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Peter Haas Schleppschiffahrt auf dem Rhein

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<strong>Peter</strong> <strong>Haas</strong><br />

<strong>Schleppschiffahrt</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Rhein</strong><br />

»Aufpacken« - Hohe Schule der Fahrkunst<br />

Ein Bericht aus <strong>dem</strong> Jugendbuch Zu Schiff durch Europa.<br />

Auf <strong>dem</strong> Dampf-Sch<strong>auf</strong>elradschlepper Adolf Linden beginnen die beiden<br />

Sch<strong>auf</strong>elräder zu paddeln. Vom am Bug hieven die Matrosen nacheinander<br />

erst den schweren, unhandlichen Hauptanker und dann den etwas<br />

leichteren Stromanker aus <strong>dem</strong> Wasser, die beide grau und gelb sind<br />

von Schlick. Die »<strong>Rhein</strong>töchter« haben sie außer<strong>dem</strong> über Nacht mit grünen<br />

Algen garniert. Silbrig sprühen die Deckwaschschläuche über Bord<br />

und pinseln die schweren Eisen wieder blank.<br />

Jetzt beginnt, wie immer beim »Aufpacken« eines großen <strong>Rhein</strong>schleppzuges,<br />

eine »schiffige« Zentimeterarbeit beim Zusammenspiel von sieben<br />

Schiffsbesatzungen.<br />

Der Regisseur dieser Schaunummer steht längst <strong>auf</strong> seiner Kommandobrücke:<br />

der Kapitän und Schleppzugführer. Sein Sohn, Hauptdarsteller<br />

und Steuermann, nickt <strong>dem</strong> Vater bedächtig zu. Die Decksmannschaft<br />

des Schleppers ist hinter <strong>dem</strong> Schornstein, bei den Troßwinden versammelt.<br />

Mit langsamer Fahrt plätschert Adolf Linden über die Reede von Geisenheim.<br />

Nur ein Schiff vom zweiten Gebirgszug Bad Salzig-Bingen hat er<br />

noch im Schlepp behalten über Nacht.<br />

Ein Schwarm Dohlen fliegt erschrocken von den Uferpappeln <strong>auf</strong>, als es<br />

per Megaphon vom Schlepper übers Wasser dröhnt: »Hallo, De Gruyter<br />

28, De G-r-u-y-t-e-r ...«<br />

Weiß der Kuckuck, wo dieser Kahn inmitten all der Schiffsknäuel steckt.<br />

Doch schließlich geht irgendwo eine Kajüttür <strong>auf</strong>. Jemand nimmt ein Megaphon<br />

zur Hand und brüllt: »Jau!«.<br />

Der Schleppzugführer ruft durch die »Flüstertüte« zurück: »Wie tief geht<br />

Euer Schiff?« Der Schiffer drüben zeigt mit den Fingern zweieinhalb Meter<br />

an. Der Schleppzugführer hebt verstehend die Hand. Dann überfliegt<br />

er schnell noch einmal den blauen Brief, den ihm das Orderboot in Bad<br />

Salzig an Bord gebracht hatte:<br />

»SIE WOLLEN IHREN ANHANG IN ZWEI ZÜGEN DURCHS GEBIRGE<br />

BEFÖRDERN UND DANN NACH MAINZ, WORMS UND MANNHEIM<br />

WEITER MIT DEN KÄHNEN:<br />

de Gruyter 28<br />

Harpen 35<br />

Rhenania 65<br />

Johs. Schürmann 11<br />

Mannesmann 24<br />

Mannesmann 12<br />

nach Mannheim<br />

nach Worms<br />

nach Mainz<br />

nach Oppau<br />

nach Mannheim<br />

nach Weisenau<br />

79<br />

1


DER ZUNÄCHST NOCH ANHÄNGENDE KAHN >CONSTANTIN 11< SOWIE<br />

DER SCHWEIZER KAHN >MATTERHORN 1< BLEIBEN IN BINGEN. DAFÜR<br />

WIRD VON MAINZ BIS LUDWIGSHAFEN DER KAHN >CONFLUENTIA<<br />

MITGENOMMEN!«<br />

Der Schlepper arbeitet sich jetzt <strong>auf</strong> wenige Meter an den ersten der Kähne, an De<br />

Gruyter 28, heran. Der hat sich von der Strömung rückwärts aus <strong>dem</strong> Schiffsknäuel<br />

heraustreiben lassen. Während <strong>auf</strong> ihm der Schiffer mit seinen Matrosen an der Ankerliere<br />

beschäftigt war, stand die Schifferfrau achtern am Haspel. Mit viel Geschick<br />

legte sie das schwere Ruderblatt mal nach der einen, dann wieder nach der anderen<br />

Seite. So wurde das Heraustreiben begünstigt.<br />

Rabums' poltert jetzt der Anker von De Gruyter 28 zu Wasser. Mit Schwung saust die<br />

Schmeißleine, von einem Räderboot-Matrosen geworfen, drüben <strong>auf</strong>s Vorschiff, wird<br />

hastig gegriffen - und nun schwebt auch das drangeknotete zentnerschwere Ende<br />

des Schleppstranges hinüber. Der Schlepper manövriert derweilen so kunstvoll mit»<br />

Rädern« und Steuerruder, daß er trotz der Gegenströmung <strong>auf</strong> der Stelle steht. Jetzt<br />

heben die Kahnleute die Arme. Alles klar!<br />

Kreiselnde Fingerbewegung des Schleppzugführers. Langsam wird drüben der Anker<br />

gelichtet.<br />

»Wahrschau, Troßwinde 1 .Strang nachgeben, wir schleppen an!« brüllt der Kapitän<br />

nach hinten zum jetzt angehängten Kahn hinüber. Der kommt nun so weit in Fahrt,<br />

daß er <strong>dem</strong> eigenen Ruder wenigstens minimal gehorcht und endgültig aus <strong>dem</strong> engen<br />

Loch zwischen zwei Schiffsreihen herausfindet. Schon hat der Schleppzugführer<br />

die nächsten drei Kähne <strong>auf</strong>s Korn genommen. Megaphonanweisungen geben ihnen<br />

die Platznummern im Schleppzug bekannt.<br />

Gleich dar<strong>auf</strong> schwirren die Kommandos über Deck: »Winde 5 weiterfieren ... Winde<br />

2 anhalten. .. Winde 7 schneller fieren! ... Ruder mehr Backbord. . . Maschine etwas<br />

stärker. . . Achtung, Winde 3 erstmal <strong>auf</strong> Reck halten. . . Ruder mittschiffs. Winde 6<br />

klarmachen!«<br />

Der Schleppzugführer muß seine Augen überall zugleich haben. Welche Ruhe geht<br />

jetzt von diesem Manne aus! Sie ist aber doch mehr äußerlich. Die wachsende Verkehrsdichte<br />

<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Rhein</strong> überfordert die Schleppzugführer immer schlimmer.<br />

Jetzt rumoren und wippen die Schleppstränge, sie rucken hart aus <strong>dem</strong> Wasser und<br />

peitschen mit aller Kraft wieder hinein. Der Adolf Linden schleudert und muß erst<br />

wieder »ins Ruder« gebracht werden.<br />

»Winde 5 nicht zu hart l<strong>auf</strong>en lassen!...«<br />

Sprung des Schleppzugführers an die Schiffsglocke: Erst zwei, dann vier Einzelschläge.<br />

Die Schiffer von Kahn 2 und Kahn 4 sollen endlich vernünftiger steuern! Viel<br />

zu weit spreizt sich der Schleppzug seitlich auseinander und nimmt fast das ganze<br />

Fahrwasser ein, obwohl doch schon Schiffe entgegenkommen.<br />

Im Kielwasser bietet sich ein verworrenes Bild von zickzackfahrenden Anhangschiffen,<br />

die teilweise durch hohe Koks-Decksladungen ihrer Vordermänner verdeckt<br />

sind. An den Masten gehen die Reedereiflaggen her<strong>auf</strong> und herunter und signalisieren,<br />

daß die Schiffe noch immer nicht im richtigen Abstand hängen und noch nicht<br />

voll manövrierfähig sind. Aber sie hatten ihre Anker im richtigen Augenblick hochnehmen<br />

können und auch die Stränge des Schleppers korrekt befestigt. Wehe, wenn<br />

beim Aufpacken oder Koppeln eines Schleppzuges einer der Kahnmatrosen zwei linke<br />

Hände hat!<br />

Ein <strong>auf</strong>packender Schleppzug bildet ein überdimensionales Verkehrshindernis, denn<br />

er wird bis etwa zwölfhundert Meter lang. Bis der ganze Verband vollständig sicher<br />

2


<strong>dem</strong> Ruder gehorcht, bis alle Schiffe den richtigen Abstand zum Schlepper eingenommen<br />

haben, vergeht geraume Zeit. Und diese Phase wird an den Brennpunkten<br />

des <strong>Rhein</strong>verkehrs, <strong>auf</strong> überfüllten <strong>Rhein</strong>reeden mit ganzen Flotten von dazwischenkommenden<br />

Berg- und Talfahrern, immer problematischer.<br />

»Alles rack!« meldet jetzt der Menagemann (Koch) des Schleppers, der als Vormann<br />

an den Troßwinden steht.<br />

»Alsdann alle Winden fest! Sämtliche Strangklemmen zu!«<br />

Der Maschinentelegraf geht <strong>auf</strong> »Halbe Kraft voraus«.<br />

Auf fünf von den Anhangschiffen werden jetzt kleine Suchanker in hohem Bogen ins<br />

Wasser geschleudert. Das Geduldspiel des Strangfischens beginnt. In der <strong>Rhein</strong>schiffahrt<br />

ist jeder einzelne Kahn durch eine separate Trosse des Schleppers mit<br />

diesem verbunden. Damit diese kilometerlangen Stahlleinen nicht in ganzer Länge<br />

durchhängen und etwa über die Stromsohle schleifen, werden sie am Bug jedes einzelnen<br />

Anhangschiffes gebündelt in einen sogenannten Brittelhaken gelegt. Jeder<br />

Kahn hält die Stränge aller noch folgenden Kähne darin fest. Deshalb ist jedesmal<br />

nach <strong>dem</strong> Aufpacken eines <strong>Rhein</strong>schleppzuges das Strangfischen notwendig. Es erfordert<br />

große Geschicklichkeit. Mit <strong>dem</strong> »Wolf« wird der Grund des <strong>Rhein</strong>s neben<br />

<strong>dem</strong> Schiff in seitlicher Richtung so lange durchgeharkt, bis alle dort entlang schleifenden<br />

Stränge der Hintermänner erwischt und mit der Winde hoch gehievt sind.<br />

(Das Strangfischen ist in drei Bildern dargestellt.) »Zeiser fest!« ordnet jetzt der<br />

Schleppzugführer an.<br />

In der <strong>Rhein</strong>schiffahrt hing jeder Schleppkahn an einem besonderen »Strang«, er<br />

war also durch eine separate Trosse an den Schlepper angehängt. Damit diese bis<br />

zu anderthalb Kilometer langen Stahlleinen nicht in ganzer Länge durchhingen und<br />

etwa über die Stromsohle schleiften, wurden sie am Bug jedes einzelnen Anhangschiffes<br />

gebündelt in einen »Brittelhaken« gelegt. Jeder Kahn hielt die Stränge al/er<br />

nachfolgenden Kähne darin fest. Nach <strong>dem</strong> Zusammenkoppeln oder »Aufpacken«<br />

eines <strong>Rhein</strong>-Schleppzuges mußten die Stränge mit <strong>dem</strong> Suchanker oder »Wo"« gefischt<br />

und hoch gezogen werden. Auf Oder, Eibe, Weser, Donau war dieses Verfahren<br />

nicht üblich, dort hing jeweils ein Schleppkahn am anderen, am Vordermann.<br />

Dieses einfachere Verfahren machte freilich ein Ausscheren und Abwerfen einzelner<br />

Kähne während der Fahrt unmöglich.<br />

Der Wolf wird geworfen Der Matrose zieht mit der Winde den Alle Straenge haengen<br />

Wolf samt <strong>dem</strong> erfassten Strang hoch im Brittel<br />

3


Zwei Schleppermatrosen bücken sich <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Achterdeck unter den niedrigen »Überläufer«<br />

(Schleppbügel) hindurch und binden die gefährlich, wie scharfe Sensen,<br />

von einer Seite zur anderen schwingenden Schlepptrossen mit Hilfe des Zeistaues<br />

zusammen. Auf diese Weise können sie nicht abrutschen und in einer Stromkrümmung<br />

unter den Schlepper geraten. Vorteil der rheinischen Methode des Separatschleppens<br />

aller Anhangschiffe ist, daß jederzeit eins der Anhangschiffe aus <strong>dem</strong><br />

Zuge ausscheren kann, sobald es seinen Bestimmungsort erreicht hat. (Die entstandene<br />

Lücke wird durch Heranwinden der folgenden Kähne an den Schlepper wieder<br />

geschlossen).<br />

Und so wurden die Schleppstränge<br />

unterwegs durch das Zeistau<br />

oder den »Zeiser« des Schleppers<br />

zusammengehalten.<br />

Ohne viel Federlesens und ohne irgendeine Formalität hebeln die Matrosen des ausscherenden<br />

Schleppkahnes die Stränge aus <strong>dem</strong> Brittelhaken und feuern sie ins<br />

Wasser. Dann werfen sie den Strang ihres Schiffes vom Schlepp-Poller los. Mit <strong>dem</strong><br />

letzten Schwung der Schleppfahrt scheren sie zum Ufer hinüber oder gar noch in ein<br />

Hafenbecken hinein. Dort, im strömungslosen Wasser, vermag der Kahn noch viele<br />

hundert Meter weiter bis zu seinem vorgesehenen Liege- oder Ankerplatz zu gleiten.<br />

Das Wasser entwickelt kaum Reibung und bremst daher nicht ab. In der Sprache der<br />

»<strong>Rhein</strong>lachse« (<strong>Rhein</strong>schiffer) nennt man das antriebslose Einl<strong>auf</strong>en in einen Hafen,<br />

mit <strong>dem</strong> Fahrtschwung des Schleppzuges, »Hineinsemmen«.<br />

Werden im Endhafen mehrere Anhangschiffe zugleich »abgeworfen«, müssen die<br />

langen Schleppstränge von zwei oder drei Troßwinden gleichzeitig wieder <strong>auf</strong>gehaspelt<br />

werden. Auch das ist <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> belebten <strong>Rhein</strong> problematisch. Ganz sauber muß<br />

Spur neben Spur <strong>auf</strong> der Windentrommel liegen. Der Schlepperkapitän hat durch eine<br />

Mindestfahrtstufe dafür zu sorgen, daß die über die Stromsohle schlitternden Enden<br />

dieser Trossen einen gewissen Zug behalten. Andernfalls würden sie sich zu einem<br />

unentwirrbaren Knäuel zusammenringeln und völlig unbrauchbar werden. Jede<br />

Stahltrosse hat ja einen Drall, der bei der Herstellung durch Zusammendrehen der<br />

einzelnen Drähte zur dicken Trosse entstand. Die Stränge, die sorgfältig konservierten,<br />

silberglänzenden und wertvollen »Riesenschlangen«, sind die Augäpfel der<br />

Schleppzugführer. Der Umgang mit ihnen ist das A und 0 der <strong>Schleppschiffahrt</strong>.«<br />

Soweit damals das Reportage-Sachbuch »Schleppzug anker<strong>auf</strong>!« Mehrfach habe ich<br />

<strong>auf</strong> <strong>Rhein</strong>schleppern dramatische Situationen miterlebt.<br />

Einmal brüllte mein Schleppzugführer plötzlich seinen Steuermann an: »Verdammt<br />

nochmal... Fernglas her.. schnell, Karl, hart Backbord, was du nur kannst!«<br />

Der Kapitän rannte aus <strong>dem</strong> Steuerhaus. Einer der Schleppkähne hatte bei seinem<br />

Abwinkeln zum Hineinsemmen in die Neckarmündung den Schleppstrang nicht losbekommen.<br />

Immer weiter riß das weiterl<strong>auf</strong>ende Schiff die Trosse in den Neckar hin-<br />

4


ein, während unser Schlepper draußen <strong>auf</strong> der von Schiffen wimmelnden <strong>Rhein</strong>straße<br />

zwischen Mannheim und Ludwigshafen weiterfuhr und weiterfahren mußte, wenn<br />

nicht drei andere, eben frei gewordene Schleppstränge geopfert werden sollten. Also<br />

Weiterfahren oder Strangsalat.<br />

Wir zogen die Köpfe ein, als der Strang zischend und pfeifend aus <strong>dem</strong> Wasser<br />

schnellte - nur wenige Meter vor <strong>dem</strong> Bug eines überholenden Bergfahrers, der trotz<br />

aller Warnungen des Schleppzugführers nicht mehr hatte abdrehen können.<br />

Brummend und verräterisch knisternd hing der Strang irgendwo fest, um Sekunden<br />

später mit einem Satz die Böschung der Mannheimer Neckarspitze hoch zu rutschen.<br />

Mit Getöse peitschte er gegen die stählerne Umzäunung eines dortigen Tanklagers.<br />

Zwei von den Betonpfosten des Zaunes wurden wie von einem Schwerthieb<br />

gefällt.<br />

Es war eine böse Situation. An Backbord lag die Bunkerstation mit zahlreichen Tankschiffen.<br />

Dichter heran ging es dort also nicht mehr. An Steuerbord kam ein<br />

Talschleppzug angebraust, der nicht ausweichen konnte. Zwei weitere Überholer waren<br />

auch noch im Wege. Unser Schlepper schlingert wie betrunken hin und her, von<br />

anderen Schiffen eingekeilt.<br />

Der Schleppzugführer rannte, so schnell ihn die Füße tragen konnten, zum Windendeck:<br />

»Weg mit <strong>dem</strong> Strang, ausl<strong>auf</strong>en lassen!« »Opfern?«, brüllte der Vormann an<br />

der Troßwinde zurück.<br />

»Jawoll, weg damit! Los, 'raus aus der TrommeL.. letzte Chance!«<br />

Genau in dieser Sekunde gab es einen scharfen Knall. Ein Vibrieren und Rucken<br />

ging durch die singend stramm gespannte Stahltrosse. Und noch bevor der Windenfahrer<br />

sie slippen konnte, sah man ein Ringeln und Aufbäumen des plötzlich doch<br />

wieder freigekommenen Stranges. Nach einem letzten Schwanzhieb gegen den Lattenzaun<br />

sauste die Riesenschlange ins <strong>Rhein</strong>wasser zurück. Die Männer <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> in<br />

den Neckar hineingesemmten Kahn hatten das Ende wohl gerade noch mit der Axt<br />

kappen können!<br />

Einmal passierte es - unten in Holland -, daß der Schiffer meines 1500-Tonnen<br />

Schleppkahns, <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> ich in der Erzfahrt Vlaardingen-Duisburg angemustert hatte,<br />

gellend »Achtung, hart Ruder!« schrie. Er sprang wie von der Tarantel gestochen <strong>auf</strong><br />

und riß mir den Haspel aus der Hand. Ein überholender Bergfahrer wurde durch das<br />

falsche Überholmanöver eines <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Talweg entgegenkommenden Küstenmotorschiffes<br />

zwischen die Schiffe unseres Schleppzuges gedrängt - über die Schleppstränge,<br />

die zum Bug unseres Kahnes führten. Unser Vorschiff hob sich mit einem<br />

merklichen Ruck an.<br />

Der Schiffer kurbelte wie wahnsinnig an <strong>dem</strong> mannshohen Haspel herum.<br />

Auch die Schleppermatrosen waren sofort an die Troßwinden gesprungen und versuchten<br />

blitzschnell, die Stränge durch Auffieren (Nachgeben) etwas tiefer zu legen.<br />

Aber es konnte nicht mehr gut gehen. Gleich mußte die Schiffsschraube des über die<br />

Stränge geratenen Schiffes diese durchhacken und sich womöglich in den Stahltrossen<br />

verwickeln.<br />

Der Schiffer kniff die Augen zu, und ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten.<br />

Gar zu schaurig war das Konzert, das die sperrigen Ruderblätter eines Motorschiffes<br />

gaben, während sie über die Schleppstränge schlitterten. Die Matrosen rasten nach<br />

vom, um den Stockanker klarzumachen. Wenn unser Schleppstrang bräche, würden<br />

wir von der Strömung <strong>auf</strong> das nachfolgende Anhangschiff gedrückt!<br />

Wumm - ein Ruck. . . und alle Stahltrossen schnellten unversehrt wieder aus <strong>dem</strong><br />

Wasser. Die Schiffsschraube des Gütermotorschiffes hatte keinen der Stränge zu<br />

fassen bekommen. Wir waren noch einmal »von der Schippe gesprungen«.<br />

5


Zusammenstellung von Schleppzuegen<br />

Bergfahrt Beladener Schleppzug mit Radschlepper von 1200 / 1800 PS<br />

Bei der Bergfahrt darf<br />

der Abstand zwischen<br />

<strong>dem</strong> Schlepper und <strong>dem</strong><br />

1. Kahn 120 m nicht ueberschreiten,<br />

es sei<br />

denn, dass nur ein einziger<br />

Kahn geschleppt<br />

wird. In diesem Fall kann<br />

der Abstand bis 200 m<br />

betragen. Der Abstand<br />

zwischen den Kaehnen<br />

darf keine 80 m ueberschreiten.<br />

6


Talfahrt Gemischter Schleppzug mit Radschlepper<br />

1. Laenge Bei den beladenen Kaehnen werden die Schleppstraenge <strong>auf</strong> den innenseitigen<br />

Pollern festgemacht.<br />

2. Laenge Die Straenge kreuzen sich und werden bei den leeren Kaehnen <strong>auf</strong> den<br />

aeusseren Pollern festgemacht.<br />

Die Laenge die den Straengen zu geben ist, ist um so kürzer je mehr<br />

Krümmungen das Fahrwasser <strong>auf</strong>weist und je enger es ist.<br />

Sie beträgt 25 bis 50 m. je nach <strong>dem</strong> die Kähne leer oder beladen sind.<br />

Beladene Kähne bekommen die groessere Länge.<br />

Das Wenden eines Talzuges<br />

7


Wenden zu Berg > Aufdrehen<br />

Wenden zu Tal > Umdrehen<br />

Die leeren Kähne halten den Schlepper nur wenig zurück. Diese hält zunächst gute<br />

Fahrt um im geeigneten Augenblick eine starke Kreisbewegung zu machen. Der <strong>dem</strong><br />

Abfall abgekehrte Strang wird lose gehalten.<br />

Wenn die Wendung gesichert ist, vermindert die Maschine die Fahrt.<br />

Man ordnet die Stränge, sobald der Schleppzug wieder in gestreckter Richtung ist.<br />

Der Schlepper dreht mit geringer Geschwindigkeit. Die Kähne halten sich mit ihren<br />

Rudern am Abfahrtsufer. Der <strong>dem</strong> Abfall abgekehrte Strang wird lose gehalten. Der<br />

Zweite bleibt straff, um die kreisförmige Bewegung des Schleppers zu erleichtern.<br />

Die Kähne setzen die Ruder in die Richtung der Wendung nur <strong>auf</strong> Zeichen des<br />

Schleppers.<br />

8


Schleppzug anker<strong>auf</strong>!<br />

Jeden Morgen um halb sechs<br />

Uhr ertönt das Weckgeläut der<br />

Schiffsglocken - und eine halbe<br />

Stunde später geht die Reise<br />

weiter zu Berg.<br />

**************<br />

Quellen: Schleppzug Anker<strong>auf</strong> von Georg Prager / 1959 Jugendbuch<br />

Zu Schiff durch Europa von Georg Prager 1970 Jugendbuch<br />

Der <strong>Rhein</strong> / Leitfaden fuer den Steuermann 1950<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Haas</strong> 2009<br />

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