winzigste Geräusch sie verraten.<br />
Zwei Tage lagen sie so in qualvoller Enge, ohne<br />
Essen und Trinken und kaum Schlaf. Denn sie<br />
konnten nur abwechselnd schlafen, aus Angst,<br />
dass etwaiges Schnarchen sie sofort verraten<br />
könnte. Schon so trauten sie sich kaum zu atmen,<br />
auch wenn die Husaren unter ihnen ihrem<br />
Schnarchen nach in tiefem Schlaf lagen.<br />
Ihre Verzweiflung über ihre aussichtslose Lage<br />
wuchs, und sie sannen auf einen Ausweg. Da<br />
kam Schurz ein neuer Gedanke. In der dritten<br />
Nacht flüsterte er seinem Nachbarn zu, indem<br />
er seinen Mund seinem Ohr nahe brachte:<br />
»Neustädter, haben Sie nicht, als wir über das<br />
383
Brennholz kletterten, ein kleines Häuschen bemerkt,<br />
das etwa fünfzig Schritt von hier steht?«<br />
»Ja«, sagte Neustädter.<br />
»Da muss ein armer Mann wohnen«, fuhr Schurz<br />
fort, »wahrscheinlich ein Arbeiter. Einer von uns<br />
muss zu ihm ins Haus gehen und zusehen, ob er<br />
uns helfen kann. Ich würde gern selbst hingehen,<br />
aber ich müsste über Sie wegklettern (Neustädter<br />
lag der Öffnung in der Bretterwand am<br />
nächsten) und das möchte Geräusch geben. Sie<br />
sind ohnehin der Kleinste und Leichteste von<br />
uns. Wollen Sie es versuchen?«<br />
In einer Minute war Neustädter leicht und leise<br />
wie eine Katze verschwunden.<br />
Neustädter hatte tatsächlich das Glück, unbemerkt<br />
zu bleiben und in dem Häuschen einen<br />
Helfer zu finden. Dieser versorgte sie mit Lebensmitteln<br />
und Getränken. Ebenso erkundete<br />
er die Lage außerhalb der Mauern und konnte<br />
die gute Nachricht mitbringen, dass die Postenkette<br />
um die Stadt herum inzwischen abgezogen<br />
worden sei. Dies schien den Preußen<br />
nun nicht mehr nötig. Wie hätte auch jemand in<br />
badischer Uniform aus der Stadt herauskommen<br />
sollen.<br />
Ihr Helfer erhielt den Auftrag, in Steinmauern,<br />
welches etwa eine Wegstunde von Rastatt entfernt<br />
am Rhein lag, einen Kahn zu besorgen,<br />
der sie in der kommenden Nacht über den<br />
Rhein ans sichere französische Ufer bringen<br />
sollte.<br />
Gegen Mitternacht brachen sie auf und erreichten<br />
unbemerkt durch die Gärten den Abwasserkanal<br />
und seinen Einstieg, obwohl ein Posten<br />
kaum 30 Meter entfernt auf und ab ging.<br />
So ging es erneut durch die von Ratten wimmelnde<br />
enge Röhre. Zum Glück befand sich<br />
das Absperrgitter noch in derselben Stellung<br />
wie Tage zuvor, und schnell waren sie drunter<br />
durch. Am Ausgang war alles ruhig, und ihr leiser<br />
Pfiff, das vereinbarte Signal, wurde aus<br />
dem Getreidefeld vor ihnen erwidert. Es war<br />
geschafft! Unbehelligt erreichten sie das<br />
Rheinufer bei Steinmauern und den wartenden<br />
Kahn. Sie verabschiedeten sich von ihrem Lebensretter,<br />
Augustin Uffler hieß er, und der<br />
Bootsmann setzte sie über. Dieser aber war ein<br />
ausgesprochener Halunke, denn im Morgengrauen<br />
erkannten sie, dass er sie trotz guter<br />
Bezahlung auf einer Insel im Rhein abgesetzt<br />
hatte und das französische Ufer immer noch<br />
gegenüber lag. Dort kamen bald zwei französi-<br />
384<br />
sche Zöllner vorbei, denen sie zuriefen, dass<br />
sie Flüchtlinge aus Rastatt seien. Ohne Umstände<br />
holten diese Schurz, Neustädter und<br />
Adam in einem kleinen Boot herüber.<br />
Sie waren endgültig in Sicherheit, und man<br />
kann sich vorstellen, was nach den vorangegangenen<br />
Tagen in ihnen vorging. Bald trennten<br />
sich die drei Schicksalsgenossen. Adam<br />
wandte sich seiner Pfälzer Heimat zu. Schurz<br />
und Neustädter aber zogen zu Fuß und per Eisenbahn<br />
Richtung Schweiz, wo sie zahlreiche<br />
emigrierte Freunde wussten. Zunächst wollten<br />
sie nach Bern und hatten schon den »Monto«<br />
überstiegen, von dem beide zum ersten Mal die<br />
schneebedeckten Alpengipfel sahen, da erfuhr<br />
Schurz, dass seine Freunde nicht mehr in Bern<br />
waren, sondern sich inzwischen in der Nähe<br />
von Basel aufhielten. Schurz musste also wieder<br />
über den Monto zurück, wollte er sie treffen.<br />
Neustädter aber wollte weiter nach Bern,<br />
weil er hoffte, dort eine Anstellung zu finden. In<br />
einer kleinen Schenke im Tal nahmen die beiden<br />
Abschied voneinander. Erst 18 Jahre später<br />
sollten sie sich in der Neuen Welt wiedersehen.<br />
Johann Neustädter ging nach Bern und wurde<br />
Privatsekretär bei dem berühmten Naturforscher<br />
Karl Vogt. 15 Karl Vogt (1817-1895), ein<br />
Schüler von Justus Liebig, war auch ein begeisterter<br />
Achtundvierziger gewesen und hatte in<br />
der Frankfurter Nationalversammlung gesessen.<br />
16 Diesem Umstand verdankte Johann<br />
Neustädter sicherlich auch seine Anstellung.<br />
Im Jahre 1851 verließ Johann Neustädter Bern<br />
und ging nach Amerika. Er ließ sich in St. Louis,<br />
der großen Stadt am Zusammenfluss von Missouri<br />
und Mississippi nieder. Hier gab es eine<br />
große deutsche Auswandererkolonie und darunter<br />
auch viele politische Emigranten. Neustädter<br />
kam zu einer kleinen, aber geachteten<br />
Stellung. Er war Mitarbeiter und Geschäftsführer<br />
am »Anzeiger des Westens«, einer von<br />
Börnstein in St. Louis herausgegebenen Zeitung.<br />
Heinrich Börnstein (1801-1892) war<br />
ebenfalls ein Achtundvierziger und später von<br />
1869-71 amerikanischer Generalkonsul in Bremen.<br />
17<br />
Als 1861 der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach,<br />
meldeten sich Johann Neustädter und<br />
sein Chef Börnstein als Freiwillige auf Seiten<br />
der Nordstaaten. Als gelernter Artillerieoffizier<br />
organisierte er sofort eine eigene Batterie, de-
General William Tecumseh Sherman 1820-1891.<br />
Johann Neustädter war Mitglied seines Stabes als<br />
Artillerieoffizier.<br />
ren Vorgesetzter er wurde und die in den ersten<br />
Kämpfen schon im Einsatz war. So schon am<br />
10. Mai 1861, als die Besetzung von St. Louis<br />
durch Soldaten der rebellischen Südstaaten<br />
verhindert wurde. Zunächst unterstand Neustädters<br />
Batterie Generalmajor Fremont, dem<br />
Entdecker der Mississippiquellen, der den<br />
Oberbefehl im Westen (Missouri) hatte, und<br />
dessen Brigadegeneral Lyon. 18<br />
Neustädter erbaute das Fort Anderson und<br />
zeichnete sich auch sonst vielfach aus. Er galt<br />
als einer der besten Artillerieoffiziere des<br />
Westheeres.<br />
Dann trat er in den Stab General Shermans ein<br />
und wirkte in den meisten Schlachten von dessen<br />
Cumberlandarmee mit. William Tecumseh<br />
Sherman war 1864 Oberbefehlshaber der Unionstruppen<br />
im Südwesten geworden. Nach der<br />
Einnahme von Atlanta trat er den entscheiden-<br />
den Marsch an die Küste bis Savannah an und<br />
vereinigte sich schließlich, nordwärts marschierend,<br />
mit Grants Armee. Dies brachte die<br />
Kapitulation der Südstaaten und das Ende des<br />
Krieges. Johann Neustädter war bis zum<br />
Kriegsende Stabsoffizier bei Sherman. 19<br />
Dann kehrte er nach St. Louis zurück und<br />
machte sich auch schriftstellerisch einen Namen.<br />
Hier trafen sich 1867 Carl Schurz und Johann<br />
Neustädter erstmals wieder. Die Wiedersehensfreude<br />
war groß, und beide frischten mit<br />
Behagen die Erinnerung an ihr gemeinsam in<br />
Rastatt erlebtes Jugendabenteuer wieder auf,<br />
wie Schurz schreibt. 20 Es sollte ihre letzte Begegnung<br />
sein.<br />
Von Johann Neustädter hören wir aus dem in<br />
Cincinatti erschienenen »Pionier«, dass er noch<br />
1880 in St. Louis lebte. 21 Sein weiteres Schicksal<br />
ist einstweilen ungeklärt.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Schmitt, Franz, Die Revolution von 1848/49 in <strong>Bernkastel</strong> und <strong>Wittlich</strong>,<br />
in: Jb. <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> 1998, S. 279-290; Breuer Karl, Ursachen<br />
und Verlauf der Revolution von 1848 im Moseltale und seinen<br />
Randgebieten, Diss. (masch.) Bonn 1921; Stahl, Hermann, Die<br />
Revolution von 1848/49 an der Mittelmosel (<strong>Bernkastel</strong> 1923).<br />
2 Stadtarchiv Trier Tb 31, Dezennaltabelle 1813-1823, Geburtsact<br />
nr. 4111; Bistumsarchiv Trier 72,580, Nr.1, S.148: Hiernach war er<br />
erst am 12. August geboren, es liegt wohl ein Irrtum des Pfarrers<br />
vor.<br />
3 Stadtarchiv Trier Tb 31, Dezennaltabelle 1813-1823, Heirathsact<br />
nr. 992; Bistumsarchiv Trier 72,580, Nr. 2, S. 77.<br />
4 Criminal-Prozedur gegen Dr. C. Grün und 22 Genossen, wegen<br />
Hochverrat resp. Plünderung des Zeughauses zu Prüm. Verhandelt<br />
vor den Assisen zu Trier im Januar 1850, Trier 1850, S. 6.<br />
5 Stahl, S. 5.<br />
6 Criminal-Prozedur, S. 34.<br />
7 Stahl, S. 6; Stenographische Berichte über die Verhandlungen der<br />
deutschen constituierenden Nationalversammlung in Frankfurt am<br />
Main, hg. v. Franz Wigard, Frankfurt/M. 1848/49, Bd.IX, S. 6566.<br />
8 Böse, H.-Günther, Die Volksversammlung auf der Marienburg am<br />
13. Mai 1849, in: Jb.Cochem-Zell 1990, S. 90-97.<br />
9 Criminal-Prozedur, S. 29.<br />
10 Criminal-Prozedur, S. 57 f.<br />
11 Criminal-Prozedur, S. 34 f.<br />
12 Stahl, S. 36.<br />
13 Schurz, Carl, Lebenserinnerungen, Bd. l, Berlin 1906, S. 222-246.<br />
14 Schurz, Carl, Lebenserinnerungen, Bd III: Briefe und Lebensabriss,<br />
Berlin 1912, S. 45-52.<br />
15 Kaufmann, Wilhelm, Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege,<br />
München/Berlin 1911, S. 536.<br />
16 Krause, Ernst, s. v. Vogt, Karl, in: Allgemeine deutsche Biographie,<br />
Bd. 40, S. 181-189.<br />
17 Deutsche Biographische Enzyklopädie, hg. v. Walther Killy, Bd. l, S.<br />
634.<br />
18 Kaufmann, S.188, S. 536.<br />
19 Kaufmann, S. 536.<br />
20 Schurz, Bd. I, S. 246.<br />
21 Neu, Heinrich, Zur Geschichte der Ansiedlung von Auswanderern<br />
des Trierer Landes in Amerika, in: Trier. Heimat 9, 1932/33, S.170-<br />
174, hier S. 174.<br />
385
Die Hofrätin Maria Theresia Fier aus <strong>Wittlich</strong><br />
hatte im Jahre 1767 in ihrem Testament 1 000<br />
Reichstaler zur Errichtung einer Orgel in der<br />
<strong>Wittlich</strong>er Pfarrkirche gestiftet. 1 Nach dem Einbau<br />
eines neuen Duksals (= Empore) durch<br />
<strong>Wittlich</strong>er Handwerker hatten die Orgelbauer<br />
Nikel Schreiber (1727-1776) und Peter Schreiber<br />
(1732-1795) aus Dusemond, dem heutigen<br />
Brauneberg an der Mosel, bis zum Februar<br />
1769 eine neue Orgel fertiggestellt. In der Kapelle<br />
des Franziskanerklosters gab es damals<br />
bereits eine Orgel. Für die Pfarrkirche war die<br />
neue Orgel mit 32 Registern, verteilt auf Hauptwerk,<br />
Rückpositiv und Pedal, die erste Orgel<br />
überhaupt.<br />
Ein Onkel der Dusemonder Orgelbauer namens<br />
Matthias Schreiber (1716-1771) lebte seit 1750<br />
als Orgelbauer und Weinhändler in Glückstadt<br />
bei Hamburg. 2 Peter Schreiber hatte nachweislich<br />
zeitweise bei seinem Onkel in Glückstadt<br />
als Orgelbauer mitgearbeitet. 3 Somit ist der typische<br />
»Hamburger Prospekt« der <strong>Wittlich</strong>er<br />
Orgel leicht erklärbar. Eindeutig ist der norddeutsche<br />
Einfluss bei diesem Instrument. Es<br />
gibt sogar Hinweise darauf, dass die Orgel zumindest<br />
teilweise auf eine ältere norddeutsche<br />
Orgel zurückgehen könnte.<br />
Eine weitere wichtige Vermutung ergibt sich<br />
aus einigen Gehäusedetails, die auf die Orgelbauerfamilie<br />
Nollet aus Trier hindeuten. Dies<br />
bezieht sich insbesondere auf die unterschiedlichen<br />
Profile der Gehäusegesimse sowie auf<br />
die ebenfalls unterschiedlichen Schleierbretter.<br />
Die Nollet´s waren über drei Generationen als<br />
Orgelbauer tätig. Roman Benedikt Nollet<br />
(1719-1779), ein Sohn des Jean Nollet, lebte im<br />
Jahre 1772 nachweislich in Dusemond. 4<br />
Schon Anfang des 19. Jahrhunderts befand<br />
sich das Orgelwerk in einem sehr schlechten<br />
technischen Zustand. 5 Warum dies schon nach<br />
wenigen Jahrzehnten der Fall war, ist unklar.<br />
Sicherlich hatten sich die Kriegswirren der<br />
Französischen Revolution auch auf die Einrich-<br />
386<br />
Die Organisten an der Pfarrkirche<br />
St. Markus in <strong>Wittlich</strong><br />
Reinhold Schneck<br />
tung der Markuskirche ausgewirkt. Es könnte<br />
aber auch ein weiterer Hinweis darauf sein,<br />
dass die Orgel schon lange vor 1769 für eine<br />
Kirche in Norddeutschland gebaut worden war.<br />
Matthias Schreiber gestaltete von 1765 bis<br />
1770 eine neue Orgel in Dorum (nördl. Bremerhaven).<br />
6 Denkbar ist, dass die Vorgängerorgel<br />
aus Dorum seit 1768/69 in <strong>Wittlich</strong> steht.<br />
1848 erfolgte dann ein großer Umbau durch<br />
den Trierer Orgelbauer Wilhelm Breidenfeld. Er<br />
baute ein neues Werk und verwendete lediglich<br />
das Hauptwerksgehäuse und das Pedalgehäuse<br />
wieder. Ein zweiter großer Umbau fand 1958<br />
durch die Orgelbaufirma Klais aus Bonn statt.<br />
Im Laufe von mehr als 250 Jahren waren natürlich<br />
viele Organisten an dieser Orgel tätig. Bis<br />
zur Einführung eines elektrischen Windmotors<br />
gab es daneben zahlreiche Kalkanten (Blasebalgtreter).<br />
Die Namen der Kalkanten tauchen<br />
nur vereinzelt in alten Rechnungsunterlagen<br />
auf. Die Organisten konnten nach langwierigen<br />
Recherchen nun lückenlos herausgefunden<br />
werden.<br />
Franz Merten<br />
In den erhaltenen Kirchenrechnungen von<br />
1770 und 1771 7 werden Gehaltszahlungen an<br />
den Küster Mathes Merten erwähnt. Dieser<br />
Mathias Merten war der Vater von Franz Merten,<br />
der am 29. September 1751 geboren wurde.<br />
Mitglieder der Familie Merten waren zu dieser<br />
Zeit Stadträte, Bürgermeister und Sendschöffen.<br />
Es handelte sich also offensichtlich<br />
um eine angesehene und wohl auch einflussreiche<br />
Familie. Es ist leicht verständlich, dass<br />
der Küster Mathes Merten seinem Sohn Franz<br />
die Organistenstelle an der neuen Orgel von<br />
1769 vermittelte. Zumal der Küster wohl ein<br />
gutes Verhältnis zum damaligen Pastor Georg<br />
Jacoby (1734-1788) hatte. In mehreren Beschwerden<br />
gegen Pastor Jacoby wird der Küster<br />
häufig gleichzeitig miterwähnt.<br />
Eine »Beschwerde der <strong>Wittlich</strong>er Stadtschöffen
im Jahre 1769 an den Kurfürsten zu Trier« 8 gibt<br />
recht interessante Aufschlüsse zur ersten Organistenanstellung:<br />
»<strong>Wittlich</strong>, den 18. September<br />
1769 ... Man will mit Stillschweigen vorbeigehen,<br />
daß der dahiesige Magistrat von dem<br />
Stadtschultheisen Antheis und dessen Hausfraw<br />
(Maria Theresia Fier) 1000 Thaler zu einer<br />
Orgel in der dahiesigen Pfarrkirche fundieret,<br />
man von Seiten des Stadtmagistrats diesem zur<br />
Vermehrung des christlichen Gedankens mit<br />
ganzem Leib und Kräften beizusteuern nicht<br />
nur sich entschlossen, sondern wirklich zu<br />
Werk gegangen, den Akkord mir Zustand des<br />
Herrn Pastoren und Synodalen darüber geschlossen<br />
schriftlich gemacht und allerseits unterschrieben<br />
und zu erfüllen garantiert, von<br />
Herrn Pastoren aber des anderen Tags zerrissen<br />
und zerstückelt zum empfindlichsten dahiesigen<br />
Stadtschultheißen zurückgeschickt<br />
worden, sondern alleinig anregen, daß der Herr<br />
Pastor Klee zu Wollmerath eine ansehnliche<br />
Summe zur Unterhaltung des Organisten zu<br />
steuern sich erboten, gestalten man seinen<br />
wohlerfahrenen vetter dazu annehmen solle,<br />
ein welcher Herr Pastor in Ansehung er solches<br />
einem ungelernten Organisten zugesaget, nicht<br />
annehmen noch eingehen will: mithin auch<br />
Mangel des Unterhalts für einen Organisten die<br />
Orgel alleinig pro forma hingestellter anzusehen<br />
ist, ein welcher Stadtmagistrat für ungebührlich<br />
und der Kirche allzu nachteilig ansehet und anfochtet,<br />
so hochwürdiges Consistorium werde<br />
billiger erachten, und Herrn Pastor anbefehlen,<br />
daß hierin nachzugeben, die offerierte Summe<br />
anzunehmen und des Herrn Pastors Klee Vetter<br />
als Organisten zu bestallen.«<br />
Der Vetter Petrus Klee wurde Organist in<br />
Driesch (bei Lutzerath), wo der Pastor Klee<br />
ebenso wie in Wollmerath eine Orgel gestiftet<br />
hatte. 9<br />
Die Beschwerde des <strong>Wittlich</strong>er Stadtrats hat<br />
keinen Erfolg, denn offensichtlich bleibt der<br />
»ungelernte Organist« in Anstellung. 1771 erhält<br />
Organist Franz Merten 20 Taler aus der<br />
Stadtkasse als Jahreslohn. 10 Für den Glaser<br />
Franz Merten ein einträglicher Nebenverdienst.<br />
Auch in den Protokollen der folgenden Jahre<br />
erscheint dieser Ausgabeposten. 1778 und<br />
1781 wird ihm sogar zusätzlich die Steuer erlassen.<br />
1777 heiratet Franz Merten die Magdalena<br />
Neuerburg. Am 28. Dezember 1794 stirbt<br />
er im Alter von 43 Jahren.<br />
Philipp Hensch<br />
In dem bereits erwähnten Heft von Carl Nels 8<br />
heißt es auf Seite 29: »1796 (?) war Organist an<br />
der Pfarrkirche Franz Merten, von da an erbaute<br />
durch sein Orgelspiel die Gläubigen Philipp<br />
Hensch zu einem jährlichen Lohn von 26 Thaler,<br />
die aus der Stadtkasse bezahlt wurden.«<br />
Philipp Hensch wurde um 1775 als Sohn des<br />
Schulmeisters Johann Hensch (1739-1795)<br />
und dessen Frau Dorothea Manternach (1740-<br />
1799) geboren. 11 Philipp´s Großvater war der<br />
sehr einflussreiche Stadtschöffe und Gerichtsschreiber<br />
Philipp Manternach. Dies wiederum<br />
erklärt, warum Philipp Hensch schon als junger<br />
Mann vor 1795 kurfürstlicher Notar werden<br />
konnte. Ganz sicher hatte Philipp eine überdurchschnittliche<br />
Bildung erfahren. In der französischen<br />
Zeit ab 1795 war er Maire der Kantonsstadt<br />
<strong>Wittlich</strong>; 1807 bis 1815 Oberbürgermeister<br />
der Kantone <strong>Wittlich</strong>, Hetzerath und<br />
Manderscheid. Auch in preußischer Zeit blieb<br />
er bis 1827 Bürgermeister von <strong>Wittlich</strong>. 1847<br />
starb er als »Notarius regius« - Königlicher Notar.<br />
Einer seiner Söhne, Hugo (geb. 1815), war<br />
an den politischen Unruhen des Jahres 1848<br />
aktiv beteiligt. Er flüchtete und wanderte nach<br />
Amerika aus. (s. auch S. 371)<br />
Zu konkreten musikalischen Dingen, etwa verwendete<br />
Orgelliteratur oder Lehrmeister finden<br />
sich keinerlei Hinweise. Da das Franziskanerkloster,<br />
wie oben erwähnt, schon früher eine<br />
Orgel besaß, könnte man annehmen, dass ein<br />
für den Orgeldienst zuständiger Pater Lehrer<br />
der ersten Organisten Philipp Hensch und vielleicht<br />
auch des Franz Merten war.<br />
Joseph Knopp<br />
»Quittung über achtzig vier Frances vier Centimes<br />
so unterschriebener Pfarrorganist für seine<br />
Servitur (= Dienste) für das Jahr 1811 von Kirchenrechnern<br />
Raskop empfangen hat. <strong>Wittlich</strong><br />
am 30ten Xber 1811 Jos. Knopp, organist« 12<br />
So lautet die erste namentliche Information<br />
über einen Organisten in den Akten des Pfarrarchivs.<br />
Dieser Joseph Knopp stammte aus<br />
Trier, wo er am 4. August 1777 als Sohn des<br />
Regneri Knopp geboren war. 13 Am 8. Februar<br />
1802 heiratete er in <strong>Wittlich</strong> die Maria Magdalena<br />
Rohr. Den beiden wurden zehn Kinder geboren.<br />
Von Beruf war Josef, wie sein Vater,<br />
Strumpfweber. In <strong>Wittlich</strong> war er aber auch als<br />
387
Steuereinnehmer tätig. In dieser Tätigkeit hatte<br />
er mit Sicherheit engeren Kontakt zum Bürgermeister<br />
Philipp Hensch. Irgendwann vor 1811<br />
hat er dann wohl das Amt des Organisten übernommen.<br />
Auch gibt es keine Informationen<br />
über seine musikalischen Fähigkeiten. 1816 ist<br />
er Kirchenrechner und 1835 kontrolliert er die<br />
Traubenlese in Lieser für die Weinrente des<br />
Kreuz-Altars von St. Markus. Er erhält regelmäßig<br />
»Salarien« für das Orgelschlagen. 1822<br />
wird als zehntes Kind Friedrich Wilhelm geboren.<br />
Da dies der siebte Sohn ist, übernimmt der<br />
preußische König die Patenschaft, und die Familie<br />
erhält für die sieben Söhne eine regelmäßige<br />
Erziehungsunterstützung. Der Antrag<br />
hierzu gibt Aufschluss über die wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse der Organistenfamilie im Jahr<br />
1822:<br />
»Die Eheleute Knopp haben außer einigen<br />
Grundstücken und einem Antheile Gebäulichkeiten,<br />
worauf diese Steuer haftet, kein anderes<br />
Vermögen, und sind dieselben durch frühere<br />
Krankheitsumstände mit Schulden belastet.<br />
Der Vater der Kinder ist wegen Schwäche des<br />
Gesichts und kränklicher Umstände, die ihm<br />
das Sitzen nicht erlauben, zur Fortsetzung seiner<br />
vormaligen Strumpfweber Profession außer<br />
Stand gesetzt, weswegen er den Dienst als<br />
Steuerbote übernahm, der ihm aber kein einträgliches<br />
Einkommen zum Unterhalt seiner Familie<br />
und Erziehung seiner acht Kinder gewähret.«<br />
14<br />
Besonders erwähnt werden sollte einer der<br />
Söhne von Joseph Knopp: »Nikolaus Knopp,<br />
Canonist geb. zu <strong>Wittlich</strong> in der preuß. Rheinprovinz<br />
am 19. Januar 1814, zu Trier, gestorben<br />
am 28. Juli 1865, studierte die Rechte, erlangte<br />
in München den juristischen Doctorgrad, absolvierte<br />
die theologischen Studien, wurde am<br />
31. Decbr. 1841 Priester, bald darauf Geheimsecretär<br />
des Bischofs Arnoldi, später geistlicher<br />
Rath, Official des geistlichen Gerichts und<br />
1860 Domherr. Er hatte auf den genannten<br />
Bischof den maßgebendsten Einfluß, der sich<br />
namentlich darin zeigte, daß die Disciplin über<br />
den Clerus straffer geübt wurde. ... Knopp war<br />
antipreußisch und curial gesinnt, jedoch keineswegs<br />
fanatisch, ein persönlich höchst achtbarer<br />
Mann. ...« 15 Bischof Wilhelm Arnoldi war<br />
von 1831 bis 1834 Pfarrer und Dechant in <strong>Wittlich</strong><br />
und danach Bischof von Trier.<br />
Am 30. Oktober 1845 verstarb Joseph Knopp.<br />
388<br />
Im Protokoll des Kirchenrats vom 29. November<br />
1845 schreibt der damalige Dechant Keppelen:<br />
»Nachdem der Herr Joseph Knopp, seit<br />
mehr als zwanzig Jahren Organist an der hiesigen<br />
Pfarrkirche in diesen Tagen gestorben ist,<br />
hat sich sein Sohn Gotthard Knopp für diese<br />
Stelle gemeldet. Der Kirchenrath wolle also beschließen,<br />
ob diesem die Stelle übertragen<br />
werden soll, oder nicht.« 16<br />
Gotthard Knopp<br />
Gotthard hatte schon während der Krankheit<br />
des Vaters seit etwa 1843 den Organistendienst<br />
ausgeführt. In dem soeben erwähnten<br />
Kirchenratsprotokoll von 1845 heißt es dazu<br />
weiter: »In Erwägung daß der Gotthard Knopp<br />
wohl aber so fertig ist im Orgelspiel, wie sein<br />
Vater selig war, sind alle Mitglieder des Kirchenraths<br />
einverstanden in besonderer Rücksicht<br />
auf die langjährigen Dienste des Vaters<br />
bei unserer Pfarrkirche, dem Sohn die Organistenstelle<br />
zu übertragen; aber in weiterer Erwägung,<br />
daß dieser Sohn mit der fallenden Krankheit<br />
(Epilepsie) behaftet ist, soll sie ihm einsweilen<br />
nur bis dahin, daß die bereits in Accord gegebene<br />
neue Orgel fertig sein wird, übertragen<br />
werden; bis dahin man sich werde überzeugen<br />
können, in wie weit diese Krankheit ihm dabei<br />
hinderlich und für den Gottesdienst störend<br />
seie. Nachdem dieser Beschluß festgesetzt<br />
war, wurde der H. Gotthard Knopp vor den Kirchenrath<br />
berufen, und ihm erkläret, daß er unter<br />
Bedingniß eines streng sittlich religiösen Wandels,<br />
der größten Genauigkeit in seinem Dienste<br />
und der Verhütung aller Unordnung auf der<br />
Orgelbühne; und im besonderen, daß er<br />
während der Predigt und dem christl. Unterrichte<br />
die Kirche nicht verlassen dürfte, zum Organisten<br />
bei hiesiger Pfarrkirche einsweilen bis<br />
dahin die Neue Orgel fertig ist, angenommen<br />
seie.«<br />
Nachdem im Jahre 1848 die Orgel von dem<br />
Trierer Orgelbauer Wilhelm Breidenfeld umgebaut<br />
worden war, wird der Organist Gotthard<br />
Knopp am 10. November 1848 wieder zur Sitzung<br />
des Kirchenrats eingeladen. »Erschien<br />
der Orgelspieler Godehard Knopp von hier, auf<br />
Einladung des Kirchenraths. Nachdem demselben<br />
die ihm schon bei der ersten einsweiligen<br />
Uebertragung des Organisten Dienstes in der<br />
Versammlung des Kirchenraths 1845, Nr. 3, ad<br />
II, wiederholt gegebenen Ermahnungen auf´s
neue eingeschärft waren, und derselbe namentlich<br />
vor der Unmäßigkeit im Trinken gewarnt<br />
war, übergab ihm der Kirchenrath mit<br />
dem Schlüssel zur Orgel auch den Organisten<br />
Dienst in hiesiger Pfarrkirche, jedoch nur für so<br />
lange als er den besagten Ermahnungen nachkommen<br />
werde.« 16<br />
Gotthard Knopp war als Person wie auch als<br />
Musiker in der Bevölkerung nicht unumstritten.<br />
Im <strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt von 1848 17 findet<br />
sich eine Anzeige, die Bezug auf die Musik an<br />
der Markuskirche nimmt. Wegen der darin enthaltenen<br />
Polemik kann man aber daraus kaum<br />
objektive Rückschlüsse auf die Qualität der damaligen<br />
Kirchenmusik ziehen. Ein Hinweis auf<br />
die auch damals in einem Städtchen wie <strong>Wittlich</strong><br />
üblichen Stammtisch-Querelen ist aber<br />
dieser Artikel allemal. »Anfrage. Hat man die<br />
neue Orgel angeschafft, um den alten Chorgesang<br />
zu begleiten? Alsdann hätte die Stadt, das<br />
viele Geld, zu weit nöthigeren Zwecken verwenden<br />
können; indem das alte Instrument<br />
noch in sehr gutem Verhältnisse mit dem bisherigen<br />
Kirchengesange stand. - Mehrere Bürger,<br />
deren Ohren schon öfters, durch die schöne<br />
Solo´s und Chorgesänge, bedeutende Angriffe<br />
erlitten.«<br />
Dass Gotthard Knopp trotz dieser Querelen<br />
auch angesehener Bürger der Stadt <strong>Wittlich</strong><br />
war, lässt seine Ernennung zum Schützenmeister<br />
der St. Sebastianus-Bruderschaft im<br />
Jahre 1854 vermuten.<br />
Eine nette Anekdote findet sich im Säubrennerheft<br />
1974, wo Matthias Joseph Mehs schreibt:<br />
Wer spielt die Orgel? Es ist hoher Feiertag, Ende<br />
des Hochamts. Balgtreter Heckenbach zum<br />
Organist Knopp schmunzelnd: »Hait honn mer<br />
awa maol schien gespielt!« Aufgebracht ob<br />
solch kollegialer Verteilung von Ehre und<br />
Ruhm, platzt Knopp aus: »Host dau oda haonn<br />
aich gespielt?« Am zweiten Feiertag, beide wieder<br />
im Dienst an brausender Orgel. Da, plötzlich<br />
setzt Heckenbach das Balgtreten aus. Die<br />
Orgel schweigt. Stürmt Knopp zum Balgtreter:<br />
»Wat fällt dir dann enn«. Seelenruhig Heckenbach:<br />
»Aich wollt maol wessen, wär ajentlich<br />
spielt!«<br />
Gotthard Knopp lebte zusammen mit seiner<br />
ebenfalls unverheirateten Schwester Magdalena<br />
(1808-1886) in einem städtischen Haus,<br />
welches ihnen mietfrei zur Verfügung stand.<br />
Aus mehreren Gesuchen um Gehaltser-<br />
höhung 18 aus den Jahren 1873/74 geht hervor,<br />
dass das Einkommen des Gotthard Knopp<br />
eher als spärlich bezeichnet werden kann.<br />
Während Organisten an anderen Stadtkirchen<br />
über 250 Thaler erhielten, bezog Knopp seit<br />
Beginn seiner Anstellung, also fast 30 Jahre<br />
lang, ein Grundgehalt von 41 Thalern. Hinzu<br />
kamen im Jahr 1874 ein Zuschuss der Stadt<br />
über 40 Thaler und Nebenverdienste von ca. 39<br />
Thalern. Sein erstes Gesuch an den Kirchenrat<br />
im Jahre 1873 blieb ohne Ergebnis. Erst nach<br />
weiteren Eingaben wurde ihm ab dem 1. Januar<br />
1875 eine Gehaltserhöhung um 25 Thaler<br />
bewilligt, jedoch mit folgendem Zusatz: »Der<br />
Kirchenrath drückte zugleich den Wunsch aus<br />
weitere derartige Anträge nicht mehr vorbringen<br />
zu wollen.« Gotthard war bewusst, dass er<br />
als gebürtiger <strong>Wittlich</strong>er, und vielleicht auch<br />
bedingt durch seine Krankheit, nicht immer gerecht<br />
behandelt wurde. »Ich glaube hier kühn<br />
die Frage anbringen zu dürfen, wenn ein Auswärtiger,<br />
Fremder, diesen Dienst hätte, würde<br />
nicht schon lange das Gehalt desselben, den<br />
Zeiten und der Kunststellung Rechnung tragend,<br />
hinreichend erhöht worden sein?« 19<br />
Nicht nur als Kirchenorganist, sondern auch als<br />
Veranstalter weltlicher Konzerte war Gotthard<br />
Knopp aktiv. So lud er am Montag, dem 18.<br />
April 1870 zu einem im Kreissaale stattfindenden<br />
Koncert ein. 20 Am 9. Mai 1885 starb Gotthard<br />
Knopp im Alter von 65 Jahren.<br />
Friedrich Wilhelm Musseleck<br />
Nach dem Tod des Organisten Gotthard<br />
Knopp wurde »vorläufig auf ein Jahr« der hiesige<br />
Organist Friedrich Wilhelm Musseleck angestellt.<br />
21 Da dieser jedoch bereits im Herbst 1887<br />
zum Militär einberufen wurde, 22 musste wieder<br />
ein neuer Organist gefunden werden, was<br />
glücklicherweise ohne Probleme geschehen<br />
konnte, denn es gab einen Musiklehrer in der<br />
Familie Musseleck. Wilhelm Musseleck zog<br />
nach der Militärzeit nach Hamburg, wo er als<br />
Redakteur beim Hamburger Fremdenblatt tätig<br />
war. Er starb 1937 im Alter von 72 Jahren.<br />
Conrad Musseleck<br />
»Unter dem heutigen Datum wurde der Herr<br />
Conrad Musseleck von <strong>Wittlich</strong> zum Organisten<br />
der hiesigen Pfarrkirche provisorisch ernannt u.<br />
ihm vom Herrn Dechanten Kröll die Orgel übergeben.<br />
Der K.Vorstand setzte das jährliche Ge-<br />
389
Conrad Musseleck<br />
halt des Organisten fest SmaSm [Summa summarum]:<br />
181M.70pf. welches dieser in vierteljährigen<br />
Raten bei dem K. Rendanten erheben<br />
kann. Der Organist 1. übernimmt alle Pflichten,<br />
welche sein Vorgänger Wilh. Musseleck gehabt,<br />
z. B. zu spielen an allen Sonn- u. Feiertagen<br />
die Frühmesse, das Hochamt, Vesper,<br />
Christenlehre, Rosenkranz, allen öffentlichen<br />
Gottesdienst, welchen der hochwürdigste Bi-<br />
390<br />
schof etwa anordnen<br />
wird. 2. verspricht derselbe<br />
die ihm anvertraute Orgel<br />
fleißig zu bewahren,<br />
nichts verderben zu lassen,<br />
keine anderen, als<br />
die von der Kirche gutgeheißenen<br />
Melodien zu<br />
spielen, auch seinem<br />
Seelsorger u. dessen<br />
Oberen, dem Bischofe in<br />
allen dieses sein Amt betreffenden<br />
Dingen gehorsam<br />
und unterwürfig zu<br />
sein.« 23<br />
Conrad Musseleck wurde<br />
am 9. Mai 1859 als Sohn<br />
des Friedrich Wilhelm<br />
Musseleck und seiner<br />
Frau Margarethe, geb.<br />
Blesius, in <strong>Wittlich</strong> geboren.<br />
Der Vater Friedrich<br />
Wilhelm Musseleck starb<br />
1866 und war ein Verwandter<br />
des obengenannten<br />
Organisten Friedrich<br />
Wilhelm. Conrads<br />
Schulentlassungszeugnis<br />
weist ausnahmslos die<br />
Note »gut« auf, 24 was mit<br />
ein Hinweis auf seine<br />
Fähigkeit ist, als Autodidakt<br />
das Klavier- und Orgelspiel<br />
erlernt zu haben.<br />
1896 übernahm Conrad<br />
Musseleck auch die Leitung<br />
des Kirchenchores,<br />
der bis dahin immer von<br />
Schullehrern geleitet worden<br />
war. Das Doppelamt<br />
Organist und Chorleiter<br />
wurde somit erstmalig<br />
von Conrad Musseleck<br />
ausgeübt und ist bis heute üblich. Von 1892 bis<br />
1897 hatte er auch den <strong>Wittlich</strong>er Männergesangverein<br />
1852 geleitet. 25 1903 heiratete er<br />
Magdalena Drüsch, mit der er 16 Kinder hatte.<br />
Neben dem Dienst als Kirchenmusiker betrieb<br />
die Familie ein Schirmgeschäft in der Burgstraße<br />
28.<br />
Aus einer Bitte um Gehaltserhöhung für sich<br />
selbst und den Balgtreter, bei der er auch die
Anschaffung eines elektrischen Gebläses vorschlägt,<br />
geht hervor, dass er für die Gottesdienste<br />
an Sonn- und Feiertagen, für Andachten<br />
und Stiftsmessen jährlich etwa 700 Stunden<br />
an der Orgel sitzt. Hinzu kommt die Chorarbeit<br />
sowie kleine Reparaturen an der Orgel<br />
und regelmäßige Stimmung des Instruments.<br />
Das Cäcilienfest am 24. Oktober 1937 mit den<br />
Chören des Dekanats »wird verbunden mit der<br />
Jubelfeier des Organisten und Chordirigenten<br />
Konrad Musseleck aus Anlass seiner 50-jährigen<br />
Tätigkeit bei der Pfarrkirche zu <strong>Wittlich</strong>.« 26<br />
Am Tag davor veröffentlichte Matthias Mehs in<br />
der Rheinzeitung einen Bericht über den Jubilar.<br />
Demnach ist der Stammvater der <strong>Wittlich</strong>er<br />
Musselecks ein böhmischer Leinweber, den es<br />
im ersten Koalitionskrieg gegen Napoleon nach<br />
<strong>Wittlich</strong> verschlug. Mit diesem Ahnherrn zog<br />
ein unwiderstehlicher Drang zum Musizieren in<br />
<strong>Wittlich</strong> ein, der bis heute in allen Ästen des<br />
Stammbaumes der Familie Musseleck wirksam<br />
ist. Konrad lernte Geige, Trompete, Flöte und<br />
Klavier zu spielen. Während der Militärzeit in<br />
Diedenhofen erhielt er als Regimentsmusiker<br />
eine weitere gründliche musikalische Ausbildung.<br />
Hervorgehoben wird seine Chorarbeit<br />
mit Aufführungen von Palestrinas »Missa Papae<br />
Marcelli«, Händels »Halleluja«, Haydns<br />
»Schöpfung« und eine Weihnachtsmesse,<br />
komponiert von seinem Sohn Willy Musseleck.<br />
An der städtischen Musikpflege war er ebenfalls<br />
sehr aktiv beteiligt. Und auch die Hausmusik<br />
pflegte er wie kaum einer in der Stadt <strong>Wittlich</strong>.<br />
27<br />
»Nach kurzer Krankheit starb er, 84 Jahre alt, in<br />
der Gnadenkraft der hl. Sakramente am Vorabend<br />
von Fronleichnam, am 23 Juni 1943,<br />
kurz nach dem abendlichen Festhochamt. Die<br />
Melodien einer seiner Lieblingsmessen, die in<br />
sein Sterbezimmer klangen, verklärten seine<br />
letzte Stunde.« 28<br />
Am 5. Dezember 1938 wies das Bischöfliche<br />
Generalvikariat in einem Schreiben an den Kirchenvorstand<br />
darauf hin, dass die vom Bischof<br />
angeordneten neuen Seelsorgsaufgaben auch<br />
den Aufgabenkreis des Organisten und Chorleiters<br />
im kommenden Jahr bedeutend erweitern<br />
werden. Dies war für Konrad Musseleck<br />
der letzte Anstoß, mit nunmehr über 80 Jahren<br />
in den Ruhestand zu treten. Aufgrund einer<br />
Verordnung vom 12. März 1936 kam als Nachfolger<br />
»nur ein Organist in Frage, der gemäss<br />
Prüfungsordnung vor der bischöflichen Kommission<br />
seine Prüfung bestanden hat.« 29 Die<br />
Bischöfliche Verordnung, dass für alle Kirchenangestellten<br />
ein schriftlicher Anstellungsvertrag<br />
abzuschließen sei, galt ab dem 1. April<br />
1936. Für die Küster, Organisten und Chorleiter<br />
wurde bestimmt, dass diese nur mit dem Nachweis<br />
über die erforderliche Eignung und die<br />
notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten angestellt<br />
oder beschäftigt werden dürfen. Dazu<br />
wurde unter Vorsitz von Domkapellmeister<br />
Klassen ein Prüfungsausschuss eingerichtet. 30<br />
Peter Weber<br />
Im Mai 1939 trat Peter Weber aus Körperich<br />
seinen Dienst als Organist und Chorleiter an. Er<br />
wurde am 14. Februar 1903 geboren, erhielt<br />
seinen ersten Musikunterricht bei dem Organisten<br />
in Münstermaifeld und war nach dem Abschluss<br />
der zweiten Prüfung an der Kirchenmusikschule<br />
in Trier zunächst Organist in Körperich.<br />
Für den damaligen Dechant Thommes war ein<br />
großer Zwiespalt entstanden. Auf der einen<br />
Seite musste nach bischöflicher Anordnung ein<br />
examinierter Kirchenmusiker angestellt werden.<br />
Andererseits kam für die <strong>Wittlich</strong>er damit<br />
ein Fremder in ihre Gemeinde, wo man doch<br />
viel lieber einheimische Kräfte gesehen hätte.<br />
Der Streit war vorprogrammiert. Vor allem ältere<br />
Chormitglieder empfanden das erste Auftreten<br />
des Peter Weber als überheblich und verließen<br />
sehr bald den Kirchenchor. Man hatte<br />
sich an die besonderen musikalischen Fähigkeiten<br />
des Vorgängers Konrad Musseleck so<br />
sehr gewöhnt, dass das Orgelspiel Weber´s als<br />
nicht nennenswert, als unter aller Kritik und als<br />
Ohrenpein bezeichnet wurde. Als Peter Weber<br />
nach Weihnachten 1939 erkrankte, war Konrad<br />
Musseleck selbstverständlich bereit, auszuhelfen.<br />
Das Neujahrshochamt wollte der Chor zusammen<br />
mit den inzwischen ausgetretenen<br />
Sängerinnen und Sängern wieder »wie früher«<br />
musikalisch gestalten, wozu Dechant Thommes<br />
dann aber seine Zustimmung verweigerte.<br />
Der Streit eskalierte weiter. Zum 1. Dezember<br />
1940 kündigte Peter Weber die Stelle als Organist<br />
und Chorleiter. 31<br />
Danach arbeitete er als Organist und Chorleiter<br />
in Wadgassen 32 , bis er 1942 zur Wehrmacht<br />
eingezogen wurde. Nach dem Krieg und der<br />
Kriegsgefangenschaft in Frankreich war Peter<br />
391
Weber ein angesehener und beliebter Kirchenmusiker<br />
in Koblenz-Metternich, wo er im Jahre<br />
1975 starb. 33<br />
Johannes Jochum<br />
1935 legte Johannes Jochum aus Opladen<br />
sein Kirchenmusikexamen an der Kirchenmusikschule<br />
St.-Gregorius-Haus in Aachen ab. 34<br />
Weitere Einzelheiten zu Jochum, der mit dem<br />
berühmten Dirigenten Eugen Jochum verwandt<br />
war, gehen aus einem Schreiben von Dechant<br />
Thommes an das Generalvikariat hervor: »...<br />
Als Herr Organist Weber anfangs Dezember<br />
aus dem Dienst der Pfarrgemeinde ausschied,<br />
wurde uns Herr Johann Jochum, bisher in<br />
Leichlingen bei Köln, von Herrn Pfarrer Körbes<br />
35 sehr empfohlen. Herr Pfarrer Körbes<br />
schien mir als Mitglied der Bischöflichen Prüfungskommission<br />
massgebend zu sein, zumal<br />
er Herrn J. auf meine Bitte eingehend geprüft<br />
hatte. Der Abschluß eines Vertrags erschien<br />
uns nicht ratsam, da Herr J. nur auf Probe bei<br />
uns beschäftigt war u. ausserdem täglich auf<br />
seine Einberufung wartete. Diese erfolgte einige<br />
Wochen später, als zu erwarten war. Da Herr<br />
Jochum mit seinen Leistungen Anklang fand,<br />
entschloss sich der Kirchenvorstand, ihn anzustellen,<br />
um seine spätere Rückkehr zu sichern.<br />
... Er hat seine Studien in Aachen gemacht u.<br />
dort die Prüfung abgelegt. Ausserdem hat er<br />
ein gutes Zeugnis vom Musikseminar in Köln.« 36<br />
Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der<br />
<strong>Wittlich</strong>er Organisten finden sich hier zum ersten<br />
Mal konkrete fachliche Äußerungen zum<br />
Orgelspiel selbst. Aus Leichlingen schreibt Jochum<br />
kurz vor seiner Anstellung an Dechant<br />
Thommes am 31. Oktober 1940: »Sehr geehrter<br />
Herr Dechant! Nach langer Überlegung habe<br />
ich mich entschlossen, die Stelle als Organist<br />
und Chorleiter an Ihrer Kirche anzunehmen.<br />
Nach der Meinung meines Vaters, der die Gegend<br />
kennt, ist die Pfarrgemeinde nicht<br />
schlecht gestellt. So hoffe ich, daß der Zustand<br />
des Spieltisches bald geändert wird. Es ist ja<br />
selbstverständlich, daß man auf einer Schleiflade<br />
keine Läufe oder Werke, die ein schnelles<br />
Tempo verlangen, spielen kann. Hinzu kommt,<br />
daß das Pedal außergewöhnlich klein ist. Deshalb<br />
ist es nicht möglich, auf dieser Orgel mittlere<br />
und große Werke zu spielen. Die größte<br />
Schwierigkeit wird mir dadurch entstehen, daß<br />
das Pedal um mehrere Töne verschoben ist. Ich<br />
392<br />
Johannes Jochum<br />
muß eine neue Fußtechnik einüben, da ich seit<br />
10 Jahren das normale Pedal gewöhnt bin. Um<br />
mich etwas einspielen zu können, will ich voraussichtlich<br />
am 20. oder 21. November in <strong>Wittlich</strong><br />
eintreffen.« 37<br />
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger erfuhr er<br />
Akzeptanz in der Gemeinde. Vor seiner Kriegseinberufung<br />
verlobte er sich mit Magda Becker<br />
in <strong>Wittlich</strong>. Eine Kriegsverletzung im Jahre 1943<br />
muss ihn sehr schwer getroffen haben. Wahrscheinlich<br />
hätte er den Musikerberuf nach dem<br />
Krieg nicht mehr ausüben können. Seit Januar<br />
1945 gilt Johannes Jochum als vermisst. 38<br />
Zunächst übernahm der frühere Organist Konrad<br />
Musseleck bis auf weiteres dessen Vertretung.<br />
Wie schon in vielen Jahren zuvor waren<br />
ihm dabei seine Kinder Sibilla Musseleck und<br />
besonders Willy Musseleck behilflich. Dieser<br />
Willy Musseleck war eigentlich der erste <strong>Wittlich</strong>er<br />
Organist, der die Fähigkeit entwickelt hatte,<br />
auch große Werke der Orgelliteratur zu erarbeiten.<br />
Dies lässt sich weder für seinen Vater<br />
noch für dessen Vorgänger nachweisen. Es ist<br />
naheliegend, dass er sehr gerne die Nachfolge<br />
seines Vaters angetreten hätte. Im Jahr 1961<br />
starb er als Musiklehrer, der viele Generationen<br />
von Klavierschülern herangebildet hatte.
Weitere Aushilfsorganisten in der Zeit bis 1950<br />
waren: Maria Theresia Bohlen, Hildegard<br />
Kranz, Studienrat Hans Langer, (ein Nachfahre<br />
des Breslauer Domorganisten Moritz Brosig),<br />
Helene Mehs und Bürgermeister Matthias Joseph<br />
Mehs, Julchen Neuerburg und Hermann<br />
Werthenbach.<br />
Chorleiter des Kirchenchores war von 1943 bis<br />
zu seinem Tod am 17. Januar 1950 Chormeister<br />
Jakob Kranz, ein ehemaliger Schüler von<br />
Conrad Musseleck.<br />
Bernhard Barth<br />
»Ich wurde am 15. Januar 1914 als Sohn des<br />
Lehrers und Organisten Karl Barth in Traben-<br />
Trarbach/Mosel geboren. Von Ostern 1920-<br />
1924 besucht ich die Volksschule, von 1924-<br />
1933 mit abschließendem Abitur das dortige<br />
Realgymnasium. Ich hatte die Absicht Philologie<br />
(Sprach- und Literaturwissenschaft) mit<br />
Musik als Nebenfach zu studieren, musste aber<br />
nach drei Semestern an der Universität Bonn<br />
das Studium wegen meiner anti-nazistischen<br />
Einstellung aufgeben, und ging für 2 Jahre ins<br />
Ausland. Von Ostern 1936 - Oktober 1936 besuchte<br />
ich die Kirchenmusikschule in Trier und<br />
war gleichzeitig als Organist und Chorleiter in<br />
Gillenfeld tätig. Im Herbst 1936 kam meine Ein-<br />
Bernhard Barth<br />
berufung zur Dienstzeit bei der Wehrmacht, die<br />
bis Oktober 1938 dauerte. Im Winter 1938/39<br />
bereitete ich mich auf die Organisten und Chorleiterprüfung<br />
vor, die ich im März 1939 vor dem<br />
bischöflichen Prüfungsausschuss mit Erfolg<br />
ablegte. Während dieser Zeit wirkte ich wiederum<br />
auf meiner alten Stelle in Gillenfeld. Der 2.<br />
Weltkrieg sah mich in dauerndem Einsatz an<br />
der Ostfront, wo ich am 12. Mai 1945 in Kurland<br />
als Offizier in russische Gefangenschaft geriet<br />
aus welcher ich im Oktober 1948 als Spätheimkehrer<br />
zurückkam. Ich brauchte ein gutes Jahr,<br />
um körperlich wieder in Ordnung zu kommen<br />
und um mich wieder in meinen Beruf einzuarbeiten.<br />
Im Februar 1950 bewarb ich mich um<br />
die Organisten- und Chorleiterstelle in <strong>Wittlich</strong>,<br />
die ich nach vorangegangener Prüfung erhielt.<br />
Seit dem 1. März 1950 bin ich an der St. Markuskirche<br />
tätig. Am 2. Januar 1951 heiratete ich<br />
und am 18. März 1952 wurde uns unser erstes<br />
Kind geboren. Nebenberuflich leite ich verschiedene<br />
weltliche Chöre und erteile privaten<br />
Musik- und Sprachunterricht.« 39<br />
Mit diesem handschriftlichen Lebenslauf, datiert<br />
vom 22. Juli 1945 und nach 1952 offensichtlich<br />
ergänzt, ist der Werdegang von Bernhard<br />
Barth genau beschrieben. Neben dem Orgelspiel<br />
im Gottesdienst lag sein Hauptaugenmerk<br />
auf der Chorarbeit.<br />
In der Festschrift<br />
zum 150. Jubiläum<br />
des Kirchenchores St.<br />
Markus wird dies beschrieben:<br />
»... Der endgültigen<br />
Einstellung dieses<br />
schwungvollen und<br />
talentierten Musikers<br />
ging erstmalig eine<br />
strenge »Ausleseprüfung«<br />
voraus. Die<br />
»Prüfungsprobe« mit<br />
den Chormitgliedern<br />
fand unter den kritischen<br />
Augen der hohen<br />
Geistlichkeit und<br />
Vertretern des Kirchenvorstandes<br />
statt,<br />
und schließlich mussten<br />
auch die Chormitglieder<br />
selbst noch<br />
ihr Votum abgeben.<br />
393
Mit großem Eifer ging Barth nach seiner Wahl<br />
und anschließenden Ernennung an die Arbeit<br />
und setzte neue Akzente im Wirken des Kirchenchores<br />
St. Markus. Neben der sorgfältigen<br />
Pflege des Choralgesanges – er setzte Sonderproben<br />
für die von ihm eingerichtete Schola an<br />
– und der klassischen Kirchenmusik aus vergangenen<br />
Jahrhunderten widmete er ein besonderes<br />
Augenmerk auf die Einführung des<br />
neuen Liedgutes aus dem Gesangbuch für die<br />
Diözese Trier. Viele dieser Lieder setzte er in<br />
Kantatenform und brachte sie so schneller in<br />
das Bewußtsein und die Zuneigung der Gläubigen.<br />
Mit einer Vielzahl von Darbietungen in anderen<br />
Pfarreien des Bistums von der Eifel bis zum<br />
Rhein, bei öffentlichen Konzerten und kulturellen<br />
Veranstaltungen, führte er den Chor über<br />
seinen bisherigen Wirkungskreis hinaus und<br />
verschaffte ihm so Achtung und hohe Anerkennung.<br />
Sein Wirken beschränkte sich nicht nur<br />
auf das Einstudieren von Werken großer Meister,<br />
sondern seine eigenen Kompositionen<br />
und Bearbeitungen bilden auch heute noch einen<br />
beachtlichen Anteil am Liedrepertoire des<br />
Kirchenchores St. Markus. Das klangvolle,<br />
wuchtige und majestätisch erhabene »Herr du<br />
bist groß« nimmt in dieser Reihe einen der bedeutendsten<br />
Plätze ein. Auch im Volkslied fand<br />
Barth ein reiches Betätigungsfeld für seine Liebe<br />
zum Komponieren. Hier ist wohl zuallererst<br />
das »<strong>Wittlich</strong>er Lied«, von jedem echten <strong>Wittlich</strong>er<br />
mit Begeisterung gesungen und ein fester<br />
Bestandteil des <strong>Wittlich</strong>er Kulturgutes, zu nennen.<br />
Besondere Verdienste erwarb sich Barth<br />
durch sein Bemühen zur gemeinsamen Musikpflege.<br />
Unvergessen bleiben die vielen Konzerte<br />
und Aufführungen mit dem <strong>Wittlich</strong>er philharmonischen<br />
Orchester, dem Chor der philharmonischen<br />
Gesellschaft <strong>Wittlich</strong>, dem<br />
Männergesangverein und Männerquartett 06<br />
<strong>Wittlich</strong> oder dem mit dem Chor der evangelischen<br />
Kirchengemeinde als ökomenischer<br />
Chor...« 40<br />
Vom 12. April 1950 an leitete er den Männergesangverein<br />
1852 <strong>Wittlich</strong> und war seit 1953<br />
Kreischorleiter des Sängerkreises <strong>Wittlich</strong>. Beide<br />
Ämter mußte er 1963 aus gesundheitlichen<br />
Gründen abgeben. Ab 1966 übernahm er zusätzlich<br />
die Küsteraufgaben an der Pfarrkirche,<br />
bis er am 30. Juni 1978 pensioniert wurde.<br />
Im März 1975 feierte Bernhard Barth sein 25-<br />
394<br />
jähriges Dienstjubiläum. Im Trierischen Volksfreund<br />
wird beschrieben, »wie er mit jugendlichem<br />
Elan die Arbeit seines Vorgängers Jakob<br />
Kranz fortsetzte.« 41<br />
Am 3. Oktober 1989 starb er nach langer<br />
Krankheit. Auf dem Totenzettel wurde sein St.<br />
Markuslied abgedruckt, in dem seine Musik<br />
weiterlebt.<br />
Seit dem 1. Dezember 1987 ist der Verfasser<br />
Reinhold Schneck als Kirchenmusiker an St.<br />
Markus tätig.<br />
Quellen:<br />
PASM = Pfarrarchiv St. Markus <strong>Wittlich</strong><br />
BATR = Bistumsarchiv Trier<br />
1 Testament der M. T. Fier PASM Abt. B10,1<br />
2 Frdl. Mitt. Ev. Pfarrarchiv Glückstadt<br />
3 Otto Schumann: Orgelbau im Herzogtum Schleswig vor 1800,<br />
München 1973, S.171<br />
4 Frdl. Mittl. Rainer Budzinski, Hannover / Arlon, Archives de l´Etat,<br />
Nr.236<br />
5 PASM Sendprotokolle Abt. C14<br />
6 Frdl Mittl. Pfr. Peter Golon, Stade<br />
7 PASM Abt. B15,1<br />
8 Carl Nels, Beiträge zur Chronik der Stadt <strong>Wittlich</strong> Ergänzung 1929,<br />
S. 20. Bei der folgenden Jahreszahl »1796« muss es sich um einen<br />
Fehler handeln, da Franz Merten 1794 verstarb.<br />
9 BATR Abt. 71,173 Nr.34 / siehe auch M. Thömmes, Orgeln in<br />
Rheinl.-Pfalz, Trier 1981<br />
10 Stadtrats- und Gerichtsprotokolle, Stadtarchiv <strong>Wittlich</strong><br />
11 PASM Abt. C10<br />
12 PASM Abt. B1,1 Dokumente<br />
13 Frdl. Mittl. Dr. Ernst Knopp, Köln<br />
14 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Abt. Merseburg,<br />
Rep.151,I C Nr.12170, 1823 1824<br />
15 Allgemeine Deutsche Biographie, Band 16<br />
16 PASM C14<br />
17 <strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt November 1848, Kreisarchiv/Bibliothek<br />
Mehs<br />
18 PASM Abt. B 7,1<br />
19 PASM Abt. B 7,1<br />
20 Kreisarchiv / <strong>Wittlich</strong>er Intelligenzblatt 1870, Nr. 31<br />
21 PASM C 14 Kirchenvorstand / Protokollbuch ab 1875<br />
22 PASM Abt. B 15,38. Frdl. Mittl. Karl Musseleck, <strong>Wittlich</strong>.<br />
23 PASM C 14 Protokollbuch<br />
24 PASM Abt. B 8,2<br />
25 Festschrift des MGV 1852, <strong>Wittlich</strong> 1927<br />
26 PASM Abt. B 7<br />
27 Beiträge zu Geschichte und Kultur der Stadt <strong>Wittlich</strong>, Matthias Joseph<br />
Mehs, <strong>Wittlich</strong>er Lesebuch, <strong>Wittlich</strong> 1993<br />
28 Totenzettel von Konrad Musseleck<br />
29 PASM Abt. B 7<br />
30 Kirchlicher Amtsanzeiger für die Diözese Trier 1936, Nr. 54-69<br />
31 PASM Abt. B 7<br />
32 Beschlussbuch der Kirchengemeinde Maria-Heimsuchung in<br />
Wadgassen: »7. Nov.1940 - Herr Peter Weber aus <strong>Wittlich</strong> wird als<br />
Küster, Organist und Chorleiter angestellt, aber kurz danach wurde<br />
er zum Wehrdienst eingezogen.«<br />
33 Frdl. Mitteilung Maria von Wirth, Konz<br />
34 Festschrift zu 100-jährigen Bestehen der Kirchenmusikschule St.-<br />
Gregorius-Haus, Aachen 1981<br />
35 Josef Körbes, Pfarrer in Körperich/Saar, Diözesanpräses des Diözesan-Cäcilienvereins<br />
seit 1935 (Kirchl. Amtsanz. 1936, Nr. 174,2)<br />
Mitglied des Prüfungsausschusses<br />
36 PASM Abt. B 7<br />
37 PASM Abt. B 7<br />
38 Frdl. Mitteilung Magda Becker, Trier (*1920, †1997 als Pfarrhaushälterin<br />
in Trier)<br />
39 PASM Abt. B<br />
40 150 Jahre Kath. Kirchenchor St. Markus 1834 <strong>Wittlich</strong>, Jubiläumsschrift<br />
1984, S.13<br />
41 Trierischer Volksfreund 03.03.1975
Der Name Gessinger ist in Zeltingen-Rachtig<br />
häufig anzutreffen und lässt sich in den Familienbüchern<br />
bis ins frühe 17. Jahrhundert<br />
zurückverfolgen. Es heißt, und es ist auch aus<br />
dem Familienbuch zu ersehen, dass die Gessingers<br />
zunächst in Rachtig ansässig waren.<br />
Nicht nur in der näheren Heimat, sondern auch<br />
im Süddeutschen ist und war der Name bekannt,<br />
wie man in einer Schrift des Geschichtsvereins<br />
der Diözese Rottenburg und der Zeitschrift<br />
für die Geschichte des Oberrheins nachlesen<br />
kann.<br />
Hier wird – mittlerweile schon recht umfangreich<br />
– über einen Christoph Gessinger berichtet,<br />
der als Mönch, Architekt, Baumeister,<br />
Stukkateur, Kammerrat, Kartograph, Altarbauer,<br />
Feldmesser, Verwaltungsmann, Weinhändler<br />
und Immobilienmakler ein Mann von Rang<br />
und Namen war. Eine Persönlichkeit, die wegen<br />
ihrer großen Fähigkeiten, ihres besonderen<br />
Fleißes und ihrer Begabung einen kometenhaften<br />
Aufstieg beim Bischof von Konstanz genoss,<br />
auch wenn sie nicht »von Adel« war. Also<br />
wurde Gessinger eine besondere Protektion<br />
zuteil. Aber woher?<br />
Auch heute gilt Christoph Gessinger für die Geschichtsforscher<br />
als »noch immer merkwürdig,<br />
rätselhaft und schillernd«. Es liegt noch vieles<br />
im Dunkeln über sein Leben und seine ungewöhnliche<br />
Karriere am bischöflichen Hof von<br />
Meersburg.<br />
Herkunft und Tod<br />
War Christoph Gessinger<br />
ein Moselaner?<br />
Versuch, Näheres über eine rätselhafte und schillernde<br />
Persönlichkeit in Erfahrung zu bringen<br />
Die Herkunft oder der Geburtsort von Christoph<br />
Gessinger sind – noch – nicht bekannt.<br />
Der Mönch selbst nannte in seinem Professzettel<br />
als Herkunftsort die Pfarrei St. Peter im Erzstift<br />
Köln, eine Angabe, die jedoch mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit falsch ist. Denn sie wurde in<br />
Hubert Kappes<br />
Köln (auch in anderen Kölner Pfarreien) überprüft<br />
und hat zu keinem Ergebnis geführt. Daher<br />
ist diese Aussage mit einem großen Fragezeichen<br />
zu beantworten. Der Stadtpfarrer von<br />
Meersburg, Joh. Nik. Bahr, wusste 1733 zu berichten,<br />
dass Christoph Gessinger der nichteheliche<br />
Sohn eines geistlichen Kurfürsten sei<br />
und aus dem Moseltal zwischen Koblenz und<br />
Trier stamme. Es heißt auch an anderer Stelle,<br />
dass Christoph Gessinger aus dem »Kurkölnischen«<br />
komme. Könnte damit die politische<br />
Kurkölner Enklave Zeltingen-Rachtig an der<br />
Mosel gemeint sein?<br />
Bekannt ist dagegen der Sterbeort. Christian<br />
Gessinger fand im Juni 1733 Zuflucht bei dem<br />
Herrn von Wattwyl in Oberdießbach bei Bern.<br />
Hier starb er am 28. Oktober 1734 im Alter von<br />
ca. 70 Jahren. So kann das ungefähre Geburtsjahr<br />
in die Zeit von 1664 bis 1670 datiert werden.<br />
Zum Werdegang des Christoph Gessinger ist in<br />
den Geschichtsbüchern Folgendes festgehalten:<br />
1691 legte Christoph Gessinger im kleinen Benediktinerstift<br />
Isny die Profess als Konversbruder<br />
(Laienbruder) ab. Eine Urkunde hierüber ist<br />
erhalten.<br />
1705 kam er an den Meersburger Hof mit amtlicher<br />
Funktion eines Kammerrats und Baumeisters.<br />
Von Fürstbischof Johannes Franz<br />
Schenk von Stauffenberg (1704 - 1740) in der<br />
Wirtschaftsverwaltung eingesetzt, soll der Benediktiner<br />
bald eine einflussreiche Rolle errungen<br />
haben. Er galt als Vertrauter des Bischofs.<br />
Dass Gessinger als Mönch und Konversbruder<br />
sogar einen Diener namens Joseph hatte, sei<br />
nur am Rande vermerkt.<br />
Auch außerhalb des Hofes war er ein gesuchter<br />
Kameralfachmann und bewegte sich geschickt<br />
395
auf diplomatischem Parkett. Diplomatie soll<br />
seine besondere Begabung gewesen sein. Er<br />
korrespondierte mit einer illustren Gesellschaft<br />
und vermittelte zwischen verschiedenen Fürstenhäusern.<br />
Fürstbischof Stauffenberg übertrug<br />
Gessinger gelegentlich wichtige diplomatische<br />
Missionen.<br />
1712 nahm der Bischof seinen Baumeister mit<br />
nach Wien. Dort hatte Gessinger die Möglichkeit,<br />
den österreichischen Hochbarock seiner<br />
Zeit zu studieren.<br />
1715: Am 12. April wurde Gessinger für die<br />
Hochstifte Konstanz und Augsburg zum Inspektor<br />
des Oberbauamtes ernannt. Bereits zu<br />
diesem Zeitpunkt speiste er neben Bischof,<br />
Hofmarschall, Beichtvater und vier adeligen<br />
Herren an der fürstlichen Tafel.<br />
Welche Stellung Gessinger hatte, ist u.a. auch<br />
der folgenden Schilderung zu verdanken: 1722<br />
wählte das Konstanzer Domkapitel den Bischof<br />
zu Speyer, Damian Hugo, Kardinal von Schönborn,<br />
zum Koadjutor. Fürstbischof Stauffenberg<br />
selbst teilte das Wahlergebnis am gleichen<br />
Tag seinem Amtsbruder in Bruchsal mit.<br />
Gleichzeitig benachrichtigte er den Reichsvizekanzler<br />
Karl Friedrich von Schönborn, den Kaiser,<br />
den Herzog von Württemberg und durch<br />
Stafette auch Bruder Christoph Gessinger zu<br />
Bruchsal, seinen Baumeister. Das lässt aufhorchen<br />
und gibt Grund zur Vermutung, welch<br />
wichtige Rolle dieser auch in der Angelegenheit<br />
spielte.<br />
1723 heißt es in Bezug auf die diplomatische<br />
Begabung: Die Verhandlungen von 1723/24<br />
zeigen erneut die herausragende Stellung Gessingers<br />
am bischöflichen Hofe unter Johann<br />
Franz von Stauffenberg. Nicht der Hofkanzler<br />
J. A. Frausberg führte diese wichtigen Gespräche,<br />
sondern der Kammerrat Bruder Christoph<br />
Gessinger. Seine Anschrift bzw. Ansprache<br />
lautete: Hochfürstlich Märspurgischer<br />
Hofkammerrath Herrn Frater Christoph zu<br />
Mörspurg. Angeredet wurde er mit Euer Hochwürden.<br />
Der Titel »Herr« war bei einem Klosterbruder<br />
sehr ungewöhnlich. Die Anrede »Hochwürden«<br />
drückte die Achtung vor einem geistlichen<br />
Menschen aus, der gesellschaftlich einen hohen<br />
Rang innehatte.<br />
1725 begann unter seiner Leitung der Neubau<br />
des Priesterseminars in Meersburg. Das Priesterseminar<br />
sollte ursprünglich in Konstanz am<br />
396<br />
oberen Münsterplatz errichtet werden. Es gab<br />
Schwierigkeiten mit der Stadtverwaltung. Gessinger<br />
hatte großen Einfluss auf die Erbauung<br />
des Hauses in Meersburg und auf die Auswahl<br />
des Bauplatzes ausgeübt. Am 24. Oktober<br />
1726 wurde das Richtfest gefeiert.<br />
1726: In einer Bestallungsliste für Hof und Regierung<br />
in Meersburg stand Christoph Gessinger<br />
an fünfter Stelle und zwar nach dem Hofmarschall,<br />
dem Obriststallmeister, den beiden<br />
Oberjägermeistern, noch vor dem Kanzler,<br />
dem Beichtvater, den Hofkavalieren, dem Rittmeister<br />
und dem Arzt.<br />
1727 allerdings war er bereits in die 2. von 4<br />
Klassen (bei Tisch) degradiert worden. Diese<br />
protokollarischen Notizen zeigen, dass der Benediktinerbruder<br />
zunächst eine sehr einflussreiche<br />
Stellung innehatte, die er – wahrscheinlich<br />
durch Intrigen – verlor.<br />
Als Kartograph, Feldmesser und Architekt wurde<br />
Gessinger ebenfalls bekannt. Wichtigster<br />
Auftrag war zunächst das neue Schloss in Tettnang.<br />
Ferner baute er das stauffenbergische<br />
Schloss in Wilfingen. Das barocke Meersburg,<br />
wie es sich heute darstellt, beruht hauptsächlich<br />
auf Gessingers Plänen.<br />
1725 wurde unter Gessingers Aufsicht mit dem<br />
Bau des Priesterseminars begonnen. Sein<br />
künstlerisches Können erstreckte sich nicht<br />
nur auf die Architektur. Zeitweise arbeitete er<br />
auch als Stukkateur und Altarbauer. Von Altarbauten<br />
sind bekannt: Ein Altar in der Würzburger<br />
Deutschordenskommende, drei Altäre und<br />
die Kanzel in der Ulmer Kommende, ein Altar<br />
im Konstanzer Münster. Der Ritterorden war also<br />
ein wichtiger Auftraggeber des Benediktiners.<br />
Dazu eine interessante Perspektive: Der<br />
Deutschherrenorden unterhielt auch einen Hof<br />
in Rachtig.<br />
1730 kam der Sturz. Im Wesentlichen war er<br />
ein Werk der Verwandtschaft Stauffenbergs am<br />
Meersburger Hof. Gessinger scheiterte an einer<br />
Koalition von Hofadel und Domkapitel, die<br />
ihn unter Druck setzen. Wahrscheinlich war der<br />
Konversbruder unbekannter Herkunft dem<br />
Hofadel zu einflussreich geworden. Eine Visitation<br />
der Hochstiftsverwaltung, verbunden mit<br />
der »Abhör« der Abrechnungen durch eine Deputation<br />
des Domkapitels am 12. Mai 1730<br />
führte 12 Tage später zur erneuten Unterbrechung<br />
der Arbeiten am Seminar in Meersburg.<br />
Einen Tag später, am 25. Mai 1730, flüchtete
Gessinger in die Schweiz und hinterließ ein<br />
Barvermögen von ungefähr 30 000 fl (Einen<br />
großen Teil des Geldes hatte er sich durch den<br />
Handel mit Wein verdient. Auch auf dem<br />
Meersburger Immobilienhandel scheint Gessinger<br />
tätig gewesen zu sein), nachdem er über<br />
25 Jahre in den Diensten von Fürstbischof<br />
Franz Schenk von Stauffenberg gestanden hatte.<br />
In der Schweiz konvertierte Gessinger am 4.<br />
September 1731 zum Kalvinismus. Die Konversion<br />
zum Protestantismus wurde damit begründet,<br />
dass er sich nach der überstürzten<br />
Flucht neue Freunde suchen musste. Anders<br />
sieht es der Pfarrer von Meersburg in einem<br />
Bericht an die Nuntiatur in Luzern: Gessinger<br />
habe bereits lange Zeit vor seiner Flucht Glaubenssätze<br />
geleugnet, wie z. B. die Existenz des<br />
Fegefeuers oder die Verehrung der Heiligen.<br />
Man habe Angst gehabt, gegen ihn vorzugehen,<br />
weil dann die Gefahr bestand, beim Bischof<br />
in Ungnade zu fallen. Ein Pfarrer, der sich<br />
einmal gegen ihn gewandt hatte, wurde von der<br />
Seelsorge suspendiert und für zwei Jahre aus<br />
der Stadt gewiesen. Zudem konnte Gessinger<br />
ungehindert höhere Beamte des Hofes um sich<br />
sammeln, die überzeugte Anhänger Luthers<br />
waren.<br />
1732 versuchte man, Gessinger in Mellingen/<br />
Schweiz gewaltsam festzunehmen. Nur durch<br />
rasches Handeln eines Freundes und das energische<br />
Eingreifen der Landesobrigkeit gelang<br />
es in letzter Minute, den Plan zu vereiteln.<br />
1734 verstarb Gessinger am 28. Oktober in der<br />
Schweiz.<br />
In dem Buch »Die Kunstdenkmäler des Kreises<br />
Tettnang« (1937) wird vermerkt, dass im Rathaus<br />
der Stadt ein Ölgemälde hängt, welches<br />
ein Porträt Gessingers zeige.<br />
Vor einigen Jahren wurde Pater Franz Günther<br />
Gessinger (aus Rachtig stammend) angeschrieben<br />
mit der Bitte, in den Familienbüchern<br />
von Zeltingen-Rachtig nach einem Christoph<br />
Gessinger forschen zu lassen, der in der Zeit<br />
zwischen 1664 und 1670 geboren sein sollte.<br />
Diese Bitte leitete Pater Gessinger an mich weiter.<br />
Meine Überprüfung hatte das Ergebnis, dass<br />
tatsächlich am 13. Februar 1669 ein Christoph<br />
Gessinger in Zeltingen geboren bzw. getauft<br />
wurde. Als Eltern sind Samson und Susanna<br />
Gessinger genannt. Beide Elternteile starben<br />
1704. Die Namen der Paten lauteten Christoph<br />
Jung und Anna Wilhelm.<br />
Offene Fragen<br />
Ist dieser der Gesuchte oder haben wir es hier<br />
mit purem Zufall zu tun? Es ist bis heute nicht<br />
endgültig nachweisbar, dass Christoph Gessinger<br />
wirklich von der Mosel oder von Zeltingen-Rachtig<br />
stammt. Die Spuren Kurköln,<br />
Deutschherren, Herkunft von der Mosel, weisen<br />
zwar in die Richtung, aber der entscheidende<br />
Beweis fehlt. Vielleicht kann der folgende<br />
Hinweis auf die »richtige« Spur führen:<br />
Vermutlich auf Grund der Schenkungen und<br />
Vermächtnisse des hl. Kunibert unterhielt das<br />
Kölner Domstift St. Peter einen Hof in Rachtig<br />
in der Nähe des Deutschherrenhofes. Er wurde<br />
auch als Hof des Erzbischofs oder auch als<br />
Marienhof bezeichnet, »wo Erzbischof Philipp<br />
von Heinsberg 1186 Aufenthalt nahm«.<br />
Gewiss existieren irgendwo weitere Dokumente,<br />
die zusätzliche Aufschlüsse geben könnten.<br />
Zwischen Geburt und Tod, insbesondere nach<br />
Ablegung der Profess muss es noch viele Hinweise,<br />
Urkunden und Aufzeichnungen über<br />
Christoph Gessinger geben.<br />
Geschichtsforscher sind dabei, wie die unten<br />
genannten Quellen zeigen, die Spuren dieses<br />
»merkwürdigen« und bedeutsamen Mannes zu<br />
erforschen.<br />
Quellen:<br />
Sonderdruck aus: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte,<br />
Band 4 – 1985.<br />
Rudolf Reinhardt: Die evangelischen Bibelstunden des Benediktinerbruders<br />
Christoph Gessinger am bischöflichen Hof in Meersburg.<br />
Rudolf Reinhardt: Neues zu Christoph Gessinger und seiner ungewöhnlichen<br />
Karriere am Meersburger Hof.<br />
Rudolf Reinhardt: Christoph Gessinger, Mönch, Baumeister, Stukkateur,<br />
Kammerrat, Apostat. Neue Quellen zu einer ungewöhnlichen<br />
Karriere am bischöflichen Hof von Meersburg im 18. Jahrhundert.<br />
Hans Vogts: Kunstdenkmäler des Kreises <strong>Bernkastel</strong>.<br />
397
Am 15. Oktober 1998 starb Eduard Wiemer in<br />
<strong>Bernkastel</strong>-Kues. Er ist der Pionier der<br />
Pfropfrebenveredlung im Weinbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer.<br />
Von 1948 bis zu seiner Pensionierung<br />
als Weinbau-Oberamtsrat im Jahr<br />
1977 war er Leiter der Kreisrebenveredlungsanstalt<br />
in <strong>Bernkastel</strong>-Kues.<br />
Der 1911 in Linz am Rhein geborene Fachmann<br />
ging nach dem Studium des Weinbaues und<br />
der Kellerwirtschaft nach Baden. Er war<br />
zunächst als Vorsitzender der badischen<br />
Pfropfrebengenossenschaft in Müllheim und<br />
danach zehn Jahre lang am Staatlichen Weinbauinstitut<br />
in Freiburg im Breisgau tätig.<br />
Als er sein Amt in <strong>Bernkastel</strong>-Kues antrat,<br />
steckte der Pfropfrebenanbau im Weinbaugebiet<br />
Mosel-Saar-Ruwer noch in den Kinderschuhen.<br />
Eduard Wiemer wies den Weg in den<br />
drängenden Fragen der richtigen Unterlagsreben<br />
und der Klonenselektion. In den Flurbereinigungsverfahren<br />
wurde er zum unentbehrlichen<br />
Pflanzgutberater der Winzer. Er widmete<br />
sich der Ausbildung der Rebenveredler und<br />
wurde so in den fast 30 Jahren seiner Tätigkeit<br />
an der Mosel zum »Vater« des Pfropfrebenanbaus<br />
im Weinbaugebiet.<br />
398<br />
Zum Gedenken an Eduard Wiemer<br />
Ein Vogel singt im herbstesgoldnen Baum.<br />
Er singt sein letztes Lied.<br />
Und leise löst sich Blatt um Blatt.<br />
das rauschend mit dem Wind verweht.<br />
Fahl wird des Himmels blauer Rand,<br />
der bunte Wald, das stille Land.<br />
Der späte Sommer geht.<br />
Die letzten Rosen blühn im Dorngerank<br />
so schön und farbenfroh.<br />
Noch kost ein mildes Sonnenlicht<br />
des Sommer letzten Blumenstrauß<br />
Reichblühend manches Gartenbeet.<br />
Der Reif, der durch die Nächte geht,<br />
löscht all das Blühen aus.<br />
Eduard Wiemer<br />
wurde durch seine<br />
Leistung in<br />
den Fachkreisen<br />
des gesamten<br />
deutschen Weinbaues<br />
bekannt.<br />
Auch in Österreich<br />
und Italien<br />
war er in Fachkreisengeachtet.<br />
Im Jahrbuch<br />
1977 schrieb er<br />
über die »Rebenveredlung<br />
im<br />
Dienste des Winzers«.<br />
Er verband hohes<br />
Fachwissen mit einem tiefgründigen Humor<br />
und lebt im Andenken vieler als unverwechselbares<br />
Original weiter. Der deutsche Weinbau<br />
hat ihm viel zu verdanken.<br />
Abschied<br />
Helmut Gestrich<br />
In tiefem Frieden ruhen Wald und Flur.<br />
Die Zeit wird still und kalt.<br />
Schon früh vergeht der Sonne Licht<br />
und Nebel hüllt den Abend ein.<br />
Wo Wolken ziehen grau und schwer,<br />
der Sturmwind jagt sie vor sich her.<br />
Bald wird es Winter sein.<br />
Eleonore Mertes
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<strong>Wittlich</strong> sind erhältlich (solange Vorrat reicht) bei der<br />
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DIE AUTOREN UNSERES KREISJAHRBUCHES <strong>2000</strong><br />
ALBERT, Corinna, Verbandsgemeindeverwaltung Thalfang am Erbeskopf<br />
BADURA-ZENZ, Elisabeth, Kreuzflur 53, 54296 Trier<br />
BAYER, Gerd, Wyttenbachstraße 16, 54538 Bausendorf<br />
BINZEN, Arnold, Auf dem Altengarten 1, 54518 Sehlem<br />
BLUM, Winfrid, Springiersbacher Hof, 54538 Springiersbach<br />
Dr. BÖSE, H.-Günther, Im Schraubel 24, 56841 Traben-Trarbach<br />
BRAND, Gregor, Am Stadtpark 29, 24589 Nortorf<br />
CLEMENS, Alois †<br />
DIDONG, Sabine, Mosenbergstraße 22, 54533 Bettenfeld<br />
FRANZ, Liesel, Hauptstraße 4, 56850 Maiermund<br />
FREIS, Walter, Albert-Schweitzer-Straße 2, 54424 Thalfang<br />
FREITAG, Elisabeth, Unterer Sehlemet 8, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
Dr. GESTRICH, Helmut, Birkenweg 9, 54470 <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
GILLES, Wolfgang, Graacher Straße 16, 54470 <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
GRUNDHÖFER, Heinz H., Kiefernweg 1, 54472 Monzelfeld<br />
HAART, Reinhold, Ausoniusufer 18, 54498 Piesport<br />
HAUMANN, Gereon, Familien-Hotel Hochwald, St.-Georg-Straße 1, 54497 Morbach-Hoxel<br />
HAUTH, Uwe, Kirchstraße 22, 56841 Traben-Trarbach<br />
HEINEMANN, Benedikt, Brunnenstraße 3 a, 54662 Herforst<br />
HERZOG, Wilma, Im Baumgarten 3, 54568 Gerolstein<br />
Dr. HILD, Jochen, Fröschenpuhl 6, 56841 Traben-Trarbach<br />
HILGERT, Wilfried, Schmitt-Horr-Straße 10, 55457 Horrweiler<br />
HOFFMANN, Hermann, Bergweg 3, 54516 <strong>Wittlich</strong>-Wengerohr<br />
JENTJENS, Oliver, Am Meulenwald 20, 54343 Föhren<br />
KAPPES, Franz Ludwig, Kreishandwerkerschaft, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
KAPPES, Hubert, Kurfürstenstraße 70, 54492 Zeltingen-Rachtig<br />
KERN-STEENVOORT, Maria, Grabenstraße 10, 54472 Monzelfeld<br />
KLIPPEL, Hermann †<br />
Dr. KOECHEL, Roland, Eifelklinik, Mosenbergstraße 19, 54531 Manderscheid<br />
KOHL, Günter, Kreissparkasse <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
KOHNEN, Hildegard, Ubierstraße 17, 50321 Brühl<br />
KNOBLOCH, Gertrud, Am Weiher 3 b, 53229 Bonn 3<br />
KRIEGER, Christof, Zehntgasse 1, 56841 Traben-Trarbach-Wolf<br />
LÄSCH-WEBER, Beate, Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong> (Landrätin)<br />
LAUTWEIN, Markus, Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
400
LEDUC, Norbert, Rosengarten 7, 54497 Morbach<br />
MAUELL, Julia, Hauptstraße 85, 54426 Berglicht<br />
MEIERS, Rudolf, Katzstraße 37, 54662 Herforst<br />
MERTES, Eleonore, Kalkturmstraße 109, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
OCHS, Richard, Im Brauer 19, 56841 Traben-Trarbach<br />
OEHMS, Karl, Pfalzgrafenstraße 2, 54293 Trier<br />
ORTH, Hubert, Zum Jungenwald 7, 54317 Gutweiler<br />
PAWELKE, Katharina, Bergstraße 12 b, 54518 Dreis<br />
Dr. PETRY, Klaus, Zur Philippsburg 34, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
Prof. Dr. SCHAAF, Erwin, Hetzhofer Straße 13, 54538 Kinderbeuern<br />
Dr. SCHABBACH, Rudolf-Vitus, Auf Gesetz 4, 56321 Brey<br />
SCHÄFER, Hans-Peter, Auf der Hütt 5, 54533 Greimerath<br />
SCHÄFER, Therese, Auf der Schifferei 3, 54470 <strong>Bernkastel</strong>-Kues<br />
SCHIFFMANN-JUNK, Ernst, Moselweinstraße 146, 54472 Brauneberg<br />
SCHLAX-FRIDERICHS, Marita, Trierer Landstraße 10, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
SCHMITT, Claudia, Kreisverwaltung <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong><br />
SCHMITT, Franz, Kalkturmstraße 59, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
SCHMITT, Heinz, Helenenstraße 20, 54295 Trier<br />
SCHMITT, Josef, St.-Rochus-Siedlung 5, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
SCHMITZ, Robert, Im Schild 26, 56323 Waldesch<br />
SCHNECK, Reinhold, Kalkturmstraße 71 A, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
SCHNEIDER, Edgar, Allgemeine Ortskrankenkasse, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
SCHNITZIUS-LAQUA, Ulla, Im Brauer 16, 56841 Traben-Trarbach<br />
Prof. SCHUH, Horst, Konrad-von-Hochstaden-Straße 22, 53881 Euskirchen-Stotzheim<br />
SCHULZE-NEUHOFF, Hubertus, Am Laubloch 12, 56841 Traben-Trarbach<br />
SCHUMACHER, Ingrid, Planegger Straße 12 A, 81241 München<br />
STEIN, Gerd, Steinstraße 14, 55743 Idar-Oberstein<br />
STEINES, Roland, Zum Bürgerwehr 18, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
THELEN-OBERBILLIG, Helma, <strong>Wittlich</strong>er Straße 3, 54523 Hetzerath<br />
VALERIUS, Paul, Kasfeld, 54518 Dreis<br />
WAGNER, Eduard, Brunnenstraße 2, 54497 Morbach-Bischofsdhron<br />
WAGNER, Hiltrud, Lindenweg 11, 54484 Maring-Noviand<br />
Dr. WEITZ, Heinrich, Zum Zeppwingert 38, 56850 Enkirch<br />
WENDHUT, Helmut, Untere Kaiserstraße 8, 56841 Traben-Trarbach<br />
WERNER, Christel, Kalkturmstraße 10, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
WERNER, Fritz, Lautergasse 2, 54472 Veldenz<br />
WISNIEWSKI, Andreas, Talweg 7, 54589 Stadtkyll<br />
WITTENBECHER, Josefine, Allensteiner Straße 41, 54516 <strong>Wittlich</strong><br />
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BILD- und FOTONACHWEIS<br />
BENZ, Klaus, Mainz, S. 25<br />
Pater BERNARDO, Kath. Pfarramt Morbach, S. 183<br />
BINZEN, Arnold, Sehlem, S. 56 unten, 88, 92, 339, 341 oben, 342 oben, 343<br />
BOHN, Hermann, Morbach, S. 36<br />
BOTTLER, Willi, <strong>Bernkastel</strong>-Andel, Titelbild und S. 93<br />
BRAUN-ANDRES, Christa, Morbach-Wenigerath, S. 185<br />
CATHREIN, Hermann, Morbach, S. 147, 151<br />
DIEDENHOFEN, Hans, Platten, S. 89, 338<br />
GEORG, Hans-Dieter, Enkirch, S. 113<br />
GÖTZINGER, Helwin, Rubenheim, S. 26<br />
HAVENSTEIN, Ernst, Traben-Trarbach, S. 263<br />
HEINEMANN, Benedikt, Herforst, S. 124<br />
JOHN, Nora, TV <strong>Wittlich</strong>, S. 62, 63<br />
KREISARCHIV <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 135, 293<br />
KREISBILDARCHIV <strong>Bernkastel</strong>-<strong>Wittlich</strong>, S. 142, 242, 243<br />
KRÖTEN, Herbert, Salmtal-Dörbach, S. 341 unten, 342 unten<br />
KRÜTTEN, Helmut, Plein, S. 76, 79, 80 rechts oben, 80 Mitte rechts, 247<br />
KURVERWALTUNG MANDERSCHEID, S. 72, 73, 74, 75<br />
LAMBERTY, Heinz, Salmtal, S. 77 oben<br />
LANDESHAUPTARCHIV Koblenz, S. 174, 178<br />
LAUTWEIN, Walter, Klausen, S. 188<br />
MELSHEIMER, Marianne, <strong>Wittlich</strong>, S. 287, 289<br />
ORTWEIN, Dora, Traben-Trarbach, S. 337<br />
PRIVATARCHIV Klaus PETRY, <strong>Wittlich</strong>, S. 143<br />
PRESSESTELLE Kreisverwaltung, S. 17, 19, 20, 21, 22, 101<br />
ROTH, Michael, <strong>Bernkastel</strong>-Kues, S. 78, 80 links unten, 249 links oben und unten<br />
SCHAAF, Erwin, Kinderbeuern, S. 291<br />
SCHMITZ, Ansgar, TV <strong>Wittlich</strong>, S. 64<br />
SCHMITZ, Jakob †, Morbach-Hoxel, S. 96<br />
SANDTNER, Orgelbau, Dillingen, S. 27<br />
VALERIUS, Paul, Dreis, S. 11, 14, 15, 77 unten, 80 links unten, 80 Mitte links, 80 rechts unten, 119,<br />
248, 249 rechts oben, 398<br />
VERBANDSGEMEINDEVERWALTUNG THALFANG am Erbeskopf, S. 16<br />
VERKEHRSVEREIN MORBACH, S. 97<br />
Foto VON LINGEN, Bonn, S. 23 unten<br />
WINTER, Mike-D., Kurverwaltung Manderscheid, S. 33 oben, 35<br />
ZÜHMER, Thomas, <strong>Bernkastel</strong>-Kues, S. 128<br />
Die Verfasser stellten zum Teil eigene Fotos zur Verfügung.<br />
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