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Einleitung – Kapitel 1.3. Ermittlung der geographischen Herkunft in Europa Die Bestimmung der Haplogruppen kann u.a. durchgeführt werden um unbekannte Individuen geographisch zu verordnen. Durch die relative Stabilität der Haplogruppenverteilung nach der initialen Besiedlung Europas über einen langen Zeitraum hinweg (Csanyi et al. 2008, Melchior et al. 2010, Roewer et al. 2005) ist es möglich, auch unbekannte historische Populationen aufgrund der vorliegenden Haplogruppen geographisch einzuordnen (Fu et al. 2009). Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Daten eines einzelnen Individuums durch die persönliche Familiengeschichte auch falsche Hinweise liefern kann. So z.B. fand sich bei einem weißen Mann aus England eine afrikanische Y-Haplogruppe, die wahrscheinlich während der Zeit des Sklavenhandels in die Familie eingebracht wurde (King et al. 2007). Bei der alleinigen Betrachtung der Y-Daten wäre dieser Mann so als afrikanisch definiert worden, obwohl seine Familienlinie seit Jahrhunderten in England lebt. Zwar ist die Gefahr einer solchen Diskrepanz bei der Betrachtung historischer Individuen überaus gering, jedoch sollte dies bei einer möglichen Interpretation berücksichtigt werden. Ebenso gilt dies für mögliche Besiedlungsprozesse, die Einfluss auf die Haplogruppenfrequenzen gehabt haben könnten (vgl. Roewer et al. 2005). Für Europa hat sich eine relative Gleichverteilung der mitochondrialen Haplogruppen über den Kontinent herausgestellt (z.B. Richards et al. 2002, Simoni 2000), wobei die größten Unterschiede durch An- oder Abwesenheit seltener Subhaplogruppen, meist an den Rändern des Kontinents, entstehen (z.B. Loogväli et al. 2004). Umso stärker zeigt sich eine klinale Verteilung der Y-Haplogruppen (z.B. Noveletto 2007, Roewer et al. 2001). Die Haplogruppe R1b beispielsweise tritt in Westeuropa mit einer Frequenz von bis zu 90% auf, die Häufigkeit nimmt nach Osten und Süden jedoch stark ab. Analog dazu nimmt die Frequenz der Haplogruppe R1a nach Osten zu, während sie in Westeuropa fast gar nicht zu finden ist (Abb. 1.15). Ähnlich verhält es sich mit starken Frequenzunterschieden der anderen Haplogruppen. Darüber hinaus sind die Vorkommen von STR-basierten Y-Haplotypen in Datenbanken (beispielsweise YHRD, siehe S.22) erfasst und können – je nach Häufigkeit des Haplotyps – eine regionale Eingrenzung der Herkunft ermöglichen. 24
Einleitung – Kapitel 1.3. Abbildung 1.15: Frequenzunterschiede der Y-chromosomalen Haplogruppen R1a (lila) und R1b (rot) über Eurasien. Während in Westeuropa R1b dominiert, kommt R1a in Osteuropa und Zentralasien gehäuft vor. AL Altaians DR India, Dravidian population, ES Inuit, GE Georgia and Armenia, GM Germany, HA Han Chinese, IB Iberian peninsula, IS Iceland, IN India, Indo-Aryan population, IT Italy, KG Kyrgyzstan, KT Kazan Tatar, KZ Kazakhstan, MA Mideast Arabs, MO Mongols, MY Malaysia, NE Nenets, NW Norwegians, PE Persians (Iran), RU Russians, SA Saami, SC Scotland, SL Selkups, TB Tibet, TU Turks, UG Uygurs, UZ Uzbekistan. Karte nach J.D. McDonald (Nutzung gestattet). http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Y-Haplogroup_R1_distribution.png, 10.07.2013 Für die Identitätsklärung der Individuen aus dem Massengrab aus Kassel könnte die Ermittlung der Y-Haplotypen bzw. Y-Haplogruppe somit entscheidend sein. Aus den historischen Quellen ist zu entnehmen, dass sich luxemburgische, elsässische und russische Truppen in dem Lazarett befunden haben (vgl. Kap. 1.1.). Aufgrund der deutlichen Unterschiede zwischen östlichen und westlichen Y-chromosomalen Daten können russische und (im weitesten Sinne) französische Soldaten mit hoher Wahrscheinlichkeit identifiziert werden. Eine Trennung von elsässischen und luxemburgischen Soldaten wäre jedoch aufgrund der engen Verwandtschaft nicht zu erwarten. 25
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Einleitung – Kapitel 1.3.<br />
Ermittlung der geographischen Herkunft in Europa<br />
Die Bestimmung der Haplogruppen kann u.a. durchgeführt werden um unbekannte<br />
Individuen geographisch zu verordnen. Durch die relative Stabilität der Haplogruppenverteilung<br />
nach der initialen Besiedlung Europas über einen langen Zeitraum<br />
hinweg (Csanyi et al. 2008, Melchior et al. 2010, Roewer et al. 2005) ist es möglich,<br />
auch unbekannte historische Populationen aufgrund der vorliegenden Haplogruppen<br />
geographisch einzuordnen (Fu et al. 2009). Dabei muss jedoch beachtet werden, dass<br />
die Daten eines einzelnen Individuums durch die persönliche Familiengeschichte<br />
auch falsche Hinweise liefern kann. So z.B. fand sich bei einem weißen Mann aus<br />
England eine afrikanische Y-Haplogruppe, die wahrscheinlich während der Zeit des<br />
Sklavenhandels in die Familie eingebracht wurde (King et al. 2007). Bei der alleinigen<br />
Betrachtung der Y-Daten wäre dieser Mann so als afrikanisch definiert worden,<br />
obwohl seine Familienlinie seit Jahrhunderten in England lebt. Zwar ist die Gefahr<br />
einer solchen Diskrepanz bei der Betrachtung historischer Individuen überaus gering,<br />
jedoch sollte dies bei einer möglichen Interpretation berücksichtigt werden. Ebenso<br />
gilt dies für mögliche Besiedlungsprozesse, die Einfluss auf die Haplogruppenfrequenzen<br />
gehabt haben könnten (vgl. Roewer et al. 2005).<br />
Für Europa hat sich eine relative Gleichverteilung der mitochondrialen Haplogruppen<br />
über den Kontinent herausgestellt (z.B. Richards et al. 2002, Simoni 2000), wobei<br />
die größten Unterschiede durch An- oder Abwesenheit seltener Subhaplogruppen,<br />
meist an den Rändern des Kontinents, entstehen (z.B. Loogväli et al. 2004).<br />
Umso stärker zeigt sich eine klinale Verteilung der Y-Haplogruppen (z.B. Noveletto<br />
2007, Roewer et al. 2001). Die Haplogruppe R1b beispielsweise tritt in Westeuropa<br />
mit einer Frequenz von bis zu 90% auf, die Häufigkeit nimmt nach Osten und Süden<br />
jedoch stark ab. Analog dazu nimmt die Frequenz der Haplogruppe R1a nach Osten<br />
zu, während sie in Westeuropa fast gar nicht zu finden ist (Abb. 1.15). Ähnlich verhält<br />
es sich mit starken Frequenzunterschieden der anderen Haplogruppen. Darüber<br />
hinaus sind die Vorkommen von STR-basierten Y-Haplotypen in Datenbanken (beispielsweise<br />
YHRD, siehe S.22) erfasst und können – je nach Häufigkeit des Haplotyps<br />
– eine regionale Eingrenzung der Herkunft ermöglichen.<br />
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