FUTURES
Publikation zum 2. Jubiläum von PLATFORM3 München, als Ergänzung zum Künstlerkatalog PLATFORM3 works. Die Natur dieser Publikation ist ausdrücklich dokumentarisch. Fotografien: Jörg Koopmann. Herausgeber: Birgit Pelzmann, Nikolai Vogel, Marlene Rigler für PLATFORM3-Räume für zeitgenössische Kunst. München, 2011
Publikation zum 2. Jubiläum von PLATFORM3 München, als Ergänzung zum Künstlerkatalog PLATFORM3 works. Die Natur dieser Publikation ist ausdrücklich dokumentarisch. Fotografien: Jörg Koopmann.
Herausgeber: Birgit Pelzmann, Nikolai Vogel, Marlene Rigler für PLATFORM3-Räume für zeitgenössische Kunst. München, 2011
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die sich weitaus eher mit dem ökonomisch geprägten Begriff des<br />
Transfers umschreiben lassen, als mit dem neoplatonischen<br />
panta rei. Und auch das Präfix ‚post‘, sei es das der Moderne oder<br />
des Kolonialismus, hat offenbar ausgedient und dem buchstäblichen<br />
Gemeinplatz der Globalisierung, Zukunftschimäre per se,<br />
Platz gemacht. Oder, wie Arif Dirlik in einem Text formuliert, der sich<br />
mit dem ‚danach‘ einer Revolution beschäftigt: „in the age of flexible<br />
production, we all live in the borderlands.“<br />
Die durch die Postmoderne profilierte Ortlosigkeit allerdings,<br />
in der kausale Zusammenhänge von Zeit und Ort austauschbar<br />
werden, scheint auf dem Rückzug. So haben etwa die revolutionären<br />
Aufstände, die im Kampf für eine bessere Zukunft in den letzten<br />
Wochen den gesamten Mittleren Osten umwälzten, nicht nur Auswirkungen<br />
auf den Rest der Welt, die mit einer Mischung aus<br />
Besorgnis und Begeisterung mittels der allgegenwärtigen Medienrealität<br />
teilnehmen konnte, sondern waren vornehmlich im virtuellen<br />
Raum initiiert worden, um dann im realen Raum ausgetragen zu<br />
werden. Etwa Indiz dafür, dass nicht nur der Raum wieder da ist,<br />
wie Raumtheoretiker im Zuge des spatial turn ausrufen, sondern<br />
auch Zeit wieder eine größere Rolle spielt?<br />
Bleiben wir noch einen Moment in diesem hybriden Grenzgebiet,<br />
zwischen hier und dort, gestern und morgen, im Jetzt des<br />
Umbruchs und der Veränderung. Denn so, wie die Zukunft immer auch<br />
die Vergangenheit in sich trägt und damit das, was einmal Gegenwart<br />
war, schwingt in der Gegenwart immer auch schon die Zukunft<br />
mit, ruft das alles-ist-möglich des morgen immer wieder Neuanfang<br />
und seinen vielbeschworenen Zauber auf.<br />
Doch schon ist er vergangen, dieser Augenblick, der zu<br />
verweilen sich schon Fausts Überzeugungskünsten widersetzte. Und<br />
schon sind wir ein weiteres Stück in die Zukunft gerückt, die nach<br />
wie vor unbestimmbar bleibt. Zwar vertraut man heute auf Hochrechnungen,<br />
Messwerte und Prognosen mit einer ähnlichen Überzeugung,<br />
wie einst auf die berauschten Orakelsprüche, vergisst aber heute<br />
wie damals häufig, dass letztendlich die Fragestellung wie die Interpretation<br />
über jegliche Aussage entscheiden. Und vielleicht wollen<br />
wir auch gar nicht alles wissen. Zwar nimmt es ein wenig von der<br />
Furcht, wenn die multiplen Wahrscheinlichkeiten der Zukunft durch<br />
Wahrsagen oder auch Hochrechnen in einen einzigen Handlungsstrang<br />
kanalisiert werden. Aber es nimmt eben auch das aufregende<br />
Kribbeln.<br />
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