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Friedrich Rolle - Senckenberg Museum

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t<br />

Abb. 2<br />

Blick in <strong>Rolle</strong>s Botanisches<br />

Tagebuch, das Funde um<br />

Homburg aus den Jahren<br />

1868–1870 enthält.<br />

p<br />

Abb. 1<br />

Die naturwissenschaftlichen<br />

Daten von <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong><br />

sind in einer Vielzahl<br />

von Notizbüchern und<br />

Manuskripten enthalten. Die<br />

Mehrzahl der Archivalien<br />

wird im Gotischen Haus in<br />

Bad Homburg aufbewahrt,<br />

wo sie über ein Findbuch<br />

erschlossen sind.<br />

Fotos: Sven Tränkner<br />

Der Homburger Naturforscher<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> als Botaniker<br />

von Thomas Gregor, Stefan Dressler, Hans-Jürgen Dechent, Kurt Baumann &<br />

Ruth Barnich<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> aus Homburg vor der Höhe wirkte in der Zeit, als Darwins „The Origin of Species“<br />

auch in Deutschland bekannt wurde. Erkenntnisse zur Evolution, die auch er aus seinen geologischen<br />

und paläontologischen Studien ableitete, wurden damals höchst kontrovers diskutiert. <strong>Rolle</strong> war<br />

in Deutschland einer der führenden Köpfe innerhalb dieser Debatte. Sein Beitrag zur Durchsetzung<br />

des Evolutionsgedankens wurde bisher nicht ausreichend gewürdigt. Grund genug, das Werk<br />

<strong>Rolle</strong>s als Sammler und Beobachter der heimischen Flora vorzustellen.<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> wurde am 16. Mai 1827 in Homburg vor<br />

der Höhe geboren. Der spätere Geologe und Paläontologe<br />

interessierte sich schon in seiner Jugend für Gesteine und<br />

Fossilien. Aber er sammelte nicht nur Petrefakten, sondern<br />

auch Pflanzen. Während seiner Darmstädter Zeit als Schüler<br />

der Höheren Gewerbeschule und der darauf folgenden<br />

Apothekerlehre sammelte er in der Darmstädter Gegend einige<br />

Hundert Belege. Er erhielt auch Belege von Georg <strong>Friedrich</strong><br />

Schnittspahn (1819–1865), der Lehrer an der Höheren Gewerbeschule<br />

und ab 1855 Direktor des Botanischen Gartens war.<br />

Erste Publikationen schon im Studium<br />

Bereits als Student veröffentlichte <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> seine<br />

erste botanische Arbeit „Über die neu vorgefundenen Pflanzen<br />

im unteren Sandstein der Wetterau“ (<strong>Rolle</strong> 1852). 1857<br />

publizierte er über fossile Pflanzen in der Steiermark, 1877<br />

folgten Funde zu fossilen Pflanzen bei Bad Homburg, 1885<br />

Weitere Aufzeichnungen, u. a. zur Flora der Umgebung von<br />

Homburg sind, (i) ein Notizbuch zu Exkursionen 1868, (ii) ein<br />

Notizbuch zu Exkursionen 1870, (iii) eine „Enumeratio planund<br />

1887 erschienen die von ihm geschriebenen Kapitel<br />

zu Kryptogamen (blütenlose Pflanzen) bzw. Phanerogamen<br />

(Blütenpflanzen) im Handbuch der Mineralogie, Geologie<br />

und Palaeontologie. Bekannt wurde <strong>Rolle</strong> zu Lebzeiten vor<br />

allem als entschiedener Verfechter des Darwinismus (Martin<br />

& Uschmann 1969, Martin 1987). 1863 erschien sein<br />

Buch „Chs. Darwin‘s Lehre von der Entstehung der Arten im<br />

Pflanzen- und Thierreich in ihrer Anwendung auf die Schöpfungsgeschichte“.<br />

1866 veröffentlichte er den zu dieser Zeit<br />

sehr kontroversen Titel „Der Mensch, seine Abstammung<br />

und Gesittung im Lichte der Darwin‘schen Lehre von der<br />

Art-Entstehung und auf Grundlage der neuern geologischen<br />

Entdeckung dargestellt“. <strong>Rolle</strong>s Beitrag zur Pflanzenwelt<br />

der Region (Floristik) ist bisher kaum gewürdigt worden.<br />

Lediglich Wilhelm Helwig (1941 und 1943) beschäftigte sich<br />

mit diesem Thema und hob dabei vor allem die lebendige<br />

Schilderung von Flora und Geografie in seinen Tagebüchern<br />

hervor.<br />

<strong>Rolle</strong>s botanischer Nachlass<br />

Schon als Jugendlicher hatte <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> in seiner Homburger<br />

Heimat botanisiert. Seine Ergebnisse fasst er 1847<br />

in einer Artenliste des Amtes Homburg zusammen, die mit<br />

Fundortangaben angereichert ist (Abb. 8). So fand er Sand-<br />

Glöckchen (Jasione montana), Rundblättrige Glockenblume<br />

(Campanula rotundifolia) und Schwalbenwurz (Vincetoxicum<br />

hirundinaria) am Rabenstein; Preisselbeere (Vaccinium vitisidaea)<br />

auf dem Feldberg. Fieberklee (Menyanthes trifoliata)<br />

kannte er von Kirtorf und Dornholzhausen. Und dass Flieder<br />

verwilderte, ist selbst ohne genaue Ortsangabe für heutige<br />

Botaniker von Interesse.<br />

Das bedeutendste Dokument seiner botanischen Aufzeichnungen<br />

ist sicher sein „Botanisches Tagebuch. Homburg vor<br />

der Hoehe. 1868. 1869. 1870“ (Abb. 2), welches im Stadtarchiv<br />

Bad Homburg aufbewahrt wird. Es wurde um 1987<br />

von Irmgard Färber transkribiert, der es gelang, die mitunter<br />

kaum lesbare Handschrift <strong>Rolle</strong>s zu entziffern. Kopien der<br />

Abschriften befinden sich im Forschungsinstitut <strong>Senckenberg</strong>,<br />

in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main sowie<br />

am Aufbewahrungsort. In diesem Werk sind außer Funden<br />

von <strong>Rolle</strong> auch viele Funde von Medicinalrat Dr. Heinrich<br />

Ludwig Philip Will und Stadtpfarrer Johann <strong>Friedrich</strong> Encke<br />

(beide aus Homburg) enthalten. Die Aufzeichnungen sind<br />

zumeist chronologisch geordnet, es finden sich aber auch<br />

Übersichten zu einzelnen Gattungen, Zusammenstellungen<br />

von Literaturangaben oder ein Blühkalender. So verzeichnet<br />

er für seinen Geburtstag 1870 einen Fund des Doldigen<br />

Milchsterns (Ornithogalum umbellatum) durch Dr. Will im<br />

Schlossgarten, in den Wiesen an der Grotte. Die Pflanze<br />

kommt hier heute nicht mehr vor. Auch die Grotte ist verschwunden.<br />

An ihrer Stelle befindet sich heute ein Brunnen.<br />

tarum“ mit Beobachtungen von 1871, (iv) ein Notizbuch mit<br />

botanischen Beobachtungen zwischen 1868 und 1874 sowie<br />

ein (v) Manuskript „Phanerogamen u. Gefäßkryptogamen<br />

der mittleren Rhein- und Maingegend mit besonderer Rücksicht<br />

auf den Taunus“. Außer den letztgenannten Werken (iv<br />

und v), die sich in der Abteilung Botanik des <strong>Senckenberg</strong><br />

Forschungsinstituts befinden, werden die Archivalien im<br />

Stadtarchiv in Bad Homburg im Gotischen Haus verwahrt. Im<br />

Stadtarchiv befinden sich weiterhin vier gebundene Notizbücher<br />

über Kryptogamen sowie zahlreiche lose Notizen zu den<br />

Kapiteln Kryptogamen und Phanerogamen im Handwörterbuch<br />

der Mineralogie, Geologie und Paläontologie.<br />

Weiterhin brachte er zahlreiche Belege aus seiner Zeit als Aufnahme-Geologe<br />

in der Steiermark (1853–1857) mit, von denen<br />

sich heute ca. 690 in der Sammlung Will im <strong>Senckenberg</strong><br />

Kurzer Lebenslauf von <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong><br />

1827 geboren in Homburg v. d. H.<br />

1833–1837 Volksschule in Homburg<br />

1837–1843 Weiterführende Schulbildung in Homburg, Straßburg<br />

und Darmstadt<br />

1843–1844 Höhere Gewerbeschule Darmstadt<br />

1844 Apothekerlehrling in Darmstadt<br />

1845–1846 Praktikant in Holzappel (Berg- und Hüttenverwaltung)<br />

1846 Studium in Gießen<br />

1848 Student in Bonn; Gehilfe bei Krantz Rheinisches Mineralien-Kontor<br />

1851 Studium in Tübingen<br />

1852 Promotion zum Dr. phil.<br />

1853–1857 Aufnahme-Geologe in der Steiermark für den geognostisch-montanistischen<br />

Verein<br />

1857–1859 Assistent am k. & k. Hofmineralienkabinett in Wien<br />

1859–1862 Custos-Adjunct am k. & k. Hofmineralienkabinett in Wien<br />

1862 Rückkehr nach Homburg: hier tätig als praktischer Geologe, Berater,<br />

Gutachter, Petrefaktenhändler<br />

1865–1872 Wiss. Ratgeber bei der Neufassung der Homburger Mineralquellen<br />

1872–1874 Geologische Aufnahmen im Saar-Nahe-Gebiet für die Preußische Geologische<br />

Landesaufnahme<br />

1875–1879 Geologische Aufnahme des Tessiner Blattes Chiavenna-Bellinzona für<br />

den Schweizerischen „Dufour-Atlas“ 1:1000000<br />

1881–1886 Mitarbeit am „Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie“<br />

von Kenngott und Lasaulx<br />

1887 Freitod in Homburg<br />

290 Forschung<br />

SENCKENBERG – natur • forschung • museum 143 (9/10) 2013<br />

SENCKENBERG – natur • forschung • museum 143 (9/10) 2013 Forschung<br />

291


Die Herbarbelege des jungen <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> aus den Jahren<br />

1843 bis 1845 stammen bis auf wenige Ausnahmen aus der<br />

Umgebung von Darmstadt. Zu den bedeutendsten Belegen<br />

seines Herbariums zählt die Aufrechte Weißmiere (Moenchia<br />

erecta), die er auf einer trockenen steinigen Wiese am<br />

Park im Mai 1843 fand. Auf Torfwiesen hinter Griesheim<br />

sammelte er Sumpf-Knabenkraut (Orchis palustris) und den<br />

Röhrigen Wasserfenchel (Oenanthe fistulosa), bei Traisa<br />

auf Torfwiesen nahe dem Dippelhof Glanzstendel (Lipau<br />

Abb. 3<br />

Interessierte (im Bild<br />

der Erstautor) können<br />

das Herbarium <strong>Rolle</strong>s<br />

im Lesesaal des Gotischen<br />

Hauses nach Anmeldung<br />

einsehen.<br />

t<br />

Abb. 4–7<br />

Heute seltene Pflanzenarten<br />

im Herbarium <strong>Rolle</strong>.<br />

Oben links: Großer kelchiger<br />

Mannschild (Androsace<br />

maxima), gesammelt 1843 in<br />

Weinbergen bei Nierstein am<br />

Rhein.<br />

Oben rechts: Salzbunge<br />

(Samolus valerandi), 1844 an<br />

Feldgräben zwischen Griesheim<br />

und Wolfkehlen gesammelt.<br />

Hier kommt die Pflanze<br />

heute nicht mehr vor. Sie<br />

kann aber nur wenige Kilometer<br />

nordwestlich zwischen<br />

Leeheim und Geinsheim<br />

heute noch häufig angetroffen<br />

werden (Gregor et al. 2012).<br />

Für Bad Homburg und Umgebung bildet das Herbarium<br />

<strong>Rolle</strong> eine sehr wichtige Grundlage, um den Landschaftswandel<br />

der letzten 150 Jahre zu dokumentieren. Besonders<br />

auffällig sind die Verluste einiger artenreicher Feucht- und<br />

Nasswiesen. Ein bedeutendes Beispiel stellen die „Audenwiesen“<br />

dar, eine Nachtweide, die Zugvieh, das tagsüber<br />

zur Feldarbeit benötigt wurde, in Sommernächten als Weibefinden.<br />

Viele Belege aus seiner Homburger Zeit (zwischen<br />

1868 und 1871), aber auch von seinen Aufnahmen im Saar-<br />

Nahe-Gebiet und im Tessin befinden sich im Herbarium <strong>Rolle</strong>.<br />

Dieses ist im Stadtarchiv von Bad Homburg untergebracht und<br />

umfasst etwa 1200 Bögen verteilt auf 15 Mappen.<br />

Das Herbarium lag Wilhelm Helwig Anfang der 1940er<br />

Jahre noch vor, allerdings geriet der gesamte Nachlass später<br />

kriegsbedingt in Unordnung, sodass Gerald Martin es<br />

bei seinen Recherchen für seine <strong>Rolle</strong>-Biografie (s. Martin<br />

& Uschmann 1969) im Stadtarchiv nicht vorfand. Tatsächlich<br />

war es aber immer dort, verborgen zwischen anderen<br />

Akten. Bei einer neuen Aufstellung von <strong>Rolle</strong>s Nachlass im<br />

Magazin des Stadtarchivs Ende der 1980er Jahre wurde das<br />

Herbarium dann wiedergefunden und kann heute problemlos<br />

genutzt werden (Abb. 3).<br />

Das <strong>Rolle</strong>sche Herbarium<br />

ris loeseli) und bei der Ludwigseiche nahe Ober-Ramstadt<br />

Gewöhnliche Simsenlilie (Tofieldia calyculata) und Einknollige<br />

Honigorchis (Herminium monorchis). Alle diese Arten<br />

sind an den genannten Fundorten seit Langem erloschen.<br />

Die beiden Orchideen Sumpf-Knabenkraut und Glanzstendel<br />

sowie die Gewöhnliche Simsenlilie sind in Hessen mittlerweile<br />

ausgestorben.<br />

Auch für Rheinland-Pfalz sind in seinem Herbarium wichtige<br />

Belege enthalten. Am 18. Juni 1843 führte ihn eine Tagestour<br />

in die Weinberge bei Oppenheim und Nierstein. Einige der<br />

Pflanzenarten, die er dort vor nun fast 170 Jahren sammelte,<br />

sind heute sehr selten geworden oder sogar in der Umgebung<br />

von Oppenheim und Nierstein ausgestorben, so zum Beispiel<br />

Rauer Eibisch (Althaea hirsuta), Großkelchiger Mannsschild<br />

(Androsace maxima; Abb. 4), Acker-Ringelblume (Calendula<br />

arvensis), Möhren-Haftdolde (Caucalis platycarpos) und<br />

Gewöhnlicher Igelsame (Lappula squarrosa).<br />

150 Jahre Landschaftswandel dokumentiert<br />

Unten links: Deutscher<br />

Kranzenzian (Gentianella<br />

germanica) von der<br />

Ludwigseiche bei Darmstadt.<br />

Gemeint ist wahrscheinlich<br />

eine Ludwigseiche bei<br />

Ober-Ramstadt. Die Art ist in<br />

Südhessen ausgestorben.<br />

Unten rechts: Gottes-Gnadenkraut<br />

(Gratiola officinalis)<br />

aus Rheinwiesen gegenüber<br />

von Oppenheim (Juni 1843).<br />

In diesem Bereich wurde die<br />

heute in Hessen ausgestorbene<br />

Pflanze letztmals 1961<br />

von Dieter Korneck gefunden<br />

(Hodvina 2010).<br />

292 Forschung<br />

SENCKENBERG – natur • forschung • museum 143 (9/10) 2013<br />

SENCKENBERG – natur • forschung • museum 143 (9/10) 2013 Forschung<br />

293


Die Autoren<br />

Dr. Thomas Gregor studierte Biologie an der Freien Universität Berlin und schrieb seine Promotion<br />

an der Technischen Universität Berlin. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete er am<br />

Bundesamt für Naturschutz, an der Universität Vechta und seit 2009 ist er am Forschungsinstitut<br />

<strong>Senckenberg</strong> tätig. Seine Habilitation erarbeitete er an der Universität Vechta. Arbeitsschwerpunkte<br />

sind die Erforschung der Flora Hessens sowie die Ökologie apomiktischer Pflanzen.<br />

p<br />

Abb. 8<br />

Dieses Büchlein enthält<br />

die 1847 zusammengestellte<br />

Artenliste des Amtes<br />

Homburg.<br />

deort diente. In diesem Feuchtgebiet, das direkt an die<br />

Homburger Kuranlagen angrenzte, sammelte <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong><br />

Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata) und Kleines<br />

Knabenkraut (Orchis morio), zwei Arten, die in der Flora der<br />

Umgebung Bad Homburgs sehr selten geworden sind. 1913<br />

ließ die Stadt Bad Homburg die Wiesen von Philipp Siesmayer<br />

(1862–1935), Sohn des berühmten Gartenarchitekten<br />

Franz Heinrich Siesmayer (1817–1900), in eine Parkanlage,<br />

den „Jubiläumspark“ umwandeln. Auch Arten deutlich<br />

trockenerer, magerer Standorte, wie das Gewöhnliche Katzenpfötchen<br />

(Antenaria dioica), die <strong>Rolle</strong> in den „Unteren<br />

Rosengärten“ bei Oberstedten in den Jahren 1869 und 1870<br />

sammelte, sucht man heute im Umfeld der Stadt vergebens.<br />

Andererseits belegt das Herbarium <strong>Rolle</strong>, dass einige<br />

Pflanzenarten bereits zu seiner Zeit Bestandteil der Bad<br />

Homburger Flora waren, wie zum Beispiel die Dickblättrige<br />

Fetthenne (Sedum dasyphyllum), welche er an „Mauern bei<br />

Oberstedten“ sammelte. Diese Verwilderung einer Pflanze<br />

aus Gartenkultur ist auch heute noch bei der alten Schule<br />

zu beobachten.<br />

Bisherige Auswertungen <strong>Rolle</strong>s botanischen<br />

Nachlasses<br />

Helwig (1941) publizierte Anmerkungen zur Anordnung der<br />

biologischen Daten und hob die organische Gesamtschau<br />

der Natur durch <strong>Rolle</strong> hervor – im 19. Jahrhundert eine<br />

ungewöhnliche Herangehensweise. Hans-Jürgen Dechent<br />

und Kurt Baumann haben zwischen 1990 und 1993 eine<br />

Auswertung des Herbariums vorgenommen. Dabei wurden<br />

bis auf die Kryptogamen alle Bestimmungen kontrolliert<br />

und ein Transkript der Etikettentexte erstellt. Wichtige<br />

Belege wurden zudem fotokopiert (Archiv der Abt. Botanik,<br />

<strong>Senckenberg</strong> Forschungsinstitut). Der Botaniker<br />

Stefan Nawrath hat Angaben <strong>Rolle</strong>s sowohl für seine<br />

Diplomarbeit im Fach Biologie (Nawrath 1995) als auch<br />

für seine Dissertation (Nawrath 2005) verwendet. 2012<br />

wurden schwer zu bestimmende Belege nochmals durch<br />

Hans-Jürgen Dechent, Stefan Dressler und Thomas Gregor<br />

überprüft.<br />

Mögliche weitere Auswertungen <strong>Rolle</strong>s<br />

botanischen Nachlasses<br />

Helwig (1941) schätzte, dass in <strong>Rolle</strong>s Nachlass etwa 2 000<br />

Fundorte verzeichnet seien. Diese Zahl erscheint etwas zu<br />

hoch angesetzt. Die Erstellung eines Ortsregisters der beobachteten<br />

und gesammelten Arten ist eine wichtige Aufgabe.<br />

Ein derartiges Register wäre Grundlage für die Nachsuche<br />

von Funden. Dies ist eine Aufgabe für Archivforscher, wobei<br />

botanische Spezialkenntnisse nicht unbedingt erforderlich<br />

sind. Die Nachsuche der lokalisierbaren Angaben ist eine<br />

interessante Tätigkeit für einen botanischen Arbeitskreis<br />

und könnte auch ihren Platz im laufenden Projekt zur Kartierung<br />

der Flora des Taunus finden. Darauf könnte dann als<br />

Zulassungsarbeit einer Hochschule die Rekonstruktion der<br />

Bad Homburger Florengeschichte als Teil der Landschaftsgeschichte<br />

der letzen 150 Jahre erfolgen.<br />

Fazit und Ausblick<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> war im Laufe seines Lebens als Wissenschaftler<br />

in vielen verschiedenen Bereichen und an<br />

verschiedenen Orten tätig. So blieb die von <strong>Rolle</strong> bereits als<br />

Student begonnene naturwissenschaftliche Beschreibung<br />

des östlichen Taunus leider unvollendet. Auch wir können<br />

heute dieses Projekt im Bereich der Flora nicht mehr vervollständigen.<br />

Viele Standorte sind verloren, ihre Flora ist<br />

undokumentiert geblieben. Vor dem Hintergrund einer durch<br />

Bewirtschaftungs- und Klimawandel sich verändernden<br />

Flora sind botanische Nachlässe wie der von <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong><br />

von unschätzbarem Wert, erlauben sie uns doch, ein lebendiges<br />

Bild des Landschaftswandels zu entwerfen.<br />

Die Forscher jedoch müssen von Archiven wie dem Herbar<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong>s aber erst einmal erfahren, um es nutzen<br />

zu können. Das Stadtarchiv in Bad Homburg würdigte den<br />

Wissenschaftler anlässlich seines 125. Todestages mit der<br />

Veranstaltungsreihe „<strong>Friedrich</strong>-<strong>Rolle</strong>-Gedenkjahr 2012“ und<br />

leistete zur Bekanntmachung des Herbars einen profunden<br />

Beitrag. Das ist ein guter Anfang. Jetzt müssten die historischen<br />

Quellen auch noch so aufgearbeitet werden, dass<br />

sie mit modernen wissenschaftlichen Recherchemethoden<br />

gefunden und ausgewertet werden können. Eine Digitalisierung<br />

wäre hier der Königsweg! Erst dann können jetzige und<br />

künftige Forschergenerationen die darin schlummernden<br />

Informationsschätze heben.<br />

Der Botaniker Dr. Stefan Dressler promovierte in Berlin und arbeitete als Post-Doc am Rijksherbarium<br />

Leiden/Niederlande, bevor er 1997 als Sektionsleiter Phanerogamen 2 am <strong>Senckenberg</strong><br />

Forschungsinstitut begann. Hier betreut er u. a. die Samenpflanzen am Herbarium <strong>Senckenberg</strong>ianum<br />

Frankfurt/M. In diesem Zusammenhang erfolgen auch immer wieder Forschungen an<br />

auswärtigen historischen Herbarien.<br />

Hans-Jürgen Dechent arbeitete nach seiner Ausbildung zum Dipl.-Ing. Umweltschutz ab 1985<br />

für fünf Jahre bei <strong>Senckenberg</strong> im Projekt „Stadtbiotopkartierung Frankfurt“. Anschließend<br />

war er über drei Jahre für die Universität Mainz im Projekt „Stadtbiotopkartierung Mainz“ tätig.<br />

Seit 1994 betreibt er ein Ingenieurbüro. Zu seinen Interessen zählen die botanische Erforschung<br />

von Rheinland-Pfalz sowie die floristische Erforschungsgeschichte des Rhein-Main-Gebiets.<br />

Kurt Baumann ist pensionierter Studienrat und Ehrenamtlicher Mitarbeiter der Abteilung Botanik<br />

und molekulare Evolutionsforschung bei <strong>Senckenberg</strong> in Frankfurt/M. Sein besonderes<br />

Interesse gilt hier der mittel- und südeuropäischen Flora. Er war maßgeblich am Aufbau des<br />

Hessen-Herbars beteiligt und hat auch das Herbarium von <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> gesichtet.<br />

Die Biologin Dr. Ruth Barnich promovierte 1985 in Münster und arbeitete seither überwiegend<br />

am <strong>Senckenberg</strong> Forschungsinstitut. Ihr Forschungsschwerpunkt sind Meeresborstenwürmer,<br />

sie hat sich aber auch immer wieder mit der digitalen Erfassung von Sammlungen befasst. 2012<br />

hat Ruth Barnich für das Stadtarchiv Bad Homburg den Nachlass <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong>s in einer<br />

Online-Datenbank katalogisiert. Inzwischen führt sie als Principal taxonomist für ein privates<br />

Unternehmen in Großbritannien Biodiversitätsstudien durch.<br />

Kontakt (korresp. Autor): Dr. Thomas Gregor, <strong>Senckenberg</strong>, Abteilung Botanik und Molekulare<br />

Evolutionsforschung, <strong>Senckenberg</strong>anlage 25, D-60325 Frankfurt am Main; thomas.gregor<br />

@senckenberg.de<br />

Schriften<br />

Gregor, T., Hodvina, S., Barth, U., Bönsel, D., Feuring, M. & Uebeler, M. (2012): Weiterführung der hessischen Florenliste. – Botanik und Naturschutz in Hessen, 24:<br />

71 –105, Frankfurt/M. & Gregor, T., König, A., Korte, E., Mika, M. & Müller, C. (2012): Gewässermakrophyten in Gräben der Oberrhein- und Untermainebene. – Botanik<br />

und Naturschutz in Hessen, 25: 15 –30, Frankfurt/M. & Helwig, W. (1941): <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong>s Beitrag zur Erfassung der Taunusflora. – Volk und Scholle 19 (2): 17–21,<br />

Darmstadt. & Helwig, W. (1943): <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong>, 1827 bis 1887. – Nassauische Lebensbilder, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen-Nassau,<br />

Bd X (2): 222–236. & Hemm K., Barth, U., Buttler, K. P., Frede, A., Kubosch, R., Gregor, T., Hand, R., Cezanne, R., Hodvina, S., Mahn, D., Nawrath, S., Huck, S. &<br />

Uebeler, M. (2008): Rote Liste der Farn- und Samenpflanzen Hessens, 4. Fassung. – Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Wiesbaden.<br />

187 Seiten. & Hodvina, S. (2010): Das Gnadenkraut (Gratiola officinalis) in Hessen. – Botanik und Naturschutz in Hessen, 23: 35 –54, Frankfurt/M. & Martin<br />

G. P. R. & Uschmann, G. (1969): <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> (1827–1887) – ein Vorkämpfer neuen biologischen Denkens in Deutschland. – Johann Ambrosius Barth, Leipzig. 151<br />

Seiten. & Martin, G. P. R. (1987): <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong>. Ein vergessener Darwinist der ersten Stunde. – Natur und <strong>Museum</strong> 117 (7): 216–222, Frankfurt am Main. & Martin,<br />

G. P. R. (1987): Ein Leben für die Wissenschaft – Erinnerungen an Dr. <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong>. – Geolog. Arbeitskreis der VHS (Hrsg.): Dr. <strong>Friedrich</strong> <strong>Rolle</strong> 1827–1887 – ein<br />

Bad Homburger Naturforscher: 1–89, Bad Homburg. & Nawrath, S. (1995): Feuchtgebiete der Umgebung von Bad Homburg vor der Höhe. – Botanik und Naturschutz<br />

in Hessen, Beiheft, 7: 1–168, 6 Folien, Frankfurt/M. & Nawrath S. (2005): Flora und Vegetation des Grünlands im südöstlichen Taunus und seinem Vorland. – Dissertation<br />

beim Fachbereich Biologie und Informatik der Johann-Wolfgang-Universität, Frankfurt am Main. 362 Seiten, Anhang: 117 Seiten, 5 Tabellen. & <strong>Rolle</strong> F.<br />

(1852): [Ohne Titel, zu Pflanzen-Resten des älteren Sandsteins der Wetterau]. – Neues Jahrbuch für Mineralogie. Geognosie, Geologie und Petrefakten-Kunde, 1852:<br />

58–59, Stuttgart. & <strong>Rolle</strong> F. (1857): Die in der Steiermark vorkommenden Tier- und Pflanzenreste der Vorwelt und ihre Beziehung zum Baue der Gebirge und zur<br />

Geschichte der Erde überhaupt. – Der Aufmerksame, 1857: 297–301, 329–333, 377–381, 408–411, 440–443, 490–491, 504–506, 521–525, Graz. & <strong>Rolle</strong> F. (1863):<br />

Ch.‘s Darwins Lehre von der Entstehung der Arten im Pflanzen- und Thierreich in ihrer Anwendung auf die Schöpfungsgeschichte. – Hermann, Frankfurt am Main. 274<br />

Seiten. & <strong>Rolle</strong> F. (1866): Der Mensch, seine Abstammung und Gesittung im Lichte der Darwin‘schen Lehre. Von der Art-Entstehung und auf Grundlage der neuern<br />

geologischen Entdeckungen dargestellt. – Hermann, Frankfurt am Main. IX & 360 Seiten. & <strong>Rolle</strong> F. (1877): Über ein Vorkommen fossiler Pflanzen zu Obererlenbach<br />

(Wetterau). – Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1877: 769–783, Stuttgart. & <strong>Rolle</strong> F. (1885): Kryptogamen. – In: Kenngott, J. G. A. & Foerster, W. (Hrsg.): Handwörterbuch<br />

der Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Band 2, 211–277. Trewendt, Breslau. & <strong>Rolle</strong> F. (1887): Phanerogamen. – In: Kenngott, J. G. A. & Foerster, W.<br />

(Hrsg.): Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Band 3, 1–85. Trewendt, Breslau.<br />

294 Forschung<br />

SENCKENBERG – natur • forschung • museum 143 (9/10) 2013<br />

SENCKENBERG – natur • forschung • museum 143 (9/10) 2013 Forschung<br />

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