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FUTURES

Publikation zum 2. Jubiläum von PLATFORM3 München, als Ergänzung zum Künstlerkatalog PLATFORM3 works. Die Natur dieser Publikation ist ausdrücklich dokumentarisch. Fotografien: Jörg Koopmann. Herausgeber: Birgit Pelzmann, Nikolai Vogel, Marlene Rigler für PLATFORM3-Räume für zeitgenössische Kunst. München, 2011

Publikation zum 2. Jubiläum von PLATFORM3 München, als Ergänzung zum Künstlerkatalog PLATFORM3 works. Die Natur dieser Publikation ist ausdrücklich dokumentarisch. Fotografien: Jörg Koopmann.
Herausgeber: Birgit Pelzmann, Nikolai Vogel, Marlene Rigler für PLATFORM3-Räume für zeitgenössische Kunst. München, 2011

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Patricia Lincke<br />

„The future is wide open“ –<br />

vom Wahrsagen und Hochrechnen<br />

Sara Duana Meyer<br />

Wahrsager haben heutzutage kein sonderlich hohes Ansehen.<br />

Und auch Propheten haben es schwer, obgleich das Bedürfnis der<br />

Menschen zu wissen, was geschehen wird, nicht geringer geworden<br />

ist seit den Tagen, als Delphi als Mittelpunkt der Welt galt –<br />

bestimmt durch das zugegebenermaßen eher vage GPS zweier<br />

Adler, ausgesandt von Zeus, vom jeweils anderen Ende der Welt.<br />

Bereits in diesem Bild, das den Ort des Wissens über die Zukunft zum<br />

Zentrum der Welt bestimmt, überlappen sich die Zeit- und Raumkoordinaten,<br />

oder vielmehr, wird das Verständnis von Zeit als vierter<br />

Dimension des Universums deutlich.<br />

Was lässt sich über den Begriff der Zukunft sagen?<br />

Zunächst nicht viel – schließlich ist ihre spezifischste Eigenschaft<br />

ihre Unbestimmtheit. Sie kann düster sein oder rosig, verheißungsvoll<br />

oder furchteinflößend. Nichts ist aufregender als die Frage nach der<br />

Zukunft, und solange Zukunft das bleibt, was sie ausmacht – nämlich<br />

noch nicht hier – ist alles möglich, kann man sogar vom Plural, von<br />

multiplen Wahrscheinlichkeiten sprechen.<br />

In einem Gedankensystem, das den Gesetzen der Physik<br />

und einer linearen Zeitrechnung folgt, ist sie aber noch etwas –<br />

nämlich in jedem Fall unvermeidbar. Hier liegt auch ihr ureigenstes<br />

Paradoxon: Zukunft folgt auf die Gegenwart, wodurch sich der<br />

Blick zwangsläufig auf ein ‚danach‘ statt ein ‚voraus‘ richtet. Dies<br />

bedeutet auch, dass das, was wir als Gegenwart verstehen, jener<br />

flüchtige Moment des Transits, des Dazwischen, unvermeidbar<br />

da endet, wo die Zukunft beginnt – nicht umsonst drückt sich die ambivalente<br />

Furcht vor der Ungewissheit dessen, was sein wird, in Endzeitreporten<br />

und apokalyptischen Weltuntergangszenarien aus.<br />

Auch in der Kunst, oder eher, den Künsten, Experimentierfeld<br />

und Projektionsfläche dessen, was die Gesellschaft bewegt,<br />

gab es immer wieder intensive Auseinandersetzungen mit dem, was<br />

‚Zukunft‘ sein kann und wird. Leidenschaftlich verachteten beispielsweise<br />

die Futuristen zu Beginn des 20. Jahrhunderts all das, was<br />

ihnen traditionell und damit reaktionär, vergangen schien, und<br />

begeisterten sich stattdessen für technologische Entwicklungen, für<br />

Geschwindigkeit und Aggression als Mittel zur Veränderung.<br />

Utopien standen allgemein hoch im Kurs und damit immer auch der<br />

Gegenentwurf zum Ist-Zustand, zum Jetzt.<br />

Doch im Heute des 21. Jahrhunderts stellt sich die Frage:<br />

Sind wir womöglich mittlerweile in der Zukunft angekommen?<br />

Haben dem Raum-Zeit-Kontinuum ein Schnippchen geschlagen?<br />

Die letzten paar Jahrzehnte haben massive Umbrüche und<br />

radikale Veränderungen in einem Ausmaß mit sich gebracht, das<br />

noch vor hundert Jahren niemand vorhersehen konnte. Oder etwa<br />

doch? Hätte man einem Propheten geglaubt, der unseren heutigen<br />

Alltag weissagte? Globale Entgrenzungen oder, mit einem<br />

Begriff Gilles Deleuzes, Deterritorialisierung und damit transnationale<br />

Mechanismen, die sich in einem ständigen Fluss von Waren,<br />

Menschen und Information aller Art ausdrücken. Globale Ströme,<br />

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