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Diskussion – Kapitel 5.1. lenke gestützt, was bei zerstörten Epiphysen unmöglich ist. Andere Kriterien wie allgemeine Robustizität oder Färbung müssen folglich herangezogen werden, diese sind aber in ihrer Aussagekraft vergleichsweise eingeschränkt. Zuordnungen von beispielsweise Wirbel(säulen), Becken- oder Schädelfragmente können kaum morphologisch überprüft werden. Die Möglichkeit der genetischen Analysen, also des genetischen Fingerabdrucks, wäre daher das Mittel der Wahl, um unsichere Zuordnungen zu überprüfen. Erst durch die Genetik war es möglich, die Mindestindividuenzahl mit 126 anzugeben und so deutlich mehr als die morphologisch nachgewiesene Mindestindividuenzahl zu identifizieren. Das Auftreten von Kontaminationsereignissen war dabei nur in ganz vereinzelten Amplifikationen zu beobachten und konnte sofort auf den jeweiligen Bearbeiter zurückgeführt werden. Durch das Einhalten der strengen Regeln für die Arbeit mit aDNA und die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse können diese daher als authentisch gelten. Der durchschnittlich sehr gute DNA-Erhalt in den Knochen ermöglichte bei einer stichprobenartigen Überprüfung (Holzgräfe 2013) in vielen Fällen die sichere Zuordnung von Skelettelementen und könnte theoretisch bei allen Elementen angewendet werden. Der Nachteil wäre dabei jedoch nicht nur, dass es sich um eine zeit- und kostenintensive Methode handelt, sie ist zusätzlich auch invasiv und benötigt eine gewisse Menge Ausgangsmaterial. Im Weiteren konnte bereits bei Holzgräfe (2013) gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer schlechten DNA-Erhaltung in anderen Skelettelementen außer Femora in diesem Kollektiv deutlich höher liegt. Für spongiöse Knochentypen, etwa Becken oder Wirbel, sind daher auch die genetischen Analysen weniger erfolgsversprechend. Letztendlich muss die Zuordnung der Skelettelemente in einigen Fällen unsicher bleiben. Aufgrund der Homogenität der Individuen bzgl. Alter und Geschlecht ist die endgültige Zuordnung, etwa von Abweichungen der Regelanatomie, aufgrund der Häufigkeiten jedoch für eine Interpretation nicht unbedingt entscheidend (vgl. Kap. 5.3). Neben den menschlichen Knochen konnten auch einzelne Tierknochen gefunden werden. Dabei es handelt sich nur um vereinzelt auftretende Knochen unterschiedlicher Spezies und Individuen, meist von Schweinen oder Pferden. Ob diese Knochen zusammen mit den Individuen bestattet worden sind, oder schon vorher im Boden lagen, ist ungewiss. Da bei Grabungen immer wieder solche zufälligen Funde von Nutztierresten auftreten, gerade in der Nähe von Siedlungen, ist ein direkter Zusammenhang mit dem Massengrab unwahrscheinlich. 5.2. Biologische Basisdaten Insgesamt zeigt sich, dass die Individuen aus dem Kasseler Massengrab mit den napoleonischen Truppen aus Vilnius (s.u.) vergleichbar sind und das Kollektiv genau den Erwartungen eines militärischen Kontexts des frühen 19. Jahrhunderts entspricht. Auf eine methodenkritische Diskussion wird an dieser Stelle verzichtet, da das verwendete Methodenrepertoire als etabliert gelten kann und ohne Modifikationen angewendet wurde. 112
Diskussion – Kapitel 5.2. Die zwei sich ergänzenden Methoden für die Ermittlung des Sterbealters und des Geschlechts der Individuen zeigen trotz des hohen Fragmentierungsgrads ein sehr detailliertes Bild des Kollektivs: Von 126 Individuen ließ sich nur eines als weiblich identifizieren, über 80% der Individuen sind zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr verstorben. Überreste von Kindern und sehr alter Individuen fehlen völlig. Ein militärischer Hintergrund der Individuen liegt somit nahe (vgl. Kap. 4.2. und 4.3.). Durch den Fragmentierungsgrad sowie die in einigen Fällen unsichere Zuordnung wurde gerade die Ermittlung des Sterbealters durch die histologischen Untersuchungen entscheidend gestützt. Während bei jugendlichen Individuen durch die morphologischen Kriterien das Sterbealter sehr genau bestimmt werden konnte, liefern bei Erwachsenen die histologischen Untersuchungen zuverlässige Näherungen. Ähnlich verhält es sich bei der Geschlechtsdiagnose. Zwar fallen nur wenige Skelettelemente morphologisch in das Spektrum weiblicher Individuen, doch letztlich liefern die genetischen Untersuchungen die Bestätigung, dass sich unter den Individuen mindestens eine Frau befindet. Die gefundene Alters- und Geschlechtsverteilung bestätigt die Tendenzen aus den ersten Stichproben der Rechtsmedizin Gießen und der Anthropologie Mainz und sorgt dennoch für neue Erkenntnisse. Nicht alle Individuen sind jung verstorben, es befinden sich mehrere Individuen fortgeschrittenen Alters darunter. Ein Vergleich zu dem Massengrab napoleonischer Truppen, das in Vilnius, Litauen, gefunden wurde und auf das Jahr 1812 datiert werden konnte, zeigt jedoch eine sehr ähnliche Verteilung (Signoli et al. 2004): von den 430 Individuen, von denen das Sterbealter genauer bestimmt werden konnte, waren 46 (10,7%) unter 20 Jahre alt, 326 (75,8%) zwischen 20 und 30 Jahre alt, 58 (13,5%) waren älter (darunter 8 [1,6%] in der Altersklasse Maturitas). Das jüngste Individuum war ca. 15 Jahre alt. Dies deckt sich auffallend mit der Altersverteilung des Kasseler Kollektivs. Im Kollektiv befanden sich auch die Überreste einer jungen Frau. Wie sie zu den restlichen Individuen stand, kann an dieser Stelle nicht definitiv beantwortet werden. Ein mögliches Szenario ist, dass die Frau zum Tross der Truppen gehörte und selbst eine Fremde in Kassel war. Frauen waren damals ein integraler Bestandteil der französischen Armee und wurden als cantinières, blanchisseuses et vivandières bezeichnet; ihre Aufgaben war das Kochen, Waschen, die medizinische Assistenz oder der Verkauf von Waren (Signoli et al. 2004, vgl. Kap. 1.2.). Im erwähnten Massengrab aus Vilnius war das Geschlechterverhältnis 29 Frauen zu 1338 Männern (2,1%), welches damit sogar einen höheren Frauenanteil aufweist als im Kasseler Kollektiv. Durch ihre Assoziation mit den französischen Truppen wäre die Frau dann bei einer Infektion ebenfalls in das Notlazarett eingeliefert worden (vgl. Kap. 1.1.). Allerdings ist nicht bekannt, ob ein solcher Tross zur fraglichen Zeit im Winter 1813 auch in Kassel war. Weiterhin erwähnen die historischen Unterlagen keine Unterbringung von Frauen in dem Lazarett, sondern nur Soldaten (persönliches Gespräch v. Klobuczynski). Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Frau zum Pflegepersonal im Lazarett gehörte und sich ebenfalls mit dem Nervenfieber angesteckt hatte (vgl. Kap. 113
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Diskussion – Kapitel 5.1.<br />
lenke gestützt, was bei zerstörten Epiphysen unmöglich ist. Andere Kriterien wie<br />
allgemeine Robustizität oder Färbung müssen folglich herangezogen werden, diese<br />
sind aber in ihrer Aussagekraft vergleichsweise eingeschränkt. Zuordnungen von<br />
beispielsweise Wirbel(säulen), Becken- oder Schädelfragmente können kaum morphologisch<br />
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Die Möglichkeit der genetischen Analysen, also des genetischen Fingerabdrucks,<br />
wäre daher das Mittel der Wahl, um unsichere Zuordnungen zu überprüfen. Erst<br />
durch die Genetik war es möglich, die Mindestindividuenzahl mit 126 anzugeben<br />
und so deutlich mehr als die morphologisch nachgewiesene Mindestindividuenzahl<br />
zu identifizieren. Das Auftreten von Kontaminationsereignissen war dabei nur in<br />
ganz vereinzelten Amplifikationen zu beobachten und konnte sofort auf den jeweiligen<br />
Bearbeiter zurückgeführt werden. Durch das Einhalten der strengen Regeln für<br />
die Arbeit mit aDNA und die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse können diese daher<br />
als authentisch gelten. Der durchschnittlich sehr gute DNA-Erhalt in den Knochen<br />
ermöglichte bei einer stichprobenartigen Überprüfung (Holzgräfe 2013) in vielen<br />
Fällen die sichere Zuordnung von Skelettelementen und könnte theoretisch bei allen<br />
Elementen angewendet werden. Der Nachteil wäre dabei jedoch nicht nur, dass es<br />
sich um eine zeit- und kostenintensive Methode handelt, sie ist zusätzlich auch invasiv<br />
und benötigt eine gewisse Menge Ausgangsmaterial. Im Weiteren konnte bereits<br />
bei Holzgräfe (2013) gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer schlechten<br />
DNA-Erhaltung in anderen Skelettelementen außer Femora in diesem Kollektiv deutlich<br />
höher liegt. Für spongiöse Knochentypen, etwa Becken oder Wirbel, sind daher<br />
auch die genetischen Analysen weniger erfolgsversprechend. Letztendlich muss die<br />
Zuordnung der Skelettelemente in einigen Fällen unsicher bleiben. Aufgrund der<br />
Homogenität der Individuen bzgl. Alter und Geschlecht ist die endgültige Zuordnung,<br />
etwa von Abweichungen der Regelanatomie, aufgrund der Häufigkeiten jedoch<br />
für eine Interpretation nicht unbedingt entscheidend (vgl. Kap. 5.3).<br />
Neben den menschlichen Knochen konnten auch einzelne Tierknochen gefunden<br />
werden. Dabei es handelt sich nur um vereinzelt auftretende Knochen unterschiedlicher<br />
Spezies und Individuen, meist von Schweinen oder Pferden. Ob diese Knochen<br />
zusammen mit den Individuen bestattet worden sind, oder schon vorher im Boden<br />
lagen, ist ungewiss. Da bei Grabungen immer wieder solche zufälligen Funde von<br />
Nutztierresten auftreten, gerade in der Nähe von Siedlungen, ist ein direkter Zusammenhang<br />
mit dem Massengrab unwahrscheinlich.<br />
5.2. Biologische Basisdaten<br />
Insgesamt zeigt sich, dass die Individuen aus dem Kasseler Massengrab mit den napoleonischen<br />
Truppen aus Vilnius (s.u.) vergleichbar sind und das Kollektiv genau<br />
den Erwartungen eines militärischen Kontexts des frühen 19. Jahrhunderts entspricht.<br />
Auf eine methodenkritische Diskussion wird an dieser Stelle verzichtet, da das verwendete<br />
Methodenrepertoire als etabliert gelten kann und ohne Modifikationen angewendet<br />
wurde.<br />
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