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Ergebnisse – Kapitel 4.8.<br />
4.8. Zusammenführung und Kontextualisierung<br />
Die Interpretation, dass die Individuen Angehörige der französischen Armee waren,<br />
die während eines „Nervenfieber“-Ausbruchs verstorben sind, wird durch die anthropologische<br />
Bearbeitung in allen Fällen unterstützt. Im Weiteren zeigen die Untersuchungen,<br />
dass die Individuen zu Lebzeiten unter körperlicher Belastung, Mangelernährung<br />
und schlechten hygienischen Bedingungen litten.<br />
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass sich unter den 126 untersuchten<br />
Individuen nur eine Frau befindet, über 80% der Individuen sind im jungen Erwachsenenalter<br />
verstorben. Ein militärischer Kontext liegt daher nahe. Die gefundenen<br />
Abweichungen der Regelanatomie können durch ihre Häufigkeit und die Homogenität<br />
der Individuen bzgl. Alter und Geschlecht entsprechend interpretiert werden, obwohl<br />
sich ihre Zuordnung zu einzelnen Individuen aufgrund des hohen Fragmentierungsgrades<br />
als schwierig gestaltete. Die hohe Anzahl an Belastungserscheinungen,<br />
besonders auf die untere Extremität und die Wirbelsäule, teilweise auch auf Claviculae,<br />
in einem Kollektiv von überwiegend jungen Männern zeigt, dass die Individuen<br />
dauerhaft physischer Belastung ausgesetzt waren. Das Auftreten von Cribra orbitalia<br />
lassen eine ungenügende oder einseitige Ernährung vermuten. Auch die unregelhafte<br />
Mikrostruktur der Femurkompakta könnte durch eine Dauerbelastung oder Mangelernährung<br />
erklärt werden. Die bei fast 30% der Schädel festgestellten ectocranialen<br />
Porositäten könnten u.a. durch chronischen Läusebefall hervorgerufen werden und<br />
deuten schlechte hygienische Bedingungen an. Trotzdem lassen sich Hinweise auf<br />
rudimentäre ärztlicher Versorgung finden, wobei besonders die Trepanationen zu<br />
erwähnen sind. All dies passt gut ins Bild des militärischen Lebens im frühen 19.<br />
Jahrhundert und zeigt eindeutige Parallelen zu ähnlichen Massengräbern.<br />
Die weiteren Untersuchungen zeigen, dass die Individuen als männliche Stichprobe<br />
einer damaligen Bevölkerung gesehen werden können. Die Körperhöhenverteilung<br />
ist annähernd normalverteilt und liegt mit einer mittleren Körperhöhe von 1,67m<br />
genau um den zu erwartenden Wert einer Population aus dem 19. Jahrhundert. Die<br />
untersuchten autosomalen Marker weisen keinen signifikanten Unterschied vom<br />
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht auf.<br />
Nimmt man eine gemeinsame Herkunft der Individuen an, weisen die Analysen der<br />
Y-Haplotypen und –gruppen auf eine nicht lokale Bevölkerung hin. Die statistische<br />
Auswertung zeigt die höchsten Ähnlichkeiten zu der elsässischen Bevölkerung, wobei<br />
bei der Betrachtung der Y-Haplotypen nicht signifikante Unterschiede auch zu<br />
weiteren französischen Populationen sowie der Bevölkerung der Benelux-Länder<br />
vorliegen. Die deckt sich mit den Recherchen der Historiker und bestätigt die Theorie,<br />
dass es sich um elsässische und / oder luxemburgische Soldaten gehandelt hat.<br />
Das Fehlen von morphologisch eindeutigen identifizierbaren Todesursachen sowie<br />
der Nachweis von humanpathogenen Bakterien in einigen Knochen unterstützen das<br />
postulierte Seuchengeschehen. Dass der Nachweis von bakteriellen Sequenzen nur<br />
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