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Diskussion – Kapitel 5.2.<br />
1.1.). Sollte sie jedoch aus Kassel selbst stammen, wäre es auffällig, dass sieanonym<br />
im Massengrab mitbestattet wurde und keine reguläre Bestattung erhielt, wobei vielfältigste<br />
Gründe (Armut, familienlos, etc.) dafür in Betracht kämen. Letztendlich<br />
bleiben jedoch beide Szenarien reine Spekulation. Ein möglicher weiterführender<br />
Untersuchungsansatz könnte in der Erstellung einer Strontiumisotopensignatur für<br />
eine Herkunftsbestimmung liegen (Kap. 5.4.). Zumindest Hinweise auf die Herkunft<br />
der Frau könnten damit erlangt werden, welche eines der Szenarien untermauern<br />
könnten (vgl. Kap. 5.3.).<br />
Insgesamt konnten nur bei 58 Individuen intakte Skelettelemente für eine Körperhöhenbestimmung<br />
herangezogen werden. Die mittlere errechnete Körperhöhe beträgt<br />
etwa 1,67m und liegt damit nahe der zu erwartenden Durchschnittsgröße für das beginnende<br />
19. Jahrhundert (z.B. Komlos 1994). Gerade in militärischen Kontexten<br />
sind über lange Zeiträume sehr genaue Körperhöhendaten der Soldaten überliefert, so<br />
dass die Daten des Kollektivs mit vielen Referenzdaten verglichen werden können.<br />
So ist beispielsweise für Dänemark zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine durchschnittliche<br />
Körperhöhe von etwa 1,65m – 1,67m, für Frankreich von 1,66m und für<br />
Schweden von 1,65m überliefert (Komlos 1994). Nach Komlos und Cinnirella<br />
schwanken die Werte von Soldaten verschiedener Länder im 18. Jahrhundert zwischen<br />
1,64 und 1,68m (Komlos und Cinnirella 2005). Da Mittelwert und Median im<br />
Kollektiv nahe beieinander liegen, kann zusätzlich eine Normalverteilung der Körperhöhe<br />
angenommen werden, wie man dies bei einer Stichprobe einer normalen<br />
Bevölkerung erwarten würde. Auch die Körperhöhe des weiblichen Individuums<br />
entspricht mit etwa 1,54m ziemlich genau den Erwartungen für Frauen (1,55m,<br />
Siegmund 2010).<br />
5.3. Abweichungen von der Regelanatomie<br />
Die gefundenen Auffälligkeiten zeigen in ihrer Gesamtheit, dass die Individuen physischer<br />
Belastung, Mangelernährung und / oder Infektionskrankheiten ausgesetzt<br />
waren. Auffällig ist, dass morphologisch keine Hinweise auf eine mögliche Todesursache<br />
gefunden werden konnten. Zwar wurden einige, meist individualspezifische<br />
Pathologien identifiziert, allerdings kann keine davon als definitive Todesursache<br />
gelten.<br />
Die häufigste Diagnose stellen die fast durchgehend auftretenden periostalen Reaktionen<br />
an den unteren Extremitäten dar. Die Frequenz ist ungewöhnlich hoch und zeigt<br />
die Belastung der Individuen besonders deutlich. Für ihr Auftreten könnten sowohl<br />
Mangelernährung, physischer Stress sowie Infektionskrankheiten ursächlich sein<br />
(vgl. z.B. Ortner 2003).<br />
Die hohe Frequenz von Zahnpathologien könnte Hinweise auf einseitige und / oder<br />
Mangelernährung sowie schlechte hygienische Bedingungen liefern. Dabei muss<br />
jedoch beachtet werden, dass eine hohe Rate an Auffälligkeiten der Zähne im Mittelalter<br />
und der frühen Neuzeit durchaus normal war und keine Besonderheit dieses<br />
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