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Einleitung – Kapitel 1.3.<br />
Bei einem isolierten Os coxa sind die wichtigsten Kriterien die Weite der Incisura<br />
ischiadica major, die Ausprägung des Arc composé sowie die Größe des Angulus’<br />
subpubicus. Auch ein tiefer Sulcus praeauricularis kann ein Kriterium für ein weibliches<br />
Individuum sein, wobei ein flacher bzw. fehlender Sulcus keinen Hinweis für<br />
einen Mann darstellt. Weitere Merkmale können die Form des Foramen obturatums,<br />
die Größe des Corpus ischiadicus sowie des Tuber ischiadicum sein. Liegen beide<br />
Ossa coxae sowie das Sacrum vor, können zusätzlich der Gesamtaspekt des Beckens<br />
sowie der Beckeneingang beurteilt werden (vgl. Abb. 1.4).<br />
Abbildung 1.4: Männliches (links) und weibliches Becken im Vergleich. Es zeigt sich bei Männern eine<br />
enge Incisura ischiadica major (Pfeil) und ein enger Angulus subpubicus (weiße Striche) sowie ein<br />
deutlicher Unterschied im Beckeneingang.<br />
Weitere geschlechtsdimorphe Merkmale finden sich am Schädel, deren Trennschärfe<br />
jedoch stärker zwischen den Populationen schwanken kann. Generell gilt hier, dass<br />
kräftigere Ausprägungen als Hinweis für ein männliches Individuum ausgelegt werden.<br />
Dabei sollte jedoch die jeweilige Herkunftspopulation sowie, wenn möglich, der<br />
jeweilige soziale Status bekannt sein. So können Unterscheidungsmerkmale, die sich<br />
für nord- und mitteleuropäische Populationen als zuverlässig erwiesen haben, in südeuropäischen<br />
Bevölkerungen keine sichere Geschlechtsbestimmung ermöglichen, da<br />
sie im Gegensatz zur Beckenmorphologie keinem eindeutigen evolutionären Druck<br />
unterliegen. Außerdem spielen hier – anders als beim Becken – auch individuelle<br />
Belastungen eine Rolle. So ist beispielsweise das Oberflächenrelief des Planum<br />
nuchale abhängig von der Beanspruchung der Nackenmuskulatur. In Populationen,<br />
die diese stark belasten, etwa durch häufiges gebeugtes Arbeiten, besitzen auch Frauen<br />
ein sehr reliefreiches Planum, welches folglich nicht als geschlechtsdifferenzierendes<br />
Merkmal hinzugezogen werden sollte (vgl. auch Herrmann et al. 1990).<br />
Weitere Kriterien können z.B. die Ausprägung der Glabella und der Arci superciliari,<br />
die Scharfkantigkeit der Margo orbitalis sowie die Morphologie des Planum nuchale<br />
sein. An der Mandibula sprechen ein kräftiges Mentum und ein kräftiges, eher<br />
rechtwinliges Gonion für ein männliches Individuum. Als tendenziell schwächere<br />
Kriterien sind die Formen der Orbitae und die Ausprägung des Arcus zygomaticus zu<br />
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