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Diskussion – Kapitel 5.4.<br />

Eine andere Möglichkeit der Herkunftsbestimmung wäre jedoch durch die Analyse<br />

der stabilen Isotope gegeben: das natürliche Verhältnis von verschiedenen Isotopen<br />

eines Elementes zueinander kann stark variieren; dieses Verhältnis findet sich durch<br />

Nahrungsaufnahme auch im Körper wieder. Dabei kann durch die Analyse sogenannter<br />

schwerer Elemente (z.B. 87/86-Strontium) eine geographische Herkunftsbestimmung<br />

erfolgen, während die Analyse leichter Elemente (z.B. Kohlenstoff und<br />

Stickstoff) u.a. eine Aussage über Nahrungsgewohnheiten zulässt. Durch den Vergleich<br />

von Verhältnissen schwerer Elementisotope verschiedener Gewebe kann darüber<br />

hinaus ein zeitlicher Rahmen des Ortswechsels relativ zum Todeszeitpunkt des<br />

Individuums bestimmt werden: Während die Milch- und Dauerzähne jeweils nur<br />

einmal gebildet werden und so das Isotopenverhältnis, das am Ort der Kindheit vorliegt,<br />

aufgenommen und konserviert wird, unterliegen Knochen einem kontinuierlichen<br />

Umbauprozess, in dessen Zuge auch das Isotopenverhältnis den lokalen Gegebenheiten<br />

angeglichen wird (Stadlbauer et al. 2007). Durch einen Vergleich der Verhältnisse<br />

in den Zähnen und Knochen mit dem natürlichen Verhältnis am Auffindeort<br />

der Skelette kann so festgestellt werden, ob zu Lebzeiten ein Ortswechsel stattgefunden<br />

hat und wenn ja, in welchem Zeitraum vor dem Tod der Individuen sowie in<br />

welcher Region das gefundene Isotopenverhältnis dem Natürlichen entspricht (Rauch<br />

et al. 2007). Da jedoch auch weiter entfernte Regionen durch ähnliche Geologie ähnliche<br />

Isotopenverhältnisse aufweisen können (Voerkelius et al. 2010), ist dies nur<br />

sinnvoll anzuwenden, wenn eine vermutete Herkunftsregion überprüft werden soll.<br />

Individuen beispielsweise innerhalb von Europa zu verorten, wäre damit fast unmöglich.<br />

Die Überprüfung, ob die Individuen aus dem Elsass kommen könnten, dagegen<br />

schon.<br />

Im Weiteren muss man beim Y-chromosomalen Vergleich bedenken, dass eine historische<br />

Population vorliegt: der Vergleich mit rezenten Frequenzen ist problematisch,<br />

da man nicht ohne weiteres annehmen kann, dass damals dieselben Frequenzen innerhalb<br />

von Europa vorlagen, wie sie es heute tun. Bevölkerungsbewegungen und<br />

demographische Entwicklungen können zu einer deutlichen Verschiebung der<br />

Haplogruppenfrequenzen innerhalb der letzten Jahrhunderte beigetragen haben (z.B.<br />

Ambrosio et al. 2010, Noveletto 2007, Pereira et al. 2000). Hinzu kommt, dass in<br />

dieser Arbeit die Y-Haplogruppen durch die Haplotypen berechnet wurden; diese<br />

Berechnung stütze sich jedoch ebenfalls auf rezenten Datensätzen (Athey 2005). Da<br />

SNPs, die für die Haplogruppeneinteilung verwendet werden, und STRs unabhängig<br />

voneinander mutieren, könnte ein heutiger Zusammenhang für eine historische Population<br />

nicht gegolten haben. Lediglich die geringen Mutationsraten beider Systeme<br />

und der geringe zeitliche Abstand der Kasseler Serie lassen den Rückschluss von<br />

Haplotypen auf Haplogruppen anhand rezenter Daten authentisch erscheinen. Eine<br />

gezielte Untersuchung von Haplogruppenfrequenzen und Y-Haplotypen in historischen<br />

Populationen könnte dieses Problem lösen, derzeit gibt es jedoch einen Mangel<br />

an Referenzpopulationen. Zu dieser Problematik sei erwähnt, dass die Haplogruppenfrequenzen<br />

herangezogen werden, um die Besiedlung Europas zu erklären. Damit<br />

wird vorausgesetzt, dass seit der postglazialen (Neu-)Besiedlung Europas sowie der<br />

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