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Zusammenfassung – Kapitel 6.<br />

6. Zusammenfassung<br />

Im Januar 2008 stießen Bauarbeiter auf dem Gelände der <strong>Universität</strong> Kassel auf ein<br />

Massengrab, dessen Existenz und Geschichte in Vergessenheit gerieten war. Nur mit<br />

Hilfe von ersten wissenschaftlichen Analysen und Indizien aus der Stadtgeschichte<br />

konnte die These aufgestellt werden, dass es sich bei den Individuen um napoleonische<br />

Soldaten handelt, die vermutlich in einem Notlazarett an einer Epidemie eines<br />

„Nervenfiebers“ verstorben waren. Die Individuen wurden unsachgemäß geborgen<br />

und in sechs Särgen auf dem Hauptfriedhof von Kassel wiederbestattet.<br />

In dieser Arbeit war es möglich, zum ersten Mal die Knochenfunde aus Kassel in<br />

ihrer Gesamtheit wissenschaftlich-anthropologisch zu untersuchen. Die ultimativen<br />

Ziele dabei waren, Hinweise auf die Identität der Toten, Lebensumstände und mögliche<br />

Todesursachen zu finden und somit die aufgestellten Thesen zu untermauern<br />

oder zu widerlegen. Insgesamt kamen verschiedenste Methoden, von der klassischmorphologischen<br />

Begutachtung über histologische Untersuchungen bis zu molekulargenetischen<br />

Analysen, zum Einsatz.<br />

Nach den vorbereitenden Maßnahmen zeigte sich, dass anstatt der aus Presseberichten<br />

erwarteten 60 Individuen insgesamt mindestens 126 Individuen dort bestattet<br />

lagen. Die große Mehrheit der Individuen waren Männer in den Altersklassen frühes<br />

bis mittleres Adultas, wobei sich auch mindestens eine junge Frau im Massengrab<br />

befand. Die mittlere Körperhöhe entsprach denen einer Bevölkerung aus dem frühen<br />

19. Jahrhundert.<br />

Während eine Vielzahl von individualspezifischen Pathologien gefunden wurde, treten<br />

einige Diagnosen deutlich gehäuft auf. Dazu gehören u.a. periostale Reaktionen<br />

der unteren Extremitäten, degenerative Veränderungen an Wirbeln, Belastungserscheinungen<br />

an Claviculae, Cribra orbitalia und Zahnpathologien. Die Veränderungen<br />

zeigen deutlich, dass die Individuen unter physischem Stress bzw. Dauerbelastung<br />

sowie vermutlich schlechten hygienischen Bedingungen und z.T. unter Mangelernährung<br />

gelitten haben, was sich mit Berichten über das militärische Leben im frühen<br />

19. Jahrhundert deckt.<br />

Insgesamt konnten von 109 Individuen vollständige autosomale STR-Profile generiert<br />

werden. Dabei zeigte sich, dass diese Systeme im Hardy-Weinberg-<br />

Gleichgewicht liegen und daher die Individuen als männliche Bevölkerungsstichprobe<br />

gesehen werden können. Die Frequenzen der autosomalen Allele zeigten in einigen<br />

Fällen signifikante Abweichungen zu den Frequenzen ost-, süd- und nordeuropäischer<br />

Vergleichspopulationen. Von 101 Individuen konnten vollständige Y-<br />

Haplotypen generiert werden, wobei das in dieser Analyse längste System DYS389II<br />

aus der weiteren Auswertung herausgelassen wurde. Die statistische Auswertung mit<br />

der Grundannahme einer gemeinsamen Herkunft zeigte, dass die Individuen des<br />

Massengrabs den heutigen Bevölkerungen der Beneluxländer und des östlichen<br />

Frankreichs am ähnlichsten sind. Es bestehen signifikante Unterschiede zu rezenten<br />

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