ZLB ZUKUNFTSWERKSTATT LINKE BILDUNGSPOLITIK - Die Linke
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Diskussion<br />
"<strong>Die</strong> gesellschaftliche Verantwortung von Wissenschaft"<br />
Prof. Dr.Klaus Ahlheim, Berlin<br />
<strong>Die</strong> eher unaufgeregt konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nannte es ein „Fanal" 1 , als am<br />
Anfang dieses Jahres Marius Reiser, Professor für Neues Testament am Fachbereich Katholische<br />
Theologie der Universität Mainz, seine Professur "aus Widerstand gegen die unter dem Titel<br />
‚Bologna-Prozess’ - betriebene und ihm als unerträglich erscheinende Hochschulreform" niederlegte.<br />
In Deutschland habe man, so Reisers Urteil, den europäischen Bologna-Prozess "als Vorwand"<br />
benutzt, "um den Universitäten endlich etwas zu geben, was erstaunlicherweise ebenfalls mit dem<br />
Namen Bolognas verbunden ist: ‚die straffe Ordnung einer Lern-Fabrik‘ “. Das kennzeichnete nämlich<br />
„nach Arno Borst die Universität Bologna im Gegensatz zu der von Paris im Mittelalter". Das<br />
modularisierte, in enge, festgelegte Bachelor-und Masterstudiengänge gezwängte Bologna-gemäße<br />
Studium an deutschen Universitäten sei ohne erkennbaren Widerstand etabliert worden, maßgeblich<br />
vorangetrieben von der Hochschulrektorenkonferenz, deren „Bologna-Reader“ von 2004 2 sich schon<br />
durch „grauenhaftes Deutsch“ – ich kann das bestätigen - und eine merkwürdige Wort- und<br />
Begriffswahl ausgezeichnet habe. In der Tat feiern in diesem Dokument Floskeln ihre<br />
bildungspolitische Anerkennung, die eher der Sprache der Betriebswirtschaft, des<br />
Betriebsmanagements und - in Anklängen - des Militärs entstammen. Da ist die Rede von<br />
"Marketing-Strategien", "Wettbewerbsfähigkeit", "Management der Hochschulen" und der "Schaffung<br />
eines wissensbasierten Wirtschaftsraums", da geht es um "Effizienz" und "passgenaue Konzeption des<br />
Studiums", um "Synergien" und "das Potenzial für Innovation und soziale und wirtschaftliche<br />
Entwicklung", um "Rekrutierungsverfahren" schließlich und die "europaweite Rekrutierung von<br />
Hochschullehrern". An keiner Stelle, so resümiert Reiser, gehe es "um den Geist, der nach Bildung<br />
verlangt".<br />
Reiser hat Recht. Auch wenn sein konsequenter Schritt spektakulär war, in seiner Kritik an den<br />
bamafizierten (so bisweilen die Formulierung der Hochschulmacher und -verwalter) der universitären<br />
Studiengänge steht er nicht allein, in der Konsequenz seines Handelns freilich schon.<br />
Interessanterweise kamen die kritischen Stimmen zum Bologna-Prozess bislang vor allem vom nicht<br />
gerade fortschrittseifrigen deutschen Hochschul-Verband oder aus seinem Umfeld, ein Hinweis, dass<br />
die traditionellen bildungspolitischen Fronten nicht mehr stimmen und dass es gerade auch die<br />
sozialdemokratischen Reformer waren, die den unseligen Bologna-Prozess vorangetrieben haben. In<br />
der Zeitschrift des Hochschulverbandes "Forschung & Lehre" hat der verantwortliche Redakteur Felix<br />
Grigat unter der Überschrift „Universität ohne Bildung“ 3 einmal von "politisch und ökonomisch<br />
motivierten Begründungssurrogaten" gesprochen, "die an die Stelle einer Humboldtschen Universität<br />
so etwas wie eine Kampfmaschine für den internationalen Wettbewerb" setzten und Humboldt so neu<br />
dächten, "dass von ihm nichts mehr übrig bleibt. Das Resultat der gegenwärtigen Hochschulreform“ -<br />
wobei der Begriff der Reform meines Erachtens ein Euphemismus ist, Hochschuldeform wäre<br />
vielleicht richtiger - ist, so Grigat, "die Universität als Betrieb... eine Universität ohne Bildung, die mit<br />
Humboldt nun wirklich nichts mehr gemein hat und für die sich das Denken erübrigt." 4 <strong>Die</strong><br />
Verbetriebswirtschaftlichung des bildungspolitischen Denkens und Handelns hat Gestalt gewonnen,<br />
längst auch in anderen Bildungsbereichen, über die Universitäten hinaus. <strong>Die</strong> in den gegenwärtigen<br />
Umstrukturierungen der Universitäten zu höheren Berufsbildungsanstalten spürbare Dominanz des<br />
1 Marius Reiser, Warum ich meinen Lehrstuhl räume. Gegen die Selbstauflösung der deutschen Universität<br />
durch Verwandlung in eine Lernfabrik, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Januar 2009, S. N 5<br />
2 Hochschulrektorenkonferenz (Hg.), Bologna-Reader. Texte und Hilfestellungen zur Umsetzung der Ziele des<br />
Bologna-Prozesses an deutschen Hochschulen, HRK Service-Stelle Bologna, Beiträge zur Hochschulpolitik<br />
8/2oo4<br />
3 Felix Grigat, Universität ohne Bildung. Anmerkungen zum Symposion „Humboldt neu denken“, in: Forschung<br />
& Lehre, Heft 3 2005, S.140 f., hier: S. 140<br />
4 Ebd. S. 141<br />
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