pdf-Datei - Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

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INFORMATIONEN ZUM DENKMAL 12 Das Gebäude und das Grundstück Wilhelmstraße 72 gehörten zunächst Gerichtspräsident Hans Christoph von Görne und kamen Anfang des 19. Jahrhunderts in den Besitz des Preußischen Königs, bis das Reich sie 1919 aus dem Besitz der Hohenzollern erwarb. Im Jahr darauf zog hier das neugegründete Reichsernährungsministerium ein, das dort seinen Sitz bis zur Zerstörung im Februar 1945 behielt. 1937 ließ sich Reichspropagandaminister Joseph Goebbels auf dem Grundstück eine Dienstvilla errichten; drei Jahre später folgte ein Bunker. Die Trümmer des Gebäudes wurden nach 1945 beseitigt; der Bunker blieb allerdings erhalten. Die Wilhelmstraße 73 war durch den Bau des Gräflich Sackenschen Palais geprägt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieser Bau samt Garten von König Friedrich Wilhelm IV. gekauft und diente bis zum Ende der Monarchie als Ministerium des Königlichen Hauses. Nachdem das Reich 1919 auch diese Immobilie erworben hatte, richtete es hier den Dienstsitz mit Wohnung für das neugeschaffene Amt des Reichspräsidenten ein. Ab 1938 noch durch Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop genutzt, brannte das Palais in Folge von Bombenangriffen im Frühjahr 1945 aus. Die Ruinen der Gebäude der Wilhelmstraße 71 und 72 wurden zu Beginn der 1960er Jahre abgetragen. Die Gärten verschwanden mit dem Bau der Berliner Mauer durch die DDR im Jahre 1961 und wurden Teil des späteren »Todesstreifens«. Von 1987 bis 1990 entstand an der Wilhelmstraße (damals Otto-Grotewohl-Straße) eine »Wohnanlage in Sonderplatte«. Nach Abbau der Grenzanlagen der DDR 1989/90 lag das Gelände der früheren Ministergärten brach, bis es zum Standort für das zentrale Holocaust-Denkmal ausgewählt wurde. Der Architekt Peter Eisenman Peter Eisenman wurde 1932 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte von 1951 bis 1955 Architektur an der Cornell University, Ithaca, anschließend an der Columbia University, New York, und schloss seine akademische Ausbildung 1963 mit einer Doktorarbeit über Entwurfstheorie ab. Ab 1957/58 arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros unter anderem in Walter Gropius’ Büro »The Architects Cooperative«. Seit 1960 lehrte Peter Eisenman Architektur, beispielsweise an der Princeton University, New Jersey, an der Cambridge University, Massachusetts, und an der New Yorker Cooper Union School, wo er zusammen mit John Hejduk unterrichtete. Von 1967 bis 1982 leitete er das »Institute for Architecture and Urban Studies«. Er war Professor für Architektur an der University of Maryland (1978), an der Harvard University (1982–1985), an der Cooper Union School, New York City, und an der Ohio State University. In seiner ersten beruflichen Phase arbeitete er zusammen mit Charles Gwathmay, John Hejduk, Michael Graves und Richard Meier in der Architekturgruppe »The New York Five«. An den Arbeiten, die zu dieser Zeit entstanden und in gesonderten Publikationen veröffentlicht sind, hat Eisenman seine entwurfstheoretischen Grundsätze entwickelt. Anfang

INFORMATIONEN ZUM DENKMAL 13 der 1980er Jahre gründete Eisenman ein eigenes Architekturbüro in New York und hat seitdem eine Anzahl bedeutender und breit gefächerter Entwürfe realisiert. In diese Phase fällt auch sein vielbeachteter Entwurf für das Wohn- und Geschäftshaus an der Koch-/ Ecke Friedrichstraße in Berlin-Kreuzberg (heute: Berliner Mauer-Museum) im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Berlin 1987 (IBA). Besonders bemerkenswert ist die Sequenz von Kulturbauten in den USA (Wexner Center for the Visual Arts and Fine Arts Library und Greater Columbus Convention Center in Columbus/Ohio, sowie Aronoff Center for Design and Art, Cincinnati/Ohio), die in den achtziger und neunziger Jahren entstanden. Ein weiteres, 1990 realisiertes Projekt, ist das Hauptquartier der Koizumi Sangyo Corporation in Tokio. Seit 1999 hat Eisenman einige international stark beachtete Wettbewerbserfolge verzeichnen können. Im Juni 1999 erhielt sein Projekt für die städtebauliche Neuordnung des Hafengeländes in West- Manhattan einen angesehenen Architekturpreis in den USA. Im Dezember 1999 gewann er in einem internationalen Wettbewerb den 1. Preis für seinen Entwurf einer unter anderem aus Museum, Bibliothek und Opernhaus bestehenden Kulturstadt in Santiago de Compostela (Spanien), die seit 2002 realisiert wird. Ein weiteres Projekt war ein Footballstadion für 68.000 Zuschauer in Phoenix, Arizona, das 2006 eröffnet wurde. Seit seinen ersten publizistischen Erfahrungen als Mitherausgeber der architektur-theoretischen Zeitschrift »Oppositions« hat sich Peter Eisenman kontinuierlich als Publizist, aber auch als akademischer Lehrer mit grundsätzlichen Fragen der Architektur und der Gestaltung befasst. Er ist Inhaber der Louis-Kahn-Professur für Architektur an der Yale University und Gastprofessor an der Princeton University. Für sein Lebenswerk erhielt er 2004 den Goldenen Löwen der Architektur-Biennale in Venedig. Die beeindruckende Reihe der von ihm vorgelegten Publikationen, ebenso wie seine zahlreichen internationalen akademischen Aktivitäten, Vorträge und Ehrungen, machen ihn zu einer der interessantesten Architektenpersönlichkeiten der Gegenwart. In seinen Schriften setzt sich Eisenman immer wieder mit dem geschichtlichen Gehalt des Projekts der Moderne auseinander. Innerhalb dieser Beschäftigung mit philosophischen Fragen und Grundhaltungen ragt vor allem Eisenmans Auseinandersetzung mit dem französischen Philosophen Jacques Derrida hervor. Ein kontinuierliches Thema der reflexiven Tätigkeit Eisenmans ist seine These einer Architektur der Erinnerung, aus der er das Postulat einer ortsbezogenen oder textuellen Architektur ableitet, die dem Nutzer eine einzigartige, medial nicht vermittelbare Erfahrung von Raum und Zeit ermöglicht. Angesichts der heute immer deutlicher werdenden Dichotomie zwischen Modernität und Fundamentalismus und der Dichotomie zwischen Bild und Realität muss auch die Rolle der Architektur nach Auffassung von Eisenman neu gedacht werden, wenn sie im Kampf der Symbole und Inszenierungen bestehen und eine kritische Funktion behalten soll.

INFORMATIONEN ZUM DENKMAL<br />

12<br />

Das Gebäude und das Grundstück Wilhelmstraße 72 gehörten zunächst<br />

Gerichtspräsident Hans Christoph von Görne und kamen Anfang<br />

des 19. Jahrhunderts in den Besitz des Preußischen Königs, bis<br />

das Reich sie 1919 aus dem Besitz der Hohenzollern erwarb. Im Jahr<br />

darauf zog hier das neugegründete Reichsernährungsministerium<br />

ein, das dort seinen Sitz bis zur Zerstörung im Februar 1945 behielt.<br />

1937 ließ sich Reichspropagandaminister Joseph Goebbels auf dem<br />

Grundstück eine Dienstvilla errichten; drei Jahre später folgte ein<br />

Bunker. Die Trümmer des Gebäudes wurden nach 1945 beseitigt;<br />

der Bunker blieb allerdings erhalten.<br />

Die Wilhelmstraße 73 war durch den Bau des Gräflich Sackenschen<br />

Palais geprägt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde <strong>die</strong>ser Bau samt<br />

Garten von König Friedrich Wilhelm IV. gekauft und <strong>die</strong>nte bis zum<br />

Ende der Monarchie als Ministerium des Königlichen Hauses. Nachdem<br />

das Reich 1919 auch <strong>die</strong>se Immobilie erworben hatte, richtete<br />

es hier den Dienstsitz mit Wohnung für das neugeschaffene Amt des<br />

Reichspräsidenten ein. Ab 1938 noch durch Reichsaußenminister<br />

Joachim von Ribbentrop genutzt, brannte das Palais in Folge von<br />

Bombenangriffen im Frühjahr 1945 aus.<br />

Die Ruinen der Gebäude der Wilhelmstraße 71 und 72 wurden zu<br />

Beginn der 1960er Jahre abgetragen. Die Gärten verschwanden<br />

mit dem Bau der Berliner Mauer durch <strong>die</strong> DDR im Jahre 1961 und<br />

wurden Teil des späteren »Todesstreifens«. Von 1987 bis 1990 entstand<br />

an der Wilhelmstraße (damals Otto-Grotewohl-Straße) eine<br />

»Wohnanlage in Sonderplatte«. Nach Abbau der Grenzanlagen der<br />

DDR 1989/90 lag das Gelände der früheren Ministergärten brach,<br />

bis es zum Standort für das zentrale Holocaust-<strong>Denkmal</strong> ausgewählt<br />

wurde.<br />

Der Architekt Peter Eisenman<br />

Peter Eisenman wurde 1932 in Newark, New Jersey, geboren. Er<br />

stu<strong>die</strong>rte von 1951 bis 1955 Architektur an der Cornell University,<br />

Ithaca, anschließend an der Columbia University, New York, und<br />

schloss seine akademische Ausbildung 1963 mit einer Doktorarbeit<br />

über Entwurfstheorie ab.<br />

Ab 1957/58 arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros unter<br />

anderem in Walter Gropius’ Büro »The Architects Cooperative«. Seit<br />

1960 lehrte Peter Eisenman Architektur, beispielsweise an der Princeton<br />

University, New Jersey, an der Cambridge University, Massachusetts,<br />

und an der New Yorker Cooper Union School, wo er zusammen<br />

mit John Hejduk unterrichtete. Von 1967 bis 1982 leitete<br />

er das »Institute for Architecture and Urban Stu<strong>die</strong>s«. Er war Professor<br />

für Architektur an der University of Maryland (1978), an der<br />

Harvard University (1982–1985), an der Cooper Union School, New<br />

York City, und an der Ohio State University. In seiner ersten beruflichen<br />

Phase arbeitete er zusammen mit Charles Gwathmay, John<br />

Hejduk, Michael Graves und Richard Meier in der Architekturgruppe<br />

»The New York Five«. An den Arbeiten, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Zeit entstanden<br />

und in gesonderten Publikationen veröffentlicht sind, hat Eisenman<br />

seine entwurfstheoretischen Grundsätze entwickelt. Anfang

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