Öffnen - eDiss - Georg-August-Universität Göttingen
Öffnen - eDiss - Georg-August-Universität Göttingen
Öffnen - eDiss - Georg-August-Universität Göttingen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Diskussion – Kapitel 5.4.<br />
5.4. Geographische Herkunftsbestimmung<br />
Die Allelfrequenzen der autosomalen STR-Systeme weisen keinen signifikanten Unterschied<br />
zum Hardy-Weinberg-Gleichgewicht auf, zeigen jedoch eine Verteilung,<br />
wie man sie in westeuropäischen Populationen erwarten würde. Gleichzeitig gibt es<br />
signifikante Abweichungen in mehreren Systemen von Verteilungen osteuropäischer<br />
Populationen sowie in einem System zu einer nord- bzw. südeuropäischen Population.<br />
Folglich können zwei Ableitungen gemacht werden: Zum einen kann das Kasseler<br />
Massengrab tatsächlich als „Populationsstichprobe“ gelten, d.h. es gibt keine<br />
Hinweise auf z.B. einen hohen Verwandtschaftsgrad im Kollektiv. Zum anderen liegt<br />
eine Herkunft der Individuen, als Gruppe betrachtet, aus Westeuropa nahe. Bereits<br />
auf dieser Ebene zeigen sich deutliche Tendenzen der Herkunft der Skelette, welche<br />
durch die Bestimmung der Y-Haplotypen und –gruppen zusätzlich eingegrenzt werden<br />
konnte.<br />
Der gute DNA-Erhalt ermöglichte die vollständige Typisierung von elf Y-<br />
chromosomalen Systemen für 101 Individuen, was für historische Populationen eine<br />
enorme Stichprobe darstellt. Dabei wurde streng nach den Kriterien für aDNA-<br />
Analysen gearbeitet und es flossen nur die Allele in die Berechnung ein, die reproduzierbar<br />
waren. Die statistischen Auswertungen der Y-chromosomalen Haplotypen<br />
und –gruppen zeigen deutliche Unterschiede zu Populationen östlich des Rheins und<br />
zu südeuropäischen Populationen sowie größte Ähnlichkeiten zur Bevölkerung des<br />
Elsass. Auf der Ebene der Haplotypen besteht kein signifikanter Unterschied zu französischen<br />
Populationen und Bevölkerungen der Beneluxländer (Roewer et al. 2005).<br />
Für diese Berechnungen gelten jedoch auch einige Einschränkungen und Grundannahmen,<br />
welche die Aussagekraft etwas einschränken:<br />
Zunächst wird für die Berechnungen einer möglichen Herkunft für die Individuen<br />
eine gemeinsame Herkunft angenommen, obwohl dies an dieser Stelle nicht zu beweisen<br />
ist. Zwar deuten die historischen Überlieferungen darauf hin, dass es sich bei<br />
den Individuen um Truppenteile einer Region, nämlich dem Elsass bzw. Luxemburg,<br />
handelt (persönliches Gespräch v. Klobuczynski). Ob einzelne Individuen aber aus<br />
einer ganz anderen Region, etwa Schweden oder Russland, stammen, lässt sich durch<br />
die durchgeführten Berechnungen nicht zeigen. Die genaue Herkunft der einzelnen<br />
Individuen anhand molekulargenetischer Marker herauszufinden ist unmöglich. Lediglich<br />
zwischen den einzelnen Kontinenten gibt es hinreichend viele Unterschiede,<br />
die eine Einteilung einzelner Individuen in verschiedene Metapopulationen zulassen.<br />
Innerhalb Europas gibt es keine scharfen Grenzen zwischen den Populationen, es<br />
fallen lediglich einige relativ isoliert lebende Bevölkerungsgruppen auf, wie etwa die<br />
Basken oder die Saami (z.B. Richards 2002), jedoch gibt es auch hier keine eindeutigen<br />
genetischen Marker, die ein einzelnes Individuum als sicher zugehörig identifizieren<br />
würde. Selbst die Analyse einzelner Y-Haplotpyen, deren regionale Vorkommen<br />
durch große Datenbanken gut dokumentiert ist, kann für eine Herkunftsbestimmung<br />
problematisch sein (King et al. 2007). So bleibt die Herkunft für das einzelne<br />
Individuum auf genetische Weise unbestimmbar.<br />
116