Heft_Schmerz_2009_01.. - Adjutum
Heft_Schmerz_2009_01.. - Adjutum
Heft_Schmerz_2009_01.. - Adjutum
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
dosierung von schmerzmedikamenten <br />
Interdisziplinäres <strong>Schmerz</strong>management<br />
Bewegungsfreiheit bei der Verabreichung von Antiinflammatoria<br />
dadurch eingeschränkt, dass diese Mittel einerseits am Ort<br />
der Inflammation, andererseits aber auch in Nervenzellen, wo<br />
die Hemmung der Zyklooxygenasen für die zentrale <strong>Schmerz</strong>hemmung<br />
verantwortlich ist und gleichzeitig auch hemmend<br />
auf die neuronale Plastizität einwirkt. Das heißt: die Hemmung<br />
der Prostaglandinsynthese bzw. der Zyklooxygenase ist in jenen<br />
Strukturen, wo einerseits die <strong>Schmerz</strong>ursache und andererseits<br />
die <strong>Schmerz</strong>generierung, Weiterleitung und Wahrnehmung<br />
liegt, von großer Wichtigkeit. Im Bereich des Gastrointestinalsystems<br />
und des Nierensystems hingegen und auch im Gerinnungssystem<br />
besteht bei schmerzhaften Zuständen kein Grund<br />
der Hemmung der Prostaglandinsynthese. Es konnte gezeigt<br />
werden, dass die Verweildauer eines nicht steroidalen Antirheumatikums<br />
im Serum direkt proportional zur Häufigkeit<br />
von gastrointestinalen Ereignissen steht. Das heißt: je kürzer die<br />
Halbwertszeit eines Medikamentes im Serum, desto geringer<br />
die Inzidenz unerwünschter gastrointestinaler Ereignisse und<br />
vice versa. In Unkenntnis dieser Tatsache hat man vor vielen<br />
Jahren die Philosophie verfolgt nicht steroidale Antirheumatika<br />
mit langer Halbwertszeit zu synthetisieren, um Patienten, welche<br />
an chronischen entzündlichen <strong>Schmerz</strong>en litten, wie beispielsweise<br />
aktivierten rheumatischen Erkrankungen, die Frequenz<br />
der Medikamenteneinnahme zu senken. Folge war, dass<br />
aufgrund der langen Präsenz dieser Medikamente im Blutsystem<br />
auch Organe, bei welchen Prostaglandine konstituell vorhanden<br />
und auch funktionell wichtig sind, ebenfalls gehemmt<br />
wurden und damit gastrointestinale Blutungen und Nierenschäden<br />
mit höherer Wahrscheinlichkeit auslösten als eben die<br />
oben erwähnten Medikamente mit kürzerer Halbwertszeit. Es<br />
liegt mittlerweile genügend Literatur vor welche beweist, dass<br />
die Verweildauer von NSAR in entzündlichen Regionen, beispielsweise<br />
der Synovialflüssigkeit, bis zu 12 Stunden beträgt,<br />
auch wenn die Halbwertszeit im Serum weitaus kürzer ist. Konsequenz<br />
aus dieser Erkenntnis ist heute, dass Medikamente mit<br />
kurzer Halbwertszeit eingesetzt werden, die aufgrund ihrer spezifischen<br />
Wirkung am Ort der Krankheitsursache eine längere<br />
Halbwertszeit haben als im Serum, womit die Organexposition<br />
der Leber und der Niere gegen dieses Medikament weitaus kürzer<br />
und auch in niedrigerer Konzentration erfolgt. Eine Angleichung<br />
der Galenik durch Retardierung kurzwirksamer NSAR<br />
scheint daher nicht sinnvoll, da ja bereits langwirksame Medikamente<br />
vorhanden sind und die Verlängerung der Freisetzung<br />
letztlich zu einer protrahierten konsekutiven Halbwertszeit<br />
führt, die ja eigentlich nach den obigen Erläuterungen gar keinen<br />
klinischen Vorteil bietet. Eine Ausnahme bilden hier lediglich<br />
transdermale Formen, da hier gezeigt werden konnte, dass<br />
topisch aufgebrachte NSAR tatsächlich in den angrenzenden<br />
Gewebsstrukturen höher konzentriert sind, im System selbst<br />
aber nur ganz niedrige Spiegel gemessen werden. Bei einer lokalisierten<br />
<strong>Schmerz</strong>ursache, welche von außen leicht zugänglich<br />
ist, wie dies für Gelenke oder oberflächliche Blessuren zutrifft,<br />
kann diese je nach <strong>Schmerz</strong>intensität durchaus erfolgreich mit<br />
dieser Art der NSAR-Galenik behandelt werden.<br />
Opioide<br />
Gerade bei den Opioiden, deren Wirkung ja über spezifische<br />
Rezeptoren erfolgt, ist die Verweildauer und die Serumkonzentration<br />
entscheidend für die jeweilig erwünschte Wirkung. Andererseits<br />
werden die meisten Opioide relativ rasch eliminiert,<br />
sodass je nach Galenik eine sehr gute Anflutung, eine kontinuierliche<br />
Freisetzung und eine je nach Wunsch prolongierte<br />
oder beschleunigte Elimination des jeweiligen Opioids erreicht<br />
werden kann. Die Applikationsformen der Opioide sind dementsprechend<br />
vielfältig, von rasch resorbierbaren Formen wie<br />
transmuköse Applikation, intravenöse Applikation, rasch resorbierbaren<br />
Tropfen oder Tabletten bis hin zu Retardierungsformen<br />
mit 12 oder 24 Stunden Retardierung und schließlich<br />
transdermalen Pflastern mit 72 oder 96 Stunden Wirkdauer,<br />
ist derzeit eine breite Applikationspalette vorhanden. Ebenso<br />
können Opioide intravenös, intramuskulär, subcutan und rückenmarksnahe,<br />
epidural, spinal, verabreicht werden. Nicht alle<br />
der genannten Formen sind für jedes Opioid verfügbar, somit<br />
obliegt dem Verschreiber die Aufgabe festzustellen: Welches<br />
Opioid ist für meinen Patienten am besten geeignet, dies hinsichtlich<br />
Wirkungsgrad, Verträglichkeit und Auftreten unerwünschter<br />
Nebenwirkungen? Und welche Galenik ist für den<br />
individuellen Patienten geeignet. Hinsichtlich der verfügbaren<br />
Galeniken ist zu sagen, dass mitzubedenken ist, ob ein oral verabreichtes<br />
Medikament bei Einnahme von Speisen bzw. Flüssigkeit<br />
und schließlich Alkohol seine Resorptionsgeschwindigkeit<br />
und seinen Resorptionsgrad ändert und welche Auswirkungen<br />
dies auf den jeweiligen Wirkspiegel hat. Dies ist beispielsweise<br />
besonders dann von Interesse, wenn durch den Einfluss von<br />
Speiseneinnahmen oder Genussmitteln wie Alkohol eine Galenik,<br />
welche beispielsweise für die kontinuierliche Freisetzung<br />
von 12 oder 24 Stunden gemacht wurde, die gesamte Dosis innerhalb<br />
von 2-4 Stunden freisetzt, da daraus beträchtlich hohe<br />
Serumspiegel mit einer kurzfristigen Überdosierung resultieren<br />
können. Es war lange Zeit üblich bei Einnahme von Medikamenten<br />
den Einnahmezeitpunkt vor, mit oder nach dem Essen<br />
aber auch den Beigenuss von speziellen Nahrungsmitteln wie<br />
Alkohol zu verbieten, in Kenntnis der Resistenz neuer Galeniken<br />
kann nun der Arzt die Einnahmerhythmen in Beziehung<br />
zur Speiseneinnahme der jeweiligen Galenik angleichen und<br />
bei manchen Retardierungsmethoden wie der Retardierung<br />
wie beispielsweise jener von Oxycontin (Acrocontin) und der<br />
Contramidretardierung (Noax, Hydrooxymethylstearat/ Hg.<br />
Stearat, Titanoxid [Adamon long ret.]), gleichzeitige Einnahme<br />
von Alkohol erlauben, während sie bei anderen Retardierungsformen<br />
grundsätzlich verboten sein sollte. Überall dort, wo die<br />
Informationsdisziplin der Patienten fragwürdig erscheint, sollte<br />
grundsätzlich eine alkoholresistente Galenik verordnet werden;<br />
dies durchaus mit einer entsprechenden Begründung.<br />
Antidepressiva<br />
Bei chronischen <strong>Schmerz</strong>en mit neuropathischem Charakter<br />
sind Antidepressiva als Co-Analgetika ausreichend evidenzbasiert,<br />
wobei dies vor allem für die trizyklischen Antidepressiva<br />
gilt. Es liegt allerdings mittlerweile auch schon genügende<br />
Evidenz für neuere Antidepressiva wie Mianserin, Duloxetil<br />
und auch Mirtazapin vor. Eine entsprechende Übersicht von<br />
Sindrup und Jensen (1999) zeigt die „Number of patientens<br />
to treat“ von etwa 2,5 – 3,5 je nach Substanz. Zu beachten ist,<br />
dass bei der Behandlung mit Antidepressiva ebenfalls eine<br />
subtile Auswahl zu treffen ist, da auch hier beträchtliche Unterschiede<br />
hinsichtlich der spezifischen Wirkung bestehen<br />
und bei den meisten <strong>Schmerz</strong>patienten ja auch tatsächlich<br />
eine schmerzbegleitende reaktive Depression nachzuweisen<br />
ist. In diesen Fällen wird sowohl die Hauptwirkung also die<br />
Antidepression als auch die Nebenwirkung nämlich die Analgesie<br />
nutzbar gemacht.<br />
10