ZLB ZUKUNFTSWERKSTATT LINKE BILDUNGSPOLITIK - Die Linke
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Aus den Bundesländern<br />
Lässt Pisa wirklich grüßen?<br />
Manfred Auerswald<br />
Im Dezember 2008 unterzeichnete die Bundesregierung die UN- Konvention „über die Rechte von<br />
Menschen mit Behinderungen“ nach zwei Jahren der Zögerlichkeit. Und alle, die beteiligt waren und<br />
auch den Originaltext in englischer Sprache kannten, haben einen gravierenden Übersetzungsfehler<br />
nicht bemerkt? Pisa lässt grüßen – oder waren das „Teilleistungsschwächen“? Ich habe immer beim<br />
Erwerb der englischen Sprache eine 5 als Schulnote erhalten, aber ich bin mir sicher: Das im<br />
Originaltext vorkommenden Wort „Inklusion“ hätte ich nicht mit „Integration“ verwechselt. Und<br />
dieser „Fehler“ ist nicht auf Pisa zurückzuführen und auch nicht auf kollektive<br />
„Teilleistungsschwäche“.<br />
<strong>Die</strong>ser Übersetzungsfehler ist Interessen geleitet. Was ist der Unterschied zwischen „Inklusion“ und<br />
„Integration“?<br />
Integration und Inklusion<br />
- Bei der „Integration“ haben alle Kinder, seien sie „behindert“ oder „nicht- behindert“, das Recht<br />
auf gemeinsame Beschulung, aber nur dann ,wenn sie in der Lage sind ,sich den Bedingungen , die das<br />
System „allgemeine Schule“ vorgibt, anzupassen.<br />
- „Inklusion“ meint die gemeinsame Beschulung Aller, ohne dass Bedingungen der Anpassung an das<br />
System Schule für die Schülerinnen und Schüler gestellt werden. Vielmehr hat sich die Schule auf die<br />
Kinder einzustellen, und die Schule hat alle materiellen und ideellen Voraussetzungen für eine<br />
optimale Förderung aller ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler bereitzustellen.<br />
Wenn wir ein inklusives Schulsystem aufbauen wollen, hat das erhebliche Folgen materieller und<br />
ideologischer Art .Zur herrschenden Bildungsideologie: Wenn im Schulsystem behinderte Kinder mit<br />
anderen Kindern zusammen beschult werden können, warum muss es dann überhaupt noch ein<br />
gegliedertes Schulwesen geben? Und zu den materiellen Folgen: Ein konsequent inklusives<br />
Schulsystem muss dafür sorgen, dass alle behinderten Kinder wohnortnah fachlich angemessen<br />
schulisch versorgt werden können. Das bedeutet Bereitstellung von therapeutischen Räumen und<br />
Bereitstellung von Fachpersonal praktisch für jede Schule.<br />
<strong>Die</strong> Situation in Hamburg<br />
In Hamburg gibt es neben dem sehr differenziert ausgebauten Sonderschulsystem (darin sind wir<br />
Weltmeister! Aber: Immerhin hat die extreme Ausdifferenzierung dazu geführt, dass per Definitionem<br />
kein Mensch mehr „bildungsunfähig“ ist. ) zwei weitere hauptsächliche Beschulungsarten für<br />
Schülerinnen und Schüler mit „Behinderungen“, das sind<br />
die „Integrationsklassen“ (I-Klassen) , die es in Hamburg Dank des Engagements an Bildung<br />
interessierter Eltern bereits seit 1983 gibt . In diese I-Klassen werden nach Beschlüssen durch<br />
Aufnahmekommissionen (ein Kriterium für die mögliche Aufnahme ist die voraussichtliche<br />
„Fähigkeit“ der Eltern zur Zusammenarbeit mit der Schule) Kinder mit Körper-, Sinnes – und oder<br />
geistiger Behinderung nach einem Quotierungsschlüssel und mit festgelegter pädagogischer<br />
Versorgung durch Sozial – und Sonderpädagogik in eine „Regel“- Schulklasse – also in eine<br />
„normale“ Schulklasse mit reduzierter Schüler/innnenzahl– aufgenommen.<br />
Nicht erfasst von diesem System I-Klassen sind Kinder mit Lernproblemen, mit<br />
Sprachentwicklungsproblemen und Kinder mit „emotionalen Entwicklungsstörungen“. <strong>Die</strong>se Kinder,<br />
die ca.75% der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausmachen, haben auf Grund der sozial<br />
schwierigen Situation ihrer Eltern keine Lobby, die ihre bildungspolitischen Ansprüche auf schulische<br />
und gesellschaftliche Integration durchsetzen könnten.<br />
Durch eine engagierte Gruppe von Sonderpädagog7innen aus der GEW und engagierte Uni-<br />
Dozent/innen der Fachrichtung Sonderpädagogik wurden die Interessen dieser SchülerInnengruppe so<br />
in die Öffentlichkeit getragen, dass die die damals bildungspolitisch Verantwortlichen (SPD)<br />
schließlich auch aus eigener Überzeugung 1991 mit der Installierung erster Integrativer<br />
Regelschulklassen—Standorte (IR-Klassen) begannen.<br />
An IR- Standorten (35 Schulen gibt es davon derzeit in Hamburg) gibt es keine<br />
Aufnahmekommissionen, alle Kinder aus dem Schuleinzugsgebiet, die angemeldet sind, werden<br />
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