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Einleitung – Kapitel 1.3.<br />
Abweichungen von der Regelanatomie<br />
Neben den genannten Daten lassen sich anhand von pathologischen oder degenerativen<br />
Veränderungen weitere Charakteristika ableiten, die zum einen nur das Individuum<br />
betreffen können, bei gehäuftem Auftreten zum anderen auch Rückschlüsse auf<br />
Belastungen der gesamten Population zulassen. Bei der Beurteilung von Abweichungen<br />
der Regelanatomie muss vor allem auf Veränderungen geachtet werden, die nach<br />
dem Tod des Individuums entstanden sind und somit nicht als Pathologie angesehen<br />
werden dürfen. Dies tritt besonders bei gestörter Fundsituation auf. Im Weiteren<br />
kann durch eventuelle Heilungsspuren ein Rückschluss auf eine zeitliche Abfolge<br />
gezogen werden; je nach Ausprägung kann eine Mindestdauer zwischen Ereignis und<br />
Tod des Individuums abgeleitet werden. Dabei werden die Pathologien in „intravital“<br />
(=im Leben) und „perimortal“ (=um den Todeszeitpunkt) unterschieden. Außerdem<br />
muss bedacht werden, dass der Knochen nur eingeschränkte Reaktionsmöglichkeiten<br />
besitzt, so dass verschiedene Ursachen ähnliche oder gleiche Reaktionen hervorrufen<br />
können. Nur wenige Auffälligkeiten am Skelett lassen sich daher auf eine konkrete<br />
Ursache zurückführen.<br />
Im Folgenden werden verschiedene Formen dieser Veränderungen beispielhaft erläutert.<br />
Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Krankheitsbildern, die<br />
Spuren am Skelett hinterlassen können und somit für Anthropologen sichtbar sind<br />
(siehe dazu beispielsweise Ortner 2003). Es soll hier nur auf die Veränderungen eingegangen<br />
werden, die sich am wahrscheinlichsten in einem Skelettkollektiv frühneuzeitlicher<br />
Soldaten wieder finden.<br />
Traumata / Brüche<br />
Die offensichtlichsten Veränderungen von der Regelanatomie<br />
betreffen Auffälligkeiten, die sich auf<br />
traumatische Ereignisse zurückführen lassen. Durch<br />
die Folge einer direkten oder indirekten Gewalteinwirkung<br />
kommt es zu einem Bruch des Knochens. Im<br />
Regelfall bildet sich nach 10-14 Tagen ein knorpeliger<br />
Kallus, der nach und nach verknöchert und unter<br />
diesem die Heilung des Bruchs stattfindet (Ortner<br />
2003). Der Kallus wird schließlich wieder resorbiert,<br />
so dass ein Bruch nur für eine bestimmte Zeit makroskopisch<br />
sichtbar sein kann. Durch Dislokation der<br />
Fragmente (Abb. 1.8) und entsprechende Verheilung<br />
in Fehlstellung kann ein solches Ereignis jedoch dauerhaft<br />
erkennbar bleiben, auch wenn dieses schon<br />
Jahre vor dem Tod aufgetreten ist (siehe auch Herrmann<br />
et al. 1990). Des Weiteren können Brüche auch<br />
durch akut einwirkende wiederholte Überlastung zustande<br />
kommen, sogenannte Ermüdungsbrüche. Das<br />
Abbildung 1.8: Dislozierter und<br />
entzündeter Bruch einer rechten<br />
Tibia und Fibula, Pathologische<br />
Sammlung der Historischen Anthropologie.<br />
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