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Einleitung – Kapitel 1.3.<br />

1.3. Das Skelett als Informationsquelle<br />

Das folgende Kapitel gibt eine Übersicht über die wichtigsten Fragestellungen bei<br />

einer anthropologischen Skelettdiagnose und zeigt die daraus resultierenden Möglichkeiten<br />

der Interpretation von Bestattungen sowie verschiedene Herangehensweisen<br />

der Bearbeitung auf. Im Fokus stehen dabei solche Untersuchungen, die helfen,<br />

die Identität der Individuen aus dem Massengrab, deren Lebens- und Todesumstände<br />

näher zu charakterisieren.<br />

Das Skelett stellt die häufigste Überlieferungsform eines Körpers nach dessen Tod<br />

dar. Neben der Deutung von Beifunden ist die Skelettdiagnostik somit der wichtigste<br />

Zugang zur Interpretation von historischen Individuen und Populationen (Herrmann<br />

et al. 1990). Die erhobenen Daten sind die Grundlage der Biologie einer Bevölkerung,<br />

dienen darüber hinaus aber häufig auch für Ableitungen von sozialen und kulturellen<br />

Charakteristika. Als Beispiel seien hierfür die Traufkinder von Aegerten<br />

genannt (Lassen et al. 2000): Bei der Untersuchung von Kleinkinderbestattungen<br />

rund um eine Kirche im schweizerischen Aegerten wurde zunächst eine Mehrheit an<br />

weiblichen Individuen identifiziert, was als mögliche intentionale Kindstötung von<br />

Mädchen interpretiert wurde. Bei einer folgenden genetischen Geschlechtsbestimmung<br />

wurden die Ergebnisse revidiert, da ein leichter Überschuss männlicher Individuen<br />

festgestellt wurde. Wenn möglich, sollten mehrere verschiedene Vorgehensweisen<br />

für die Bearbeitung einer Fragestellung angewendet werden, um etwaige Unsicherheiten<br />

zu minimieren.<br />

Geschlechtsdiagnose<br />

Eine der ersten Fragen nach Auffinden eines Skeletts ist die nach dem Geschlecht der<br />

Individuen. Die Ermittlung der Geschlechterrelation kann dabei helfen, die gefundene<br />

Bestattungen zu kontextualisieren. So sollten bei Bestattungen einer normalen<br />

Bevölkerung beide Geschlechter in etwa gleichen Teilen vorliegen. Ausnahmen davon<br />

finden sich z.B. in klösterlichen Zusammenhängen, bei denen die Geschlechter<br />

getrennt voneinander beigesetzt wurden, oder militärischen Kontexten, bei denen der<br />

Anteil von männlichen Individuen deutlich überwiegt. Die folgenden Kriterien werden<br />

alle für eine qualitative Diagnose herangezogen; osteometrische Ansätze, wie<br />

etwa der Index ischio pubico (Novotny 1972), werden in dieser Arbeit nicht angewendet.<br />

Die sichersten Unterscheidungskriterien zwischen Männern und Frauen sind am Becken<br />

zu finden. Das Becken einer Frau muss für eine Geburt geeignet sein, somit<br />

haben Frauen in der Regel breitere und flachere Becken. Die zu beurteilenden Charakteristika<br />

sind folglich im Vergleich weiter bzw. ausladender als bei männlichen<br />

Individuen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Merkmale qualitativ<br />

betrachtet werden und sich einzelne Merkmale in bestimmten Populationen eventuell<br />

nicht für eine Differenzierung eignen.<br />

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