Die Agentur der Zukunft InDesign generativ Trend: Low Polygon
Die Agentur der Zukunft InDesign generativ Trend: Low Polygon
Die Agentur der Zukunft InDesign generativ Trend: Low Polygon
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Das Magazin <strong>der</strong> Kreativbranche # 06.2013 www.page-online.de<br />
DEUTSCHLAND 9,80 €<br />
4 191084 209802 06<br />
<strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Report: So rüsten sich die Großen für<br />
die anstehenden Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>Trend</strong>: <strong>Low</strong> <strong>Polygon</strong><br />
Mit wenigen Vielecken<br />
tolle Bildwelten erschaffen<br />
<strong>InDesign</strong> <strong>generativ</strong><br />
Individuelle Publikationen erzeugen<br />
mit dem JavaScript-Tool basil.js
Editorial<br />
Websight<br />
PAGE 06.13 003<br />
Mit unserer<br />
Bedarfsanalyse<br />
Foto: Kirsten Nijhof<br />
n Technik. Technik. Technik. Ist es<br />
nicht skurril, dass wir in Kreativmeetings<br />
fast nur noch über Technologien<br />
sprechen? Über HTML5, Mobile First<br />
und Co? Wir leben in einer digitalen<br />
Welt, keine Frage, aber unsere Kampagnen,<br />
Markenauftritte und Websites<br />
machen wir nicht für Plattformen o<strong>der</strong><br />
Systeme, wir machen sie für Menschen.<br />
Und <strong>der</strong>en Bedürfnisse und Wahrnehmungsgewohnheiten<br />
haben sich gar<br />
nicht so sehr geän<strong>der</strong>t, wie wir gemeinhin<br />
annehmen mögen. Im Gegenteil,<br />
je alltäglicher die Nutzung <strong>der</strong> digitalen<br />
Devices wird, desto mehr verliert<br />
die Technik an Faszination.<br />
Klar, eine digitale Arbeit kann noch<br />
so herausragend sein, wenn sie technisch<br />
nicht rundläuft, hat sie keine<br />
Chan ce. Aber allem voran steht noch<br />
immer die Idee und ihre gestalterische<br />
Umsetzung. Das grafische User Interface<br />
lehrt uns Dinge zu nutzen – und<br />
zu mögen. Augenblicke entscheiden.<br />
Ebendeshalb gehen wir in unserer Titel<br />
geschichte ab Seite 18 auch einem<br />
nur vermeintlich äußerlichen Aspekt<br />
auf den Grund: <strong>der</strong> Oberfläche. Wir<br />
spü ren den visuellen Ansprüchen an<br />
at trak tive und zugleich funktionale<br />
Web sites nach. Wir fragen, ob skeuomorphes<br />
Interfacedesign, das Geräteformen<br />
alter Tech nologien imitiert,<br />
o<strong>der</strong> mini ma lis tisches Flat Design das<br />
Nutzererlebnis steigert; ob Gestaltungsbüros<br />
zu besseren Lösungen gelangen<br />
o<strong>der</strong> doch technisch orientierte<br />
Spezialisten . . .<br />
Genau darum haben wir übrigens<br />
auch – gemeinsam mit unserem Interaction-Design-Fachmagazin<br />
WEAVE –<br />
eine neue Top List ins Leben gerufen:<br />
das WEAVE//PAGE Digital Ranking. Wir<br />
haben es unter Einbeziehung einer<br />
BVDW-Befragung zur Rolle von digitalen<br />
Kreativawards und Rankings für die<br />
<strong>Agentur</strong>landschaft entwickelt, es liegt<br />
dieser Ausgabe bei. Gewiss, es sind<br />
überwiegend Arbeiten mit klassi schem<br />
Kampagnencharakter, die in den digita<br />
len Kategorien punkten. Wa rum also<br />
eine Trennung <strong>der</strong> Top Lists?<br />
Das WEAVE//PAGE Digital Ranking<br />
gibt nicht nur Aufschluss darüber, wie<br />
sehr die deutschen <strong>Agentur</strong>en ihre Digitalkompetenz<br />
ausgebaut haben, es<br />
berücksichtigt zudem spezialisierte<br />
Kre ativschmieden, die weniger durch<br />
Mas se, dafür aber umso mehr durch<br />
Klasse überzeugen. Auf dass zusammenfinden<br />
möge, was zusammengehört:<br />
in no vati ve Technik, nutzerorientierte<br />
Gestaltung und – qualitätsbewusste<br />
Auftraggeber!<br />
Gabriele Gün<strong>der</strong>,<br />
Chefredakteurin/Publisher<br />
(info@page-online.de)<br />
planen<br />
Premium-Vorsorge<br />
für Medienmenschen<br />
<strong>Die</strong>ser Ausgabe<br />
liegen die<br />
Extras »Digital<br />
Ranking 2013«<br />
sowie »Agen tursoftware«<br />
bei<br />
Besser<br />
Presse<br />
In 2013<br />
4,5 %
004<br />
PAGE 06.13<br />
INHALT<br />
006<br />
012<br />
016<br />
SZENE<br />
Was die Branche bewegt<br />
Stadt aus Papier; Museums-CI mit animierter Schrift;<br />
Briefmarkendesign; Ansichtssache: Rayan Abdullah<br />
über das neue Lucky-Strike-Logo; Self-Monitoring-<br />
Reif Jawbone UP; Victoria Beckhams Online-Shop<br />
Branche & Karriere<br />
Vintage-Offices; Leagas Delaneys Tortenaktion<br />
Ausbildung<br />
Illustriertes Buch; Experiment: Kreativ durch Licht?<br />
TITEL<br />
018<br />
n Unser Web muss schöner werden!<br />
Klar, ohne exzellente Technik läuft im Web nichts.<br />
Aber heißt das, dass Sites nicht auch überzeugend<br />
gestaltet sein dürfen? Wir zeigen, welche Chancen<br />
und Probleme <strong>Trend</strong>s wie Flat Design, Mobile First,<br />
Single Page, Parallax Scrolling, Interactive Video<br />
o<strong>der</strong> bildschirmfüllende Bildwelten bringen<br />
072 Making-of: <strong>Low</strong>-<strong>Polygon</strong>-Ästhetik<br />
030<br />
038<br />
046<br />
052<br />
054<br />
KREATION<br />
Freizeitkunst<br />
Sich kreativ austoben – da das selbst Kreativen in<br />
ihrem Beruf nicht immer möglich ist, verfolgen viele<br />
nebenher freie künstlerische Projekte<br />
n <strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Gerade die ganz Großen trifft <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong><br />
Kommunikationsbranche hart. Wie gelingt es ihnen,<br />
Bewegung in ihre Strukturen zu bringen?<br />
Second Screen<br />
Das interaktive Fernsehen öffnet die Türen für neue<br />
Anwendungen, TV-Formate und Werbeformen<br />
Orientierungssystem für Wiener Parkhaus<br />
Licht, Farbe und Bil<strong>der</strong> von Erdschichten spielen<br />
eine zentrale Rolle bei diesem Leitsystem<br />
Papierwelt<br />
Beson<strong>der</strong>e Notizbücher; Inkjet-Recyclingpapier<br />
056<br />
062<br />
TYPO<br />
TDC Typeface Design Award 2013<br />
<strong>Die</strong>smal präsentieren sich die ausgezeichneten<br />
Schriften musikalisch – und das exklusiv für Sie<br />
Typowelt<br />
Supernova; Kalligrafie ornamental; »TypoJournal 4«
PAGE 06.13 005<br />
≥ PAGE Online: Ob Stellenangebote, Inspiration,<br />
News, Magazin-Volltextsuche, Publishing-Tipps,<br />
Abo-Angebote o<strong>der</strong> den PAGE-Shop – das alles finden<br />
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BILD<br />
066<br />
072<br />
080<br />
Konzeption von Illustrationen<br />
Wie sieht <strong>der</strong> konzeptionelle Prozess auf dem Weg<br />
zur Bildidee aus? Und das, wenn nur Stunden<br />
zwischen Briefing und Deadline liegen. Drei Illustratoren<br />
erzählten uns, wie sie dabei vorgehen<br />
n Making-of: <strong>Low</strong>-<strong>Polygon</strong>-Ästhetik<br />
Der Hype um die Grafiken aus reduzierten geometrischen<br />
Formen hält an. Wie werden sie gemacht?<br />
Bildwelt<br />
Illustrative 2013; Buch zu den besten Digital Artists<br />
TECHNIK<br />
030 Freizeitkunst<br />
084<br />
090<br />
092<br />
098<br />
n <strong>InDesign</strong> <strong>generativ</strong><br />
<strong>Die</strong> JavaScript-Library basil.js ermöglicht es, in<br />
<strong>InDesign</strong> <strong>generativ</strong> Plakate o<strong>der</strong> Buchprojekte zu<br />
gestalten. Wir zeigen, wie dies funktioniert<br />
Beschriftungs-Apps<br />
Praktisch, wenn man ein Foto unterwegs schon<br />
gleich mit passen<strong>der</strong> Typo versehen kann<br />
Report: Coworking Spaces<br />
Mehr als ein Schreibtisch – wir berichten, was man<br />
als Mieter von den Gemeinschaftsbüros erwarten<br />
kann, und stellen verschiedene Space-Konzepte vor<br />
Tools & Technik<br />
Adobe Lightroom 5; Lochkamera; Canon-Camcor<strong>der</strong><br />
106<br />
108<br />
110<br />
003<br />
051<br />
104<br />
114<br />
SERVICES & STANDARDS<br />
Einblicke: Kreative und ihre Gärten<br />
Kalen<strong>der</strong>: Kongresse, Ausstellungen, Awards<br />
Publikationen: Buchempfehlungen<br />
für kreative Publisher<br />
Bücher über <strong>Die</strong>ter Rams und Lotte Reiniger<br />
Editorial 014 PAGE Online 113 Impressum/Vorschau<br />
PAGE Abo 095 PAGE Studenten-Abo 115 PAGE Shop<br />
PAGE Stellenmarkt<br />
Fundstücke von Jürgen Siebert<br />
064<br />
082<br />
083<br />
097<br />
PAGE SEMINARE<br />
Infografik-Seminar mit Jan Schwochow<br />
»Gutes Design entwickeln« mit Jochen Rädeker<br />
»Gutes Design gut verkaufen« mit Jochen Rädeker<br />
»Disruptive Creativity« mit Mario Pricken
006<br />
PAGE 06.13<br />
SZENE<br />
Der große Brand von Lon don<br />
wütete von 2. bis 5. September<br />
1666 und zerstörte<br />
vier Fünftel <strong>der</strong> Stadt.<br />
Matthew Picton visualisierte<br />
dies mit Seiten aus Daniel<br />
Defoes Buch »A Journal of the<br />
Plague Year«. <strong>Die</strong> Pest<br />
hatte London nur wenige<br />
Monate zuvor heimgesucht
PAGE 06.13 007<br />
Verbrannt<br />
In akribischer Kleinarbeit baut<br />
Matthew Picton Städte aus<br />
Papier – und fügt einigen<br />
von ihnen mit dem Lötkolben<br />
Brandwunden zu<br />
n Kulturelle Sehenswürdigkeiten sind<br />
es nicht, die ihn interessieren – es ist vielmehr<br />
<strong>der</strong> Raum zwischen den Straßen,<br />
Wän den und Häusern. Deshalb haben die<br />
Gebäude auch keine Dächer. Matthew<br />
Picton studierte an <strong>der</strong> London School of<br />
Economics Politik und Geschichte. Da wun<strong>der</strong>t<br />
es nicht, dass er für seine Papierskulpturen<br />
Städte mit historischer Bedeutung<br />
auswählt o<strong>der</strong> solche, <strong>der</strong>en Erschei nungsbild<br />
sich durch geschichtliche Ereig nisse<br />
o<strong>der</strong> Naturgewalten signifikant verän<strong>der</strong>t<br />
hat. Wie zum Beispiel London, das 1666<br />
durch ein Feuer zu großen Teilen zerstört<br />
wurde, o<strong>der</strong> auch Dresden, das durch die<br />
Bombardierung im Zweiten Weltkrieg ein<br />
völlig neues Gesicht bekam. Der 52-Jähri ge<br />
bildete dies nach, indem er die fertigen<br />
Kunstwerke mit einem Lötkolben bearbeitete<br />
und so eine Art visuellen Kommentar<br />
zum Schicksal <strong>der</strong> Stadt abgab.<br />
Was das verwendete Papier angeht,<br />
ver wendet Picton stets gebrauchtes Material,<br />
vorzugsweise solches, das in einem<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> jeweiligen Stadt<br />
steht. Für Dresden etwa eine Partitur von<br />
Richard Wagners »Ring des Nibelungen«,<br />
die er dann hemmungslos mit einem X-<br />
Acto-Messer und einer Schere zerschnippelte<br />
und zu einem faszinierenden Stadtbild<br />
zusammenklebte. Mehrere Monate<br />
kann es dauern, bis eine Arbeit fertig ist,<br />
auch weil Matthew Picton oft an mehreren<br />
Entwürfen gleichzeitig baut – immer mit<br />
einem Stadtplan als Vorlage.<br />
Verschiedene Ansichten von London<br />
aus unterschiedlichen Epochen gibt es<br />
bereits; außerdem Moskau, Venedig, Jerusalem,<br />
Dublin, Manhattan nach 9/11<br />
und einige mehr – sie alle kann man auf<br />
http://matthewpicton.com betrachten. Aktuell<br />
ar beitet <strong>der</strong> Künstler an Istanbul, Kairo<br />
soll demnächst folgen, ebenso Amsterdam<br />
und Sankt Petersburg. Im Sommer<br />
wird er seine Paper Sculptures in <strong>der</strong><br />
Toomey Tourell Gallery in San Francisco<br />
ausstellen. Lieber Matthew Picton, vielleicht<br />
mögen Sie auch einmal nach Deutschland<br />
kommen, zum Beispiel nach Dresden<br />
– es lohnt sich.<br />
ant
008 PAGE 06.13 SZENE<br />
Sogar die CI-<br />
Schrift des<br />
Kröller-Müller<br />
Museums hat<br />
Türen, die sich<br />
dank Cinema 4D<br />
tatsächlich<br />
öffnen lassen<br />
Open Type<br />
n Kultur-Erscheinungsbild. Das<br />
Kröller-Müller Museum, keine 100 Kilometer<br />
von Amsterdam entfernt, kennt<br />
man hierzulande meist nur als Autobahnschild<br />
auf dem Weg zum Meer. Zu<br />
Unrecht, besitzt es doch die zweitgrößte<br />
Van-Gogh-Sammlung weltweit und<br />
ist dazu beeindruckend eingebettet in<br />
einen hochkarätigen Skulpturengar ten<br />
im Nationalpark De Hoge Veluwe. Kunst<br />
und Natur begegnen sich dank des offe<br />
nen Museumsbaus mit viel Glas.<br />
<strong>Die</strong> Verflechtung von innen und außen,<br />
aber auch von zwei- und dreidimensionaler<br />
Kunst überführte edenspiekermann<br />
Amsterdam nun in das<br />
neue Corporate Design des Museums.<br />
Sein dynamisches Grafik- und Schriftkonzept<br />
basiert auf <strong>der</strong> Karbon, <strong>der</strong>en<br />
plastische Anmutung Kris Sowersby<br />
ma nuell erzeugt hat und die edenspiekermann<br />
nun mit Cinema 4D animier te.<br />
Beson<strong>der</strong>s charmant ist das Schattenspiel,<br />
das die flexibel einsetzbare Türmetapher<br />
noch greifbarer wir ken lässt.<br />
<strong>Die</strong> Designer setzten auch die Kampagne<br />
und das Ausstellungsdesign für<br />
die neue Präsentation <strong>der</strong> Van-Gogh-<br />
Samm lung mit dem außer ge wöhn lich<br />
verspielten Grafikkonzept um. wl<br />
Design: edenspiekermann Amsterdam; Fotokampagne: Lars van den Brink, Copy: Ferdinand Beltman<br />
Buntes Europa<br />
n Briefmarken-Design. Einen kreativen<br />
Beitrag gegen die Eurokrise lieferte<br />
die Wiener Tageszeitung »<strong>Die</strong><br />
Presse« in Kooperation mit <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong><br />
Liquid Frontiers und mit finanzieller<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Österreichi schen<br />
Post: Sie baten zwanzig Designer,<br />
Briefmarken zu entwickeln. Mit dabei<br />
waren bekannte Namen wie Lo Breier,<br />
Titus Nemeth o<strong>der</strong> Bureau Weiss, die<br />
auf den paar Zentimetern sehr unterschiedlich<br />
visualisierten, wa rum es viele<br />
Gründe gibt, Europa zu lieben.<br />
Gewinnerin wurde die Marke »Vielfalt<br />
in <strong>der</strong> Einheit« <strong>der</strong> spanisch-österreichischen<br />
Gestalterin Elvira Barriga,<br />
die als Kreativdirektorin bei Bruce Mau<br />
Design in Toronto arbeitet. Historische<br />
und zeitgenössische typografische Versatzstücke<br />
verbindet sie mit den Farben<br />
europäischer Nationalflaggen. Der<br />
bunte verschachtelte Entwurf ist ein<br />
echter Hingucker – und bereits als Son<strong>der</strong>marke<br />
im Umlauf. Von diesem, aber<br />
auch von vielen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Entwürfe<br />
könnte sich die Deutsche Post eine<br />
Scheibe abschneiden.<br />
ant<br />
Elvira Barrigas<br />
Marke (links)<br />
gewann den<br />
Wettbe werb,<br />
aber auch<br />
die Entwürfe<br />
von 3007<br />
(Mitte) und Sigi<br />
Mayer (rechts)<br />
sorgten für<br />
Begeisterung
Ansichtssache<br />
PAGE 06.13<br />
<strong>Die</strong> Marke Lucky Strike schadet<br />
sich mit ihrem Rebranding, sagt<br />
Rayan Abdullah von Markenbau<br />
009<br />
PAGE gibt’s übrigens<br />
auch in RGB.<br />
n Eine gut aufgestellte Marke wird zum Allgemeingut einer<br />
Gesellschaft. Daher darf sie nicht <strong>der</strong> Laune eines neuen<br />
Geschäftsführers o<strong>der</strong> Marketingleiters folgen und neu gemacht<br />
werden, solange sie funktioniert. <strong>Die</strong> Erfindung Raymond<br />
Loewys von 1940, also <strong>der</strong> erste Relaunch von Lucky<br />
Strike, <strong>der</strong> zu Recht mehrere Designpreise für seine Arbeit<br />
bekommen hat, hinterlässt eine Einheit von Form, Typo grafie,<br />
Farbe und Hintergrund, die ihresgleichen sucht. <strong>Die</strong>se<br />
Basiselemente präsentierten sich auf <strong>der</strong> Verpackung in<br />
bester Form. Mit <strong>der</strong> Signalwirkung hat Loewy die Zielgruppe<br />
enorm erweitert. Seine damalige Arbeit basierte auf seiner<br />
großen Erfahrung, aber auf einem für jede Marke spezifisch<br />
entwickelten Stil, wofür er dann auch berühmt wurde.<br />
<strong>Die</strong> Marke Lucky Strike kann sich mit dem Namen des bekannten<br />
Designers schmücken.<br />
Ein Redesign ist eine normalerweise behutsame und damit<br />
nicht sofort ins Auge springende, weil vor<strong>der</strong>gründige<br />
Verän<strong>der</strong>ung. Es muss darum gehen, die bestehende Vorlage<br />
stilsicher zu optimieren und ihr dadurch Feinschliff zu verleihen.<br />
Mit dem hier vorgenommenen Redesign wird die<br />
Marke Lucky Strike viel verlieren: Nicht nur die Zielgruppe<br />
wurde durch die langjährige hervorragende Kommunikationsarbeit<br />
geprägt, auch bei vielen an<strong>der</strong>en war die Marke<br />
im Bewusstsein gesetzt und attraktiv. Durch die grund legen<br />
de Än<strong>der</strong>ung des Logos wird dieser große Wie<strong>der</strong>erkennungseffekt<br />
fast zunichte gemacht, und man muss wie<strong>der</strong><br />
bei null anfangen. <strong>Die</strong>s – so darf man dem Unternehmen<br />
unterstellen – geht wohl mit hausinternen Unsicherheiten<br />
einher, die dessen Identität infrage stellen.<br />
Wenn man das neue Design unter die Lupe nimmt, sieht<br />
man, dass das Logo mit so viel Inhalt durch Schrift belastet<br />
wird, dass es buchstäblich fast platzt. Hier wurde wohl ein<br />
Logo mit einer Zeitung verwechselt. <strong>Die</strong> Klarheit und Einfachheit<br />
des bisherigen Designs sind bedauerlicherweise verschwunden.<br />
<strong>Die</strong> Typografie wirkt auf Anhieb beladen, und<br />
die Mischung zwischen serifenloser und serifenbetonter<br />
Schrift ist meiner Meinung nach zu viel. <strong>Die</strong> inhaltliche Information<br />
hat an dieser Stelle nichts zu suchen, dies spiegelt<br />
die typografische Überlastung wi<strong>der</strong>. Für den Markennamen<br />
eine serifenbetonte Schrift zu nutzen finde ich nicht mehr<br />
zeitgemäß. Serifen beinhalten zusätzliche Informationen,<br />
die für das Einprägen <strong>der</strong> Marke beim Betrachter hin<strong>der</strong>lich<br />
sind. Das ist schädlich für eine Marke.<br />
Das neue Logo (links)<br />
stammt von <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong> G2<br />
≥ PAGE Online<br />
Weitere Meinungen dazu<br />
lesen Sie unter www.<br />
page-online.de/luckystrike-rebranding
010 PAGE 06.13 SZENE<br />
Designer Yves<br />
Béhar entwarf das<br />
Armband, das<br />
unseren Alltag zur<br />
Statistik macht<br />
Optimiere dein Lebenl!<br />
n Self-Monitoring. Müssen Datenschützer uns vor<br />
uns selbst schützen? O<strong>der</strong> verhilft das UP von Jawbone<br />
uns zu »einem besseren Leben«, wie <strong>der</strong> Hersteller vollmundig<br />
verspricht? Gadgets, die für konstante Selbstbeobachtung<br />
sorgen und die Daten danach in Apps o<strong>der</strong><br />
Online-Communitys dokumentieren, gibt es ja bereits<br />
mit dem Nike+ FuelBand und den Fitbit-Trackern. Letztere<br />
sorgten auf <strong>der</strong> ganzen Welt für Lacher, als einige User<br />
unwissentlich im Web auch ihre sexuellen Bewegungsaktivitäten<br />
öffentlich machten, bevor Fitbit entsprechende<br />
Sicherungen einrichtete.<br />
Das UP geht aber noch deutlich weiter und zeichnet<br />
nicht nur Bewegung, son<strong>der</strong>n auch Schlaf- und Essgewohnheiten<br />
sowie Stimmungslagen auf, gibt daraufhin<br />
persönliche Empfehlungen und lässt uns online mit<br />
Freunden in edlen Wettstreit ums gesün<strong>der</strong>e Leben treten.<br />
Erstmals wurde es schon 2011 gelauncht, musste<br />
aber wegen technischer Probleme und weil es am Handgelenk<br />
zu heiß wurde, wie<strong>der</strong> vom Markt genommen<br />
wer den. Jetzt erfolgt <strong>der</strong> zweite Anlauf: Seit April gibt<br />
es das Band in allen Telekom-, Apple- und Gravis-Läden.<br />
Unsere Kollegin Anna Weilberg macht einen Selbstversuch<br />
– ihre Erfahrungen kann man nachlesen unter<br />
www.page-online.de/jawbone-up-test .<br />
cg<br />
Auch in<br />
ihrem neuen<br />
Onlineshop<br />
erweist sich<br />
Victoria<br />
Bec kham als<br />
Meisterin<br />
<strong>der</strong> ästhetischen<br />
Reduktion<br />
Design it like Beckham!<br />
n Online-Shop. Extrem luxuriös und<br />
gleichzeitig minimalistisch präsentiert<br />
sich Victoria Beckhams erster Vor stoß<br />
ins E-Commerce – genau wie die Produk<br />
te ihrer preisgekrönten Fashionmar<br />
ke. <strong>Die</strong> kompakte Website, die Tony<br />
King mit seiner New Yorker E-Commer<br />
ce-<strong>Agentur</strong> King & Partners gestaltete,<br />
besteht aus zwei Bereichen: Wer<br />
anfangs auf »Look« klickt, findet aktuelle<br />
Behind-the-scenes-Fotos, Videos von<br />
Modeschauen et cetera. Der Klick auf<br />
»Shop« führt in einen höchst funktionalen<br />
Einkaufsbereich, <strong>der</strong> mit schlichten<br />
Bil<strong>der</strong>n wie denen unten links<br />
streng aufs Wesentliche reduziert ist –<br />
aber eben auch alles Wesentliche bietet,<br />
was man beim Kauf von preislich<br />
nicht eben minimalistischen Produkten<br />
erwartet: Bis zu 1850 Euro kosten<br />
beispielsweise die gezeigten Klei<strong>der</strong><br />
aus Victorias Ready-to-Wear-Kollektion<br />
»Icon«. Ein mehrsprachiger Kundendienst<br />
soll dabei aber ein ebenso exklusives<br />
Einkaufsgefühl vermitteln wie<br />
reale Konsumtempel.<br />
Das Packaging ist ebenfalls edel reduziert.<br />
Jonny Lu und Isaac Lock aus<br />
London, die auch die Artdirektion <strong>der</strong><br />
Website übernahmen und schon länger<br />
mit Victoria Beckham arbeiten, gestalteten<br />
Boxen aus weiß lackiertem<br />
Unterteil und braunem Kartondeckel.<br />
Dort ist bloß klein ein Schriftzug eingeprägt:<br />
Victoria Beckham. cg
PAGE 06.13 011<br />
Ferne im Griff<br />
n Markenauftritt. Ein freundliches<br />
Mittelrot verbindet man bislang weniger<br />
mit Reiseveranstaltern als mit Supermarktketten<br />
wie – genau: REWE.<br />
Gemeinsam mit Interbrand hat die<br />
Han delsgruppe ihrer Touristiksparte in<br />
einem gut drei Jahre dauernden Prozess<br />
mit einer neuen Markenstrategie<br />
einschließlich Neupositionierung und<br />
Überarbeitung des Auftritts auf die<br />
Sprün ge geholfen. <strong>Die</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
lag darin, die Gesamtmarke – mit<br />
Tjaereborg, ITS, Jahn Reisen und weiteren<br />
Veranstaltern immerhin die zweitgrößte<br />
Touristikgruppe Deutschlands –<br />
als führenden Reiseanbieter zu profilie<br />
ren. Zudem sollten die Untermarken<br />
mit ihren Stärken positioniert wer den.<br />
<strong>Die</strong> Lösung ist ein System, in dem<br />
Dach- und operative Marken getrennt<br />
auftreten, aber durch das Logo visuell<br />
verbunden sind. Im Zentrum steht DER<br />
Touristik mit einem starken Signet.<br />
Vielfältig einsetzbares Hauptelement<br />
ist ein Tragegriff, <strong>der</strong> zusammen mit<br />
dem Slogan »Träume fest im Griff« für<br />
Reisen und Bewegung steht, aber zu-<br />
gleich für Sicherheit, Getragenwerden<br />
und dafür, Dinge selber anzupacken.<br />
Dazu kommt ein »Erlebnispanorama«,<br />
das lebendig illustrierte Sehenswürdigkeiten<br />
<strong>der</strong> Welt in frischen Farben<br />
zeigt. Es kommt in Printmedien, Web<br />
o<strong>der</strong> den Reisebüros zum Einsatz –<br />
ganz zeitgemäß auch mal als traumartiger<br />
Collagenausschnitt innerhalb <strong>der</strong><br />
Fotomotive. Als Font wählten die Designer<br />
die freundliche Prelo. Ein weiteres<br />
Mal präsentiert sich die REWE<br />
Group als aufgeräumtes, sympathisch<br />
solides Unternehmen.<br />
wl<br />
Vertrauenserweckend:<br />
das prägnant<br />
pragmatische<br />
Logo für die<br />
REWE-Touristikgruppe<br />
DER<br />
Blow Zack Boom<br />
n Logo-Design. Ein kraftvoll lautmalerisches<br />
Logo, das sich mit seiner Dynamik<br />
und Einfachheit sofort ein prägt,<br />
hat die <strong>Agentur</strong> Blow aus Sydney für<br />
Boom entwickelt. Der Spezialist für virale<br />
Kampagnen, ehemals vid•id, hatte<br />
die Kreativen mit einem kompletten<br />
Markenrelaunch inklusive Naming beauftragt.<br />
»<strong>Die</strong> Jungs sind eine Rockstar-<br />
<strong>Agentur</strong> und laut«, sagt Blow-Direktor<br />
March D’Altilia. »Gemessen an <strong>der</strong> Breite<br />
unserer Recherchen und Entwürfe<br />
ist das Ergebnis recht simpel. Trotzdem<br />
ist die Wortmarke eine ziemliche Axt –<br />
vor allem, weil sie Booms Arbeitsprozesse<br />
wi<strong>der</strong>spiegelt.«<br />
In <strong>der</strong> Kommunikation fokussiert<br />
sich Boom auf soziale Netzwerke. »Inspiriert<br />
von ›Alice in Won<strong>der</strong>land‹, haben<br />
wir das ›Rabbit Hole of Social Media‹<br />
als visuelle Metapher eingeführt«,<br />
erläutert D’Altilia die visuelle Darstellung<br />
<strong>der</strong> narrativen Erzählweisen. Der<br />
lautstarke, an frühe Comicserien erinnernde<br />
Auftritt wirkt auf jeden Fall,<br />
als hätten die Macher eine Menge Spaß<br />
beim Entwickeln gehabt. wl<br />
Das knallt: Der<br />
neue Auftritt<br />
<strong>der</strong> australischen<br />
Bewegtbildagentur<br />
Boom,<br />
entwickelt von<br />
Blow, kommt<br />
im Retro-Comic-<br />
Stil daher
012 PAGE 06.13 SZENE<br />
BRANCHE & KARRIERE<br />
Vintage-Offices<br />
n Interior Design. Minimalistisch,<br />
glossy und alles nagelneu: So sah es lange<br />
Zeit in <strong>Agentur</strong>en aus, die auf sich hielten.<br />
Jetzt gehe <strong>der</strong> <strong>Trend</strong> zu mehr Individualität<br />
und Authentizität, zudem spiele Nachhaltigkeit<br />
eine Rolle – beobachtet Mai-Britt<br />
Mikolajewicz, die <strong>Agentur</strong>en und Start-ups<br />
mit Vintage-Möbeln ausstattet. So richtete<br />
die Hamburgerin, die acht Jahre beim<br />
Auktionshaus Lauritz.com arbeitete, jüngst<br />
die neuen Räume <strong>der</strong> Mobile-Spezialisten<br />
<strong>der</strong> <strong>Agentur</strong> Cellular in <strong>der</strong> Großen<br />
Elbstraße ein und stattete sie mit siebzig<br />
verschiedenen alten Architektenlampen<br />
aus – sympathische Farb kleckse, die für<br />
Einheit in <strong>der</strong> Vielfalt sorgen. Auch außerhalb<br />
von Hamburg war Mikolajewicz<br />
schon tätig, etwa bei bei einem Start-up-<br />
Investor in Berlin o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Digitalagentur<br />
demo<strong>der</strong>n in Köln. Kontakt findet<br />
man über www.maistyle.de . cg<br />
Business Basics Mehraufwand frühzeitig kommunizieren<br />
Christian Büning, Präsident des Berufsverbands <strong>der</strong> Deutschen<br />
Kommunikationsdesigner ( www.bdg-designer.de ), beantwortet berufsbezogene<br />
Fragen von Gestaltern. Hier stellt er aktuelle Fälle vor<br />
Steffen, 29: Hallo, ich bin selbstständig<br />
und arbeite vor allem für drei große<br />
Auftraggeber. Nun habe ich für einen<br />
neuen Kunden einen Job übernommen<br />
und folgendes Problem: Das Projekt<br />
wurde immer größer, dauernd kam<br />
etwas hinzu. Vor Kurzem habe ich eine<br />
Zwischenrechnung gestellt, die entsprechend<br />
höher ausgefallen ist als<br />
mein Angebot. Der Kunde sagt, ich hätte<br />
rechtzeitig Bescheid geben müssen,<br />
dass es teurer wird, und will nicht<br />
bezahlen. Wie gehe ich damit um?<br />
Lieber Steffen,<br />
zu Ihrer Arbeit als Kommunikationsdesigner<br />
gehört auch die Kommunikation<br />
über das Budget und wie Sie damit umgehen.<br />
Das haben Sie hier versäumt<br />
und müssen jetzt die fehlende Kommunikation<br />
unter Druck nachholen. Ihr<br />
Auftraggeber hat die Erweiterung des<br />
Projekts mit Sicherheit deutlich weniger<br />
stark wahrgenommen als Sie. Was<br />
für diesen nach einem kleinen Ausfallschritt<br />
am Rand klingt, ist für den Designer<br />
vielleicht ein längerer Extraweg<br />
mit viel Recherche.<br />
Als Kommunikationsdesigner sind<br />
Sie dafür verantwortlich, die Än<strong>der</strong>ungen<br />
im Projektverlauf korrekt zu kommunizieren,<br />
auch unaufgefor<strong>der</strong>t. Dass<br />
Ihr Auftraggeber verärgert ist, liegt<br />
wohl nicht in erster Linie an <strong>der</strong> Höhe<br />
<strong>der</strong> Rechnung, son<strong>der</strong>n daran, dass er<br />
nicht mehr reagieren kann. Hätte er<br />
gewusst, welche Mehrkosten manche<br />
Erweiterungen verursachen, hätte er<br />
vielleicht auf einiges davon verzichtet.<br />
Mein Tipp für dieses Projekt: Erklären<br />
Sie im Detail, wo welcher Aufwand<br />
und welche Mehrkosten entstanden<br />
sind. Haben Sie E-Mails mit Zustimmungen<br />
zu neuen Projektteilen? Rechtlich<br />
könnten Sie alle For<strong>der</strong>ungen durchdrücken.<br />
Ich empfehle aber, lieber in<br />
langfristige Beziehungen zu investieren.<br />
Da Sie die Kommunikation vernachlässigt<br />
haben, können Sie Ihrem<br />
Kunden etwas entgegenkommen und<br />
einen kleinen Teil (maximal 10 Prozent)<br />
<strong>der</strong> Mehrkosten nicht berechnen.<br />
Mein Tipp für die <strong>Zukunft</strong>: Informieren<br />
Sie von sich aus bei allen Abschnitten<br />
eines Projekts darüber, ob Sie noch<br />
innerhalb des Angebots sind. Ihr Auftraggeber<br />
sollte immer Zeit zum Reagieren<br />
haben. Wenn Sie Mehraufwand<br />
und -kosten sauber kommunizieren,<br />
können Sie bei <strong>der</strong> Abrechnung jeden<br />
Schritt belegen, haben dadurch weniger<br />
Ärger und zufriedenere Kunden.<br />
Haben Sie Fragen, die Sie hier beant -<br />
wortet sehen möchten? Dann<br />
schreiben Sie uns (E-Mail: business<br />
basics@bdg-designer.de)<br />
Foto: © André W. Sobott, www.aw-sobott.de
PAGE 06.13 013<br />
1 2<br />
Zahlen im Blick<br />
n Buchhaltungs-App. Für Selbststän<br />
dige ist es beson<strong>der</strong>s wichtig, ihre<br />
Finanzen im Griff zu haben. <strong>Die</strong> Web-<br />
App des Wiener Start-ups bookamat<br />
richtet sich speziell an Freelancer und<br />
kleine Unternehmen in Deutschland<br />
und in Österreich. Mit dem zentralen<br />
Formular lassen sich nach Angaben <strong>der</strong><br />
Entwickler alle Einnahmen und Ausgaben<br />
in nur 30 Minuten pro Monat erfassen<br />
und für die Steuererklärung aufbereiten<br />
– so bleibt mehr Zeit für die<br />
eigentliche Arbeit. Beson<strong>der</strong>s wichtig<br />
war den beiden eine übersichtliche<br />
Kalorien gegen die Denkblockade<br />
n Facebook-Aktion. Hier macht das<br />
Social Network seinem Namen alle Ehre:<br />
Leagas Delaney schickte zwei Wochen<br />
lang – ganz kollegial – immer einer<br />
an<strong>der</strong>en <strong>Agentur</strong> zur Mittagszeit<br />
eine Torte. Der Gruß mittels »perversen,<br />
selbst gemachten Kalorienbomben«,<br />
wie die Hamburger auf ihrer Facebook-Seite<br />
schreiben, sollte dazu dienen,<br />
durch Unterzuckerung hervorgerufene<br />
Denkblockaden zu bekämpfen<br />
<strong>Die</strong> Buchhaltungs-<br />
App bookamat<br />
zeichnet sich<br />
durch ein intuitives,<br />
benutzerfreundliches<br />
Interface aus<br />
und schlichte Gestaltung. Sämtliche<br />
Zahlen werden nochmals in Form von<br />
Charts visualisiert.<br />
Weiter vereinfacht wird das System<br />
durch Vorlagen für wie<strong>der</strong>kehrende Buchungen<br />
wie Telefonrechnungen und<br />
individuell zuweisbare Schlagworte, etwa<br />
»<strong>Die</strong>nstreise Kiel«, mit denen man<br />
die Inhalte filtern kann. <strong>Die</strong> eingegebenen<br />
Daten werden per sicherer Verbindung<br />
übertragen und lassen sich<br />
zusätzlich lokal sichern. Ein Jahreszugang<br />
kostet rund 100 Euro, die Testversion<br />
für 30 Tage ist kostenlos. fb<br />
und den Mitarbeitern wie<strong>der</strong> Kreativität<br />
und Motivation zu geben. »We share.<br />
You like« lautet das Motto des neu einberufenen<br />
Cake Department von Leagas<br />
Delaney. Wer in den Genuss einer<br />
Torte kam, entschied übrigens das Los.<br />
Der Caramel Cheesecake für Kolle Rebbe,<br />
die Schokotarte für Scholz & Friends<br />
und alle weiteren Kreationen lassen<br />
sich hier bestaunen: www.facebook.<br />
com/leagasdelaneyhh .<br />
aw<br />
Zur Tortenaktion<br />
verwandelte die<br />
Hamburger<br />
<strong>Agentur</strong> ihr Logo<br />
kurzerhand in ein<br />
Konditorschild<br />
BRANCHE & KARRIERE<br />
+++ Abschied von Scholz & Volkmer. Christian Daul 1<br />
verlässt die Wiesbadener Digitalagentur, um sich selbst<br />
unternehmerisch zu betätigen. Scholz & Volkmer besetzt<br />
seine Stelle nicht neu, son<strong>der</strong>n verteilt die Aufgaben intern.<br />
Im Zuge dessen steigen <strong>der</strong> Technische Direktor<br />
Peter Reichard und <strong>der</strong> Unitleiter Christoph Kehren in<br />
die Geschäftsführung auf. +++ Konferenz zum Thema<br />
audiovisuelle Medien. Der Branchenverband Eyes & Ears<br />
of Europe lädt am 24. Juni zur European Conference for<br />
Design, Promotion & Marketing in Köln ein. Zu den Vortragenden<br />
gehören sowohl Profis aus TV, Film, Internet,<br />
Mobile, Werbung und Kultur als auch Jungkreative, die ihre<br />
Arbeiten präsentieren. Der Eintritt für Nichtmitglie <strong>der</strong><br />
beträgt 650 Euro, Mitglie<strong>der</strong> zahlen 150 Euro. ≥ www.<br />
eeof.de +++ Neue Kreativagentur. Michael Barche (rechts)<br />
und Ulrich Zünkeler 2 haben Orange Council mit Büros<br />
in Hamburg, Berlin und Amsterdam gegründet. Mit <strong>der</strong><br />
flexiblen Struktur eines Kreativverbunds wollen sie die<br />
gesamte Breite mo<strong>der</strong>ner Kommunikationsdisziplinen<br />
abbilden. Den Schwerpunkt bildet dabei die interne Kommunikation.<br />
Zu den ersten Kunden gehören Holiday Check<br />
und Natural Superfoods. +++ MfG-Award 2013. Der Designwettbewerb<br />
des Bundesverbands Druck und Medien<br />
ist eröffnet. Bis zum 16. August können Gestalter, Druckspezialisten<br />
und ihre Auftraggeber sowie Nachwuchsdesigner<br />
und Auszubildende ihre Printarbeiten einreichen.<br />
Neu sind die Kategorien »Individualität« für persönlich<br />
auf den User bezogene Printprodukte und »Debütanten«,<br />
die geson<strong>der</strong>t bewertet und mit För<strong>der</strong>- und<br />
Sach preisen ausgezeichnet werden. Kriterium für ei ne<br />
Auszeichnung ist das Zusammenspiel von hoher Designqualität<br />
und anspruchsvoller Verarbeitung. <strong>Die</strong> Teilnahmegebühren<br />
starten bei 150 Euro für Profis, <strong>der</strong> Nachwuchs<br />
zahlt 25 Euro. ≥ www.mfg-award.de +++ Blurb und<br />
Samsung machen gemeinsame Sache. Nutzer des neuen<br />
Samsung Galaxy S4 können über die vorinstallierte Fotofunktion<br />
»Story Album« weltweit die Bil<strong>der</strong> ihrer Handykamera<br />
automatisch und nahtlos in eigenen Fotobüchern<br />
und Magazinen zusammengestellen und direkt<br />
vom Smartphone aus bei Blurb den Druckauftrag erteilen.<br />
+++ Neue Personalleitung bei Leagas Delaney<br />
Hamburg. Ab sofort übernimmt Meike Runschke als Head<br />
of Human Ressources die Mitarbeiterbetreuung und das<br />
Recruiting am Hamburger Standort von Leagas Delaney.<br />
Sie folgt auf Mareike Boddin, die die Werbeagen tur En -<br />
de 2012 verlassen hat. +++ Neue Bildchefin bei »Du«.<br />
Ute Noll ist neue Bildchefin <strong>der</strong> Schweizer Kulturzeitschrift<br />
mit Sitz in Zürich. Sie folgt auf Lars Willumeit, <strong>der</strong><br />
künftig als freier Bildredakteur, Berater und Dozent unterwegs<br />
ist. +++ Calvendo wird international. <strong>Die</strong> Self-<br />
Publishing-Plattform baut mit einer englischsprachigen<br />
Site ihren Geschäftsradius aus. Ab sofort bietet sie ihre<br />
<strong>Die</strong>nste auch Kunden außerhalb Deutschlands an. Calvendo<br />
ging im Herbst 2012 an den Start und richtet sich vor<br />
allem an Fotografen, Grafiker und Künstler, die ihre Bil<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> Kalen<strong>der</strong> veröffentlichen und über den Buchhandel<br />
vermarkten wollen. ≥ www.calvendo.de/en nik
014<br />
PAGE 06.13<br />
SZENE<br />
PAGE ONLINE<br />
Portfolio des Monats<br />
In je<strong>der</strong> Ausgabe stellen wir ein Mitglied <strong>der</strong> PAGE Community und Highlights aus seinem Portfolio vor<br />
Rabea Hashagen<br />
www.page-online.de/portfolios/rabea-hashagen<br />
n Design bedeutet für Rabea Hashagen, mithilfe<br />
visueller Ausdrucksmittel Welten zu vereinfachen,<br />
zu zeigen o<strong>der</strong> zu kreieren – gleichzeitig verbindet<br />
es für sie Leben, Liebe, Hobby, Beruf und Leidenschaft.<br />
Als freischaffende Designerin visualisiert sie<br />
Identitäten für alle Print- und Bewegtbildmedi en,<br />
genießt es dabei, ins Detail zu gehen und wünscht<br />
sich Kunden, die das ebenfalls schätzen.<br />
Ich bin Brand Director, Freelancer<br />
Ich biete Print, Online, Motiondesign,<br />
Konzeption, Strategie, Beratung<br />
E-Mail rh@langzeitwirkung.de<br />
Web www.langzeitwirkung.de<br />
Standort Berlin und München<br />
1 2 3<br />
E-MAG: KREATION | TYPO | BILD | TECHNIK | SZENE | GALERIE<br />
Techno-Identity von Hort<br />
Kreation. Schönstes Schwarz weiß und<br />
bun te Kreise: Für das erste gemeinsame<br />
Al bum von Tech-House-Pionier Marc Romboy<br />
und Techno-Produzent Ken Ishii hat<br />
Hort aus Berlin die Artdirektion übernommen.<br />
Wir fragten nach, wie die Bildsprache<br />
und die spielerischen Hüllen entstanden.<br />
≥ www.page-online.de/romboy-ishii<br />
Schrift aus dem Jenseits<br />
Typo. Trotz weltweiter Proteste und zweifelhafter<br />
Beweise wurde Troy Davis am 21. September<br />
2011 in einem Gefängnis in Georgia<br />
hingerichtet. Seine Handschrift stellt Serviceplan<br />
Campaign <strong>der</strong>zeit in das Zentrum einer<br />
Online-Kampagne, die sich für die Abschaffung<br />
<strong>der</strong> Todesstrafe einsetzt.<br />
≥ www.page-online.de/troy-davis<br />
Fotograf Daniel Stier<br />
Bild. Er fotografiert Toast mit <strong>der</strong>selben Verschmitztheit<br />
wie Celebritys, hat dabei stets<br />
einen Blick für das Skurrile und mittlerweile<br />
auch Museumsehren erlangt. Daniel Stier zog<br />
1994 von Dortmund nach London und arbeitet<br />
für Kunden in aller Welt. Jetzt vertritt ihn<br />
die Hamburger <strong>Agentur</strong> Waldmann Solar.<br />
≥ www.page-online.de/daniel-stier
PAGE 06.13 015<br />
≥ www.page-online.de<br />
PAGEmag<br />
4<br />
1 Als Freundschaftsdienst entwickelte Rabea Hashagen das Erscheinungsbild für den Musiker Capellastreet. 2 Einfach, effektiv und in<br />
Collagetechnik hat sie das Erscheinungsbild für das Theater Werkmünchen umgesetzt. 3 Für das Theaterplakat »Wir sind nicht das<br />
Ende« verbrannte sie Fotoabzüge, beklebte sie mit Tesa-Film und scannte sie erneut. 4 Wettbewerbsbeitrag für ein einheitliches, flexibel<br />
einsetzbares Berlin-Logo, das allen frei zur Verfügung gestellt werden sollte ... Lei<strong>der</strong> hat sich Berlin an<strong>der</strong>s entschieden<br />
PAGE NEWSLETTER<br />
Foto (Galerie): @ Apparat + Stereo und Marc Trautmann für Air Berlin<br />
Facebook-Interview<br />
Szene. Das Social Network hat seinen Newsfeed<br />
redesignt und auch die Facebook-App<br />
an den Look <strong>der</strong> Desktop-Version angepasst.<br />
Wir sprachen mit Julie Zhou, Director of Design<br />
von Facebook, über das zweifache Redesign<br />
und dessen Vorbil<strong>der</strong>, über den Arbeitsprozess<br />
und den sogenannten War Room.<br />
≥ www.page-online.de/facebook-interview<br />
Inspiration pur<br />
Galerie. Gesammelt, geordnet und in<br />
ei ner Box zusammengefasst: In zahlreichen<br />
Bil<strong>der</strong>galerien zeigt PAGE Online<br />
Kam pag nen, Making-ofs, Portfolios, Studioeinblicke<br />
und exklusive Reportagefotos<br />
von Events wie Pictoplasma, TYPO<br />
Berlin o<strong>der</strong> re:publica.<br />
≥ www.page-online.de/galerie<br />
Immer up to date<br />
n Bestellen Sie jetzt den kostenlo sen<br />
PAGE Newsletter und bleiben Sie auf<br />
dem Lau fenden rund um kreati ves Me -<br />
dien design, Publishing und <strong>Trend</strong>s. So<br />
erfahren Sie auch als Erste, wenn wir<br />
ein neues PAGE Seminar veranstalten<br />
o<strong>der</strong> eine Son<strong>der</strong>edition herausgeben.<br />
≥ www.page-online.de/newsletter
016 PAGE 06.13 SZENE Ausbildung<br />
AUSBILDUNG<br />
Stoned durch Licht:<br />
Der Neurostimulator<br />
Lucia N°03 ruft<br />
nicht nur interessante<br />
Farb- und<br />
Formenwelten vor<br />
dem inneren Auge<br />
hervor, son<strong>der</strong>n auch<br />
Tiefenentspannung<br />
bei völliger geistiger<br />
Klarheit. Rechts<br />
eine Interpretation<br />
des Zustands<br />
von Ralph Buchner<br />
Lichtreisen<br />
n Wahrnehmungsforschung. »Am<br />
Anfang danach immer aufgewühlt, die<br />
Augen flackern, das Hirn fühlt sich irgendwie<br />
geschwollen an. Wirkung wie<br />
Koffein, unruhig, unausgeglichen, nachdenklich.<br />
Man muss sich erst wie<strong>der</strong><br />
ordnen, aber es bewegt etwas«, so dokumentiert<br />
Designstudentin Caroline<br />
Hagenau den Effekt des Neurostimulators<br />
Lucia N°03. »Allmählich immer<br />
positi vere Wirkung, kurz danach abwesend,<br />
muss allein sein (. . .) nach innen<br />
Ruhe und Frieden (. . .) Auch Endorphinschub<br />
und Energie.« Ohne Drogen,<br />
nur mithilfe von Lucia untersuchte eine<br />
Gruppe von Kommunikations-, Industrie-<br />
und Fotodesignstudenten an <strong>der</strong><br />
Hochschule für angewandte Wis senschaften<br />
München unter Leitung von<br />
Professor Ralph Buchner die Auswirkun<br />
gen psychedelischer Erlebnisse auf<br />
die Kreativität. Durch die Kombination<br />
von Stroboskoplicht in unterschiedlichen<br />
Frequenzen und Konstantlicht<br />
regt das an eine Stehleuchte erinnernde<br />
Gerät bei geschlossenen Augen das<br />
Gehirn an und ermöglicht so hypnagoge<br />
und ähnliche Zustände wie auf LSD.<br />
Designstudentin Caroline Hagenau<br />
entwickelte ihren Illustrationsstil<br />
mit <strong>der</strong> Lichtreisemaschine weiter<br />
Nach <strong>der</strong> theoretischen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit Wahrnehmung und<br />
Be wusstsein wagten die Studenten<br />
Selbstversuche – und berichteten von<br />
extremen Eindrücken während <strong>der</strong> Bestrahlung,<br />
von Farben, für die es keine<br />
Namen gibt, schwebenden Wesen o<strong>der</strong><br />
einem Blick ins Universum. <strong>Die</strong> Folge:<br />
Ein völliger entspannter und zugleich<br />
hellwacher Geisteszustand. »Eine solche<br />
Lichtreise kann so prägend sein<br />
wie jede spannende Reise«, sagt Ralph<br />
Buchner. Einige Teilnehmer brachen<br />
die Anwendung aufgrund von Herzrasen<br />
und <strong>der</strong> Wahrnehmungsintensität<br />
ab. <strong>Die</strong> meisten waren jedoch nach<br />
<strong>der</strong> Sitzung enorm produktiv, zeichneten<br />
o<strong>der</strong> fotografierten stundenlang<br />
und lösten sich dabei von alten Denkmustern.<br />
Caroline Hagenaus Illustrationen<br />
zum Beispiel, naiv anmutende,<br />
Gustav-Klimt-artige Porträts, entwickelten<br />
sich unter dem Einfluss des Neurostimulators<br />
zu kantigen, haptisch-intensiven<br />
Bil<strong>der</strong>n. Interessant wäre es<br />
zu erforschen, welche Wirkung das<br />
Gerät auf strategische Designdisziplinen<br />
wie zum Beispiel Markenkommunikation<br />
hat.<br />
wl
PAGE 06.13 017<br />
Bunter Therapiebegleiter<br />
n Illustriertes Buch. Kleine Figuren, die herumtollen,<br />
sich hinter Bäumen verkriechen o<strong>der</strong> plötzlich<br />
auflösen: Auf den ersten Blick hat Amelie Bartelsen<br />
in ihrer Abschlussarbeit im Studiengang Illustrationsdesign<br />
an <strong>der</strong> Bildkunst Akademie Hamburg eine lustige<br />
Kin<strong>der</strong>welt erschaffen. Auf den zweiten Blick zeigt<br />
sich <strong>der</strong> ernste Hintergrund: Das Buch »Das Leben ist<br />
kein Naturschutzgebiet« befasst sich in einer Mischung<br />
aus Sachbuch und Belletristik mit dem Thema Psychosen.<br />
Der Text und die begleitenden Illustrationen<br />
sollen spielerisch zwischen Betroffenen, Angehörigen,<br />
Ärzten und Pflegern vermitteln. <strong>Die</strong> Zeichnungen,<br />
die getrennt vom Text auf Postkarten festgehalten sind,<br />
muten wie ein Reisebericht an. Jede <strong>der</strong> 23 Karten<br />
wird durch ein Foto aus dem Klinikumfeld ergänzt, das<br />
einen Kontrapunkt zu <strong>der</strong> fiktiven Erzählung bildet.<br />
<strong>Die</strong> Idee zu dem etwas an<strong>der</strong>en Therapiebegleiter entstand<br />
aus ihrer eigenen Psychoseerfahrung. »Es war mir<br />
wichtig zu zeigen, dass eine Psychose neben allem Leid<br />
auch Nährboden für eine produktive Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit <strong>der</strong> Krise sein kann«, sagt Amelie Bartelsen.<br />
Das Buch gibt’s für 48 Euro bei Gudberg in Hamburg<br />
o<strong>der</strong> per Bestellung über birnental@gmail.com. nik<br />
Algorithmische Schönheiten<br />
n Generative Gestaltung. Bereits<br />
2012 beschäftigte sich Diana Lange<br />
mit <strong>der</strong> Gestaltung in Processing: Damals<br />
fasste sie naturinspirierte Grafiken,<br />
die im Rahmen eines Projekts im<br />
Masterstudiengang Gestaltung an <strong>der</strong><br />
Hochschule für angewandte Wissenschaft<br />
und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen<br />
entstanden, in einem<br />
Buch zusammen (siehe PAGE 07.12, Seite<br />
20). Im Rahmen ihrer Masterthesis<br />
»Zwischen den Stühlen. Grenzgänge<br />
zwischen Kunst, Design und Informatik«<br />
präsentiert sie nun eine Reihe von<br />
Porträts, die den <strong>generativ</strong>en Gestaltungsprozess<br />
selbst in den Vor<strong>der</strong>grund<br />
rücken.<br />
Anfangs hatte die Designerin keine<br />
bestimmte Ästhetik im Sinn, son<strong>der</strong>n<br />
experimentierte mit den Möglichkeiten<br />
von Processing. Sie arbeitete mit<br />
einem abstrakten Partikelsystem, das<br />
sie jedoch bald mit Fotos von Freunden<br />
und Familienmitglie<strong>der</strong>n kombinierte<br />
und so visuelle Anklänge zu<br />
Handzeichnungen erziel te. Ihr Processing-Code<br />
ordnet den Fotos Punkte<br />
zu: je dunkler die Bildbereiche, desto<br />
mehr werden dort platziert. Abhängig<br />
von <strong>der</strong> Darstellungsmethode entsteht<br />
die jeweilige Ästhe tik durch die Aggregation<br />
von Punkten, ihre Verbindung<br />
mit Linien, Einlinienzeichnung<br />
an ihnen entlang o<strong>der</strong> Triangulation.<br />
Bei Letzterer fügte Diana Lange den<br />
Porträts eine Zufallsmaske hinzu, die<br />
die Gesichter etwas verzerrt. fb<br />
Sowohl die von Diana Lange in Processing geschriebenen Code-Snippets als auch die<br />
Programmierumgebung selbst sind auf <strong>der</strong> Plattform OpenProcessing frei verfügbar
018<br />
PAGE 06.13<br />
TITEL<br />
Praktisch modular und typografisch<br />
unverwechselbar: Karl An<strong>der</strong>s hat alles<br />
richtig gemacht
PAGE 06.13 019<br />
Unser Web muss<br />
schöner werden<br />
Im Webdesign heißt es gründlich umdenken. <strong>Die</strong> visuellen Ansprüche <strong>der</strong><br />
User an das neue Leitmedium steigen, gleichzeitig wirft die Vielfalt <strong>der</strong> Devices<br />
technisch alles durcheinan<strong>der</strong>. Alte Rezepte funktionieren nicht mehr<br />
n Zwischen hippen Designs, wie sie<br />
die einschlägigen Online-Showcases à<br />
la FWA o<strong>der</strong> Awwwards zeigen, und<br />
<strong>der</strong> alltäglichen Arbeit im Auftrag von<br />
Kunden klafft eine tiefe, tiefe Lücke –<br />
und die scheint in Deutschland oft noch<br />
etwas tiefer zu sein als etwa in Großbritannien<br />
o<strong>der</strong> Skandinavien. Woran<br />
liegt’s und was sind die aktuellen Ansprüche<br />
an zeitgemäßes, attraktives<br />
und funktionales Webdesign? Welche<br />
Probleme und zugleich Chancen bringen<br />
<strong>Trend</strong>s wie Mobile First, Flat Design,<br />
bild schirm füllende Bildwelten, Interactive<br />
Video, Webfonts, Single-Page-<br />
Sites o<strong>der</strong> Parallax Scrolling? Wir haben<br />
provokative Thesen aufgestellt, dazu<br />
dann Statements führen<strong>der</strong> Webdesigner<br />
eingeholt und spannende Fallbei<br />
spie le gesammelt.<br />
cg<br />
≥ PAGE Online<br />
Alle Links zum<br />
Artikel finden Sie<br />
unter www.pageonline.de/<br />
schoeneres_web<br />
Richard Penna zeigt Arbeiten seines<br />
Studios Nioute mit Webfonts, die<br />
schon einen Vorgeschmack auf das<br />
jeweilige Projekt geben
020 PAGE 06.13 TITEL Webdesign<br />
<strong>Die</strong> New Yorker <strong>Agentur</strong><br />
Hello Monday nutzt auf<br />
<strong>der</strong> neuen <strong>Die</strong>sel-Site nur<br />
flache Bedienelemente<br />
Viele Webdesigndienstleister<br />
können besser<br />
programmieren<br />
als gestalten.<br />
n Liegt es an <strong>der</strong> Firmenstruktur und<br />
Per sonalpolitik o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Aus bildungs<br />
situation, dass viele Digitalagenturen<br />
– beson<strong>der</strong>s in Deutschland –<br />
eher tech nisch als gestalterisch ausgerichtet<br />
sind? Bekommt <strong>der</strong> Kunde<br />
bessere Web sites von <strong>Agentur</strong>en, die<br />
eigentlich keine Interactive-Spezialisten<br />
sind, weil sie mehr Design-Knowhow<br />
haben?<br />
Roman Hilmer, Geschäftsführer<br />
Kreation Fork:<br />
Wir glauben an gutes Design.<br />
Vielleicht glauben an<strong>der</strong>e nicht an gutes<br />
Design. O<strong>der</strong>, wie es beim Thema<br />
Glauben häufiger vorkommt, sie glauben<br />
an ein an<strong>der</strong>es gutes Design. In<br />
manchen Gesprächen haben wir den<br />
Eindruck, dass gutes Design in Deutschland<br />
verpönt ist. Wir erleben immer<br />
wie<strong>der</strong>, dass davon ausgegangen<br />
wird, dass gutes Design nur Designer<br />
selbst sowie die gehobenen Schichten<br />
anspricht und dass man die breite Masse<br />
nur mit prolligem [sic] Design erreichen<br />
könne. Vielleicht verhalten sich<br />
darum einige <strong>Agentur</strong>en zu pragmatisch<br />
und legen mehr Wert auf Programmierung<br />
als auf Design. Auch bei<br />
Bewerbungen von Webdesignern fällt<br />
auf, dass viele sehr pragmatisch, vielleicht<br />
etwas zu pragmatisch vorgehen.<br />
Sie grei fen sich die zeitgeistigen Standards<br />
und trendigen Effekte und legen<br />
los, ohne länger über die eigentliche<br />
Designaufgabe nachzudenken.<br />
Yeliz Üney, Business<br />
Director Hi-ReS!:<br />
Ich glaube nicht, dass gestalterisches<br />
Know-how fehlt. Natürlich<br />
gibt es eine enorme Bandbreite von<br />
An bietern, <strong>der</strong> <strong>Trend</strong> geht immer mehr<br />
zu Kleinstagenturen. Aber Expertise ist<br />
im deutschen Markt durchaus vor handen.<br />
Ich könnte mir vorstellen, dass Unternehmen<br />
häufig schon einen tech nischen<br />
<strong>Die</strong>nstleister haben und das<br />
Webdesign dazukaufen. Aber alles, was<br />
sich im Frontend abspielt, muss in einer<br />
Hand bleiben. Sonst entstehen Sollbruchstellen,<br />
wenn ein Design an einen<br />
technischen <strong>Die</strong>nstleister übergeben<br />
wird und dann Entscheidungen<br />
zwischen Kunde und <strong>Die</strong>nstleister getroffen<br />
werden, die Auswirkungen aufs<br />
Design haben.<br />
Alexan<strong>der</strong> El-Meligi,<br />
Geschäftsführer demo<strong>der</strong>n:<br />
Viele Digitalagenturen werden<br />
nicht von Kreativen o<strong>der</strong> Designern<br />
geführt, son<strong>der</strong>n von Betriebswirten,<br />
In genieuren o<strong>der</strong> Informatikern. Dadurch<br />
ist <strong>der</strong> Anspruch an das Design<br />
verständlicherweise nicht <strong>der</strong>art ausgeprägt,<br />
da eventuell technische Ziele<br />
hö her priorisiert werden. Aber gerade<br />
durch die steigenden Nutzerzahlen<br />
und die massive Verbreitung von Apps<br />
et cetera setzen die Konsumenten inzwischen<br />
neben den rein techni schen<br />
Funktionen eine visuell an spruchs volle<br />
und sinnvolle Gestaltung voraus.<br />
Wie flach darf/<br />
soll eine Website<br />
sein?<br />
n Der Le<strong>der</strong>look von iCal ist ja angeblich<br />
von den Nähten an den Sitzen in<br />
Steve Jobs’ Privatflugzeug inspiriert.<br />
Ich habe solche Imitate von Material i-<br />
en wie Le<strong>der</strong>, Alu o<strong>der</strong> Glas schon immer<br />
verabscheut und mit einem Helferlein<br />
aus dem Netz den Kalen<strong>der</strong> so-
PAGE 06.13 021<br />
fort »entskeuomorphisiert«. Doch es<br />
gibt Hoffnung: Nach dem Abgang von<br />
iOS-Chef Scott Forstall will Jonathan<br />
Ive – an<strong>der</strong>s als Jobs und Forstall kein<br />
Fan des Pseudo-Analog-Looks – neue<br />
Wege gehen. <strong>Die</strong> Frage reicht allerdings<br />
tiefer als eine Aqua-Oberfläche:<br />
Fallen Verläufe, abgeflachte Kanten<br />
o<strong>der</strong> Schat teneffekte auch schon in die<br />
Kategorie des <strong>der</strong>zeit viel geschmähten<br />
Skeuomorphismus?<br />
Selbst wenn das Londoner Design<br />
Museum es zu einem <strong>der</strong> Designs of<br />
the Year kürte, muss man das Windows-<br />
8-Patchwork nicht lieben. Doch flache,<br />
modulare Layouts werden wir künftig<br />
allein deshalb öfter sehen, weil immer<br />
mehr Sites dem Motto »Mobile First«<br />
folgen. Farbflächen kommen mit weniger<br />
Kilobyte aus als skeuomorphe Bilddateien<br />
und sortieren sich im responsiven<br />
Webdesign mühelos neu. Beispie le<br />
sind – logischerweise im sogenannten<br />
Mo<strong>der</strong>n UI – die aktuelle Website von<br />
Microsoft o<strong>der</strong> die neue McDonald’s-<br />
Seite, umgesetzt von Razorfish. Für<br />
Ham- und Cheeseburger in teressiert<br />
man sich eben hauptsächlich, wenn<br />
man unterwegs ist.<br />
Thomas Junk, Geschäftsführer<br />
demo<strong>der</strong>n und 2013<br />
Mitglied <strong>der</strong> ADC-Digitaljury:<br />
Eine oft durch das Zitat des Bekann ten<br />
als Skeuomorphismus ins Interfa ce design<br />
gebrachte Haptik und Vertrautheit<br />
senkte die Hürde, sich mit einem<br />
neuen Medium auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />
Wir sind jetzt aber an einem Punkt angekommen,<br />
wo das Gros <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
täglich im Kontakt mit digitalen<br />
Schnittstellen steht. Da darf das Interface<br />
wie<strong>der</strong> »es selbst sein«.<br />
Matt Harrop, Kreativdirektor<br />
Fork:<br />
Das Revival von minimalistischem<br />
flachem Design scheint eher eine<br />
Revolte gegen Apples Pseudorealismus<br />
zu sein als ein passen<strong>der</strong> visueller<br />
Stil für eine neue Technologie. Es<br />
ist eine nette Abwechslung und hat einige<br />
schöne Anwendungen hervorgebracht,<br />
kann aber auch zu weit gehen<br />
und die Usability behin<strong>der</strong>n. Soll ich<br />
klicken? Soll ich wischen? Soll ich pin-<br />
chen? Googles neuer Look (beispielsweise<br />
bei <strong>der</strong> Google-Maps-App) ist<br />
ein gelungener Mittelweg: flach, aber<br />
mit Texturen und Schatten als visuel le<br />
Referenzpunkte.<br />
Nicht so gelungene Fallbeispiele: Der<br />
Mobile-First-Ansatz ist perfekt, um sich<br />
aufs Wesentliche zu konzentrieren,<br />
schießt manchmal aber übers Ziel hinaus:<br />
Nach dem Relaunch sieht http://<br />
thenextweb.com auf einem 27-Zoll-Moni<br />
tor aus, als sei sie für Senioren o<strong>der</strong><br />
Sehbehin<strong>der</strong>te gestaltet. An<strong>der</strong>erseits<br />
begegnen einem <strong>der</strong>zeit öfter Sites, die<br />
eher den Look von Mo<strong>der</strong>n UI als dessen<br />
Funktionalität nutzen. So die neue<br />
WWF-Site, die flach und scheinbar modular<br />
daherkommt, dies auf mo bi len<br />
De vices aber nicht respon siv um setzt.<br />
Beim neuen Stadtportal Heiden heim.<br />
de funktioniert das zwar auf iPhone<br />
und Co, aber es kachelt nur auf <strong>der</strong><br />
Startseite, danach werden die Kacheln<br />
zum funktionslosen Hea<strong>der</strong>mus ter. Ein<br />
ähnliches Phänomen wie beim <strong>Trend</strong><br />
zu großen Bil<strong>der</strong>n, die sich auch oft nur<br />
auf <strong>der</strong> Startseite finden. Dann geht’s<br />
kleinteilig weiter wie eh und je . . .<br />
Wir wollen<br />
wie<strong>der</strong> was<br />
erleben!<br />
n Selbstverständlich reicht es nicht<br />
im mer, wenn Websites nur flach und<br />
praktisch sind. Manchmal wollen die<br />
User auch in spannende Erlebnisräume<br />
eintauchen. Aber wie gehen Rich Media<br />
und Immersion ohne Flash? Interactive<br />
Video o<strong>der</strong> das für die Darstellung<br />
animierter interaktiver 3-D-Welten ohne<br />
Plug-in nutzbare WebGL werden das<br />
in <strong>Zukunft</strong> mit Sicherheit immer häufiger<br />
möglich machen. Doch <strong>der</strong> Weg<br />
dorthin ist technisch nach wie vor holprig.<br />
Wir fürchten, dass es nicht deutsche<br />
Designer sein werden, die hier<br />
die Vorreiter abgeben . . .<br />
So lassen wir uns<br />
Skeuomorphismus<br />
gefallen: Website<br />
von Fl@33 für die<br />
Ausstellung »No<br />
one lives here« des<br />
Londoner Royal<br />
Collage of Art. Der<br />
Screenshot zeigt<br />
nur einen Teil <strong>der</strong><br />
Fläche, die man am<br />
Monitor stückchen -<br />
weise erkundet
022 PAGE 06.13 TITEL Webdesign<br />
Aufwendiger als ein<br />
Werbefilm: die Site<br />
www.inshootables.fr,<br />
die die neue Fähigkeit<br />
von Lumia-Smart -<br />
phones kommuniziert,<br />
Gruppenfotos<br />
erst zu schießen,<br />
wenn alle stillhalten<br />
yourwaytooz.com o<strong>der</strong> die überwiegen<br />
de Zahl <strong>der</strong> Google-Lab-Projekte<br />
wie Mr. doob et cetera. Aber wenn es<br />
nicht nur Parallax Scrolling in HTML5<br />
sein soll, son<strong>der</strong>n wirklich eine einzigartige<br />
und beeindruckende Inszenierung,<br />
nimmt die Cross-Platform-Optimierung<br />
noch sehr viel Zeit und Budget<br />
in Anspruch. Mit Flash erreicht man<br />
auf Desk tops immer noch die beste<br />
Performance und Reichweite. Eine für<br />
alternative Devices optimierte Anwendung<br />
ist sowieso meist wünschenswert.<br />
Man sollte also früh und transparent<br />
mit dem Kunden über Vor- und Nachteile<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Lösung sprechen,<br />
um das ideale Konzept zu entwickeln.<br />
Wer kann Interactive Video? Egal, welche<br />
Techniken auf Dauer Flash für opulente<br />
Animationen ablösen, die Arbeit<br />
von Digitalagenturen wird das nicht<br />
fun damental än<strong>der</strong>n. Bei Video sieht<br />
das an<strong>der</strong>s aus – auf Dauer ist bildschirmfüllende<br />
Qualität auf Werbefilmniveau<br />
gefragt, von Regie über Ausstat<br />
tung bis zur Technik. Plus zusätzliches<br />
Know-how, denn das Video soll<br />
ja interaktiv sein. Ein Job für hochkarätige,<br />
dis ziplinenübergreifend arbei tende<br />
Spe zialisten. Wie die <strong>der</strong> französischen<br />
Agen tur Fighting Fish, die mit<br />
Wun<strong>der</strong>man Paris die links gezeigte<br />
Website für Nokia realisierte.<br />
Matt Harrop, Kreativdirektor<br />
Fork:<br />
Nirgends kommt <strong>der</strong> Kunde<br />
in so engen aktiven Kontakt mit <strong>der</strong><br />
Mar ke wie im Internet. Das ist eine große<br />
Chance und gleichzeitig eine große<br />
Gefahr, denn jede falsche Bewegung<br />
kann ihn für immer verscheuchen. Vor<br />
allem in Deutschland meiden viele Marken<br />
deshalb jedes Risiko und bieten<br />
bra ve, faktenbasierte Rationalisierungen<br />
<strong>der</strong> Vorzüge ihrer Produkte. Rationalität<br />
spricht einen bestimmten Typ<br />
Kun den an und sollte eingesetzt wer-<br />
den, wenn es passt. Aber auf emotiona<br />
lem Wege lässt sich eine damit<br />
unver gleichliche Motivation und aktive<br />
Nä he zur Marke erzeugen. Marken<br />
sind mehr als ihre Produkte, sie sollten<br />
aufhören zu rationalisieren, tief in ihren<br />
Mar ken kern eintauchen, um laut<br />
und stolz die Werte zu kommunizieren,<br />
für die sie ste hen.<br />
Alexan<strong>der</strong> El-Meligi,<br />
Geschäftsführer demo<strong>der</strong>n:<br />
Dass man auch ohne Flash<br />
schöne Erlebnisräume eröffnen kann,<br />
zeigen aktuelle Seiten wie www.find<br />
Große Bil<strong>der</strong>,<br />
viele Bil<strong>der</strong> . . .<br />
gute Bil<strong>der</strong>?<br />
n Einer <strong>der</strong> aktuellen <strong>Trend</strong>s hin zu<br />
attraktiverem Webdesign heißt große<br />
Bil<strong>der</strong>. Doch damit – und <strong>der</strong> steigenden<br />
Auflösung von Desktop- und Mobile-Displays<br />
– wachsen die Anforde-
PAGE 06.13 023<br />
rungen an die Qualität <strong>der</strong> Fotos. Billigbil<strong>der</strong><br />
von Plattformen, die einst nur<br />
entstanden, um den Hunger des Webs<br />
nach Lo-Fi-Fotos zu befriedigen, reichen<br />
da nicht mehr. Sind bei Digitalagenturen<br />
bald Shootings mit bekannten<br />
Fotografen ebenso Standard wie<br />
in <strong>der</strong> Printwerbung? Werden dort Artbuyer<br />
arbeiten, um das nötige Knowhow<br />
einzubringen?<br />
Thomas Junk, Geschäftsführer<br />
demo<strong>der</strong>n:<br />
<strong>Die</strong> Wirkung zählt: Mit wachsendem<br />
Selbstbewusstsein und steigen<br />
<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung an beeindruckende<br />
Inhalte werden Digitalagenturen<br />
immer öfter zum Koordinator <strong>der</strong> eigent<br />
lichen Inhaltsproduktion.<br />
Andreas Henkel, Projektbuero<br />
.HenkelHiedl:<br />
Nehmen wir die Zahnarztpraxis<br />
Kniha & Gahlert. <strong>Die</strong> machen, was<br />
Tausende an<strong>der</strong>e Zahnärzte auch machen.<br />
Was an ihrer Arbeit gegebenenfalls<br />
besser ist, ist im Detail zu komplex,<br />
um es mal schnell zu vermitteln. <strong>Die</strong><br />
Summe dieser Details lautet: Ästhetik.<br />
Und für die Vermittlung genau dieser<br />
Botschaft sind Fotos sehr guter Fotografen<br />
unerlässlich.<br />
Fallbeispiel coffeesurfing.illy.com:<br />
Wel che kreativen Möglichkeiten höhere<br />
Ansprüche an die Fotografie im Web<br />
eröffnen, zeigen Projekte wie das von<br />
Gabriele Galimberti für die Kaffeemarke<br />
illy. Der italienische Fotograf, <strong>der</strong><br />
sonst für »Newsweek«, »La Repubblica«<br />
o<strong>der</strong> »Vanity Fair« arbeitet, hatte gerade<br />
einen 18-monatigen Couchsurfing-<br />
Trip um die Welt beendet, als er wie<strong>der</strong><br />
losgeschickt wurde – diesmal zum<br />
Coffee Surfing. Dabei besucht und fotografiert<br />
er Menschen, die ihm bei<br />
ei nem Kaffee ihre persönliche Glücksgeschichte<br />
erzählen. Eine Idee des Desi<br />
gn studios Dolcestilnuovo aus Modena,<br />
das aus Fotos und Geschichten eine<br />
Website mit Splitscreen-Scrolling-Effekten<br />
bastelte. <strong>Die</strong> Site startete im Februar<br />
diesen Jahres – und lädt Interessenten<br />
zum Mitmachen ein. Seither ist<br />
Ga limberti in euro pä isch en Metropolen<br />
unterwegs und trinkt dort mit fremden<br />
Leuten Kaffee.<br />
Fallbeispiel herzo.adidas-group.com:<br />
Herzo was? Potenzielle Mitarbeiter aus<br />
dem Ausland nach Herzogenaurach<br />
zu locken, ist nicht leicht . . . Thorsten<br />
Konrad kreierte deshalb für adidas eine<br />
Recruiting-Site, die durchweg auf<br />
bildschirmfüllenden Fotos und Videos<br />
beruht. Jens Franke stand ihm konzeptionell<br />
sowie als Entwickler zur Seite<br />
und lieferte zudem attraktive Fotos, die<br />
auf seiner dreimonatigen Sabbatical-<br />
Fußreise durch den Süden Deutsch-<br />
lands entstanden ( http://100tage.jens<br />
franke.com ). Dazu kommen Videointerviews<br />
mit adidas-Mitarbeitern aus<br />
aller Welt in Herzogenaurach. Dabei arbeitete<br />
Konrad mit dem in Berlin lebenden<br />
israelischen Filmemacher Shai<br />
Levy zusammen – und einem amtlichen<br />
Team, zu dem auch ein zweiter<br />
Kameramann sowie ein Ton- und Kameraassistent<br />
gehörten. Bil<strong>der</strong> und Videos<br />
sind auf eine Karte gepinnt, sodass<br />
sich die Site wie ein Reiseführer<br />
Lust darauf, sich<br />
von einem<br />
Profi fotografen zu<br />
Hause porträtieren<br />
zu lassen?<br />
<strong>Die</strong> Kampagne<br />
http://coffeesurfing.<br />
illy.com macht<br />
es möglich<br />
Seit dem Launch<br />
von http://kniha<br />
gahlert.de mit Fotos<br />
von Thomas<br />
Straub bekommt<br />
Henkel Hiedl<br />
Anrufe von Zah n -<br />
arzt praxen, die<br />
auch so eine Seite<br />
und vor allem<br />
solche Fotos wollen
024 PAGE 06.13 TITEL Webdesign<br />
<strong>Die</strong> Recruiting-Site<br />
http://herzo.adidasgroup.com<br />
von<br />
Thorsten Konrad<br />
und Jens Franke<br />
lockt mit großen<br />
Bil<strong>der</strong>n nach<br />
Herzogenaurach<br />
Puristisch: <strong>der</strong> neue<br />
Onlineshop von<br />
Ojala Werke für die<br />
Königliche<br />
Porzellan-Manu faktur<br />
Berlin. Infos<br />
und Preise werden<br />
auf https://<br />
kpm-berlin.com<br />
nur bei Mouse-over<br />
sichtbar – wie im<br />
realen Showroom,<br />
<strong>der</strong> sich ohne<br />
Preisschil<strong>der</strong> aufs<br />
sinnliche Erleben<br />
<strong>der</strong> Produkte<br />
konzentriert<br />
senchance, aber auch eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
für Webdesigner, die bisher<br />
bloß das Handling einer Handvoll<br />
Schrif ten gewohnt waren. Ebenso wie<br />
beim Thema (Bewegt-)Bild gilt: Sofern<br />
entsprechendes Wissen inhouse nicht<br />
verfügbar ist, müssen Digitalagentu ren<br />
Spezialisten heranziehen, wenn sie Arbeiten<br />
auf höchstem Niveau abliefern<br />
wollen. Nehmen wir die auf Seite 18 gezeigte,<br />
wun<strong>der</strong>bare neue Site <strong>der</strong> Hamburger<br />
Corporate-Design- und Werbeagentur<br />
Karl An<strong>der</strong>s, die offenbar das<br />
Glück hat, einige Typocracks in ihren<br />
Reihen zu haben . . .<br />
Lars Kreyenhagen,<br />
Managing Partner Karl<br />
An<strong>der</strong>s:<br />
<strong>Die</strong> Fließtextschrift Aperçu Regular<br />
von The Entente aus London und die<br />
Aperçu Bold für Auszeichnungen sind<br />
unsere Hausschriften, die wir auch in<br />
Print nutzen. <strong>Die</strong> Headlinetype Karl_<br />
Eins ist eine Eigenkreation von Ann<br />
Eckert, die bei uns als Designerin arbeitet.<br />
Als sie uns die Schrift irgendwann<br />
zeigte, war sie noch nicht ganz fertig.<br />
Aber dann haben wir uns bei unserem<br />
Redesign auf die Schrift eingeschossen<br />
– ein Grund für Ann, sie zu finalisieren.<br />
Beim Webfont hat noch Marko<br />
Grewe, <strong>der</strong> ebenfalls bei uns als Designer<br />
arbeitet und zufällig das Schriftenlabel<br />
Avoid Red Arrows betreibt,<br />
mit Hand angelegt.<br />
Thomas Junk, Geschäftsführer<br />
demo<strong>der</strong>n:<br />
Für Headlines und Anleser<br />
sind Webfonts gerechtfertigt, allerdings<br />
sind viele Druckschriften nicht<br />
geeignet, am Bildschirm längere Texte<br />
zu vermitteln. Mit dem Einzug <strong>der</strong> Retina-Displays<br />
wird es aber definitiv eine<br />
Rückbesinnung auf die klassischen<br />
Ge staltungsregeln des Printdesigns geben,<br />
und hoffentlich werden Duktus<br />
und Erscheinung <strong>der</strong> klassischen Schriften<br />
an die neuen Einsatzgebiete angepasst.<br />
Momentan ist immer noch ärger<br />
lich, dass manche Schriften lizenztech<br />
nisch einfach nicht verfügbar sind<br />
(wie die Gotham von Frere-Jones). <strong>Die</strong><br />
Fonts sollte man auf jeden Fall auf<br />
Cross-Browser-Kompatibilität über prünutzen<br />
lässt, aber zusätzlich auch<br />
ganz schlicht wie eine PowerPoint-<br />
Präsentation mit den Pfeiltasten auf<br />
<strong>der</strong> Tastatur.<br />
Außerdem: Neben dem <strong>Trend</strong> zu XL-<br />
Fotos gibt es den zu vielen Bil<strong>der</strong>n, oft<br />
im Pinterest-Style wie bei <strong>der</strong> neuen<br />
H&M-Marke & Other Stories o<strong>der</strong> als<br />
Foto-Videoclip-Mosaik wie bei <strong>der</strong> Film-<br />
Website www.sideeffectsmayvary.com .<br />
Hier sind Bil<strong>der</strong> zweckmäßig, transportieren<br />
Informationen o<strong>der</strong> Atmosphäre.<br />
Wenig Sinn macht Bebil<strong>der</strong>ung um<br />
<strong>der</strong> Bebil<strong>der</strong>ung willen, etwa bei <strong>der</strong><br />
Tech-News-Seite ReadWrite. Am Fließband<br />
immer wie<strong>der</strong> Visuals für die gleichen<br />
abstrakten Technik- o<strong>der</strong> Branchenthemen<br />
finden zu müssen, kann<br />
einfach nicht gut gehen.<br />
Endlich wird das<br />
Web typografisch<br />
wachgeküsst!<br />
n Erst jetzt, wo die ganze Schriftenvielfalt<br />
nicht mehr nur als Bild, son<strong>der</strong>n<br />
in flexibler, fließen<strong>der</strong> Form zur<br />
Verfügung steht, ist Typografie wahrhaft<br />
digital und spielt als Gestaltungselement<br />
eine ganz neue Rolle. Eine Rie-
PAGE 06.13 025<br />
fen; denn selbst große Unternehmen<br />
bieten Schriften an, die merkliche Unterschiede<br />
zwischen Firefox und Safari<br />
aufweisen.<br />
Ole Schäfer, primetype.com:<br />
Oft werden eins zu eins ganz<br />
normale Schriften genommen,<br />
statt sie von einem Typedesigner<br />
für den im Vergleich zu Print niedrigauflösenden<br />
Monitor zurichten zu lassen.<br />
<strong>Die</strong> Buchstaben brauchen mehr<br />
Luft und deutlich mehr Kontrast zwischen<br />
den Strichstärken. Ich empfehle<br />
immer, kräftige Schriften und nicht zu<br />
geringe Punktgrößen zu wählen. Für<br />
Apps lohnt es sich auch, Fonts zu überarbeiten.<br />
Meist wird aber nur geguckt,<br />
was billig ist und am besten gar nichts<br />
kostet. Dazu kommen uneinheit liche<br />
Li zenzen. Man muss immer die EULAs,<br />
die End User Licensing Agreements,<br />
lesen o<strong>der</strong> nachfragen, bevor man<br />
einem Kunden eine Schrift vorschlägt,<br />
um sicherzugehen, dass lizenz rechtlich<br />
alles abgedeckt ist.<br />
Dem Bil<strong>der</strong>-<br />
Overflow setzt<br />
Ojala Werke<br />
eine <strong>Agentur</strong> website<br />
entgegen,<br />
die ohne Webfonts<br />
so nicht möglich<br />
gewe sen wäre –<br />
mit <strong>der</strong> Brandon<br />
von Hannes von<br />
Döhren aus<br />
Berlin, die 2011<br />
beim TDC 2 aus -<br />
gezeichnet wurde<br />
Mehr Weißraum,<br />
aber bitte nicht<br />
immer weiß!<br />
n Mit hellem Hintergrund und schicken<br />
Webfonts ein Art edle Printoptik<br />
zu erzeugen ist <strong>der</strong>zeit schwer angesagt.<br />
Beispiele sind <strong>der</strong> neue Luxuskosmetikshop<br />
www.planet-prestige.de<br />
(mit Flagship-Store in <strong>der</strong> Oranienburger<br />
Straße), www.bree.de von super-<br />
Real aus Hamburg o<strong>der</strong> die avantgardis<br />
tische www.owloptics.com . Doch gerade<br />
im Edel-E-Commerce hat sich<br />
die ser Look – zu dessen Vorläufern<br />
www.net-a-porter.com zählt – <strong>der</strong>art<br />
epidemisch verbreitet, dass manche<br />
Für das neue Portal<br />
Baden-Württemberg.de<br />
übernahm<br />
ressourcenmangel<br />
die Garamond<br />
als Corporate Type<br />
für Headlines und<br />
Zitate. Dazu kommt<br />
die Fließtextschrift<br />
Gudea und die<br />
Corporate-Designkonforme<br />
Eierschalenfarbe<br />
als<br />
Hintergrund
026 PAGE 06.13 TITEL Webdesign<br />
Blumensträuße im Abo: bei<br />
Blumeno.de mit klassizistischer<br />
Typo, Bloomy Days etwas<br />
weniger luftig und mit hinter -<br />
legten Headlines – Letztere<br />
hat auch die funktionalistischer<br />
gestaltete Miflora.de<br />
Auftritte einan<strong>der</strong> verblüffend ähneln.<br />
Wie die Sites <strong>der</strong> Abo-Blumen-<br />
Anbieter Bloomy Days aus Berlin, Miflora<br />
aus München und Blumeno.de<br />
aus Mülheim an <strong>der</strong> Ruhr.<br />
Nur zur Erinnerung: Weißraum kann<br />
auch schwarz sein (sieht immer edel<br />
aus, siehe www.dieselblackgold.com ),<br />
monochrom farbig, mit Verläufen o<strong>der</strong><br />
sogar gemustert – Hauptsache, die Inhalte<br />
werden schön reduziert und damit<br />
über sichtlich präsentiert. Beim Relaunch<br />
des Onlinemagazins »Swide«<br />
von Dolce&Gabbana versah Hi-ReS!<br />
London jede Rubrik mit einer an<strong>der</strong>en<br />
Hintergrundfarbe. Beson<strong>der</strong>s beliebt<br />
sind gerade auch mit einem Punktraster<br />
zurückgenommene Hintergrundbil<strong>der</strong><br />
wie bei www.love-odol.de o<strong>der</strong><br />
www.ufomammoot.de .<br />
Scrollen bis <strong>der</strong><br />
Arzt kommt?<br />
n In Sachen Scrollen hat sich enorm<br />
viel getan in den letzten Jahren, sei es<br />
durch CSS-Effekte, sei es durch die<br />
über Touchpads und -displays gelernten<br />
neuen Interaktionsformen. Auch<br />
Social-Media-Sites wie Twitter o<strong>der</strong><br />
Tumblr haben mit ihrem Infinite Scrolling<br />
auf an<strong>der</strong>e Seiten abgefärbt –<br />
zwei fellos sehr praktisch, nur die Verlinkung<br />
einzelner Themen stellt hier<br />
öfters ein Problem dar. Wun<strong>der</strong>bar sind<br />
auch Neuerungen wie Sticky Navigations<br />
o<strong>der</strong> Fixed Hea<strong>der</strong>s, die beim<br />
Scrollen einfach mitkommen und so<br />
immer verfügbar sind.<br />
Schwieriger sieht es beim Parallax<br />
Scrolling aus, bei dem – manche kennen<br />
es aus Jugendtagen von jump ’n’ runs –<br />
verschiedene Ebenen sich unterschiedlich<br />
schnell bewegen. Es gibt äußerst<br />
gelungene Anwendungen wie die zum<br />
DVD-Start gelaunchte Making-of-Site<br />
zum Film »Life of Pi«. <strong>Die</strong> sich gegeneinan<strong>der</strong><br />
verschiebenden Ebenen haben<br />
hier eine Funktion, zeigen sie doch<br />
mit beweglichen Vorher-Nachher-Darstellungen,<br />
wie einzelne Szenen entstanden<br />
sind. Oft aber lassen sich die<br />
Designer selbst zu sehr von den Effekten<br />
berauschen, die sie kreieren. Nirgendwo<br />
sonst schwirren Typo und Bil<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>art verwirrend kreuz und quer<br />
über den Bildschirm wie da, wo von<br />
»amazing scrolling effects« die Rede<br />
ist. Ganz abgesehen davon, dass sich<br />
die kunstvollen Verschachtelungen zumeist<br />
mindestens so schlecht aktualisieren<br />
lassen wie die guten alten Flash-<br />
Zaubereien. Nur ein Hype ohne große<br />
<strong>Zukunft</strong> also?<br />
Thomas Junk, Geschäftsführer<br />
demo<strong>der</strong>n:<br />
Für die wachsende Zahl von<br />
Touch-Interface-Usern und Mausradscrollern<br />
ist es wesentlich einfacher<br />
und intellektuell nachvollziehbarer, Inhalte<br />
in <strong>der</strong> eigenen Geschwindigkeit<br />
aufzunehmen, als durch anstrengendes<br />
Blättern und Nachladen den Perzeptionsfluss<br />
immer wie<strong>der</strong> zu unterbrechen.<br />
<strong>Die</strong>sen Scrollvorgang mit<br />
»Effekten« zu belegen, soll mal mehr,<br />
mal weniger sinnvoll <strong>der</strong> Vermittlung<br />
<strong>der</strong> Inhalte dienen und durch überraschende<br />
Wendungen den Konsumenten<br />
am Ball halten. Für die überwiegen<br />
de Zahl <strong>der</strong> Scrollingeffekte reicht<br />
allerdings lei<strong>der</strong> die Performance <strong>der</strong><br />
mobilen Endgeräte häufig (noch) nicht<br />
aus, sodass die Annahme, eine HTML5-<br />
Seite würde auf jedem Gerät die gleiche<br />
Erfahrung gewährleisten, ad absurdum<br />
geführt wird.<br />
Matt Harrop, Kreativdirektor<br />
Fork:<br />
Uns wun<strong>der</strong>t die Formulierung<br />
»nur ein Hype«, denn unsere Branche<br />
basiert auf Hypes! Alle zwei drei<br />
Tage stoßen wir auf etwas, das verspricht,<br />
»die Welt zu verän<strong>der</strong>n«, und<br />
unsere Aufgabe ist es, am Ball zu sein,<br />
Dinge auszuprobieren . . . kurzum, den
PAGE 06.13 027<br />
Hype mit offenen Armen zu begrüßen.<br />
<strong>Die</strong> Erfahrung zeigt dann, welcher<br />
Stil für welches Projekt geeignet ist.<br />
Aber <strong>der</strong> Hype stößt erst mal zahlreiche<br />
Experimente an.<br />
Trent Walton, http://trent<br />
walton.com/2013/01/20/paral<br />
lax-scrolling-on-the-web:<br />
Vertikales Scrollen zu nutzen, um horizontale<br />
Bewegung auszulösen, kann<br />
sich wi<strong>der</strong>sprüchlich und unnatürlich<br />
anfühlen. Ähnliche Effekte, wie das<br />
Scrollen zu verlangsamen o<strong>der</strong> es zu<br />
nutzen, um Objekte zu laden o<strong>der</strong> zu<br />
animieren, kann schwerfällig und desorientierend<br />
wirken. Es gibt sicher Ausnahmen,<br />
aber man kann wohl nicht<br />
immer sagen, dass eine Site den User<br />
mit solchen Effekten stärker involviert.<br />
Ich selbst bin weniger involviert, wenn<br />
das Scrollverhalten nicht, wie man es<br />
erwartet, funktioniert o<strong>der</strong> mir gänzlich<br />
aus <strong>der</strong> Hand gleitet. Es ist wie im<br />
Auto: Sogar subtil verän<strong>der</strong>te Reaktionen<br />
bei <strong>der</strong> Steuerung verunsichern<br />
den Fahrer und lenken ihn von dem ab,<br />
was auf ihn zukommt.<br />
Ohne verschwurbelte<br />
Ebenen<br />
verbindet die Site<br />
von Ahoy Studios<br />
eine fixe Navigation<br />
sowie vertikales<br />
und horizontales<br />
Scrollen in<br />
einem schlichten<br />
und damit nachvollziehbaren<br />
Kreuz<br />
Dass Parallax-<br />
Scrolling-Sites für<br />
Making-ofs von<br />
Filmen wie gemacht<br />
sind, veranschaulicht<br />
http://journey.<br />
lifeofpimovie.com
028 PAGE 06.13 TITEL Webdesign<br />
Single-Page-Site mit doppeltem<br />
Boden: Bei dem von Roanne<br />
Adams für das Modemagazin<br />
»Lula« gestalteten Auftritt<br />
liegen hinter Aussparungen<br />
Fotos und Videos<br />
n Vom Thema Scrolling naturgemäß<br />
kaum zu trennen ist <strong>der</strong> <strong>Trend</strong> zum<br />
Single-Page-Design. Wobei viele Sites,<br />
die auf den ersten Blick so daherkommen,<br />
gar keine sind, son<strong>der</strong>n letztlich<br />
doch irgendwo wie<strong>der</strong> Links zu Unterseiten<br />
beinhalten. Statt wie bisher eine<br />
Website wie ein Buch o<strong>der</strong> ein Karteikartensystem<br />
aufzubauen, wird sie bei<br />
Single-Page-Sites quasi als eine große<br />
dynamische Leinwand verstanden. Angesagt<br />
sind <strong>der</strong>zeit Lösungen, die nur<br />
eine Scrollrichtung vorsehen, in <strong>der</strong><br />
sie eine – hoffentlich durchdachte – lineare<br />
Narration entwickeln.<br />
Fallbeispiele: Single-Page-Lösungen<br />
sind perfekt für Erklärwebsites ( http://<br />
everylastdrop.co.uk ) o<strong>der</strong> sonst wie<br />
Infografisches ( http://mailchimp.com/<br />
2012 ), um kleine exklusive Produktten<br />
gegeneinan<strong>der</strong> an tre ten – am Ende<br />
kann <strong>der</strong> Spieler die Version liken, die<br />
ihm besser gefiel. Bis jetzt hat HTML5<br />
mehr Likes, doch das salomonische Fazit<br />
von Waste lautet: »Bei des sind nur<br />
Werkzeuge, und wir lieben ALLE unsere<br />
Werkzeuge! Bei <strong>der</strong> Technik parteisch<br />
zu sein, führt nirgendwo hin.«<br />
Stimmt! Und wir fügen hinzu: Ebenso<br />
wenig zielführend ist es, bei Gestaltungstrends<br />
parteiisch zu sein. Bei je<strong>der</strong><br />
Aufgabe müssen die richtige Technik<br />
und die richtige Gestaltung zum<br />
Einsatz kommen – in Zusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Spezialisten auf ihrem<br />
Gebiet, bis hin zu Typo, Foto und Film.<br />
Auf dass Deutschland seinen Rückstand<br />
in Sachen kreatives, anspruchsvolles,<br />
mutiges, einfallsreiches Webdesign<br />
endlich aufholt.<br />
cg<br />
Single Page<br />
reicht doch!<br />
wel ten vorzustellen ( www.eden-made.<br />
de ), für Kampagnen-Microsites ( www.<br />
trifft-jeden.de ) und natürlich für Designerportfolios<br />
– letztgenannte Anwendung<br />
ist in diesen Tagen am häufigsten<br />
anzutreffen .<br />
Der Schuss kann aber auch nach<br />
hin ten losgehen. Etwa zu beobachten<br />
bei http://aform.lu, <strong>der</strong> Website eines<br />
Fitness-Coachs, wo die Bil<strong>der</strong> eben keine<br />
lineare Entwicklung zeigen und <strong>der</strong><br />
Sinn <strong>der</strong> verwirrend herein- und heraus<br />
fliegenden Zahlen sich erst am Ende<br />
offenbart, wenn man vermutlich<br />
bereits längst ausgestiegen ist. Mit perfektem<br />
Storytelling hin gegen ist www.<br />
flashvhtml.com um ge setzt. Dort lässt<br />
die <strong>Agentur</strong> Waste aus London Flash<br />
und HTML5 mit zwei eigens dafür programmierten<br />
»Waste Inva <strong>der</strong>s«-Va ri an-<br />
Single-Page-Storytelling:<br />
Waste aus<br />
London lädt auf<br />
www.flashvhtml.<br />
com zu einem<br />
Wettkampf zwi -<br />
schen Flash<br />
und HTML5 ein
ZeigeWasDesignKann.de
030 PAGE 06.13<br />
KREATION<br />
FOTOGRAFIE/AKTIONSKUNST<br />
Andre Price, 40, Hamburg<br />
www.surfingtrooper.tumblr.com<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin Creative Director Art bei Grabarz & Partner.<br />
Was machen Sie Kreatives in Ihrer Freizeit?<br />
Der »Trooper« ist keine Kunst, son<strong>der</strong>n eine Mission.<br />
Sie besteht darin, sich aus dem Imperium<br />
zu lösen und ein Jahr lang den Planeten Erde zu<br />
erkunden und zu besurfen. Have you seen him?<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit und an<strong>der</strong>srum?<br />
Freie Projekte zeigen mir, dass sich Kreativität<br />
immer einen Weg sucht.
PAGE 06.13 031<br />
≥ PAGE Online<br />
Weitere Freizeitkünstler<br />
und ihre Arbeiten finden<br />
Sie auf www.pageonline.de/freizeit-kreative<br />
.<br />
Falls Sie selbst Arbei ten<br />
zeigen wollen, schreiben<br />
Sie uns gerne an<br />
info@page-online.de<br />
Freestyle<br />
Viele Gestalter suchen in ihrer Freizeit den kreativen Ausgleich<br />
zum Alltagsjob. Wir stellen einige von ihnen vor<br />
n Manchmal kommt es einem so vor,<br />
als würde man nur noch Pixel schubsen<br />
und von einem Meeting zum nächsten<br />
hechten. Damit die Kreativität im<br />
Alltag nicht auf <strong>der</strong> Strecke bleibt, suchen<br />
viele Gestalter – ob Festangestell<br />
te o<strong>der</strong> Freelancer – in ihrer Freizeit<br />
nach einem Ventil für ihre kreative<br />
Ener gie. Ob Zeichnen, Fotografieren,<br />
Musikmachen, Bücherschreiben – die<br />
Beschäftigungen von Kreativen sind<br />
viel fältig und haben mal mehr, mal weniger<br />
mit dem Brotjob zu tun. Inspirierend<br />
sind sie aber in jedem Fall. Und so<br />
ist das freie Sichausleben und Ausprobieren<br />
nicht nur notwendig fürs Seelenheil,<br />
son<strong>der</strong>n hat auch konkre te Auswirkungen<br />
auf den Beruf. Ein Illustrator,<br />
<strong>der</strong> nebenbei mit Malerei und Comic<br />
ex perimentiert, kann seine Erfahrungen<br />
auch für den nächsten Kunden nutzen.<br />
Manchmal findet das Hob by sogar<br />
eine konkrete Umsetzung in ei ner Kampagne<br />
– wie das Beispiel »The Trashcam<br />
Project« zeigt (siehe Seite 32).<br />
Eine Möglichkeit, seine freien Arbei<br />
ten <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu zeigen, bietet<br />
die Online-Community XH Collecti ve<br />
( www.cargocollective.com/xhcollective ).<br />
XH steht für extra hour – also jene Überstunden,<br />
die Gestalter in ihre eigenen<br />
kreativen Projekte investieren. <strong>Die</strong> rund<br />
80 Mitglie<strong>der</strong> des Kollektivs stammen<br />
größtenteils aus Hamburg und Berlin,<br />
aber auch Kreative aus Spanien, Brasilien<br />
und den USA haben sich angeschlossen.<br />
Neben <strong>der</strong> Online-Präsentation<br />
<strong>der</strong> Artworks organisierten die<br />
XH-Betreiber im vergangenen Jahr eine<br />
Ausstellung und eine Pop-up-Galerie<br />
in Hamburg. »XH Collective bringt Kunst<br />
und Ideen in die Öffentlichkeit, die ansonsten<br />
in Kellern und auf Festplatten<br />
verstauben«, erklärt Mitgrün<strong>der</strong> Timm<br />
Pau lick, <strong>der</strong> tagsüber als Texter bei<br />
VCCP in Berlin arbeitet und sich anschlie<br />
ßend um den Ausbau des XH-<br />
Netz werks küm mert. »Es ist wie eine<br />
Insel <strong>der</strong> Selbst verwirklichung, auf <strong>der</strong><br />
man Kraft für den Alltag tankt.« nik
032 PAGE 06.13 KREATION Freizeitkunst<br />
ANALOGE FOTOGRAFIE<br />
Mirko Derpmann, 41, Berlin<br />
Mirko Derpmann<br />
auf einer selbst<br />
beschichteten Platte<br />
mit einem etwa<br />
100 Jahre alten Objektiv<br />
1<br />
2<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin bei Scholz & Friends Berlin Creative<br />
Director Text und seit Anfang des<br />
Jahres Mitglied <strong>der</strong> Geschäftsleitung<br />
bei Scholz & Friends Agenda.<br />
Was machen Sie Kreatives in<br />
Ihrer Freizeit?<br />
Ich mache Fotos, meist analog und mit<br />
Verfahren, die schon ausgestorben sind<br />
o<strong>der</strong> in den letzten Zügen liegen.<br />
Warum sind Sie in Ihrer<br />
Freizeit kreativ?<br />
Man langweilt sich ja doch gelegentlich.<br />
Vor drei o<strong>der</strong> vier Jahren habe ich aus<br />
diesem Grund mit einem Freund eine<br />
Lochkamera aus einem Schuhkarton<br />
gebaut – mit Fotopapier, Entwickler<br />
und Fixierer. Das erste Bild war we<strong>der</strong><br />
beson<strong>der</strong>s spannend noch bemerkenswert:<br />
Es zeigte nur einen Hinterhof 1 .<br />
Aber wenn man immer nur mit seinem<br />
Handy knipst o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Digitalkamera,<br />
in <strong>der</strong> 10 000 Patente und Algorithmen<br />
zusammenwirken, dann ist es<br />
schon eine Art Wun<strong>der</strong>, dass man ohne<br />
den ganzen Kram ein klar erkennbares<br />
Hinterhofbild produzieren kann.<br />
So nahm die Sache ihren Lauf. Wir haben<br />
dann viel im Internet herumgelesen,<br />
ausprobiert und uns immer mehr<br />
reingefuchst. Man muss ja erst herausfinden,<br />
was passiert, wenn ein Bild<br />
entsteht, um es ohne die Elektronik zu<br />
schaffen. Gerade sind wir dabei Glasplatten<br />
selber zu beschichten.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit<br />
und an<strong>der</strong>sherum?<br />
Wenn man in einer Werbeagentur arbeitet,<br />
kann es nicht schaden zu wissen,<br />
wie Fotoapparate funktionieren.<br />
Insofern haben Hobby und Arbeit gelegentlich<br />
miteinan<strong>der</strong> zu tun. In meinem<br />
Fall ist die Beziehung noch enger:<br />
Gemeinsam mit Christof Blaschke und<br />
dem Fotografen Matthias Hewing habe<br />
ich vor einem Jahr eine Mülltonne<br />
<strong>der</strong> Hamburger Stadtreinigung zu einer<br />
riesigen Lochkamera umgebaut<br />
und gemeinsam mit den Müllmännern<br />
Hamburg fotografiert 2 ( www.flickr.<br />
com/photos/thetrashcamproject ). Damit<br />
haben wir einen silbernen Löwen<br />
in Cannes und viele an<strong>der</strong>e Preise gewonnen.<br />
Außerdem haben wir viel<br />
über riesige Lochkameras gelernt. Man<br />
kann also sagen, dass sich Hobby und<br />
Beruf in diesem Fall gegenseitig befruchtet<br />
haben.
PAGE 06.13 033<br />
COMIC<br />
Stephan Lorse, 28, Hamburg<br />
www.stephanlorse.eu<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin angestellt als Grafiker und Illustrator<br />
bei Kolle Rebbe.<br />
Was machen Sie Kreatives in Ihrer<br />
Freizeit?<br />
Hauptsächlich zeichne ich Comics. Zwischendurch<br />
ist auch mal Zeit für eine<br />
Stu die o<strong>der</strong> eine Illustration zu The men,<br />
die mir durch den Kopf gehen. Ich glaube,<br />
dass ich stilistisch sehr wan del bar<br />
bin, weil ich oft Neues ausprobie re.<br />
Warum sind Sie in Ihrer Freizeit kreativ?<br />
In meinem Beruf bin ich <strong>Die</strong>nstleister<br />
und immer sehr durch den konkreten<br />
Auftrag beschränkt. Darum nutze ich<br />
meine Freizeit, um mich kreativ zu verwirklichen<br />
und weiterzuentwickeln. <strong>Die</strong><br />
Kreativität in <strong>der</strong> Werbung ist nun mal<br />
sehr zielgerichtet, meist arbeitet man<br />
streng nach CI. Vor allem was Illustrationen<br />
angeht, sind viele Entschei<strong>der</strong> häufig<br />
noch sehr vorsichtig.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit und<br />
an<strong>der</strong>sherum?<br />
Im Job profitiere ich sehr von meiner<br />
privaten Arbeit, da ich neue Methoden<br />
und Techniken, die ich mir aneigne, einfließen<br />
lassen kann. In die an<strong>der</strong>e Richtung<br />
ist das aber eher weniger <strong>der</strong><br />
Fall. Ich tobe mich in meiner Freizeit ja<br />
gerade deshalb aus, weil mir das im<br />
Job manchmal fehlt.<br />
ILLUSTRATION<br />
Gustavo Nardini, 30, São Paulo<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin Senior Creative/Art Director bei<br />
Saatchi & Saatchi in São Paulo.<br />
Was machen Sie Kreatives in<br />
Ihrer Freizeit?<br />
Ich versuche mich selbst in verschiedenen<br />
Bereichen und Kanälen auszudrücken:<br />
Fotografie, Collagen und Illustration.<br />
Je<strong>der</strong> dieser Bereiche hat seine<br />
ganz eigene Sprache. Mein erstes<br />
Buch »100 things to do after you are<br />
dead« war eine großartige Erfahrung.<br />
Durch die rund 100 Illustrationen, die<br />
ich ohne Photoshop et cetera gemacht<br />
habe, konnte ich meine Illustrationsfähigkeiten<br />
stark verbessern.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit und<br />
an<strong>der</strong>sherum?<br />
Generell ist meine freie Kreation das<br />
Gleiche wie meine kreative Arbeit in<br />
<strong>der</strong> <strong>Agentur</strong>. Sie haben nur einen unterschiedlichen<br />
Schwerpunkt und enden<br />
somit unterschiedlich. In <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong><br />
gibt es einen Adressaten, den wir<br />
von dem Produkt, <strong>der</strong> Promotion o<strong>der</strong><br />
was auch immer wir bewerben, überzeugen<br />
beziehungsweise darauf aufmerksam<br />
machen müssen. In meiner<br />
Kunst kann ich albern werden und<br />
muss mich um niemanden kümmern –<br />
einen Betrachter abholen o<strong>der</strong> Ähnliches.<br />
Entwe<strong>der</strong> versteht er meine Art,<br />
mich künstlerisch auszudrücken, o<strong>der</strong><br />
eben nicht. Letztlich ist also die Kunst<br />
die freiere von den beiden, aber beide<br />
kommen aus mir und sind ein Teil von<br />
mir selbst, ob ich will o<strong>der</strong> nicht. Wenn<br />
meine freie Kunst nicht ankommt,<br />
kann ich nichts auf den Kunden o<strong>der</strong><br />
den Konsumenten schieben. Es ist<br />
meine eigene Schuld.
034 PAGE 06.13 KREATION Freizeitkunst<br />
FOTOGRAFIE<br />
Daniel Kuhlmann, 32, Stuttgart<br />
www.danielkuhlmann.net<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin Key-Account-Manager bei Strichpunkt.<br />
Was machen Sie Kreatives in<br />
Ihrer Freizeit?<br />
Meine Fotografien aus dieser Serie sind<br />
Schnappschüsse von flüchtigen, aber<br />
dennoch sehr intimen Momenten. Es<br />
sind Augenblicke, in denen die Welt<br />
SLAM POETRY<br />
Karsten Lampe, 28 Jahre, Berlin<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin Junior Konzepter bei Scholz &<br />
Volkmer.<br />
Was machen Sie Kreatives in Ihrer<br />
Freizeit?<br />
Ich bin Slam Poet. Poetry Slam bedeutet,<br />
Menschen stellen sich einan<strong>der</strong><br />
mit ihren Texten im Wettbewerb und<br />
am Ende kriegt einer Ruhm, Ehre und<br />
eine Flasche Whiskey. Wer den Schnaps<br />
öffnen darf – denn getrunken wird er<br />
eh gemeinsam –, entscheidet am Ende<br />
das Publikum mit seinem Applaus.<br />
Auf Slams hört man alles Mögliche:<br />
Oden, Sonette, Comedy-Nummern. Alles<br />
ist erlaubt und alles bereichert den<br />
Abend. Ich selbst würde gerne behaupten,<br />
mit meinen rebellischen Kampfschriften<br />
gegen das Schlechte in <strong>der</strong><br />
Welt anzutexten, aber für aufrichti gen,<br />
den Magen zersetzenden Litera tenzorn<br />
bin ich einfach zu behütet aufgewachsen.<br />
Es reicht eher zu kleinen<br />
Geschichtchen persönlichen Unmuts.<br />
Über meinen Abwasch, das Glück und<br />
vor allem über all das dumme Zeug, das<br />
Menschen so über den Tag verteilt von<br />
sich geben. Ich glaube nicht, dass mir<br />
außen vor bleibt, weil sich alles auf einen<br />
Blick, eine Stimmung o<strong>der</strong> einen<br />
Gedanken fokussiert. <strong>Die</strong> Wärme solcher<br />
Momente versuche ich festzuhalten.<br />
Dass später nicht nur ich, son<strong>der</strong>n<br />
auch an<strong>der</strong>e Menschen diese beson<strong>der</strong>en<br />
Augenblicke in den Fotografien<br />
entdecken können und damit das Gefühl<br />
und die Erinnerung daran bewahrt<br />
bleiben – das ist für mich eine sehr beruhigende<br />
Vorstellung. Ich arbeite an<br />
dieser Serie seit über sechs Jahren.<br />
Warum sind Sie in Ihrer<br />
Freizeit kreativ?<br />
Weil ich etwas schaffen möchte, das<br />
für mich über den Tag hinaus eine Relevanz<br />
hat.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit<br />
und an<strong>der</strong>sherum?<br />
<strong>Die</strong> Fotografie hat mich als Quereinsteiger<br />
überhaupt erst in die Designbranche<br />
gebracht. Darum lote ich die formalen<br />
Grenzen zwischen beiden Disziplinen<br />
für mich permanent aufs Neue<br />
aus. In meinem aktuellen Projekt arbeite<br />
ich mit Farbe, einer Linhof im 6-mal-<br />
12-Zentimeter-Format und an einem<br />
ganz beson<strong>der</strong>en Schauplatz: in Rom.<br />
Denn Rom ist, wenn man genau hinsieht,<br />
eine lebendige und nicht nur<br />
zeitlose Stadt.<br />
da in absehbarer Zeit <strong>der</strong> Stoff aus geht.<br />
Manchmal lacht das Publikum. Ich bilde<br />
mir dann gerne ein, sie lachen, weil sie<br />
den Text lustig finden und nicht mich.<br />
Warum sind Sie in Ihrer Freizeit kreativ?<br />
Ich habe versucht, in meiner Freizeit<br />
de struktiv zu sein, aber da musste ich<br />
hinterher immer so viel aufräumen.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit<br />
und an<strong>der</strong>sherum?<br />
Kampagnen zu entwickeln o<strong>der</strong> auf einer<br />
Bühne zu stehen, fühlt sich manchmal<br />
sehr ähnlich an. Es geht immer darum,<br />
innerhalb kürzester Zeit Aufmerksamkeit<br />
zu erzeugen und dann inhaltlich<br />
zu überzeugen. Das klappt aber<br />
nur, wenn ich überraschend bin, mich<br />
formal von an<strong>der</strong>en abhebe und dabei<br />
trotzdem meine Geschichte verständlich<br />
erzähle. <strong>Die</strong> Herangehensweise ist<br />
insofern gleich. Allerdings habe ich<br />
noch nie etwas über meine Arbeit geschrieben<br />
und habe das auch nicht vor.<br />
Ich kann es gar nicht leiden, wenn<br />
Menschen mir von nichts an<strong>der</strong>em als<br />
von ihrer Arbeit erzählen können. <strong>Die</strong><br />
traurige Wahrheit ist, dass es mich nur<br />
selten interessiert, was du an deinen<br />
Schreibtisch tust, und ich gehe auch<br />
davon aus, dass es sich an<strong>der</strong>sherum<br />
genauso verhält.
036 PAGE 06.13 KREATION Freizeitkunst<br />
ILLUSTRATION<br />
Hobson Chant, Kreativteam aus<br />
Amsterdam, zusammen 76 Jahre alt<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Als Creative Directors und Partner bei<br />
WE ARE Pi in Amsterdam. Wir erschaffen<br />
Markenerlebnisse und Kommunikationskonzepte<br />
für TED und LEGO.<br />
Was machen Sie Kreatives in<br />
Ihrer Freizeit?<br />
Ideen, Illustrationen, Doodles.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit und<br />
an<strong>der</strong>sherum?<br />
Bei WE ARE Pi ergänzen sich unsere<br />
freien Arbeiten und das Tagesgeschäft<br />
auf optimal Weise und gehen Hand in<br />
Hand. Das freut uns und ist nicht gerade<br />
alltäglich.<br />
FOTOGRAFIE<br />
Alexan<strong>der</strong> Bin<strong>der</strong>, 36, Stuttgart<br />
www.alexan<strong>der</strong>bin<strong>der</strong>.de<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin strategischer Planer bei Jung<br />
von Matt/Neckar.<br />
Was machen Sie Kreatives in<br />
Ihrer Freizeit?<br />
Mystisch-symbolhafte Fotografie mit<br />
melancholischem Unterton.<br />
Warum sind Sie in Ihrer Freizeit kreativ?<br />
Mir geht es darum, ein bisschen düstere<br />
Romantik in unseren Alltag zurückzubringen.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit<br />
und an<strong>der</strong>sherum?<br />
Ich trenne beide Welten strikt voneinan<br />
<strong>der</strong>. So kann ich mich gezielt auf jedes<br />
Thema konzentrieren und dessen<br />
Eigenständigkeit bewahren.
PAGE 06.13 037<br />
MUSIK<br />
Jennifer Sanusi, 32, Hamburg<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Ich bin Chefassistentin <strong>der</strong> Geschäftsführung<br />
bei Jung von Matt.<br />
Was machen Sie Kreatives in Ihrer<br />
Freizeit?<br />
Meine Kunst ist die Musik: Ich bin Sängerin<br />
in <strong>der</strong> Band Red Candy. Darum<br />
dreht sich alles: vom Gesangsunterricht<br />
über Proben, Studioaufnahmen, Songwriting<br />
bis zu Auftritten. Da wird gerockt,<br />
denn das ist meine Musik.<br />
Warum sind Sie in Ihrer Freizeit kreativ?<br />
Kreativität ist mein Motor und Musik<br />
die Sprache, in <strong>der</strong> ich mich kreativ am<br />
besten ausdrücken kann. Gleichzeitig<br />
ist es ein wun<strong>der</strong>bares Ventil für meine<br />
Gefühle und Emotionen.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit und<br />
an<strong>der</strong>sherum?<br />
Beides hat mit Kreativität zu tun – auch<br />
wenn es augenscheinlich nicht so erscheint.<br />
Disziplin und Genauigkeit sind<br />
beim Musikmachen genau so wichtig<br />
wie Spaß und Freude bei <strong>der</strong> Arbeit.<br />
ILLUSTRATION<br />
Daniela Garreton, 29, San Sebastián<br />
www.danigarreton.com<br />
Womit verdienen Sie Ihr Geld?<br />
Als freie Grafikdesignerin. Seit einem<br />
Jahr ist es glücklicherweise so, dass ich<br />
fast Vollzeit als Illustratorin arbeiten<br />
kann. So ist aus meiner Kunst ein richtiger<br />
Beruf geworden. Freie Projekte<br />
ohne Auftrag mache ich aber weiterhin.<br />
Ohne diese kreative Freiheit könnte<br />
ich nicht sein.<br />
Was machen Sie Kreatives in<br />
Ihrer Freizeit?<br />
In meinen freien Illustrationen zeige<br />
ich – sehr nostalgisch angehaucht –,<br />
wie verrückt und beson<strong>der</strong>s die Meere<br />
sind. Ich beschäftige mich mit <strong>der</strong> mysteriösen<br />
Welt <strong>der</strong> Ozeane, denn ich liebe<br />
das Wasser.<br />
Befruchtet Ihre Kunst Ihre Arbeit und<br />
an<strong>der</strong>sherum?<br />
Was man in seiner Freizeit macht, zeigt<br />
die wahre kreative Persönlichkeit und<br />
kehrt das Innerste nach Außen. Al les,<br />
was an Inspiration und Gedanken in<br />
ei nem schlummert, kann man ans Licht<br />
beför<strong>der</strong>n und alles Tun verän <strong>der</strong>n.
038 PAGE 06.13 KREATION <strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>
PAGE 06.13 039<br />
Stairway to Heaven<br />
Wie stellen sich die großen Branchenplayer für die <strong>Zukunft</strong> auf? Wir haben traditionsreiche<br />
Design- und Werbeagenturen gefragt, was sie tun, um innovationsfähig zu bleiben<br />
n Hellwach und voller Elan erscheint Kai Röffen zum Gespräch<br />
und lässt uns wissen: Er fastet. Der Geschäftsführer<br />
von thjnk düsseldorf bietet uns einen Schluck seines roten<br />
Gemüsedrinks an und fachsimpelt eine Weile mit Dr. Rüdi ger<br />
Götz, Geschäftsführer von KW43 Branddesign, Division <strong>der</strong><br />
Netzwerkagentur Grey, über die Vorzüge des Entschlackens.<br />
Sich von altem Ballast befreien, Energie zurückgewinnen,<br />
sich neu justieren – das bewegt <strong>der</strong>zeit die gesamte <strong>Agentur</strong>welt.<br />
So sehr, dass sich gleich mehrere Branchengrößen<br />
weigern, PAGE Einblick in ihre bewegten <strong>Agentur</strong>struktu ren<br />
zu gewähren. Effizienz- und Kostendruck sind seit <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />
gestiegen, aber auch die Komplexität von Kommunikationsprodukten.<br />
Unternehmen stückeln ihre Etats<br />
und verteilen sie auf mehrere <strong>Agentur</strong>en. Man unkt wie<strong>der</strong><br />
mal über das Ende <strong>der</strong> Netzwerkagenturen. Und Amir Kassei<br />
schimpft über die lausigen Sitten in <strong>der</strong> Branche.<br />
Doch es gibt nicht nur schlechte Nachrichten: Kai Röffen<br />
und Rüdiger Götz berichten von einem zunehmend professionellen<br />
<strong>Agentur</strong>screening, das den Aufwand durch Pitches<br />
reduziere. Dabei helfen Pitchberater ebenso wie die Vertrautheit<br />
mit <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong>arbeit seitens <strong>der</strong> Auftraggeber. <strong>Die</strong>se<br />
verfügen über eine wachsende Design- und Medienkompetenz,<br />
was eine Kooperation auf Augenhöhe möglich macht.<br />
Dass mit <strong>der</strong> großen Krise <strong>der</strong> Lack <strong>der</strong> Branche abge blättert<br />
ist, empfinden die Protagonisten tendenziell als po si tiv. »Das<br />
Popzeitalter <strong>der</strong> Kreativen ist definitiv vorbei«, sagt Kai Röffen.<br />
Man erhofft sich eine therapeutische Wirkung in Bezug<br />
auf Größenwahn, Ichbezogenheit und die »man ches terkapitalistischen<br />
Zustände«, wie es Rüdiger Götz formuliert<br />
(unser Gespräch mit den beiden finden Sie ab Seite 40).<br />
Dass beson<strong>der</strong>s große <strong>Agentur</strong>en ihr Profil schärfen, beweglicher<br />
werden und ihre Strukturen flexibel managen<br />
müssen, ist schon lange offensichtlich. So unterschiedlich<br />
die Schwerpunkte <strong>der</strong> von uns befragten Design-, Kommunikations-<br />
und Werbeagenturen auch sind, es kristallisieren<br />
sich doch gemeinsame Muster und Ziele heraus. Das ist vor<br />
allem die neue Nähe zum Kunden und zu den Mitarbeitern.<br />
Das virtuelle Büro scheint eine erstaunlich gestrige Idee zu<br />
sein und Homeoffice eher die Ausnahme. Kollaborative Arbeitsmethoden<br />
setzen sich durch. Der persönliche Kontakt,<br />
das Feinstoffliche <strong>der</strong> Kommunikation werden sehr ernst<br />
genommen und Organisationsstrukturen um diese herum<br />
konstruiert: Kunden arbeiten mittlerweile tageweise in den<br />
<strong>Agentur</strong>en und <strong>Agentur</strong>mitarbeiter beim Kunden.<br />
Mit rund 50 Mitarbeitern zählt edenspiekermann nicht<br />
zu den ganz großen Markenagenturen, aber zu denen mit<br />
ei ner langen Geschichte <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung. Gegenwärtig ist<br />
das gesamte Unternehmen im ehemaligen Berliner Tagesspiegel-Gebäude<br />
vom agilen Arbeiten geprägt, das viele<br />
Dis ziplinen effizient zusammenbringt und in kleinen Schritten<br />
Verän<strong>der</strong>ungen sichtbar macht (mehr dazu auf Seite 45).<br />
Den unterschiedlichen Ansprüchen von Spezialisten und<br />
Generalisten unter einem Dach gerecht zu werden gehört<br />
zu den großen Herausfor<strong>der</strong>ungen. Während edenspiekermann<br />
ih re spezialisierten Kreativen individuell im strategischen<br />
Den ken schult, experimentieren an<strong>der</strong>e <strong>Agentur</strong>en<br />
mit ihren Abteilungsstrukturen.<br />
Scholz & Friends zum Beispiel kehrte von den probeweise<br />
eingeführten »orchestrierten Familien«, die nicht mehr<br />
nach Disziplinen organisiert waren, son<strong>der</strong>n in einer Einheit<br />
alle Disziplinen für den Kunden abbildeten, zu disziplinenbezogenen<br />
Units zurück (mehr dazu auf Seite 44). <strong>Die</strong><br />
projektbasierten Teams waren langsamer und brachten<br />
»mehr verwässerte, unscharfe Ideen« hervor, wie Stefanie<br />
Wurst, Geschäftsführerin von Scholz & Friends Berlin und<br />
Vorstand <strong>der</strong> Scholz & Friends Group, berichtet: »<strong>Die</strong> Schnellen<br />
haben sich an das Tempo <strong>der</strong> Langsamen angepasst<br />
und nicht umgekehrt. Wenn man Disziplinen mischt, leidet<br />
außerdem die spezifische Kompetenz. Im gemischten Team<br />
kann sich etwa ein Digitalspezialist nicht mehr mit seinen<br />
Fachkollegen austauschen und befruchten.« <strong>Die</strong> Peter<br />
Scholz & Friends<br />
Berlin hat neue<br />
Räume am Hackeschen<br />
Markt<br />
bezogen. »So ein<br />
neues Haus ist<br />
wie ein neues Klei -<br />
dungs stück;<br />
wir mussten es erst<br />
einmal eintragen<br />
und es uns gemütlich<br />
machen«, sagt<br />
Geschäftsführerin<br />
Stefanie Wurst dazu
040 PAGE 06.13 KREATION <strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Schmidt Group wie<strong>der</strong>um macht das Gegenteil und integriert<br />
die Disziplinen, etwa die Digital-Unit, in projektbasierte<br />
Einheiten – mit <strong>der</strong> Erfahrung, auf diese Weise tiefere<br />
und ganzheitlichere Markenerlebnisse schaffen zu<br />
können (mehr dazu auf Seite 44).<br />
Mit einer transmedialen Kommunikation wird also nicht<br />
nur das Mo<strong>der</strong>ieren zwischen den Denk- und Arbeitsweisen,<br />
son<strong>der</strong>n auch zwischen den Disziplinen und Medien komplexer;<br />
<strong>der</strong> Stellenwert <strong>der</strong>jenigen, die im <strong>Agentur</strong>reigen den<br />
Überblick behalten – Strategen, Berater, Konzeptioner –<br />
wächst. Edenspiekermann will <strong>der</strong> Komplexität jedoch bewusst<br />
ohne solche Schnittstellenjobs Herr werden: Dass die<br />
Designer in diesen Zusatzkompetenzen geschult werden,<br />
passt gut zum wendigen, transparenten Arbeiten <strong>der</strong> Berliner,<br />
die den Kunden auf Augenhöhe einbeziehen.<br />
Viele <strong>Agentur</strong>en schärfen <strong>der</strong>zeit ihre Profile, indem sie<br />
ihre Kernkompetenzen neu strukturieren und formulieren.<br />
Ziel ist es, den immer selbstständigeren und agentur erfahreneren<br />
Auftraggebern Klarheit zu bieten. Darüber hinaus<br />
entstehen <strong>Die</strong>nstleistungen rund um die ursprüngliche Leistung,<br />
die dabei helfen, ein Design- o<strong>der</strong> Kommunikationsprodukt<br />
für die tägliche Anwendung und langfristig funk tio nsfähig<br />
zu machen: Bei edenspiekermann sind das Service<br />
Design und Change Management, bei Peter Schmidt hingegen<br />
<strong>der</strong> Bereich Brand Implementation.<br />
<strong>Die</strong> zunehmend strategische Herangehensweise ermöglicht<br />
es Brandingagenturen, vernachlässigte Kommunikationskanäle<br />
und an<strong>der</strong>e Lücken im Markenerlebnis o<strong>der</strong> Unzufriedenheit<br />
in <strong>der</strong> Belegschaft aufzuspüren. Mit den Werkzeugen<br />
<strong>der</strong> visuellen Kommunikation, dem Hinterfragen und<br />
Sichtbarmachen menschlicher Bedürfnisse, lassen sich Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in die Realität überführen. Nicht die Grundlagen<br />
kreativer Produkte haben sich verän<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n die Frage,<br />
wie <strong>Die</strong>nstleistungen den Platz in <strong>der</strong> Kommunikation finden,<br />
an dem sie am besten wirken können.<br />
<strong>Die</strong> optimale <strong>Agentur</strong>größe und -struktur gibt es mit Sicherheit<br />
nicht. Das Managen von Disziplinen und Innovationsprozessen<br />
ist in großen Strukturen aufwendiger, aber<br />
auch klei ne <strong>Agentur</strong>en arbeiten zunehmend in Form freier<br />
Netzwerke, die organisiert werden wollen. Eine <strong>der</strong> wesentli<br />
chen Herausfor<strong>der</strong>ungen für die <strong>Zukunft</strong> ist es, diese Prozes<br />
se selbst als Gestaltungsaufgabe zu verstehen. »Pro zessex<br />
zellenz wird künftig mehr Bedeutung erhalten – Kreativität<br />
ist nichts wert, wenn sie nicht implementiert werden<br />
kann«, erklärt Rüdiger Götz.<br />
Feueralarm bei Scholz & Friends. Kein Grund zur Panik:<br />
technische Probleme. Mit Geschäftsführerin Stefanie Wurst<br />
durchquere ich das Riesengebäude und trete in den Hauptstadt-Vorfrühling,<br />
wo sich nach und nach die Belegschaft<br />
einfindet und mit matschigen Schneebällen bewirft. Stefanie<br />
Wurst sieht den Wandel im <strong>Agentur</strong>wesen gelassen. Klug<br />
orchestrieren, effizienter arbeiten, digital denken, flexible<br />
Arbeitsstrukturen anbieten, so lautet die Devise – alles nur<br />
eine Frage <strong>der</strong> Organisation.<br />
<strong>Die</strong> Prognosen, welche Inhalte die Kreativwelt in <strong>der</strong><br />
nächsten <strong>Zukunft</strong> beschäftigen werden, überraschen kaum:<br />
digitale Markenführung, Corporate Social Responsibility,<br />
Content Marketing. Und dazu ganz übergreifend <strong>der</strong> Wunsch,<br />
die Kommunikations- und Konsumwelt zu entrümpeln und<br />
mit relevanten Produkten zu verbessern. <strong>Die</strong> Prinzipien <strong>der</strong><br />
Kommunikation selbst, sagt Stefanie Wurst, bleiben ja die<br />
Gleichen: weil sich die Wahrnehmung und die Bedürfnisse<br />
des Menschen nicht än<strong>der</strong>n.<br />
wl<br />
»Das Pop-Zeitalter <strong>der</strong><br />
In Düsseldorf trafen wir Rüdiger Götz von KW43 Branddesign<br />
n Ein Designer und ein Werber, die in<br />
den großen <strong>Agentur</strong>strukturen ge nauso<br />
zu Hause sind wie in kleinen, inhabergeführten<br />
Büros: Kai Röffen ist als<br />
Geschäftsführer von thjnk Düsseldorf<br />
Chef von 30 Mitarbeitern, während<br />
Dr. Rüdiger Götz, Managing Direc tor<br />
Cre ation bei Grey, <strong>der</strong>en Design unit<br />
KW43 Branddesign leitet. Dort sind<br />
eben falls 30 Mit arbeitern tätig. wl<br />
Warum Düsseldorf – und nicht<br />
Hamburg o<strong>der</strong> Berlin?<br />
Kai Röffen: Ich war in Frankfurt, Berlin,<br />
Hamburg – und nun Düsseldorf, das am<br />
meisten unterschätzt wird. <strong>Die</strong> Stadt<br />
hat Probleme, Leute mit den Ham burger<br />
Ambitionen und <strong>der</strong> Berliner Verrücktheit<br />
zu binden. Aber mit seiner<br />
Kultur- und Subkultur-Szene ist es ein<br />
Standort für den zweiten Blick.<br />
Wo würden Sie aus heutiger Sicht Ihren<br />
<strong>Agentur</strong>standort eröffnen?<br />
Götz: Ich würde zwischen Düsseldorf<br />
und Hamburg schwanken. Hamburg,<br />
weil es dort viele Talente gibt. Ich prophezeie<br />
dem Ruhrgebiet jedoch eine
PAGE 06.13 041<br />
Rüdiger Götz (links)<br />
und Kai Röffen<br />
(Mitte) mit PAGE-<br />
Redakteurin<br />
Wiebke Lang<br />
Kreativen ist definitiv vorbei«<br />
wir einen Kunden ohne Pitch gewonnen,<br />
<strong>der</strong> zunächst diese Reise durch<br />
die <strong>Agentur</strong>en unternommen hat, um<br />
anschließend mit zwei Favoriten Mundzu-Mund-Beatmung<br />
zu machen. Wir<br />
haben uns mehrfach bei ihm und bei<br />
uns getroffen, das Team vorgestellt, in<br />
großer Runde diskutiert. Zuletzt lernte<br />
ich den Unternehmer selbst kennen.<br />
Ich musste zu keinem Zeitpunkt mit<br />
dem üblichen Arbeitsprozess überzeugen,<br />
am Ende besiegelte nur ein Handschlag<br />
die Zusammenarbeit. Das erlebe<br />
ich immer häufiger. Dass sich das Screenen<br />
<strong>der</strong> <strong>Agentur</strong>en professionalisiert,<br />
hat aber auch mit <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong><br />
<strong>Agentur</strong>- und Pitchberatungen zu tun.<br />
Wie erklären Sie sich den Wandel in <strong>der</strong><br />
<strong>Agentur</strong>auswahl?<br />
Götz: Eine neue Generation <strong>der</strong> Marketingverantwortlichen<br />
wächst heran,<br />
die Marketing als weniger glamourös<br />
ansieht. Der ökonomische Druck lässt<br />
die Unternehmen schlechtes <strong>Agentur</strong>management<br />
stärker wahrnehmen.<br />
Da bei wird sichtbar, wie wichtig die<br />
zwischenmenschlichen, feinstoffliund<br />
Kai Röffen von thjnk zum Gespräch über den Wandel <strong>der</strong> Branche und die Aufgaben für die <strong>Zukunft</strong><br />
spannende <strong>Zukunft</strong> – es ist viel attraktiver,<br />
als die Leute hier es sich selber<br />
be wusst machen. Wenn es nicht einen<br />
ge wissen Mangel an guten Design kreativen<br />
gäbe, wäre es ein perfekter Standort,<br />
auch aufgrund <strong>der</strong> zentralen Lage<br />
in Europa. Der Markt hier ist gut und<br />
bietet noch ausreichend Raum für weitere<br />
kreative Strukturen.<br />
Röffen: New York. Nee, ich würde mich<br />
sofort wie<strong>der</strong> für Düsseldorf entscheiden.<br />
Mir hat sich die Frage gestellt, als<br />
ich vor zweieinhalb Jahren gegründet<br />
habe. Hier gibt es so viel Business, internationale<br />
Konzerne und Mittel ständ ler,<br />
die vor Ort betreut werden wollen.<br />
Wie hat sich das Verhältnis zwischen<br />
<strong>Agentur</strong> und Kunden verän<strong>der</strong>t?<br />
Röffen: Bedingt durch die Krise verlangen<br />
Kunden viel mehr von uns. Sie<br />
sparen, lagern Leistungen aus, wollen<br />
viel mehr geführt werden, beziehen<br />
uns stärker in Prozesse ein, for<strong>der</strong>n<br />
sehr viel mehr Kontakt – sie trauen uns<br />
aber auch mehr zu. Unsere Arbeit besteht<br />
verstärkt aus Dirigieren. Dabei<br />
hilft Nähe: Je näher wir an einem Unternehmen<br />
dran sind, desto präziser<br />
erkennen wir Probleme und Chancen.<br />
Götz: Das kann ich bestätigen. Wenn<br />
wir ein Erscheinungsbild für ein kleine<br />
Firma in München entwerfen, ist es<br />
fast schon zu teuer, zwei Mitarbeiter<br />
vorbeizuschicken. Aber wie will man<br />
ein De sign entwickeln, ohne das Team<br />
gesehen zu haben? Wir erleben immer<br />
wie <strong>der</strong>, dass Unternehmen das echte<br />
Kennenlernen nicht als grundlegen den<br />
Teil <strong>der</strong> Leistung verstehen, die auch<br />
be zahlt werden muss. Dabei greifen<br />
wir als Corporate Designer massiv in<br />
die Genetik des Systems ein. Zusätzlich<br />
be obachte ich bei meinen Mitarbeitern,<br />
dass <strong>der</strong> physische Kontakt mit<br />
dem Kunden ihre Professionalität, Moti<br />
va tion und ihr Verantwortungsbewusstsein<br />
steigert. Hierbei geht es um<br />
grundmenschliche Abläufe, persönliche<br />
Beziehungen.<br />
Röffen: Bei uns wollen Auftraggeber<br />
immer öfter persönlich vorbeikommen,<br />
um uns schon vorm Pitch kennenzulernen<br />
– das ist in den letzten fünf Monaten<br />
viermal passiert. Kürzlich haben
042 PAGE 06.13 KREATION <strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
chen Aspekte sind. Das erste Mal<br />
habe ich diesen Wandel bewusst bei<br />
meiner ehemaligen <strong>Agentur</strong> Simon &<br />
Goetz festgestellt, im Pitch um den<br />
globalen Dialogetat für einen Automobilhersteller.<br />
Da gab es im Marketing<br />
eine richtige Liste aller schlechten Erfahrungen:<br />
Hier wurde definiert, wie<br />
oft man sich physisch sieht. Betreuende<br />
Geschäftsführer und Teammitglie<strong>der</strong><br />
wurden in dem Vertrag namentlich<br />
ausgewiesen, und bei einem Wechsel<br />
des Führungspersonals nahm das<br />
Unternehmen sich das Recht auf Vertragskündigung<br />
heraus. Es wollte nicht<br />
für ein intransparentes und anonymes<br />
System bezahlen, war nicht beeindruckt<br />
von einer <strong>Agentur</strong> und wollte<br />
keine Stars haben.<br />
Röffen: Das Popzeitalter <strong>der</strong> Kreativen<br />
ist definitiv vorbei. Personen waren<br />
immer die Treiber in <strong>der</strong> Kreativwirtschaft<br />
– wenn Key Player aus <strong>Agentur</strong>en<br />
abwan<strong>der</strong>ten, zogen Kunden oft<br />
mit. Aber heute geht es viel mehr um<br />
Vertrauen.<br />
Früher unterschied man Werbe- und<br />
CI-<strong>Agentur</strong>en – jetzt heißen fast<br />
alle Kommunikationsagentur. Was<br />
bedeutet das für die Praxis?<br />
Götz: Ich weiß nicht, ob sich das wirklich<br />
auflöst. Wir werden als Design-,<br />
nicht als Kommunikationsagentur gebucht.<br />
Unsere Kunden verlangen eine<br />
klar profilierte Kernkompetenz. <strong>Die</strong> Fähigkeit,<br />
die eigene Arbeit mit an<strong>der</strong>en<br />
Disziplinen zu verbinden, setzen Auftraggeber<br />
als Selbstverständlichkeit voraus.<br />
Kun den und <strong>Agentur</strong>en unterschät<br />
zen aber häufig den Aufwand von<br />
wirklich integrierter Kommunikation.<br />
<strong>Die</strong> Prozesshaftigkeit, die Prozessexzellenz<br />
wird künftig noch mehr Bedeu<br />
tung erhalten, denn Kreativität ist<br />
nichts wert, wenn sie nicht implementiert<br />
werden kann.<br />
Röffen: Wir müssen eine neue Kultur<br />
für die komplexer werdenden Kommu<br />
ni kationsprodukte entwickeln. Wer<br />
über nimmt welche Rolle? Wie gehen<br />
wir miteinan<strong>der</strong> um? Wir spielen dasselbe<br />
Fußballspiel, nur nicht mehr mit<br />
11, son<strong>der</strong>n mit 22 Personen. Dabei<br />
muss sich auch ökonomisch nie<strong>der</strong>schlagen,<br />
dass wir Generalisten ebenso<br />
wie Spezialisten einen Rahmen bieten.<br />
Aber das wird nicht passieren,<br />
solange alle in eigenständigen GmbHs<br />
arbeiten. Wir kooperieren mit kleinen<br />
Partneragenturen, die sensationelle digi<br />
tale Produkte entwickeln. Aber wenn<br />
wir sie auffor<strong>der</strong>n, zu einem Pitch mitzukommen,<br />
lohnt sich <strong>der</strong> Aufwand<br />
für sie kaum. Während das bei großen<br />
Playern selbstverständlich ist, weil klar<br />
ist, wer zahlt. Wer welchen Anteil an<br />
<strong>der</strong> kreativen Leistung hat, müsste am<br />
Ende des Tages egal sein. Mein Ideal ist<br />
also: nur ein Kostencenter.<br />
Welche Jobprofile werden dabei<br />
künftig wichtiger?<br />
Röffen: Wir sollten den Bereich Traffic<br />
vollständig neu definieren. Große<br />
Agen turen benötigen Trafficer, die Prozes<br />
se und Strukturen gestalten und<br />
steu ern. Also einen Mitarbeiter, <strong>der</strong> sich<br />
fragt: Wel che Personen, Skills und Prozesse<br />
brau chen wir, um für eine spezifische<br />
Aufgabenstellung zu Innovation<br />
zu gelangen?<br />
Das machen vor allem Designagenturen<br />
doch schon, etwa mit Design Thinking<br />
und im Design Management.<br />
Röffen: Oft kommt das Neue aus dem<br />
Design. <strong>Die</strong> Kommunikation denkt zu<br />
klassisch. Wir verfallen in alte Besitzstände,<br />
lassen zu wenig los. Darum beneide<br />
ich euch Designer manchmal: Ihr<br />
habt die Möglichkeit, das große Ganze<br />
zu hinterfragen.<br />
Was fehlt Ihnen heute zu einer<br />
zukunftsfähigen <strong>Agentur</strong>?<br />
Röffen: Der Spaß in den <strong>Agentur</strong>en<br />
ist verloren gegangen. Das Lebendige,<br />
Offene, die Freiheit. <strong>Die</strong> Branche wirkt<br />
so geschunden! Im Moment scheint alles<br />
ein Problem zu sein.<br />
Götz: Aber das Hecheln resultiert<br />
doch aus einer Lebensdynamik, die eine<br />
per manente Erhöhung <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />
vorsieht.<br />
Röffen: Also mir macht das Spaß.<br />
Götz: Ein Berufseinsteiger wird doch<br />
von 0 auf 150 gezwungen. Wir brauchen<br />
proaktive, weltgewandte Menschen,<br />
die Spaß an <strong>der</strong> Vielfalt haben,<br />
die aber auch Exzellenztiefe bieten.<br />
Viele Designer wollen aber nicht zum<br />
Kunden, son<strong>der</strong>n in Ruhe gelassen<br />
werden. <strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
muss viel mehr Mühe in eine professionelle<br />
Talentmanagementkultur investieren.<br />
<strong>Die</strong> wurde in <strong>der</strong> Kreativbranche<br />
meistens mit Bauchgefühl gehandhabt,<br />
und wenn’s nicht klappte,<br />
war das eben nur ein Kavaliersdelikt.<br />
Wirkt die Branche so spaßbefreit,<br />
weil alle verunsichert sind?<br />
Röffen: <strong>Die</strong> Branche bekommt zu<br />
Recht keine guten Leute mehr – wir<br />
müssen ein Umfeld für Begeisterung<br />
schaffen. Das geht aber nicht, wenn<br />
wir mit zwei Leuten produzieren, wofür<br />
früher drei Leute gebraucht wurden.<br />
Leuteschleifen funktioniert nicht<br />
mehr. Wir müssen innovative Arbeitsweisen<br />
finden, um kreativ sein zu können,<br />
und das zudem als Teil unserer<br />
Arbeit verstehen.<br />
Götz: Man kann bei <strong>der</strong> jüngeren Generation<br />
meiner Studenten und Mitarbeiter<br />
eine gewisse Resignation erken<br />
nen – sie haben das Gefühl, viel zu<br />
geben und dafür wenig zurückzubekommen.<br />
Röffen: Das Berufsbild hat in <strong>der</strong> Außenwirkung<br />
keinen Sex mehr – ganz<br />
zu Unrecht.<br />
Götz: Das Gute ist, dass die Kreativwirtschaft<br />
dadurch mehr solche Leute<br />
anzieht, die intrinsisch motiviert und<br />
nicht nur an einem schicken Berufs-<br />
Lifestyle interessiert sind. Aber das<br />
manchesterkapitalistische Bild von Arbeit<br />
ist von gestern – insofern ist eine<br />
Nach wuchsflaute ein guter Weckruf<br />
für die Branche.<br />
»Das manchesterkapitalistische Bild von<br />
Arbeit ist von gestern – insofern ist eine Nachwuchsflaute<br />
ein guter Weckruf für die Branche«
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044 PAGE 06.13 KREATION <strong>Die</strong> <strong>Agentur</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
<strong>Zukunft</strong>sstrategien<br />
Scholz & Friends Berlin<br />
Stefanie Wurst, Vorstand <strong>der</strong> Scholz &<br />
Friends Group und Geschäftsführerin<br />
von Scholz & Friends Berlin<br />
Digitale Innovation dirigieren.<br />
Ob es sich um klassische Handelsmarken<br />
wie Saturn handelt, die online gehen,<br />
o<strong>der</strong> um Plattformen wie trivago,<br />
die es nur online gibt – unsere Aufgabe<br />
als <strong>Agentur</strong> ist es, für unsere Kunden<br />
die Deutungshoheit und Steuerung<br />
von Marken zu behalten. Deshalb gibt<br />
es in all unseren Units digital denkende<br />
Menschen und zudem eine Einheit<br />
von Online-Spezialisten, die sich vor allem<br />
mit Strategie und Analytics beschäftigt.<br />
Wir glie<strong>der</strong>n die Belegschaft<br />
in Units, unter an<strong>der</strong>em für PR, Werbung<br />
und Digital. Das ist wie in einem<br />
Dorf: Alle arbeiten in ihren fachspezifischen<br />
»Familien« und treffen sich auf<br />
dem »Marktplatz«, um sich auszutauschen.<br />
Wenn man Disziplinen mischt,<br />
lei det unserer Erfahrung nach die spezifische<br />
Kompetenz. In einem gemischten<br />
Team kann sich etwa ein Digitalspezialist<br />
nicht mehr mit seinen Fachkollegen<br />
austauschen und befruchten.<br />
Neue Anfor<strong>der</strong>ungen integrieren.<br />
Neben Corporate Social Responsibility<br />
wird das Thema Content Marketing in<br />
unserem Orchester immer wichtiger.<br />
Hier geht es nun darum, Informationen<br />
leicht verständlich aufzubereiten. Dazu<br />
brauchen wir journalistisch den kende<br />
Kreative und Designer, die das Formulieren<br />
und Visualisieren komplexer<br />
Information beherr schen. Generell gewinnen<br />
Employer Branding und anspruchsvolle<br />
Kommunikation im B2B-<br />
Bereich an Bedeutung. In Deutschland<br />
gibt es viele Weltmarktführer wie STIHL<br />
Motorsägen o<strong>der</strong> Würth Befestigungstechnik,<br />
die im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />
und des Margendrucks das Thema Marke<br />
für sich entdecken. Zudem erkennen<br />
Regierung, Verbände und Institutionen<br />
ihren steigenden Kommunikationsbedarf<br />
– Beispiel Energiewende.<br />
Für Effizienz sorgen.<br />
Wir haben es mit immer komplexeren<br />
Kampagnen zu tun, die nur mit höherem<br />
Aufwand produziert werden können.<br />
Gleichzeitig nimmt <strong>der</strong> Effizienzund<br />
Kostendruck seitens <strong>der</strong> Unternehmen<br />
zu. Das Einzige, was hilft, ist<br />
<strong>der</strong> ständige Versuch, schnell und zielgenau<br />
zu Ergebnissen und Entscheidungen<br />
zu kommen. Der größte Effizienzkiller<br />
ist, die eigene Unsicherheit in<br />
die <strong>Agentur</strong> hinein zu tragen und unerfahre<br />
ne Leute ohne genaues Briefing<br />
arbei ten zu lassen. Das frühzeitige<br />
Festlegen <strong>der</strong> Leitidee ist <strong>der</strong> größte<br />
Effizienzhebel. Aus diesem Grund<br />
ist es so wichtig, sich schon zu Anfang<br />
mit erfahrenen Leuten zusammen zusetzen<br />
und so lange zu arbeiten, bis es<br />
eine klare Leitidee gibt, die anschließend<br />
in <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong> weiterentwickelt<br />
werden kann.<br />
Flexible Arbeitszeitmodelle<br />
ermöglichen.<br />
<strong>Die</strong> »ZEIT« hat mit ihrem Titel »Faul<br />
und schlau« kürzlich das Phänomen<br />
<strong>der</strong> »Generation Y« auf den Punkt gebracht.<br />
Das ist die neue, anspruchsvolle<br />
Mitarbeitergeneration, die Work-<br />
Life-Balance schon im Bewerbungsgespräch<br />
for<strong>der</strong>t. Wir müssen damit<br />
leben, dass die Tendenz zur Selbstaufopferung<br />
in <strong>Agentur</strong>en ausstirbt. Wichtig<br />
ist, dass die Leute mit anpacken,<br />
wenn Not am Mann ist, und dass keiner<br />
seine Kollegen im Stich lässt. <strong>Die</strong>se<br />
mensch liche Qualität erwarten wir<br />
schon. Ich schätze, dass bereits 20 Prozent<br />
unserer Mitarbeiter ein flexibles<br />
Arbeitszeitmodell nutzen. <strong>Die</strong>ser Anteil<br />
wird weiter zunehmen. Das sind<br />
Men schen bei<strong>der</strong> lei Geschlechts, jüngere<br />
Mitarbeiter, die sich nebenbei um<br />
ein Herzensprojekt kümmern, ebenso<br />
wie Füh rungskräfte, die Familie o<strong>der</strong><br />
Hoch schuljobs haben. Das ist zwar ein<br />
wenig aufwendiger in <strong>der</strong> Planung,<br />
aber irgendwie funktioniert es letztlich<br />
doch immer . . .<br />
<strong>Zukunft</strong>sstrategien<br />
Peter Schmidt Group<br />
Gregor Ade, Managing Partner bei<br />
Peter Schmidt Group<br />
Schlank aufstellen.<br />
<strong>Die</strong> Krise 2008/09 hat die Honorarsituation<br />
eklatant verän<strong>der</strong>t: In <strong>der</strong> Marken<br />
kommunikation wurden die Budgets<br />
zusammengekürzt, während die<br />
<strong>Agentur</strong>kosten gleichblieben. Langfristige<br />
Kunden werden seltener, viele vergeben<br />
ihre Etats gestückelt und nach<br />
Dis ziplinen getrennt. Wir müssen uns<br />
also schlanker aufstellen. Wir hatten<br />
schon immer eine schlanke Struktur,<br />
ge rade in <strong>der</strong> Verwaltung. In <strong>der</strong> Krise<br />
haben wir etwa im Einkauf gespart und<br />
auf das Netzwerk zurückgegriffen.<br />
Netzwerk nutzen.<br />
Für uns ist <strong>der</strong> schnelle, unkomplizier te<br />
Kontakt zu Disziplinen, die im eigenen<br />
Haus nicht vertreten sind, ein Vorteil.<br />
Stabilität ist auch für die Zusammenarbeit<br />
hilfreich – ein Netzwerk part ner<br />
ist dann eben doch kein Externer. Auch<br />
kleine <strong>Agentur</strong>en müssen ja mit an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Agentur</strong>en o<strong>der</strong> Freelancern kooperieren.<br />
<strong>Die</strong> haben dann nur wenig<br />
Zeit o<strong>der</strong> sind nicht im Thema. Natürlich<br />
gilt: In einer straffen Organisationsund<br />
Kostenstruktur muss man standhalten.<br />
Und die Barrieren zwischen Einzelagenturen<br />
und Disziplinen müssen<br />
weiter ausgeräumt werden.<br />
Kreation und Konzeption stärker<br />
verknüpfen.<br />
Wir müssen als Markenagentur kommunikativer<br />
auftreten, uns mehr <strong>der</strong> klassischen<br />
Kommunikation widmen. Einprägsame<br />
Markenerlebnisse verlangen<br />
die Verknüpfung von Kreation und Konzeption.<br />
Damit die Kreation ihr Profil<br />
behält, braucht es aber nicht nur Generalisten,<br />
son<strong>der</strong>n auch hoch spezialisierte<br />
Schriftgestalter. Es ist wichtig,<br />
diese Spezialisten nicht zu verlieren!<br />
Sich auch die leisten zu können, ist ein<br />
Vorteil großer <strong>Agentur</strong>en.
PAGE 06.13 045<br />
<strong>Zukunft</strong>sstrategien<br />
edenspiekermann Berlin<br />
Pia Betton und Robert Stolle, Partner<br />
bei edenspiekermann Berlin<br />
Selbstbesinnung.<br />
2009 hatten wir eine wirklich schwere<br />
Krise. Absur<strong>der</strong>weise haben wir bis dahin<br />
quasi keine Akquise gemacht. Damals<br />
schauten wir uns bewusst um in<br />
<strong>der</strong> Welt und fragten uns: Was interessiert<br />
uns? Welche Aufgaben würden<br />
wir gern bewältigen? Unterbeschäftigt,<br />
wie wir waren, setzten wir uns in Teams<br />
zusammen und recherchierten zu Themen<br />
wie Outdoor, Essen, Fahrradfahren.<br />
Daraus entstanden Präsen ta tionen,<br />
mit denen wir uns bei po tenziel len<br />
Auftraggebern vorstellten. Eine in teres<br />
sante Zeit, in <strong>der</strong> wir den Grundstein<br />
für viele neue Strukturen gelegt haben.<br />
Kernkompetenzen schärfen.<br />
Vor Kurzem haben wir vier Schwerpunk<br />
te definiert: 1. digitale Produkte<br />
und Services, also die Konzeption, Gestaltung<br />
und Entwicklung digitaler Medien;<br />
2. Brand Development, das steht<br />
für eine ganzheitliche Markenentwicklung;<br />
3. Service Design als sys te ma tische<br />
Anwendung von Design Research<br />
mit Blick auf das Nutzererlebnis quer<br />
über alle Medien hinweg; 4. En ab ling<br />
Change, weil wir erkannt ha ben, dass<br />
unsere Gestaltungsarbeit im mer Verän<strong>der</strong>ung<br />
in den Unternehmen bedeutet.<br />
Dabei setzen wir unsere Kompetenz<br />
ein, Dinge sichtbar, verständlich<br />
und kommunizierbar zu machen.<br />
welcher Stelle für ihn zuständig ist,<br />
auch wenn er in einer Woche parallel<br />
an verschiedenen Projekten arbeitet.<br />
Allerdings haben wir <strong>der</strong> Cloudstruktur<br />
anfangs zu viel Bedeutung beigemessen,<br />
und die Mitarbeiter identifizierten<br />
sich statt mit den Projekten zu<br />
sehr mit ihrer Cloud. Das führte zu<br />
Kon kurrenz zwischen den Gruppen. In<br />
die sem Jahr steuern wir dagegen, indem<br />
wir den Fokus verän<strong>der</strong>t haben:<br />
Jetzt messen wir qualitativ und wirtschaftlich<br />
in den Projekten, und die<br />
Clouds haben ganz klar einen Personalfokus.<br />
Jeden Montag findet ein Cloud-<br />
Meeting für den internen Austausch<br />
statt – ansonsten treffen sich die<br />
Cloud-Teams nicht.<br />
Interdisziplinarität leben.<br />
Der Designprozess hat sich deutlich<br />
ver än<strong>der</strong>t: Heute sitzen Auftraggeber<br />
an einem Tag in <strong>der</strong> Woche hier in <strong>der</strong><br />
Agen tur und führen in agilen Prozessen<br />
einen engen Dialog mit dem gesamten<br />
Team. Wir brauchen Menschen,<br />
die mit denken können. Bei uns können<br />
die meisten Interaction Designer<br />
coden, und umgekehrt haben die meisten<br />
Developer ein Auge für Design.<br />
<strong>Die</strong> Grafikdesigner ler nen Design-Research-Met<br />
ho den ken nen, um sie als<br />
Mittel bei <strong>der</strong> Service- und Markenten<br />
mit einer an<strong>der</strong>en Geisteshaltung<br />
und mit agilen Prozessen wie Scrum. In<br />
den wöchentlichen Meetings spricht<br />
<strong>der</strong> Kunde mit dem ganzen Team – eine<br />
viel authentischere Form <strong>der</strong> Kommunikation.<br />
Dabei ist es sehr wichtig,<br />
dass die Producer ihre Rolle leben, sich<br />
klar verantwortlich fühlen, Entscheidun<br />
gen treffen und dabei Sicherheit<br />
vermitteln. Im Gegensatz zu ande ren<br />
<strong>Agentur</strong>en sind unsere Meetings zielgerichtet<br />
und schlank. Wenn es Konflikte<br />
gibt, werden die schnell geklärt. Bei<br />
uns kann auch je<strong>der</strong> so viel Verantwortung<br />
übernehmen, wie er will; erfahrungsgemäß<br />
übernehmen Menschen<br />
ohnehin nicht mehr, als sie können.<br />
Innovation verankern.<br />
Co-Creation-Workshops haben ihre<br />
Gren zen. Wenn du Menschen fragst,<br />
was sie wollen, wissen sie das selbst<br />
oft nicht. Ist man zu verliebt in die kollaborativen<br />
Methoden, kommt häufig<br />
nur <strong>der</strong> kleinste gemeinsame Nenner<br />
heraus, weil niemand mehr sagt: Ich<br />
habe zwar zwanzig Leute interviewt,<br />
aber ich habe eine tolle Idee, die völlig<br />
an<strong>der</strong>s funktioniert. Irgendwann gilt es,<br />
sich vom Research zu distanzieren –<br />
dann muss die gute Idee da sein. Im<br />
Moment gibt es so viele Creative Labs<br />
und an<strong>der</strong>e Formen von Innovations-<br />
Flexible Strukturen schaffen.<br />
Wir haben lange mit unserer Organisationsstruktur<br />
gekämpft und lernen immer<br />
noch dazu. <strong>Die</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
liegt darin, wechselnde Projektteams<br />
zusammenstellen zu können und zugleich<br />
die Kontinuität in <strong>der</strong> Führung<br />
zu bieten, die Menschen brauchen.<br />
Letz tes Jahr haben wir die Cloudstruktur<br />
eingeführt, eine mo<strong>der</strong>ne Version<br />
<strong>der</strong> Matrixstruktur, mit vier Clouds für<br />
die Personal- und Unternehmensführung,<br />
geleitet von je einem Partner. Daneben<br />
gibt es die Projektstruktur, die<br />
die Producer als Project Owner leiten.<br />
Manchmal ist das ein Kreativer, mal ein<br />
Account-Manager, nicht unbedingt senior,<br />
<strong>der</strong> für Qualität, Wirtschaftlichkeit<br />
und Kundenzufriedenheit sorgt. Fehlen<br />
einem Designer die betriebswirtschaftlichen<br />
Kenntnisse, wird ihm ein<br />
Projektmanager zur Seite gestellt –<br />
aber <strong>der</strong> Designer trägt die Verantwortung.<br />
Je<strong>der</strong> Mitarbeiter weiß, wer an<br />
entwicklung nutzen zu können. Und<br />
unsere Kreativdirektoren müssen auch<br />
Change denken können.<br />
Direkt kommunizieren.<br />
Wir verzichten auf Strategen und ähnliche<br />
Schnittstellenjobs. Derartige Zusatz<br />
positionen schaffen Unklarheit. <strong>Die</strong><br />
Kre ativen, die in engem Kontakt mit<br />
dem Auftraggeber stehen, können die<br />
Projekte am besten führen. In frü he ren<br />
Modellen gab es den Kontakter als Filter<br />
zum Auftraggeber. Aber wir arbei-<br />
Outsourcing, weil man erkannt hat, wie<br />
schwierig es ist, in den eigenen Strukturen<br />
Innovation voranzutreiben. Wir<br />
brauchen prozess- und vorurteilsfreie<br />
Zonen, in denen wir unabhängig denken<br />
können. Aber die Mitarbeiter im<br />
Un ternehmen müssen den Wandel<br />
selber vorantreiben und als ständigen<br />
Prozess verstehen. <strong>Die</strong> neue Herausforde<br />
rung besteht im Change Management.<br />
Verän<strong>der</strong>ungen werden in <strong>Zukunft</strong><br />
agiler und kleinteiliger, aber dauerhaft<br />
vonstatten gehen.<br />
≥ PAGE Online<br />
<strong>Die</strong> vollständigen<br />
Interviews mit den<br />
<strong>Agentur</strong>geschäftsführern<br />
lesen Sie<br />
un ter www.pageonline.de/<br />
agenturwandel
046 PAGE 06.13 KREATION Second Screen<br />
Moccu setzt den<br />
Second-Screen-<br />
Auftritt von »Wetten<br />
dass. . ?« für Browser,<br />
iPad und Smartphone<br />
um. <strong>Die</strong> Zuschauer<br />
können sich so an den<br />
Wetten beteiligen<br />
und über die Show<br />
austauschen<br />
Mehrsehprogramme<br />
Der Second Screen kommt in Bewegung. <strong>Agentur</strong>en, Sen<strong>der</strong> und Start-ups erkennen das Potenzial<br />
des interaktiven Fernsehens und öffnen die Türen für neue TV-Formate und Werbeformen<br />
n Das interaktive Fernsehen kommt<br />
durch die Hintertür. O<strong>der</strong> besser: Es<br />
schleicht sich über das Sofa ein. Denn<br />
während viele Marketingstrategen in<br />
<strong>der</strong> Industrie seit vielen Jahren von <strong>der</strong><br />
Hochzeit von TV und Internet träumen<br />
und weiterhin Smart-TV-Geräte verkaufen<br />
wollen, haben die Zuschauer sich<br />
die Interaktivität längst über Smartphones,<br />
Notebooks und Tablets selbst<br />
geschaffen: Auf ihren Second Screens<br />
holen sie Informationen zu laufenden<br />
Sendungen ein, tauschen sich live auf<br />
Social-Media-Plattformen aus o<strong>der</strong> recherchieren<br />
nach Produkten, die gerade<br />
auf dem First Screen, dem TV-Gerät,<br />
angepriesen werden.<br />
Der <strong>Trend</strong> zum Second Screen ist<br />
da bei ein Selbstläufer, <strong>der</strong> Plattfor men<br />
nutzt, die zunächst mit dem klassischen<br />
Fernsehen wenig zu tun haben:<br />
Parallel zum Programm steigen die Wikipedia-Zugriffe<br />
auf passende Artikel,<br />
wie eine Analyse des Hamburger Bloggers<br />
Martin Rycak zeigt (siehe www.<br />
martinrycak.de ) Der soziale Aspekt –<br />
vornehmlich die Diskussion über das,<br />
was gerade läuft – findet auf Facebook<br />
o<strong>der</strong> mehr noch auf Twitter statt.<br />
Und den Erfolg eines TV-Spots kann<br />
man dann anhand <strong>der</strong> beinahe zeitgleich<br />
durchgeführten Google- o<strong>der</strong><br />
Amazon-Suchen erfassen.<br />
Das große kreative, soziale und ökonomische<br />
Potenzial, das <strong>der</strong> interaktive<br />
Second Screen eröffnet, versuchen<br />
verschiedene Akteure bereits seit einiger<br />
Zeit für sich zu erschließen. Zum<br />
einen sind da GetGlue o<strong>der</strong> Miso aus<br />
den USA, die Start-ups Couchfunk o<strong>der</strong><br />
Zapitano in Deutschland mit ihren<br />
Plattformen, die das gesamte TV-Programm<br />
horizontal abbilden und mit denen<br />
sich <strong>der</strong> User in einzelne Sendungen<br />
einloggen kann. Zum an<strong>der</strong>en gehen<br />
die Sen<strong>der</strong> selbst mit eigenen Apps<br />
und Angeboten an den Start, zumeist<br />
vertikal und zugeschnitten auf bestimmte<br />
Formate. Beson<strong>der</strong>s aktiv sind<br />
die Öffentlich-Rechtlichen, die mit dem<br />
interaktiven Format Tatort+ o<strong>der</strong> den<br />
Apps zu »Wetten, dass. . .?« vor al lem<br />
die Zuschauerbindung im Sinn haben.<br />
Aber auch die Privatsen<strong>der</strong> sind aktiv:<br />
ProSiebenSat.1 testet <strong>der</strong>zeit mit Sat.1<br />
Connect ein formatübergreifendes interaktives<br />
Second-Screen-Angebot.<br />
In den Sendeanstalten beobachtet<br />
man die Entwicklung mit Interesse und<br />
Sorge zugleich – wobei bei ARD und<br />
ZDF das Interesse überwiegt: »Wir können<br />
mit interaktiven Angeboten die
PAGE 06.13 047<br />
Beim Krimi<br />
»<strong>Die</strong> letzte Spur«<br />
konnten die<br />
Zuschauer sich<br />
als Ermittler<br />
betätigen. Moccu<br />
produzierte die<br />
zugehörige Anwendung<br />
für das ZDF.<br />
Zur besseren Übersicht<br />
ließen sich<br />
die Verdächtigen<br />
auf einem Whiteboard<br />
anordnen<br />
Zusammen mit<br />
Couch funk bereite te<br />
Kolle Rebbe für OTTO<br />
ein Gewinnspiel vor,<br />
das mit dem TV-Spot<br />
synchronisiert war.<br />
<strong>Die</strong> Nutzer wurden<br />
über die Couchfunk-<br />
App auf das Gewinnspiel<br />
hingewiesen.<br />
Ein Counter zählte<br />
die Zeit bis zum<br />
TV-Spot run ter<br />
Auf merksamkeit <strong>der</strong> Zuschauer binden<br />
und vertiefen«, sagt Guido Bülow, Distributionsmanager<br />
beim SWR in Mainz.<br />
Hier wurde bereits im Frühjahr 2012<br />
mit Tatort+ ein erster Versuch unternommen,<br />
das Publikum an <strong>der</strong> Tätersuche<br />
teilhaben zu lassen. Im Mai 2013<br />
startet eine weitere interaktive »Tatort«-Folge.<br />
<strong>Die</strong> Zuschauer können dann<br />
im Netz vorermitteln, aber sich auch<br />
parallel zur Ausstrahlung via App austauschen,<br />
die Position <strong>der</strong> Protagonisten<br />
bei Verfolgungsjagden in Stuttgart<br />
»live« nachverfolgen und sich als Detektiv<br />
betätigen. »Das Ziel ist nicht so<br />
sehr die Erhöhung <strong>der</strong> Einschaltquote«,<br />
erklärt Bülow, »son<strong>der</strong>n den ›Tatort‹ zu<br />
verlängern und die Marke zu stärken.«<br />
Auch das ZDF sammelt Erfahrungen<br />
mit dem Second Screen, unter an<strong>der</strong>em<br />
mit <strong>der</strong> interaktiven Begleitung<br />
von »Wetten, dass. . ?« seit Herbst 2012.<br />
Realisiert hat dies die Berliner <strong>Agentur</strong><br />
Moccu. Neben einer Browseranwendung<br />
hat sie zunächst eine App für<br />
Tablets, dann für Smartphones entwickelt,<br />
die gut angenommen wurde.<br />
»Bei <strong>der</strong> Konzeption muss man berücksichtigen,<br />
dass <strong>der</strong> Second Screen bereits<br />
ohne uns stattfindet«, sagt<br />
<strong>Die</strong> aktuelle Kampagne<br />
für den Toyota<br />
Auris verbindet die<br />
TV-Spots über<br />
Shazam mit einer<br />
Microsite: Der<br />
Spot wies auf die<br />
Möglich keit hin,<br />
sich via Shazam<br />
wei ter verlinken zu<br />
las sen. Auf <strong>der</strong> Tag-<br />
Result-Seite von<br />
Shazam gibt es Informationen<br />
zum<br />
Auris bis hin zur<br />
Verein barung<br />
einer Probefahrt
048 PAGE 06.13 KREATION Second Screen<br />
Bezahlt fernsehen:<br />
Über das Punktesystem<br />
von wywy<br />
erhalten Zuschau er<br />
Prämien fürs<br />
Einloggen in Form<br />
von Gutscheinen<br />
Wywy loggt die<br />
Nutzer über die<br />
Audioerkennung<br />
automatisch<br />
ein und kann auch<br />
direkt zu passenden<br />
Produkten führen.<br />
Hier ein erster<br />
Versuch mit <strong>der</strong><br />
TV-Serie »90210«<br />
und einem Onlineshop,<br />
<strong>der</strong> die in <strong>der</strong><br />
Folge getra gene<br />
Klei dung verkauft<br />
Programmzeitschrift<br />
meets Social TV:<br />
Couchfunk bietet<br />
einen einfachen<br />
Einstieg mit einer<br />
interaktiven<br />
Programmzeitschrift,<br />
die gekop -<br />
pelt ist mit einer<br />
Bewer tungs- und<br />
Kommentarfunktion<br />
für den<br />
Austausch mit<br />
an<strong>der</strong>en Zuschauern<br />
Jens Schmidt, Kreativdirektor von<br />
Moccu. »<strong>Die</strong> Zuschauer tauschen sich<br />
bei Twitter o<strong>der</strong> Facebook über die<br />
Sen dung aus. Man muss sie einbinden,<br />
aber auch einen Mehrwert bieten.«<br />
Bei »Wetten, dass. . ?« sind das Backstage-Inhalte,<br />
eine Live-Abstimmung<br />
über die Wetten und die Möglichkeit<br />
zur Teilnahme am Gewinnspiel. Tweets<br />
aus Twitter werden gesammelt und in<br />
<strong>der</strong> Anwendung zusammen mit den<br />
Kommentaren gezeigt, die direkt über<br />
die »Wetten, dass. . ?«-App kommen.<br />
»Bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Angebote<br />
muss man bedenken, dass die Nutzer<br />
ihre Aufmerksamkeit auf zwei<br />
Screens verteilen«, sagt Schmidt. »Deshalb<br />
sind die Interaktionsszenarien<br />
einfach. Außerdem hilft es, wenn man<br />
die Interaktionen zeitlich abstimmt:<br />
<strong>Die</strong> Zuschauer agieren eher auf dem<br />
Second Screen, wenn auf dem First<br />
Screen gerade nichts Aufregendes passiert.«<br />
Entsprechend nimmt bei »Wetten,<br />
dass. . ?« die Online-Redaktion die<br />
Synchronisation, also die Einsteue rung<br />
<strong>der</strong> innovativen Inhalte für den Second<br />
Scre en passend zum Geschehen auf<br />
dem First Screen, manuell vor. Eine Automatisierung<br />
wäre bei einer Show, bei<br />
<strong>der</strong> man vorher nicht weiß, wie stark<br />
sie die Sendezeit überzieht, kaum möglich.<br />
Bei an<strong>der</strong>en Sendeformen kön nen<br />
jedoch automatisiert Inhalte für den<br />
Second Screen getriggert werden –<br />
und das sogar ohne Zutun des Sen<strong>der</strong>s.<br />
Für die Werbebranche ist <strong>der</strong> Second<br />
Screen eine ideale Gelegenheit, die<br />
Kom munikation mit den Konsumen ten<br />
zielgerichtet zu erweitern. <strong>Die</strong> Düsseldorfer<br />
<strong>Agentur</strong> Newcast setzt für ihre<br />
aktuelle Kampagne zum Toyota Auris<br />
auf eine Kopplung von TV-Spot und<br />
Shazam. <strong>Die</strong> App ist für nahezu alle<br />
mo bilen Plattformen verfügbar und<br />
nutzt ihre Musikerkennungsengine seit<br />
einigen Monaten auch zur Identifikation<br />
von TV-Inhalten. Läuft <strong>der</strong> Auris-<br />
Spot, erkennt Shazam – sofern die App<br />
aktiv ist – dies automatisch und liefert<br />
auf seiner Tag-Result-Seite eine Übersicht<br />
<strong>der</strong> digitalen Zusatzfeatu res, über<br />
die <strong>der</strong> Nutzer nicht nur zusätzliche<br />
Informationen über das Auto ein holen,<br />
son<strong>der</strong>n auch gleich eine Probefahrt<br />
vereinbaren kann. <strong>Die</strong> Suche nach<br />
dem lo kalen Händler muss er dann<br />
nicht mehr durchführen, da seine Position<br />
ja über das GPS des Smartphones<br />
bekannt ist.<br />
»Wir können Shazam wie einen erweiterten<br />
QR-Code einsetzen und so<br />
die Customer Journey, von <strong>der</strong> ersten<br />
Awareness bis zur Probefahrt, stark
PAGE 06.13 049<br />
abkürzen«, ist Waldemar Lutz überzeugt,<br />
Group head Conception bei Newcast.<br />
»Wir setzen auf die App, weil sie<br />
eine enorme Reichweite von 9,5 Millionen<br />
Nutzern aufweist und eine beson<strong>der</strong>s<br />
einfache Usability hat.« Sie benötigt<br />
wenige Sekunden, um einen Spot<br />
zu identifizieren. Verzögerungen ergeben<br />
sich dadurch, dass <strong>der</strong> User die<br />
App dazu erst starten muss. »Der Spot<br />
sollte daher eine Länge von 30 Sekunden<br />
an aufwärts haben«, meint Lutz.<br />
Den nötigen Wechsel in die App hält<br />
er für kein allzu großes Problem –<br />
und <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> Kampagne scheint<br />
ihm recht zu geben. Auch die Tatsache,<br />
dass an<strong>der</strong>e Unternehmen mittlerweile<br />
eben falls auf Shazam setzen, spricht<br />
für den Erfolg des Konzepts.<br />
Langfristig dürfte Shazam noch<br />
wich tiger werden: Denn in den USA hat<br />
Shazam Entertainment ihr Ge schäftsmodell<br />
schon auf den Second Screen<br />
ausgerichtet und begleitet das dortige<br />
Fernsehprogramm mit Zusatz in for mationen<br />
zu den Shows und Events und<br />
bietet eine Plattform für den Austausch<br />
<strong>der</strong> User untereinan<strong>der</strong>. Damit läuft<br />
die Anwendung in vielen US-Haus halten<br />
bereits parallel zum Fernsehkonsum<br />
– <strong>der</strong> nächste Schritt zum Bestellen<br />
eines Produkts ist damit nur wenige<br />
Fingertipps entfernt. Ob sich Shazam<br />
allerdings als Second-Screen-App auf<br />
breiter Front durchsetzen kann, muss<br />
sich zeigen. Denn in den USA sind Get-<br />
Glue und Miso mit Informationen zum<br />
Programm und als Social-TV-Plattform<br />
etabliert und in Deutschland TunedIn,<br />
Couchfunk o<strong>der</strong> jetzt neu auch Zapitano<br />
und wywy.<br />
All diese Second-Screen-<strong>Die</strong>nste agieren<br />
unabhängig von den Sen<strong>der</strong>n und<br />
kämpfen darum, zur Standardanwendung<br />
für den Second Screen zu werden.<br />
Denn eines ist klar: Wer es schafft,<br />
auf dem Sofa dauerpräsent zu sein,<br />
kann vom großen First-Screen-Werbekuchen<br />
ein gutes Stück abbekommen.<br />
Und besser noch: Mit innovativen Konzepten<br />
lassen sich neue Werbeformen<br />
generieren. <strong>Die</strong> Strategien <strong>der</strong> Second-<br />
Screen-Anbieter auf dem Weg zur Leading<br />
App unterscheiden sich deutlich,<br />
auch wenn fast alle auf die Einbindung<br />
von Twitter und teilweise von Facebook<br />
setzen. Nur so lässt sich ausreichend<br />
Kommunika tion über das aktuelle<br />
Programm abbilden. Umgekehrt<br />
können User ihre Kommentare in <strong>der</strong><br />
App auch für die Social-Media-Plattformen<br />
freigeben.<br />
Couchfunk setzt auf einen niedrigschwelligen<br />
Zugang: Man muss sich<br />
nicht in Sendungen einloggen und<br />
kann dennoch Tweets verfolgen o<strong>der</strong><br />
auch TV-Empfehlungen an Freunde<br />
ver senden. Außerdem funktioniert es<br />
wie eine Art konfigurierbare TV-Zeitschrift,<br />
die aktuelle Sendungen listet<br />
o<strong>der</strong> Tipps zum Tagesprogramm für<br />
ver schiedene Sparten gibt. Kürzlich hat<br />
Couchfunk mit <strong>der</strong> Hamburger Werbeagentur<br />
Kolle Rebbe eine Kampagne<br />
mit Gewinnspiel für OTTO umgesetzt.<br />
Im Unterschied zu Toyota und Shazam<br />
werden die Inhalte nicht über den Spot<br />
getriggert, son<strong>der</strong>n Couchfunk bereitet<br />
die User mit Hinweisen in <strong>der</strong> App<br />
und einem Countdown auf das sich<br />
anschließende Gewinn spiel vor. »Man<br />
muss behutsam vorgehen und den<br />
Nut zern ein Angebot machen«, erklärt<br />
Frank Bahrt, Mitgrün<strong>der</strong> von Couchfunk.<br />
»Es macht keinen Sinn, ein Popup<br />
hochfliegen zu lassen und sie zu<br />
überfallen.« Bei Couchfunk konnten<br />
die User die im OTTO-Spot präsentierten<br />
Pro dukte gewinnen. Für Kolle Rebbe<br />
war die Kooperation ein Experiment,<br />
das für sie zufriedenstellend gelaufen<br />
ist. »Mit 10 000 Klicks im Gewinnspiel<br />
und 7000 Teilnehmern war das für einen<br />
ersten Durchlauf recht gut«, meint<br />
Henning Stamm, Leiter Interaktive Medien<br />
bei Kolle Rebbe in Hamburg.<br />
Ein gänzlich an<strong>der</strong>es Konzept verfolgen<br />
die Macher des frisch gestarteten<br />
wywy: Nutzer können mit Checkins<br />
Punkte sammeln und in Gutschei ne<br />
für Amazon o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Onlineshops<br />
umwandeln. Damit dieses »bezahlte<br />
Fernsehen« funktioniert, hat wywy einen<br />
Audiosync ähnlich wie Shazam,<br />
mit dem man sich komfortabel in den<br />
Sendungen einloggt. »Das ist bequem<br />
für den Nutzer«, erklärt Dr. Andreas<br />
Schröter, Grün<strong>der</strong> und Geschäftsführer<br />
von wywy. »Aber wichtiger noch:<br />
Mithilfe des Audiosync können wir ve rifizieren,<br />
ob <strong>der</strong> Nutzer auch tatsächlich<br />
das Programm schaut, in das er<br />
sich eingeloggt hat.« Und: Man kann<br />
Produkte passend zur Sendung in <strong>der</strong><br />
App präsentieren, auch am Werbeblock<br />
vor bei. Wer sich also zum Beispiel die<br />
Neuauflage <strong>der</strong> TV-Serie »90210« anschaut,<br />
wird bei aktivem wywy automatisch<br />
eingeloggt und kann sich nicht<br />
nur am Chat beteiligen, son<strong>der</strong>n bekommt<br />
darüber hinaus die »Outfits<br />
zur Sendung« präsentiert und kann sie<br />
auch direkt bestellen. Hierfür kooperiert<br />
wywy mit dem auf Mode aus<br />
TV-Sendungen spezialisierten Onlineshop<br />
stagefisher.<br />
Für die privaten Sen<strong>der</strong> ist das Umgehen<br />
des Werbeblocks natürlich eine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung: »Nicht je<strong>der</strong> ist<br />
Second-Screen-<strong>Die</strong>nste<br />
n <strong>Die</strong> meistgenutzte Anwendung bei laufen dem TV-<br />
Gerät ist immer noch Twitter. Aber zahlreiche neue<br />
<strong>Die</strong>nste versuchen, mit speziell angepassten Apps und<br />
Oberflächen zur universellen Second-Screen-Anwendung<br />
zu werden. Um von den hohen Nutzerzahlen<br />
bei Twitter zu profitieren, integrieren fast alle die passenden<br />
Tweets in ihre eigenen Diskussionsforen. Den<br />
Mehrwert für die Nutzer liefern die Second-Screen-<br />
Anbieter in verschiedenen Bereichen und sorgen für<br />
Kom fort mit Audioerkennung, einer interaktiven Programmzeitschrift<br />
o<strong>der</strong> einer Schauspielerdatenbank.<br />
Couchfunk<br />
Couchfunk verbindet einen intelligenten<br />
Programmführer mit <strong>der</strong> Möglichkeit,<br />
sich über das aktuelle TV-Programm auszutauschen.<br />
Ähnlich wie bei Twitter kann man an<strong>der</strong>en Couchfunk-Usern<br />
folgen und <strong>der</strong>en Vorlieben und Kommentare<br />
hervorheben. Couchfunk läuft auf iPhone und<br />
iPad, unter Android und als Web-App im Browser.<br />
GetGlue<br />
Mit Launch 2008 ist GetGlue <strong>der</strong> älteste<br />
Second-Screen-<strong>Die</strong>nst in den USA und<br />
hat nach eigenen Angaben 3 Millionen Nutzer. <strong>Die</strong><br />
App glie<strong>der</strong>t sich in einen Programmführer und<br />
einen Social-TV-Bereich. Sie läuft auf iPad und<br />
iPhone sowie im Browser.<br />
Shazam<br />
Als Musikerkennungs-App gestartet, hat<br />
Shazam seine Audioerkennungstechnologie<br />
auf TV-Sendungen ausgeweitet. In den USA<br />
bildet es bereits eine Vielzahl vor allem <strong>der</strong> Shows<br />
und sportlichen Großevents ab und bietet eine<br />
Plattform für die Kommunikation <strong>der</strong> Nutzer. In Deutschland<br />
kann Shazam <strong>der</strong>zeit nur gezielt Werbespots<br />
erkennen. Es lässt sich auf dem iPhone und<br />
iPad, unter Android, Blackberry und Windows<br />
Phone nutzen.<br />
Tweek<br />
Keine Second-Screen-App, son<strong>der</strong>n eine<br />
interaktive Programmzeitschrift für<br />
iPhone und iPod, <strong>der</strong>en Inhalt sich aus Empfehlungen<br />
von (Facebook-)Freunden zusammensetzt.<br />
wywy<br />
Second-Screen-App mit automatischem<br />
Audio-Log-in und einem Bonussystem.<br />
Über Check-ins und Bewertungen kann <strong>der</strong> User<br />
Punkte sammeln und in Prämien umwandeln. Wywy<br />
gibt es für iPhone und Android-Smartphones.<br />
Zapitano<br />
Das Angebot setzt auf eine große Schauspielerdatenbank<br />
und weitere vertiefende<br />
Informationen zum TV-Programm. <strong>Die</strong> Nutzer<br />
tauschen sich über Sendungen und Stars aus und<br />
können diese bewerten. Zapitano ist als Webanwendung<br />
gestartet, mittlerweile aber auch als App<br />
für iPhone, iPad und Android-Geräte verfügbar.
050 PAGE 06.13 KREATION Second Screen<br />
»Zeit <strong>der</strong> Helden«<br />
ist eine experimentelle<br />
Realtime-<br />
Serie von SWR und<br />
arte, die eine<br />
Woche lang zwei<br />
fiktionale Fami -<br />
lien begleitete. <strong>Die</strong><br />
Second-Screen-<br />
Anwendung<br />
ermöglichte schon<br />
eine Woche vor<br />
dem Start den Einstieg<br />
in die<br />
Lebens welten <strong>der</strong><br />
Charaktere<br />
Neustarter<br />
Zapi tano setzt<br />
auf Stars und<br />
die Bewertung <strong>der</strong><br />
Sendungen und<br />
Schauspieler durch<br />
die Nutzer<br />
begeistert, wenn eine funktio nieren<br />
de Blackbox, wie sie die aktuelle<br />
Form <strong>der</strong> TV-Werbung darstellt, aufgebrochen<br />
wird«, meint Schröter. »Aber<br />
auch bei den Sen<strong>der</strong>n denken viele<br />
Leute nach vorne und wissen, dass man<br />
sich mit interaktiven Werbefor men beschäftigen<br />
muss.«<br />
<strong>Die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> interaktiven Werbung<br />
ist noch ungewiss: We<strong>der</strong> steht fest,<br />
welcher <strong>der</strong> Second-Screen-Anbieter<br />
ausreichend Nutzer an sich binden<br />
wird, um für die Werbewirtschaft interessant<br />
zu sein, noch, ob nicht die Sen<strong>der</strong><br />
selbst zunehmend das Heft in die<br />
Hand nehmen werden, um nicht Teile<br />
ihres Werbeerlöses zu verlieren. Völlig<br />
offen ist auch die Technologie, auf die<br />
sich interaktive TV-Werbeformen und<br />
Social TV stützen werden. Ob <strong>der</strong> Second<br />
Screen lediglich ein temporä -<br />
res Phänomen bleibt o<strong>der</strong> sich län gerfris<br />
tig halten kann, hängt zudem nicht<br />
ausschließlich von <strong>der</strong> technischen<br />
Ent wicklung, son<strong>der</strong>n auch von den<br />
Seh- und Kommuni ka tionsgewohn heiten<br />
des Publikums ab.<br />
Trotz des großen Erfolgs <strong>der</strong> OTTO-<br />
Kam pa gne sieht Stefan Kolle, Krea tiv -<br />
ge schäfts führer von Kolle Rebbe, den<br />
<strong>Trend</strong> zum Second Screen auch kritisch:<br />
»Der permanente Blick auf den iPhone-<br />
Bildschirm, ob zu Hause o<strong>der</strong> in Konferenzen,<br />
för<strong>der</strong>t nicht gerade die Konzentration<br />
auf eine Sache«, stellt er fest.<br />
Er bringt damit ein Unbehagen zum<br />
Ausdruck, dass ihn nicht nur persönlich,<br />
son<strong>der</strong>n auch als Kreativen beschäf<br />
tigt: »Um dies werblich auszudrücken:<br />
<strong>Die</strong> Aware ness im Werbeblock<br />
geht zurück, wenn Leute parallel mit<br />
einem an<strong>der</strong>en Bildschirm interagieren.«<br />
Ganz beson<strong>der</strong>s, weil man selbst<br />
alles Mögliche tut, um die anvisierte<br />
Zielgruppe dazu zu bringen, sich mit<br />
dem interaktiven Angebot, das auf<br />
dem Second Screen präsentiert wird,<br />
auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />
»Man muss die Zuschauer mit etwas<br />
kö<strong>der</strong>n, das so stark ist, dass sie für<br />
den Rest des Werbeblocks o<strong>der</strong> sogar<br />
drüber hinaus ihre Aufmerksamkeit<br />
auf das eigene Produkt und auf den<br />
Second Screen richten«, meint Stefan<br />
Kolle. Das Gewinnspiel, bei dem es neben<br />
an<strong>der</strong>en Preisen ein iPad zu gewinnen<br />
gab, scheint ein ausreichend starker<br />
Trigger zu sein. Das aber ist ziem lich<br />
ungünstig für alle Spots, die direkt im<br />
Anschluss auf dem First Screen durchlaufen.<br />
Es sieht so aus, als würde <strong>der</strong><br />
Second Screen die gewohn ten Schemata<br />
aller Akteure gründ lich durcheinan<strong>der</strong>würfeln.<br />
ml
Inklusive CD für den CD.<br />
O<strong>der</strong> den AD. O<strong>der</strong> den Junior AD…<br />
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052 PAGE 06.13 KREATION Orientierungssystem<br />
Den Kern erreicht<br />
Sich gut zurechtfinden und dabei noch wohlfühlen – das ist ab<br />
sofort in einem Wiener Parkhaus möglich<br />
n Zum Fürchten sind Tiefgaragen häufig, zum Freuen<br />
selten. Eindeutig in die letzte Kategorie fällt die des Business<br />
Park Vienna, <strong>der</strong> Nana architektur und Typejockeys aus<br />
Wien ein ganz beson<strong>der</strong>es Aussehen verliehen. Sechs Ebenen<br />
umfasst das Parkhaus. Erklärtes Ziel <strong>der</strong> Kreativen war<br />
es, die Etagen deutlich zu unterscheiden, um so Autos und<br />
Fußgänger so klar wie möglich zu leiten. <strong>Die</strong> Lösung ist einfach<br />
und trotzdem ungewöhnlich: Jede Ebene ist einer Erdschicht<br />
zugeordnet. <strong>Die</strong> Einfahrt heißt »<strong>Die</strong> Erdoberfläche«,<br />
das Parkdeck darüber »Das Sonnendeck«. Unter <strong>der</strong> Oberfläche<br />
kommt zunächst »<strong>Die</strong> Mineralschicht«, dann »<strong>Die</strong><br />
raue Kruste«, »Der schützende Mantel« und schließlich die<br />
unterste Ebene: »Dem Kern so nah«. Jede dieser Etagen<br />
präsentiert sich in einer eigenen Farbe – nicht nur im naheliegenden<br />
Grau und Braun, son<strong>der</strong>n auch in leuchtendem<br />
Gelb, Grün, Blau und Lila. Dazu kommen stimmungsvolle<br />
Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Erdschicht. Am zentralen Treppenhaus,<br />
das zum Shopping-Bereich des Business Parks führt, kommen<br />
die Bildwelten großflächig zum Einsatz und heben<br />
diesen Orientierungspunkt beson<strong>der</strong>s hervor.<br />
Nun soll ein Parkhaus ja nicht nur schön, son<strong>der</strong>n vor<br />
allem funktional sein. Dafür sorgt auch das Leitsystem in<br />
<strong>der</strong> klaren Supria Sans des Berliner Typedesigners Hannes<br />
von Döhren. <strong>Die</strong> Informationen finden sich an den Wänden,<br />
auf dem Boden und ziehen sich auch schon mal um die<br />
Ecken herum – stets so, wie es für die Benutzer am sinnvollsten<br />
ist. »Gelegentlich mussten wir die Supria Sans ein<br />
bisschen filetieren, damit sie als Schablonenschrift, zum<br />
Beispiel auf dem Boden, funktioniert – natürlich mit Zustimmung<br />
von Hannes«, erzählt Anna Fahrmaier von Typejockeys.<br />
<strong>Die</strong> sympathischen, verständlichen Piktogramme<br />
zeichneten die Wiener Designer passend zur Schrift.<br />
Eine wichtige Rolle spielt in dem Gestaltungskonzept<br />
auch das Licht, das nicht nur die Fahrbahn, son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s<br />
den Weg am Rand für die Fußgänger beleuchtet, die<br />
sich so deutlich sichtbar und sicher durch die Garage bewegen<br />
können. Schließlich trennen die beiden Grautöne des<br />
Bodenbelags die dunklen Parkplätze von <strong>der</strong> hellen Fahrbahn.<br />
Glücklich waren die Kreativen darüber, dass ihre Entwürfe<br />
fast eins zu eins umgesetzt wurden: »Als wir das erste<br />
Mal durch das fertige Parkhaus gingen, fühlte es sich fast<br />
so an, als würden wir durch unsere Ren<strong>der</strong>ingslaufen«, erzählen<br />
Anna Fahrmaier und Anna Kovacs, Geschäftsführerin<br />
von Nana architektur. Orientierung fällt leicht im Wiener<br />
Business Park. Nur aufgepasst, dass man nicht vor Verzückung<br />
über die schönen Bil<strong>der</strong> und freundlichen Piktogramme<br />
versehentlich gegen die Wand fährt.<br />
ant<br />
Sechs Erdschichten,<br />
sechs Etagen:<br />
Ein klares Farbkonzept<br />
sorgt für<br />
Durchblick. Am<br />
zentralen Treppenhaus<br />
kommen<br />
die Bildwelten<br />
<strong>der</strong> Erdoberflächen<br />
großflächig zum<br />
Einsatz und<br />
heben diesen<br />
Orientierungspunkt<br />
beson<strong>der</strong>s<br />
hervor<br />
Zurechtfinden<br />
leicht gemacht:<br />
dank <strong>der</strong> Schrift,<br />
den Pfeilen und<br />
Piktogrammen<br />
an den Wänden,<br />
auf dem Boden –<br />
und auch schon<br />
mal um Ecken<br />
herum<br />
Zur Abstimmung<br />
mit dem Kunden<br />
dienten Ren<strong>der</strong>ings<br />
wie dieses<br />
(großes Bild<br />
rechts), die dann<br />
fast 1 : 1 umgesetzt<br />
wurden
Foto (rechts): Alexan<strong>der</strong> Haiden<br />
PAGE 06.13 053
054 PAGE 06.13 KREATION<br />
PAPIERWELT<br />
1<br />
Bei Konglomerat<br />
gibt es schöne<br />
Notizbücher und<br />
vieles an<strong>der</strong>e,<br />
was das Herz<br />
von Papierliebha<br />
bern höherschlagen<br />
lässt<br />
Baumwollpapier<br />
und Letter press<br />
sind eine gute<br />
Kom bi nation – das<br />
beweist Gmund<br />
mit einem Mailing<br />
2<br />
1 Handgemachte<br />
Notizbücher<br />
n Stella Richter studiert in Hamburg<br />
Kommunikationsdesign und hat bereits<br />
ihr eigenes Label: Konglomerat<br />
heißt es und beschäftigt sich mit Branding,<br />
Packaging, Illustration, Papier und<br />
Print. In ihrem Onlineshop verkauft sie<br />
handgemachte Notizbücher, die sie aus<br />
alten Büchern fertigt – vorzugsweise<br />
Exemplaren mit schönen Veredelungen<br />
und Illustrationen. Darüber hinaus<br />
bietet Stella Richter alte Schreibwaren<br />
und wun<strong>der</strong>bare botanische Tafeln an.<br />
Künftig will sie auch handbedruckte<br />
Geschenkpapiere und außergewöhnliche<br />
Stiftboxen in ihre Kollektion aufnehmen.<br />
Ihr Vorhaben ist es, Konglomerat<br />
als einen Ort für Schreibwütige,<br />
Kreative, Papierliebhaber und Nostalgiker<br />
zu etablieren.<br />
≥ www.konglomeratdesign.de<br />
2 Mr. Letterpress trifft<br />
Ms. Cotton<br />
n Eine nette Mailingidee ließ sich die<br />
Büttenpapierfabrik Gmund einfallen:<br />
Mr. Letterpress, ein Urahne von Johannes<br />
Gutenberg, verliebt sich in Ms. Cotton,<br />
eine feine Dame aus Gmund am<br />
Tegernsee. In <strong>der</strong> ersten von drei Aussendungen<br />
zeigen handgemalte und<br />
im Buchdruck produzierte Zeichnungen,<br />
wie die beiden zum ersten Mal<br />
aufeinan<strong>der</strong>treffen. Im nächsten Mailing<br />
erhalten die Empfänger Muster in<br />
110, 300, 600 und 900 Gramm, damit<br />
sie den Buchdruck o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Verfahren<br />
auf dem weichen Baumwollpapier<br />
ausprobieren können. In <strong>der</strong> dritten<br />
Aussendung schließlich zeigen Druckmuster<br />
von Armani, Volkswagen und<br />
Audi, wie eindrucksvoll die Verbindung<br />
von Baumwollpapier und Letterpress<br />
sein kann. Rund 1000 Druckereien, Kreativagenturen<br />
und Markenhersteller<br />
in Asien, USA, Australien und Europa<br />
erhalten das Mailing. Wer noch nicht<br />
dabei ist, kann sich auch direkt an<br />
Gmund wenden.<br />
≥ www.gmund.com<br />
Recyclingpapier<br />
für Inkjet<br />
n Arjo Wiggins stellt ein Sortiment von<br />
recycelten Papieren für Tintenstrahl-<br />
Digitaldrucksysteme vor. <strong>Die</strong> Cocoon-<br />
Jet- und Cyclus-Jet-Produkte sollen eine<br />
Kombination von hoher Ausgabequalität<br />
bei voller Verarbeitungsgeschwindigkeit<br />
und verbesserter Farbtiefe bei<br />
geringerem Tintenverbrauch gewährleisten.<br />
Zum Sortiment gehören gestrichene<br />
und ungestrichene Pa pie re in<br />
verschiedenen Weißen und Gram maturen.<br />
Cocoon Jet Silk beispielsweise<br />
ist oberflächenbehandelt, seiden matt<br />
ge strichen und bietet eine hohe Weiße.<br />
Das ungestrichene Cocoon Jet Pro<br />
zeich net sich auch durch einen sehr<br />
hohen Weißegrad aus. Alle Papie re des<br />
Sortiments enthalten zu 100 Prozent<br />
entfärbte Fasern, die aus einem chlorfreien<br />
Aufbereitungsprozess stam men.<br />
≥ www.arjowigginsgraphic.com<br />
Gefaltete Botschaften<br />
n Nach seinem Buch »Von <strong>der</strong> Fläche<br />
zur Form«, das zeigt, wie aus einem<br />
Stück Papier Formen entstehen, legt<br />
Paul Jackson jetzt nach. Im Haupt Verlag<br />
erschien soeben sein neustes Werk<br />
mit dem Titel »Vom Faltobjekt zum Werbeträger.<br />
Schneide- und Falttechniken<br />
im Papierdesign« (128 Seiten. 29,90 Euro,<br />
isbn 978-3-258-60070-3). Der Autor,<br />
seit 1982 als Faltkünstler und -lehrer<br />
tätig, stellt darin rund 40 Papierkonstruktionen<br />
vor, mit denen man von<br />
Kunden besser wahrgenommen wird.<br />
<strong>Die</strong> Projekte reichen vom Flexicube<br />
über Umschläge, CD-Hüllen, Puzzles<br />
und Knobeleien bis zum Faltbuch. Beinahe<br />
alle Objekte sind interaktiv: Sie<br />
lassen sich öffnen, schließen, zusammenfalten,<br />
von innen nach außen stülpen,<br />
in <strong>der</strong> Form verän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> zusammenbauen.<br />
Auf jeden Fall liefert<br />
die Publikation jede Menge Ideen für<br />
das nächste Kreativmeeting. ant<br />
≥ www.origami-artist.com;<br />
www.haupt.ch
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METAMORPHOSE IN PERFEKTION<br />
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056<br />
page 06.13<br />
TYPO<br />
»Sister Winter« in Vinter<br />
Frode Bo Helland, Oslo<br />
Artwork: Susann Pönisch<br />
n <strong>Die</strong> Worte »Designed in Norway« lassen unwillkürlich kühle, cleane<br />
Bil<strong>der</strong> im Kopf entstehen. Kein Wun<strong>der</strong>, da das Land den Großteil des<br />
Jahres von schneebedeckten Bergen und eisblauen Fjorden umgeben<br />
ist. »Ich liebe den norwegischen Winter. Er ist so extrem, reicht von<br />
völliger Stille bis zu heftigsten Blizzards«, sagt Frode Bo Helland, <strong>der</strong><br />
seine jüngste Schrift daher einfach Vinter nannte und für sie Sufjan<br />
Stevens »Sister Winter« aussuchte. <strong>Die</strong> serifenlose Displaytype – mehr<br />
Linie als Form – besticht durch ihren klassi schen Rhythmus und ihre<br />
geometrisch-humanistische Struktur. Kreis, Drei- und Viereck laden zu<br />
spielerischen Kompositionen, Überschneidungen und Dekonstruktionen<br />
ein. Auch die Kursive folgt diesem Ansatz: Sie ist gedreht statt<br />
schräg gestellt. Für rund 100 Euro ist Vinter bei Monokrom erhältlich,<br />
<strong>der</strong> gemeinsamen Foundry von Frode Bo Helland und Sindre Bremnes.<br />
≥ www.monokrom.no
page 06.13 057<br />
Vielstimmig<br />
Vierzehn Schriften wurden beim TDC Typeface<br />
Design 2013 ausgezeichnet, neun davon stellen<br />
sich für PAGE musikalisch vor<br />
»They All Laughed« in JAF Bernini Sans<br />
Tim Ahrens, Berlin<br />
n Ein Songtext, <strong>der</strong> genau zu seiner Bernini Sans passt, fiel Tim Ahrens<br />
nicht ein. Schließlich sei sie eine universelle Schrift. »Ich bin aber ein<br />
großer Fan von Ella Fitzgerald und finde, gute Schriften sind oft so, wie<br />
sie singt. <strong>Die</strong>se Kombination aus Würde und verführerischem Charme,<br />
gleichzeitig ein bisschen sexy, aber ernst zu nehmen. Perfekt in <strong>der</strong> Ausführung,<br />
aber ohne spürbare Anstrengung. Mit <strong>der</strong> Bernini Sans<br />
habe ich versucht, ein Äquivalent in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Schrift zu gestalten.«<br />
Das Duett mit Louis Armstrong bot sich an, weil je<strong>der</strong> Schnitt <strong>der</strong><br />
Bernini-Familie zwei Fonts enthält: die männliche Bernino Sans und die<br />
feminine Bernina Sans, eine etwas verspieltere Version mit runden<br />
Punkten und zweistöckigem g. Insgesamt umfasst die knapp 400 Euro<br />
teure Familie 25 Schnitte, also 50 Fonts. Durch die feine Gewichtsabstimmung<br />
und ihre offenen Formen sowie die große Auswahl an Fetten<br />
und Breiten ist Bernini Sans für Text und Display gleichermaßen geeignet.<br />
≥ www.justanotherfoundry.com<br />
n Ist das Design original? Ist es nützlich?« Anhand dieser<br />
zwei Fragen stellte Jurymitglied Stephen Coles die knapp 200<br />
beim TDC Typeface Design eingereichten Schriften auf den<br />
Prüfstand. »Allerdings gibt es echte Originalität im Type design<br />
kaum noch, die Grauzone ist groß«, sagt <strong>der</strong> Schriftgestal<br />
ter und Betreiber des Blogs Typographica. »Nehmen Sie<br />
etwa meine Judge’s Choice, die JAF Bernini Sans: Das Design<br />
ist nicht neu, aber die Familie so verdammt nützlich, dass sie<br />
genau das ist, was eine Schrift zuerst sein soll: ein Werkzeug.«<br />
Feste Kriterien, nach denen die Juroren die eingereichten<br />
Fonts beurteilen, gibt es bei dem Contest nicht. Der New<br />
Yorker Type Directors Club vertraut auf <strong>der</strong>en Fähigkeit, exzellente<br />
Schriftgestaltung herauszufiltern. Neben Coles und<br />
Chairman Graham Clifford gehörten dieses Jahr David Berlow<br />
von Font Bureau, J. Abbott Miller von Pentagram New<br />
York und Margaret Calvert, Gestalterin <strong>der</strong> britischen Straßenschil<strong>der</strong>,<br />
<strong>der</strong> Jury an – alle bestens geeignet für diese<br />
Aufgabe. Doch war es auch für sie nicht ganz einfach, die Perlen<br />
zu finden. »Fast alle Einsendungen waren gut gezeich net<br />
und kompetent produziert, aber nur wenige konn ten uns<br />
be geistern«, berichtet Stephen Coles. »Immer wie<strong>der</strong> hörten<br />
wir uns den gleichen Satz sagen: ›Nette Ausführung, aber wo<br />
ist das Konzept?‹ <strong>Die</strong> vierzehn Schriften, die wir prä mier ten,<br />
über zeugten uns dadurch, dass sie eine Bestimmung haben.«<br />
<strong>Die</strong> vierzehn Gewinner kommen aus neun Län<strong>der</strong>n, gleich<br />
vier Awards gingen nach Deutschland, je zwei in die USA und<br />
Kanada und je einer nach England, Brasilien, Argentinien,<br />
Israel, Australien und Norwegen. Wobei diese Zuordnung<br />
ziemlicher Humbug ist. Tom Grace etwa stammt aus Boston<br />
und machte seinen MA Typeface Design an <strong>der</strong> University of<br />
Reading. Da er aber momentan in Heidelberg lebt, wurde <strong>der</strong><br />
Award für seine Iskra Deutschland zugeschlagen. Ähnlich<br />
bei Travis Kochel aus Portland, Oregon: Sein Diagrammfont<br />
FF Chartwell (siehe PAGE 08.12, Seite 54 ff.) erscheint in <strong>der</strong><br />
FontFontBibliothek und zählt damit ebenfalls für Deutschland.<br />
<strong>Die</strong> Agmena dagegen, entworfen von dem gebürtigen<br />
Serben Jovica Veljović, <strong>der</strong> seit 1992 in Hamburg lebt, schlägt<br />
für die USA zu Buche, weil Monotype sie verkauft. Ferran<br />
Milan Oliveras schließlich kommt aus Barcelona, arbeitet<br />
aber bei Dalton Maag in London und bescherte so den Englän<strong>der</strong>n<br />
eine Auszeichnung. Typedesign ist heute eben ein internationales<br />
Business. Um die prämierten Fonts in <strong>der</strong> Anwendung<br />
zu zeigen, haben wir die Gewinner gebeten, ihre<br />
Schrift mit einem passenden Song in Szene zu setzen, neun<br />
sind unsere Einladung gefolgt – sehen Sie selbst. ant
058 page 06.13 TYPO TDC Typeface Design 2013<br />
Artwork: Christian Schäfler<br />
»Aber bitte mit Sahne« in Jocham<br />
Hubert Jocham, Lautrach<br />
n Ein Unbekannter ist Hubert Jocham beim TDC nicht. Bereits viermal<br />
bekamen Schriften von ihm die begehrte Auszeichnung. In diesem Jahr<br />
konnte er die Jury mit einem Font überzeugen, <strong>der</strong> eigentlich sein Logo<br />
ist. »Seit ich ein neues Zeichen habe, fragen mich die Leute nach <strong>der</strong><br />
Schrift, auf <strong>der</strong> es basiert«, erzählt <strong>der</strong> Gestalter. »Aber es gab keine<br />
gan ze Schrift, nur die Wortmarke ›Hubert Jocham‹, und ich glaubte auch<br />
nicht, dass sie als kompletter Zeichensatz funktionieren würde.« Trotz -<br />
dem begann er schließlich mit <strong>der</strong> Entwicklung eines Fonts. Nach vielen<br />
Zweifeln und je<strong>der</strong> Menge Versionen war die Jocham schließ lich fertig,<br />
in Regular mit passen<strong>der</strong> Kursive für jeweils knapp 40 Euro. »Ich habe<br />
auch an<strong>der</strong>e Schnitte ausprobiert, aber sie waren alle nicht wirk lich<br />
überzeugend. Deshalb entschied ich mich dafür, es bei Regular und Italic<br />
zu belassen.« Der Scriptfont ist auch in längeren Texten gut zu lesen und<br />
wirkt so richtig schön rund und fluffig – fast wie ein Stück Sah netorte.<br />
≥ www.huberjocham.de<br />
»Within Me« in Iskra<br />
Tom Grace, Heidelberg<br />
n Raffiniert und verspielt sind Musik und Text von »Within Me« <strong>der</strong><br />
Jazzsängerin Gretchen Parlato. Der Rhythmus des Stücks ist fest<br />
und zugleich leicht, damit passt es prima zur serifenlosen Iskra, mit<br />
<strong>der</strong> Tom Grace die Grenzen zwischen dekorativ und nützlich überwinden<br />
will. Um das zu erreichen, stattete <strong>der</strong> aus Boston stammende<br />
Designer sie mit 14 Schnitten von Ultra Thin bis Ultra Bold plus<br />
Kursive aus. <strong>Die</strong> Type hat einen sehr geringen Kontrast und erinnert<br />
gelegentlich an Pinselschriften. »Mein Ziel war vor allem, Iskra<br />
angenehm lesbar zu machen, aber trotzdem einen gewissen Glanz<br />
zu erhalten«, sagt Tom Grace, <strong>der</strong> seit einiger Zeit in Heidelberg<br />
lebt. »Sie eignet sich für Fließtexte, genauso gut aber auch für Branding<br />
und Werbung.« Iskra erscheint bei TypeTogether, <strong>der</strong> Foundry von<br />
Veronika Burian und José Scaglione, und liegt zusätzlich für Kyrillisch<br />
vor. Ein Einzelschnitt für beide Schriftsysteme kostet etwa 80 Euro.<br />
≥ www.type-together.com; www.virgotype.com
page 06.13 059<br />
»25 Minutes To Go« in Blanco<br />
Dave Foster, Sydney<br />
n Rau und robust ist die Blanco, ebenso wie <strong>der</strong> Song »25 Minutes to<br />
go«, <strong>der</strong> berühmt wurde, als Johnny Cash ihn 1968 im kalifornischen<br />
Folsom State Prison sang. Blanco ist Dave Fosters erste Schrift, entstanden<br />
2012 als Abschlussarbeit des Masterkurses Type and Media an<br />
<strong>der</strong> Royal Academy of Art in Den Haag. Gemacht ist sie für lange Texte<br />
in kleinen Größen. Ihr Charakter erinnert an Schriften wie Fleischmann,<br />
Caslon o<strong>der</strong> Plantin. Ein solches Workhorse zu gestalten ist normaler<br />
weise nichts für Anfänger, davon ließ Dave Foster sich aber nicht<br />
beeindrucken. Dass er von Erik van Blokland, Peter Verheul, Paul van<br />
<strong>der</strong> Laan, Peter Bil’ak und Christoph Noordzij viel gelernt hat, beweist<br />
nicht nur die TDC-Auszeichnung. Auch bei <strong>der</strong> Morisawa Type Design<br />
Competition wurde die Type prämiert. Einige Zeit will <strong>der</strong> Australier<br />
noch in den Nie<strong>der</strong>landen bleiben, die Blanco für den Verkauf<br />
fertigstellen und in die ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Foundry hineinschnuppern.<br />
≥ http://work.davethedesigner.net<br />
»Nightingale« in Karol<br />
Daniel Sabino, São Paulo<br />
n Speziell für den Buchsatz entwarf Daniel Sabino die Karol, die aus<br />
den Schnitten Regular, Semibold, Bold und Black jeweils mit Kursiver<br />
besteht. Ihre von <strong>der</strong> Renaissance inspirierten Proportionen sorgen für<br />
einen angenehmen Lesefluss. Ebenso die voreingestellten Oldstyle-<br />
Ziffern. Aber auch in Displaygrößen macht die Antiqua eine gute Figur,<br />
wie <strong>der</strong> abgebildete Liedtext des brasilianischen Musikers Gilberto<br />
Gil zeigt. Vorbil<strong>der</strong> fand Daniel Sabino in den Arbeiten kalligrafisch orientierter<br />
Schriftkünstler wie Bram de Does, Oldrich Menhart o<strong>der</strong> Rudolf<br />
Koch. Historische Referenzen hin o<strong>der</strong> her, technisch ist die Fontfamilie<br />
auf dem neusten Stand. Je<strong>der</strong> Schnitt enthält über 600 Glyphen, die sich<br />
per OpenType-Funktion einsetzen lassen. Begonnen hat <strong>der</strong> Desi gner<br />
die Arbeit an Karol bereits 2011, im Rahmen eines Projekts im Kurs<br />
»Advanced Typography« an <strong>der</strong> Universitat Autònoma de Barcelona.<br />
Kaufen kann man sie für etwa 60 Euro pro Schnitt bei Type-Ø-Tones.<br />
≥ www.type-o-tones.com; www.blackletra.com
060 page 06.13 TYPO TDC Typeface Design 2013<br />
»Amo dejarte así« in Erotica<br />
Maximiliano Sproviero, Buenos Aires<br />
n Das argentinische Klima scheint die Entstehung üppiger Schnörkelschriften<br />
zu begünstigen. Denken wir nur an die vielen schönen<br />
Exem plare von Alejandro Paul. Und nun die Erotica des erst 25-Jährigen<br />
Maximiliano Sproviero. »Know the forms well before you attempt<br />
to make them« – diesen Rat des Kalligrafen E. A. Lupfer beherzigte<br />
Sproviero und ließ seine Erotica den Regeln <strong>der</strong> historischen Round hand<br />
und Engrosser’s Script folgen, um sie dann ins Extreme fortzu füh ren.<br />
Das Ergebnis sind Buchstaben, die oft eher gezeichnet als geschrie ben<br />
aussehen, mit sehr viel Persönlichkeit und ebenso viel Gefühl – wie<br />
Gustavo Ceratis Lied »Amo dejarte así«. Diverse Ligaturen und Alter -<br />
nativen zu je<strong>der</strong> Glyphe sollen keine Wünsche offenlassen. Ganz fertig<br />
ist <strong>der</strong> Designer mit <strong>der</strong> Erotica nicht, doch will er sie im Laufe des<br />
Jahres zum Verkauf anbieten können. Bis dahin müssen wir uns mit<br />
seinen an<strong>der</strong>en Scripts begnügen, die alle über MyFonts erhältlich sind.<br />
≥ www.liantypes.com.ar
page 06.13 061<br />
»Thank You« in Tegaki<br />
Neil Summerour, Jefferson, Georgia<br />
n Er ist ein rühriger Mensch: Typedesigner, Lettering Artist,<br />
Professor für Graphic Design an <strong>der</strong> University of Georgia, Grün<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Fontlabels Positype und TypeTrust – und Japanfan. Logisch,<br />
dass sich Neil Summerour auch mit <strong>der</strong> japanischen Schrift beschäftigt<br />
und ein kühnes Experiment wagte, nämlich den Beweis anzut<br />
reten, dass eine japanische Spencerian möglich ist. So entwickelte<br />
<strong>der</strong> Designer Tegaki, eine japanische Schrift im Stil <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Spencerian Scripts, die im frühen 19. Jahrhun<strong>der</strong>t aufkamen.<br />
Er tauschte Pinsel gegen Stahlfe<strong>der</strong> und verhalf den asiatischer<br />
Zeichenformen zu neuem Leben mit Schwüngen, Schnörkeln, viel<br />
persönlichem Ausdruck und dank OpenType auch mit Ligaturen<br />
und Alternativzeichen. Tegaki wirkt durchaus mo<strong>der</strong>n und visualisiert<br />
so wun<strong>der</strong>bar den Titel »Thank You« des japanischen Trios Funky<br />
Monkey Babys. Kaufen kann man die Schrift bislang lei<strong>der</strong> nicht.<br />
≥ http://neilsummerour.com<br />
»Somebody That I Used To Know« in Agmena<br />
Jovica Veljović, Hamburg<br />
n Ein direktes historisches Vorbild hat die Agmena nicht. Ihr Design<br />
spielt mit Proportionen, Formen und Zwischenräumen; am ehesten<br />
erinnert sie an eine Renaissance-Antiqua. Der Songtext, ein Stück des<br />
belgisch-australischen Singer-Songwriters und Schlagzeugers Gotye,<br />
beweist, dass die klaren, offenen Formen auch in kleinen Graden sehr<br />
gut lesbar sind – was nicht nur für Print, son<strong>der</strong>n auch für den Bildschirm<br />
gilt. Schon immer wollte Jovica Veljović, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Hamburger<br />
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Design und Typografie lehrt,<br />
eine reine Buchtype entwerfen, bei <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Editorial Designer selbst<br />
nicht mehr um Kerning und Zurichtung kümmern muss. Mit <strong>der</strong> Agmena,<br />
die es in Book, Regular, Semibold und Bold plus Kursive gibt, gelang es<br />
Veljović, die Buchstaben im Text zum Perlen zu bringen‚ ohne aufdringlich<br />
zu sein‚ leise und doch souverän und charaktervoll. Sie kostet circa<br />
70 Euro pro Schnitt und ist auch für Kyrillisch und Griechisch erhältlich.<br />
≥ www.linotype.com
062 PAGE 06.13 TYPO<br />
TYPOWELT<br />
1<br />
Scriptfont nicht<br />
nur, aber auch<br />
für den Mengensatz:<br />
Supernova<br />
von Martina Flor<br />
1 Scriptfamilie Supernova<br />
n Gewöhnlich kommen Scriptfonts<br />
vor allem im Displaybereich zum Einsatz.<br />
Martina Flors neue Familie Supernova<br />
jedoch taugt auch für den Mengensatz.<br />
<strong>Die</strong> gebürtige Argentinierin,<br />
die lange in Barcelona und Den Haag<br />
lebte, bevor sie sich in Berlin nie<strong>der</strong>ließ,<br />
stattete Supernova mit fünf Schnitten<br />
von Light bis Black aus, plus einen Poster-Font<br />
mit je<strong>der</strong> Menge Schwungbuchstaben<br />
und Ornamenten. »Scriptfonts<br />
werden fast immer auf ihre emo-<br />
tionalen Attribute reduziert, dabei können<br />
sie durchaus als lesbare Text schrift<br />
daherkommen«, so Martina Flor.<br />
Für rund 90 Euro pro Schnitt o<strong>der</strong><br />
280 Euro für alle sechs kann man Supernova<br />
bei Typotheque kaufen. In<br />
den Kommentaren dort schreibt Ro<strong>der</strong>ick<br />
Robertson, er würde die Schrift<br />
am liebsten auf allen Rechnern in <strong>der</strong><br />
Schule, in <strong>der</strong> er unterrichtet, installieren<br />
– in <strong>der</strong> Hoffnung, das würde seine<br />
Studenten motivieren, selbst leserlicher<br />
von Hand zu schreiben.<br />
≥ www.typotheque.com<br />
2 Ornamentale Kalligrafie<br />
n Kalligrafie interessiert Mareike Ortmeier<br />
schon lange. So setzte sie sich<br />
bereits in ihrer Diplomarbeit »Rhythmus<br />
und Reihung« an <strong>der</strong> Hochschule<br />
Augsburg damit auseinan<strong>der</strong>. Doch ist<br />
es weniger die klassische Kunst des<br />
Schönschreibens, die sie fasziniert, son<strong>der</strong>n<br />
ein experimenteller Umgang damit.<br />
Mittlerweile betreibt Ortmeier das<br />
Designbüro 2Dsein in Magdeburg.<br />
In ihren Arbeiten zeigt die Gestalterin<br />
Interpretationsmöglichkeiten von
PAGE 06.13 063<br />
≥ Weitere interessante Artikel rund um Typografie finden Sie unter www.page-online.de/<br />
emag/typo und Links zu Typefoundrys et cetera unter www.page-online.de/typo-links<br />
2<br />
Der lila Hase ist nur ein Beispiel<br />
für die ornamentale Kalligrafie<br />
von Mareike Ortmeier<br />
von den Designhochschulen fehlt nicht.<br />
Für 9,90 Euro plus Versandkosten kann<br />
man das »TypoJournal« bestellen.<br />
≥ www.fonts.info;<br />
www.typografie.info<br />
Sterne sehen<br />
n Amerikanische Plakate aus <strong>der</strong> Zeit<br />
<strong>der</strong> Holzlettern im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t sind<br />
oft mit Sternen verziert. Viele Schrifthersteller<br />
wie zum Beispiel Morgans &<br />
Wilcox, Tubbs Mfg Co. und natürlich<br />
Hamilton Wood Type hatten eigene Varianten<br />
des fünf zackigen Sternmotivs<br />
in ihren Katalo gen. P22 und das Hamilton<br />
Wood Type Museum bieten jetzt<br />
einen Sternfont an: rund 100 Glyphen,<br />
einzelne Sterne, aber auch Versatzstücke,<br />
mit denen sich Rahmen und<br />
Ban<strong>der</strong>olen gestalten lassen. Für ungefähr<br />
25 Dollar kann man HWT Star<br />
Ornaments bei P22 erwerben.<br />
≥ www.p22.com/ihof/<br />
starornaments.html<br />
Kalligrafie – auf Lein wand, Büttenpapier,<br />
aber auch in digitaler Form. Von<br />
ihr stammt auch eine mo<strong>der</strong>nisierte<br />
Form <strong>der</strong> römischen Unziale, aus <strong>der</strong><br />
sie kalligrafische Ornamente entwickelt.<br />
Sie gibt Kurse zu dem Thema,<br />
fertigt aber auch Produkte mit ornamentalen<br />
Kalligrafien, darunter iPhone-<br />
Hüllen, Kühlschrankmagnete, Wanduhren<br />
o<strong>der</strong> den lila Hase, <strong>der</strong> auch nach<br />
Ostern Freude macht. Kaufen man diese<br />
auf www.zazzle.de/2dsein.<br />
≥ www.2dsein.de<br />
»TypoJournal 4«<br />
n <strong>Die</strong> vierte Ausgabe des von Ralf<br />
Herrmann und Jörg Roßbach herausgegebenen<br />
Magazins dreht sich ums<br />
»Schriftschaffen im deutschsprachi gen<br />
Raum«. Von Gutenbergs Druck mit beweglichen<br />
Bleilettern bis zu den jungen<br />
talentierten Typedesignern <strong>der</strong><br />
Gegenwart – Deutschland, Österreich<br />
und die Schweiz haben im Bereich <strong>der</strong><br />
Druck- und Schriftkunst schon immer<br />
eine wesentliche Rolle gespielt. Herrmann<br />
selbst und verschiedene Autoren<br />
stellen Schriftgestalter und -hersteller,<br />
Museen, Druckereien sowie typografische<br />
Organisationen vor – und<br />
auch eine Auswahl aktueller Arbeiten<br />
3 Serifenlose Prell<br />
n <strong>Die</strong> Idee von Norbert Prell war es,<br />
eine Schrift zu gestalten, die zugleich<br />
ein Selbstporträt ist. So zeichnete er<br />
die Buchstaben seiner Prell sowohl<br />
frech und ein bisschen kokett als auch<br />
konservativ und bedächtig. Das Ergebnis<br />
ist eine klare humanistische Serifenlose<br />
mit klassischen Proportionen<br />
und charakteristischen Kurven, die für<br />
einen hohen Wie<strong>der</strong>erkennungswert<br />
sorgen. <strong>Die</strong> fünf Schnitte Thin, Light,<br />
Regular, Medium und Bold plus Italics<br />
sowie unterschiedliche Alternativbuchstaben<br />
sorgen für vielfältige Einsatzmöglichkeiten.<br />
Prell ist die erste Schrift des ungarischen<br />
Designers, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> University<br />
of Fine Arts in Budapest Grafikdesign<br />
studierte und sich 2010 als Erasmus-Student<br />
an <strong>der</strong> Hochschule für<br />
Angewandte Wissenschaften Hamburg<br />
in Typedesign und Kalligrafie vertiefte.<br />
Sie erscheint für ungefähr 55 Euro pro<br />
Schnitt im Gestalten Verlag; die Familie<br />
kostet rund 440 Euro. ant<br />
≥ http://fonts.gestalten.com<br />
Klassische Proportionen,<br />
künstlerische Kurven:<br />
Prell von Norbert Prell<br />
3
P R A X I S<br />
16. SEPTEMBER<br />
InfoGrafik<br />
Visual Storytelling – Workflows & Cases<br />
Aufgrund <strong>der</strong> auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in <strong>der</strong> Reihenfolge <strong>der</strong> Eingänge <strong>der</strong> Zahlungen berücksichtigt. <strong>Die</strong> Teilnahmegebühr fällt mit <strong>der</strong> Anmeldung<br />
an. Sie ist sofort nach Erhalt <strong>der</strong> Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage <strong>der</strong> Veranstaltung seitens <strong>der</strong> Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll<br />
zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht. Bei Stornierung <strong>der</strong> Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 14.06.2013 berechnen wir 50 Prozent, ab 19.07.2013 100 Prozent<br />
<strong>der</strong> Teilnahmegebühr. <strong>Die</strong> Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist je<strong>der</strong>zeit möglich. Es werden nur schriftliche Stornierungen o<strong>der</strong> Namenswechsel akzeptiert. Es gilt <strong>der</strong> Poststempel.<br />
<strong>Die</strong> Agenda<br />
1. Das Wesen <strong>der</strong> Infografik –<br />
Stärken und Schwächen<br />
Wo sind die Grenzen zur Illustration, zur reinen<br />
Visualisierung und zur Kunst? Was kann und<br />
muss eine Infografik leisten, und wie setzt man<br />
diese sinnvoll ein? Was unterscheidet eine<br />
journalistisch geprägte Grafik von einer Visualisierung<br />
in <strong>der</strong> Unternehmenskommunikation?<br />
Was sind die Gefahren und das Potenzial einer<br />
PR-Grafik? Inwieweit können sich Corporate<br />
Infographics an eine bestehende CI anpassen?<br />
2. Vom Briefing über die Recherche zur<br />
Umsetzung – Cases, Prozesse, Strategien<br />
Wie müssen die Basisinformationen für ein<br />
gutes Briefing aufbereitet sein? Wie kommt<br />
man an die relevanten Daten und damit auf<br />
die richtige Idee? Ist weniger mehr o<strong>der</strong><br />
mehr Information hilfreicher? Wie gewinne<br />
ich den Kunden für die Idee? Wie läuft<br />
die Abstimmung mit dem Auftraggeber?<br />
3. Animation, Interaktion, Multichannel –<br />
die Wahl <strong>der</strong> Mittel und ihre Kalkulation<br />
Wie setze ich Infografiken crossmedial ein?<br />
Ist eine statische o<strong>der</strong> eine interaktive,<br />
animierte Grafik besser? Wie gestalte ich<br />
den Workflow, um schon in <strong>der</strong> Entwicklungsphase<br />
den unterschiedlichsten<br />
Nutzungsarten Rechnung zu tragen: als<br />
App, Poster, Magazinseite o<strong>der</strong> PowerPoint-<br />
Template. Wie kalkuliere ich eine Infografik?<br />
Wie verhandle ich die Nutzungsrechte?<br />
Das PAGE Seminar mit Jan Schwochow lässt<br />
genug Zeit für Fragen und Diskussionen und<br />
den Austausch <strong>der</strong> Teilnehmer untereinan<strong>der</strong>.<br />
PAGE // Ebner Verlag GmbH & Co. KG<br />
E-Mail: info@page-online.de<br />
Telefon: +49 40 85183400<br />
www.page-online.de/seminar<br />
Das Seminar<br />
n <strong>Die</strong> Infografik erlebt einen wahren Boom: in Magazinen und Zeitungen<br />
ebenso wie in Geschäftsberichten und Firmenpräsentationen, in Internet und<br />
TV. Damit entwickelt sich ein überaus vielseitiges, grenzüberschreitendes<br />
Tätigkeitsfeld für Grafik- und Kommunikationsdesigner, für Illustratoren und<br />
Fotografen, für Interaction Designer und Animation Artists. Infografiken<br />
können vielschichtige Inhalte rasch veranschaulichen. Doch je schneller und<br />
komplexer die Kommunikation insgesamt wird, umso achtsamer muss <strong>der</strong><br />
Kreative mit <strong>der</strong> Datenaufbereitung umgehen. Mit einer ästhetisch faszinierenden<br />
Visualisierung ist es nicht getan, es geht um Inhalte, Einsichten und<br />
die Macht des Bildes. Und genau hier liegt denn auch für Jan Schwochow die<br />
eigentliche Herausfor<strong>der</strong>ung. Es wird immer schwieriger, gute und verlässliche<br />
Quellen zu finden, um einen Sachverhalt korrekt und unverfälscht wie<strong>der</strong>zuge -<br />
ben. Der Grafik- und Kommunikationsdesigner ist schon lange nicht mehr nur<br />
reiner Gestalter, er ist zugleich Journalist und visueller Geschichtenerzähler.<br />
Jan Schwochow erläutert im PAGE Seminar anhand konkreter Praxisbeispiele,<br />
wie eine Infografik entsteht – von <strong>der</strong> Recherche über die Skizze bis zur Reinzeichnung<br />
und Animation. Er bietet tiefe Einblicke in die Arbeit eines Infografikers<br />
und beleuchtet das Spannungsfeld zwischen reiner Information und<br />
guter Gestaltung – wertvolles Know-how vom Designprofi für Designprofis!<br />
Das Seminar »Infografik« findet am 16. September 2013 im Hotel 25hours,<br />
Hamburg Bahrenfeld, von 9 bis 17:30 Uhr statt. <strong>Die</strong> Teilnahme kostet 648 Euro<br />
(zzgl. gesetzlicher MwSt.). <strong>Die</strong> Gebühr* umfasst die Tagungskosten,<br />
Lunch und Kaffeepausen. <strong>Die</strong> Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt!<br />
Also schnell anmelden unter www.page-online.de/seminar<br />
Der Referent<br />
n Jan Schwochow (44), Grün<strong>der</strong> und Geschäftsführer <strong>der</strong> Golden Section Graphics<br />
GmbH, gilt als einer <strong>der</strong> renommiertesten Infografiker weltweit und ist als erster<br />
Infografiker Mitglied <strong>der</strong> ADC-Jury. Jan Schwochow und sein Team haben zahlreiche<br />
nationale und internationale Auszeichnungen erhalten, unter an<strong>der</strong>em bei den<br />
Malofiej Awards und den European Design Awards sowie beim ADC. Der Diplom-<br />
Designer blickt auf über 20 Jahre Erfahrung als Infografiker, Designer und Journalist<br />
zurück. So war er unter an<strong>der</strong>em Ressortleiter und Artdirektor <strong>der</strong> Infografik-Abteilung<br />
beim »stern« und als Artdirektor für Infografiken in <strong>der</strong> Entwicklungsgrafik des Verlags<br />
Milchstraße tätig. Zuletzt baute Jan Schwochow bei <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong> KircherBurkhardt in<br />
Berlin eine Infografik-Abteilung auf, bevor er 2007 sein eigenes Unternehmen,<br />
die Golden Section Graphics GmbH mit <strong>der</strong>zeit bis zu 15 Mitarbeitern gründete.<br />
Jan Schwochow ist Herausgeber und Chefredakteur des Magazins »In Graphics«.
066 PAGE 06.13<br />
BILD<br />
Vom Nobelvorort zum<br />
Ghetto – per Wortspielerei.<br />
Dass Oliver<br />
Sperls an Street Art<br />
erinnernde Technik gut<br />
zum Thema »Umgekehrte<br />
Gentrifizierung«<br />
passt, demonstriert<br />
das gute Gespür <strong>der</strong><br />
»taz«-Bildredaktion.<br />
Ebenfalls für die »taz«<br />
entstand <strong>der</strong> Entwurf<br />
mit dem Tagger, <strong>der</strong> sich<br />
ins Gesicht sprüht<br />
(ganz rechts) – ein sehr<br />
plastisches Bild für<br />
die destruktive Kraft<br />
einer Jugendgang
PAGE 06.13 067<br />
Bil<strong>der</strong>denken<br />
So entscheidend er ist – meist läuft <strong>der</strong> konzeptionelle Prozess in <strong>der</strong> Illustration<br />
leise, schnell und unprätentiös ab. Wir fragten Zeichner nach den Strategien, mit denen<br />
sie die Vorstellungen des Kunden in eine Bildidee umsetzen<br />
≥ PAGE Online<br />
Weitere Tipps zu<br />
Konzeption und<br />
Workflow verraten<br />
Illustratoren unter<br />
www.page-online.<br />
de/konzeption_<br />
illustration<br />
n Eine Nacht zwischen Briefing und<br />
Deadline – das ist <strong>der</strong> Idealfall«, sagt<br />
Oliver Sperl, freier Illustrator und Kommunikationsdesigner<br />
aus Berlin. »Ich<br />
brauche das Gefühl, ein Open End für<br />
den Notfall zu haben. So kann ich,<br />
wenn eine Idee nicht so schnell kommt,<br />
auch mal eine Nacht durcharbeiten.«<br />
Als visuelle Denker machen Illustratoren<br />
auch selbst wenig Worte um den<br />
Konzeptionsprozess. Der sieht bei Oliver<br />
Sperl etwa so aus: Seine Auftraggeber,<br />
zum Beispiel die Bildredaktion<br />
<strong>der</strong> »taz«, briefen ihn für seinen rauen,<br />
an Street Art erinnernden Stil – am<br />
besten schon mit einem fertigen Artikel.<br />
Dann verlässt Sperl sein Kreuzberger<br />
Büro, um diesen in <strong>der</strong> entspannten<br />
Atmosphäre eines Cafés zu lesen<br />
und dabei Skizzen an den Rand zu<br />
scribbeln. Gibt es noch keinen Text, erklärt<br />
ihm <strong>der</strong> Redakteur den Inhalt.<br />
Sperl schreibt in Stichworten mit und<br />
lässt bereits am Telefon erste Ideen<br />
sprudeln, überträgt sie anschließend<br />
meist in Vorentwürfe und bespricht<br />
sie mit dem Kunden.<br />
»Viele Einfälle entstehen spontan<br />
aus meinem Wissensfundus heraus«,<br />
sagt <strong>der</strong> Illustrator. Klassische Kreativitätstechniken<br />
nutzt er eher intuitiv,<br />
jongliert mit Wörtern und visuellen Metaphern,<br />
mit Überraschung und Gegensätzen.<br />
Kürzlich illustrierte er für die<br />
»taz« einen Artikel über den früheren<br />
Bonner Nobelstadtteil Bad Godesberg,<br />
<strong>der</strong> sich seit dem Wegzug <strong>der</strong> Regierungsbeamten<br />
in einen Problembezirk<br />
verwandelt. Gekonnt spielte Sperl mit<br />
den Erwartungen des Betrachters, indem<br />
er den gediegen anmutenden<br />
Ortszusatz »Bad« als tattooartigen<br />
Schriftzug auf dem Körper eines Unterschichten-Teenies<br />
platzierte, sodass<br />
man ihn eher als englisches bad liest.<br />
»Zunächst bilde ich mir eine eigene<br />
Meinung, eine Art Kommentar zum<br />
Artikel«, erklärt Oliver Sperl, »wobei<br />
eine gute Illustration immer auch unabhängig<br />
vom Text funktionieren sollte.«<br />
Indem er Bekanntes in ungewohnte<br />
Zusammenhänge setzt, löst er auch<br />
mal physische Irritation aus: Zu einer<br />
Geschichte über eine Jugendgang, die<br />
ihre Umwelt und sich untereinan<strong>der</strong><br />
terrorisiert, zeichnete er einen Sprayer,<br />
<strong>der</strong> statt auf Wände sich selbst ins Gesicht<br />
sprüht. Ist die Idee mit dem
068 PAGE 06.13 BILD Konzeption von Illustrationen<br />
Auftraggeber abgestimmt, setzt er<br />
die Skizzen mit Ölfettkreide um. Anschließend<br />
kratzt er mit dem Teppichmesser<br />
Strukturen hinein und bearbeitet<br />
das Bild bei Bedarf digital. Das<br />
Verhältnis zwischen Konzept, manueller<br />
Umsetzung und digitaler Nachbe arbeitung<br />
schätzt <strong>der</strong> Berliner Illustrator<br />
auf 10 zu 40 zu 50 Prozent.<br />
Hinter <strong>der</strong> Leichtigkeit <strong>der</strong> Illustrationen<br />
von Thomas Fuchs verbirgt sich<br />
ein verdichteter Kreationsprozess, zu<br />
dem auch psychologisches Geschick<br />
gehört. »Ein Briefing gibt vor allem<br />
Auskunft darüber, was ein Kunde<br />
nicht will«, konstatiert <strong>der</strong> Berliner Illustrator.<br />
»Da Auftraggeber oft unfertige<br />
Ideen liefern, muss ich zwischen<br />
den Zeilen lesen können.« Ein Beispiel:<br />
Als Bildmotiv zum Thema Social Trading<br />
schlug ein Redakteur vor, den erfolgreichsten<br />
Tra<strong>der</strong> <strong>der</strong> Online-Community<br />
als großes Männchen mit einem<br />
Sack voll Geld darzustellen, dem<br />
viele kleine Männchen hinterherlaufen.<br />
Der Illustrator begann schon im<br />
Gespräch, die Idee vorsichtig zu modellieren.<br />
Er nahm den Begriff des »Investment-Gurus«<br />
auf, den <strong>der</strong> Redakteur<br />
selbst hatte fallen lassen, hakte<br />
hier ein – und setzte dann schließlich<br />
In einer Bildserie zum Managementthema<br />
»Radikal führen« spielt<br />
Thomas Fuchs das altbekannte<br />
Symbol des Smileys durch und setzt<br />
es in ungewohnte Kontexte,<br />
sodass das Grinsegesicht gar nicht<br />
mehr so positiv wirkt
PAGE 06.13 069<br />
Martin Müller alias Herr Müller testet<br />
Tesa: Das Porträt für DJ Iron Curtis ist<br />
<strong>der</strong> Scan einer Klebeband-Maske, den<br />
<strong>der</strong> Illustrator digital bearbeitet hat.<br />
Das abstrakte und zugleich treffende<br />
Bild bewegt sich zwischen analoger<br />
und digital-technoi<strong>der</strong> Anmutung<br />
einen Guru mit seinen ergebenen Anhängern<br />
in Szene.<br />
»Ich versuche, jedes Thema so zu<br />
verstehen, dass ich es einem Fünfjährigen<br />
erklären kann«, meint Thomas<br />
Fuchs. Dazu bricht er die Thesen eines<br />
Textes auf dessen zwei bis drei essenzielle<br />
herunter. »Und wenn es keine<br />
Headline gibt, schreibe ich mir selber<br />
eine.« Der folgende Transfer von <strong>der</strong><br />
Kernaussage eines Textes zum visuellen<br />
Motiv passiert bei dem erfahrenen<br />
Zeichner fast automatisch. Dabei<br />
gilt es, »ein fieserer Kritiker <strong>der</strong> eigenen<br />
Arbeit zu sein als je<strong>der</strong> Kunde«,<br />
so Fuchs. »Zuerst versuche ich das Offensichtliche<br />
zu denken – um es dann<br />
um ein paar Grad weiterzudrehen.«<br />
Das heißt: eine Idee erst einmal durchdeklinieren,<br />
um dann neue Wendungen<br />
zu finden und diese zuletzt auf<br />
das Wesentliche zu reduzieren.<br />
Oft setzt Fuchs mit Klischees und<br />
bekannten Symbolen an, um sie dann<br />
zu verfremden. Eine Illustrationsserie<br />
in einer Wirtschaftszeitschrift, die einen<br />
Artikel über radikale Führungsmethoden<br />
für zukunftsfähige Unternehmen<br />
bebil<strong>der</strong>n sollte, spielt zum<br />
Beispiel das Smiley durch – als Symbol<br />
für einen freundlichen Führungsstil,<br />
<strong>der</strong> durch Härte ergänzt wird. Mal stellen<br />
die lächelnden Mundwinkel des<br />
stark strapazierten Zeichens zugleich<br />
die Teufelshörnchen des Chefs dar,<br />
mal dient das kreisrunde Gesicht als<br />
Oberfläche einer Trommel, die die<br />
Mitarbeiter einer Galeere antreibt. Im<br />
Durchschnitt nimmt die Ideenfindung<br />
bei Fuchs eine halbe Stunde ein, die<br />
Umsetzung etwa drei Stunden – eine<br />
ähnliche Relation wie bei Oliver Sperl.<br />
Technik ist für den Kreativen, <strong>der</strong> seine<br />
Konzepte als Vektorzeichnung o<strong>der</strong><br />
in Acrylfarbe umsetzt, Teil des Konzepts.<br />
»Acryl wirkt haptischer, wärmer,<br />
charmanter, digitale Illustrationen lassen<br />
sich sehr gut für minimalistische<br />
Zeichen einsetzen«, so Thomas Fuchs.<br />
»Je simpler die Idee, desto einfacher<br />
lässt sie sich darstellen.«<br />
In dem Maße, in dem experimentelle<br />
Illustrationstechniken im Editorial Design<br />
immer mehr Zuspruch finden,<br />
wird das Spiel mit <strong>der</strong> Technik selbst<br />
zum konzeptionellen Element. Der Berliner<br />
Designer und Illustrator Martin<br />
Müller alias Herr Müller ist von den<br />
Möglichkeiten fasziniert, die analoge<br />
Collagen aus Papierfetzen und Klebeband<br />
bieten. In diesem Stil setzt er unterschiedlichste<br />
Aufträge um, etwa eine<br />
Bildstrecke über Arbeiten im Alter<br />
für ein Schweizer Wirtschaftsmagazin.<br />
Darin mischen sich die Anzeichen von<br />
Altwerden und Gebrechlichkeit – dritte<br />
Zähne, Rollator, faltige Hände – mit<br />
den Insignien einer dynamisch-effizienten<br />
Arbeitswelt wie Notebooks und<br />
Smartphones. Darüber hinaus irritiert<br />
die Ästhetik zwischen naiver Kin<strong>der</strong>buchoptik<br />
und rauer Haptik. So viel<br />
Reibung darstellen zu können, sei noch<br />
die Ausnahme in <strong>der</strong> Magazinillustration,<br />
meint <strong>der</strong> Zeichner. Seine Technik<br />
baut er ständig aus. »Iron Curtis<br />
brauchte als DJ ein Porträtbild für Presseanlässe,<br />
aber er wollte kein Foto«,<br />
berichtet Müller. »Er fragte mich nach<br />
etwas Düsterem, aber es sollte auch<br />
keine Fotokopie sein. So kam ich darauf,<br />
sein Gesicht mit Tesafilm abzukleben<br />
und die Maske zu scannen.«<br />
Daraus entstand ein technoi<strong>der</strong> Gitternetz-Look,<br />
<strong>der</strong> bestens zur Musik passt.<br />
»Das Klebebandthema ist für mich<br />
noch nicht ganz ausgeschöpft«, so <strong>der</strong><br />
Illustrator. »Ich halte es für sinnvoll, die<br />
eigenen Obsessionen zu verfolgen. Nur<br />
beim Experimentieren entwickelt man<br />
sich weiter.«<br />
Oft entstehen Müllers Bildmotive<br />
über lose Assoziationsketten. Beim Lesen<br />
bleibt er häufig an einem einzigen<br />
Begriff aus dem Artikel, dem Brie-
070 PAGE 06.13 BILD Konzeption von Illustrationen<br />
Kontraste schafft Herr Müller durch Objekte wie Notebook<br />
und Smartphone versus dritte Zähne und Rollator. <strong>Die</strong><br />
sechs Motive für einen Artikel über Arbeiten im Alter setzte<br />
<strong>der</strong> Berliner Illustrator in etwa einer Woche um – im<br />
kommunikativen Pingpong mit dem Wirtschaftsredakteur<br />
fing o<strong>der</strong> seinen Recherchen hängen,<br />
den er dann zu einer Bildidee<br />
ausarbeitet. Er legt Wert darauf, nicht<br />
didaktisch zu werden: »Zeige nicht das,<br />
was offensichtlich ist, son<strong>der</strong>n das,<br />
was du gleich daneben findest. O<strong>der</strong><br />
das Offensichtliche in einer ungewohnten<br />
Technik.« Als er eine Illustration<br />
für das Printmaterial zum Techno-Album<br />
»Party Catani« anfertigen sollte,<br />
brachte ihm DJ Patric Catani eine Art<br />
»Mad Max«-Verschnitt als Inspiration<br />
mit. Der Illustrator versuchte, die Musik<br />
mit <strong>der</strong> Achtziger-Jahre-Ästhetik<br />
des Films, Science-Fiction und Steinzeit,<br />
zu verbinden. Bei <strong>der</strong> Recherche<br />
stieß er immer wie<strong>der</strong> auf den Begriff<br />
»Steinaxt«. Zu abgedroschen, fand er<br />
und verwandelte das Motiv in einen<br />
schamanistischen Zauberstab, <strong>der</strong> mit<br />
On- und Off-Schalter und herauszuckenden<br />
Blitzen auch ein Instrument<br />
aus <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> sein könnte und von<br />
einer fellbesetzten Schallplatte umkreist<br />
wird. »Den Betrachter zu for<strong>der</strong>n<br />
und verwirren macht die meisten<br />
Illustrationen wesentlich interessanter«,<br />
so Müller.<br />
Als letztes Glied in <strong>der</strong> Kette kreativer<br />
Arbeitsprozesse müssen Illustratoren<br />
schnell und zuverlässig den Spagat<br />
zwischen künstlerischer Interpretation<br />
und pragmatischer <strong>Die</strong>nstleistung<br />
hinbekommen (siehe Interview<br />
rechts). »Manchmal ist es sinnvoll, einen<br />
Job von vornherein abzusagen«,<br />
sagt Martin Müller. Einmal bekam er<br />
von einem Männermagazin einen Text<br />
voller Geschlechterklischees, den er für<br />
einen ersten Artikelentwurf hielt. »Ich<br />
gab mir Mühe, mit meinen Bildkonzepten<br />
dem Herrenwitz-Niveau zu entkommen.<br />
Doch die Redakteurin konnte<br />
damit nichts anfangen – sie verstand<br />
gar nicht, warum ihre Stereotypen auf<br />
mich sexistisch wirkten.« Der Text entpuppte<br />
sich dann als finaler Artikel.<br />
Das Beispiel mag speziell sein, doch es<br />
zeigt: Starke Illustrationskonzepte im<br />
Editorial Design bieten die Möglichkeit,<br />
Standpunkte hervor zuheben. Und<br />
dies verlangt Redaktio nen und Illustratoren<br />
den Mut zu einer eigenen<br />
Haltung ab.<br />
wl
PAGE 06.13 071<br />
»Illustratoren sind <strong>der</strong> kleinste Fisch<br />
in <strong>der</strong> Nahrungskette – dabei gibt es<br />
große kreative Talente«<br />
n Stefan Kiefer, Senior Graphic Designer<br />
beim Spiegel Verlag, arbeitete 15 Jahre als Illustrator<br />
und freier Artdirektor. Seit 1996 ist<br />
er in <strong>der</strong> »Spiegel«-Titelredaktion, von 2000<br />
bis 2013 war er Ressortleiter. Wir sprachen<br />
über die Zusammenarbeit mit Illustratoren.<br />
Beeinflusst Ihre Ausbildung als Illustrator Ihre<br />
Arbeit beim »Spiegel«?<br />
Stefan Kiefer: Absolut. Als Auftraggeber<br />
muss ich optimale Bedingungen für alle Beteiligten<br />
schaffen, und das kann ich beson<strong>der</strong>s<br />
gut, wenn ich beide Seiten des Flusses<br />
kenne. Ich weiß, wie eng Deadlines sein dürfen<br />
und wann die Grenze erreicht ist, ab <strong>der</strong><br />
kreatives Arbeiten schwierig wird. Illustratoren<br />
sind <strong>der</strong> kleinste Fisch in <strong>der</strong> kreativen<br />
Nahrungskette, noch hinter den Grafikern<br />
und Fotografen. Was ungerecht ist, denn es<br />
gibt große Talente unter ihnen. Ganz selbstverständlich<br />
wird vorausgesetzt, dass Illustratoren<br />
über Nacht o<strong>der</strong> am Wochenende<br />
arbeiten. Der »Spiegel«, mit selten mehr als<br />
zwei, drei Tagen Produktionszeit, ist als Auftraggeber<br />
eher berüchtigt – aber die redaktionellen<br />
Abläufe machen das unumgänglich.<br />
Außerdem haben wir immer sehr konkrete<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen, denn die klare Aussage ist<br />
wahnsinnig wichtig für den »Spiegel«-Titel,<br />
weil das Blatt politisch Stellung nimmt.<br />
Wie entsteht ein gutes Bildkonzept?<br />
<strong>Die</strong> besten Coverideen sind oft diejenigen,<br />
die sofort im Raum stehen, wenn wir im Team<br />
anfangen, über ein neues Thema nachzudenken.<br />
Für das Konzept zu den »Bush-Kriegern«<br />
zum Beispiel, einem sehr erfolgreichen<br />
Cover, haben wir in <strong>der</strong> Titelredaktion nur gefühlte<br />
acht Minuten gebraucht. Es stellt George<br />
W. Bush und fünf seiner Gefolgsleute als Hollywood-Superhelden,<br />
Rambo und Co dar. Titelzeile<br />
und -motiv müssen sich ergänzen. Typo<br />
und selbst die Schriftgröße spielen eine<br />
wichtige Rolle. Wenn ein Thema Gehalt und<br />
eine gute These hat, findet man in <strong>der</strong> Regel<br />
auch zügig eine Bildidee.<br />
Bitte nennen Sie ein Beispiel.<br />
Der Titel »Ewige Liebe«, den wir kurz vor<br />
Weih nachten 2011 brachten. Ein küssendes<br />
Paar geht eigentlich gar nicht für den »Spiegel«<br />
als Nachrichtenmagazin mit Gesellschaftsreflexion.<br />
Und an die ewige Liebe glauben<br />
unsere Leser sowieso nicht. <strong>Die</strong> Distan zie rung<br />
sollte also auch optisch deutlich werden. Deshalb<br />
wählten wir einen Comic-Titel im Retro-<br />
Stil, umgesetzt von Comic-Großmeister Lou<br />
Brooks. <strong>Die</strong> ironische Distanz liefern die zum<br />
Anti-Schwur gekreuzten Finger des Mannes<br />
hinter dem Rücken <strong>der</strong> Frau und das Comic-<br />
Pop-up »Endlich erforscht!«.<br />
Kann man den Erfolg eines Covers planen?<br />
Ob ein Titel gut ankommt, vermittelt das<br />
Bauch gefühl, aber ob er sich gut verkauft,<br />
kann niemand vorher wissen – auch kein Chefredakteur.<br />
Sehr erfolgreich, auch in <strong>der</strong> medialen<br />
Wahrnehmung, war zum Beispiel das Titelbild<br />
»<strong>Die</strong> Scheinheiligen«, in <strong>der</strong> es um den<br />
Missbrauchsskandal in <strong>der</strong> Katholischen Kirche<br />
ging. Das Titelmotiv zeigt einen Priester, <strong>der</strong><br />
sich in den Talar fasst – allerdings statt auf<br />
Brusthöhe, wie man es von Napoleon kennt,<br />
in den Schritt. Ein provokantes Blatt mit entsprechenden<br />
Reaktionen – bis hin zu Abo-<br />
Kündigungen. Sein Profil hat <strong>der</strong> »Spiegel«<br />
damit sicher geschärft.<br />
Haben Sie sich schon mal »ver«-konzipiert?<br />
Schwierig war <strong>der</strong> Finanzkrisen-Titel »Geld regiert<br />
die Welt«, <strong>der</strong> die Wall Street als Marionettentheater<br />
darstellt. <strong>Die</strong> Idee überzeugt<br />
mich heute noch, aber <strong>der</strong> Titel hat sich lei<strong>der</strong><br />
nicht so gut verkauft. Zum einen, weil die Verkäufe<br />
zwei Wochen vor Weihnachten fast immer<br />
in den Keller gehen und das Thema vielleicht<br />
nicht <strong>der</strong> Reißer war, zum an<strong>der</strong>en, weil<br />
das Bild zu kleinteilig war – man hätte es plakativer<br />
abbilden, näher rangehen müssen. Dafür<br />
war <strong>der</strong> Aufwand dann doch ziemlich groß.<br />
Nach welchen Kriterien wählen Sie den Illustrator<br />
für ein Cover aus?<br />
Generell wichtig ist für den »Spiegel« ein eher<br />
realistischer Stil. Dann kommt es darauf an –<br />
bei Porträts vor allem –, absolut treffend in<br />
<strong>der</strong> Ähnlichkeit zu sein. Auch Illustratoren wie<br />
Andrea Ventura o<strong>der</strong> Hanoch Piven, die expressionistisch<br />
und reduziert arbeiten, haben das<br />
drauf. Mit vielen guten Illustratoren können<br />
wir aber lei<strong>der</strong> nicht zusammenarbeiten, weil<br />
ihr abstrakter Stil hierzulande eher nicht verstanden<br />
wird. Suche ich neue Illustratoren,<br />
recherchiere ich erst mal ihre Portfolios – und<br />
zwar in die Tiefe, denn nach den ersten drei,<br />
vier Arbeiten auf einer Website kann man noch<br />
nicht beurteilen, ob die Qualität Standard<br />
o<strong>der</strong> ein Zufallstreffer ist. Ob eine Zeichnung<br />
dann gut wird o<strong>der</strong> nicht, erkenne ich inzwischen<br />
am ersten Scribble.<br />
Wie kann ein Illustrator bei <strong>der</strong> Kooperation<br />
mit dem »Spiegel« punkten?<br />
Mit handwerklichem Können, Tempo und Professionalität.<br />
Das heißt: hohes handwerkliches<br />
Niveau, absolute Zuverlässigkeit und Pragmatismus<br />
– erst lange über einen Auftrag diskutieren<br />
zu müssen, ist bei unserem Zeitdruck<br />
nicht gerade hilfreich. Stimmt das alles, sind<br />
wir extrem treue Auftraggeber.<br />
Mal ehrlich: Arbeiten Sie lieber mit Illustratoren,<br />
die Ihre Vorgaben einfach ausführen,<br />
o<strong>der</strong> mit Künstlern, die Ideen einbringen?<br />
Ich brauche beides – das eine als Pflicht, das<br />
an<strong>der</strong>e als Kür. Aber konzeptionsstarke und<br />
zugleich schnelle Illustratoren wie Christoph<br />
Niemann, Rafal Olbinski, Michael Pleesz o<strong>der</strong><br />
Edel Rodriguez sind eher die Ausnahme.<br />
Was sollten Illustratoren bei <strong>der</strong> Kommunikation<br />
mit Kunden beachten?<br />
Fühlst du dich zeitlich o<strong>der</strong> handwerklich<br />
überfor<strong>der</strong>t: Hab den Mut, abzusagen! Mach<br />
dich lieber rar, als mittelmäßige Ergebnisse<br />
abzuliefern. Das merkt sich je<strong>der</strong> Artdirektor.<br />
Wie hat sich <strong>der</strong> Umgang mit Illustration im<br />
Editorial Design geän<strong>der</strong>t, seit Sie selbst als<br />
Zeichner tätig waren?<br />
Man sieht heute viel seltener großflächig illustrierte<br />
Werbeplakate o<strong>der</strong> Magazindoppelseiten.<br />
Lei<strong>der</strong> ist man auch beim »Spiegel« zaghafter<br />
geworden: Als einziges deutsches Nachrichtenmagazin,<br />
das in <strong>der</strong> Titelbildgestaltung<br />
traditionell auf Illustration setzte, verlegt man<br />
sich jetzt auch mehr auf Fotografie. Aber insgesamt<br />
wächst das Bewusstsein für das Potenzial<br />
von Illustration wie<strong>der</strong>.<br />
Wo liegen die Grenzen vom Illustration im<br />
Editorial Design?<br />
Natürlich gibt es Themen, da verbietet sich Illustration,<br />
etwa bei Naturkatastrophen o<strong>der</strong><br />
dem medialen Jahrhun<strong>der</strong>tereignis 9/11. Zu<br />
Letzterem gab es mit 1,4 Millionen Exempla ren<br />
den meistverkauften »Spiegel«-Titel aller Zeiten,<br />
obwohl wir, an<strong>der</strong>s als die meisten Magazine,<br />
kein Foto <strong>der</strong> gigantischen Explosion benutzt<br />
haben. Wir hielten uns mit einem qualitativ<br />
schlechten Amateurbild bewusst zurück,<br />
aber an Dramatik war unser Motiv nicht zu<br />
überbieten: Es zeigte den Moment vor dem<br />
Einschlag des zweiten Flugzeugs. Der Rest lief<br />
im Kopfkino des Betrachters weiter. Generell<br />
sollte man aktuelle Geschehnisse fotografisch<br />
abbilden – erst aus <strong>der</strong> Distanz, ausgeruht<br />
und reflektiert lassen sie sich als gesellschaftliche<br />
Themen zeichnerisch interpretieren.
072 page 06.13 BILD <strong>Low</strong>-polygon-Ästhetik<br />
Für seinen interaktiven<br />
Film »The<br />
Carp and the Seagull«<br />
nutzte Evan<br />
Boehm WebGL und<br />
three.js ( http://<br />
thecarpandthe<br />
seagull.thecreators<br />
project.com )<br />
Seine minimalistischen<br />
<strong>Polygon</strong>welten<br />
baut Tim Reynolds<br />
in Cinema 4D<br />
und verfeinert sie<br />
dann mit Photoshop<br />
(ganz rechts)<br />
Als Promotion für<br />
das »The Carp and the<br />
Seagull«-Projekt<br />
im »VICE«-Magazin<br />
entstand eine Anzeige.<br />
Dafür erzeugte Evan<br />
Boehm aus Cinema-4D-<br />
Daten dieses Motiv
PAGE 06.13 073<br />
Reiz des Eckigen<br />
Mit wenigen <strong>Polygon</strong>en erbaute Bildwelten faszinieren durch ihre eigenwillige Ästhetik. PAGE zeigt,<br />
wie sich diese illustrativ, mit 3-D-Software o<strong>der</strong> gecodet mit WebGL und three.js umsetzen lässt
074 PAGE 06.13 BILD <strong>Low</strong>-<strong>Polygon</strong>-Ästhetik<br />
Step by Step: Kevin Harald Campean über die Umsetzung seiner <strong>Low</strong>-Poly-Illu in<br />
n Hartnäckig hält sich <strong>der</strong> im letzten<br />
Jahr aufgekommene <strong>Low</strong>-Poly-<strong>Trend</strong> –<br />
als Gegenbewegung zu einer etablierten<br />
3-D-Äs the tik, die mit glatten Oberflächen<br />
und schön geformten Details<br />
möglichst per fekt wirken will. Bei <strong>Low</strong>-<br />
Poly-Illustrationen wird Dreidimensionalität<br />
mit we nigen <strong>Polygon</strong>en angedeutet.<br />
Das ist vergleichbar mit einem<br />
3-D-Modell, das nicht geren<strong>der</strong>t und<br />
entsprechend nicht geglättet wurde.<br />
<strong>Die</strong> reduzierten Formen haben eine<br />
eckige, ro he Anmutung – sind aber in<br />
langer Detailarbeit entstanden. Prominenter<br />
Ver treter die ses visuellen Stils<br />
ist <strong>der</strong> in Amsterdam lebende briti sche<br />
Grafikdesigner Jona than Puckey. Mit<br />
Jürg Lehni entwickelte er bereits 2008<br />
das Illustrator-Plug-in Scripto grapher,<br />
das Bil<strong>der</strong> automatisch in grobe <strong>Polygon</strong><br />
raster umwandelt.<br />
Für <strong>Low</strong>-Poly-Bildwelten braucht es<br />
nicht zwangsläufig eine 3-D-Software –<br />
ähnliche Effekte lassen sich auch mit<br />
Illustrator und Photoshop hervorbringen,<br />
wie Kevin Harald Campean, Designstudent<br />
aus Budapest, am Beispiel<br />
seines Plakats »Wolf in sheep skin« zeigt<br />
(siehe rechts). Digital Artist Tim Reynolds<br />
kreiert seine atmosphäri schen<br />
<strong>Low</strong>-Poly-Bil<strong>der</strong> hingegen haupt sächlich<br />
mit Cinema 4D. Der frühere Ausstellungsdesigner<br />
entwickelte vor etwa<br />
an<strong>der</strong>thalb Jahren seinen Stil und<br />
erschafft seither geheimnisvolle Landschaften<br />
o<strong>der</strong> minimalistische Tierporträts<br />
als kleine <strong>Polygon</strong>szenen: »Meine<br />
Inspiration ist die Natur, die ich eckig<br />
neuinterpretiere«, erklärt Tim Reynolds<br />
( www.turnislefthome.com ).<br />
Für ein freies Werk benötigt Reynolds<br />
heute etwa zwei Stunden, an einer<br />
kommerziellen Arbeit wie »Roadways<br />
Night« (siehe Seite 73) sitzt er um<br />
die sieben, acht Stunden. Ausgangspunkt<br />
ist meist ein einfaches geometrisches<br />
Objekt, etwa eine Kugel. Er beginnt<br />
damit, in Cinema 4D Knotenpunkte<br />
zu generieren und sie spielerisch zu<br />
verschieben. Den Vorgang des Hinzufügens,<br />
Kopierens und Verfremdens wie<strong>der</strong>holt<br />
er immer wie<strong>der</strong> – mit offenem<br />
Ausgang. Entscheidend ist für ihn <strong>der</strong><br />
freie, experimentelle Prozess. Dabei gilt<br />
es immer wie<strong>der</strong>, Wege zu finden, wie<br />
sich bestimmte Bildele men te technisch<br />
umsetzen lassen. »Bei ›Road ways Night‹<br />
etwa ging es darum, die organisch geschwungenen<br />
Straßen durch die Gebirgskette<br />
zu ziehen. Dafür suchte ich<br />
nach einer Lösung im Web. Schließlich<br />
kam ich auf eine Möglichkeit, nämlich<br />
die Straßen in 3-D zu bauen, sie über die<br />
Landschaft zu legen und dann entlang<br />
<strong>der</strong> Bergumrisslinien auszuschnei-<br />
Kevin Harald Campean ( www.<br />
behance.net/HaraldKevin )<br />
macht gerade seine Designabschluss<br />
in Budapest. Sein Plakat<br />
»Wolf in sheep skin« visualisiert<br />
das Thema Cyberbullying<br />
Konturen definieren<br />
1<br />
Als Erstes zeichnete ich mit dem Stift-Werkzeug in Illustrator die Umrisslinien für die halben<br />
Tierköpfe. Auf diese Weise lassen sich später durch Spiegelung perfekt symmetrische<br />
Gesichter erzeugen. Beim Zeichnen dienten mir Fotos als Vorlage. Ich verglich mehrere Bil<strong>der</strong><br />
von Wölfen und Schafen und näherte mich so den Kurven für meine beiden Köpfe an. Zunächst<br />
nutzte ich nur zwei Farben, um die Umrisse von Wolf und Schaf gut unterscheiden zu können.<br />
Gesichter ausarbeiten<br />
und spiegeln<br />
2<br />
Nun machte ich mich daran, die<br />
Gesichter <strong>der</strong> Tiere zu ergänzen.<br />
Dabei begann ich mit den Linien<br />
von den Ankerpunkten im Zentrum<br />
des Gesichts aus. So nahmen die Augen<br />
und Schnauzen langsam Kontur an.<br />
Wichtig ist, dass alle geometrischen Formen<br />
für sich stehen, die Linien aber<br />
miteinan<strong>der</strong> verbunden sind. Anschließend<br />
spiegelte ich die Kopfhälften<br />
und erhielt so jeweils ein ganzes Gesicht.
PAGE 06.13<br />
075<br />
Illustrator und Photoshop<br />
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TESTEN<br />
Farben und Körperumriss definieren<br />
3<br />
Mit dem Eyedropper-Werkzeug entnahm ich Farbproben<br />
aus Tierfotos und kolorierte damit die<br />
Formen – jede separat. Dann zeichnete ich, wie<strong>der</strong> mit<br />
den Stift-Werkzeug in Illustrator, den Umriss des Wolfschafs,<br />
ebenfalls beginnend bei den Ankerpunkten <strong>der</strong><br />
Kontur. Um die düstere Atmosphäre zu erzeugen, legte ich<br />
eine neue Ebene an und darauf einen dunklen Hintergrund.<br />
Sättigung vornehmen und<br />
Texturen anlegen<br />
4<br />
Zuletzt lud ich die Vektorgrafiken in Photoshop und optimierte<br />
die Farben per Sättigungs- und Gradationskurven-<br />
Tool. Ich legte eine »schmutzige« Textur mit <strong>der</strong> Füllmethode<br />
»Überlagern« über das Bild. Damit maskierte ich die Bereiche,<br />
die ich farblich verbessern wollte. Ich erzeugte drei Ebenen<br />
mit unterschiedlichen Farben und fügte ihnen eine Maske<br />
hinzu. Mit dem Pinsel-Werkzeug vermischte ich die Farben<br />
aus den drei Ebenen und erhielt so die für den Hintergrund.
076 PAGE 06.13 BILD <strong>Low</strong>-<strong>Polygon</strong>-Ästhetik<br />
den. Das ähnelt sehr dem Pathfin<strong>der</strong>-<br />
Werkzeug in Illustrator. In 3-D-Programmen<br />
heißt dies ›Boolean Operation‹.«<br />
Making-of: Evan Boehm über die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Polygon</strong>ästhetik von »The Carp<br />
Neben grafischen Lösungen und 3-D-<br />
Modelling gibt es das programmiertechnische<br />
Vorgehen mit WebGL, bei<br />
dem die <strong>Polygon</strong>e allesamt gecodet<br />
werden. Ein Beispiel hierfür ist <strong>der</strong> interaktive<br />
Film »The Carp and the Seagull«,<br />
bei dem die <strong>Low</strong>-Poly-Ästhetik<br />
komplett mithilfe des JavaScript-API<br />
und <strong>der</strong> JavaScript-3-D-Library three.js<br />
entstand (siehe rechts). Das Synthi-<br />
Sounddesign gibt <strong>der</strong> digitalen Adaption<br />
<strong>der</strong> alten japanischen Fabel einen<br />
übersinnlichen Touch. Konzept und<br />
Um setzung stammen von Evan Boehm,<br />
Technology Art Director bei Nexus Interactive<br />
Arts in London.<br />
Ursprünglich wollte Evan Boehm<br />
»The Carp and the Seagull« komplett als<br />
Film mit 3-D-Modellen als Handlungsträgern<br />
erstellen – die Animation sollte<br />
rein über die Kamera und die Verzerrung<br />
<strong>der</strong> Oberflächen erfolgen. »Das<br />
Wichtigste war für mich die <strong>Polygon</strong>ästhetik.<br />
Auch als ich statt <strong>der</strong> traditionellen<br />
Filmstruktur eine interaktive Webseite<br />
entwickelte, waren sie das konzeptuelle<br />
Element, das ich tiefer auslo ten<br />
wollte«, erklärt Evan Boehm. Von Anfang<br />
an waren für ihn die Ästhetik und<br />
die Art <strong>der</strong> Umsetzung ein zentra ler<br />
Bestandteil – auch <strong>der</strong> Geschichte. »Es<br />
geht mir nicht nur um die visuelle Struktur<br />
einer Story, son<strong>der</strong>n auch darum,<br />
was die Werkzeuge, mit denen wir die<br />
Figuren erschaffen, über diese aus sagen.<br />
Was sagt die Wahl <strong>der</strong> Ren<strong>der</strong>tools<br />
über eine Figur aus? Was bedeutet die<br />
Anzahl <strong>der</strong> <strong>Polygon</strong>e und ihre Anordnung<br />
für einen Charakter?«<br />
Von <strong>der</strong> Umsetzung mit WebGL und<br />
three.js berichtet Evan Boehm: »Web-<br />
GL ist <strong>der</strong>zeit die einzig realistische Lö -<br />
sung, um 3-D fürs Web zu ren<strong>der</strong>n, und<br />
three.js ein großartiges Framework.«<br />
Als WebGL herauskam, beschäftigte er<br />
sich erst einmal zwei Monate damit.<br />
Da er wenig Programmiererfahrung<br />
hatte, war er heilfroh über die gute<br />
Do kumentation und die Online-Community,<br />
die ihm bei Fragen immer sehr<br />
schnell half. Bevor es an die schwierigeren<br />
Stellen ging, gelang es ihm aber,<br />
finanzielle Unterstützung aufzutreiben,<br />
da Intel und »VICE« den Film für ihre<br />
Plattform The Creators Project gewinnen<br />
wollten. Somit konnte er auf zwei<br />
Programmierer zurückgreifen, die das<br />
Projekt technisch finalisierten. Soeben<br />
wurde es – wenig überraschend – bei<br />
den 17. Webby Awards in <strong>der</strong> Kategorie<br />
»Online Film & Video« nominiert. vd<br />
Evan Boehm,<br />
Technology Art<br />
Director bei<br />
Nexus Interactive<br />
Arts in London<br />
Erste Version mit C++ erstellen<br />
1<br />
Eine erste Version von »The Carp and the Seagull« entwickelte ich in <strong>der</strong><br />
Programmiersprache C++ während eines Hackathons im New Yorker Eyebeam<br />
Art + Technology Center. Bei den schwierigeren Modulen, etwa dem Meer,<br />
bekam ich Unterstützung von den Entwicklern dort. Zurück in London, wollte<br />
ich meine Idee weitertreiben, die <strong>Polygon</strong>ästhetik als erzählerisches Mittel auszuloten.<br />
Mein Plan war, die Fabel als 7 bis 8 Minuten langen 3-D-Film umzusetzen.<br />
Statische 3-D-Szenen in Cinema 4D entwickeln<br />
2<br />
Für die Animation verwendete ich Cinema 4D, allerdings nicht auf herkömmliche<br />
Weise. Stattdessen hatte ich vor, etwa vierzig individuelle<br />
Szenen statisch anzulegen. <strong>Die</strong> Bewegung sollte dann zum einen durch den<br />
Lauf und das Umkreisen <strong>der</strong> Kamera entstehen, zum an<strong>der</strong>en durch Verzerrung.<br />
Der Sprung zwischen einer 3-D-Szene und ihrer verzerrten Darstellung<br />
erweckt die Illusion einer Bewegung. So erzeugte ich zwei 3-D-Ansichten<br />
des Fischers: eines, wie er sich nach vorne lehnt, um etwas aus dem Wasser zu<br />
holen, ein zweites, in dem er sich nach hinten lehnt, um es herauszuziehen.
PAGE 06.13 077<br />
and the Seagull« ( http://is.gd/carp_seagull ) mit Cinema 4D, WebGL und three.js<br />
Verzerrungen generieren<br />
3<br />
Um mit den Positionen <strong>der</strong> Figur im Raum zu experimentieren,<br />
generierte ich zunächst in Cinema 4D mehrere<br />
Ansichten des Fischers in unterschiedlichen Körperhaltungen,<br />
die ich zu einem einzigen 3-D-Modell zusammensetzte. Über<br />
die Kamerafahrten schaffte ich dann wie vorgesehen eine<br />
Anmutung von Bewegung. Wichtig war dabei, dass die <strong>Polygon</strong>e<br />
immer sichtbar waren. Geren<strong>der</strong>t und eingefärbt wären<br />
sie unsichtbar gewesen und somit kein Stilmerkmal mehr. In<br />
je<strong>der</strong> Szene verän<strong>der</strong>te ich die Anzahl <strong>der</strong> <strong>Polygon</strong>e <strong>der</strong> Figur,<br />
um mit ihnen auch etwas über den Charakter auszusagen.<br />
Storyboard für WebGL-Umsetzung zeichnen<br />
4<br />
Nachdem ich bereits ein Jahr nebenher an dem Projekt<br />
gearbeitet hatte, war ich immer noch erst bei 25 Prozent<br />
<strong>der</strong> Animation. Ich begann WebGL zu lernen, weil mir klar<br />
geworden war, dass sich damit meine Ideen viel besser umsetzen<br />
ließen: Der User kann die Kamera kontrollieren und ich verschiedene<br />
Perspektiven auf die Charaktere hinzufügen. Ich generierte<br />
in WebGL zunächst nur eine Szene von dem Mann im<br />
Boot. Dazu entwickelte ich interaktive Erzählelemente, für die ich<br />
aber Zeichnungen und ein Storyboard benötigte. Beides fertigte<br />
Storyboard-Artist Gabriel Loques für mich an – und zwar für jedes<br />
Kapitel <strong>der</strong> Geschichte. Auch die beiden Programmierer benötigten<br />
Visualisierungen, um zu wissen, was sie tun sollten: welche<br />
Aktionen und welche Charaktere in die Szenen gehörten.<br />
Zusammen mit dem Storyboard erstellten wir zudem Diagramme<br />
für jedes Element des interaktiven Films: eines für den Mann<br />
im Boot und seine Handlungen abhängig von <strong>der</strong> Interaktion des<br />
Users. Genauso fertigten wir Diagramme für das Meer, die<br />
Geistererscheinung, für jeden Fisch im Wasser et cetera an.<br />
3-D-Animatics<br />
generieren<br />
5<br />
Als Nächstes galt es<br />
die Größen <strong>der</strong><br />
Modelle im Raum festzulegen.<br />
Daher generierte<br />
ich einige Beispielszenen<br />
sehr grob in Cinema 4D,<br />
um die Dimensionen in 3-D<br />
ausloten zu können.
078 PAGE 06.13 BILD <strong>Low</strong>-<strong>Polygon</strong>-Ästhetik<br />
> Making-of: Evan Boehm über die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Polygon</strong>ästhetik in Cinema 4D, WebGL und three.js<br />
Charaktere modellieren<br />
6<br />
Nun machte ich mich zusammen mit den<br />
3-D-Artists Michele Svaeren und Wayne<br />
Kresil an das 3-D-Modelling <strong>der</strong> Figuren in<br />
3ds Max. Das war ein zentraler Schritt, da die<br />
<strong>Polygon</strong>ästhetik als experimentelles erzählerisches<br />
Mittel diente. So beginnt <strong>der</strong> Film<br />
mit nur sehr wenigen <strong>Polygon</strong>en, und je weiter<br />
die Story fortschreitet, desto mehr kommen<br />
dazu. Ebenso wichtig ist <strong>der</strong> Einsatz des<br />
narrativen Raums: Je nachdem, wie <strong>der</strong><br />
User die Welt hin und her dreht und die 3-D-<br />
Objekte aus verschiedenen Perspektiven<br />
betrachtet, erschließen sich ihm unterschiedliche<br />
Aspekte <strong>der</strong> Geschichte. <strong>Die</strong> Animation<br />
<strong>der</strong> 3-D-Modelle übernahm Antoine Bourruel.<br />
Programmierung in<br />
WebGL und three.js<br />
7<br />
WebGL ermöglicht ein grafisches<br />
Interface für JavaScript. Das bedeutet,<br />
wir codeten erst jede Funktion von<br />
Hand. <strong>Die</strong> Programmoberfläche zeigte die<br />
Funktion dann als Sli<strong>der</strong> an, mit dem<br />
ich einzelne Elemente bequem verän<strong>der</strong>n<br />
konnte. So kreierten wir mit WebGL und<br />
<strong>der</strong> JavaScript-3-D-Library three.js eine Testszene<br />
mit allen Funktionen, um etwa das<br />
Wasser zu verzerren, das Gewand des Geists<br />
zu bewegen, die Position des Mannes im<br />
Boot zu verän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> die Stärke einzustellen,<br />
mit <strong>der</strong> das Boot im Wasser schaukelt. <strong>Die</strong>se<br />
Elemente konnten wir sowohl per Code als<br />
auch über WebGL realisieren – aber nicht die<br />
Figuren. Für diese konvertierten wir die zuvor<br />
gebauten 3-D-Modelle in Textdateien, bei<br />
denen je<strong>der</strong> Knotenpunkt ausgegeben wird.<br />
Dadurch konnte JavaScript die Textdatei<br />
auslesen und in WebGL konvertieren und so<br />
die Punkte und <strong>Polygon</strong>e darstellen. Bei<br />
vielen Aktionen im Film haben wir mit Java-<br />
Script experimentiert, wie es am besten aussieht.<br />
Dabei mussten wir darauf achten, dass<br />
im Browser alles noch schnell genug läuft.<br />
Figuren im Animation<br />
Viewer ausrichten<br />
8<br />
Anstatt alle Charaktere und Elemente<br />
auf die Hauptbühne zu bringen, hatten<br />
wir einen separaten Animation Viewer<br />
gebaut. <strong>Die</strong>ser erlaubte es uns, die Animationen<br />
<strong>der</strong> Modelle einzeln zu betrachten.<br />
Alles in allem – von den Storyboards über<br />
die Umsetzung in 3-D und das Programmie -<br />
ren in WebGL – brauchten wir acht Wochen,<br />
bis »The Carp and the Seagull« ( http://<br />
is.gd/carp_seagull ) online gehen konnte.
ADC<br />
AWARDS SHOW<br />
+<br />
AFTER SHOW<br />
PARTY<br />
16. MAI<br />
MIT BLITZKIDS MVT.<br />
DAS ADC FESTIVAL MIT KONGRESS UND AUSSTELLUNG VOM 16. BIS 18. MAI ADC.DE
080 PAGE 06.13 BILD<br />
BILDWELT<br />
1<br />
1 Illustrative verschoben<br />
2 Beste Digitalkünstler<br />
Danae Diaz ist<br />
beim Young<br />
Illustrators Award<br />
nominiert – hier<br />
eine Arbeit für das<br />
Platten label The<br />
Gym. Artdirektion:<br />
Daniel Brandt<br />
n Weil die Räume <strong>der</strong> Alten Münze<br />
Berlin nun doch nicht zur Verfügung<br />
stehen, wird das Illustratoren-Festival<br />
nicht wie geplant im Juni, son<strong>der</strong>n von<br />
13. bis 15. September stattfinden. <strong>Die</strong><br />
Arbeiten von 190 Artists aus 21 Län<strong>der</strong>n<br />
sind dann im Direktorenhaus – dem<br />
Hauptquartier <strong>der</strong> Illustrative – und in<br />
<strong>der</strong> Villa Elisabeth zu sehen, darunter<br />
die dreißig Nominierungen zum Young<br />
Illustrators Award. Zu diesem erlesenen,<br />
altersmäßig aber unbegrenzten<br />
Kreis gehören aus Deut schland David<br />
von Bassewitz, Anne Mair und Oskar<br />
Rink, die unter Pseudo nym arbeitende<br />
Tochter des Ma lers Arno Rink, die<br />
durch filigrane Papier skulpturen bekannt<br />
wur de. Eben falls dabei: <strong>Die</strong> seit<br />
2008 in Berlin lebende Spanierin Danae<br />
Diaz. Wir zeigen hier eine Arbeit,<br />
die mit Daniel Brandt vom Berliner Plattenlabel<br />
The Gym entstand. Der Körper<br />
stammt von einem Plakat, das Brandt<br />
auf dem Floh markt fand, Diaz malt dazu<br />
immer wie <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Köpfe.<br />
Mit einer eigenen Ausstellung ist Polen<br />
diesmal Gastland, das herausragende<br />
Artists wie Lis Kula, Ola Niepsuj o<strong>der</strong><br />
Daniel Horowitz aufzuweisen hat. Einige<br />
stellen wir in einem größeren Artikel<br />
in <strong>der</strong> nächsten PAGE vor.<br />
≥ www.illustrative.de<br />
n <strong>Die</strong> Idee, erstmals ein Jahrbuch über<br />
CGI-Artists mit dem Schwerpunkt Printwerbung<br />
herauszubringen, entstand<br />
noch zu Lebzeiten von Walter Lürzer.<br />
Jetzt präsentiert Lürzer’s Archive den<br />
416 Seiten starken Wälzer »200 Best Digital<br />
Artists Worldwide 2013/2014«, <strong>der</strong><br />
aus mehr als 1200 Einsendungen zu<br />
dem The ma hervorging (34,50 Euro,<br />
isbn 978-3-902393-18-0).<br />
Deutschland ist – gefolgt von USA<br />
und Großbritannien – mit 35 Digital Artists<br />
am stärksten vertreten. Neben bekannten<br />
Namen wie Günther Philipp,<br />
Au tospezialist Steffen Schrägle, Ima gerefinery,<br />
Mierswa-Kluska, elektroni sche<br />
Aus Asien kommen<br />
beson<strong>der</strong>s<br />
opulente digitale<br />
Kreationen wie<br />
hier von Simon<br />
Ong und David Lok<br />
aus Malaysia für<br />
Ogilvy & Mather<br />
2
PAGE 06.13 081<br />
≥ Mehr zum Thema Fotografie und Illustration unter<br />
www.page-online.de/emag/bild<br />
4<br />
schönheit o<strong>der</strong> recom gibt es auch<br />
Neu es zu entdecken. So ist Benjamin<br />
Wiesse aus Nürnberg dabei, <strong>der</strong> letz tes<br />
Jahr den erstmals vergebenen pho tokina<br />
Best of CGI Award gewann. Hamburg<br />
bleibt CGI-Hochburg, mit tol len<br />
Studios wie sevengreen und POP. Postproduction.<br />
<strong>Die</strong> opulentesten, fan tastischsten<br />
Motive kommen allerdings<br />
nicht aus Deutschland, so beispielswei<br />
se die Arbeiten von Salamagica<br />
aus Chile, Waldemar França aus Brasilien<br />
o<strong>der</strong> dem unglaublichen Surachai<br />
Put hi kulangkura aus Thailand.<br />
≥ www.luerzersarchive.com<br />
3 BFF-Magazin statt<br />
Jahrbuch<br />
n Genau 45 Jahre lang war das BFF-<br />
Jahrbuch eine Instanz in Deutschland.<br />
Bekanntlich präsentiert es nicht nur<br />
die besten Bil<strong>der</strong> von Mitglie<strong>der</strong>n des<br />
Bunds Freischaffen<strong>der</strong> Foto-Designer<br />
e. V., son<strong>der</strong>n auch die Gewinner des<br />
BFF-För<strong>der</strong>preises für Nachwuchstalente.<br />
<strong>Die</strong> letzten vier Jahre gestaltete<br />
Strichpunkt die Jahrbücher – 2012 etwa<br />
in drei Varianten im Look von Fotoschachteln<br />
<strong>der</strong> klassischen Analogmarken<br />
Kodak, Agfa und Ilford, was wie<strong>der</strong><br />
einmal <strong>der</strong> <strong>Agentur</strong> eine Auszeichnung<br />
beim red dot award: communication<br />
design brachte.<br />
Kein Grund, um nicht fortan alles<br />
an<strong>der</strong>s zu machen: Ab sofort erscheint<br />
das Jahrbuch zweimal jährlich in Gestalt<br />
eines Magazins. <strong>Die</strong> erste Nummer<br />
kommt im XXL-Format von 31 mal<br />
47 Zentimetern daher, wobei die Riesendoppelseiten<br />
praktischerweise nur<br />
durch ein Gummi zusammengehalten<br />
werden und sich je<strong>der</strong>zeit herausnehmen<br />
lassen (29 Euro, isbn 978-3-933989-<br />
48-2). <strong>Die</strong>se und die nächste Ausgabe<br />
kommen weiterhin noch aus dem Hause<br />
Strichpunkt, danach sollen dann<br />
wech seln de Gestalter und Gestaltungen<br />
zum Einsatz kommen. Beim extragroßen<br />
For mat soll es aber bleiben –<br />
sicher zur Freude <strong>der</strong> Fotografen. cg<br />
≥ www.bff.de<br />
3<br />
Das Titelfoto<br />
des neuen<br />
BFF-Magazins<br />
schoß Jacques<br />
Schumacher,<br />
darunter Portfolioseite<br />
von<br />
Bernd Opitz<br />
Neues in Kürze<br />
Relaunch bei Strandperle<br />
<strong>Die</strong> Hamburger Firma Strandperle, die sich nicht bloß<br />
als Archiv, son<strong>der</strong>n auch als <strong>Die</strong>nstleister rund um<br />
Bildrecherche, Kalkulation, Lizenzierung o<strong>der</strong> Rechteklärung<br />
versteht, feierte jüngst mit einer großen<br />
Party ihren zehnten Geburtstag – und präsentierte<br />
nicht nur neue Räume im Kontorhausviertel, son<strong>der</strong>n<br />
auch eine neue Website. <strong>Die</strong>se führt den Kunden<br />
schnel ler zum gesuchten Bild, erklärt aber auch die<br />
vielen Serviceleistungen rund um die Stockfotografie.<br />
Auch die Verwaltung <strong>der</strong> gekauften Motive ist einfacher<br />
und übersichtlicher geworden.<br />
≥ www.strandperle.biz<br />
4 Social-Media-Lizenz<br />
Facebook und Co werden immer öfter auch kommerziell<br />
genutzt. Um da in Sachen Bildrechte klare Verhältnisse<br />
zu schaffen, führt die <strong>Agentur</strong> ClipDealer eigens<br />
eine Social-Media-Lizenz ein. Fotos und Vektorgrafiken<br />
kosten etwa 1,50 Euro, Videos 3 Euro.<br />
≥ www.clipdealer.com<br />
Wie<strong>der</strong> gewachsen<br />
Pond5 setzt ihren Expansionskurs fort und übernimmt<br />
die Prager Stockbildagentur Pixmac mit Websites<br />
in siebzehn Sprachen. <strong>Die</strong>se eröffnen einerseits<br />
neue Vertriebswege für das Pond5-Material, das neben<br />
mehreren Millionen Stockvideoclips, Musiktracks,<br />
Soundeffekten, After-Effects-Vorlagen, 3-D-Modellen<br />
auch Fotos und Illustrationen umfasst. <strong>Die</strong> Bil<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> 6000 pixmac-Kontributoren bereichern wie<strong>der</strong>um<br />
das Angebot von Pond5.<br />
≥ www.pond5.com; www.pixmac.de<br />
Schutzrecht auch für Bil<strong>der</strong><br />
Der BVPA kritisiert massiv das jüngst verabschiedete<br />
Gesetz zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger,<br />
weil es »die visuellen Teile« von Presseartikeln nicht<br />
»angemessen berücksichtigt«. Zu den Textschnipseln<br />
bekämen Suchmaschinen und News-Aggregatoren<br />
quasi frei Haus ganze Bil<strong>der</strong> geliefert, ohne dass die<br />
Verlage eine Lizenz für das Weiterreichen besäßen.<br />
Mit den Urheberrechten <strong>der</strong> Bildanbieter lasse sich<br />
dies nicht vereinbaren.<br />
≥ www.bvpa.org<br />
Kugelpanoramen bei laif<br />
Von Schloss Sanssouci über die Amazon-Hallen bis<br />
zum Times Square: <strong>Die</strong> Kölner <strong>Agentur</strong> laif will ihr Angebot<br />
an interaktiven Bil<strong>der</strong>n ausbauen und beginnt<br />
mit 360-Grad-Panoramen von Jürgen Schra<strong>der</strong>. Mehr<br />
über dessen Arbeit ist unter www.360cities.net zu erfahren,<br />
bei laif finden sich seine Bil<strong>der</strong> mit den Suchworten<br />
»360« und »Schra<strong>der</strong>«.<br />
≥ www.laif.de
1<br />
Das Erfolgsseminar<br />
»Leitmedium Design« reloaded<br />
Mit neuen Fallbeispielen – als Eintageso<strong>der</strong><br />
Zweitagesseminar buchbar!<br />
GUTES DESIGN<br />
ENTWICKELN<br />
Fallbeispiele & Strategien<br />
PRAXIS<br />
Das Seminar 1 Der Referent Das Seminar 1<br />
n Dass Design ein bedeuten<strong>der</strong> Wirtschaftsfaktor ist, steht außer Frage:<br />
CD/CI-<strong>Agentur</strong>en verzeichnen eine Auftragslage wie schon lange nicht<br />
mehr; klassische Werbeagenturen bauen ihre Design-Units aus; auch kleine<br />
und mittlere Unternehmen entdecken die Notwendigkeit, sich durch einen<br />
professionell gestalteten, ganzheitlichen Auftritt – über alle Medien hinweg –<br />
den nachhaltigen Erfolg im internationalen Wettbewerb zu sichern. Auf<br />
Designer kommen dabei neue Herausfor<strong>der</strong>ungen zu: Immer mehr werden<br />
sie auch zu Beratern für strategische Unternehmenskommunikation. <strong>Die</strong><br />
Entwicklung und Umsetzung eines Markenauftritts ist deshalb kein leichtes<br />
Unterfangen: Es ist ein langfris tiger Prozess, <strong>der</strong> von Gestalter und Auftraggeber<br />
nicht nur gegenseitiges Vertrauen und Kooperationsvermögen erfor<strong>der</strong>t,<br />
son<strong>der</strong>n vom Designer auch die Kunst, Beratung, Konzeption und Umsetzung<br />
zielgerichtet zu verzahnen.<br />
Jochen Rädeker erläutert im PAGE Seminar »Leitmedium Design« anhand eines<br />
prototypischen, gemeinsamen Marken-Workshops und konkreter Praxisbeispiele,<br />
wie Sie einen komplexen Gestaltungsprozess angehen, mit dem Kunden<br />
eine umfassende Branding-Strategie entwickeln und – weit über Styleguides<br />
hinaus – die gesamte Unternehmenskommunikation harmonisieren. Wertvolles<br />
Know-how vom Designprofi für Designprofis in <strong>Agentur</strong> und Unternehmen!<br />
Das Seminar »Leitmedium Design 1« findet am 13. September 2013 im Hotel<br />
Gastwerk, Hamburg, von 9 bis 17:30 Uhr statt. <strong>Die</strong> Teilnahme kostet 648 Euro<br />
(zzgl. gesetzlicher MwSt.). <strong>Die</strong> Gebühr umfasst die Tagungskosten, Lunch<br />
und Kaffeepausen. <strong>Die</strong> Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt! Also<br />
schnell anmelden unter www.page-online.de/seminar .<br />
Am Folgetag findet Jochen Rädekers Anschluss-Seminar zum Thema Kalkulieren,<br />
Präsentieren, Verkaufen statt. Sie können die Seminare einzeln buchen, sie<br />
bauen nicht direkt aufeinan<strong>der</strong> auf. Wenn Sie aber beide buchen, zahlen Sie nur<br />
1166 Euro (zzgl. gesetzlicher MwSt.) statt 1296 Euro und sparen 130 Euro.<br />
PAGE // Ebner Verlag GmbH & Co. KG // E-Mail: info@page-online.de //<br />
Telefon: +49 40 85183400 // www.page-online.de/seminar<br />
Aufgrund <strong>der</strong> auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in <strong>der</strong> Reihenfolge<br />
<strong>der</strong> Eingänge <strong>der</strong> Zahlungen berücksichtigt. <strong>Die</strong> Teilnahmegebühr fällt mit <strong>der</strong> Anmeldung an. Sie ist sofort nach<br />
Erhalt <strong>der</strong> Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage <strong>der</strong> Veranstaltung<br />
seitens <strong>der</strong> Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprüche<br />
bestehen nicht. Bei Stornierung <strong>der</strong> Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 05. 06. 2013 berechnen<br />
wir 50 Prozent, ab 10. 07. 2013 100 Prozent <strong>der</strong> Teilnahmegebühr. Bei Buchung bei<strong>der</strong> Tage können seitens des Teilnehmers<br />
nicht einzelne Tage storniert werden. <strong>Die</strong> Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist je<strong>der</strong>zeit möglich.<br />
Es werden nur schriftliche Stornierungen o<strong>der</strong> Namenswechsel akzeptiert. Es gilt <strong>der</strong> Poststempel.<br />
n Jochen Rädeker, Mitbegrün<strong>der</strong> und geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter von Strichpunkt, ist<br />
Professor für Corporate Identity und Corporate<br />
Design. Er war acht Jahre Vorstandsmitglied des<br />
Art Directors Club Deutschland, davon drei Jahre<br />
als Präsidiumssprecher. Er ist Mitglied im D&AD<br />
London und im Type Directors Club New York.<br />
Seine Designagentur Strichpunkt steht für hochwer<br />
tige Marken- und Unternehmenskommunikation<br />
im Print-, Online- und 3-D-Bereich, hat mehr<br />
als 600 internationale Preise gewonnen und ist<br />
<strong>Die</strong> Agenda<br />
1. Vom Leitbild zur Bildwelt<br />
Was Corporate Identity von Corporate<br />
Design unterscheidet – und warum<br />
das eine für das an<strong>der</strong>e so wichtig ist.<br />
2. Vom Briefing zur Strategie<br />
Wie entwickelt man mit dem Kunden<br />
das optimale Briefing? Wie definiere<br />
ich eine Kommunikationsstrategie?<br />
Der Marken-Workshop als zentraler<br />
Startpunkt in ein erfolgreiches Projekt.<br />
3. Von <strong>der</strong> Strategie zur kreativen Idee<br />
Wie funktional muss, wie kreativ<br />
darf ein gutes Corporate Design sein?<br />
Möglichkeiten und Grenzen des<br />
Kreativprozesses.<br />
4. Vom Leitmedium zur Medienneutralität<br />
Wie werden aus einer großartigen<br />
Idee großartige Medien?<br />
Wege und Umwege zu einem<br />
konsistenten Markenauftritt.<br />
Der PAGE Workshop mit Jochen Rädeker lässt<br />
genug Zeit für Fragen und Diskussionen und<br />
den Austausch <strong>der</strong> Teilnehmer untereinan<strong>der</strong>.
13./14.<br />
SEPTEMBER<br />
Nur noch<br />
wenige Plätze frei!<br />
»Leitmedium Design 2«<br />
am 15. Juni, Hotel 25hours,<br />
Hamburg-Bahrenfeld<br />
Nur als Eintagesseminar<br />
buchbar!<br />
2<br />
Das Erfolgsseminar<br />
»Leitmedium Design« reloaded<br />
Mit neuen Fallbeispielen – als Eintageso<strong>der</strong><br />
Zweitagesseminar buchbar!<br />
PRAXIS<br />
GUTES DESIGN<br />
GUT VERKAUFEN<br />
Kalkulation & Präsentation<br />
Das Seminar 2<br />
seit Jahren in den Top Ten des PAGE Kreativ -<br />
rankings vertreten. Jochen Rädeker verfügt<br />
mit seinen Arbeiten für Unternehmen von<br />
adidas bis WMF, von Beiersdorf über Vorwerk<br />
bis zu Kulturfestivals, Schauspiel und Oper<br />
über einen im mensen Erfahrungsschatz in<br />
Sachen Konzeption und Umsetzung komplexer<br />
Designstra tegien – von <strong>der</strong> Imagebroschüre<br />
bis zur Werbe kampagne, vom Online- bis zum<br />
Mes seauftritt. Er ist Autor zahlreicher Bücher<br />
zum Thema Unternehmenskommunikation.<br />
<strong>Die</strong> Agenda<br />
1. Kunden stören. Kreative nerven<br />
Vom Pitch bis zur <strong>Agentur</strong>auswahl, vom<br />
Briefing bis zum Timing, vom Angebot<br />
bis zur Autorenkorrektur: Workflow, Stolper<br />
fallen, Tipps und Taktik für den gegen -<br />
seiti gen Umgang <strong>der</strong> Projektpartner.<br />
2. Richtig kalkulieren<br />
Stundensätze, Pauschalen, erfolgsabhängige<br />
Honorare, Nutzungsrechte: Welche Kalkulation<br />
ist für welches Projket richtig? Wo liegen Vorund<br />
Nachteile, was bringt Erfolg und Transparenz<br />
für beide Seiten?<br />
3. Richtig anbieten<br />
Aus <strong>der</strong> Praxis für die Praxis: Aufbau,<br />
Pricing und Rahmenbedingungen<br />
überzeugen<strong>der</strong> Angebote anhand<br />
konkreter Kalkulationsbeispiele<br />
4. Überzeugend präsentieren<br />
Pitch und Präsentation: 40 Tipps für<br />
eine erfolgreiche Präsentation.<br />
Der PAGE Workshop mit Jochen Rädeker lässt<br />
genug Zeit für Fragen und Diskussionen und<br />
den Austausch <strong>der</strong> Teilnehmer untereinan<strong>der</strong>.<br />
n Designer wollen nur eins: Top-Arbeit abliefern – über alle Medien hinweg.<br />
Denn das bringt dem Kunden Wettbewerbsvorteile und dem Gestalter<br />
Geld, Ruhm und Ehre. Doch vor <strong>der</strong> allgemeinen Freude steht harte Arbeit:<br />
Wie wird ein Designkonzept kalkuliert? Wie werden Angebote vom<br />
Designer richtig formuliert und vom Kunden richtig bewertet? Wie laufen<br />
Verhandlungen für beide Seiten sinnvoll ab? Ist <strong>der</strong> Job da und die<br />
Idee steht *, kommt die nächste Hürde: Wie kann ich bei internen und<br />
externen Präsentationen überzeugen?<br />
Jochen Rädeker erläutert anhand <strong>der</strong> zehn wichtigsten Erfolgsfaktoren<br />
(und Problemfel<strong>der</strong>) für ein gutes Projekt den optimalen Workflow zwischen<br />
Kreativen und Auftraggebern. Am Beispiel konkreter Kalkulationen aus<br />
unterschiedlichen Aufgabenfel<strong>der</strong>n von Print bis Online und vom kleinen<br />
Projekt bis zum umfassenden Corporate Design zeigt er den Aufbau<br />
eines überzeugenden Angebots und diskutiert mit den Teilnehmern, wie<br />
Designleistungen fair bepreist, überzeugend verkauft und sinnvoll abgerechnet<br />
werden können. Das Seminar schließt mit ausführlichen Praxistipps<br />
für erfolg reiche Präsentationen von Designern bei Kunden wie auch bei<br />
Meetings innerhalb von Unternehmen.<br />
Das Seminar »Leitmedium Design 1« findet am 14. September 2013 im Hotel<br />
Gastwerk, Hamburg, von 9 bis 17:30 Uhr statt. <strong>Die</strong> Teilnahme kostet 648 Euro<br />
(zzgl. gesetzlicher MwSt.). <strong>Die</strong> Gebühr umfasst die Tagungskosten, Lunch<br />
und Kaffeepausen. <strong>Die</strong> Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt! Also<br />
schnell anmelden unter www.page-online.de/seminar.<br />
* Am Vortag findet Jochen Rädekers Seminar zum Thema Designstrategien<br />
und Konzeption statt. Sie können die Seminare einzeln buchen, sie bauen<br />
nicht direkt aufeinan<strong>der</strong> auf. Wenn Sie aber beide buchen, zahlen Sie nur<br />
1166 Euro (zzgl. gesetzlicher MwSt.) statt 1296 Euro und sparen 130 Euro.<br />
PAGE // Ebner Verlag GmbH & Co. KG // E-Mail: info@page-online.de //<br />
Telefon: +49 40 85183400 // www.page-online.de/seminar<br />
Aufgrund <strong>der</strong> auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in <strong>der</strong> Reihenfolge<br />
<strong>der</strong> Eingänge <strong>der</strong> Zahlungen berücksichtigt. <strong>Die</strong> Teilnahmegebühr fällt mit <strong>der</strong> Anmeldung an. Sie ist sofort nach<br />
Erhalt <strong>der</strong> Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage <strong>der</strong> Veranstaltung<br />
seitens <strong>der</strong> Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprüche<br />
bestehen nicht. Bei Stornierung <strong>der</strong> Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 05. 06. 2013 berechnen<br />
wir 50 Prozent, ab 10. 07. 2013 100 Prozent <strong>der</strong> Teilnahmegebühr. Bei Buchung bei<strong>der</strong> Tage können seitens des Teilnehmers<br />
nicht einzelne Tage storniert werden. <strong>Die</strong> Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist je<strong>der</strong>zeit möglich.<br />
Es werden nur schriftliche Stornierungen o<strong>der</strong> Namenswechsel akzeptiert. Es gilt <strong>der</strong> Poststempel.
084<br />
PAGE 06.13<br />
TECHNIK<br />
Sein Projekt »#oneSecond«<br />
realisierte Philipp Adrian<br />
mit <strong>der</strong> JavaScript-Library<br />
basil.js in <strong>InDesign</strong><br />
(mehr dazu auf Seite 88)
PAGE 06.13 085<br />
n Generative Gestaltung reizt viele<br />
Kreative. Kein Wun<strong>der</strong>: Im Wechselspiel<br />
von komplexen Daten, <strong>der</strong>en grafischer<br />
Umsetzung und Programmierung entstehen<br />
faszinierende neue Bildwelten.<br />
Damit einher geht ein grundlegen<strong>der</strong><br />
Paradigmenwechsel, denn beim codebasierten<br />
Gestalten wird <strong>der</strong> Designer<br />
zum Entwickler seiner eigenen digitalen<br />
Werkzeuge. Allerdings haben viele<br />
davor Scheu o<strong>der</strong> es fehlt ihnen an<br />
Programmierfähigkeiten, um umfangreiche<br />
Projekte umzusetzen.<br />
Genau da setzt die Programmierumgebung<br />
Processing an, die sich an Gestalter,<br />
Künstler und Anwen<strong>der</strong> rich tet,<br />
die sonst wenig mit Code zu tun haben.<br />
O<strong>der</strong> auch das populäre Illustrator-<br />
Plug-in Scriptographer des Designers<br />
Jürg Lehni, das das API des Programms<br />
nutzte, um mittels JavaScript Vektorgra<br />
fiken zu generieren. Mit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
von CS6 hat Lehni die Arbeit<br />
an Scriptographer eingestellt, führt<br />
es jedoch in ähnlicher Form als Open-<br />
Source-Projekt Paper.js weiter. Nach<br />
dem Vorbild von Processing und in Anlehnung<br />
an Scriptographer entwickelte<br />
ein Team aus Designern und Developern<br />
an <strong>der</strong> Hochschule für Gestaltung<br />
und Kunst in Basel nun das Tool basil.js.<br />
<strong>Die</strong> JavaScript-Library macht es möglicht,<br />
in <strong>InDesign</strong> komplexe Dokumen te<br />
wie Bücher o<strong>der</strong> Datenvisualisierun gen<br />
ge nerativ zu gestalten.<br />
Den Anstoß zur Entwicklung von<br />
ba sil.js gab ein von Ludwig Zeller initiierter<br />
Workshop im Mai 2012: Der Dozent<br />
am Institut für Visuelle Kommu nika<br />
tion <strong>der</strong> HGK Basel hatte den In terac<br />
tion De signer Benedikt Groß eingeladen,<br />
über seine Erfahrungen mit generati<br />
ver Buchgestaltung in <strong>InDesign</strong><br />
zu spre chen. »<strong>Die</strong> Scripting-Möglich kei -<br />
ten, die das Programm bietet, sind<br />
Grenzverschiebungen<br />
<strong>Die</strong> JavaScript-Library basil.js ermöglicht es, auch ohne umfassende Programmierkenntnisse<br />
in <strong>InDesign</strong> Plakate, Datenvisualisierungen und sogar komplexe Buchprojekte <strong>generativ</strong><br />
umzusetzen. PAGE berichtet über die Entwicklung des Tools und zeigt seine Funktionsweise<br />
sowie erste, spannende Ergebnisse
086 PAGE 06.13 TECHNIK <strong>InDesign</strong> <strong>generativ</strong><br />
Scriptographer inspirierte das<br />
basil.js-Team. Während das Illustrator-<br />
Plug-in aber mit einer eigenen Java-<br />
Script-Engine Vektorgrafiken zeichnet,<br />
erstellt basil.js mit <strong>der</strong> <strong>InDesign</strong>-<br />
Engine Layouts und Zeichenelemente<br />
mäch tig, aber auch mächtig kompliziert«,<br />
sagt Ludwig Zeller. Da <strong>der</strong>en<br />
Anwendung für Designer ohne weitreichende<br />
Programmiererfahrung zu<br />
kompliziert ist, schlug Groß vor, eine<br />
JavaScript-Library zu schreiben, mit <strong>der</strong><br />
sich die Bedienung des API vereinfachen<br />
lässt – eine Art Werkzeugkas ten,<br />
mit dem die Studenten arbei ten könnten.<br />
Ludwig Zeller er kann te das Potenzial<br />
<strong>der</strong> Idee und Pro fessor Michael<br />
Renner, Leiter des Instituts für Visuelle<br />
Kommunikation, ermöglichte eine Anschubfinanzierung<br />
des Vor ha bens. Das<br />
war <strong>der</strong> Startschuss für basil.js.<br />
Konzeption von basil.js<br />
Im Juni 2012 konnten Ludwig Zeller und<br />
Benedikt Groß mit <strong>der</strong> Entwicklung von<br />
basil.js beginnen. Der Kon zeption ging<br />
eine eingehende Ana lyse <strong>der</strong> <strong>InDesign</strong>-<br />
Engine voraus. <strong>Die</strong> beiden fragten sich,<br />
welche Funktionen für Designer wertvoll<br />
sind, welche sie verstecken o<strong>der</strong><br />
ausklammern wollten und an welcher<br />
Stel le sie die Möglichkeiten auf interes<br />
san te Weise erweitern könn ten. »In-<br />
Designs Pro gram mierreferenz hat Hun<strong>der</strong>te<br />
von Klas sen und Tausende von<br />
Funk tio nen«, erklärt Zeller. »Wir sind<br />
sie alle durchgegangen, haben die für<br />
Designer relevanten Funk tio nen extrahiert<br />
und dann ihre Code-Schreibweise<br />
umformuliert.«<br />
<strong>Die</strong>se Funktionen gibt <strong>der</strong> Anwen<strong>der</strong><br />
in den Editor des in <strong>der</strong> Creative<br />
Suite enthaltenen ExtendScript Toolkit<br />
ein (siehe Quickstart auf Seite 89). Basil.js<br />
übersetzt die Befehle in die Scripting-Sprache<br />
von <strong>InDesign</strong> und führt<br />
sie aus. Dabei entsteht ein normales<br />
<strong>InDesign</strong>-Dokument mit Text, Bil<strong>der</strong>n<br />
und Grafiken, das sich problemlos bearbeiten<br />
lässt. Der Nutzer kann zudem<br />
auf die Elemente in einem bestehenden<br />
Dokument zugreifen und diese<br />
ver än<strong>der</strong>n. So lassen sich praktisch alle<br />
Möglichkeiten von <strong>InDesign</strong> automatisieren.<br />
Ausgegeben werden normale,<br />
Undo-fähige <strong>InDesign</strong>-Elemen te, die<br />
<strong>der</strong> Gestalter im Unterschied zur Arbeit<br />
mit Processing per Mausklick weiterbearbeiten<br />
kann. Das ermöglicht <strong>generativ</strong>e<br />
Layouts, algorithmische Farbpaletten<br />
o<strong>der</strong> die Verarbeitung von<br />
großen Datenmengen, die aus externen<br />
Quellen stammen.<br />
Entwicklung des Prototyps<br />
<strong>Die</strong> ersten Funktionen entwickelte Benedikt<br />
Groß zusammen mit dem Java-<br />
Script-Entwickler Stefan Lands bek aus<br />
Stuttgart. Das Ergebnis war ein Pro totyp<br />
mit einem im Vergleich zum In-<br />
Design-API stark reduzierten Funktions<br />
umfang. Steuern ließ er sich über<br />
einen Text editor; die in diesen ein gegebenen<br />
und ausgeführten basil.js-<br />
Skripts interagieren mit dem geöffneten<br />
In Design-Dokument.<br />
Da Processing den Entwicklern als<br />
Vorbild diente, lassen sich in basil.js<br />
auch viele Befehle aus dieser Programmierumgebung<br />
ausführen. Grafische<br />
Funktionen wie »rect()« o<strong>der</strong> »ellipse()«,<br />
mit denen <strong>der</strong> Nutzer Grundformen<br />
o<strong>der</strong> -farben einstellt, übernahmen<br />
sie 1:1. Dabei entstehen aber<br />
Objekte, die <strong>der</strong> Anwen<strong>der</strong> manuell in<br />
<strong>InDesign</strong> weiterbearbeiten kann. Auch<br />
die Mathematikfunktionen integrierten<br />
die beiden weitestgehend. An<strong>der</strong>e<br />
Features sind dagegen eher <strong>InDesign</strong>spezifisch.<br />
Durch Multi-Getter-Funktionen<br />
wie »words()«, »lines()« o<strong>der</strong> »characters()«<br />
kann man zum Beispiel Listen<br />
von allen Wörtern, Zeichen o<strong>der</strong><br />
Zeilen einer Seite erstellen und <strong>der</strong>en<br />
Aussehen modifizieren. Darüber hi n-<br />
aus führten Benedikt Groß und Stefan<br />
Landsbek Befehle für die wichtigsten<br />
<strong>InDesign</strong>-Elemente wie etwa »layer()«,<br />
»page()« und »guideX()« ein sowie für<br />
die Bemaßung in mm und pt. Der Prototyp<br />
unterstützte bereits alle Textbearbeitungsmöglichkeiten<br />
von <strong>InDesign</strong>.<br />
Ludwig Zeller und Benedikt Groß<br />
erarbeiteten zudem ein eingängiges<br />
Benennungsschema für die basil.js-<br />
Funktionen nach dem Vorbild Processing.<br />
Wo es kein Äquivalent gab, versuchten<br />
sie, neue Befehle mit einem<br />
ähnlichen Coding-Style zu finden. In<br />
diesem Fall wählten sie klare und möglichst<br />
kurze englische Bezeichnungen.<br />
Doch sollten auch ein paar Ideen aus<br />
JavaScript einfließen, zum Beispiel die<br />
multimodale Verwendbarkeit <strong>der</strong> gleichen<br />
Funktionen, um einen Wert zu setzen,<br />
wenn ein Parameter übergeben<br />
wird, beziehungsweise den aktuellen<br />
Wert auszulesen, wenn dieser nicht<br />
mit angegeben wird. Nach frei Monaten<br />
Arbeit übergaben Groß und Landsbek<br />
den Prototyp an Ludwig Zeller und<br />
Ted Davis, die ihn weiter ausbauten,<br />
eine Projekt-Website einrichteten und<br />
Tutorials dazu schrieben.<br />
Weiterentwicklung<br />
anhand des Feedbacks<br />
Nach dem ersten Workshop im Sommer<br />
setzten die Dozenten Ludwig Zeller<br />
und Ted Davis basil.js seit Herbst<br />
2012 auch in mehreren Workshops und<br />
Seminaren am Institut für Visuelle Kommunikation<br />
ein. <strong>Die</strong> Studenten üb ten<br />
den Umgang mit <strong>der</strong> JavaScript-Library<br />
an konkreten Projekten. Dazu erhielten<br />
sie jede Woche eine überarbeitete<br />
Betaversion und konnten durch ihr<br />
Feedback direkt Einfluss auf die weitere<br />
Entwicklung des Frameworks nehmen.<br />
Zeller und Davis korrigierten Bugs,<br />
ergänzten aber auch neue Funktio nen,<br />
die die Studierenden für ihre Projektideen<br />
brauchten, zum Beispiel für die<br />
statistische Analyse von Texten.<br />
In den Veranstaltungen ent stan den<br />
erste, zum Teil umfangreiche Projekte.<br />
So experimentierte Gaëlle Renaudin<br />
mit durch Scrip ting generierten typografischen<br />
Modifikationen (siehe Seite<br />
88), Philipp Adrian katalogisierte und<br />
visualisierte alle innerhalb einer Sekunde<br />
auf Twitter erzeugten Daten (Seite<br />
88), und Bettina Schneebeli wies je-
PAGE 06.13 087<br />
dem Wort eines Essays per Skript automatisch<br />
ei ne auf Amazon.com gefun dene<br />
Produkt-Abbildung zu (siehe unten).<br />
Auf Grund lage des Feedbacks erstellte<br />
das Team Mitte Dezember eine Closed-<br />
Beta-Version, zu <strong>der</strong>en Erprobung es<br />
eine Reihe von Designern einlud.<br />
Das basil.js-Team<br />
von links: Ted<br />
Davis, Benedikt<br />
Groß, Stefan<br />
Landsbek und<br />
Ludwig Zeller<br />
Veröffentlichung von v1.0<br />
Zeller, Groß und Davis setzten die aus<br />
dem Feedback resultierenden Korrekturen<br />
und Ergänzungen am Code um,<br />
erweiterten den Kern des Frameworks<br />
um zusätzliche Funktionen und um<br />
Java Script-Libraries Dritter. Außerdem<br />
unterstützten sie Frank Weiprecht und<br />
Jörg Koch von <strong>der</strong> be:screen GmbH bei<br />
<strong>der</strong> Steigerung <strong>der</strong> Verarbeitungsgeschwindigkeit<br />
von basil.js. Für die <strong>Zukunft</strong><br />
erwägen die Designer, einen Precompiler<br />
hinzuzufügen, um die Performance<br />
weiterhin zu beschleunigen und<br />
die Handhabung zunehmend zu vereinfachen.<br />
<strong>Die</strong> erste öffentliche Version<br />
ist seit dem 28. Februar kostenlos auf<br />
<strong>der</strong> Projektwebsite verfügbar. Dort<br />
kann man des Weiteren Codebeispiele<br />
und Tutorials abrufen.<br />
Basil.js steht unter <strong>der</strong> offenen MIT<br />
License, sodass es über GitHub von<br />
an<strong>der</strong>en Entwicklern ergänzt werden<br />
kann. <strong>Die</strong> kreative Erweiterung <strong>der</strong><br />
Programmgrenzen und Designmethoden<br />
war für das Team ein wichtiges<br />
Kriterium für die Veröffentlichung unter<br />
einer Open-Source-Lizenz. Closed-<br />
Source-Tools wie Adobes Creative Suite<br />
seien vielseitig und intuitiv zu bedienen,<br />
weshalb sie sich unter Gestaltern<br />
etabliert hätten. Doch die Nutzer laufen<br />
dadurch Gefahr, die immer gleiche<br />
Ästhetik zu wie<strong>der</strong>holen, so die Entwickler.<br />
Außerdem sei es kaum möglich,<br />
gestalterische Verfahren entsprechend<br />
<strong>der</strong> individuellen Bedürfnisse<br />
zu erweitern. »Das komplexe Verhalten<br />
eines selbstausführenden formalen<br />
Sys tems wie einer Programmiersprache<br />
bietet sowohl Möglichkeiten<br />
zur Kontrolle als auch Elemente <strong>der</strong><br />
Überraschung«, erklärt Ludwig Zeller.<br />
<strong>Die</strong> kreative Produktion mit teilweise<br />
unerwartetem Ausgang stellt für das<br />
Team ein Quell <strong>der</strong> Inspiration dar.<br />
»Der Philosoph Ludwig Wittgenstein<br />
schrieb 1921: ›<strong>Die</strong> Grenzen meiner Sprache<br />
bedeuten die Grenzen meiner<br />
Welt.‹ Wenn wir die Grundlagen <strong>der</strong><br />
Software, die wir nutzen, nicht verstehen,<br />
haben wir als Gestalter ein Problem«,<br />
meint Benedikt Groß. »Denn<br />
dann sind die Gren zen unseres Verständ<br />
nisses zwangsläufig auch die<br />
Grenzen unserer Ästhetik.« fb<br />
Ersetzen von Text durch Abbildungen aus dem Internet<br />
n Bettina Schneebelis Buchprojekt<br />
»Ending the Depression through Amazon«<br />
übersetzt einen Essay von Bernard<br />
London aus dem Jahr 1932 in die<br />
heutige Warenwelt. <strong>Die</strong>ser schlug vor,<br />
zur Lösung <strong>der</strong> Wirtschaftskrise ein<br />
System »geplanter Obsoleszenz« einzuführen,<br />
das die Bürger verpflichtet,<br />
ihre Güter nach einer bestimmten Zeitspanne<br />
zu entsorgen, um die Produktion<br />
anzukurbeln. Durch Einbindung eines<br />
basil.js-Skripts ersetzte die Gestalterin<br />
alle Worte des Textes – »shoes«,<br />
»homes« o<strong>der</strong> »machines« ebenso wie<br />
»the« o<strong>der</strong> »and« – durch entsprechende<br />
Produktabbildungen von Amazon.<br />
com. <strong>Die</strong>s führt zu einer Anhäufung<br />
von Produkten aller couleur, die dadurch<br />
einen symbolischen Wertverlust<br />
erleiden und somit auf das von London<br />
gefor<strong>der</strong>te Umdenken im Umgang<br />
mit Waren hinweisen und gleichzeitig<br />
Kritik an <strong>der</strong> gegenwärtigen Wegwerfgesellschaft<br />
üben.<br />
Bettina Schneebeli demonstriert die Austauschbarkeit von Produkten, indem sie jedes Wort eines<br />
Essays per Script durch eine dazu auf Amazon.com gefundene Abbildung ersetzen ließ
088 PAGE 06.13 TECHNIK <strong>InDesign</strong> <strong>generativ</strong><br />
Typografische Varianten mittels Programmiercode<br />
n Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit<br />
»The Martian Chronicles« im Fachbereich<br />
Visuelle Kommunikation an <strong>der</strong><br />
Hochschule für Gestaltung und Kunst<br />
Basel untersuchte Gaëlle Renaudin<br />
Mög lichkeiten <strong>der</strong> typografischen Variantenbildung<br />
durch Programmierco de.<br />
Mithilfe von basil.js-Skripts integrierte<br />
sie zufällige Parameter in Ray Bradburys<br />
»Mars-Chroniken« aus dem Jahr<br />
1950. So versuchte die Designerin, eine<br />
direkte Verbindung zwischen Programmierung<br />
und <strong>der</strong> Dramaturgie des<br />
Romans herbeizuführen. Ziel war es,<br />
die Stimmung des Science-Fiction-Klassikers<br />
sowohl auf Ebene des Layouts<br />
als auch <strong>der</strong> Materialität des Buches<br />
wie<strong>der</strong>zugeben. Daher druckte Renaudin<br />
auch den Text in weißer Farbe auf<br />
schwarzes Papier, wo die Handlung auf<br />
dem Mars stattfindet, und im Gegensatz<br />
dazu schwarz auf weiß, wo sie auf<br />
<strong>der</strong> Erde spielt, um die Reise zwischen<br />
den zwei Planeten zu spiegeln.<br />
Gaëlle Renaudin nutzte basil.js für typografische Modifikationen, um auf diese Weise die<br />
Stimmung in Ray Bradburys »Mars-Chroniken« abzubilden<br />
Automatisierte Auswertung und Visualisierung externer Daten<br />
n Philipp Adrian konservierte die in<br />
einer Sekunde auf Twitter erzeugten<br />
Daten und visualisierte sie mithilfe von<br />
basil.js in vier Bänden. Auf spielerische<br />
Weise katalogisierte <strong>der</strong> Gestalter mit<br />
»#oneSecond« Tweets von 5522 Menschen<br />
in 42 Sprachen auf über 4500 Seiten<br />
– unter an<strong>der</strong>em nach Sprache,<br />
Zeitzone, Avatar-Typ und dem Datum<br />
<strong>der</strong> Anmeldung bei Twitter. Für die Auswertung<br />
nutzte er 14 Fonts mit über<br />
100 000 verschiedenen Zeichen, um<br />
zum Beispiel die Anzahl <strong>der</strong> Follower,<br />
<strong>der</strong> gefolgten Accounts o<strong>der</strong> eigener<br />
Tweets darzustellen. Adrian betrachtet<br />
das Internet als öffentlichen Raum<br />
mit einer eigenen, codebasierten und<br />
dadurch internationalen Sprache, in<br />
dem Informationen in <strong>der</strong> Schnelligkeit<br />
von Sekunden ausgetauscht werden<br />
und so <strong>der</strong> kulturelle Austausch<br />
über Län <strong>der</strong> gren zen hinweg geför<strong>der</strong>t<br />
wird. Mit seiner Momentaufnahme will<br />
er den Fokus von einem persönlichen<br />
hin zu einem globalen Modell des Internets<br />
verschieben.<br />
Mit »#oneSecond« visualisierte Philipp<br />
Adrian alle innerhalb einer Sekunde<br />
von Twitter prozessierten Daten. Dazu<br />
schrieb er basil.js-Skripte, die zum<br />
Beispiel die Anzahl <strong>der</strong> Follower und<br />
Tweets aller aktiven Nutzer analysieren<br />
und gestalterisch auswerten
PAGE 06.13 089<br />
Quickstart basil.js<br />
n <strong>Die</strong> JavaScript-Library lässt sich unkompliziert installieren, um<br />
dann die ersten Schritte in Richtung <strong>generativ</strong>er Gestaltung in<br />
<strong>InDesign</strong> zu machen. Basil.js unterstützt Adobe CS ab Version 5.<br />
Für unsere Minitutorial nutzen wir <strong>InDesign</strong> CS6 unter OSX 10.8.3<br />
sowie basil.js v1.0. Falls Sie ein an<strong>der</strong>es Betriebssystem o<strong>der</strong> eine<br />
aktuellere Version <strong>der</strong> Adobe Creative Suite verwenden, können<br />
die Bezeichnungen etwas abweichen.<br />
Basil.js installieren<br />
1<br />
Erstellen Sie zunächst in Ihrem »Dokumente«-Fol<strong>der</strong> einen<br />
Ordner namens »basiljs«. Laden Sie dann unter http://basiljs.<br />
ch/downloads das basil.js-Bundle herunter, und verschie ben Sie<br />
den in <strong>der</strong> ZIP-Datei enthaltenen Fol<strong>der</strong> »bundle« nach »basiljs«.<br />
Erstellen Sie einen zweiten Ordner mit <strong>der</strong> Bezeichnung »User«,<br />
in dem Sie später Ihre eigenen Skripts speichern.<br />
Basil.js mit <strong>InDesign</strong> verknüpfen<br />
2<br />
Öffnen Sie <strong>InDesign</strong> und aktivieren Sie das Scripts-Panel unter »Fenster/<br />
Hilfsprogramme/Skripte«. In <strong>der</strong> <strong>InDesign</strong>-Palette sehen Sie die Ordner<br />
»Benutzer« und »Anwendung« für Skripts. Bei einem Rechtsklick auf »Benutzer«<br />
erscheint das Kontextmenü, in dem Sie »Im Fin<strong>der</strong> anzeigen« auswählen. Nun<br />
öffnet sich ein Fin<strong>der</strong>-Fenster mit dem entsprechenden Ordner. Ziehen Sie den<br />
in Schritt 1 erstellten Ordner »basiljs« mit gedrückter Alt- und Befehlstaste in<br />
diesen. Nun ist die basil.js-Library mit <strong>InDesign</strong>s Script-Panel verknüpft, und Sie<br />
können nun in <strong>InDesign</strong> auf alle Inhalte zugreifen.<br />
Skriptbeispiele ansehen<br />
3<br />
Sehen Sie sich den Ordner in <strong>der</strong><br />
<strong>InDesign</strong>-Palette genauer an.<br />
<strong>Die</strong>ser enthält neben <strong>der</strong> Library basil.js<br />
auch einen Ordner mit Beispielen,<br />
mit denen Sie verschiedene Funktionen<br />
von basil.js nachvollziehen können.<br />
Per Doppelklick lassen sich sie sich direkt<br />
aus <strong>InDesign</strong> starten.<br />
Erster Test mit »Hello World«<br />
4<br />
Öffnen Sie das ExtendScript Toolkit <strong>der</strong><br />
Creative Suite, und öffnen Sie im<br />
Editor ein neues Dokument. Speichern Sie<br />
es als »helloworld.jsx« im Ordner »User«.<br />
Geben Sie den Code aus dem Screenshot in<br />
das neue Dokument ein, und starten Sie<br />
das Skript, indem Sie auf den »Play«-Button<br />
in <strong>der</strong> Menüleiste des ExtendScript-Editors<br />
klicken. Et voilá: <strong>Die</strong> Nachricht »Hello<br />
World!« erscheint in einem Textfeld des<br />
geöffneten <strong>InDesign</strong>-Dokuments<br />
und lässt sich dort weiterbearbeiten.<br />
Variationen durchspielen<br />
5<br />
Durch Verän<strong>der</strong>ungen des Codes,<br />
etwa wie hier im Beispiel durch<br />
Definition <strong>der</strong> Schriftart und -größe,<br />
und Hinzufügen weiterer Funktionen<br />
können Sie das gerade erstellte<br />
<strong>InDesign</strong>-Element beliebig verän<strong>der</strong>n.<br />
Weitere Beispiele, Tutorials sowie<br />
mehrere umfangreiche Cheat-Sheets<br />
stehen unter http://basiljs.ch bereit
090 PAGE 06.13<br />
TECHNIK Beschriftungs-Apps<br />
Schnell ins Bild gesetzt<br />
Apps zum Beschriften digitaler Fotos schießen wie Pilze aus dem Boden. Ob man die Bil<strong>der</strong> zur schnellen<br />
Kundenabstimmung betexten, das eigene Gedächtnis unterstützen o<strong>der</strong> einem Motiv eine neue Ästhetik geben<br />
will, Kreative wollen ordentliche Schriften und eine gute Handhabung. Wir stellen fünf brauchbare Apps vor<br />
Photo-Lettering Professionelle Schriften<br />
Das Prinzip ist bei allen Apps<br />
das Gleiche: Entwe<strong>der</strong> fotografiert<br />
man ein Motiv o<strong>der</strong><br />
wählt eines aus seinem Archiv aus und<br />
beschriftet dieses. Ein großer Unterschied<br />
liegt allerdings in den zur Verfü<br />
gung stehenden Fonts. Photo-Lettering,<br />
das House Industries soeben<br />
veröffentlicht hat, hält zwar nur drei<br />
kos tenlose Schriften bereit – Plinc<br />
Swiss, Bubble Gum und House Slant –,<br />
diese sind aber professionell und decken<br />
schon eine recht große Bandbrei-<br />
Plinc Swiss, Bubble Gum und House<br />
Slant sind in Photo-Lettering<br />
kostenlos, für jede weitere Schrift<br />
bezahlt man 89 Cent<br />
te an Stilen ab. Wem das nicht reicht, <strong>der</strong><br />
kann für je 89 Cent aus den vielen an<strong>der</strong>en<br />
Fonts <strong>der</strong> Typedesigner aus Delaware<br />
wählen, darunter Chalet, Neutraface<br />
o<strong>der</strong> die zweifarbige Caslon. Für<br />
alle, die häufiger Fotos betexten wollen,<br />
eine lohnende Investition. Der erzeugte<br />
Text lässt sich mit diversen Effekten<br />
wie Sepia- o<strong>der</strong> Schwarzweißfärbung<br />
versehen und schließlich im Fotoarchiv<br />
auf dem iPhone speichern, per<br />
E-Mail o<strong>der</strong> MMS weiterleiten. Zudem<br />
bietet House Industries an, das Bild als<br />
Postkarte zu drucken und so rich tig<br />
schön analog-altmodisch zu ver sen den.<br />
<strong>Die</strong> kostenlose englischsprachige App<br />
erfor<strong>der</strong>t iOS ab 6.0 und ist optimiert<br />
für iPhone 5.<br />
Bil<strong>der</strong>: Sonja Knecht/edenspiekermann<br />
easyTitler Zahlreiche Features, öde Schriften<br />
Viele gute Gestaltungsmöglichkeiten bietet easyTitler,<br />
aber lei<strong>der</strong> nur sehr mittelmäßige Fonts<br />
Einfach ist diese App wirklich,<br />
sodass man das Tutorial, das<br />
sich unter »About« findet, eigentlich<br />
gar nicht braucht. Auch sonst<br />
erlaubt easyTitler eine ganze Menge:<br />
den Text mit den Fingern zu vergrößern,<br />
zu verkleinern, zu verschieben<br />
o<strong>der</strong> zu drehen. Mittels Tippen auf die<br />
entsprechenden Symbole lässt sich<br />
so gar <strong>der</strong> Buchstaben- und Zeilenabstand<br />
verän<strong>der</strong>n.<br />
Selbstverständlich kann <strong>der</strong> An wen<strong>der</strong><br />
auch die Textfarbe wählen. Ent we<strong>der</strong><br />
nutzt er dafür die vorgegebene<br />
Palette, o<strong>der</strong> er greift mit <strong>der</strong> Pipette<br />
eine Farbe aus dem Foto auf. Verschiedene<br />
Effekte stehen ebenfalls zur Verfügung.<br />
So lässt sich die Deckkraft des<br />
Textes modifizieren o<strong>der</strong> das Ganze<br />
als invertiertes Bild darstellen. Veröffentlichen<br />
kann man sein fertiges Artwork<br />
per E-Mail, Facebook, Twitter und<br />
Flickr. Großer Nachteil <strong>der</strong> von Ubinow<br />
aus London entwickelten App sind<br />
aber die angebotenen Schriften: entwe<strong>der</strong><br />
langweilige Systemtypen o<strong>der</strong><br />
nicht wirklich überzeugende Freefonts<br />
– sehr schade.<br />
<strong>Die</strong> auch in Deutsch erhältliche App erfor<strong>der</strong>t<br />
iOS ab 4.0 und kostet 0,89 Euro.
PAGE 06.13 091<br />
Font-astic Wenig Funktionen für zu viel Geld<br />
Das von melon.lab entwickelte<br />
Font-astic bietet 22 Schriften,<br />
überwiegend Freefonts.<br />
Darunter interessante Exemplare, zum<br />
Beispiel die ganz leichte Mill o<strong>der</strong> die<br />
zackige Brivido, aber auch Klassiker<br />
wie Baskerville, Futura, Gill Sans und<br />
einen Schnitt <strong>der</strong> Zapfino. Etwas gewöh<br />
nungsbedürftig ist, dass man den<br />
Schrift zug über das Menü o<strong>der</strong> sehr<br />
müh sam mit den Fingern vergrößern<br />
muss und nur in 90-Grad-Schritten drehen<br />
kann. Immerhin lässt er sich nicht<br />
nur einfärben, son<strong>der</strong>n auch schattieren.<br />
Trotzdem: Für 1,79 Euro hätte ich<br />
etwas mehr erwartet. Der Nutzer kann<br />
das Bild im Fotoarchiv speichern o<strong>der</strong><br />
direkt auf Facebook hochladen. Das<br />
kürz lich erschienene Update auf 1.2 unterstützt<br />
auch den Instagram-Export.<br />
Wer erst mal schauen möchte, ob er mit<br />
Font-astic gut bedient ist, kann sich kostenlos<br />
die Lite-Version herunterladen.<br />
<strong>Die</strong> englischsprachige App erfor<strong>der</strong>t<br />
iOS ab 6.0 und ist optimiert für iPhone 5.<br />
Kostenpunkt: 1,79 Euro<br />
Bei Font-astic gibt es überwiegend Freefonts, darunter aber ganz nette Typen wie Mill<br />
Bil<strong>der</strong>: <strong>Die</strong> Typonauten<br />
Piction App Gute Schriften, kaum Features<br />
Bild: glückssachen & bürogemeinschaft<br />
<strong>Die</strong> rund zwanzig zur Auswahl<br />
stehenden Fonts stammen<br />
von Typefoundrys wie<br />
The Lost Type Co-op, Fontfabric, Tension<br />
Type o<strong>der</strong> Ten Dollar Fonts und<br />
sind allesamt prima. Umso betrüblicher,<br />
dass die Funktionen von Piction<br />
App äußerst minimalistisch sind. Als<br />
Piction App bietet interessante<br />
Schriften, aber spartanische<br />
Gestaltungsfunktionen<br />
Schrift farbe gibt es nur Schwarz o<strong>der</strong><br />
Weiß, drehen kann man den Text auch<br />
nicht und Effekte sind ebenfalls nicht<br />
vorhanden. <strong>Die</strong> App von Ancient Wisdom<br />
Production ist also vor allem etwas<br />
für Puristen, die wirklich nur schnell ein<br />
Foto betexten wollen, um dieses dann<br />
per E-Mail zu verschicken o<strong>der</strong> in soziale<br />
Netzwerke zu stellen.<br />
<strong>Die</strong> kostenlose englischsprachige App<br />
erfor<strong>der</strong>t iOS ab 6.0 und ist optimiert<br />
für iPhone 5.<br />
Phonto Eigene Schriften verwenden<br />
<strong>Die</strong> von Yusuke Horie entwickelte<br />
Anwendung bietet einen<br />
Riesenvorteil: Man kann<br />
die auf seinem Rechner installierten<br />
Schrif ten nutzen. Wie das geht, ist unter<br />
»Font«, »How to install Fonts« beschrieben<br />
und funktioniert einwandfrei. Außerdem<br />
lässt sich natürlich auch auf<br />
die rund 200 vorinstallierten Schriften<br />
zugreifen. Gestaltungsoptionen gibt es<br />
viele. So kann man eigene Farbpaletten<br />
o<strong>der</strong> auch Muster anlegen. Phonto<br />
bietet auch eine Preview-Funktion, um<br />
das fertige Bild noch mal anzuschauen,<br />
bevor man es über E-Mail, Facebook<br />
o<strong>der</strong> Twitter auf die Allgemeinheit loslässt.<br />
Auch einen direkten Link zu Instagram<br />
gibt es. Bei all diesen Möglichkeiten<br />
kann man in Kauf nehmen, dass<br />
am oberen Rand ein nerviges Werbebanner<br />
vor sich hinflimmert. ant<br />
<strong>Die</strong> 0,89 Euro teure App gibt es in<br />
Eng lisch und Japanisch. Sie erfor<strong>der</strong>t<br />
iOS 5.0 o<strong>der</strong> neuer und ist optimiert für<br />
iPhone 5, steht aber auch für Android<br />
zur Verfügung.<br />
Großes Plus von Phonto: Man<br />
kann eigene Schriften verwenden,<br />
hier Baskerville Italic<br />
Bild: Alexan<strong>der</strong> Tibus
092 PAGE 06.13<br />
TECHNIK Coworking Spaces<br />
Das betahaus in Berlin-Kreuzberg beherbergt auf rund 2500 Quadratmetern bis zu 200 Coworker. Neben dem Open Space gibt es auch Konferenzräume,<br />
eine Etage speziell für Start-ups sowie eine Werkstatt für Maker und DIY-Fans<br />
Das Prinzip<br />
Gemeinschaft<br />
Temporärer Laptopstellplatz, Geburtshelfer für<br />
Kollaboration und Gemeinschaftsprojekte<br />
o<strong>der</strong> gar Arbeitsform <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong>? PAGE untersucht,<br />
was hinter dem Coworking-Hype steckt<br />
n Ein Bioinformatiker, <strong>der</strong> einer Grafikdesignerin die Zusammensetzung<br />
des menschlichen Genoms erklärt, ein<br />
Start-up-Grün<strong>der</strong>, <strong>der</strong> von den neuesten 3-D-Druckverfahren<br />
berichtet, und eine Mutter auf <strong>der</strong> Suche nach ihrer beruflichen<br />
<strong>Zukunft</strong> – bunte Mischungen wie diese sind nichts<br />
Außergewöhnliches beim Gemeinschaftsfrühstück im Hamburger<br />
betahaus. Einmal pro Woche können sich die Coworker<br />
hier beim betabreakfast kennenlernen und austauschen.<br />
Künftig soll es auch kurze Pitchrunden geben, in denen<br />
sie ihre Geschäfts- o<strong>der</strong> Projektideen vorstellen und<br />
das Feedback <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en einholen können.<br />
Gemeinschaft und Austausch spielen eine zentrale Rolle<br />
im Coworking-Konzept. <strong>Die</strong> betahäuser mit Ursprung in<br />
Berlin haben dabei Vorbildcharakter für viele an<strong>der</strong>e Betreiber<br />
und sorgten 2009 dafür, dass <strong>der</strong> Begriff »Coworking«<br />
in Deutschland populär wurde. Seither hat sich einiges getan.
PAGE 06.13 093<br />
Laut einer Erhebung des Coworking-Magazins »Deskmag«<br />
( www.deskmag.com ) gibt es in Deutschland 230 Coworking<br />
Spaces. Damit belegen wir den zweiten Platz hinter den<br />
USA mit 781 und vor Spanien mit 199 Angeboten. Insgesamt<br />
hat »Deskmag« weltweit circa 2500 Gemeinschaftsbüros<br />
mit etwa 110 000 Mietern gezählt. In den vergan genen<br />
zwölf Monaten haben durchschnittlich 4,5 neue Spaces<br />
pro Werktag eröffnet.<br />
<strong>Die</strong> Gründe für diese Explosion liegen vor allem in <strong>der</strong><br />
steigenden Anzahl von Freiberuflern. »Beson<strong>der</strong>s in südeuropäischen<br />
Län<strong>der</strong>n wie Italien o<strong>der</strong> Spanien ist die Selbstständigkeit<br />
oft die einzige Chance für junge Menschen Geld<br />
zu verdienen. Das spielt dem Coworking in die Hände«, erklärt<br />
Ruben Schmidtmann, CEO des betahaus Hamburg.<br />
Und statt allein im Homeoffice zu arbeiten, entscheiden<br />
sich immer mehr Freelancer für Coworking Spaces. Das ermöglicht<br />
ihnen zum einen die räumliche Trennung von Arbeit<br />
und Privatleben, zum an<strong>der</strong>en einen Ausweg aus <strong>der</strong><br />
Isolation des Einzelkämpfers. »Coworking steht in gewisser<br />
Weise für die Kehrseite <strong>der</strong> Digitalisierung«, sagt Janet Merkel,<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin <strong>der</strong> Forschungsabteilung<br />
Kulturelle Quellen von Neuheit am Wissenschaftszentrum<br />
Berlin. »Es verdeutlicht den Wunsch <strong>der</strong> digitalen Nomaden<br />
nach sozialer und räumlicher Nähe.«<br />
Coworker teilen nicht nur Küche, Stromund<br />
Internetkosten, son<strong>der</strong>n<br />
auch Informationen und Know-how<br />
Gegenüber gängigen Bürogemeinschaften haben Coworking<br />
Spaces den Vorteil, dass das Mietverhältnis wesentlich<br />
flexibler ist. Statt sich langfristig zu binden, können Kreative<br />
sich hier tage-, wochen- o<strong>der</strong> monatsweise einmieten –<br />
und müssen sich um nichts weiter kümmern. <strong>Die</strong>s ist beson<strong>der</strong>s<br />
zu Beginn <strong>der</strong> Selbstständigkeit sinnvoll, wenn die<br />
Auftragslage noch unklar und unbeständig ist. Zu diesen<br />
praktischen Vorteilen kommen die Werte, die Coworking-<br />
Gemeinschaften weltweit prägen: Prinzipien wie Kollaboration,<br />
Offenheit und Nachhaltigkeit. Coworker teilen nicht<br />
nur Raum, Küche, Drucker, Strom- und Internetkosten, son<strong>der</strong>n<br />
auch Informationen und Know-how.<br />
Wie weit die Kollaboration geht, variiert. Sie kann von<br />
gemeinsamen Projekten bis hin zur Start-up-Gründung reichen.<br />
Wichtiger sind für viele Coworker aber die spontanen<br />
Interaktionen und das Lernen voneinan<strong>der</strong>. Mal eben den<br />
Webentwickler gegenüber fragen, ob ein Konzept technisch<br />
realistisch ist, o<strong>der</strong> den Anwalt am Nachbartisch über einen<br />
Vertrag schauen lassen – solche zwanglosen und unverbindlichen<br />
Nachfragen sowie die gegenseitige Hilfsbereitschaft<br />
sind es, die Coworking Spaces auszeichnen. Oft werden<br />
Aufträge untereinan<strong>der</strong> erteilt o<strong>der</strong> Tauschgeschäfte gemacht.<br />
Beson<strong>der</strong>s Webdeveloper und IT-Experten finden<br />
hier häufig neue Auftraggeber. »Wir haben Programmierer,<br />
die allein von den Aufträgen leben können, die sie im betahaus<br />
akquirieren«, sagt Ruben Schmidtmann.<br />
Das Ausmaß an Austausch und Kommunikation unter<br />
den Coworkern hängt zum großen Teil auch von den Betreibern<br />
ab. »Es gibt zwei Typen: solche, die allein den Raum<br />
und die Infrastruktur stellen, und solche, die sehr engagiert<br />
sind und die Vernetzung untereinan<strong>der</strong> aktiv vorantreiben«,<br />
so Janet Merkels Erfahrung. Das fängt schon mit <strong>der</strong> Begrüßung<br />
<strong>der</strong> Neuankömmlinge an: Werden sie den an<strong>der</strong>en<br />
vorgestellt? Gibt es ein Verzeichnis, in dem alle Mieter samt<br />
Tätigkeitsfeld aufgelistet sind? Darüber hinaus gibt es häufig<br />
Aktionen wie gemeinsames Frühstücken, Mittagessen o<strong>der</strong><br />
Biertrinken sowie Events und Workshops.<br />
Das betahaus Hamburg bietet zum Beispiel einen Workshop<br />
zu Verhandlungstraining an und veranstaltet ein Barcamp<br />
zu Fortschritt und Wachstum. Im Berliner betahaus<br />
können Mitglie<strong>der</strong> eine kostenlose Rechtsberatung o<strong>der</strong> einen<br />
Personal Coach in Anspruch nehmen. Während die<br />
Das Hamburger<br />
betahaus residiert<br />
seit 2010 in<br />
<strong>der</strong> Sternschanze.<br />
In diesem Jahr<br />
will es in eine<br />
größere Location<br />
umziehen. Wo<br />
die liegt, ist aber<br />
noch geheim
094 PAGE 06.13 TECHNIK Coworking Spaces<br />
Ausgewähltes<br />
Interior Design<br />
und viel Liebe<br />
zum Detail machen<br />
Places in <strong>der</strong><br />
Innenstadt Hamburgs<br />
beson<strong>der</strong>s<br />
für Kreative<br />
interessant.<br />
Der Fokus liegt<br />
hier auf persönlicher<br />
Arbeitsatmosphäre<br />
mit<br />
Möglichkeit<br />
zum Rückzug<br />
betahaus-Betreiber großen Wert auf Community legen<br />
und ihre Mitglie<strong>der</strong> zur Kommunikation anhalten, bietet zum<br />
Beispiel Places in Hamburg vor allem eine stilvolle Büro umge<br />
bung (siehe oben), entwickelt von den Interior Designern<br />
Achim Schulz und Heino Weber und ihrem Studio punct.object.<br />
Doch auch wenn <strong>der</strong> Schwerpunkt hier nicht auf Gemeinschaftlichkeit<br />
liegt, findet Austausch zwischen den<br />
Mietern statt – vor allem nachmittags im zugehörigen Café.<br />
Arbeiten im Coworking Space steigert die Produktivität<br />
und vergrößert das berufliche Netzwerk<br />
Für die Interaktion untereinan<strong>der</strong> spielt aber auch die Raumgestaltung<br />
eine wichtige Rolle. Meist sitzen mehrere Mie ter in<br />
Open Spaces ohne Abtrennungen zusammen, Lounge-Be-<br />
reiche und Cafés schaffen zusätzliche Möglichkeiten für Austausch.<br />
Fast immer bieten die Coworking Spaces Konferenzräume<br />
für Kundenmeetings, die sich stunden- o<strong>der</strong> tage wei se<br />
mieten lassen, o<strong>der</strong> auch kleine Einzelbüros für konzentrierteres<br />
Arbeiten und Telefonzellen für ungestör te Ge spräche.<br />
Denn ein Nachteil <strong>der</strong> meist offenen Raumgestaltung ist<br />
<strong>der</strong> Geräuschpegel. So gaben in einer »Desk mag«-Umfrage<br />
von Anfang 2012 25 Prozent <strong>der</strong> Teilnehmer an, dass <strong>der</strong> Lärm<br />
sie ablenkt. <strong>Die</strong> Studie ergab allerdings auch, dass dies selten<br />
ein Grund sei, dem Coworking Space den Rücken zu<br />
kehren. <strong>Die</strong> meisten behelfen sich mit Kopfhörern – o<strong>der</strong><br />
sagen einfach Bescheid, wenn sie sich zu sehr gestört fühlen.<br />
Viele Spaces legen Wert auf spielerische Gestaltungselemente.<br />
»Wir probieren ständig Neues aus: seien es Stehschreibtische,<br />
Tischanordnungen o<strong>der</strong> Farbkonzepte«, sagt<br />
Ruben Schmidtmann. Damit ist das betahaus Hamburg nicht
PAGE 06.13<br />
095<br />
allein. »Coworking Spaces sollten sich in einer kons tanten<br />
Betaphase befinden und auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer<br />
eingehen«, so Oliver Marlow vom Londoner Designstudio<br />
Tilt nach einem Workshop auf <strong>der</strong> Coworking Europe Conference<br />
im Dezember 2011. Mitspracherecht bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
gebe den Mietern ein Gefühl von Zugehörigkeit und för<strong>der</strong>e<br />
die Verbundenheit mit dem Space, meint Marlow.<br />
Arbeiten im Coworking Space kann sich in vielerlei Hinsicht<br />
auszahlen. Einer Erhebung von »Deskmag« zufolge<br />
steigert es die Produktivität und vergrößert sowohl das berufliche<br />
als auch private Netzwerk. <strong>Die</strong> Psychologiestudentinnen<br />
Julia Andorfer und Cornelia Gerdentisch von <strong>der</strong><br />
Universität Wien untersuchen <strong>der</strong>zeit den Einfluss von Coworking<br />
auf die Einstellung zur Arbeit. Sie gehen davon aus,<br />
dass Coworker langfristig engagierter arbeiten als zu Hause,<br />
da sie soziale Unterstützung bekommen, die sich posi -<br />
tiv auf persönliche Ressourcen wie Selbstbewusstsein und<br />
Selbstmanagement auswirkt. »Wir wollen mit unserer Studie<br />
zeigen, dass Coworking einen Mehrwert für die heutige<br />
Arbeitswelt hat und eine wertvolle Ergänzung zu gängigen<br />
Modellen ist«, so Andorfer.<br />
Für Start-ups sind Coworking Spaces ein hervorragen<strong>der</strong><br />
Nährboden. Viele verstehen sich als Inkubatoren – wenn<br />
auch eher in ideeller als in finanzieller Hinsicht. Im Google<br />
Campus in London zum Beispiel sitzen hauptsächlich Grün<strong>der</strong>,<br />
denen Mentoren von Google, erfolgreiche Unternehmer<br />
und Anwälte beratend zur Seite stehen. »Wir bieten eine<br />
Basis für Gründung und Wachstum von Start-ups, auch<br />
wenn wir uns nicht finanziell daran beteiligen«, erklärt<br />
Ruben Schmidtmann. So haben die Grün<strong>der</strong> von Protonet,<br />
einer smarten Serverlösung, ihre Geschäfte im Hamburger<br />
betahaus aufgenommen und sind erst vor Kurzem in größere<br />
Räumlichkeiten umgezogen. Das betahaus Berlin hat<br />
sogar eine eigene Etage für Start-ups eingerichtet, die<br />
Raum für Teammeetings und vertrauliche Gespräche bietet.<br />
Darüber hinaus haben die Betreiber ein Stipendium<br />
mit För<strong>der</strong>programm auf die Beine gestellt.<br />
Studenten<br />
aufgepasst:<br />
Für euch gibt’s<br />
6 cm umsonst !<br />
Für Unternehmen sind Coworking Spaces als Orte<br />
interessant, an denen Innovationen entstehen<br />
Auch etablierte Unternehmen zeigen vermehrt Interesse<br />
an <strong>der</strong> neuartigen Arbeitsumgebung. So können sich Mitarbeiter<br />
von OTTO je<strong>der</strong>zeit im betahaus Hamburg einmieten.<br />
»Wir erhoffen uns dadurch mehr Kreativität, Innovationskraft<br />
und Ideenvielfalt für unsere Mitarbeiter. Sie erhalten<br />
eine branchenübergreifende Perspektive, sehen spannende<br />
Entwicklungstrends und vermeiden die sogenannte Betriebsblindheit«,<br />
sagt Nicola Heinrich, Leiterin Personalmarketing<br />
& Ausbildung bei OTTO. Zudem brächten die Flexibilität<br />
und die mobile Arbeitsumgebung dem Konzern einen<br />
Imagegewinn als Arbeitgeber. Im Gegenzug sind die OTTO-<br />
Mitarbeiter auch eine Bereicherung für die an<strong>der</strong>en Mieter:<br />
»Sie bringen die Sichtweisen und Erfahrungswerte eines<br />
global agierenden Großkonzerns mit ein«, so Heinrich.<br />
TUI machte mit <strong>der</strong> Arbeit im betahaus so gute Erfahrungen,<br />
dass das Unternehmen mit Modul57 einen eigenen<br />
Coworking Space in Hannover eröffnete (siehe Seite 96).<br />
»<strong>Die</strong> räumliche Trennung und <strong>der</strong> Abstand zur täglichen<br />
Arbeit haben sehr positive Auswirkungen auf die Projektarbeit«,<br />
sagt Fabian Heuer, Consultant Project Excellence<br />
bei TUI. Modul57 ist offen für alle, wobei für TUI beson<strong>der</strong>s<br />
Freelancer und Firmen aus dem Bereich Neue Medien interessant<br />
sind. Der Austausch erfolgt auch hier spontan.<br />
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Sie bereits in <strong>der</strong> Ausbildung mit starken Konzepten und handwerklichem<br />
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096 PAGE 06.13 TECHNIK Coworking Spaces<br />
Im Modul57, dem<br />
von TUI gestarteten<br />
Coworking<br />
Space in Hannover,<br />
fand dieses<br />
Jahr die offizielle<br />
CeBIT-Pressekonferenz<br />
statt.<br />
<strong>Die</strong> Veranstalter<br />
sahen darin die<br />
passende Umgebung<br />
für das<br />
zentrale Thema<br />
»Shareconomy«<br />
Auf Konferenzen kommen Betreiber aus verschiedenen Län<strong>der</strong>n<br />
zusammen, knüpfen Netzwerke und diskutieren über<br />
die <strong>Zukunft</strong> von Coworking. So entstand das Konzept des<br />
Coworking-Visums, mit dem man bei teilnehmenden Spaces<br />
weltweit einen Platz buchen kann. Aber auch ohne ein solches<br />
Visum bieten Gemeinschaftsbüros überall auf <strong>der</strong> Welt<br />
gute Arbeitsbedingungen für Kreative. Zusätzlich zum Arbeits<br />
platz finden sie dort schnell Anschluss und fühlen sich<br />
idealerweise gleich ein bisschen wie Zuhause.<br />
Coworking Spaces<br />
in Deutschland<br />
findet man über<br />
www.coworking.<br />
de, weltweit über<br />
www.deskwanted.<br />
com. Deren Ausrichtung<br />
lässt sich<br />
meist schon an <strong>der</strong><br />
Selbstbeschreibung<br />
auf <strong>der</strong> Homepage<br />
erkennen.<br />
Viele Spaces bieten<br />
auch einen Probetag<br />
zum Schnupperpreis<br />
an<br />
Für Unternehmen sind die Spaces beson<strong>der</strong>s als Orte interessant,<br />
an denen Innovationen entstehen. »Durch das<br />
Zusammentreffen verschiedener Wissens-, Arbeits- und<br />
Praxiskulturen ergeben sich häufig zufällige Gespräche, die<br />
man so nicht hätte planen können. <strong>Die</strong>se gelten als einer<br />
<strong>der</strong> Haupttreiber für Innovation«, erläutert Janet Merkel.<br />
<strong>Die</strong>ses Innovationsmodell ist für sie einer <strong>der</strong> spannendsten<br />
Aspekte von Coworking, in dem noch viel Potenzial liege.<br />
Auch die wachsende Zahl von Selbstständigen werde<br />
<strong>der</strong> Arbeitsform weiteren Aufschwung geben. Insofern<br />
sind Coworking Spaces durchaus ein Modell für die <strong>Zukunft</strong><br />
<strong>der</strong> Arbeit. Aber eben nur eines von vielen. »<strong>Die</strong> Art <strong>der</strong> Tätigkeiten,<br />
die man dort ausüben kann, ist begrenzt«, meint<br />
Merkel. Daher finden sich in den Gemeinschaftsbüros vor<br />
allem Personen aus den Creative Industries, die beson<strong>der</strong>s<br />
mobil sind und von überall arbeiten können.<br />
Neben den interdisziplinär angelegten Coworking Spaces<br />
gibt es auch spezialisiertere Konzepte wie den Nadelwald in<br />
Berlin, einen »Co-Sewing Space« mit Nähmaschinen am Platz.<br />
An<strong>der</strong>e bieten Ateliers für Fotografen o<strong>der</strong> Werkstätten für<br />
die DIY- und Maker-Szene. Sobald physische Objek te gefertigt<br />
werden, stellt ein Shop eine sinnvolle Erweiterung dar. Spannend<br />
ist zudem die internationale Vernetzung <strong>der</strong> Spaces.<br />
Reich wird man mit <strong>der</strong> Gründung eines<br />
Coworking Space nicht, aber rund 70 Prozent<br />
sind nach zwei Jahren profitabel<br />
Wer jetzt Lust auf Coworking bekommen hat, aber kein geeignetes<br />
Angebot in <strong>der</strong> Nähe findet, kann selbst zum Betreiber<br />
werden. Dazu sollte er vorab das Potenzial für eine<br />
Gründung in seiner Stadt prüfen. Das kann zum Beispiel über<br />
temporäre Coworking-Events passieren, den sogenann ten<br />
Jel lies. Bei »Deskmag« finden künftige Space-Betreiber Informationen<br />
und Tipps von <strong>der</strong> Finanzierung über Raumgestaltung<br />
bis hin zu Community Building. Das betahaus bie tet<br />
zudem eine Art Franchising an: Überzeugt ein lokales Team<br />
die Berliner, unterstützen sie das Projekt mit ihrem Namen,<br />
beraten und beteiligen sich an <strong>der</strong> Finanzierung.<br />
Reich wird man damit aber nicht. »Coworking Spaces<br />
sind nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, son<strong>der</strong>n<br />
auf Gemeinschaft«, sagt Ruben Schmidtmann. Für eine Gründung<br />
sind laut »Deskmag« durchschnittlich 46500 Euro nötig.<br />
<strong>Die</strong> meisten investieren eigenes Kapital und subventionieren<br />
das Projekt zumindest am Anfang mit Einnahmen aus ihrem<br />
Zweitjob. Rund 70 Prozent <strong>der</strong> befragten Spaces waren nach<br />
zwei Jahren profitabel. <strong>Die</strong> Zahlungsbereitschaft <strong>der</strong> Mieter<br />
hat eine deutliche Obergrenze – schließlich ist ein zusätzlicher<br />
Arbeitsplatz zum Homeoffice für viele Freiberufler<br />
ein Luxus. »Viel Geld fließt zurück in die Weiterentwicklung<br />
und Verbesserung <strong>der</strong> Spaces«, erklärt Schmidtmann.<br />
Als Betreiber muss man also entsprechend überzeugt sein<br />
vom Prinzip Coworking.<br />
nik
P R A X I S<br />
Disruptive Creativity<br />
<strong>Die</strong> Alchemie kreativen Denkens<br />
Aufgrund <strong>der</strong> auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in <strong>der</strong> Reihenfolge <strong>der</strong> Eingänge <strong>der</strong> Zahlungen berücksichtigt. <strong>Die</strong> Teilnahmegebühr fällt mit <strong>der</strong> Anmeldung<br />
an. Sie ist sofort nach Erhalt <strong>der</strong> Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage <strong>der</strong> Veranstaltung seitens <strong>der</strong> Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll<br />
zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht. Bei Stornierung <strong>der</strong> Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 14.06.2013 berechnen wir 50 Prozent, ab 19.07.2013 100 Prozent<br />
<strong>der</strong> Teilnahmegebühr. <strong>Die</strong> Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist je<strong>der</strong>zeit möglich. Es werden nur schriftliche Stornierungen o<strong>der</strong> Namenswechsel akzeptiert. Es gilt <strong>der</strong> Poststempel.<br />
<strong>Die</strong> Agenda<br />
Von <strong>der</strong> Geißel des Briefings zu<br />
inspirierenden Zielen.<br />
Ziel: <strong>Die</strong> richtigen Fragen stellen, die essenziellen<br />
Ziele punktgenau erfassen, das<br />
Problem durchdringen und in eine inspirierende<br />
Quelle für wirklich Neues verwandeln.<br />
Stumpf gewordene Werbemittel<br />
neu aufladen.<br />
Ziel: Der Sprung in bisher unberührte<br />
Ideenfel<strong>der</strong>, anstatt im Pool <strong>der</strong> üblichen<br />
Standardideen zu fischen. Radikal neue<br />
Ideen für stumpf gewordene Werbemittel<br />
wie etwa Broschüren, POS-Material,<br />
Online-Games, Messen o<strong>der</strong> Banner.<br />
Ein Spielfeld für radikal neue<br />
Kommunikationsideen schaffen.<br />
Ziel: Innovative Werbeformate entwickeln,<br />
indem man lieb gewonnene Denkroutinen,<br />
Normen o<strong>der</strong> einschränkende Regeln spielerisch<br />
durchbricht. Welche überraschend<br />
neuen Werbeformen könnte es 2015 geben?<br />
Kreativtechniken für eine<br />
neue Creative Culture.<br />
Ziel: Verblüffende Kreativmethoden sollen<br />
in Teams eine dauerhafte Creative Culture<br />
etablieren. Ein klarer Kreativprozess zeigt,<br />
wie man Routine und Frust verhin<strong>der</strong>t und<br />
gleichzeitig Zeit und Ressourcen spart.<br />
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Das Seminar<br />
n Produkte und ihre Botschaften zu optimieren, um sie letztlich doch nur austauschbar<br />
zu machen, das war einmal. Produkten eine Aura zu verleihen, das<br />
ist heute: Was den Verbraucher gefühlsmäßig nicht anspricht, das grenzt er aus.<br />
Was sein Interesse nicht weckt, kann er auch nicht wahrnehmen, geschweige<br />
denn begehren. Aber aufmerksamkeitsstarkes Kommunikationsdesign erzeugen<br />
wir nur, wenn wir gegen Regeln verstoßen, von <strong>der</strong> Norm abweichen,<br />
sprich: wenn wir auf Wie<strong>der</strong>holung angelegte Erwartungen durchkreuzen.<br />
Wie also entkommen wir bereits tausendfach gedachten Ideen, bloßen Me-too-<br />
Lösungen o<strong>der</strong> dem Risiko, sich unter Zeit- und Erfolgsdruck lediglich selbst<br />
zu kopieren? »Disruptive Creativity« ist das Sprungbrett zur übernächsten, nicht<br />
nur zur nächsten Idee. Während dieses Trainings erproben Sie mithilfe ungewöhnlicher<br />
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Mario Pricken gibt Antwort auf die Frage, wie stumpf gewordene Tools aus<br />
Design, Werbung und Marketing innovativ aufgeladen o<strong>der</strong> grundlegend neu<br />
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Denkens« mit Mario Pricken findet statt am 20./21. September 2013<br />
im Hotel Gastwerk, Hamburg. Am Freitag beginnt es um 13 Uhr und endet um<br />
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1390 Euro (zzgl. gesetzlicher MwSt.). <strong>Die</strong> Teilnahmegebühr umfasst die Tagungskosten,<br />
Lunch und Kaffeepausen. <strong>Die</strong> Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen<br />
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Der Referent<br />
n Mario Pricken ist einer <strong>der</strong> gefragtesten Profis <strong>der</strong> Creative Industries, wenn es<br />
um neue Kreativitätstechniken, Denkstrategien und effektives Ideenmanagement<br />
geht. Seit Jahren wird er von namhaften Werbeagenturen, Designfirmen, Fernsehstationen<br />
und internationalen Marketingabteilungen als Consultant o<strong>der</strong> Kreativitätstrainer<br />
engagiert. »Adweek«, »AdAsia« o<strong>der</strong> die »Financial Times« sind nur drei<br />
jener Medien, die seine Methoden als überzeugenden neuen Weg zur Professionalisierung<br />
<strong>der</strong> Kreativbranche sehen. Dass sich sein Buch »kribbeln im Kopf« über<br />
100 000 Mal verkauft hat, spricht für sich.
098<br />
PAGE 06.13<br />
TECHNIK<br />
TOOLS & TECHNIK<br />
Adobe Lightroom 5 als Public Beta<br />
n Knapp ein Jahr nach dem offiziellen<br />
Start von Lightroom 4 präsentiert<br />
Adobe bereits eine Public Beta von<br />
Light room 5. Damit erhöht <strong>der</strong> Hersteller<br />
das Tempo bei <strong>der</strong> Aktualisierung<br />
seines Fotoworkflowtools. <strong>Die</strong> Neuerungen<br />
fallen entsprechend mo<strong>der</strong>at<br />
aus: Neu ist das Aufrichten-Werkzeug,<br />
das Linien innerhalb des Bildes selbstständig<br />
erkennt und so perspektivische<br />
Verzerrungen, aber auch opti sche<br />
Verzeichnung automatisch ausgleicht.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e Architekturaufnahmen<br />
und Stadtansichten profitieren von<br />
die ser Funktion. In <strong>der</strong> neuen Version<br />
arbeitet das Aus bessern-Werk zeug wie<br />
ein Pinsel – vorher konnte man nur<br />
kreisrund stempeln.<br />
Interessant ist die Möglichkeit, sogenannte<br />
Smart Previews zu erstellen<br />
und sich so unabhängig von den Original-Fotos<br />
zu machen. Denn diese können<br />
im Netzwerk o<strong>der</strong> auf einer externen<br />
Festplatte liegen, während man<br />
die Bil<strong>der</strong> unterwegs auf seinem Notebook<br />
bearbeitet. Sobald Lightroom 5<br />
wie<strong>der</strong> auf die Original-Bilddaten zugreifen<br />
kann, überträgt es automatisch<br />
die an den Previews durchgeführten<br />
Bearbeitungsschritte.<br />
<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en Verbesserungen betreffen<br />
Details bei <strong>der</strong> Buch- und Diashow-Funktion.<br />
<strong>Die</strong> Public Beta läuft<br />
unter Mac OS und Windows – und das<br />
zeitlich begrenzt bis Ende Juni. Adobe<br />
wollte noch keinen Termin für das Erscheinen<br />
<strong>der</strong> finalen Version nennen,<br />
dieser dürfte jedoch vor Ablauf <strong>der</strong><br />
Betaversion liegen.<br />
≥ http://labs.adobe.com<br />
Lightrooms neues Aufrichten-Tool erkennt selbsttätig<br />
Linien in Fotos und stellt sie gerade. Auf Wunsch werden<br />
die Bil<strong>der</strong> auch automatisch passend beschnitten<br />
Luxus-Lochkamera<br />
n Zurück zu den Anfängen, aber mit möglichst viel Komfort: Mit <strong>der</strong> Harman Titan kann man relativ<br />
unkompliziert großformatige Analogaufnahmen anfertigen. Es gibt die Lochkamera in den Größen<br />
4 mal 5 Zoll und 8 mal 10 Zoll für klassischen Planfilm. Mit einem Stativgewinde, einer Wasserwaage und<br />
einem Zubehörschuh stellt die Titan die Luxusvariante einer Lochkamera dar. Geliefert werden<br />
beide Versionen mit Weitwinkel-Lochblenden (72 und 150 Millimeter), die austauschbar sind. Während<br />
Papier und Film für den ersten Start mitgeliefert werden, muss man eine Planfilmkassette geson -<br />
<strong>der</strong>t beziehen. Beide Titan-Varianten sind im Fotofachhandel erhältlich und kosten etwa 240 Euro<br />
(4 mal 5 Zoll) und circa 420 Euro (8 mal 10 Zoll). Für Planfilmkassetten sollte man rund 50 Euro für<br />
die kleine und 300 Euro für die große einrechnen. Den Vertrieb in Deutschland übernimmt Le Bon Image.<br />
≥ www.bon-image.com
PAGE 06.13 099<br />
1 2<br />
Der XA25 deckt mit<br />
seinem Zoom<br />
einen Brennweitenbereich<br />
von 27 bis<br />
576 Millimetern ab<br />
Profi-Camcor<strong>der</strong> von Canon<br />
n Mit drei neuen HD-Camcor<strong>der</strong>n erweitert<br />
Canon ihr Portfolio für ambitionierte<br />
Videofilmer. Der XA 20 und <strong>der</strong><br />
XA25 sind Teil <strong>der</strong> professionellen X-Serie,<br />
<strong>der</strong> Legria HF G30 ist eher für den<br />
semiprofessionellen Markt konzipiert.<br />
<strong>Die</strong> drei nutzen dieselbe Sensor- und<br />
Prozessortechnik: einen neuartigen 1:2,<br />
84-CMOS-Sensor, <strong>der</strong> nach Angaben<br />
von Canon eine sehr gute <strong>Low</strong>-Light-<br />
Per formance bieten soll. Das optimierte<br />
Bildstabilisatorsystem soll vor allem<br />
bei Auf nahmen im Gehen Schwanken<br />
und Verwackler besser kompensie ren.<br />
<strong>Die</strong> drei Kameras zeichnen im MP4-<br />
o<strong>der</strong> AVCHD-Format mit verschiede-<br />
Der AOC my-<br />
Multi-Play<br />
kann mehrere<br />
Signalquellen<br />
parallel<br />
darstellen<br />
Ultrawide-Displays<br />
n Gleich zwei neue Bildschirme im<br />
21:9-Format sind erschienen: <strong>der</strong> my-<br />
Multi-Play von AOC und <strong>der</strong> Crystal-<br />
Clear 298P4QJEB von Philips, <strong>der</strong> unter<br />
<strong>der</strong> Submarke MMD vertrieben wird.<br />
Das überbreite Format kann in vielen<br />
Fällen zwei Monitore ersetzen und ist<br />
darüber hinaus für die Produktion bewegter<br />
und unbewegter Panoramaformate<br />
ideal. Beide Modelle setzen auf<br />
IPS-Panels, die bis in die Ecken hinein<br />
für eine blickwinkelstabile Farbwie <strong>der</strong>gabe<br />
sorgen sollen. Auch die Auflösung<br />
ist gleich hoch und beträgt 2560 mal<br />
1080 Bildpunkte.<br />
nen Bildraten bis zu 1080/50p auf. Sie<br />
sind jeweils mit zwei SD-Karten-Slots<br />
ausgestattet, sodass sich die Aufnahmen<br />
parallel in unterschiedlichen Formaten<br />
speichern lassen. Das ist von<br />
Vor teil, um eine hochwertige Variante<br />
für die finale Fassung und eine handliche<br />
für die erste Sichtung zu erhalten.<br />
Während alle drei Modelle über<br />
WLAN, HDMI, USB, Mikrofon- und Kopfhöreranschlüsse<br />
verfügen, hat allein<br />
<strong>der</strong> XA25 einen HD-SDI-Ausgang. <strong>Die</strong><br />
drei Camcor<strong>der</strong> sollen ab Juni verfügbar<br />
sein und kosten zwischen 1500 Euro<br />
(Legria HF G30) und 2500 Euro (XA25).<br />
≥ www.canon.de<br />
Der myMulti-Play kann mehrere Signalquellen<br />
simultan darstellen und verfügt<br />
zudem über eine MHL-Anschluss,<br />
sodass Android-Geräte via Kabel ihr<br />
Bild auf dem Monitor ausgeben können.<br />
Zum Lieferumfang gehört auch eine<br />
Software zur besseren Un ter tei lung<br />
<strong>der</strong> Bildschirmfläche beim Rech ner betrieb.<br />
Der Philips-Monitor ist in einer<br />
Professional-Variante erhältlich, die Mikrofon<br />
und Webcam ergänzt. Auch er<br />
zeigt mehrere Videoquellen zugleich<br />
an. Kostenpunkt: jeweils rund 500 Euro.<br />
≥ www.aoc-europe.com;<br />
www.mmd-p.com<br />
Hard- und Software<br />
+++ Mac Pro schneller machen. Sapphire hat eine Mac-<br />
Edition ihrer Grafikkarte Radeon HD 7950 speziell für den<br />
<strong>der</strong>zeit nicht mehr neu erhältlichen Mac Pro vorgestellt.<br />
Der Hersteller verspricht eine Steigerung <strong>der</strong> Grafikperformance<br />
von bis zu 300 Prozent. <strong>Die</strong> Karte ist ab sofort<br />
er hältlich und kostet circa 460 Euro. ≥ www.sapphiere<br />
tech.com +++ Windows mit Flash. Entgegen ersten<br />
Ankündigungen unterstützen jetzt doch Windows 8<br />
und Windows RT per Default die Flash-Technologie von<br />
Adobe. ≥ http//:blogs.msdn.com +++ DesignPad aktualisiert.<br />
1 Quarks iPad-App zum Festhalten von Layoutund<br />
Designideen gibt es in Version 1.5.0. Sie verfügt jetzt<br />
über eine Undo-Funktion und soll es erlauben, Rahmen<br />
zu manipulieren und Bil<strong>der</strong> präziser zu platzieren. Außerdem<br />
kann man Schattenfarben definieren und Textumrandungen<br />
anlegen. <strong>Die</strong> App ist kostenlos, wer Features<br />
zum Teilen <strong>der</strong> Designs und weitere Exportforma te<br />
benötigt, zahlt 8,99 Euro. +++ Nik-Plug-ins billiger. <strong>Die</strong><br />
Nik-Plug-ins für Photoshop, Aperture und Lightroom sind<br />
jetzt deutlich günstiger zu haben. Google hat als neuer<br />
Besitzer <strong>der</strong> intuitiven Bildbearbeitungstechnologie den<br />
Verkaufspreis für das Bundle mit allen Plug-ins, bestehend<br />
aus Viveza, HDR Efex Pro, Color und Silver Efex sowie<br />
Sharpener Pro, von vorher 500 Dollar auf rund 150 Dollar<br />
gesenkt. ≥ www.niksoftware.com +++ Browser-<br />
Testplattform überarbeitet. Microsoft hat mo<strong>der</strong>n.IE,<br />
die Testplattform für Internet Explorer, ins Deutsche übertragen,<br />
überarbeitet und um weitere virtuelle Maschinen<br />
ergänzt. ≥ www.mo<strong>der</strong>n.ie/de-de +++ Kurzdistanz-<br />
Projektoren. 2 Für kleine Seminarräume sind die neuen<br />
Beamer mit Lasertechnologie von LG interessant. Sie<br />
können bei einem Projektionsabstand von 52 Zentimetern<br />
eine Bilddiagonale von etwa 80 Zoll darstellen. <strong>Die</strong><br />
Haltbarkeit <strong>der</strong> Lichtquelle gibt LG mit über 20000 Stunden<br />
an. <strong>Die</strong> beiden ersten Modelle, <strong>der</strong> SA560 und <strong>der</strong><br />
SA565, kosten etwa 1700 und 1900 Euro. ≥ www.lge.com<br />
+++ Neues PDF/X- und Color-Management-Handbuch.<br />
Cleverprinting hat ihre Broschüre zum Umgang mit PDF<br />
und Farbmanagement überarbeitet. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />
liegt dabei auf <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Gestalter<br />
und Druckdienstleister. Auch dieses Handbuch<br />
ist kostenlos als PDF-Datei downloadbar; die gedruckte<br />
Variante kostet knapp 20 Euro. ≥ www.cleverprinting.de<br />
+++ Thun<strong>der</strong>bolt-Dock von CaDigit. Auch CalDigit kündigt<br />
ein Dock für die fast nur von Apple ver baute Uni versalschnittstelle<br />
an. Zum Preis von etwa 200 Dol lar soll es<br />
USB 3.0, HDMI, LAN und eine weitere Thun<strong>der</strong>bolt-<br />
Schnitt stelle zur Verfügung stellen. Der Erscheinungstermin<br />
stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. ≥ www.<br />
caldigit.com +++ Profi-Monitor von Lenovo. Ein 30-Zoll-<br />
IPS-Panel mit 2560 mal 1600 Bildpunkten, eine Farbtiefe<br />
von 10 Bit pro Kanal und eine 99-prozentige Ab deckung<br />
des Adobe-RGB-Farbraums zeichnen den Think Vision<br />
LT3053p aus. Der für Grafikarbeiten konzipierte Mo nitor<br />
ist mit einer Lichtschutzhaube ausgestat tet. Im US-Shop<br />
ist er für etwa 1600 Dollar gelistet, in Deut schland soll er<br />
laut Lenovo bald erhältlich sein. ≥ www.lenovo.com ml
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PAGE 06.13<br />
EINBLICKE<br />
Frühling lässt sein blaues Band ... Auch Kreative zieht es jetzt in ihre Gärten – vier gewähren hier Einblick<br />
Hauptstadtoase<br />
plexes in Berlin-Mitte renoviert und<br />
einzugsbereit. Jetzt leben 4 Familien in<br />
dem Areal, 7 Kin<strong>der</strong> bevölkern den Garten,<br />
fast 20 Designer die angrenzen den<br />
Büros von Moniteurs und xplicit bln.<br />
2000 stand hier kein Grashalm, heute<br />
überragen die Birken den Dachfirst<br />
<strong>der</strong> Remisen. <strong>Die</strong> hohen Brandschutzwände<br />
<strong>der</strong> umstehenden Gebäude<br />
sind das Problem hier – erst im März<br />
n Dass das Thema »Kreative und ihre<br />
Gärten« in PAGE Platz findet, zeigt eine<br />
tiefe Sehnsucht <strong>der</strong> meisten in unserer<br />
Branche – in erster Linie nach Unerreichbarkeit.<br />
Mein Garten liegt im<br />
Nor den von Berlin – dort, wo ihn keiner<br />
finden kann. Er hat – auf den Quadratmeter<br />
genau – 4000 Quadratmeter.<br />
Unser Garten ist wild, ungezwungen<br />
und ursprünglich. Bei uns darf wachsen,<br />
was wachsen will und keinen beson<strong>der</strong>s<br />
großen Wert auf Pflege legt.<br />
Denn dafür haben wir keine Zeit. Unser<br />
Garten soll uns pflegen, uns Freude geben<br />
und Ruhe spenden.<br />
Als Städter haben wir schon immer<br />
von einem Refugium auf dem Land geträumt.<br />
Als Städter haben wir es nafällt<br />
die Sonne bis auf den<br />
Boden. Um auch die Nordseite<br />
mit Licht zu versorgen,<br />
hoben wir das Niveau des<br />
Gartens auf <strong>der</strong> unterbelichteten<br />
Seite um bis zu 2,5 Meter<br />
an. Ganze 1000 qm Muttererde<br />
schafften wir dafür<br />
mit Schubkarren in den zweiten<br />
Hinterhof. . . Das brach te<br />
uns näher zum Himmel.<br />
Zu meinem Gärtnerstolz gehören<br />
die 20 Bäume, darunter Quittenbäume,<br />
die im Herbst quietschorangen Gelee<br />
spendieren. Der große Pflaumbaum<br />
rückt drei Pflaumen raus, wenn’s hoch<br />
kommt, dafür blüht er prächtig! Das<br />
Gemüse kommt aus den benachbarten<br />
Bioläden – unser Schattengarten ist<br />
nicht gerade ein Ertrag-Reich!<br />
Wer sich in unseren Hof verirrt,<br />
glaubt häufig kaum, dass wir hier tatsächlich<br />
mitten in <strong>der</strong> Stadt sind. Das<br />
liegt vielleicht mit an den »Baumhaus«<br />
genannten, sonnenbesegelten Holztür<br />
men, die Klettergerüst, Wochenendhaus,<br />
Frühstückslounge, Kaminzimmer<br />
und Raclette-Hütte sind. Hoffentlich<br />
kommt bald die Sonne! Dann können<br />
sich xplicits und Moniteurs wie<strong>der</strong> zum<br />
Mittag an den Biertischen treffen.<br />
Alexan<strong>der</strong> Branczyk, Geschäftsführer<br />
von xplicit bln<br />
Außer Reichweite<br />
n Es fing alles mit den Kin<strong>der</strong>n an. Vorher<br />
hat mich das Thema Garten nicht<br />
die Feuerbohne interessiert. Mit unserer<br />
ersten Tochter verwandelte sich <strong>der</strong><br />
3-Quadratmeter-Balkon in Char lot tenburg<br />
in einen Instantgarten mit Dutzenden<br />
verschiedener Töpfe. Plötz lich<br />
sollte alles um uns herum wachsen. Als<br />
die Kleene 3 Jahre alt war, war dann<br />
unsere Remise im Hof eines Altbaukomtürlich<br />
im Internet gesucht –<br />
und tatsächlich auch gefunden.<br />
Ein Garten mit Häuschen,<br />
<strong>der</strong> vier Jahre lang am<br />
Schwarzen Brett des Rathauses<br />
<strong>der</strong> Gemeinde zum<br />
Verkauf angeboten wurde<br />
und erst mithilfe eines innovativen<br />
Immobilienmaklers<br />
zu ImmobilienScout24 kam.<br />
Gartenarbeit und gestalterische Arbeit<br />
haben eine ganz große Gemeinsamkeit:<br />
Von <strong>der</strong> Idee bis zum Ergebnis,<br />
das man voller Stolz bestaunen<br />
kann, vergehen Wochen, wenn nicht<br />
sogar Monate. Der wichtigste Unterschied:<br />
Beim Garten redet einem <strong>der</strong><br />
Kunde nicht rein.<br />
Bert Peulecke, Geschäftsführer von<br />
thjnk berlin
PAGE 06.13 107<br />
Gestaltete Wildnis<br />
n Letztes Jahr haben wir auf dem Balkon<br />
von Scholz & Volkmer in alten, mit<br />
Textil ausgekleideten Weinkisten einen<br />
Gewürz- und Blumengarten angelegt.<br />
Wer gerade vorbeikam, goss mal die<br />
Pflanzen o<strong>der</strong> zupfte das Unkraut. <strong>Die</strong><br />
Kräu ter verwendeten wir für die gemein<br />
sa men Mittagessen. Dann hörten<br />
wir von dem Forschungsprojekt<br />
»Urban Gardening<br />
2.0« anlässlich des Wissenschaftsjahres<br />
2012 ( http://<br />
urbangardening2.de ) zu <strong>der</strong><br />
Gestaltung eines nachhaltigen<br />
Firmengartens, initiiert<br />
vom Leibniz-Zentrum für<br />
Ag rarlandschaftsforschung<br />
und <strong>der</strong> Humboldt-Universität<br />
zu Berlin.<br />
Wir entwickelten ein Gartenkonzept<br />
für den Campus des alten Klinikkomplexes,<br />
in dem Scholz & Volkmer ihren<br />
Sitz hat, bewarben uns um die För<strong>der</strong>ung<br />
– und gewannen den Hauptpreis.<br />
Geplant sind Blumen- und Gemüsegarten,<br />
viele verschiedene Sitzgelegen-<br />
n Unser Garten ist beinahe<br />
3000 Quadratmeter groß<br />
und liegt am Südrand <strong>der</strong><br />
Uckermark – in einem kleinen<br />
Dorf direkt neben einem<br />
wun<strong>der</strong>baren, uralten<br />
Buchenwald, <strong>der</strong> kürzlich<br />
zum Weltnaturerbe erhoben<br />
wurde. Nach Berlin sind es von hier<br />
aus etwa 70 Kilometer und eine gute<br />
Stunde Autofahrt. Als meine Familie<br />
und ich das Grundstück vor 4 Jahren<br />
samt einem ziemlich heruntergekommenen<br />
Häuschen gekauft haben, war<br />
<strong>der</strong> Garten vollkommen verwil<strong>der</strong>t.<br />
Bisher haben wir keinen richtigen<br />
Gartenplan gemacht. Das soll sich langsam<br />
entwickeln – ein schöner Garten<br />
braucht Zeit. Wir bauen hier alles Mögliche<br />
an: Gemüse, Kräuter, Beeren,<br />
Obst, Blumen, Sträucher, Bäume. Ich<br />
mag das entspannte Neben- und Miteinan<strong>der</strong>,<br />
ein rein formaler Garten langweilt<br />
mich. Ich lese viel über Pflanzen<br />
und Gärten. Wenn ich ein Vorbild beheiten,<br />
ein Grillplatz – eben ein Rückzugsort<br />
auf dem <strong>Agentur</strong>gelände. Außerdem<br />
bekommen die Kleinen aus<br />
dem benachbarten Kin<strong>der</strong>garten ein<br />
eigenes Beet. Spannend wird es zu<br />
überprüfen, ob klimaneutrales Gärtnern<br />
möglich ist, denn wir wollen das<br />
Projekt in den Klimareport unserer<br />
<strong>Agentur</strong> einfließen lassen.<br />
Mein persönlicher Bezug zum Garten<br />
ist auch durch meine Kindheit geprägt,<br />
in <strong>der</strong> ich schon viel im Garten<br />
geholfen habe. Ich liebe Gärten wie<br />
den verwunschenen Philosophenpfad<br />
in Kyoto, in denen es in allen Ecken<br />
etwas zu entdecken gibt – mit einer<br />
gewissen Leichtigkeit und leicht morbide<br />
anmutendem Charme, einer Art<br />
absichtlichem Chaos. Ein Unterschied<br />
zur alltäglichen Arbeit eines Designers<br />
ist, dass sich ein Garten viel weniger<br />
kontrollieren lässt – das ist ja auch das<br />
Schöne daran.<br />
Nanna Beyer, Manager Creating<br />
Shared Value bei Scholz & Volkmer,<br />
Wiesbaden<br />
Eigene Zeit<br />
nennen soll, wäre das <strong>der</strong> Garten von<br />
Karl Foerster in Potsdam. <strong>Die</strong> Anlage<br />
eines Gartens hat sehr viel mit Gestaltung<br />
zu tun - man schafft ja Bil<strong>der</strong> und<br />
Räume mit Pflanzen. Das Schöne und<br />
gleichzeitig enorm Schwierige dabei ist,<br />
dass das Ganze lebt und sich ständig<br />
wandelt. Ohne Erfahrung stößt man da<br />
schnell an Grenzen.<br />
Was das Gärtnern betrifft, bin ich<br />
familiär vorbelastet. Der Wunsch nach<br />
einem eigenen Garten kam aber erst<br />
in meinen Dreißigern auf, die Erfüllung<br />
hat noch mal eine gute Dekade gedauert<br />
. . . Für mich bedeutet Gartenarbeit<br />
die perfekte Entspannung, weil ich dabei<br />
alles an<strong>der</strong>e komplett vergessen<br />
kann. Ich bin dann wirklich »geerdet«.<br />
Und die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Natur im<br />
Lauf des Jahres und die Entwicklung<br />
des Gartens von Jahr zu Jahr zu beobachten<br />
– ein Vergnügen!<br />
Mathias Remmele, freier Kurator,<br />
Design- und Architekturjournalist,<br />
Berlin
108<br />
PAGE 06.13<br />
KALENDER<br />
KONGRESSE<br />
MESSEN<br />
SEMINARE<br />
05.05.–07.05.<br />
European Newspaper<br />
Congress 2013<br />
Konferenz zu Zeitungsdesign<br />
und -konzeption<br />
Rathaus Wien<br />
≥ www.newspapercongress.eu<br />
08.05.<br />
The Natural With<br />
The Artificial<br />
Ab 19 Uhr sprechen Cohen<br />
van Balen und mischer’-<br />
traxler über »Panoramen<br />
des technologischen<br />
Re-Designs von Natur und<br />
dem Einsatz von natürlichen<br />
Prozessen in <strong>der</strong><br />
Gestaltung«. Am 14. Mai<br />
wird die Veranstaltung<br />
mit Vorträgen von Stefan<br />
Schwabe und Susana<br />
Soares und fortgesetzt<br />
Designtransfer, UdK Berlin<br />
≥ www.designtransfer.<br />
udk-berlin.de<br />
15.05.–17.05.<br />
Google I/O 2013<br />
Entwicklerkonferenz<br />
San Francisco<br />
≥ https://developers.<br />
google.com/events/io<br />
15.05.–16.05.<br />
Digital Marketing &<br />
Media Summit<br />
Event zu Social-Media-<br />
Marketing Hamburg<br />
≥ www.d2m-summit.de<br />
1<br />
16.05.–18.05.<br />
TYPO Berlin 2013<br />
Internationale Designkonferenz<br />
zum Thema<br />
»Touch« HKW, Berlin<br />
≥ http://typotalks.com/<br />
berlin/de<br />
23.05.–24.05.<br />
KarmaKonsum<br />
Konferenz<br />
Kongress und Green-<br />
Camp zum Thema Nachhaltigkeit<br />
IHK Frankfurt<br />
≥ www.karmakonsum.<br />
de/konferenz<br />
27.05.–29.05.<br />
beyond tellerrand<br />
Konferenz & Workshops<br />
zu Webdesign Düsseldorf<br />
≥ http://2013.beyond<br />
tellerrand.com<br />
06.06.–07.06.<br />
Designsymposium<br />
Bei <strong>der</strong> Frage »Was ist<br />
nachhaltige Kommunikation?«<br />
liegt <strong>der</strong> Fokus auf<br />
Informationsgestaltung<br />
Fachhochschule<br />
Vorarlberg, Dornbirn<br />
≥ www.fhv.at<br />
11.06.–12.06.<br />
Umweltkonferenz<br />
Thema: Nachhaltigkeit<br />
in <strong>der</strong> Medienproduktion<br />
Messe Düsseldorf<br />
≥ www.umwelt<br />
konferenz.com<br />
12.06.<br />
cxi_13<br />
Bei <strong>der</strong> CI-Konferenz zählen<br />
unter an<strong>der</strong>em Stan<br />
Hema und edenspiekermann<br />
zu den Sprechern<br />
Fachhochschule Mainz<br />
≥ www.cxikonferenz.org<br />
14.06.<br />
Leitmedium Design 1:<br />
Gutes Design entwickeln<br />
PAGE-Seminar mit Jochen<br />
Rädeker (siehe Seite 82)<br />
Hotel 25hours, Hamburg<br />
≥ www.page-online.de/<br />
seminar<br />
Franco Clivios mo<strong>der</strong>ne Wun<strong>der</strong>kammer zeigt das Gewerbemuseum Winterthur<br />
4<br />
<strong>Die</strong> koreanische Designszene ist in Frankfurt zu Gast<br />
15.06.<br />
Leitmedium Design 2:<br />
Gutes Design<br />
gut verkaufen<br />
PAGE-Seminar mit Jochen<br />
Rädeker (siehe Seite 83)<br />
Hotel 25hours, Hamburg<br />
≥ www.page-online.de/<br />
seminar<br />
28.06.<br />
Ampersand 2013<br />
Webtypografie-<br />
Konferenz Brighton<br />
Dome Corn Exchange<br />
≥ http://2013.amper<br />
sandconf.com<br />
WETTBEWERBE<br />
Kreativawards 2013<br />
Auf PAGE Online finden<br />
Sie eine Übersicht<br />
aktueller Wettbewerbe<br />
≥ www.page-online.de/<br />
wettbewerbe<br />
Bis 12.05.<br />
AppArtAward 2013<br />
Neben dem künstlerischen<br />
Innovationspreis<br />
gibt es die Son<strong>der</strong>preise<br />
Augmented Reality Art<br />
und Crowd Art – je<strong>der</strong><br />
mit 10 000 Euro dotiert.<br />
≥ www.app-artaward.org<br />
Bis 24.05.<br />
PrintStars 2013<br />
Innovationspreis<br />
<strong>der</strong> Deutschen<br />
Druckindustrie<br />
≥ www.printstars.de<br />
Bis 24.05.<br />
red dot award: communication<br />
design 2013<br />
Designer, <strong>Agentur</strong>en und<br />
Auftraggeber können<br />
Arbeiten in Kategorien<br />
von »Posters« bis hin zu<br />
»Social Media« einreichen<br />
≥ http://red-dot.de<br />
Bis 31.05.<br />
Hamburg Animation<br />
Award 2013<br />
Internationaler<br />
Nachwuchspreis für<br />
Animationsdesign<br />
≥ www.hamburganimation-award.de<br />
Bis 31.05.<br />
Fantoche 2013:<br />
Call for Entries<br />
Das Schweizer Animationsfilmfestival<br />
sucht »gewagte Ideen,<br />
neue Bil<strong>der</strong> und überraschende<br />
Geschichten«<br />
≥ www.fantoche.ch<br />
Bis 19.06.<br />
red dot award: design<br />
concept 2013<br />
Neu sind unter an<strong>der</strong>em<br />
die Kategorien »Service«<br />
und »Interaktion«<br />
≥ http://red-dot.de<br />
Bis 30.06.<br />
17. animago Award 2013<br />
Digital Artists können<br />
Arbeiten im Bereich 3-D,<br />
Animation, Effekte und<br />
Gamedesign einreichen<br />
≥ www.animago.com<br />
Bis 05.08.<br />
kurzundschön 2013<br />
Bewegtbildwettbewerb<br />
für junge Kreative<br />
≥ www.kurzundschoen.<br />
khm.de<br />
AUSSTELLUNGEN<br />
FESTIVALS<br />
03.05.–02.06.<br />
Designmonat Graz<br />
Spannendes Programm<br />
aus Ausstellungen, Konferenzen<br />
und Festivals<br />
≥ www.designmonat.at<br />
Von unten: © Franco Clivio; Foto: Hans Hansen Ausschnitt aus dem Plakatson<strong>der</strong>druck zur Ausstellung »No Name Design«; Songzio, Modenschau Fall/Winter 2010, Foto: Songzio
PAGE 06.13 109<br />
≥ Weitere Termine unter www.page-online.de/events . Dort können Sie uns auch Ihre Veranstaltungstermine mitteilen<br />
Von unten: Lars Fiske (www.fiske.no) aus »Merz i Molde« (2007); Foto: »Fressen o<strong>der</strong> Fliegen« © Harun Farocki & Antje Ehmann 2008<br />
05.05.–06.10.<br />
1 No Name Design.<br />
<strong>Die</strong> Wun<strong>der</strong>kammer<br />
von Franco Clivio<br />
Über 900, meist kleine<br />
Gebrauchsobjekte hat<br />
<strong>der</strong> Designer Franco<br />
Clivio, Dozent an <strong>der</strong><br />
Hochschule für Gestaltung<br />
Zürich, gesammelt. Ihn<br />
fasziniert weniger die<br />
gute Form als vielmehr<br />
eine gestalterische<br />
Qualität, die auf <strong>der</strong><br />
Beson<strong>der</strong>heit von Funktion,<br />
Material und Konstruktion<br />
beruht Gewerbemuseum<br />
Winterthur<br />
≥ www.gewerbe<br />
museum.ch<br />
Bis 15.05.<br />
Concept Art, Preproduction<br />
und Design in <strong>der</strong><br />
Unterhaltungsindustrie<br />
Mit 30 Kunstwerken von<br />
15 internationalen Digital<br />
Artists gibt die Schau Einblick<br />
in die Enstehungsprozesse<br />
von Film- und<br />
Gameproduktionen<br />
Design Center Stuttgart<br />
≥ www.design-center.de<br />
16.05.–18.05.<br />
ADC Festival 2013<br />
Neben Awards Show und<br />
Party gibt es eine Ausstellung,<br />
einen Nachwuchstag<br />
und einen Kongress<br />
zum Thema »The Power<br />
of Digital Ideas« Oberhafenquartier,<br />
Hamburg<br />
≥ www.adc.de<br />
16.05.–15.09.<br />
Böse Dinge. Eine<br />
Enzyklopädie des<br />
Ungeschmacks<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung des<br />
Berliner Museums <strong>der</strong><br />
Dinge ist zu Gast im<br />
Museum für Kunst und<br />
Gewerbe Hamburg<br />
≥ www.mkg-hamburg.de<br />
22.05.–26.05.<br />
backup_festival 2013<br />
Kurzfilmfestival Weimar<br />
≥ www.backupfestival.de<br />
29.05.–02.06.<br />
2 Comicfestival<br />
München<br />
Ausstellungen, Zeichenkurse<br />
und Comicbörse<br />
an über 15 Standorten<br />
≥ www.comicfestivalmuenchen.de<br />
3<br />
Harun Farocki erkundet in seinen experimentellen Filmen und Installationen narrative Spielregeln<br />
01.06.–24.11.<br />
La Biennale di Venezia<br />
Internationale<br />
Kunstausstellung<br />
≥ www.labiennale.org<br />
05.06.–09.06.<br />
DMY 13<br />
Designfestival Berlin<br />
≥ http://dmy-berlin.<br />
com/de<br />
06.06.–08.06.<br />
OFFF Barcelona<br />
Festival <strong>der</strong> digitalen<br />
Kreativ-Avantgarde<br />
Disseny Hub Barcelona<br />
≥ www.offf.ws/bcn2013/<br />
Bis 09.06.<br />
3 Harun Farocki:<br />
Spiel und Spielregeln<br />
Gezeigt werden Installationen<br />
und Filme des<br />
Medienkünstlers<br />
Edith-Russ-Haus für<br />
Medienkunst, Oldenburg<br />
≥ www.edith-russ-haus.<br />
de/<br />
07.06. – 08.09.<br />
Call for Type<br />
Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
des gleichnamigen<br />
Wettbewerbs. Dazu gibt<br />
es Vorträge und eine<br />
Tauschmesse für Fonts<br />
Gutenberg-Museum Mainz<br />
≥ www.call-for-type.de/<br />
10.06.–15.06.<br />
Annecy 2013<br />
Animationsfestival<br />
≥ www.annecy.org/<br />
16.06.–22.06.<br />
Cannes Lions International<br />
Festival of Creativity<br />
Palais des Festivals<br />
≥ www.canneslions.com<br />
Bis 23.06.<br />
From Page to Space –<br />
Vom Blatt zum Raum<br />
Falten, reißen, knüllen,<br />
kleben, tackern – das<br />
Medium Papier erfreut<br />
sich auch in <strong>der</strong> Kunst<br />
großer Beliebtheit. Zu<br />
sehen sind Papierobjekte<br />
von 90 internationalen<br />
Künstlern wie Pipilotti<br />
Rist o<strong>der</strong> Paul McCarthy<br />
Kunsthaus Kaufbeuren<br />
≥ www.kunsthauskaufbeuren.de<br />
Bis 28.07.<br />
Albert Watson:<br />
14 Days in Benin<br />
Der weltbekannte Fotograf<br />
bereiste 2011 das<br />
westafrikanische Land<br />
2<br />
und dokumentierte das<br />
Leben <strong>der</strong> Baumwollbauern<br />
Rautenstrauch-<br />
Joest-Museum, Köln<br />
≥ www.museenkoeln.de<br />
Bis 04.08.<br />
Move on Asia. Videokunst<br />
in Asien 2002–2012<br />
Neben Werken anerkannter<br />
Künstler sind Arbeiten<br />
<strong>der</strong> jüngsten Generation<br />
zu sehen ZKM | Medienmuseum,<br />
Karlsruhe<br />
≥ www.zkm.de<br />
Bis 25.08.<br />
4 Korea Power. Design<br />
und Identität<br />
Nach Ende des Koreakriegs<br />
1953 hat Südkorea<br />
eine rasante Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
nach westlichem<br />
Vorbild erlebt. Heute<br />
rückt für koreanische<br />
Designer die Suche nach<br />
Identität in den Vor<strong>der</strong>grund<br />
Museum für Angewandte<br />
Kunst Frankfurt<br />
≥ www.museum<br />
angewandtekunst.de<br />
Lars Fiske präsentiert beim Comicfestival München Seiten aus seinem Schwitters-Comic
110<br />
PAGE 06.13<br />
PUBLIKATIONEN<br />
Matthew Cusick nutzt Kartenmaterial<br />
wie ein Maler die Farbpalette –<br />
Claire Brewster macht daraus filigrane<br />
Scherenschnitte<br />
n »Geo Graphic«. Wofür Landkarten<br />
nicht alles gut sein können! <strong>Die</strong>ser Band<br />
präsentiert eine inspirierende Vielfalt<br />
von Anwendungen, wobei er keinerlei<br />
Un terschiede zwischen künstlerischen<br />
und kommerziellen Projekten macht.<br />
Ein paar Beispiele: ins Corporate Design<br />
eines Landschaftsarchitekten eingebundene<br />
Karten; aus bunten Klamotten<br />
drapierte Kontinente; ein Stadt-<br />
plan, bei dem man sich verläuft, aber<br />
doch immer wie<strong>der</strong> zum Ausgangspunkt<br />
zurückfindet; Pflanzenzeichnungen,<br />
bei denen die Wurzeln als Karten<br />
von Flussverläufen dargestellt werden<br />
und die so die innige Verbindung<br />
von Vegetation und Wasser ins Bewusstsein<br />
rufen.<br />
Was auffällt: London haben Designer<br />
und Illustratoren schon in allen erdenklichen<br />
grafischen Formen kartiert.<br />
Mehr solcher ungewöhnlicher Stadtpläne<br />
wünschen wir uns auch für Berlin,<br />
Hamburg, Köln et cetera. Finden<br />
bestimmt bei Einheimischen ebenso<br />
viel Anklang wie bei Touristen.<br />
> Index Book: Geo Graphic.<br />
A Book for Map Lovers. Barcelona<br />
(Index Book) 2013, 192 Seiten.<br />
20 Euro. isbn 978-84-15308-35-5<br />
n »Kawaii«. Weltweit grassiert <strong>der</strong><br />
Ach-wie-niedlich-Virus – und bringt bei<br />
entsprechenden Beiträgen auch auf<br />
PAGE Online immer hohe Klickraten.<br />
Wir wollen nicht den Japanern die ganze<br />
Schuld am globalen verniedlichenden<br />
Designerkitsch zuschreiben, doch<br />
im Land <strong>der</strong> Kirschblüten verbreitete<br />
sich <strong>der</strong> dort kawaii genannte Virus<br />
zuerst und am massivsten.<br />
Lifestyle-Journalistin Manami Okazaki<br />
und Fotograf Geoff Johnson untersuchen<br />
das Phänomen in allen seinen<br />
Facetten – angefangen bei Vorreitern<br />
wie Eico Hanamura, die seit 1959<br />
Mädchen-Mangas zeichnet, über den<br />
seit 1974 ausufernden Hello-Kitty-Kosmos<br />
bis hin zu den Kigurumi-Character-Kostümen,<br />
in denen Japaner nicht<br />
nur Shopping-Malls, son<strong>der</strong>n auch ger -<br />
ne mal Un<strong>der</strong>ground-Clubs besuchen.<br />
Übrigens: Auch die LOLCats haben Vorläufer<br />
in Japan. Sie heißen nameneko<br />
und treten seit den achtziger Jahren<br />
in menschlichen Outfits auf. Aktuelle<br />
Artists wie beispielsweise Chikuwademil,<br />
Yosuke Ueno o<strong>der</strong> Yunko Mizuno<br />
hingegen zeigen, dass hinter <strong>der</strong> niedlichen<br />
Oberfläche auch das Grausen<br />
hausen kann . . .<br />
> Manami Okazaki, Geoff Johnson:<br />
Kawaii. Japan’s Culture of Cute.<br />
München (Prestel) 2013, 224 Seiten.<br />
24,95 Euro. isbn 978-3-7913-4727-1<br />
Süß, o<strong>der</strong>? Coverillustration von<br />
Eico Hanamura aus dem Jahr 1966
PAGE 06.13 111<br />
Lotte Reinigers<br />
»Abenteuer des<br />
Prinzen Achmed«<br />
lief erstmals 1926<br />
n »Lotte Reiniger«. Mit <strong>der</strong> DVD-Reihe<br />
»<strong>Die</strong> Geschichte des deutschen Animationsfilms«<br />
hat absolut Medien aus<br />
Berlin schon Beachtliches für die Aufarbeitung<br />
<strong>der</strong> deutschen Trickfilmhistorie<br />
getan. Jetzt erschien in einer<br />
ARTE Edition ein Film über Scherenschnittkünstlerin<br />
Lotte Reiniger, die mit<br />
»Abenteuer des Prinzen Achmed« den<br />
ersten abendfüllenden Animationsfilm<br />
auf die Leinwand brachte. Vier Jahre<br />
arbeitete sie daran – mit ihrem Mann<br />
Carl Koch, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Entwicklung des<br />
Multiplan-Tricktischs den Inszenierungen<br />
räumliche Tiefe gab.<br />
<strong>Die</strong> Dokumentation erzählt auch<br />
von Reinigers Inspiration durch das asiatische<br />
Schattentheater o<strong>der</strong> ihren Beiträgen<br />
zu Spielfilmen von Jean Renoir<br />
und Luchino Visconti. Am faszinierendsten<br />
sind aber die Aufnahmen, wo man<br />
sie bei <strong>der</strong> Arbeit sieht – und über die<br />
geradezu märchenhafte Agilität ihrer<br />
Hände staunt.<br />
> Susanne Marschall, Rada Bieberstein,<br />
Kurt Schnei<strong>der</strong>: Lotte Reiniger –<br />
Tanz <strong>der</strong> Schatten. Berlin (ARTE<br />
Edition bei absolut Medien) 2013,<br />
60 Minuten und Extra (DVD).<br />
14,90 Euro. isbn 978-3-8488-3002-2<br />
Begehrtes Sammelobjekt:<br />
Tischradio RT 20, hier im Braun-Archiv<br />
n »<strong>Die</strong>ter Rams«. Liegt es an einer<br />
Zitronenpresse, dass heutige Apple-<br />
Ge räte so schick aussehen? Bekanntlich<br />
ist Chefdesigner Jonathan Ive ein großer<br />
Fan des Ex-Braun-Chefdesigners<br />
<strong>Die</strong>ter Rams. Dessen Arbeit begegnete<br />
ihm erstmals in Gestalt <strong>der</strong> Braun<br />
MPZ2 citromatic, die seine Eltern kauften,<br />
als er noch ein Kind war, und die<br />
nachhaltigen Eindruck auf ihn machte.<br />
Nun brauchen Sie bei Ihren Apple-<br />
Geräten nicht irgendeine Ähnlichkeit<br />
zu einer Zitronenpresse zu suchen. Es<br />
geht vielmehr um die Beziehung zwischen<br />
Nutzer und Gegenstand, die<br />
Rams wegweisend neu definierte. <strong>Die</strong><br />
perfekte Verbindung von Funktionalität<br />
und Schönheit macht sein Werk für<br />
alle interessant, die an solchen Schnittstellen<br />
arbeiten, auch Print- o<strong>der</strong> Webdesigner.<br />
<strong>Die</strong> Biografie wartet mit vielen<br />
exklusiv für diese Publikation entstandenen<br />
Bil<strong>der</strong>n auf: Florian Böhm,<br />
<strong>der</strong> ja schon ein Buch über Konstantin<br />
Grcic vorlegte, fotografierte sowohl<br />
im Braun-Archiv als auch bei <strong>Die</strong>ter<br />
Rams daheim.<br />
cg<br />
> Sophie Lovell: <strong>Die</strong>ter Rams: So wenig<br />
Design wie möglich. Phaidon und Edel<br />
(London und Hamburg) 2013, 400 Seiten.<br />
79,95 Euro. isbn 978-3-8419-0190-3
112 PAGE 06.13 Publikationen<br />
2<br />
1<br />
Neuerscheinungen – kurz vorgestellt<br />
1 Rick Poynor: No More Rules. Graphic Design and Postmo<strong>der</strong>nism.<br />
London (Laurence King) 2013, 192 Seiten. 12,95 Euro. 978-1-78067-103-1.<br />
Brite Rick Poynor ist einer <strong>der</strong> schlauesten Köpfe unter den Designautoren<br />
– Grund genug, dieses Buch von 2003 über den gestalterischen<br />
Umbruch <strong>der</strong> achtziger und neunziger Jahre neu zu veröffentlichen.<br />
2 Chiara Armellini: Löwe o<strong>der</strong> Gürteltier? Schau genau hin, dann<br />
sag ich’s dir. München (Knesebeck) 2013, 62 Seiten. 19,95 Euro. 978-3-<br />
86873-573-4. Wun<strong>der</strong>bares Bil<strong>der</strong>buch für die visuelle Früherziehung ab<br />
vier Jahren. Arnd Zschiesche, Oliver Errichiello: Marke ohne Mythos.<br />
Das erste ehrliche Markenbuch o<strong>der</strong> warum so viele Menschen einen<br />
MINI brauchen. Offenbach (Gabal) 2013, 256 Seiten. 29,90 Euro.<br />
978-3-86936-476-6. Nach ihrer witzigen Attacke auf den Individualitätswahn<br />
in »<strong>Die</strong> Einmaligen« kümmern sich die beiden Markenexperten<br />
um ihr eigentliches Fachgebiet. Mehr unter www.buero-fuer-marken<br />
entwicklung.de . 3 Linda O’Keeffe: Stripes. Design Between the<br />
Lines. London (Thames & Hudson) 2013, 244 Seiten. 29,95 Pfund.<br />
9780500516690. Von Op-Art über Designerstuhl bis Krawatte: Stylistin<br />
und Interior-Design-Expertin Linda O’Keefe lädt zur Reise durch eine<br />
gestreifte Welt ein. Pierre Hansch, Christian Rentschler: Emotion@<br />
Web. Emotionale Websites durch Bewegtbild und Sound-Design.<br />
Heidelberg/Berlin (Springer) 2013, 273 Seiten. 36,99 Euro. 978-3-642-<br />
13992-5. Das Buch selbst kommt komplett unemotional daher, taugt<br />
allerdings als technischer Ratgeber und Nachschlagewerk. Ludovic<br />
Houplain: Logobook. Köln (Taschen) 2013, 776 Seiten. 39,99 Euro. 978-<br />
3-8365-3413-0. Ludovic Houplain vom Pariser Designstudio H5 präsentiert<br />
in dem Wälzer alphabetisch geordnet die 7000 Logos, die er für<br />
den Kurzfilm »Logorama« sammelte. Stephen Woods: Building Touch<br />
Interfaces with HTML5: Develop and Design. Speed up your site<br />
and create amazing user experiences. Berkeley, CA (New Ri<strong>der</strong>s) 2013,<br />
256 Seiten. 39,99 Dollar. 978-0-321-88765-8. Mehr Informationen unter<br />
www.peachpit.com/touchinterfacedd . Michael Erlhoff: Theorie des<br />
Designs. Pa<strong>der</strong>born (Wilhelm Fink) 2013, 225 Seiten. 34,90 Euro. 978-3-<br />
7705-5285-6. Vielseitige Essays des Kölner Professors, nach dem Motto:<br />
»Da alles gestaltet ist, ist eben<br />
auch alles Thema einer Theorie des<br />
Designs.« Marijpol: Eremit. Berlin<br />
(avant-verlag) 2013, 216 Seiten.<br />
19,95 Euro. 978-3-939080-71-8. Der<br />
neueste Comic <strong>der</strong> Künstlerin aus<br />
Hamburg um einen zwiegespaltenen<br />
Einsiedler ist visuell und inhaltlich<br />
ungewöhnlich. cg<br />
3<br />
Was lesen Sie?<br />
Yvonne Kuschel,<br />
Illustratorin und Autorin, Leipzig<br />
www.yvonnekuschel.info<br />
Sie setzen Ihre Lektüren offenbar gern in Skizzenbüchern um. Auf<br />
Ihrem Blog http://i-feel-pretty.posterous.com sind solche Bil<strong>der</strong>geschichten<br />
zu sehen, etwa zu Tolstois »Kreutzersonate« o<strong>der</strong> Anne<br />
Webers aktuellem Roman »Luft und Liebe«.<br />
Yvonne Kuschel: Zeitweilig habe ich morgens immer MDR-Radiolesungen<br />
gehört und gezeichnet. Für mich eine Art Meditation. Angeblich<br />
soll die Konzentration um 25 Prozent steigen, wenn man beim<br />
Zuhören etwas kritzelt.<br />
Sie nennen diese Arbeiten »gezeichnete Hörstücke« o<strong>der</strong> »Literatur in<br />
Kurzform«. Momentan liegt es ja im <strong>Trend</strong>, jedes noch so große Werk<br />
<strong>der</strong> Weltliteratur zu einer Graphic Novel zu verarbeiten.<br />
Ich habe schon drei solche Aufträge abgelehnt, weil ich es problematisch<br />
finde, literarische Vorlagen zu Bil<strong>der</strong>büchern herunterzurechnen.<br />
Der Leser muss Raum für eigene Fantasien haben. Ein berühmter<br />
Schriftsteller soll testamentarisch verfügt haben, dass seine Bücher<br />
nicht illustriert werden dürfen. Ich wüsste zu gerne, wer das war.<br />
Vielleicht weiß es einer unserer Leser – falls ja, bitte melden! Wie sieht<br />
für Sie eine gelungene Illustration aus?<br />
Statt eins zu eins zu illustrieren, ist es immer am spannendsten, eine<br />
zweite Ebene zu finden. Was aber häufig nicht gewollt ist – meist soll<br />
recht deutlich illustriert werden.<br />
Sie machen auch selbst Bücher, wie 2012 den »Beschissatlas« mit<br />
Autorin Ute Scheub mit Zahlen und Fakten zum Thema Ungerechtigkeiten.<br />
Haben Sie neue Projekte?<br />
Ein Buch namens »Busenwun<strong>der</strong>«, in dem ich von mir gezeichneten<br />
Damen Geschichten auf den Leib schrieb, manche erotisch. Als ich<br />
keinen Verleger fand, wollte ich daraus eine App machen. Sie wurde<br />
im App Store aber als pornografisch zurückgewiesen. Dabei war das<br />
nur zum Schmunzeln, sogar Kin<strong>der</strong> konnten es angucken. Da ich mich<br />
über die Ablehnung und vor allem die Begründung geärgert habe,<br />
dachte ich, bei Blumen kann man nichts falsch machen. So entstand<br />
die illustrierte App »Blumenraten mit Frau Kuschel«, die es nun für<br />
iPhone und iPad gibt.<br />
<strong>Die</strong> wirklich reizend ist – und lehrreich.<br />
Ja, denn wenn man die Blume erraten hat, gelangt man zu Wikipedia,<br />
wo man mehr erfährt.
PAGE 06.13 113<br />
PAGE Impressum<br />
Redaktion PAGE<br />
Borselstraße 28/Haus i<br />
22765 Hamburg<br />
Telefon: +49 40 85183-400<br />
Fax: +49 40 85183-449<br />
E-Mail: info@page-online.de<br />
www.page-online.de<br />
Chefredakteurin/Publisher<br />
Dipl.-Des. Gabriele Gün<strong>der</strong>, V.i.S.d.P.<br />
Textchefin<br />
Astrid Umbreit<br />
Redaktion<br />
Franziska Beyer (fb), Nina Kirst (nik);<br />
Anna Weilberg (aw, Redaktion Online)<br />
Freie Mitarbeit: Antje Dohmann (ant),<br />
Dr. Claudia Gerdes (cg), Wiebke Lang (wl),<br />
Rebecca von Hoff (Grafik), Christine<br />
Krawinkel (Art direk tion); Maiken Richter,<br />
Jan Roidner (Text-/Schlussredaktion);<br />
Sabine Danek (sd, Redaktion Online)<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
Christian Büning, Verena Dauerer (vd),<br />
Markus Linden (ml), Jürgen Siebert<br />
Digitale Druckvorlagenherstellung<br />
Alphabeta GmbH, Hamburg<br />
Druck Stürtz GmbH, Würzburg<br />
Verlag<br />
Ebner Verlag GmbH & Co. KG<br />
Karlstraße 41, 89073 Ulm<br />
Geschäftsführung<br />
Gerrit Klein<br />
Martin Metzger (Stellvertreter)<br />
Florian Ebner<br />
Produktionsleitung<br />
Michael Kessler<br />
Vertrieb<br />
Leitung: Sema Torun, Rainer Herbrecht;<br />
Objektmanagerin: Tina Backhaus<br />
PAGE Shop<br />
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kann immer 6 Wochen vor Ablauf des<br />
Bezugs jahres schriftlich gekündigt werden.<br />
Schüler und Studenten erhalten gegen Vorlage<br />
eines gültigen Auswei ses o<strong>der</strong> einer<br />
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20 Prozent Rabatt. Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Allianz<br />
deutscher Designer (AGD), des Bundes<br />
Deutscher Grafik-Designer (BDG) und des<br />
designe rinnen forum e. V. erhalten ebenso<br />
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VORSCHAU<br />
PAGE 07.13 erscheint am 5. Juni 2013<br />
Watchlist: Deutsche Kreative<br />
In den 1980ern war es Neville Brody, in den 1990ern David Carson,<br />
<strong>der</strong> zum Leitbild für viele Designer avancierte. Und wer hat das<br />
Zeug, in nächster Zeit die deutsche Kreativbranche wesentlich zu<br />
prägen? PAGE präsentiert zehn deutsche Gestalter, die wir<br />
unbedingt im Auge behalten sollten<br />
Polnische Illustratoren<br />
Polen ist Gastland <strong>der</strong> diesjährigen Illustrative. Wir haben uns vorweg<br />
schon mal bei unseren östlichen Nachbarn umgeschaut und dort eine<br />
blühende, visuell höchst eigenständige Illustratorenszene vorgefunden<br />
3-D-Drucker und -Services<br />
Mit den ersten bezahlbaren 3-D-Druckern erlebt das Do-it-yourself-<br />
Design einen neuen Höhepunkt. PAGE stellt Geräte und innovative<br />
<strong>Die</strong>nstleister vor, die aus 3-D-Daten ein greifbares Modell machen<br />
Papier o<strong>der</strong> Karton<br />
Ist Karton einfach dickeres Papier o<strong>der</strong> eher eine eigene Gattung?<br />
PAGE erklärt Unterschiede und Gemeinsamkeiten und zeigt anhand<br />
von Fallbeispielen, wann welches Material sinnvoll ist<br />
Cannes-Favoriten<br />
Welche Arbeiten haben in diesem Jahr Aussichten auf einen Löwen?<br />
Wir fragen Jurymitglie<strong>der</strong> nach ihren Favoriten<br />
Bild: Regula Bearth, © ZHdK Ola Niepsuj, www.aleksandraniepsuj.blogspot.com<br />
und Daniel Horowitz, www.daniel-horowitz.com
114 PAGE 06.13 Fundstücke von Jürgen Siebert<br />
Wie Fernsehen heute funktioniert<br />
Kühne Kommentare von Jürgen Siebert zu <strong>Trend</strong>s, Ereignissen und<br />
dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen<br />
<strong>Die</strong>se und weitere<br />
Fundstücke von<br />
Jürgen Siebert fin -<br />
den Sie unter<br />
www.page-online.<br />
de/fundstuecke<br />
n Auch in den USA gehören Telefon<br />
und Fernseher noch zur techni schen<br />
Grundausstattung eines Hotelzimmers.<br />
Seitdem es Smartphones gibt, nutze<br />
ich beides nicht mehr auf Reisen. Viel<br />
wichtiger für mich sind heutzutage eine<br />
Steckdose, ein schnelles und kostenloses<br />
Wi-Fi-Netz und eine Docking-<br />
Station mit leistungsstarken Boxen, um<br />
meine eigene Musik o<strong>der</strong> Internetradio<br />
zu hören o<strong>der</strong> einen Film bei guter Tonqualität<br />
zu sehen.<br />
Das Einschalten das Hotelfernsehers<br />
bestätigt, warum diese Art des<br />
Fernsehens ein nutzloses, heiß gelaufenes<br />
Dinosaurier-Medium geworden<br />
ist. Das fängt mit <strong>der</strong> Bildqualität an,<br />
erstreckt sich über die Menge <strong>der</strong> Kanäle<br />
und endet mit <strong>der</strong> werbefinan-<br />
Zum Hotelzimmer<br />
von heute<br />
gehören eine<br />
Steckdose und<br />
freies Wi-Fi.<br />
Mit im Gepäck<br />
sollte dann noch<br />
eine Docking-<br />
Station mit guten<br />
Boxen sein<br />
zierten Zerstückelung selbst gut gemachter<br />
Reportagen o<strong>der</strong> Filme. Wer<br />
schaut sich solchen Mist noch an? Mit<br />
Sicherheit viel weniger, als Einschaltquoten-Ermittler<br />
(Nielsen), TV-Sen <strong>der</strong><br />
und Werbeindustrie sich gegenseitig<br />
in die Tasche lügen.<br />
Das Verrückte an <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong><br />
Einschaltquoten: Noch immer wird sie<br />
in den USA mit Set-Top-Boxen auf TV-<br />
Geräten gemessen. Allerdings schaut<br />
heute kaum noch jemand auf die se Art<br />
fern. Vor allem tun es die anspruchsvollen<br />
Zuschauer nicht mehr. Sie lassen<br />
sich TV-Inhalte über Hulu, Netflix,<br />
Apple TV, Amazon Prime o<strong>der</strong> Roku<br />
auf Smartphones und Tablets servieren,<br />
die alle nicht in die Ermittlung <strong>der</strong><br />
Einschaltquote einfließen. Warum nutzen<br />
die Menschen diese Möglichkei ten?<br />
Weil sie auf das zeitversetzte Anschauen<br />
angewiesen sind, weil sie sich <strong>der</strong><br />
Werbung entziehen möchten und weil<br />
ihre Mobilgeräte bessere Bildschirme<br />
haben als jedes Hotel und je<strong>der</strong> Flieger.<br />
Viele TV-Networks trauen schon<br />
lange nicht mehr den Nielsen-Quoten.<br />
Als die 4. Staffel von »Community« im<br />
Februar bei NBC startete, soll sie eine<br />
Quote von 4 Millionen erreicht haben,<br />
etwa ein Viertel von »Two and a Half<br />
Men« und früher ein Grund, die Serie<br />
sofort einzustellen. Auf Twitter wurde<br />
»Community« (6 Millionen Follower) in<br />
<strong>der</strong> Nacht nach <strong>der</strong> Ausstrahlung jedoch<br />
<strong>Trend</strong>ing Topic weltweit. Fernsehen<br />
funktioniert heute an<strong>der</strong>s.<br />
Wenn eine Episode ausgestrahlt<br />
wurde, ist sie noch lange nicht zu Ende<br />
gesehen. Am nächsten Tag schauen<br />
sie sich Zehntausende auf ihren Rechnern<br />
an. O<strong>der</strong> sie laden sie über iTunes,<br />
wo TV-Folgen kurz nach <strong>der</strong> Ausstrahlung<br />
für 2,99 US-Dollar zu kaufen sind.<br />
Dann twittern die Zuschauer weiter<br />
darüber, was neue Fans generiert. Sie<br />
tragen Kommentare in Blogs ein und<br />
diskutieren auf Facebook über den aktuellen<br />
Cliffhanger. Keine dieser Aktivitäten<br />
wird irgendwo auf <strong>der</strong> Welt von<br />
Quotenmetern erfasst.<br />
<strong>Die</strong>se Mechanismen sind <strong>der</strong> Grund<br />
dafür, dass es momentan in den USA<br />
hervorragende Serien gibt, die ihre<br />
Kosten locker einspielen, beispielsweise<br />
»Mad Men« o<strong>der</strong> »Homeland«. Im<br />
vergangenen Jahr gewannen mehr<br />
Kabelsen<strong>der</strong> einen Emmy als die klassischen<br />
Sen<strong>der</strong>. Weil sich das Fernsehen<br />
mehr und mehr vom TV-Gerät abkoppelt,<br />
gibt es keinen Unterschied<br />
mehr zwischen Kabel- und Antennen-<br />
TV. Qualität ist das einzige Kriterium,<br />
das zählt. Ein Sieg für die Zuschauer<br />
und ein Knieschuss für die Zyniker des<br />
Privatfernsehens, die auch bei uns im<br />
Land immer noch die These vertreten:<br />
Der Zuschauer ist doof, also machen<br />
wir doofes Fernsehen.