Aufbau_KK75.indd - Kleimann Gartengestaltung
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Gärten in Japan –<br />
Japanische Gestaltung der Gegenwart
» Gärten in Japan – Japanische GestaltunG der GeGenwart « 59<br />
» teXt und Bilder: hans-JoachiM kleiMann AUF DER AKTUELLEN WINTERREISE BESTAND FÜR DEN GÄRTNERMEISTER<br />
HANS-JOACHIM KLEIMANN WIEDER DIE MÖGLICHKEIT, DEN BEKANNTEN GAR-<br />
TENGESTALTER UND DESIGNER AKINARI ATSUSAWA ZU TREFFEN, DER IHM EINI-<br />
GE NEUE ANLAGEN UND PROJEKTE VORSTELLTE.<br />
Herr Atsusawa betreibt einen kleinen Gartenbaubetrieb in Saitama, nur wenige Kilometer nördlich von<br />
Wassergarten am Seijo-In-Tempel<br />
Tokyo. Zu seinen Kunden zählen vornehmlich private Auftraggeber, die etwas Besonderes und Unvergleichbares<br />
für Ihr Grundstück suchen.<br />
Individualität wird deshalb bei Herrn Atsusawa groß geschrieben. Sein Design-Gedanke steht über<br />
jedem seiner Projekte und allen gemeinsam ist ein einzigartiger Wiedererkennung-Effekt.<br />
Zunächst besuchen wir den kleinen Tempel Seijo-In, dessen<br />
Außenanlage von ihm im vergangenen Jahr von Grund<br />
auf neu überarbeitet worden war. Wichtig für ihn dabei<br />
war, die vorhandenen Gehölze, soweit sie gut und brauchbar<br />
waren, mit in die neue Anlage zu integrieren. Natürlich<br />
ist es zum Teil sehr aufwändig, alte Bäume aufzunehmen<br />
und entsprechend umzusetzen. Oftmals ändert sich die Topografi<br />
e eines Grundstücks und selbst, wenn Pflanzen im<br />
Grunde auf der Stelle bleiben könnten, müssen sie in ihrer<br />
Höhe korrigiert werden und die Ansichtseite gedreht werden.<br />
Dennoch ist für Herrn Atsusawa wichtig, einen Teil<br />
der vorhandenen Anlage zu übernehmen. Die Atmosphäre<br />
einer neuen Anlage ist nur dann fühlbar, wenn auch reifes<br />
Material vorhanden ist.<br />
Natursteinmauerwerk und lockere Bepflanzung schirmen den<br />
Garten nach außen ab<br />
Bereits von außen erkennt man sofort am Natursteinmauerwerk,<br />
wer hier die Finger im Spiel hatte. Große, bereits<br />
vorhandene Findlinge wurden dabei mit in das als „Ishizumi“<br />
bezeichnete Zyklopenmauerwerk übernommen.<br />
» koi kurier | 1-2013 «
60 »<br />
Gärten in Japan – Japanische GestaltunG der GeGenwart «<br />
San-zon-Seki nennt Sich die<br />
SteinSetzung, die Sich Sehr<br />
häufig am anfang japaniScher<br />
WaSSerfälle befindet.<br />
Das Highlight der Anlage ist der Wassergarten im Innenbereich. Von außen gegen Einblicke abgeschirmt<br />
durch einen Baumbuszaun, der sich nahtlos mit dem Ishizumi-Mauerwerk verbindet. Von vorn<br />
nicht zu erahnen, weil der Innenbereich hinter der Mauer über der Augenhöhe liegt.<br />
San-zon-seki nennt sich die Steinsetzung, die sich sehr häufig am Anfang japanischer Wasserfälle<br />
befindet. Drei aufrecht gestellte Steine in abgestufter Höhe beschreiben Buddha und zwei Zen-Mönche.<br />
Gleichzeit bilden sie im Dreieck versetzt den Rahmen für die Wasserquelle. Der Wasserlauf ist<br />
eingefasst durch Felsen, die durch ihre versetzte Anordnung und ihre variierende Höhe eine gewisse<br />
Naturhaftigkeit imitieren. Herr Atsusawa hat sie mit eingebohrten Eisenstangen im Beton darunter<br />
verankert. Der gesamte Wasserlauf gründet auf einem Betonbett. Nur so ist es möglich, die Steine in<br />
ihrer Einbindetiefe zu variieren und gleichzeitig Dichtigkeit zu gewährleisten.<br />
Damit das Wasser jedoch stufenweise über die eingelassenen<br />
flachen Platten fließt und einen gleichmäßigen<br />
Vorhang bildet, ist es wichtig, die hinterliegenden Bereich<br />
ebenfalls mit Beton aufzufüllen. Hierzu wird sogenannter<br />
Araidashi-Beton verwendet. Dem Material wird besonderer<br />
Perlkies zugefügt und gegebenenfalls Farbpigmente.<br />
Während des Abbindens wird dann die Oberfläche abgewaschen<br />
und dabei wie manuell hergestellter Waschbeton<br />
strukturiert.<br />
Vorhandene Findlinge wurden in das Ishizumi-Mauerwerk mit<br />
integriert. Der Bambuszaun schließt nahtlos an<br />
Die San-Zon-Seki-Steinsetzung als Quelle wird überdacht von<br />
einer geneigten Schwarzkiefer
» Gärten in Japan – Japanische GestaltunG der GeGenwart « 63<br />
Steine im Uferbereich sind bis zur Hälfte im Wasser eingebunden<br />
Die Bepflanzung besteht aus wenigen freistehenden Formgehölzen, die wiederum<br />
mit rund geschnittenen Azaleen und flachen Stauden unterpflanzt sind. Eine<br />
Besonderheit ist dabei zum Beispiel der große Kaizuka-Wacholder in Tamazukuri-<br />
Form. Diese Art ist auffällig durch ihre frischgrüne Farbe und ihren recht schnellen<br />
Wuchs. In Japan wird sie sonst vorwiegend als Heckenpflanze verwendet.<br />
Eine Besonderheit japanischer Anlagen ist die Betrachtungsrichtung. Der Blick aus<br />
dem Gebäude heraus verdient besondere Beachtung. Gerade bei einem Bauwerk<br />
wie dieser Tempelanlage, die über eine vorgelagerte Veranda, die sogenannte Engawa,<br />
verfügt, wird der Fensterrahmen beim Ausblick auf die Wasseranlage zu<br />
einer Art Bilderrahmen, der bestimmte Details der Szenerie umschließt.<br />
Wir verlassen die Anlage, um uns einem weiteren Projekt zu zuwenden. Ein Hausgarten,<br />
ebenfalls in Saitama, jedoch auf der anderen Seite der kleinen Stadt mit<br />
„nur“ 1,2- Millionen Einwohnern.<br />
eine beSonderheit iSt dabei zum<br />
beiSpiel der groSSe kaizuka-Wacholder<br />
in tamazukuri-form.<br />
Hinter dem Wasserfall steht ein geformter Kaizuka-Wacholder<br />
» koi kurier | 1-2013 «
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Gärten in Japan – Japanische GestaltunG der GeGenwart «<br />
Atsusawa hat hier im vergangenen Jahr Teile des Gartens überarbeitet und entlang der langen Einfahrt<br />
ein Ishizumi-Steinmotiv angelegt. Die dafür verwendeten Bruchsteine stammen aus der Gegend<br />
des Fuji und wurden alle von Hand mit Hammer und Meißel passgenau zugerichtet und mit Hinterbetonierung<br />
verbaut. Das geschwungene Zyklopenmauerwerk umgreift dabei einen eingearbeiteten<br />
Solitärfindling. Zum Einfahrt hin wurde eine kontrastierende Einfassung aus hellgefärbtem Araidashi<br />
eingearbeitet.<br />
Ishizumi an einer Grundstückszufahrt<br />
Einzelne aufrechte, gebrochene<br />
Steine kombiniert mit runder<br />
Pflanzenform<br />
Steinarbeiten wie diese sind „energiegeladen“ und „dominant“, erklärt Herr Atsusawa. Man kann so<br />
etwas nicht mit geformten Koniferen bepflanzen, die dieselben Attribute für sich in Anspruch nehmen.<br />
Geformtes Steinmaterial wird nur begleitet von flachen Azaleen und laubabwerfende Sträuchern, um<br />
die gestalterische Balance zu behalten, ist seine Philosophie.<br />
Wir durchschreiten die Eingangspforte, die von einer riesigen<br />
Monkaburi-Kiefer überdacht wird.<br />
Der dahinter liegende Hof bietet dabei eine fantastische<br />
Sammlung geformter Solitärgehölze und Azaleen.<br />
Interessant dabei ist wie immer die Art und Weise, wie<br />
die Pflanzen dabei in ihrer Form gehalten werden. Der einfache<br />
Karikomi-Schnitt der Azaleen-Büsche, der nach der<br />
Blüte ausgeführt wird, führt dabei zu einer sehr dichten<br />
Oberfläche. Gleichzeitig bekommen die Sträucher dabei<br />
ein großes „optisches Gewicht“. Ein ähnlicher Schnitt bei<br />
den aufrechten Bäumen würde bei diesen Kopflastigkeit<br />
und Disharmonie erzeugen. Die Kiefern werden deshalb<br />
ausgelichtet und die damit „leichte“ Krone schwebt über<br />
der Unterpflanzung. Somit ist wieder ein Zusammenspiel<br />
zweier Komponenten in ausgewogenem Verhältnis gegeben,<br />
was Herr Atsusawa wieder vereinfacht mit „Balance“<br />
bezeichnet.<br />
Schwarzkiefer, Monkaburi-Form<br />
Die ausgelichtete Krone der Schwarzkiefer „schwebt“ über<br />
den Azaleen
oben links: Eingangsportal mit ausgemauertem Torpfosten<br />
oben rechts: Sichtschutzwand mit Natursteinsockel<br />
links: Kutsunugi und einzelne Natursteinplatten sind im Araidashi-Beton eingebettet<br />
dieSer „SchuhauSzieh-Stein“ beSteht<br />
in der regel auS einem groSSen<br />
naturStein-felSen oder findling.<br />
Wir fahren weiter zum Garten der Familie Okamura, wo Atsusawa gerade einen neuen Hauseingang sowie<br />
ein Holzdeck als Terrasse fertiggestellt hat.<br />
Auch hier fallen sofort seine Natursteinarbeiten auf. Der Torpfosten, der eigentlich aus vier Granitpalisaden<br />
besteht, ist mit Natursteinmauerwerk ausgefüllt, dessen Form sich dann in der Zuwegung weiter<br />
fortsetzt.<br />
Eine daran anschließende Sichtschutzwand mit Lehmputz versperrt den Blick in den Innenraum der Anlage.<br />
Die Oberseite ist mit Dachziegeln, sogenannten Kawara, abgedeckt.<br />
Eine Besonderheit der japanischen Bauweise ist der höherliegende Innenraum der Gebäude und damit<br />
einher geht die Tatsache, das man fast jedes Gebäude über Stufen betritt. Dabei zugleich ist es üblich,<br />
sich der Schuhe zu entledigen, die nach japanischer Vorstellung im Haus nichts verloren haben. Somit hat<br />
sich als vereinfachte Treppenstufe nach innen der sogenannte „Kutsunugi-Ishi“ etabliert. Dieser „Schuhauszieh-Stein“<br />
besteht in der Regel aus einem großen Naturstein-Felsen oder Findling, dessen Oberund<br />
Rückseite flach gesägt wurde, damit eine ebener Trittfläche und ein dichter Anschluß an die Hauswand<br />
möglich ist. Auch so etwas findet in Atsusawas Gestaltung Verwendung, wenn es wie in diesem Fall<br />
darum geht, den Gartenraum und das darin befindliche Holzdeck vom Haus aus erreichbar zu machen.<br />
Abschließend besuchen wir noch eine aktuelle Baustelle, die durch Atsusawas Mitarbeiter und Gärtnermeister<br />
Koichi Horiuchi ausgeführt wird.<br />
Hier ist gerade der gesamte hintere Gartenbereich neu angelegt worden, eine Sichtschutzwand errichtet<br />
sowie der Rasen erneuert worden.<br />
Beetbegrenzung aus Naturstein. Dahinter japanischer Schlangenbart<br />
„Ophiopogon“<br />
» koi kurier | 1-2013 «
» Gärten in Japan – Japanische GestaltunG der GeGenwart « 67<br />
Rasen wird in Japan stets als Rollrasen verlegt, die braune Farbe ist dabei in Japan im Winter normal<br />
und auch bei länger bestehenden Flächen so üblich.<br />
Gerade wird an der Zuwegung gearbeitet, die sich aus Betonplatten und vor Ort gefertigtem Beton<br />
zusammen setzt. Seitlich wird dazu eine Schalung montiert, die Höhe und Richtung vorgibt.<br />
Herr Horiuchi, der in diesem Jahr auch für Projekte in Deutschland zur Verfügung steht, hat in diesem<br />
kleinen Garten auch eine Kinderspielecke mit Sandkasten vorgesehen sowie einen kleinen Abstellraum<br />
für Fahrräder, Gartengeräte und alles weitere, was in einem kellerlosen Haus keinen Platz fi ndet.<br />
gartengeStaltung in japan iSt<br />
eigentlich nicht SoViel anderS<br />
alS bei unS.<br />
Kinderspielecke aus geschälten Baumstämmen und Sandkasten<br />
Spätestens hier sollte einem nun klar werden, daß <strong>Gartengestaltung</strong><br />
in Japan eigentlich nicht soviel anders ist als bei uns und das<br />
Klischee von weitläufigen Kiesfl ächen und spartanischer Einrichtung<br />
eigentlich nur in der Fantasie derer existiert, die noch nie dort<br />
gewesen sind.<br />
Wegebau auf Japanisch: Schachbrettmuster aus Betonplatten<br />
und Araidashi<br />
Präzise Formgebung durch aufwändige Schalung