Download - Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
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Joseph Haydn<br />
l’isola<br />
disabitata<br />
Inhalt<br />
Programm 4<br />
Hochzeitsfoto in Langzeitbelichtung 8<br />
Eine Seele im Ausnahmezustand 18<br />
Theseus und Ariadne 20<br />
Gedanken zum Bühnenbild 26<br />
Daidalos 27<br />
Das Mädchen und das Reh 28<br />
Wiener Klassik bei den <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong> 30<br />
Biografien 36<br />
Argomento / Inhaltsangabe 44<br />
Libretti 47<br />
Impressum 98
Silvia (Raffaella Milanesi) und Reh (Markus Merz)
l’isola disabitata ƒ programm<br />
L’Isola disabitata<br />
Tiroler Landestheater<br />
12./14. August, jeweils 20 Uhr<br />
Einführungsgespräch jeweils um 19 Uhr, Pausenfoyer<br />
„L’Isola disabitata“ (Eszterháza, 1779)<br />
Azione teatrale in zwei Akten von<br />
Joseph Haydn | 1732–1809<br />
Libretto von Pietro Metastasio<br />
in italienischer Sprache<br />
(mit deutschen Übertiteln)<br />
und als Prolog<br />
„Arianna a naxos“<br />
Kantate für Sopran und Streichorchester, Hob.XXVI:2b<br />
Dauer: ca. bis 22.30 Uhr,<br />
eine Pause<br />
Alessandro De Marchi<br />
Christoph von Bernuth<br />
Oliver Helf<br />
<strong>Musik</strong>alische Leitung<br />
Regie<br />
Bühnenbild, Kostüme<br />
Stella Doufexis<br />
Raffaella Milanesi<br />
Jeffrey Francis<br />
Furio Zanasi<br />
Markus Merz<br />
Arianna, Costanza<br />
Silvia<br />
Gernando<br />
Enrico<br />
Reh, Matrose
l’isola disabitata ƒ programm<br />
Academia Montis regalis<br />
Alessandro Tampieri, Rossella Borsoni,<br />
Daniela Godio, Yukie Yamaguchi,<br />
Ljiljana Mijatovic, Marialuisa Barbon<br />
Elisa Bestetti, Elia Facchi<br />
Ayako Matsunaga, Diana Lee Planes,<br />
Pasquale Lepore, Luigi Moccia<br />
Elena Saccomandi,<br />
Lorena Nunez Hermosa<br />
Marco Testori, Ana Raquel Pinheiro<br />
Giordano Pegoraro<br />
Roberto Bevilacqua, Massimo Pinca<br />
Fiorella Andriani<br />
Dana Karmon<br />
Pier Luigi Fabretti, Gilles Vanssons<br />
Marco Panella, Dimer Maccaferri<br />
Riccardo Balbinutti<br />
Anna Fontana<br />
Erste Violine<br />
Zweite Violine<br />
Viola<br />
Violoncello<br />
Kontrabass<br />
Flöte<br />
Fagott<br />
Oboe<br />
Horn<br />
Pauken<br />
Cembalo<br />
Christoph von Bernuth<br />
Mariangiola Martello, Kathrin Wacker<br />
Cameron Arens<br />
Marta Ormian<br />
Ellen Piendl<br />
Ingrid Lughofer<br />
Herbert Kuen<br />
Gerhard Spöttl, Wolfgang Eisenhans<br />
Andreas Achammer,<br />
Steve Gehrke, Arnold Westreicher,<br />
Walter Ronacher, Bernhard Steiner,<br />
Peter Lepp, Benno Morawek,<br />
Thomas Nie<strong>der</strong>mair, Mario Quitadamo,<br />
Martin Gross, Richard Hörmann,<br />
Florian Mähr, Benjamin Peer,<br />
Ernst Sauerwein, Patrick Terzer<br />
Produktionsleitung<br />
<strong>Musik</strong>alische Assistenz<br />
Regieassistenz und<br />
abendspielleitung<br />
bühnen- und<br />
Kostümassistenz<br />
Inspizienz<br />
Übertitel<br />
technischer Direktor<br />
Bühnenmeister<br />
bühnentechnik
l’isola disabitata ƒ programm<br />
Otto Faulhammer, Philipp Baumgartner<br />
Requisite<br />
Florian Weisleitner<br />
Johannes Grimm, Simon Stenzel,<br />
Christoph Klein, Michael Reinisch,<br />
Franz Fedrizzi<br />
beleuchtungsmeister<br />
beleuchtung<br />
Andreas Lamprecht<br />
tontechnik<br />
Dieter Lena<br />
Marisa Di Spalatro<br />
Chefmaskenbildner<br />
Maskenbildner<br />
Anneliese Aschbacher<br />
Renate Lindner<br />
Leitung Ankleide<br />
Anklei<strong>der</strong><br />
Julia Aufhammer, Judith Dierigl,<br />
Waltraud Hanel, Brigitte Hassl,<br />
Ruth Kowar, Sabine Staudt,<br />
Jürgen Mayer, Charlotte Franco,<br />
Manuela Niklas, Sonja Noggler,<br />
Clemens Schachenhofer,<br />
Anna Sporrer, Juditha Waibl,<br />
Tamara Stocker-Niklas<br />
Einlassdienst<br />
Anfertigung <strong>der</strong> Kostüme durch die Costume Company, Hamburg: Silke<br />
Löhmann und Heike Bülk<br />
Perückenherstellung durch Jana Stelter, Hamburger Kammerspiele<br />
Herstellung <strong>der</strong> Flügelgestelle durch Peter Bruns, Hamburg<br />
Anfertigung des Bühnenbildes in den Werkstätten <strong>der</strong> Fa. TBT, Berlin<br />
Malerei durch Mario Kwast, Berlin
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
Hochzeitsfoto in Langzeitbelichtung<br />
„Isola disabitata“, o<strong>der</strong>: Mit Haydn auf <strong>der</strong><br />
einsamen Insel<br />
von Carsten Hinrichs<br />
Mit einem Feuer beginnt es: Mitte November 1779, wenige Wochen<br />
bevor <strong>der</strong> fürstliche Kapellmeister Joseph Haydn in Eszterháza sein<br />
neues Bühnenwerk L’isola disabitata (Die unbewohnte Insel) aufführen<br />
möchte, brennt das Opernhaus bis auf die Grundmauern nie<strong>der</strong>. Was<br />
tun? Kostüme und Bühnenbil<strong>der</strong> sind in Flammen aufgegangen. Doch<br />
Haydn lässt sich nicht entmutigen, die Produktion zieht kurz entschlossen<br />
ins gegenüber gelegene Marionettentheater um und hat am 6.<br />
Dezember, dem Namenstag von Fürst Nikolaus I. ihre Premiere. Bei <strong>der</strong><br />
Ausstattung muss man sich behelfen, aber das stört niemanden <strong>der</strong><br />
Anwesenden. Der Text, den Haydn komponiert hat, stammt von Pietro<br />
Metastasio, dem kaiserlichen Hofdichter in Wien, dessen mustergültigen<br />
Libretti nicht nur alle weit mehr als einmal vertont wurden, son<strong>der</strong>n<br />
die Ästhetik <strong>der</strong> barocken opera seria entscheidend geprägt haben.<br />
Zu Pietro Metastasio hat Haydn ein beson<strong>der</strong>es Verhältnis, spätestens<br />
seit er – durch Stimmbruch aus <strong>der</strong> Domkapelle von St. Stephan<br />
ausgeschieden – eine Wohnung im Wiener Michaelerhaus am heutigen<br />
Kohlmarkt 11 bezog, ein „armseliges Dachstübchen […] ohne Ofen,<br />
worin er kaum gegen den Regen geschützt war“. Doch zugleich wurde<br />
<strong>der</strong> junge Komponist, mit hochfliegenden Plänen und ohne Broterwerb,<br />
Nachbar zweier Größen des barocken <strong>Musik</strong>lebens. Metastasio, den er<br />
bald kennenlernte, gab dem Siebzehnjährigen Italienischunterricht und<br />
vermittelte ihm eine Stelle bei Nicola Porpora, <strong>der</strong> im selben Haus gleich<br />
über Eck wohnte. Porpora, einer <strong>der</strong> bedeutendsten Gesangspädagogen<br />
seiner Zeit und musikalischer Vater <strong>der</strong> großen Kastraten Caffarelli und<br />
Farinelli, ließ Haydn als Korrepetitor seine Gesangsstunden am Klavier<br />
begleiten. So konnte dieser täglich und aus erster Hand „die ächten<br />
Fundamente <strong>der</strong> sezkunst erlehrnen“, wie er später in dankbarer<br />
Erinnerung schreiben wird.<br />
Dreißig Jahre sind vergangen, und Haydn ist nun Kapellmeister bei Fürst<br />
Esterházy. Die Stelle ist hervorragend bezahlt, das Fürstengeschlecht<br />
gehört zu den ersten Familien im Reich und die Hofkapelle ist virtuos und<br />
handverlesen. Doch <strong>der</strong> Fürst hat sich in den Kopf gesetzt, neben <strong>der</strong><br />
Residenz in Eisenstadt noch ein neues Sommerschloss am Neusiedler<br />
See zu bauen, wohin <strong>der</strong> Hofstaat ab den sechziger Jahren alljährlich
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
umzieht. Das „ungarische Versailles“, wie Eszterháza genannt wird, ist<br />
prachtvoll und riesig, aber weit weg von Wien und <strong>der</strong> musikalischen<br />
Welt. Haydn ist in <strong>der</strong> Einöde gestrandet.<br />
Ob es Zufall war, dass ihm da Metastasios Text zu L’isola disabitata<br />
in die Hände fiel und seine Fantasie anregte? Die Handlung <strong>der</strong><br />
azione teatrale, wie die auf zwei Akte und vier handelnde Personen<br />
beschränkte Miniaturform einer opera semiseria im Original heißt, ist<br />
schnell zusammengefasst: Costanza und Gernando, in Begleitung von<br />
Costanzas kleiner Schwester Silvia, werden auf ihrer Hochzeitsreise von<br />
einem Sturm ans Ufer einer unbewohnten Insel geworfen. Gernando<br />
begibt sich auf einen Erkundungsgang über das Eiland, wo er von<br />
Piraten entdeckt und entführt wird. Costanza erwacht, und als sie<br />
Gernando nicht mehr findet, nimmt sie an, von ihm verlassen worden<br />
zu sein. 13 Jahre gehen ins Land, Silvia wächst zu einer jungen Frau<br />
heran, während Costanza (was nicht umsonst „die Beständige“ heißt)<br />
über ihr Schicksal nicht hinwegkommt. So hin- und hergerissen ist sie<br />
zwischen Wut auf Gernando und Trauer über ihr Los, dass sie Silvia im<br />
Glauben erzieht, Männer seien unberechenbare Ungeheuer, „untreu und<br />
unmenschlich“, vor denen man sich hüten muss. Da landen unbemerkt<br />
zwei Vertreter dieser gescholtenen Spezies an <strong>der</strong> Küste: Gernando<br />
konnte mithilfe seines Freundes und Mitgefangenen Enrico nach langer<br />
Zeit den Piraten entfliehen und hat sich, in Sorge um das Schicksal<br />
seiner Frau, auf den Weg zur verlassenen Insel gemacht. Während er<br />
alle Mühe hat, Costanza von <strong>der</strong> Grundlosigkeit ihrer Vorwürfe zu überzeugen,<br />
trifft die nichtsahnende Silvia auf Enrico. Wer mag nun dieses<br />
unbekannte Wesen sein? Eine Frau ist es nicht, denn es trägt keinen<br />
Rock, doch ein Mann kann es auch nicht sein, denn das Geschöpf<br />
schaut arglos und freundlich. Ein heftiger Gewissenskonflikt bricht aus,<br />
als Enrico <strong>der</strong> sich verliebenden Silvia gesteht, tatsächlich ein Mann zu<br />
sein – verzweifelt versucht sie zu fliehen, doch ein unwi<strong>der</strong>stehliches<br />
Gefühl von Zuneigung und Neugier zwingt sie, immer wie<strong>der</strong> stehen zu<br />
bleiben. Ihre Entwicklung zu einem realistischen Männerbild wird für<br />
Silvia <strong>der</strong> Weg in die Reife erwachsener Liebesfähigkeit und <strong>der</strong> Ausweg<br />
von <strong>der</strong> Insel.<br />
Für Haydn wird die Einöde von Eszterháza <strong>der</strong> Weg in den Weltruhm.<br />
„Ich war von <strong>der</strong> Welt abgeson<strong>der</strong>t, niemand in meiner Nähe konnte mich<br />
an mir selbst irre machen o<strong>der</strong> mich quälen, und so musste ich original<br />
werden.“ An<strong>der</strong>s als Freund Mozart o<strong>der</strong> Schüler Beethoven ist Haydn in<br />
fürstlichen Diensten vor allem eines: Opernunternehmer. Sein straffer<br />
Tagesablauf umfasst die Wirtschafts- und Verwaltungsgeschäfte <strong>der</strong>
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
Hofkapelle. Außerdem agiert er als Mittelsmann für die Schlichtung<br />
kleinerer Missstimmigkeiten unter seinen angestellten <strong>Musik</strong>ern. Für<br />
die zwei Opernhäuser (<strong>der</strong> Fürst hat wie erwähnt noch ein großes<br />
Marionettentheater) übernimmt er die Auswahl des Opernrepertoires,<br />
die Notenbeschaffung und -archivierung und natürlich ein enormes<br />
Pensum an Proben zur Einstudierung <strong>der</strong> neuen Werke. Im Jahrzehnt<br />
von 1770–80 leitet Haydn 1038 Aufführungen, darunter allein 60<br />
Uraufführungen. Der Schlüssel zu seinem Erfolg ist aber, dass er ein<br />
zweites, ebenso intensives Leben als Komponist führt, das den Rest<br />
seiner Zeit ausfüllt. Von den 78 Opern, die bis 1784 bei den Esterházy<br />
aufgeführt werden, sind 15 von ihm, dazu kommt eine große Zahl an<br />
Klaviersonaten, Quartetten und Sinfonien, die gerade in den Jahren <strong>der</strong><br />
Hofanstellung die Gattungstraditionen penibel erkunden, dann sprengen<br />
und schließlich revolutionieren. Die Wiener Klassik, heute Inbegriff<br />
<strong>der</strong> abendländischen Kunstmusik, hätte ohne den Kapellmeister in <strong>der</strong><br />
Einöde nicht stattgefunden.<br />
Wie zu erwarten handelt es sich bei Haydns Insel auf den zweiten Blick<br />
um alles an<strong>der</strong>e als ein Südseeparadies unter Palmen. „Das italienische<br />
Wort isola für Insel ist mit dem deutschen Wort isolieren eng verwandt“,<br />
so Christoph von Bernuth, <strong>der</strong> Regisseur <strong>der</strong> Oper. „In diesem Begriffsfeld<br />
spiegelt sich bereits die Zweideutigkeit <strong>der</strong> Bühnensituation wie<strong>der</strong>.<br />
Ich nehme in Innsbruck die Insel wörtlich, dennoch ist es zugleich<br />
ein Symbol für Costanzas psychische Situation: Ein abgetrennter<br />
Raum, umgeben vom Nichts des Ozeans, von dem es kein Entrinnen<br />
gibt.“ Hinter <strong>der</strong> außergewöhnlichen Situation des Strandens sieht<br />
von Bernuth eine erschreckend alltägliche Dimension verborgen. „Im<br />
übertragenen Sinne könnte Costanzas Geschichte auch inmitten einer<br />
Großstadt spielen. Es gibt sicher viele Frauen, die nach Jahren das<br />
Gefühl beschleicht, die Aufbruchstimmung und den Geliebten gegen<br />
den Alltag und den Ehemann eingetauscht zu haben und nun wie in<br />
gefühlstauber Einzelhaft zu leben.“<br />
Costanza ist denn auch <strong>der</strong> Dreh- und Angelpunkt <strong>der</strong> Geschichte,<br />
eine Frau, die in einem Schockerlebnis des Verlassenwerdens ihren<br />
Lebensmut eingebüßt hat. Für sie ist eine Flucht nach vorne undenkbar.<br />
Ihre Erinnerung, so schmerzlich sie durch den vermeintlichen Verrat<br />
ist, bleibt die Nabelschnur zur vergangenen, glücklicheren Zeit. Ihr<br />
Hochzeitsfoto wird gleichsam einer Langzeitbelichtung unterzogen, die<br />
schemenhaften Gestalten mit den fröhlichen Gesichtern verschwimmen<br />
nur ganz allmählich, Jahr um Jahr. „Weil sie glaubt, nicht mehr<br />
zu Lebzeiten gerettet zu werden, meißelt sie die Geschichte ihrer<br />
11
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
Strandung als Inschrift in einen Stein. Das ist für mich ein beeindruckendes<br />
Bild für den mühseligen und schmerzhaften Prozess, sich an seiner<br />
Vergangenheit abzuarbeiten, ihr quasi ein Denkmal setzen zu wollen“,<br />
erläutert von Bernuth seine Lesart.<br />
Da Costanzas Sicht <strong>der</strong> Dinge so wichtig für das Verständnis <strong>der</strong><br />
Handlung ist, hat er sich gemeinsam mit dem Dirigenten entschieden,<br />
dem Bühnenwerk als Prolog ein an<strong>der</strong>es Haydn-Werk voranzustellen,<br />
die Kantate Arianna a Naxos von 1789 – also ein Jahr vor Haydns<br />
Aufbruch aus dem Hofdienst in Eszterháza ins Abenteuer <strong>der</strong> bürgerlichen<br />
Metropole London geschrieben. Von dieser Kantate, die eigentlich<br />
für das konzentrierte Miteinan<strong>der</strong> von Sopran und Cembalo gedacht<br />
war, gibt es auch eine Fassung für Streichorchester vom Ende des 18.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts. Haydn selbst bot die Bearbeitung seinem Verleger an,<br />
kam aber wahrscheinlich nicht mehr selbst dazu; die Übertragung, mit<br />
zum Teil für den etwas an<strong>der</strong>en Orchestersatz notwendigen Eingriffen<br />
in die musikalische Struktur, erledigte ein anonymer Kollege. Der Stoff<br />
<strong>der</strong> Ariadne war zu Haydns Zeit in Mode. Die Geliebte des britischen<br />
Admirals Lord Nelson, Lady Hamilton, ließ sich beispielsweise als wartende<br />
Schönheit auf tropischem Eiland malen. Gemeinsam<br />
besuchte das Paar später Eisenstadt und wohnte einer<br />
Aufführung von Haydns Missa in angustiis bei, die<br />
seither den Beinamen Nelsonmesse trägt. Der<br />
griechische Mythos <strong>der</strong> Ariadne (siehe Seite<br />
20) erzählt von <strong>der</strong> kretischen Königstochter,<br />
die dem jungen Prinzen Theseus hilft, aus<br />
dem Labyrinth ihres Vaters Minos zu finden,<br />
nachdem er das<br />
Stierungetüm Minotauros<br />
getötet hat, dem Jahr für<br />
Jahr sieben Jünglinge<br />
und Mädchen seines<br />
Volkes zum Opfer gebracht worden waren. Anschließend flieht sie<br />
mit Theseus und seinen Gefährten von Kreta, sie lässt also den Vater<br />
zurück, um dem Geliebten folgen zu können. Eine Rechnung, die für sie<br />
nicht aufgeht. Auf Naxos, einem winzigen unbewohnten Eiland, macht<br />
das Schiff <strong>der</strong> griechischen Heimkehrer Zwischenstation. Ariadne legt<br />
sich zum Schlafen nie<strong>der</strong>, und als sie aufwacht, muss sie feststellen,<br />
dass Theseus’ Galeere bereits am Horizont verschwindet. Ein bitteres<br />
Erwachen.<br />
„Bei Ariadne entspricht die Realität demjenigen, was bei Costanza<br />
Befürchtungen sind. Der dramatische Ausdruck <strong>der</strong> Kantate entsteht<br />
dadurch, dass wir Ariadnes Erkenntnis vom wohligen Aufwachen über<br />
12
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
die Verwun<strong>der</strong>ung bis zur furchtbaren Gewissheit des Verlassenseins<br />
mit durchlaufen. Mit Hilfe des Prologs wagen wir also so etwas wie einen<br />
Blick in Costanzas Seelenlandschaft, bevor die eigentliche Handlung<br />
einsetzt“, begründet von Bernuth seine Entscheidung. „Für mich steht<br />
während <strong>der</strong> ganzen Oper die Frage im Raum, ob Metastasios lieto fine<br />
ernst gemeint ist, ob <strong>der</strong> Rettungscoup wirklich gelingen kann. Ist es<br />
möglich nach 13 Jahren wie<strong>der</strong> da anzuknüpfen, wo man aufgehört hat,<br />
und kann Costanza die Insel hinter sich lassen?“<br />
Und Haydn als Opernkomponist? War auch er von außen abgetrennt und<br />
musikalisch „aus <strong>der</strong> Welt“? „Ganz im Gegenteil“, meint Alessandro De<br />
Marchi, <strong>der</strong> Dirigent <strong>der</strong> Opernproduktion. Der Italiener, <strong>der</strong> bereits<br />
seinen dritten Auftrag bei den <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong> in Angriff nimmt<br />
und bei Publikum und Presse für sein Dirigat des ebenso blitzsauberen<br />
wie schwungvollen Ensembles Academia Montis Regalis hoch gelobt<br />
wurde, hat auch gleich ein Beispiel zur Hand. Das Finale <strong>der</strong> Oper<br />
entspricht in Metastasios dreißig Jahre alter Textvorlage dem kurz<br />
gefassten barocken Ende mit Chor. „Zu Haydns Zeit kamen aber ausgedehnte,<br />
sich steigernde Kettenfinali in Mode, die im zweiten Akt sogar<br />
einen Großteil <strong>der</strong> Handlung abdecken konnten. Haydn baut die letzte<br />
Szene – ohne den verehrten Text Metastasios zu erweitern – zu einem<br />
fast viertelstündigen Finale aus. Er kannte die aktuellen Entwicklungen<br />
<strong>der</strong> Opernbühne also genau und war absolut auf <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Zeit.“<br />
Und nicht nur das: Als erste Oper <strong>der</strong> <strong>Musik</strong>geschichte verzichtet<br />
L’isola disabitata auf die üblichen Secco-Rezitative, also mit <strong>der</strong><br />
Minimalbegleitung durch Cembalo und Cello. Alle Rezitativteile werden<br />
vom Orchester begleitet – Haydns Reverenz an den „sehr erhabenen“<br />
Text. „In <strong>der</strong> Ausführung stellt das große Ansprüche an die <strong>Musik</strong>er,<br />
denn wenn das Orchester die Sänger zwingt, streng im Takt zu bleiben,<br />
wirken die Accompagnatorezitative steif und unnatürlich. Erst wenn das<br />
gesamte Orchester ähnlich flexibel reagieren kann, wie es ein Cembalo<br />
und ein Cello alleine könnten, haben die Sänger die nötige Freiheit,<br />
den Rezitativtext mit Ausdruck zu gestalten. Die <strong>Musik</strong>er müssen den<br />
ganzen Abend hellwach und immer in Kontakt bleiben, und das for<strong>der</strong>t<br />
auch von mir ein Höchstmaß an Koordination.“<br />
Und auch sein Orchester wird viel Raum bekommen, sich zu präsentieren.<br />
Die Academia Montis Regalis tritt im schon erwähnten Finale in<br />
die solistischen Fußstapfen <strong>der</strong> esterházyschen Hofkapelle. „Hier hat<br />
Haydn den Sängern je ein Instrument zur Seite gestellt. Costanza und<br />
Gernando werden von Geige und Cello, Silvia und Enrico durch Flöte<br />
und Fagott begleitet. Im Grunde haben wir es bei diesem Finale also<br />
mit einer Art Sinfonia concertante für acht Solisten zu tun“, erläutert<br />
13
Energie im Fluss!<br />
TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG. Partner <strong>der</strong> <strong>Festwochen</strong> <strong>der</strong> <strong>Alten</strong> <strong>Musik</strong>
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
De Marchi Haydns Einfall. „Die Partien von Violine und Cello gehen<br />
bis an die Grenzen des damals technisch Möglichen und zeugen für<br />
die hohe Qualität <strong>der</strong> fürstlichen <strong>Musik</strong>er. Für einen später geplanten<br />
Druck ließ sich Haydn eine Partiturabschrift kommen, arbeitete sie um,<br />
strich dabei auch das lange Finale und ersetzte es gegen ein viel konventionelleres.<br />
Offenbar war es so passgenau auf die herausragenden<br />
Fähigkeiten <strong>der</strong> Hofkapelle zugeschnitten, dass es für den allgemeinen<br />
Verkauf <strong>der</strong> Oper abschreckend gewirkt hätte.“ In Innsbruck gibt es in<br />
diesen Rollen ein Wie<strong>der</strong>sehen mit alten Bekannten. So trumpft an <strong>der</strong><br />
ersten Violine Alessandro Tampieri auf, <strong>der</strong> schon vergangene Saison in<br />
Bernardo Pasquinis Oratorium Sant’Agnese mit schmelzenden Soli die<br />
Aufmerksamkeit auf sich zog.<br />
Der Geist <strong>der</strong> neuen Zeit wirkt sogar bis in die Behandlung <strong>der</strong><br />
Arien hinein, das musikalische Herz einer Oper. Im Barock war die<br />
Opernbühne noch ganz beherrscht von <strong>der</strong> dreiteiligen Form <strong>der</strong> da<br />
capo-Arie: Eröffnen<strong>der</strong> Abschnitt, kontrastieren<strong>der</strong> Mittelteil und leicht<br />
verzierte Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Eröffnung – „ABA“. Haydn experimentiert<br />
in den Arien von L’isola disabitata mit Arien, die in Sonatenform durchkomponiert<br />
sind. Sie nehmen zwar reprisenartig den Einleitungsteil<br />
wie<strong>der</strong> auf (man meint zunächst, eine da capo-Arie zu hören), doch<br />
die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Schlussteile sind ausgeschrieben und können<br />
auch schon mal ganz beabsichtigt – wenn auch für den Hörer sehr überraschend<br />
– in entlegene Tonarten ausweichen. „Haydns Oper ist äußerst<br />
komplex komponiert“, fasst De Marchi seine Erfahrungen mit dem<br />
Notentext zusammen, den er bereits sechs Spielzeiten lang mit großem<br />
Erfolg an <strong>der</strong> Staatsoper Berlin dirigiert hat. „Die vor<strong>der</strong>gründig kleine<br />
Form <strong>der</strong> azione teatrale ist in Wirklichkeit keine Reduktion, son<strong>der</strong>n<br />
eine Konzentration. Das dramatische Gewicht großer Semiseriaopern<br />
findet hier auf engstem Raum statt, von lediglich vier Personen entwickelt.<br />
Costanza und Gernando entsprechen dem hohen Paar <strong>der</strong> opera<br />
seria, während Silvia und <strong>der</strong> zuweilen großspurig auftretende Enrico<br />
mit ihren Neckereien und Verliebtheiten das Buffoelement verkörpern.<br />
Die Arien für Silvia sind nicht so stimmvirtuos, denn Luigia Polzelli war<br />
wohl beeindrucken<strong>der</strong> als Darstellerin denn als Sängerin. Aber eigentlich<br />
passt das zur Figur <strong>der</strong> Silvia ganz gut, die ja von naturnaher Frische<br />
und Einfachheit sein soll. Jedenfalls scheint sich Haydn schon bald für<br />
die Italienerin interessiert zu haben.“<br />
Silvia bildet, und nicht nur als Buffo-Figur, einen interessanten Wi<strong>der</strong>part<br />
zu Costanzas Unversöhnlichkeit. Sie hat noch keine Erfahrungen mit<br />
Männern gesammelt, bevor sie Enrico begegnet. Ihre Vorstellung von<br />
ihnen beschränkt sich auf Costanzas mahnende, von Bitterkeit erfüllte<br />
15
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
Worte. In Silvias Augen müssen Männer schreckliche, ruchlose Wesen<br />
sein, vor denen man sich besser in Acht nimmt. Einziger Spielgefährte<br />
auf dem Eiland ist für sie ein Reh, und damit nicht von ungefähr ein<br />
Tier, das für zahme, ungefährliche Streicheleinheiten steht. In seiner<br />
berühmten Deutung des Grimmschen Märchens<br />
von „Brü<strong>der</strong>chen und Schwesterchen“<br />
(siehe Seite 28) wagte <strong>der</strong> Theologe<br />
und Psychoanalytiker Eugen Drewermann<br />
eine erstaunliche Sicht<br />
auf das ungleiche Paar von jungem<br />
Mädchen und Reh, das<br />
aus <strong>der</strong> Szene mit den drei<br />
Quellen hervorgeht. Das von<br />
<strong>der</strong> eifersüchtigen Stiefmutter<br />
in Ängsten aufgezogene<br />
Mädchen ist nicht in <strong>der</strong> Lage,<br />
dem erwachenden Wunsch<br />
nach einem Partner Folge zu<br />
leisten, zu tief sitzen die eingeschärften<br />
Warnungen vor dem<br />
an<strong>der</strong>n Geschlecht. Sein Bedürfnis<br />
nach einem männlichen Gegenüber (verkörpert<br />
im seelisch verwandten „Brü<strong>der</strong>chen“)<br />
erscheint ihm dabei so ängstigend wie ein Tiger, die<br />
eigene Leidenschaft droht es „zu zerreißen“. Der Durst des Brü<strong>der</strong>chens<br />
nach Wasser symbolisiert dabei treffend die Ursehnsucht nach <strong>der</strong><br />
lebenserhaltenden Partnerschaft. Um dem Dilemma zu entgehen, lässt<br />
sich das Mädchen auf einen seelischen Kompromiss ein. Sie zähmt ihr<br />
Bedürfnis, bis es schrumpft – erst zu einem Wolf, dann zu einem Reh,<br />
das ihr nichts mehr zuleide tun kann. In dieser kindlich vorgeschlechtlichen<br />
Gestalt ist eine Partnerschaft (noch) nicht möglich, aber so kann<br />
die Sehnsucht des Mädchens wie in einer Puppe auf denjenigen Mann<br />
warten, <strong>der</strong> sie zum Leben erweckt, indem er ihre Ängste in Bezug auf<br />
das an<strong>der</strong>e Geschlecht aufzulösen versteht.<br />
Auch Silvia in Haydns Oper ist ein junges Mädchen, dass seine<br />
Liebesfähigkeit unter dem Eindruck <strong>der</strong> von Costanza vermittelten<br />
Vorurteile in einem wagen, kindlich unschuldigen Stadium bewahrt hat.<br />
Das Erscheinen Enricos beendet mit seiner lebensfrohen Leibhaftigkeit<br />
16
l’isola disabitata ƒ einsame insel<br />
die scheinbare Idylle von Mädchen und Reh. Die Geschwindigkeit, mit<br />
<strong>der</strong> Silvia ihre alten Männerbil<strong>der</strong> abzulegen bereit ist, zeigt, dass sie<br />
nicht wirklich verinnerlicht sind, son<strong>der</strong>n nur von Costanza angenommen.<br />
Und nun, im Umschwung des Stückes, ist es Costanza, die von<br />
Silvias Lebensmut noch etwas lernen kann.<br />
Und auch für Haydn gibt es ein Leben nach <strong>der</strong> Insel. Mit Costanza ist<br />
er hier gestrandet, mit <strong>der</strong> lebenslustigen und heiteren Silvia alias Luigia<br />
Polzelli kann er sie wie<strong>der</strong> verlassen: Die Sängerin wird seine Geliebte in<br />
Eszterháza und Widmungsträgerin einiger nachkomponierter Arien. Und<br />
um ihren Sohn Alois wird sich <strong>der</strong> Komponist noch bis ins hohe Alter<br />
rührend kümmern, warum – das bleibt für immer sein Geheimnis. {<br />
17
l’isola disabitata ƒ seele im ausnahmezustand<br />
Eine Seele im Ausnahmezustand<br />
Regisseur Christoph von Bernuth<br />
zur Produktion von „L’isola disabitata“<br />
Mit Isola disabitata blicken Haydn und sein Librettist Pietro Metastasio<br />
tief in die Seele zweier Menschen. Dazu werfen sie in einer Art wissenschaftlichem<br />
Experiment zwei hilflose Wesen auf eine Insel und<br />
Haydn betrachtet mit musikalischen Mitteln wie durch ein Mikroskop<br />
die Folgen eines schweren Verlusttraumas. Interessant ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass das Stück jeglicher Handlung im Sinne einer<br />
herkömmlichen Oper entbehrt. Nicht Intrigen o<strong>der</strong> die sonst üblichen<br />
Opernverwicklungen interessieren, son<strong>der</strong>n allein, was in den Köpfen<br />
<strong>der</strong> beiden Frauen auf <strong>der</strong> Insel vonstatten geht. Nun liegt die<br />
Schwierigkeit darin, diesen „Röntgenblick“ von Text und <strong>Musik</strong> für<br />
das Publikum sichtbar zu machen, also das „Innen“ nach „Außen“ zu<br />
stülpen. Mit an<strong>der</strong>en Worten, die psychologischen Prozesse müssen in<br />
theatralische Handlung überführt werden.<br />
Costanza wird im schönsten Moment ihres Lebens, ihrer Hochzeitsreise,<br />
aus allen Träumen gerissen. Auf einen Schlag verliert sie alles. Ihren<br />
gerade Anvertrauten, ihre Heimat, ihre Freunde, ihre Familie genauso<br />
wie ihr luxuriöses Leben am Hof. Die Parallelen zur griechischen<br />
Sage von Ariadne und ihrer Situation auf Naxos sind verblüffend.<br />
Auch sie findet sich von ihrem Geliebten alleine auf einer einsamen<br />
Insel zurückgelassen. Nacheinan<strong>der</strong> durchlaufen beide Frauen die<br />
typischen Phasen eines schweren Verlusts, <strong>der</strong> Leugnung folgen heftige<br />
Emotionsausbrüche mit Wut und wilden Rachefantasien gegenüber<br />
dem „Verräter“. Als letzter Schritt bleibt nur <strong>der</strong> Rückzug, die Kapitulation,<br />
dem Aufbegehren folgt die Depression.<br />
Costanza hat es noch nach 13 Jahren, die sie nun allein mit ihrer kleinen<br />
Schwester auf <strong>der</strong> Insel verbracht hat, nicht geschafft, den Verlust<br />
ihres Gernando zu verwinden. Sie leidet unentwegt, und nur die Sorge<br />
um ihre kleine Schwester Silvia hat sie bisher vom Selbstmord, <strong>der</strong> ihr<br />
die ersehnte Erlösung von ihrem Leid bringen würde, abgehalten. In<br />
all diesen trostlosen Jahren hat sie sich – wie für krankhaft depressive<br />
Menschen typisch – in ein selbstgeschaffenes inneres Ersatzleben<br />
geflüchtet, wo sie mit dem Objekt ihres Verlustes, also Gernando, weiter<br />
Zwiesprache führen kann. So hat sie die Realität durch eine innere<br />
Scheinwirklichkeit ersetzt, um sich dem Verlust nicht stellen zu müssen.<br />
Aber gerade ihr Festhalten an Illusionen versperrt ihr die Möglichkeit zu<br />
18
l’isola disabitata ƒ seele im ausnahmezustand<br />
einem Neuanfang. Noch im Moment des Wie<strong>der</strong>sehens mit dem wirklichen<br />
Gernando verunglimpft sie ihn als „traditore“, als einen Verräter.<br />
Der echte Gernando scheint für sie inzwischen unwirklicher, frem<strong>der</strong> zu<br />
sein, als ihr innerer Gernando.<br />
Ganz an<strong>der</strong>s verhält sich Silvia, die auf <strong>der</strong> Insel aufgewachsen ist<br />
und „ihre“ Insel als einen paradiesischen angenehmen Ort wahrnimmt.<br />
Costanza hingegen erlebt die Insel als ein Gefängnis, aus dem sie nicht<br />
ausbrechen kann. Sie ist lebendig gefangen und wünscht sich nichts<br />
als den Tod.<br />
Es bleibt die Frage, ob sie es am Ende schafft, die inneren und äußeren<br />
Mauern einzureißen und dort wie<strong>der</strong> anzuknüpfen, wo sie vor 13 Jahren<br />
aus allen Träumen gerissen wurde. {<br />
costanza<br />
19
l’isola disabitata ƒ theseus und ariadne<br />
Theseus und Ariadne<br />
… Die erste Tat, die Theseus verrichtete, seitdem er als Königssohn<br />
und Erbe des attischen Throns an seines Vaters Seite lebte, war die<br />
Aufreibung <strong>der</strong> fünfzig Söhne seines Oheims Pallas, welche früher<br />
gehofft hatten, den Thron zu erlangen, wenn Aigeus ohne Kin<strong>der</strong> stürbe,<br />
und welche ergrimmt waren, dass jetzt nicht bloß ein angenommener<br />
Sohn des Pandion, König <strong>der</strong> Athener sei, son<strong>der</strong>n dass auch in Zukunft<br />
ein hergelaufener Fremdling die Herrschaft über sie und das Land führen<br />
sollte. Sie griffen daher zu den Waffen und legten dem Ankömmling<br />
einen Hinterhalt. Aber <strong>der</strong> Herold, den sie mit sich führten und <strong>der</strong> ein<br />
frem<strong>der</strong> Mann war, verriet diesen Plan dem Theseus, <strong>der</strong> nun plötzlich<br />
ihr Versteck überfiel und alle fünfzig nie<strong>der</strong>machte. Um durch diese<br />
blutige Notwehr die Gemüter des Volkes nicht von sich abzukehren, zog<br />
hierauf Theseus auf ein gemeinnütziges Wagestück aus, bezwang den<br />
marathonischen Stier, <strong>der</strong> den Bewohnern vier attischer Gemeinden<br />
nicht wenig Not verursacht hatte, führte ihn zur Schau durch Athen und<br />
opferte ihn endlich dem Apollo.<br />
Um diese Zeit kamen von <strong>der</strong> Insel Kreta zum dritten Mal Abgeordnete<br />
des Königs Minos, um den gebräuchlichen Tribut abzuholen. Mit demselben<br />
verhielt es sich also: Der Sohn des Minos, Androgeos, war, wie<br />
die Sage ging, im attischen Gebiete durch Hinterlist getötet worden.<br />
Dafür hatte sein Vater die Einwohner mit einem ver<strong>der</strong>blichen Kriege<br />
heimgesucht, und die Götter selbst hatten das Land durch Dürre und<br />
Seuchen verwüstet. Da tat das Orakel Apollos den Spruch, <strong>der</strong> Zorn <strong>der</strong><br />
Götter und die Leiden <strong>der</strong> Athener würden aufhören, wenn sie den Minos<br />
besänftigten und seine Verzeihung erlangen könnten. Hierauf hatten<br />
sich die Athener mit Bitten an ihn gewendet und Frieden erhalten unter<br />
<strong>der</strong> Bedingung, dass sie alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben<br />
Jungfrauen als Tribut nach Kreta zu schicken hätten. Diese sollen nun<br />
von Minos in sein berühmtes Labyrinth eingeschlossen worden sein,<br />
und dort habe sie, erzählt man, <strong>der</strong> grässliche Minotauros, ein zwitterhaftes<br />
Geschöpf, das halb Mensch und halb Stier war, getötet, o<strong>der</strong> man<br />
habe sie verschmachten lassen. Als nun die Zeit des dritten Tributes<br />
herbeigekommen war und die Väter, welche unverheiratete Söhne und<br />
Töchter hatten, diese dem entsetzlichen Lose unterwerfen mussten,<br />
da erneuerte sich <strong>der</strong> Unwille <strong>der</strong> Bürger gegen Aigeus, und sie fingen<br />
an, darüber zu murren, dass er, <strong>der</strong> Urheber des ganzen Unheils, allein<br />
seinen Teil an <strong>der</strong> Strafe nicht zu leiden habe, und nachdem er einen<br />
hergelaufenen Bastard zum Nachfolger ernannt, gleichgültig zusehe,<br />
wie ihnen ihre rechtmäßigen Kin<strong>der</strong> entrissen würden. Den Theseus,<br />
<strong>der</strong> sich schon gewöhnt hatte, das Geschick seiner Mitbürger nicht als<br />
20
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l’isola disabitata ƒ theseus und ariadne<br />
ein fremdes zu betrachten, schmerzten diese Klagen. Er stand in <strong>der</strong><br />
Volksversammlung auf und erklärte, sich selbst ohne Los hinzugeben.<br />
Alles Volk bewun<strong>der</strong>te seinen Edelmut und aufopfernden Bürgersinn;<br />
auch blieb sein Entschluss, obgleich sein Vater ihn mit den dringendsten<br />
Bitten bestürmte, dass er ihn des unerwarteten Glückes, einen<br />
Sohn und Erben zu besitzen, doch nicht so bald wie<strong>der</strong> berauben solle,<br />
unerschütterlich fest. Seinen Vater aber beruhigte er durch die zuversichtliche<br />
Versicherung, dass er mit den herausgelosten Jünglingen<br />
und Jungfrauen nicht in das Ver<strong>der</strong>ben gehe, son<strong>der</strong>n den Minotauros<br />
bezwingen werde. Bisher nun war das Schiff, das die unglücklichen<br />
Opfer nach Kreta hinüberführte, zum Zeichen ihrer Rettungslosigkeit<br />
mit schwarzem Segel abgesendet worden. Jetzt aber, als Aigeus seinen<br />
Sohn mit so kühnem Stolze sprechen hörte, rüstete er zwar das<br />
Schiff noch auf dieselbe Weise aus, doch gab er dem Steuermann ein<br />
an<strong>der</strong>es Segel von weißer Farbe mit und befahl ihm, wenn Theseus<br />
gerettet zurückkehre, dieses auszuspannen; wo nicht, mit dem schwarzen<br />
zurückzukehren und so das Unglück zum voraus anzukündigen. Als<br />
nun das Los gezogen war, führte <strong>der</strong> junge Theseus die Knaben und<br />
Mädchen, die es getroffen hatte, zuerst in den Tempel des Apollo und<br />
brachte dem Gott in ihrem Namen den mit weißer Wolle umwundenen<br />
Ölzweig, das Weihgeschenk <strong>der</strong> Schutzflehenden, dar. Nachdem das<br />
feierliche Gebet gesprochen war, ging er von allem Volk begleitet, mit<br />
den auserlesenen Jünglingen und Jungfrauen ans Meeresufer hinab<br />
und bestieg das Trauerschiff.<br />
Das Orakel zu Delphi hatte ihm geraten, er solle die Göttin <strong>der</strong> Liebe<br />
zur Führerin wählen und ihr Geleite sich erbitten. Theseus verstand<br />
diesen Spruch nicht, brachte jedoch <strong>der</strong> Aphrodite ein Opfer dar. Der<br />
Erfolg aber gab <strong>der</strong> Weissagung ihren guten Sinn. Denn als Theseus auf<br />
Kreta gelandet und vor dem Könige Minos erschienen war, zog seine<br />
Schönheit und Heldenjugend die Augen <strong>der</strong> reizenden Königstochter<br />
Ariadne auf sich. Sie gestand ihm ihre Zuneigung in einer geheimen<br />
Unterredung und händigte ihm einen Knäuel Faden aus, dessen Ende<br />
er am Eingange des Labyrinthes festknüpfte und den er während des<br />
Hinschreitens durch die verwirrenden Irrgänge in <strong>der</strong> Hand ablaufen<br />
lassen sollte, bis er an die Stelle gelangt wäre, wo <strong>der</strong> Minotauros seine<br />
grässliche Wache hielt. Zugleich übergab sie ihm ein gefeites Schwert,<br />
womit er dieses Ungeheuer töten könnte. Theseus ward mit allen seinen<br />
Gefährten von Minos in das Labyrinth geschickt, machte den Führer<br />
seiner Genossen, erlegte mit seiner Zauberwaffe den Minotauros und<br />
wand sich mit allen, die bei ihm waren, durch Hilfe des abgespulten<br />
Zwirns aus den Höhlengängen des Labyrinthes glücklich heraus. Jetzt<br />
entfloh Theseus samt allen seinen Gefährten mit Hilfe und in Begleitung<br />
23
l’isola disabitata ƒ theseus und ariadne<br />
Ariadnes, die <strong>der</strong> junge Held, beglückt durch den lieblichen Kampfpreis,<br />
den er unerwartet errungen, mit sich führte. Auf ihren Rat hatte er auch<br />
den Boden <strong>der</strong> kretischen Schiffe zerhauen und so ihrem Vater das<br />
Nachsetzen unmöglich gemacht. Schon glaubte er seine holde Beute<br />
ganz in Sicherheit und kehrte mit Ariadne sorglos auf <strong>der</strong> Insel Dia ein,<br />
die später Naxos genannt wurde. Da erschien ihm <strong>der</strong> Gott Bakchos im<br />
Traum, erklärte, dass Ariadne die ihm selbst vom Schicksal bestimmte<br />
Braut sei, und drohte ihm alles Unheil, wenn Theseus die Geliebte<br />
nicht ihm überlassen würde. Theseus war von seinem Großvater in<br />
Götterfurcht erzogen worden; er scheute den Zorn des Gottes, ließ die<br />
wehklagende, verzagende Königstochter auf <strong>der</strong> einsamen Insel zurück<br />
und schiffte weiter. In <strong>der</strong> Nacht erschien Ariadnes rechter Bräutigam,<br />
Bakchos, und entführte sie auf den Berg Drios; dort verschwand<br />
zuerst <strong>der</strong> Gott, bald darauf ward auch Ariadne unsichtbar. Theseus<br />
und seine Gefährten waren über den Raub <strong>der</strong> Jungfrau sehr betrübt.<br />
In ihrer Traurigkeit vergaßen sie, dass ihr Schiff noch die schwarzen<br />
Segel aufgezogen hatte, mit welchen es die attische Küste verlassen;<br />
sie unterließen, dem Befehle des Aigeus zufolge die weißen Tücher<br />
aufzuspannen, und das Schiff flog in seiner schwarzen Trauertracht <strong>der</strong><br />
Heimatküste entgegen. Aigeus befand sich eben an <strong>der</strong> Küste, als das<br />
Schiff herangesegelt kam und genoss von einem Felsenvorsprunge die<br />
Aussicht auf die offene See. Aus <strong>der</strong> schwarzen Farbe <strong>der</strong> Segel schloss<br />
er, dass sein Sohn tot sei. Da erhub er sich von dem Felsen, auf dem er<br />
saß, und im unbegrenzten Schmerze des Lebens überdrüssig, stürzte er<br />
sich in die jähe Tiefe; zu seinem Andenken nannte man von da an dies<br />
Meer das Ägäische. {<br />
Aus: Gustav Schwab (1792–1850), „Sagen des klassischen Altertums“<br />
24
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l’isola disabitata ƒ Programm<br />
Gedanken zum bühnenbild<br />
l’isola disabitata. eine insel. unbewohnt-verlassen. nicht ganz. bewohnt,<br />
belebt, erlebt, ertragen von zwei frauen. verlassen die frauen, nicht<br />
die insel. isola, die insel ein abgeschiedener ort. ISOLATION. beinahe<br />
eine kaspar hauser situation. die abgeschiedenheit geschieht durch<br />
abgeschlossenheit. mächtige wände isolieren den raum. bollwerke<br />
die ein entrinnen scheinbar unmöglich machen. die weite des meeres<br />
wird vertikal. die macht des unendlichen wassers wird zur macht eines<br />
impermeabelen materials. die einsamkeit <strong>der</strong> insel löst sich ein im<br />
hermetischen raum. das aussen ist nur als erinnerung o<strong>der</strong> als durch<br />
erzählung geprägte phantasie vorhanden. im jetzt <strong>der</strong> insel hat das<br />
aussen keine realität mehr. beinahe ein umgedrehtes höhlengleichnis.<br />
gibt es das aussen? ist es da besser? ist hinter <strong>der</strong> wand nicht auch<br />
vor <strong>der</strong> wand? in becketts endspiel weiß man „jenseits ist … ist die<br />
an<strong>der</strong>e hölle“. die bühne wird verkleinert. <strong>der</strong> hermetische raum braucht<br />
keine weite. flucht ist tabu. ausbruch wird nicht thematisiert. eine öffnung<br />
kann nur über den einbruch geschehen. die welt, das draussen<br />
kann versuchen in das innen einzudringen, um von da aus den raum zu<br />
öffnen. aber wie bewegt man kollosale wände? am ende ganz leicht?<br />
undurchdringbarkeit nur wegen des fehlenden versuches? o<strong>der</strong> öffnet<br />
sich <strong>der</strong> geschlossene raum doch nur wie<strong>der</strong> in einen weiteren raum. ist<br />
die unbewohnte insel das zentrum des labyrinths? gibt es keinen weg<br />
nach draussen o<strong>der</strong> gibt es nur keinen weg solange keiner ihn geht?<br />
ist es wie das warten vor dem kafkaschen gesetz. ist <strong>der</strong> hermetische<br />
raum ein kopfraum? ist die desolation des inseldaseins durch ein öffnen<br />
des raumes tatsächlich zu überwinden? was bleibt, wenn die wände<br />
des gefängnisses plötzlich verschwinden? kein halt wird mehr geboten,<br />
kein ort zum anlehnen. es bleibt eine leere. eine tabula rasa mit <strong>der</strong><br />
erkenntnis <strong>der</strong> leichtigkeit jenseits <strong>der</strong> schweren wände. die camera<br />
isolata in die wir geschaut haben öffnet sich einer camera obscura. das<br />
leere theater. ein dunkler raum. projektionsfläche und spielort. ein raum<br />
zum gestalten. offen für mutige, für entdecker, für lebenshungrige, für<br />
weitermacher. für die an<strong>der</strong>en än<strong>der</strong>t sich nichts – da wo wände waren<br />
ist jetzt weite. undurchdringbar wird zu unüberwindbar. die isola disabitata<br />
zum wüsten land. und ehe wir uns versehen sind wir vom barock in<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne angekommen.<br />
gedanken zum bühnenbild von oliver helf<br />
26<br />
— Yet when we came back, late, from the Hyacinth garden,<br />
Your arms full, and your hair wet, I could not<br />
Speak, and my eyes failed, I was neither<br />
Living nor dead, and I knew nothing,<br />
Looking into the heart of light, the silence.<br />
Oed' und leer das Meer*<br />
*aus T.S. Eliot „The Waste Land“
l’isola disabitata ƒ DAIdalos<br />
Daidalos aus Athen, berühmter Baumeister, Bildhauer und Architekt,<br />
beging aus Eifersucht auf dessen Talent einen Mord an seinem Neffen<br />
Thalos, <strong>der</strong> bei ihm zur Ausbildung war. Er floh nach Kreta und baute das<br />
berühmte Labyrinth, in dem das Monster Minotaurus gefangen gehalten<br />
und worein die Jünglinge aus Attika, das tributpflichtig war, als Menschenopfer<br />
gesperrt wurden. Da König Minos den berühmten Künstler<br />
trotz Freundschaft nicht gehen lassen wollte, musste Daidalos zu einer<br />
List greifen: Er konstruierte für sich und seinen Sohn Flügelgestelle aus<br />
Fe<strong>der</strong>n, Faden und Wachs. Des Vaters Mahnung, sich genau zwischen<br />
Meer und Himmel zu bewegen, missachtete Ikaros im Übermut des<br />
freien Flugs. Zu nah <strong>der</strong> Sonne gekommen, schmolz das Wachs, die<br />
Flügel lösten sich auf, und Ikaros stürzte ins Meer. So rächten die Götter<br />
den Mord an Thalos.<br />
27
l’isola disabitata ƒ das mädchen und das reh<br />
Das Mädchen und das Reh<br />
[…] Sie gingen den ganzen Tag über Wiesen,<br />
Fel<strong>der</strong> und Steine, und wenn es regnete,<br />
sprach das Schwesterchen: „Gott und<br />
unsere Herzen, die weinen zusammen!“<br />
Abends kamen sie in einen<br />
großen Wald und waren so<br />
müde von Jammer, Hunger und<br />
dem langen Weg, dass sie sich<br />
in einen hohlen Baum setzten<br />
und einschliefen. Am an<strong>der</strong>n<br />
Morgen, als sie aufwachten,<br />
stand die Sonne schon hoch<br />
am Himmel und schien heiß in<br />
den Baum hinein. Da sprach das<br />
Brü<strong>der</strong>chen: „Schwesterchen, mich<br />
dürstet, wenn ich ein Brünnlein wüsste,<br />
ich ging' und tränk' einmal; ich mein,<br />
ich hört eins rauschen.“ Brü<strong>der</strong>chen stand<br />
auf, nahm Schwesterchen an <strong>der</strong> Hand, und sie<br />
wollten das Brünnlein suchen. Die böse Stiefmutter aber<br />
war eine Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kin<strong>der</strong> fortgegangen<br />
waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen<br />
schleichen, und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht. Als sie nun<br />
ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das<br />
Brü<strong>der</strong>chen daraus trinken; aber das Schwesterchen hörte, wie es im<br />
Rauschen sprach: „Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger; wer aus mir trinkt,<br />
wird ein Tiger.“ Da rief das Schwesterchen: „Ich<br />
bitte dich, Brü<strong>der</strong>chen, trink nicht, sonst<br />
wirst du ein wildes Tier und zerreißest<br />
mich.“ Das Brü<strong>der</strong>chen trank nicht,<br />
ob es gleich so großen Durst hatte,<br />
und sprach: „Ich will warten bis<br />
zur nächsten Quelle.“ Als sie zum<br />
zweiten Brünnlein kamen, hörte das<br />
Schwesterchen, wie auch dieses<br />
sprach: „Wer aus mir trinkt, wird<br />
ein Wolf; wer aus mir trinkt, wird ein<br />
28
l’isola disabitata ƒ das mädchen und das reh<br />
Wolf.“ Da rief das Schwesterchen: „Brü<strong>der</strong>chen, ich bitte dich, trink<br />
nicht, sonst wirst du ein Wolf und frissest mich.“ Das Brü<strong>der</strong>chen trank<br />
nicht und sprach: „Ich will warten, bis wir zur nächsten Quelle kommen,<br />
aber dann muss ich trinken, du magst sagen, was du willst: mein Durst<br />
ist gar zu groß.“ Und als sie zum dritten Brünnlein kamen, hörte das<br />
Schwesterlein, wie es im Rauschen sprach: „Wer aus mir trinkt, wird<br />
ein Reh; wer aus mir trinkt, wird ein Reh.“ Das Schwesterchen sprach:<br />
„Ach Brü<strong>der</strong>chen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Reh und<br />
läufst mir fort.“ Aber das Brü<strong>der</strong>chen hatte sich gleich beim Brünnlein<br />
nie<strong>der</strong>geknieet, hinabgebeugt und von dem Wasser getrunken, und wie<br />
die ersten Tropfen auf seine Lippen gekommen waren, lag es da als ein<br />
Rehkälbchen.<br />
Nun weinte das Schwesterchen über<br />
das arme, verwünschte Brü<strong>der</strong>chen,<br />
und das Rehchen weinte<br />
auch und saß so traurig neben<br />
ihm. Da sprach das Mädchen<br />
endlich: „Sei still, liebes Rehchen,<br />
ich will dich ja nimmermehr<br />
verlassen.“ Dann band es<br />
sein goldenes Strumpfband ab<br />
und tat es dem Rehchen um den<br />
Hals, und rupfte Binsen und flocht ein<br />
weiches Seil daraus. Daran band es das<br />
Tierchen und führte es weiter und ging immer tiefer in den Wald hinein.<br />
Und als sie lange, lange gegangen waren, kamen sie endlich an ein<br />
kleines Haus, und das Mädchen schaute hinein, und weil es leer war,<br />
dachte es: „Hier können wir bleiben und wohnen.“ Da suchte es dem<br />
Rehchen Laub und Moos zu einem weichen Lager, und jeden Morgen<br />
ging es aus und sammelte sich Wurzeln, Beeren und Nüsse, und für<br />
das Rehchen brachte es zartes Gras mit, das fraß es ihm aus <strong>der</strong> Hand,<br />
war vergnügt und spielte vor ihm herum. Abends, wenn Schwesterchen<br />
müde war und sein Gebet gesagt hatte, legte es seinen Kopf auf<br />
den Rücken des Rehkälbchens, das war sein Kissen, darauf es sanft<br />
einschlief. Und hätte das Brü<strong>der</strong>chen nur seine menschliche Gestalt<br />
gehabt, es wäre ein herrliches Leben gewesen. {<br />
Aus: Gebrü<strong>der</strong> Grimm, „Brü<strong>der</strong>chen und Schwesterchen“<br />
29
l’isola disabitata ƒ wiener klassik<br />
Wiener Klassik bei DEN<br />
innsbruckER <strong>Festwochen</strong> <strong>der</strong> <strong>Alten</strong> <strong>Musik</strong><br />
von Jutta Höpfel<br />
Gedenkjahre sind, wie schon <strong>der</strong> Name sagt, Anlässe des Gedenkens:<br />
für die Programmgestalter eine willkommene Gelegenheit, den zu<br />
würdigenden Komponisten in den Mittelpunkt ihrer Konzert- o<strong>der</strong><br />
Opernplanung zu stellen. Das Jahr 2009 birgt mehrere solcher Anlässe,<br />
wie den 350. Geburtstag Henry Purcells (1659–1695), den 250. Todestag<br />
Georg Friedrich Händels (1685–1759), den 200. Todestag Joseph Haydns<br />
(1732–1809) und den 200. Geburtstag von Felix Mendelssohn Bartholdy<br />
(1809–1847). Henry Purcells wird in zwei <strong>Festwochen</strong>konzerten am<br />
20. und 28. August gedacht, während Händel schon im Vorjahr mit<br />
seinem Belshazzar und in mehreren Konzerten gewürdigt wurde. Die<br />
<strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong> 2009 haben vor allem Joseph Haydn im Fokus<br />
und leisten mit <strong>der</strong> Produktion von zwei seiner vielen unbekannten<br />
Opern wie<strong>der</strong> Pionierarbeit, die durch wertvolle konzertante Beiträge<br />
ergänzt wird.<br />
Zuweilen wird die Frage laut, ob denn Haydn und an<strong>der</strong>e Wiener<br />
Klassiker überhaupt „Alte <strong>Musik</strong>“ sind. Natürlich sind sie das! Die<br />
„Alte <strong>Musik</strong>“ ist ja keine geschlossene Schublade, kein mit dem Lineal<br />
genau eingegrenztes o<strong>der</strong> eingrenzbares Gebiet, vielmehr Teil einer<br />
fließenden musikgeschichtlichen Entwicklung, die mit Bach und <strong>der</strong><br />
Barockzeit nicht einfach aufgehört hat. Ihre formalen, strukturellen und<br />
inhaltlichen Elemente waren nie an bestimmte Jahreszahlen gebunden,<br />
son<strong>der</strong>n wirkten fort, in mancher Beziehung bis heute. Denn auch viele<br />
Komponisten des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts ließen sich von alten Formen und<br />
Inhalten inspirieren, verwendeten und bearbeiteten sie neu. Die <strong>Musik</strong><br />
<strong>der</strong> Klassik aber erhielt durch die heutige Verwendung historischer<br />
Instrumente nicht nur einen ganz neuen Klang, son<strong>der</strong>n erschien durch<br />
die speziellen Erfor<strong>der</strong>nisse in <strong>der</strong> Spieltechnik <strong>der</strong> alten Instrumente<br />
auch in Artikulation und Phrasierung neu und ungewohnt. Damit wurde<br />
sie praktisch in ihrer ganzen Struktur neu entdeckt. Joseph Haydn war<br />
ein bedeuten<strong>der</strong> Pionier und Neuerer, aber er baute selbstverständlich<br />
auf den Fundamenten seiner komponierenden Vorgänger auf,<br />
ebenso wie Mozart, in dessen Opern wir wesentliche Bauelemente<br />
<strong>der</strong> Barockoper entdecken, angefangen mit dem Prinzip von Rezitativ<br />
und Arie. Was ebenso für die frühen italienischen Belcanto-Opern von<br />
Rossini, Donizetti o<strong>der</strong> Bellini gilt.<br />
30
l’isola disabitata ƒ Wiener klassik<br />
Natürlich dominieren in unseren <strong>Festwochen</strong>programmen seit jeher<br />
die Stilepochen <strong>der</strong> Renaissance und des Barock in ihren vielfältigen<br />
Erscheinungsformen; daneben hatte aber immer auch das 18. und<br />
frühe 19. Jahrhun<strong>der</strong>t seinen Platz. Davon zeugen die Programmhefte<br />
<strong>der</strong> vergangenen 32 Jahre. Blättern wir ein wenig zurück in <strong>der</strong><br />
<strong>Festwochen</strong>chronik, so stoßen wir auf viele kostbare Schätze aus<br />
dem Klassik-Repertoire! Schon für den Grün<strong>der</strong> und Spiritus rector<br />
<strong>der</strong> Ambraser Schlosskonzerte und <strong>Festwochen</strong> <strong>der</strong> <strong>Alten</strong> <strong>Musik</strong>,<br />
unseren als Puristen bekannten Professor Otto Ulf, war Haydn ein<br />
selbstverständlicher Bestandteil seiner Planung. So fanden sich schon<br />
im Programm <strong>der</strong> allerersten „Woche <strong>der</strong> <strong>Alten</strong> <strong>Musik</strong>“ 1976 (die noch<br />
nicht „Festwoche“ hieß) gleich zwei Werke von Haydn, unter an<strong>der</strong>em<br />
spielte Hans-Martin Linde dessen Flötenkonzert D-Dur. Unvergesslich<br />
ist mir das wun<strong>der</strong>bare Konzert <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> Barthold, Sigiswald und<br />
Wieland Kuijken, die 1981 im Riesensaal <strong>der</strong> Hofburg sechs Haydn-<br />
Trios für Traversflöte, Barockvioline und Violoncello spielten und<br />
damit das hellste Entzücken Prof. Ulfs und des Publikums auslösten.<br />
Und schon im nächsten Jahr, zu Haydns 250. Geburtstag, feierte die<br />
Klassik abermals im Riesensaal mit Kammermusik von Haydn, Mozart<br />
und Beethoven Triumphe. Neben den Brü<strong>der</strong>n Kuijken wirkte Johann<br />
Sonnleitner am Hammerflügel mit. Es würde den Rahmen sprengen,<br />
sämtliche Programmbeiträge aus dieser Stilepoche zu den Ambraser<br />
Schlosskonzerten und den Aufführungen <strong>der</strong> <strong>Festwochen</strong> detailliert<br />
aufzuzeigen, aber feststeht, dass die Wiener Klassiker bis hin zu Franz<br />
Schubert darin durch die Jahrzehnte bis in die jüngste Gegenwart<br />
immer wie<strong>der</strong> präsent gewesen sind. Nur an einige herausragende<br />
Ereignisse soll hier erinnert werden.<br />
Ein schönes Beispiel für die fließenden Übergänge zwischen den<br />
Stilepochen geben die Bach-Söhne, <strong>der</strong>en „galanter Stil“ Brücken vom<br />
Barock zur Klassik schlägt. So erlaubte 1988 ein <strong>Festwochen</strong>konzert<br />
des Pariser Ensembles Mosaïques zum 200. Geburtstag von Carl Philipp<br />
Emanuel Bach, in frühklassischen Symphonien und Concerti diesen<br />
Brückenschlag deutlich wahrzunehmen. Wie um das zu unterstreichen,<br />
spielte das Ensemble London Baroque im Jahr darauf ein Mozartsches<br />
Cembalokonzert (KV 107), das Material von drei Cembalosonaten von<br />
31
W W W. O P E R A . B U R K I A . AT<br />
K U LT U R<br />
T R I F F T G A U M E N<br />
L A S S E N S I E S I C H<br />
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l’isola disabitata ƒ Wiener klassik<br />
Johann Christian Bach enthält und die Vorbildwirkung des jüngsten<br />
Bachsohns auf den jungen Mozart bezeugt. Wer will da eine stilistische<br />
Grenze ziehen, was noch und was nicht mehr „Alte“ <strong>Musik</strong> ist? Mozart<br />
pur erlebte man dann 1991, in seinem 200. Todesjahr, als René Jacobs<br />
mit La finta semplice seine erste Mozartoper vorstellte. An dieser<br />
erstaunlichen Partitur des zwölfjährigen Komponistengenies musste die<br />
Frage nach „alt“ o<strong>der</strong> „nicht alt“ geradezu lächerlich erscheinen.<br />
René Jacobs schrieb damals im Programmheft unter dem bezeichnenden<br />
Titel Auch Mozart ist alte <strong>Musik</strong> – und neue!: Ist es nicht<br />
eine natürliche Sache, dass die gleichen Leute, die sich mit <strong>der</strong><br />
Aufführungspraxis <strong>der</strong> „alten“ <strong>Musik</strong> auseinan<strong>der</strong>gesetzt haben, den<br />
Gang <strong>der</strong> <strong>Musik</strong>geschichte weiter verfolgen möchten? Hört die im Barock<br />
geborene Einstellung gegenüber <strong>Musik</strong>, nämlich die Überzeugung, dass<br />
<strong>der</strong> singende o<strong>der</strong> spielende <strong>Musik</strong>er ein Redner ist, <strong>der</strong> mit seiner<br />
„Klang-Rede“ sein Publikum überzeugen will, etwa nach Bach und<br />
Händel auf? Hat Händel „alte“ <strong>Musik</strong> geschrieben und Mozart, dessen<br />
Lebensdaten die Händels noch berühren, nicht …?<br />
Von <strong>der</strong> frühen Finta semplice zum reifen Don Giovanni im Mozartjahr<br />
2006 war es für Jacobs nur noch ein Schritt, aber ein entscheiden<strong>der</strong>.<br />
Seine intensive Recherche über Umstände und Einzelheiten<br />
<strong>der</strong> Werkgeschichte und Uraufführung bescherten Innsbruck eine<br />
exemplarische Produktion, die denn auch ob ihrer innovativen historischen<br />
Treue internationale Anerkennung fand. Und niemand kam auf<br />
die Idee, ihre Authentizität im Spielplan <strong>der</strong> <strong>Festwochen</strong> Alter <strong>Musik</strong> in<br />
Frage zu stellen, ebenso wenig, wie man etwa 1993 ein zur Gänze Luigi<br />
Boccherini zu seinem 250. Geburtstag gewidmetes <strong>Festwochen</strong>konzert<br />
von Christophe Coin missgönnte. Auch Mozart-Zeitgenosse und -rivale<br />
Antonio Salieri erschien im Programm.<br />
Nur drei Jahre vor Joseph Haydn wurde <strong>der</strong> Böhme Florian Leopold<br />
Gassmann geboren, den René Jacobs 1997 mit seiner köstlichen<br />
Opernsatire L’opera seria als hörenswerten Vertreter des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
und Mozart-Vorläufer bei den <strong>Festwochen</strong> präsentierte. Die virtuosen<br />
Gesangspartien und auch die komödiantischen Ansprüche an<br />
die Solisten gingen da über das Barocktheater schon weit hinaus. Ein<br />
weiterer Zeitgenosse auf dem Weg zur Klassik, Georg Anton Benda,<br />
kam ebenfalls aus Böhmen; ihm verschaffte Sigiswald Kuijken mit den<br />
beiden Operneinaktern von 1775 Ariadne auf Naxos und Medea bei<br />
den <strong>Festwochen</strong> 1999 Gehör, wenige Tage später ließ Andreas Staier<br />
am Hammerflügel mit Muzio Clementi, Joseph Haydn und Wolfgang<br />
Amadeus Mozart aufhorchen, wirkte dieses Konzert doch als eine Art<br />
33
l’isola disabitata ƒ wiener klassik<br />
Auftakt zu weiteren großen Klassikaufführungen. Keineswegs wurde<br />
deswegen das Kerngebiet des frühen Barockrepertoires vernachlässigt:<br />
Neben Mazzocchis Oper La Catena d’Adone und den unter dem<br />
Titel La guerra d’amore getanzten Monteverdi-Madrigalen sowie vielen<br />
Konzerten brachten die 23. <strong>Festwochen</strong> 1999 noch Händels<br />
Alexan<strong>der</strong>fest o<strong>der</strong> Die Macht <strong>der</strong> <strong>Musik</strong> in Mozarts Bearbeitung und<br />
als letzten Höhepunkt zudem Mozarts Cosi fan tutte, konzertant, aber<br />
mit einer Lebendigkeit, die <strong>der</strong> Bühnendramatik um nichts nachstand.<br />
Ein Meisterstück in hinreißen<strong>der</strong> Darbietung durch René Jacobs, das<br />
Orchester Concerto Köln und ein brillantes Solistenensemble.<br />
Im neuen Jahrtausend wandte sich René Jacobs vermehrt dem von<br />
ihm hoch verehrten Joseph Haydn zu, von dem er im Jahr 2000 Die<br />
Schöpfung und 2001 im Landestheater die heitere Oper Il mondo<br />
della luna präsentierte, in <strong>der</strong> er „Unterhaltung auf höchstem Niveau“<br />
sah. Und als die wun<strong>der</strong>bare Bernarda Fink wenige Tage später<br />
einen Lie<strong>der</strong>abend gab, stand am Anfang und Ende ihres kostbaren<br />
Programms <strong>Musik</strong> <strong>der</strong> Wiener Klassik: Haydns Kantate Arianna<br />
a Naxos und eine Gruppe schönster Schubert-Lie<strong>der</strong>. Ein an<strong>der</strong>es<br />
Haydn-Erlebnis vermittelte im gleichen <strong>Festwochen</strong>sommer Joe van<br />
Immerseel am Hammerflügel mit Sonaten und einer Klavierfassung <strong>der</strong><br />
„Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz“. 2002 widmete sich<br />
Immerseel einen ganzen Abend lang Mozarts Klaviermusik, die auf dem<br />
Hammerflügel ganz an<strong>der</strong>e Farben offenbarte als gewohnt. Auch 2003<br />
spielte Haydn wie<strong>der</strong> eine wichtige Rolle, lernte man doch, gespielt<br />
von Christophe Coin und Max Engel, seine vom Fürsten Esterházy so<br />
geliebten Kammermusikwerke für das Baryton kennen. René Jacobs<br />
sorgte gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester und dem Rias-<br />
Kammerchor für eine glanzvolle Aufführung von Haydns Jahreszeiten.<br />
Klassische Klaviertrios genoss man 2004 im Spanischen Saal, als die<br />
Geigerin Elisabeth Wallfisch, <strong>der</strong> Cellist Jaap ter Linden und Ronald<br />
Bräutigam am Hammerklavier Haydn, Mozart und Beethoven originale<br />
Farben und Akzente verliehen.<br />
Haydn und Mozart wurden auch in den folgenden Jahren zu wahren<br />
„Neuentdeckungen“ <strong>der</strong> <strong>Festwochen</strong>. Vor allem als Pionier des klassischen<br />
Streichquartetts kam Haydn im Spanischen Saal wie<strong>der</strong>holt<br />
zu Ehren; das Repertoire <strong>der</strong> Kammerkonzerte reichte bis zu<br />
Beethoven und Mendelssohn. Das Mozartjahr 2006 bescherte uns<br />
neben dem Don Giovanni auch eine berührende Erarbeitung <strong>der</strong> frühen<br />
Hirtenoper Il Re pastore durch Alessandro De Marchi und ein sehr<br />
34
l’isola disabitata ƒ Wiener klassik<br />
anregendes Symposium über die wahre Art Mozart zu interpretieren.<br />
Rosemary Joshua sang im Spanischen Saal Mozartsche Liebeslie<strong>der</strong><br />
und im Congress virtuose Konzertarien, begleitet vom Freiburger<br />
Barockorchester, das an diesem Abend unter René Jacobs auch die<br />
Titus-Ouvertüre, die Prager und die Jupiter-Symphonie spielte. Nicht<br />
zu vergessen den Mozart-Sonatenabend in Ambras, den Andreas<br />
Staier am Hammerflügel gab. Ein konzertantes Juwel blieb aus 2007 in<br />
Erinnerung: <strong>Musik</strong> für Naturhörner von Haydn, Mozart, Johann Andreas<br />
Amon und Beethoven entzückte im Spanischen Saal. 2008, als die<br />
<strong>Festwochen</strong> vornehmlich Händel und geistlicher Barockmusik gewidmet<br />
waren, vertrat das Quatuor Mosaïques mit Streichquartetten von<br />
Haydn und Mendelssohn das „aufgeklärte“ Zeitalter. Auch ein Tiroler<br />
„Klassiker“ aus <strong>der</strong> Zeit um 1800 war zu entdecken: Mit <strong>der</strong> Missa<br />
solemnissima lernte man den Haller Pfarrorganisten Joseph Anton<br />
Holzmann (1762–1815) kennen, <strong>der</strong> ein Wun<strong>der</strong>kind und <strong>der</strong> berühmteste<br />
Tiroler Komponist seiner Zeit gewesen sein soll. {<br />
silvia<br />
35
l’isola disabitata ƒ biografien<br />
Alessandro De Marchi studierte in seiner Heimatstadt<br />
Rom am Konservatorium von Santa Cecilia<br />
Orgel und Komposition, anschließend an <strong>der</strong> Schola<br />
Cantorum Basiliensis Cembalo, Basso continuo und<br />
Kammermusik. Noch während seiner Studienzeit begann<br />
De Marchi, inspiriert von seinem Lehrer Jesper<br />
Christensen, musikphilologische Forschungsarbeiten<br />
anhand von Manuskripten und Partituren Alter <strong>Musik</strong>.<br />
Damals leitete er bereits das Ensemble Il Teatro<br />
Armonico in Aufführungen von geistlicher und dramatischer <strong>Musik</strong> <strong>der</strong><br />
Barockzeit. Seine Zusammenarbeit mit diesem Ensemble ist durch mehrere<br />
CD-Aufnahmen dokumentiert. Als <strong>Musik</strong>er unternahm De Marchi<br />
während und nach seiner Studienzeit Ausflüge in an<strong>der</strong>e Bereiche, so<br />
unter an<strong>der</strong>em als Pianist <strong>der</strong> St. Louis Big Band.<br />
Als Cembalist trat Alessandro De Marchi nach seiner Studienzeit<br />
solistisch in Konzerten und als Begleiter <strong>der</strong> Rezitative in vielen internationalen<br />
Produktionen von Opern des 17. bis 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts in<br />
Erscheinung. Unter an<strong>der</strong>em wirkte er in dieser Funktion bei den Salzburger<br />
Festspielen unter <strong>der</strong> Leitung von Daniel Barenboim und als<br />
dessen Assistent in <strong>der</strong> Produktion von Don Giovanni mit. Auch Claudio<br />
Abbado sicherte sich mehrfach für Aufführungen von Werken Alter<br />
<strong>Musik</strong> die Mitwirkung von Alessandro De Marchi als Cembalist/Organist<br />
und Assistent (u.a. in Bachs Matthäus-Passion). 1989 begann in Brüssel<br />
am Théâtre de la Monnaie seine Zusammenarbeit mit René Jacobs:<br />
Die erste Produktion, in <strong>der</strong> De Marchi in Jacobs’ Opernensemble als<br />
Cembalist und Assistent mitwirkte, war die Oper Orontea des einstigen<br />
<strong>Innsbrucker</strong> Hofkapellmeisters Cesti, die De Marchi dann auch selbst<br />
an vielen Opernhäusern Europas dirigierte. 1993 kam De Marchi mit<br />
Jacobs zur Produktion von Monteverdis Il ritorno d’Ulisse erstmals<br />
zu den <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong>, im selben Jahr trat er außerdem als<br />
Cembalist in Monteverdis Orfeo unter <strong>der</strong> Leitung von Jacobs bei den<br />
Salzburger Festspielen auf. Seit 1992 wirkte De Marchi an <strong>der</strong> Berliner<br />
Staatsoper Unter den Linden als Assistent von Daniel Barenboim und<br />
als Dirigent von Opern wie Grauns Cleopatra e Cesare, Cimarosas Il<br />
matrimonio segreto, Haydns L’isola disabitata und Rossinis Il barbiere di<br />
Siviglia. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit René Jacobs führte De<br />
Marchi 1997 mit Gaßmanns L’Opera Seria neuerlich zu den <strong>Innsbrucker</strong><br />
<strong>Festwochen</strong>. Als Konzertcembalist und -organist trat Alessandro<br />
De Marchi 2003 mit dem Ensemble The Rare Fruits Council bei den<br />
Ambraser Schlosskonzerten auf.<br />
Alessandro De Marchi etablierte sich als gefragter Opern- und Konzertdirigent<br />
mit Schwerpunkt auf <strong>der</strong> <strong>Musik</strong> des 17. bis frühen 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
36
l’isola disabitata ƒ biografien<br />
im <strong>Musik</strong>leben Europas und auf Tourneen in Übersee. Er ist heute regelmäßiger<br />
Gastdirigent <strong>der</strong> Hamburgischen Staatsoper, <strong>der</strong> Sächsischen<br />
Staatsoper Dresden, <strong>der</strong> Berliner Staatsoper, an <strong>der</strong> Komischen Oper<br />
Berlin, an <strong>der</strong> Württembergischen Staatsoper Stuttgart, am Pariser<br />
Théâtre des Champs Elysées, an <strong>der</strong> Opéra National Lyon, am Teatro Regio<br />
Turin, beim Maggio Musicale Florenz, bei den Händel-Festspielen Halle,<br />
im Theater an <strong>der</strong> Wien und am Nationaltheater Prag. In <strong>der</strong> Academia<br />
Montis Regalis, <strong>der</strong>en Erster Dirigent Alessandro De Marchi ist, fand er<br />
ein Ensemble, das seine Vorstellungen von Originalklang und historisch<br />
bewusster Aufführungspraxis in intensiver Zusammenarbeit und mit langfristigen<br />
Projekten umsetzt. 2006 gastierte De Marchi mit <strong>der</strong> Academia<br />
Montis Regalis erstmals mit einer Opernproduktion bei den <strong>Innsbrucker</strong><br />
<strong>Festwochen</strong> und leitete hier eine vielbeachtete Aufführungsserie von<br />
Mozarts Serenata Il Re pastore. Bei den <strong>Festwochen</strong> 2008 folgte eine<br />
ebenfalls begeistert aufgenommene szenische Produktion von Pasquinis<br />
Oratorium Sant’Agnese. Mit <strong>der</strong> Academia Montis Regalis ist Alessandro<br />
De Marchi an <strong>der</strong> Gesamtaufnahme von Vivaldis musikalischem Schaffen<br />
für das renommierte CD-Label Opus 111 beteiligt. Als Konzertdirigent gastiert<br />
Alessandro de Marchi bei Ensembles wie dem Münchener Kammerorchester,<br />
mit dem er in <strong>der</strong> kommenden Saison bei den <strong>Innsbrucker</strong><br />
Meisterkonzerten auftreten wird, dem Orchestre de Chambre de Genève<br />
und dem Orchester <strong>der</strong> Academia Santa Cecilia Rom.<br />
Aufsehen erregende Projekte und Produktionen des Dirigenten De<br />
Marchi in jüngerer Vergangenheit waren John Neumeiers Ballettversion<br />
von Bachs Weihnachtsoratorium mit dem Hamburg Ballett sowie<br />
Pergolesis Intermezzo La serva padrona und Bachs Kaffeekantate<br />
am Theater an <strong>der</strong> Wien, weiters eine CD-Produktion mit Cecilia<br />
Bartoli und Juan Diego Florez von Bellinis Oper La sonnambula, eine<br />
Neuproduktion von Händels Teseo an <strong>der</strong> Komischen Oper Berlin, eine<br />
Aufführungsserie von Hasses Cleofide an <strong>der</strong> Semperoper Dresden<br />
und Monteverdis L’incoronazione di Poppea in Hamburg. Ab <strong>der</strong> Saison<br />
2010 ist Alessandro De Marchi künstlerischer Leiter <strong>der</strong> <strong>Innsbrucker</strong><br />
<strong>Festwochen</strong>.<br />
Alessandro De Marchis Opernrepertoire reicht von den Monteverdi-<br />
Opern, Werken Cestis und Händels über Keisers Der lächerliche Prinz<br />
Jodelet, Hasses Cleofide und Pergolesis Il matrimonio Segreto bis<br />
zu Mozarts drei Da-Ponte-Opern und Die Entführung aus dem Serail,<br />
Haydn-Opern und Werken von Bellini, Rossini und Donizetti. Belcanto-<br />
Opern des frühen 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts führt De Marchi ebenfalls im Originalklang<br />
auf und sieht sie in einer historischen Kontinuität zur Oper <strong>der</strong><br />
Barockzeit und <strong>der</strong> Klassik.<br />
37
l’isola disabitata ƒ biografien<br />
Christoph von Bernuth wurde 1968 in Rochester/<br />
Minnesota geboren. Nach einem Französischstudium<br />
und einer Ausbildung in Bewegungstheater im Rahmen<br />
des Diplomsportstudiums an <strong>der</strong> Deutschen<br />
Sporthochschule Köln widmet er sich seit 1996 ganz<br />
dem <strong>Musik</strong>theater. In den ersten Jahren als freier<br />
Regieassistent arbeitete er mit Regisseuren wie<br />
Willy Decker, George Tabori, Philipp Arlaud, Jean-<br />
Louis Martinoty o<strong>der</strong> Ursel und Karl-Ernst Herrmann<br />
zusammen. Seit 1997 leitet er den Opernbereich <strong>der</strong> <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong>.<br />
Seine verschiedenen Tätigkeiten führten ihn unter an<strong>der</strong>em<br />
zu den Dresdner <strong>Musik</strong>festspielen, <strong>der</strong> Opéra Nationale de Paris, den<br />
Schwetzinger Festspielen, dem Theater Basel, <strong>der</strong> Opéra de Montpellier,<br />
<strong>der</strong> Kölner Oper und <strong>der</strong> Deutschen Staatsoper Berlin. In <strong>der</strong> Spielzeit<br />
2000/01 engagierte ihn die Hamburgische Staatsoper als Spielleiter<br />
an ihr Haus. Neben seiner Tätigkeit als Wie<strong>der</strong>aufnahmeregisseur von<br />
Produktionen <strong>der</strong> Staatsoper begleitete er als verantwortlicher Spielleiter<br />
Neuinszenierungen von Peter Konwitschny (Aufstieg und Fall<br />
<strong>der</strong> Stadt Mahagonny, Lulu), Jürgen Flimm (The Rake’s Progres), Willy<br />
Decker (Katja Kabanova), Nikolaus Lehnhoff (Dialogues des Carmélites),<br />
Vera Nemirova (Bählamms Fest) und Tilman Knabe (Il Trovatore).<br />
Neben eigenen Regiearbeiten an <strong>der</strong> Staatsoper Hamburg, Kampnagel<br />
Hamburg, sowie dem Alte-<strong>Musik</strong>festival Zeitfenster in Berlin, kümmerte<br />
er sich als Bewegungsausbil<strong>der</strong> um die jungen Sänger und Sängerinnen<br />
des Opernstudios <strong>der</strong> Hamburgischen Staatsoper. Seit 2005 arbeitet<br />
er als freier Regisseur eng mit dem Regisseur Nikolaus Lehnhoff<br />
zusammen und zeichnete unter an<strong>der</strong>em für die Neueinstudierung <strong>der</strong><br />
Produktion Lohengrin an <strong>der</strong> Opéra de Lyon und <strong>der</strong> Scala di Milano<br />
verantwortlich. Weitere Arbeiten – Tosca, Tristan und Isolde, Belshazzar,<br />
L’Upupa – führten ihn zum Festspielhaus Baden-Baden, dem Festival in<br />
Aix-en Provence sowie die Dresdner Semperoper. 2009 studierte er am<br />
Festspielhaus Baden-Baden die Produktion Rosenkavalier von Herbert<br />
Wernicke unter <strong>der</strong> <strong>Musik</strong>alischen Leitung von Christian Thielemann neu<br />
ein.<br />
L’Isola disabitata ist nach Giulio Cesare in Egitto im Jahre 2004<br />
Christoph von Bernuths zweite Regiearbeit für die <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong>.<br />
Oliver Helf wurde 1975 in Kaiserslautern geboren. Er studierte zunächst<br />
Architektur an <strong>der</strong> HfbK in Hamburg und Freie Kunst am Oxfordshire<br />
College of Art & Design in England, danach Kostümbild an <strong>der</strong> Hochschule<br />
f. Angewandte Wissenschaften in Hamburg bei Dirk von Bodisco.<br />
38
l’isola disabitata ƒ biografien<br />
Von 2003 bis 2004 arbeitete er als freier Assistent<br />
mit dem Kostüm- und Bühnenbildner Kaspar Glarner<br />
unter an<strong>der</strong>em an <strong>der</strong> Staatsoper Hamburg und <strong>der</strong><br />
Oper Frankfurt. 2005 wurde er mit <strong>der</strong> Ausstattung für<br />
die Uraufführung von Jörn Arneckes Oper Butterfly<br />
Blues an <strong>der</strong> Staatsoper Hamburg in <strong>der</strong> Regie<br />
von Christoph von Bernuth beauftragt. Von 2005<br />
bis 2008 war Oliver Helf als Bühnenbildassistent<br />
am Hamburger Thalia Theater engagiert. In dieser<br />
Zeit entstanden auch zahlreiche eigene Bühnen- und Kostümbil<strong>der</strong><br />
für Produktionen im Thalia Theater, dem Thalia in <strong>der</strong> Gaußstraße,<br />
dem Nachtasyl, auf Kampnagel und an diversen freien Spielorten, in<br />
Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Hasko Weber, Frank Abt, Dominik<br />
Günther, Simone Blattner und den Choreograpen Johnny Lloyd, Antoine<br />
Effroy und Anne Rudelbach.<br />
Seit Sommer 2008 arbeitet er als freier Bühnenbildner. Zuletzt<br />
mit Frank Abt am Schauspielhaus Graz und mit Stephan Kimmig in<br />
Hamburg für die Uraufführung von Lukas Bärfuss’ Amygdala.<br />
Die deutsch-griechische Mezzosopranistin Stella<br />
Doufexis ist eine <strong>der</strong> gefragtesten Sängerinnen<br />
ihres Fachs sowohl auf <strong>der</strong> Opernbühne als auch auf<br />
dem Konzertpodium. Bei den renommierten deutschen<br />
Orchestern, allen voran bei den Berliner Philharmonikern,<br />
war sie ebenso zu Gast wie u.a. beim<br />
BBC Symphony Orchestra, dem Israel Philharmonic<br />
Orchestra, Orchestre de Paris, London Symphony<br />
Orchestra und dem Mahler Chamber Orchestra. Sie<br />
arbeitete u.a. mit Claudio Abbado, Sir Simon Rattle, Lorin Maazel,<br />
Bernard Haitink, Zubin Mehta, Kent Nagano, Kurt Masur, Roger Norrington,<br />
Christopher Hogwood, Ingo Metzmacher, Ivor Bolton, Jukka-<br />
Pekka Saraste und Christoph Eschenbach. Ausgebildet bei Ingrid Figur,<br />
Aribert Reimann, Dietrich Fischer-Dieskau und Anna Reynolds, führte<br />
sie ihr breitgefächertes Repertoire vom Barock bis zur Mo<strong>der</strong>ne schon<br />
frühzeitig zu diversen Festivals u.a. zu den Salzburger Festspielen, den<br />
Festivals von Luzern und Berlin, dem Beethoven Festival Bonn, Wien<br />
Mo<strong>der</strong>n, Festival Athen, den Londoner Proms, dem Schleswig-Holstein<br />
<strong>Musik</strong> Festival, <strong>der</strong> Schubertiade Hohenems, dem Aldebourgh Festival<br />
und dem Jerusalem Chamber Music Festival. Zu den Opernhäusern, an<br />
denen Stella Doufexis gastierte, zählen das Théâtre de la Monnaie in<br />
Brüssel, die Deutsche Staatsoper Berlin, die Scottish Opera, das Gran<br />
Teatro del Liceu in Barcelona und die Bayerische Staatsoper München.<br />
39
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l’isola disabitata ƒ biografien<br />
Auch <strong>der</strong> Liedgesang liegt Stella Doufexis sehr am Herzen. Als<br />
renommierte Liedinterpretin wurde sie u.a. nach Brüssel, Antwerpen,<br />
Amsterdam, Wien, London, Athen, Köln, Hamburg, Paris, Berlin,<br />
Frankfurt und Zürich eingeladen. In <strong>der</strong> aktuellen Saison wird sie neben<br />
den Produktionen an <strong>der</strong> Komischen Oper Berlin u.a. mit Bergs Sieben<br />
frühe Lie<strong>der</strong> unter Marc Piollet und einem Lie<strong>der</strong>abend mit Dietrich<br />
Henschel im Rahmen des Schleswig Holstein <strong>Musik</strong>festivals zu hören<br />
sein. Eine Europatournee mit Brahms Liebeslie<strong>der</strong>walzer und Neue<br />
Liebeslie<strong>der</strong> gemeinsam mit Marlis Petersen, Werner Güra und Konrad<br />
Jarnot ist ebenfalls geplant. Die CD dieses Programms ist bei Harmonia<br />
mundi France vor kurzem erschienen und wurde mit dem Diapason<br />
d’Or ausgezeichnet. Stella Doufexis hat unzählige CD-Aufnahmen vorzuweisen.<br />
Die italienische Sopranistin Raffaella Milanesi absolvierte<br />
1997 ihr Gesangsstudium in ihrer Heimatstadt<br />
Rom an <strong>der</strong> Accademia Nazionale di Santa Cecilia.<br />
Seitdem wirkte sie in unterschiedlichsten Rollen<br />
und Produktionen mit. Ihr Opernrepertoire reicht<br />
von Monteverdis Ottavia und Händels Cleopatra<br />
(Giulio Cesare) über Mozarts Elletra (Idomeneo),<br />
Susanna (Le Nozze di Figaro), Tamiri und Aminta (Il<br />
Re Pastore), Servilia (La Clemenza di Tito), bis hin zu<br />
Donizettis Norina (Don Pasquale) und Puccinis Musetta (La Bohème).<br />
Sie gastiert an den Opernhäusern von Amsterdam, Antwerpen, Bordeaux,<br />
Brüssel, Lausanne, Luxembourg, Madrid, Montpellier, Paris,<br />
Salamanca, Toulouse, Wien und bei Festivals wie Ambronay, Beaune,<br />
Eisenstadt, Innsbruck, Montpellier, Potsdam. Sie arbeitet u.a. mit<br />
Rinaldo Alessandrini, Ottavio Dantone, Adam Fischer, Alessandro<br />
De Marchi, Andrea Marcon, Enrique Mazzola, Hervé Niquet, Philippe<br />
Pierlot, Christophe Rousset und mit Regisseuren wie Christof Loy<br />
und Daniele Abbado. Engagements in <strong>der</strong> Saison 2008/09 beinhalten<br />
u.a. Konzerte bei den Festspielen RheinVokal unter Christoph<br />
Poppen, Opernproduktionen in Jesi und Montpellier, am Grand Theatre<br />
de Genève und am La Monnaie in Brüssel unter Leitung von Marc<br />
Minkowski. Künftige Produktionen führen sie u.a. an die Scala di Milano<br />
(Proserpina in Monteverdis L’Orfeo) mit Rinaldo Alessandrini.<br />
Raffaella Milanesi war zuletzt 2006, ebenfalls unter <strong>der</strong> Leitung von<br />
Alessandro De Marchi, in <strong>der</strong> Opernproduktion Il Re pastore bei den<br />
<strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong> zu sehen.<br />
41
l’isola disabitata ƒ biografien<br />
Der Tenor Jeffrey Francis wurde in den Vereinigten<br />
Staaten geboren, erhielt seine musikalische Ausbildung<br />
an <strong>der</strong> University of Washington und gab<br />
sein Debüt in Südamerika. Einladungen führten ihn<br />
anschließend u.a. nach Boston, an die Florida Grand<br />
Opera, die Minnesota Opera, nach Santa Fe und<br />
Seattle, an die New York City Opera, die New Israeli<br />
Opera Tel Aviv und an die Opera Australia in Sydney.<br />
Sein Debüt an <strong>der</strong> Metropolitan Opera von New York<br />
gab <strong>der</strong> Künstler Ende September 2006 mit Idomeneo unter James<br />
Levine. Sein Repertoire umfasst Partien des lyrischen französischen<br />
und italienischen Faches, sowie vor allem Mozart, und vieles mehr, seit<br />
kurzem auch deutsche Romantik.<br />
Jeffrey Francis ist heute mit seinem weitgefassten Repertoire u.a. in<br />
Amsterdam, am Liceu in Barcelona, an <strong>der</strong> Staatsoper und Komischen<br />
Oper Berlin, am La Monnaie Brüssel, in Genf und Hamburg, am<br />
Royal Opera House London, am Teatro Real in Madrid, in Marseille,<br />
Pesaro, in Paris und Rom, bei den Salzburger Pfingstfestspielen und<br />
den Salzburger Festspielen, am Theater an <strong>der</strong> Wien, beim Wiener<br />
Osterklang, an <strong>der</strong> Wiener Staatsoper, an <strong>der</strong> Wiener Volksoper, beim<br />
Wiener Klangbogen und an <strong>der</strong> Oper Stuttgart zu erleben.<br />
Bei den <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong> war Jeffrey Francis zuletzt 1998 in<br />
Händels Seméle unter <strong>der</strong> Leitung von René Jacobs zu Gast.<br />
Furio Zanasi hat sich <strong>der</strong> <strong>Alten</strong> <strong>Musik</strong> verschrieben,<br />
sein Repertoire spannt sich von Madrigalen zu<br />
Kantaten, hinzu Oratorien und Barockoper. Er arbeitete<br />
mit vielen Ensembles zusammen und trat bei<br />
den wichtigsten Festivals für Alte <strong>Musik</strong> auf u.a. in<br />
Italien (Settembre Musica in Torino; Festival Roma<br />
Europa, S. Maurizio in Milan, Festival Monteverdi<br />
Cremona) als auch in Utrecht, Brügge, Stuttgart,<br />
Prag, Wiener Konzerthaus, <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong>,<br />
Salzburger Festspiele, Lufthansa Festival in London, Opéra Garnier<br />
Paris, Amsterdam Concertgebouw, Carnegie Hall und Khioi Hall Tokyo.<br />
Furio Zanasi sang u.a. unter <strong>der</strong> Leitung von René Jacobs, Jordi Savall,<br />
Alan Curtis, Gabriel Garrido, Maurizio Pollini, Ivor Bolton, Rinaldo<br />
Alessandrini, Alessandro De Marchi, Philippe Herrewege, Thomas<br />
Hengelbrock und Riccardo Chailly. Nach seinem Rollendebüt als<br />
Marcello in La Bohème beim Battistini Wettbewerb in 1987 trat er in<br />
diversen Theatern auf: u.a. an <strong>der</strong> Oper in Rom, <strong>der</strong> Dresdner Semper<br />
42
l’isola disabitata ƒ biografien<br />
Oper, Liceu in Barcelona, Zarzuela in Madrid, am Theater Basel, La Fenice<br />
in Venedig, an <strong>der</strong> Staatsoper München, Festspielhaus Baden-Baden<br />
und im Lincoln Center. In 2008 sang er Monteverdi’s Orfeo unter Rinaldo<br />
Alessandrini und dem Concerto Italiano in Valladolid, Las Palmas,<br />
Bilbao, Valencia, Siena, Beaune, welches auch aufgenommen wurde<br />
und bei Naive erschienen ist. Mit Orfeo ging Zanasi auch mit Jordi<br />
Savall auf Tour und sang auch in Turin mit <strong>der</strong> Academia Montis Regalis<br />
unter <strong>der</strong> Leitung von Alessandro De Marchi. Furio Zanasi ist auf mehr<br />
als 60 CDs zu hören.<br />
Zuletzt war er bei den Ambraser Schlosskonzerten 2003 im Konzert<br />
„Der verliebte Gott“ zu hören.<br />
Markus Merz studierte an <strong>der</strong> Schauspielschule<br />
des Konservatoriums für <strong>Musik</strong> und Theater in Bern.<br />
Engagements führten ihn u.a. ans Theater Basel,<br />
Staatstheater Stuttgart, Schlosstheater Celle, Stadttheater<br />
Augsburg, Ruhrtriennale Bochum, Schauspielhaus<br />
Zürich, Lucerne Festival und zu den<br />
Salzburger Festspielen. Er arbeitete u.a. mit den<br />
Regisseuren Michael Thalheimer, Nicolas Stemann,<br />
Christof Loy, Stefan Bachmann, Lars-Ole Walburg,<br />
Katharina Thalbach, Andreas Kriegenburg, Raphael Sanchez, Ruedi<br />
Häusermann, Barbara Frey, Tim Staffel, Sebastian Nübling, Stephan<br />
Müller, Joachim Schlömer, Samuel Schwarz, Andreas Storm und Dani<br />
Levy zusammen. Markus Merz spielte auch in Fernseh- und Kinoproduktionen<br />
mit.<br />
43
l’isola disabitata ƒ argomento<br />
Programm<br />
argomento<br />
Navigava il giovane Gernando colla sua giovanetta sposa Costanza, e<br />
con la picciola Silvia ancora infante di lei sorella, per raggiungere nell’<br />
Indie Occidentali il suo genitore, a cui era commesso il governo di una<br />
parte di quelle; quando da una lunga, e pericolosa tempesta fu costretta<br />
a discen<strong>der</strong>e in un’ Isola disabitata, per dar agio alla bambina ed alla<br />
sposa di ristorarsi in terra dalle agitazioni del mare.<br />
Mentre queste placidamente riposavano in una nascosta grotta,<br />
che loro offerse commodo, ed opportuno ricetto, l’infelice Gernando<br />
non alcuni de’ suoi seguaci fu sorpresso, rapito, e fatto schiavo da una<br />
numerosa schiera di Pirati barbari, che ivi sventuratamente capitarono.<br />
I suoi compagni, che vi<strong>der</strong>o dalla nave confusamente il tumulto, e<br />
cre<strong>der</strong>ono rapite con Gernando la bambina, e la sposa, si die<strong>der</strong>o ad<br />
inseguire i predatori; ma perduta in poco tempo la traccia, ripresero<br />
sconsolati il loro interrotto cammino.<br />
Desta la sventurata Costanza, dopo aver cercato lungamente in<br />
vano il suo sposo, e la nave, che l’avea colà condotta, si credè, come<br />
Arianna, tradita, ed abbandonata dal suo Gernando.<br />
Quando i primi impeti del suo disperato dolore cominciarono a dar<br />
luogo al naturale amor della vita, si rivolse ella, come saggia, a cercar le<br />
vie di conservarsi in quella abbandonata segregazion de’ viventi; ed ivi<br />
dell’ erbe, e della frutta, onde abbondava il terreno, si andò lunghissimo<br />
tempo sostenendo con la picciola Silvia, ed inspirando l’odio, e l’orrore<br />
da lei concepito contro tutti gli uomini all’ innocente, che non gli conosceva.<br />
Dopo tredici anni di schiavitù, riuscì a Gernando di liberarsi. La<br />
prima sua cura fu di tornare a quell’ Isola, dove avea involontariamente<br />
abbandonata Costanza; benchè senza alcuna speranza di ritrovarla in<br />
vita. {<br />
44
l’isola disabitata ƒ inhaltsangabe<br />
inhaltsangabe<br />
Der junge Gernando ging mit seiner jungen Gemahlin Costanza, und <strong>der</strong><br />
Schwester <strong>der</strong>selben, die noch ein Kind war, zu Schiffe, um seinen Vater<br />
in Westindien, <strong>der</strong> einem Theile desselben als Gouverneur vorstand, zu<br />
besuchen, und ward von einem anhaltenden und gefährlichen Sturme<br />
gezwungen, auf einer unbewohnten Insel zu landen, um dem Kinde und<br />
<strong>der</strong> Gemahlin die Bequemlichkeit zu verschaffen, sich auf dem Lande<br />
von den Bewegungen <strong>der</strong> Seereise zu erhohlen.<br />
Unterdessen daß diese in einer verborgenen Grotte, die ihnen einen<br />
bequemen und gelegenen Aufenthalt darbot, einer sanften Ruhe genossen,<br />
ward <strong>der</strong> unglückliche Gernando, nebst einigen seines Gefolges,<br />
von einem großen Haufen barbarischer Seeräuber, welche unglücklicherweise<br />
daselbst landeten, überfallen, entführt, und zum Sklaven<br />
gemacht. Seine Gefährten, die vom Schiffe, wiewohl undeutlich, den<br />
Auflauf sahen, und nicht an<strong>der</strong>s glaubten, als daß, mit dem Gernando<br />
zugleich, auch Kind und Gemahlin geraubt wären, machten Jagd auf die<br />
Räuber, verloren dieselben aber bald aus dem Gesichte, und setzten<br />
also, traurig und untröstlich, ihre unterbrochene Reise fort.<br />
Als die unglückliche Costanza erwachte, und ihren Gemahl und das<br />
Schiff, das sie dahin gebracht, lange vergeblich gesucht hatte, glaubte<br />
sie sich, wie Ariadne, von ihrem Gernando verrathen und verlaßen.<br />
Als die ersten Heftigkeiten ihres hoffnunglosen Schmerzes anfingen,<br />
<strong>der</strong> natürlichen Liebe zum Leben Platz zu machen, entschloß sie sich,<br />
nach ihrer Klugheit, alle Mittel aufzusuchen, in dieser verlassenen<br />
Abwesenheit von allen Lebendigen ihr Leben zu fristen. Sie erhielt<br />
sich und ihre Schwester lange Zeit von den Kräutern und Früchten,<br />
die das Land häufig hervorbrachte, und hauchte den ganzen Haß und<br />
Abscheu, den sie gegen alle Mannspersonen gefaßt hatte, <strong>der</strong> kleinen<br />
Unschuldigen ein, welche jene nicht kannte.<br />
Nach dreizehnjäriger Sklaverey gelang es dem Gernando, sich in<br />
Freiheit zu setzen. Seine erste Sorge war, nach <strong>der</strong> Insel zurückzukehren,<br />
wo er wi<strong>der</strong> Willen seine Costanza verlassen hatte; wiewohl ohne<br />
irgend eine Hoffnung, sie noch am Leben zu finden. {<br />
45
l’isola<br />
disabitata<br />
Azione teatrale<br />
Personen:<br />
Costanza, Gemahlin des Gernando<br />
Silvia, ihre jüngere Schwester<br />
Enrico, Gefährte des Gernando<br />
Gernando, Gemahl <strong>der</strong> Costanza<br />
47
l’isola disabitata ƒ Arianna a na xos<br />
arianna a naxos<br />
Kantate für Sopran und Streichorchester<br />
(Bearb. Ende 18. Jh), Hob.XXVIb:2b<br />
Adagio<br />
Teseo mio ben, dove sei? Dove sei tu?<br />
Vicino d’averti mi parea,<br />
ma un lusinghiero sogno fallace m’ingannò.<br />
Già sorge in ciel la rosea Aurora,<br />
e l’erbe e i fior colora Febo<br />
uscendo dal mar col crine aurato.<br />
Sposo, sposo adorato, dove guidasti il piè?<br />
Forse le fere ad inseguir<br />
ti chiama il tuo nobile ardor.<br />
Ah! vieni, ah! vieni, o caro,<br />
ed offrirò più grata preda a tuoi lacci.<br />
Il cor d’Arianna amante, che t’adora costante,<br />
stringi, stringi con nodo più tenace,<br />
e più bella la face splenda del nostro amor.<br />
Soffrir non posso d’esser da te divisa un sol istante.<br />
Ah! di ve<strong>der</strong>ti, o caro, già mi strugge il desio;<br />
ti sospira il mio cor, vieni, vieni Idol mio.<br />
Aria (largo)<br />
Dove sei, mio bel tesoro,<br />
chi t’invola a questo cor?<br />
Se non vieni, io già mi moro,<br />
né resisto al mio dolor.<br />
Se pietade avete, oh Dei,<br />
secondate i voti miei,<br />
a me torni il caro Ben.<br />
Dove sei? Teseo!<br />
Dove sei?<br />
Recitativo<br />
Ma, a chi parlo? Gl’accenti Eco ripete sol.<br />
Teseo non m’ode, Teseo non mi risponde,<br />
e portano le voci e l’aure e l’onde.<br />
Poco da me lontano esser egli dovria.<br />
Salgasi quello che più d’ogni altro<br />
S’alza alpestre scoglio; ivi lo scoprirò.<br />
48
l’isola disabitata ƒ Ariadne auf na xos<br />
Ariadne auf Naxos<br />
Kantate für Sopran und Streichorchester<br />
(Bearb. Ende 18. Jh), Hob.XXVIb:2b<br />
Adagio<br />
Theseus, mein Lieber, wo bist du? Wo bist du nur?<br />
Mir schien, ich hätte Dich nah bei mir,<br />
aber ein schmeichlerischer Traum hat mich betrogen.<br />
Schon steigt im Himmel die rosenfarbene Aurora herauf<br />
und die Kräuter und die Blüten färbt Phoebus,<br />
dem Meer entsteigend mit vergoldetem Haar.<br />
Gemahl, angebeteter Gemahl, wohin hast Du deine Schritte gelenkt?<br />
Vielleicht rief Dich, Raubtiere zu hetzen,<br />
deine noble Jagdleidenschaft?<br />
Ach, kehr wie<strong>der</strong>, kehr wie<strong>der</strong>, mein Lieber,<br />
und ich werde deinen Fallen eine edlere Beute bieten.<br />
Das Herz <strong>der</strong> verliebten Ariadne, die dich unaufhörlich anbetet,<br />
schnürst Du zu mit viel festerem Knoten,<br />
und weit schöner erscheint das Antlitz unserer Liebe.<br />
Ich ertrage es nicht länger, von Dir getrennt zu sein.<br />
Ah, schon verzehrt mich das Verlangen, Dich zu sehen, mein Teurer,<br />
es flüstert Dir mein Herz: Komm nur, komm, meine Leben.<br />
Aria<br />
Wo bist Du, mein lieber Schatz,<br />
wer ruft Dich her zu diesem Herz?<br />
Wenn Du nicht kommst, so muss ich sterben,<br />
nicht ertrag ich diesen Schmerz.<br />
Wenn ihr Mitleid habt, oh Götter,<br />
so begleitet, ach, mein Flehen,<br />
kehr’ mein Liebster zu mir wie<strong>der</strong>.<br />
Wo nur bist Du, Theseus,<br />
lass dich sehn!<br />
Recitativo<br />
Aber mit wem spreche ich? Nur das Echo antwortet auf meine Laute.<br />
Theseus hört mich nicht, Theseus antwortet mir nicht,<br />
und nur die Töne von Lufthauch und Wellen dringen zu mir.<br />
Nicht weit von mir entfernt ist eine Klippe.<br />
Ich entdecke ihn von dort oben, wenn ich den hügeligen Fels,<br />
höher als alles sonst umher, erklimme.<br />
49
l’isola disabitata ƒ Arianna a na xos<br />
Che miro? Oh Stelle, misera me,<br />
Quest’ è l’argivo legno!<br />
Greci son quelli!<br />
Teseo! Ei sulla prora!<br />
Ah m’ingannassi almen …?<br />
Nò, nò, non m’inganno.<br />
Ei fugge, ei qui mi lascia in abbandono.<br />
Più speranza non v’è, tradita io sono.<br />
Teseo, Teseo, m’ascolta, Teseo!<br />
Ma oimè! vaneggio!<br />
I flutti e il vento lo involano per<br />
sempre agli occhi miei.<br />
Ah! siete ingiusti, o Dei,<br />
se l’empio non punite! Ingrato!<br />
Perchè ti trassi dalla morte<br />
dunque tu dovevi tra<strong>der</strong>mi!<br />
E le promesse, e i giuramenti tuoi?<br />
Spergiuro, infido! hai cor di lasciarmi.<br />
A chi mi volgo, da chi pietà sperar?<br />
Già più non reggo,<br />
il piè vacilla, e in così amaro istante<br />
sento mancarm’in sen<br />
l’alma tremante.<br />
Aria<br />
Ah! che morir vorrei<br />
in sì fatal momento,<br />
ma al mio crudel tormento<br />
mi serba ingiusto il ciel.<br />
Misera abbandonata<br />
non ho chi mi consola.<br />
Chi tanto amai s’invola<br />
barbaro ed infedel.<br />
50
l’isola disabitata ƒ Ariadne auf na xos<br />
Doch was sehe ich? Oh ihr Götter, ich Arme,<br />
das ist die hölzerne Argo!<br />
Griechen sind das!<br />
Theseus! Er auf dem Vorschiff!<br />
Ah, hat er mich also hintergangen …?<br />
Nein, nein, er hintergeht mich nicht.<br />
Aber doch, er flieht, und lässt mich hier verlassen zurück.<br />
Nun bleibt keine Hoffnung mehr, betrogen bin ich.<br />
Theseus, Theseus, hör mich an, Theseus!<br />
Aber, o Weh! Ich rede irr!<br />
Die Fluten und <strong>der</strong> Wind tragen ihn für immer<br />
aus meinen Augen.<br />
Ah! Ihr seid ungerecht, oh Götter,<br />
wenn ihr den Ruchlosen nicht bestraft! Undankbarer!<br />
Warum entriss ich dich dem Tod,<br />
nur damit Du mich betrügen konntest?<br />
Und deine Versprechen, deine Schwüre?<br />
Meineidig bist Du, Untreuer! Hast das Herz, mich zu verlassen.<br />
An wen mich wenden, von wem kann ich Mitleid erhoffen?<br />
Schon halte ich mich nicht mehr,<br />
<strong>der</strong> Fuß gibt nach, und in diesem bitteren Augenblick<br />
fühle ich aus meiner Brust<br />
die bebende Seele entweichen.<br />
Aria<br />
Ach, sterben möcht’ ich können<br />
in diesem Augenblick,<br />
doch zu meiner grausamen Qual<br />
will mich <strong>der</strong> ungerechte Himmel erhalten.<br />
Arme Verlassene,<br />
keinen hab ich, <strong>der</strong> mich tröstet.<br />
Der, den ich liebte, entschwand,<br />
ganz barbarisch und untreu.<br />
51
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
L’Isola disabitata<br />
PARTE PRIMA<br />
Scena prima<br />
Costanza<br />
Qual contrasto non vince<br />
L’indefesso sudor! Duro è quel sasso,<br />
L’istromento è mal atto,<br />
Inesperta la mano; e pur dell’ opra<br />
Eccomi al fin vicina. Ah sol concedi<br />
Ch’io la vegga compita.<br />
E da sì acerba vita<br />
Poi mi libera, o ciel. Se mai la sorte<br />
Ne’ dì futuri alcun trasporta a questo<br />
Incognito terreno,<br />
Dirà quel marmo almeno<br />
Il mio caso funesto e memorando.<br />
“Dal traditor Gernando.<br />
(Legge)<br />
Costanza abbandonata i giorni suoi<br />
In questo terminò lido straniero.<br />
Amico passeggiero,<br />
Se una tigre non sei.<br />
O vendica o compiangi i casi miei.”<br />
Questo sol manca. A terminar s’attenda<br />
Dunque l’opra che avanza.<br />
(Torna al lavoro)<br />
Scena II<br />
Silvia frettolosa, ed allegra, e detta.<br />
Silvia<br />
Ah germana! Ah Costanza!<br />
Costanza<br />
Che avenne, o Silvia? Onde la gioia?<br />
52
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
Die unbewohnte Insel<br />
Erster Akt<br />
Erste Szene<br />
COSTANZA<br />
Welche Arbeit überwindet nicht<br />
ein unermüdeter Fleiß! Der Fels ist hart;<br />
das Werkzeug unbequem;<br />
die Hand nicht geübt: – und doch bin ich endlich<br />
<strong>der</strong> Vollendung des Werkes nahe. O Himmel!<br />
Gieb nur, daß ich es vollendet sehe,<br />
und aus diesem bitteren Leben,<br />
befreie mich, oh Himmel! Wenn je das Schicksal...<br />
in künftigen Tagen, jemanden an dieses<br />
unbekannte Land führt:<br />
so wird dieser Marmor wenigstens<br />
meine traurige und merkwürdige Geschichte erzählen.<br />
„Vom Verräter Gernando<br />
(liest)<br />
verlassen, beendete Costanza<br />
ihr Leben an diesem fernen Gestade.<br />
Liebreicher Wandrer!<br />
Wenn du kein Tiger bist,<br />
so räche, o<strong>der</strong> beklage ...“– mein Unglück.<br />
Dies einzige fehlt nur noch. Ich will mich also bemühen,<br />
das so weit vorgerückte Werk zu vollenden.<br />
(geht wie<strong>der</strong> an die Arbeit)<br />
Szene II<br />
Silvia eilig und voll Freuden und die Vorigen.<br />
SILVIA<br />
Ach Schwester! Ach Costanza!<br />
COSTANZA<br />
Was giebt es Silvia? Warum so freudig?<br />
53
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
Silvia<br />
Io sono<br />
Fuor di me di piacere.<br />
Costanza<br />
Perchè?<br />
Silvia<br />
La mia<br />
Amabile cervetta,<br />
In van per tanti dì pianta e cercata,<br />
Da se stessa è tornata.<br />
Costanza<br />
E cio ti rende<br />
Lieta così?<br />
Silvia<br />
Poco ti pare? È quella<br />
La mia cura, il sai pur, la mia compagna,<br />
La dolce amica mia. M’ama, m’intende,<br />
Mi dorme in sen, mi chiede i baci, è sempre<br />
Dal mio fianco indivisa in ogni loco;<br />
La perdei; la ritrovo; e ti par poco?<br />
Costanza<br />
Che felice, che felice innocenza!<br />
(Torna al lavoro)<br />
Silvia<br />
E ho da ve<strong>der</strong>ti<br />
Sempre in pianti, o germana?<br />
Costanza<br />
E come il ciglio<br />
Mai rasciugar potrei?<br />
Già sette volte e sei<br />
L’anno si rinnovò da che lasciata<br />
In sì barbara guisa,<br />
Da’ viventi divisa,<br />
Di tutto priva, priva e senza speme, oh Dio!<br />
Di mai tornar su la paterna arena,<br />
Vivo morendo; e tu mi vuoi serena?<br />
54
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
SILVIA<br />
Ich bin ausser mir<br />
vor Vergnügen.<br />
COSTANZA<br />
Warum das?<br />
SILVIA<br />
Mein geliebtes Reh,<br />
das ich so viel Tage<br />
vergebens beweint und gesucht habe,<br />
ist von selbsten wie<strong>der</strong>gekommen.<br />
COSTANZA<br />
Und das macht Dich<br />
so fröhlich?<br />
SILVIA<br />
Scheint Dir das eine Kleinigkeit?<br />
Es ist, wie Du weist, meine einzige Sorge, meine Gefährtin,<br />
meine süße Freundin. Es liebt mich; es versteht mich;<br />
es schläft in meinem Schooß; es for<strong>der</strong>t meine Küsse;<br />
es kommt mir überall nicht von <strong>der</strong> Seite.<br />
Ich verlier's, finde es wie<strong>der</strong>; das erscheint Dir eine Kleinigkeit?<br />
COSTANZA<br />
Glückselige Unschuld!<br />
(geht wie<strong>der</strong> an ihre Arbeit)<br />
SILVIA<br />
Aber, Schwester! soll ich Dich<br />
denn immer in Thränen sehn?<br />
COSTANZA<br />
Und können wohl jemals<br />
meine Thränen versiegen?<br />
Schon dreyzehnmal<br />
ist <strong>der</strong> Frühling zurückgekehrt,<br />
seitdem ich so grausamerweise verlassen,<br />
von allen Lebendigen getrennt,<br />
von allem beraubt, o Gott! und ohne Hoffnung,<br />
jemals in meine Heimat zurückzukehren,<br />
mehr todt bin, als lebe: und Du willst mich frölich sehn?<br />
55
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
Silvia<br />
Ma per esser felici<br />
Che manca a noi?<br />
Qui siam sovrane.<br />
È questa isoletta ridente<br />
Il nostro regno;<br />
Sono i sudditi<br />
Nostri le mansuete fiere.<br />
A noi produce<br />
La terra, il mar.<br />
Dalla stagione ardente<br />
Ci difendon le piante,<br />
I cavi sassi<br />
Dalla fredda stagion;<br />
Ne forza o legge<br />
Qui col nostro desio<br />
Mai non contrasta.<br />
Or di’,<br />
Che basterà,<br />
Se ciò non basta?<br />
Costanza<br />
Ah, tu del ben, che ignori,<br />
La mancanza non senti.<br />
Atta del labbro a far uso non eri,<br />
O del pensiero quando qui si approdò;<br />
Né d’altro ogetto<br />
Che di ciò ch’ai presente<br />
Serbi le tracce in mente.<br />
Io, ch’era allora quale ora tu sei,<br />
Paragonar ben posso<br />
(Oh memoria molesta!)<br />
Con quel ben che perlor,<br />
Quel che mi resta.<br />
Silvia<br />
Spesso esaltar t’intessi<br />
Le riccheze, il saper,<br />
L’arti i costumi,<br />
Le delizie europee;<br />
Ma con tua pace<br />
Questa assai più<br />
Tranquillità mi piace.<br />
56
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
Silvia<br />
Was fehlt uns noch,<br />
um glücklich zu sein?<br />
Hier sind wir die Herrinnen.<br />
Diese hübsche kleine Insel<br />
ist unser Reich;<br />
unsere Untertanen<br />
sind die zahmen Tiere.<br />
Beschenkt werden wir<br />
von <strong>der</strong> Erde und vom Meer.<br />
Vor <strong>der</strong> glühenden Jahreszeit<br />
beschützen uns die Pflanzen,<br />
die Höhlen<br />
vor <strong>der</strong> kalten Jahreszeit;<br />
we<strong>der</strong> Macht noch Gesetz<br />
wi<strong>der</strong>setzen sich hier<br />
unserem Wunsch.<br />
Nun sag’,<br />
was ist genug,<br />
wenn nicht das?<br />
Costanza<br />
Ach! Du vermisst nicht das Gute,<br />
dass du nicht kennst.<br />
Du konntest noch nicht sprechen<br />
o<strong>der</strong> gar denken, als wir hier ankamen;<br />
du kennst keine an<strong>der</strong>en Sachen,<br />
als die,<br />
die du hier hast.<br />
Ich war damals so, wie du jetzt bist,<br />
so kann ich gut vergleichen<br />
(O, welch lästiges Gedächtnis!)<br />
das, was ich verlor<br />
mit dem, was mir blieb.<br />
Silvia<br />
Oft hörte ich dich preisen,<br />
den Reichtum, das Wissen,<br />
die Künste und die Sitten,<br />
die europäischen Schönheiten;<br />
du aber sollst wissen,<br />
dass mir diese Ruhe<br />
viel lieber ist.<br />
57
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
Costanza<br />
Silvia, v’è grand distanza<br />
Dall’ udire al ve<strong>der</strong>e.<br />
Silvia<br />
Ma pur le belle<br />
Contrade che tu vanti,<br />
D’uomini son feconde; e questi sono<br />
La specie de’ viventi<br />
Nemica a noi. Tu mille volte e mille<br />
Non mi dicesti. …<br />
Costanza<br />
Ah sì, tel dissi, e mai<br />
Non tel dissi abbastanza. Empii, crudeli,<br />
Perfidi, ingannatori,<br />
D’ogni fiera peggiori,<br />
Che sia pietà non sanno;<br />
Non conoscon, non hanno,<br />
Nè amor, nè fè, nè umanità nel seno.<br />
(Piange)<br />
Silvia<br />
E ben, da lor qui siam sicure almeno.<br />
Ma … Tu piangi di nuovo! Ah no se m’ami,<br />
Non t’affliger così. Che far poss’io,<br />
Cara, per consolarti?<br />
(La prende per mano)<br />
Brami la mia cervetta? Asciuga il pianto,<br />
E in tuo poter rimanga.<br />
Costanza<br />
Ah troppo, o Silvia mia, giusto è ch’io pianga.<br />
(abbracciandola)<br />
Aria<br />
Se non piange un’ infelice<br />
Da’ viventi separata,<br />
Dallo sposo abbandonata,<br />
Dimmi, oh Dio, chi piangerà?<br />
Chi può dir ch’io pianga a torto,<br />
Se né men sperar mi lice<br />
58
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
Costanza<br />
Silvia, es gibt einen großen Unterschied<br />
zwischen hören und sehen.<br />
SILVIA<br />
Aber Deine schönen<br />
gepriesenen Gegenden<br />
sind doch voll Mannspersonen, und unter allen<br />
lebendigen Thieren ist dieses Geschlecht<br />
doch vorzüglich feindselig gegen uns.<br />
Hast Du mir nicht tausendmal gesagt. ...<br />
COSTANZA<br />
Ach ja! ich habe es Dir gesagt, und nie<br />
sagt' ichs Dir genug. Gottlos und grausam,<br />
treulos und betrügerisch,<br />
schlimmer als alle reißende Thiere,<br />
wissen sie nichts vom Mitleiden.<br />
Sie kennen keine Liebe, und haben we<strong>der</strong> Treue,<br />
noch Menschlichkeit im Herzen.<br />
(weint)<br />
SILVIA<br />
Nun! vor denen sind wir hier doch wenigstens sicher.<br />
Aber Du weinst schon wie<strong>der</strong>! Nein! wenn Du mich liebst,<br />
so betrübe Dich nicht so. Was kann ich thun,<br />
Geliebte! Dich zu trösten?<br />
(nimmt ihre Hand)<br />
Willst Du mein Reh haben? Trockne Deine Thränen,<br />
und es soll Dein seyn.<br />
COSTANZA<br />
Ach liebste Silvia! nur zu gerecht sind meine Thränen!<br />
(sie umarmend)<br />
Arie<br />
Wenn eine Unglückliche nicht weint<br />
die von allen Lebendigen abgeson<strong>der</strong>t<br />
und ihrem Gemahl verlassen ist,<br />
o Gott! so sage mir, wer soll denn weinen?<br />
Wer kann sagen, daß ich mit Unrecht weine,<br />
da ich nicht einmal<br />
59
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
(parte)<br />
Questo misero conforto<br />
D’ottener l’altrui pietà?<br />
Scena III<br />
Silvia sola<br />
Che ostinato dolor! Quel pianger sempre<br />
Mi fa sdegno e pietà. Prego, consiglio,<br />
Sgrido, accarezzo, ed ogni sforzo è vano.<br />
Ma l’enigma più strano è, che, qualora<br />
Consolarla desio,<br />
Il suo pianto s’accresce, e piango anch’io.<br />
Seguiamo almeno i passi suoi …<br />
(nel voler partire s’avvede della nave)<br />
Ma … quale<br />
Sorge colà sul mare mole improvvisa?<br />
Uno scoglio non è. Cangiar di loco<br />
Un sasso non potrèbbe. E un sì gran mostro<br />
Come va sì leggier! L’acqua divisa<br />
Fa dietro biancheggiar! Quasi nel corso<br />
Allo sguardo s’invola: porta l’ali sul dorso, e nuota, e vola!<br />
A Costanza si vada:<br />
Ella saprà, se un conosciuto è questo<br />
Abitator dell’ elemento infido;<br />
E almen. …<br />
(nel partire vede non veduta Gernando ed Enrico)<br />
Misera me!<br />
Gente è sul lido.<br />
Che fo? Chi mi soccorre? Ah, di spavento<br />
Così … son io ripiena …<br />
Che a fuggir … che a celarmi … ho forza appena.<br />
(si nasconde fra’ cespugli)<br />
60
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
den elenden Trost hoffen darf,<br />
von an<strong>der</strong>n Mitleid zu erhalten?<br />
(geht ab)<br />
Dritter Auftritt<br />
SILVIA allein<br />
Was für ein hartnäckigter Schmerz! Dieses unaufhörliche Weinen<br />
verdrießt und jammert mich. Ich bitte, ich rathe,<br />
ich schelte, ich schmeichle, und alle Mühe ist vergeblich.<br />
Aber das son<strong>der</strong>barste Räthsel ist, daß,<br />
so oft ich sie trösten will,<br />
ihre Thränen häufiger fließen, und ich selber weinen muß.<br />
Ich will ihr wenigstens nachgehn ...<br />
(sie sieht ein Schiff)<br />
Aber ... was<br />
erhebt sich dort auf dem Meer für ein unbekannter Klumpen?<br />
Ein Fels ist es nicht, Ein Stein könnte sich ja nicht<br />
von seinem Platz bewegen. Und ein so großes Ungeheuer,<br />
wie es so leicht geht! Das durchschnittene Wasser<br />
schäumt hinter ihm! In keinem Lauf entflieht es fast dem Blick;<br />
es hat Flügel am Rücken, und schwimmt und fliegt zugleich.<br />
Ich will zu Costanza gehn;<br />
die wird wissen, ob es ein bekannter Bewohner<br />
des ungetreuen Elements ist,<br />
und wenigstens. ...<br />
(im Gehen sieht sie, ungesehen, Gernando und Enrico)<br />
Wehe mir!<br />
Da sind Leute am Ufer.<br />
Was thu ich? Wer rettet mich? Ach! ... ich bin so ... voll Angst ...<br />
daß ich kaum die Kraft habe ... zu fliehen ...<br />
o<strong>der</strong> mich zu verstecken.<br />
(verbirgt sich im Gebüsch)<br />
61
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
Scena IV<br />
Gernando, Enrico in abito indiano<br />
dal palischermo e Silvia in disparte.<br />
Enrico<br />
Ma sarà poi, Gernando,<br />
Questo il terren, che cerchi?<br />
Gernando<br />
Ah sì; nel’ alma<br />
Dipinto mi restò per man d’Amore,<br />
E palpiti suoi l’afferma il core.<br />
Silvia<br />
(Potessi almen ve<strong>der</strong> quei volti.)<br />
Enrico<br />
È molto<br />
Facile errar.<br />
Gernando<br />
No, caro Enrico; è desso:<br />
Riconosco ogni sasso. Ecco lo speco,<br />
Dove in placido obblio con Silvia in braccio<br />
Lasciai l’ultima volta<br />
La mia sposa, il mio ben, l’anima mia,<br />
E mai più non la vidi. Ecco ove fui<br />
Da’ Pirati assalito:<br />
Qua mi trovai ferito,<br />
Là mi cadde l’acciaro. Ah, caro amico,<br />
Ogn’ indugio è delitto;<br />
Andiam. Tu da quel lato,<br />
Da questo io cercherò. L’isola è angusta;<br />
Smarrirci non possiam. Poca speranza<br />
Ho di trovar Costanza;<br />
Ma l’istesso terreno,<br />
Ch’è tomba a lei, sarà mia tomba almeno.<br />
(parte)<br />
62
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
Vierter Auftritt<br />
Gernando und Enrico in indianischer Kleidung<br />
aus dem Beiboot, und Silvia versteckt.<br />
ENRICO<br />
Aber Gernando! Ist denn dies<br />
auch das Land, das Du suchst?<br />
GERNANDO<br />
Ach ja! Die Liebe<br />
machte es mit ihrer Hand mir in die Seele;<br />
und das Herz bestätigt es mit seinem Klopfen.<br />
SILVIA<br />
(Wenn ich ihnen doch nur ins Gesicht sehen könnte!)<br />
ENRICO<br />
Man kann sich<br />
so leicht irren!<br />
GERNANDO<br />
Nein, liebster Enrico! Es ist das nemliche.<br />
Ich erkenne jeden Stein. Da ist die Höhle,<br />
wo ich meine Gemahlin, mein bestes Gut, mein Herz,<br />
in süßem Schlaf, ihre Silvia im Arm,<br />
das letztemal verließ,<br />
und sie nie wie<strong>der</strong> sah. Hier ward ich<br />
von den Piraten angefallen;<br />
dort ward ich verwundet;<br />
da fiel mir <strong>der</strong> Degen aus <strong>der</strong> Hand. Ach! liebster Freund!<br />
jede Zögerung ist ein Verbrechen.<br />
Auf! Such Du von jener Seite,<br />
ich will von dieser suchen. Die Insel ist schmal;<br />
wir können uns nicht verirren. Ich habe wenig Hoffnung,<br />
meine Costanza zu finden;<br />
aber wenigstens soll dasselbe Erdreich,<br />
das sie bedeckt, auch mir zum Grabe dienen.<br />
(geht ab)<br />
63
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
Scena V<br />
Enrico, e Silvia in disparte.<br />
Silvia<br />
(Nulla inten<strong>der</strong> poss’ io.)<br />
Enrico<br />
Tenero in vero<br />
È’ il caso di Gernando. Appena è sposo,<br />
Dée con la sua diletta<br />
Fidarsi al mar. Fra gl’ inquieti flutti<br />
Languir si vede; a ristorarla in questa<br />
Spiaggia discende; ella riposa, ed egli<br />
Da’ barbari rapito,<br />
Tratto a contrade ignote,<br />
In servitù vive tant’ anni, e senza<br />
Notizia del sospirato oggetto.<br />
Silvia<br />
(Pur si rivolse al fin. Che dolce aspetto!)<br />
Enrico<br />
Parla a ciascun l’umanità per lui,<br />
L’obbligo a me. La libertà gli deggio,<br />
Primo dono del Ciel. Spietato ogn’ altro<br />
Sarebbe; ingrato io sono,<br />
Se manco a lui. D’abborimento è degna<br />
Ogni anima spietata;<br />
Ma l’orror de’ viventi è un’ alma ingrata.<br />
Aria<br />
Chi nel camin d’onore<br />
Stanca sudando il piede<br />
Per riportar mercede<br />
D’un nobile sudor,<br />
Non palpita, non langue,<br />
Per lui spargendo il sangue,<br />
E cento rischi e cento<br />
Va lieto ad incontrar.<br />
64
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
Fünfter Auftritt.<br />
Enrico, und Silvia versteckt.<br />
SILVIA<br />
(Ich kann nichts verstehen!)<br />
ENRICO<br />
Rührend ist bey alle dem<br />
die Begebenheit des Gernando. Kaum ist er verheyrathet,<br />
so muß er sich mit seiner Geliebten<br />
dem Meere anvertrauen. Auf den stürmischen Fluthen<br />
sieht man sie erkranken; zu ihrer Erholung landet er<br />
auf dieser Insel; sie schläft, und er,<br />
von Barbaren entführt,<br />
und in unbekannte Län<strong>der</strong> geschleppt,<br />
lebt so viel Jahre in <strong>der</strong> Sklaverey<br />
und ohne alle Nachricht von seinem geliebten Gegenstande.<br />
SILVIA<br />
(Endlich dreht er sich um. Wie gut er aussieht!)<br />
ENRICO<br />
Bey jedem an<strong>der</strong>n spricht die Menschlichkeit für ihn;<br />
bey mir auch noch die Schuldigkeit meiner Freyheit ,<br />
dieses erste Geschenk des Himmels. Je<strong>der</strong> andrer würde<br />
hartherzig seyn;<br />
ich bin auch noch undankbar dazu,<br />
wenn ich ihm nicht beystehe. Ein hartes Herz verdient Verachtung;<br />
aber eine undankbare Seele ist allen abscheulich.<br />
Arie<br />
Wenn auf dem Wege <strong>der</strong> Ehre<br />
des Kämpfenden Fuß ermüdet,<br />
um mit edelmütiger Anstrengung<br />
neuen Lohn zu erhalten,<br />
ächzt und zittert er nicht.<br />
Er vergießt gern sein Blut<br />
und geht tausend Gefahren<br />
froh entgegen.<br />
65
l’isola disabitata ƒ parte prima<br />
Scena VI<br />
Silvia sola<br />
Che fu mai quel ch’io vidi?<br />
Un uom non è: gli si vedrebbe in volto<br />
La ferocia dell’ alma. Empii, crudeli<br />
Gli uomini sono, e di ragione avranno<br />
Impresso nel sembiante il cor tiranno.<br />
Una donna neppure: avvolto in gonna<br />
Non è come noi siam. Qualunque ei sia,<br />
È un amabile oggetto. Alla germana<br />
A dimandarne andrò … Ma il piè ricusa<br />
D’allontanarsi. Oh stelle!<br />
Chi mi fa sospirar? Perché sì spesso<br />
Mi batte il cor? Sarà timor. Nò; lieta<br />
Non sarei, se temessi<br />
È un altro affetto<br />
È un non so che, che mi ricerca il petto.<br />
Aria<br />
Fra un dolce deliro<br />
Son lieta e sospiro:<br />
Quel volto mi piace,<br />
Ma pace non ho.<br />
Di belle speranze,<br />
Ho pieno il pensiero;<br />
Eppur quel ch’ io spero<br />
Conoscer non so.<br />
(parte)<br />
PARTE SECONDA<br />
Scena VII<br />
Gernando solo affannato, indi Enrico.<br />
Gernando<br />
Ah presaga fu l’alma<br />
Di sue sventure. In van m’afretto<br />
In vano cerco,<br />
Chiamo, m’ affanno: un’ orma, un segno<br />
Dell’ idol mio non trovo. Ov’è l’amico?<br />
Forse ei più fortunato … Enrico … Enrico?<br />
Cerchisi … Oh Dio, non posso: oh Dio, m’opprime<br />
66
l’isola disabitata ƒ erster akt<br />
Sechster Auftritt<br />
SILVIA allein<br />
Was in aller Welt war das, was ich gesehen habe?<br />
Ein Mann ist es nicht. Dem würde man die Grausamkeit<br />
des Herzens am Gesicht ansehen. Hart und grausam<br />
sind die Männer, und werden also auch, wie billig,<br />
ihr tyrannisches Herz im Gesicht zu erkennen geben.<br />
Ein Frauenzimmer ist es aber auch nicht, es trägt ja keinen Rock.<br />
Es mag seyn, was es will,<br />
es ist ein liebenswürdiges Geschöpf. Ich will gehn,<br />
und die Schwester fragen ... Aber mein Fuß weigert sich,<br />
von hier zu gehn. Himmel,<br />
warum seufze ich! Warum schlägt mein Herz so schnell?<br />
Vielleicht aus Furcht. Aber nein! ich würde nicht vergnügt seyn,<br />
wenn ich mich fürchtete.<br />
Das unbekannte Gefühl,<br />
das mir im Busen schleicht, ist eine andre Leidenschaft.<br />
Arie<br />
In süßer Schwärmerey<br />
bin ich fröhlich und seufze.<br />
Jenes Gesicht gefällt mir,<br />
aber ich habe keine Ruhe.<br />
Voll angenehmer Hoffnungen<br />
ist voll mir mein Kopf<br />
und doch kann ich, was ich hoffe,<br />
nicht klar sehen.<br />
(geht ab)<br />
ZWEITER AKT<br />
Siebenter Auftritt<br />
Gernando allein, erschöpft, dann Enrico.<br />
GERNANDO<br />
Ha! Meine Seele ahndete ihr Unglück.<br />
Umsonst bemüh' ich mich.<br />
Ich suche, ich rufe,<br />
ich ängstige mich vergebens. We<strong>der</strong> Spur noch Zeichen<br />
find' ich von meiner Geliebten. Wo ist mein Freund?<br />
Vielleicht glücklicher, als ich ... Enrico! Enrico? ...<br />
Ich will ihn suchen ... Gott! Ich kann nicht. O Himmel!<br />
67
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
La stanchezza e il dolor! Là su quel sasso<br />
Si respiri e si attenda …<br />
(nell’ oppressarsi vede l’iscrizione)<br />
Come! Note Europee? Stelle! Il mio nome?<br />
Chi ve impresse e quando?<br />
(legge)<br />
“Del traditor Gernando<br />
Costanza abbandonata, i giorni suoi<br />
In questo terminò lido straniero …”<br />
Io manco.<br />
(s’appoggia al sasso)<br />
Enrico<br />
Ah mi conforta<br />
Sai Costanza ove sia?<br />
Gernando<br />
(appoggiato al sasso)<br />
Costanza è morta.<br />
Enrico<br />
Come?<br />
Gernando<br />
(accenando l’iscrizione)<br />
Leggi.<br />
Enrico<br />
Infelice!<br />
(legge piano le prime parole e poi esclama)<br />
“Dal traditor Gernando<br />
Costanza abbandonata<br />
I giorni suoi<br />
In questo terminò lido straniero.<br />
Amico passeggiero,<br />
Se una tigre non sei<br />
O vendica<br />
O compiangi …”<br />
Appien compita<br />
L’opra non è.<br />
68
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
ich erliege unter Müdigkeit und Schmerzen. Auf jenem Felsen<br />
will ich ausruhn und warten ...<br />
(nähert sich, erblickt die Inschrift)<br />
Wie? Europäische Schrift? Himmel! mein Nahme?<br />
Wer hat ihn da eingegraben – und wann?<br />
(liest)<br />
„Vom Verräter Gernando<br />
verlassen, beendete Costanza<br />
ihr Leben an diesem fernen Gestade ...“<br />
– Wie wird mir?<br />
(lehnt sich an den Felsen)<br />
ENRICO<br />
Ach gieb mir Trost!<br />
Weißt Du, wo Costanza ist?<br />
GERNANDO<br />
(an den Felsen gelehnt)<br />
Costanza ist todt.<br />
ENRICO<br />
Wie?<br />
GERNANDO<br />
(auf die Inschrift deutend)<br />
Ließ!<br />
ENRICO<br />
Die Unglückliche!<br />
(liest sachte die ersten Worte, dann laut)<br />
„Vom Verräter Gernando<br />
verlassen, beendete Costanza<br />
ihr Leben<br />
an diesem fernen Gestade.<br />
Liebreicher Wandrer!<br />
Wenn du kein Tiger bist,<br />
so räche,<br />
o<strong>der</strong> beklage ...“<br />
– Die Schrift ist<br />
nicht ganz vollendet.<br />
69
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Gernando<br />
Non le bastò la vita.<br />
(cade piangendo sul sasso)<br />
Enrico<br />
Oh tragedia funesta! Ah piangi, amico;<br />
Le lagrime son giuste. Io t’accompagno,<br />
T’accompagnano i sassi.<br />
Unico in tanto dolor,<br />
Ma gran conforto,<br />
È che rimorsi almen non hai.<br />
Facesti quanto da un uom richiede<br />
E l’amore e la fede, e la ragione<br />
E l’onestà.<br />
Non piacque al ciel di secondarti.<br />
Or non ti resta che piegar,<br />
Come pio, la fronte umile ai decreti supremi:<br />
E, come saggio, abbandonar questa crudel contrada.<br />
Abbandonarla!<br />
Gernando<br />
Abbandonarla!<br />
E dove vuoi ch’io vada?<br />
Ove speri ch’io possa più<br />
Riposo trovar?<br />
Questo è il soggiorno che il ciel mi destinò.<br />
Enrico<br />
Ma che pretendi<br />
Gernando<br />
Respirar, fin ch’io viva,<br />
Sempre quell’aure istesse<br />
Che il mio ben respirò:<br />
De questi oggetti nutrire il mio tormento<br />
Questo sasso a baciar<br />
Viver penando;<br />
Compire il mio destino col suo nome<br />
Fra’ l’abbri, a lei vicino.<br />
70
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
GERNANDO<br />
Der Tod hat sie übereilt.<br />
(stürzt weinend vom Felsen)<br />
ENRICO<br />
Trauriges Schauspiel! Weine, Freund!<br />
Die Thränen sind gerecht. Ich weine mit Dir,<br />
und die Felsen stimmen mit ein.<br />
Der einzige große Trost,<br />
bei so viel Schmerz,<br />
ist, dass du keine Gewissensbisse hast.<br />
Du hast getan, was die Liebe und <strong>der</strong> Glaube,<br />
die Vernunft und die Ehrlichkeit<br />
von einem Mann verlangen.<br />
Der Himmel wollte dich nicht begleiten.<br />
Nun kannst du nur den Kopf demütig neigen,<br />
vor dem höchsten Willen:<br />
und als Weise diese grausame Gegend verlassen.<br />
Sie verlassen …<br />
Gernando<br />
Sie verlassen …<br />
Und wo willst du, dass ich hingehe?<br />
Wo hoffst du,<br />
dass ich jemals Ruhe finden kann?<br />
Das ist die Stätte, die mir <strong>der</strong> Himmel zugeteilt hat.<br />
Enrico<br />
Was verlangst du …<br />
Gernando<br />
Ich möchte atmen, so lang ich lebe,<br />
immer diese Luft,<br />
die auch meine Liebe atmete:<br />
meine Qual von diesen Dingen speisen,<br />
diesen Stein küssen,<br />
leben in <strong>der</strong> Pein;<br />
mein Schicksal vollenden mit ihrem Namen<br />
auf den Lippen, in ihrer Nähe.<br />
71
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Enrico<br />
Ah, Gernando, ah che dici!<br />
E la patria?<br />
E gli amici?<br />
E il vecchio genitor? ...<br />
Gernando<br />
L’ucci<strong>der</strong>ei, se in questo stato<br />
Io mi mostrassi a lui.<br />
Va; per me tu l’assisti:<br />
Mi fido a te.<br />
Se del mio caso ei chiede,<br />
Raddolcisci narrando il caso mio.<br />
Enrico<br />
E tu speri ch’io possa …<br />
Gernando<br />
Amico, addio.<br />
Aria<br />
Gernando<br />
Non turbar quand’ io mi lagno,<br />
Caro amico il mio cordoglio:<br />
Io non voglio altro compagno<br />
Che il mio barbaro dolor.<br />
Qual conforto in questa arena<br />
Un amico a me saria?<br />
Ah la mia nella sua pena,<br />
Ren<strong>der</strong>ebbesi maggior.<br />
(parte)<br />
Scena VIII<br />
Enrico solo.<br />
Enrico<br />
Non s’irrìti fra’ primi impetri il suo dolor.<br />
Merita il caso questo riguardo;<br />
E s’ei persiste, a forza quindi svellerlo è d’uopo.<br />
Olà. Dovrebbe colà sul palischermo alcun de’nostri trovarsi pure<br />
Olà.<br />
72
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
Enrico<br />
Ach, Gernando, was sagst du!<br />
Und die Heimat?<br />
Und die Freunde?<br />
Und <strong>der</strong> alte Vater? ...<br />
Gernando<br />
Ich würde ihn töten,<br />
wenn ich mich ihm so zeigen würde.<br />
Gehe; kümmere du dich um ihn:<br />
Ich verlasse mich auf dich.<br />
Wenn er nach mir fragt,<br />
erzähle ihm sanft meinen Fall.<br />
Enrico<br />
Und du hoffst, dass ich es kann...<br />
Gernando<br />
Freund, lebe wohl.<br />
Arie<br />
GERNANDO<br />
Wenn ich jammere, liebster Freund!<br />
so störe mich nicht in meinem Kummer.<br />
Ich verlange keinen an<strong>der</strong>n Gefährten,<br />
als meinen grausamen Schmerz.<br />
Was soll mir hier ein Freund<br />
für Trost gewähren?<br />
Ach! Mein Kummer würde nur<br />
durch den seinigen vergrößert werden.<br />
(geht ab)<br />
Achter Auftritt<br />
Enrico allein.<br />
Enrico<br />
Schmerz soll man nicht durch Sturheit mehren.<br />
Der Fall verdient höchste Aufmerksamkeit;<br />
und wenn er nicht nachgibt, muss man ihn gewaltsam abbringen.<br />
Olà. Es sollte sich doch jemand auf dem Schiff befinden.<br />
Olà.<br />
73
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
(escono due marinari)<br />
Conviene, amici, rapir Gernando.<br />
Ei, di dolore insano, non vuol con noi partir.<br />
V’è noto il sito dove colà fra’ sassi scorre limpido un rio?<br />
Selvoso è il loco, e all’insidie opportuno.<br />
Ivi nascosti, ch’egli passi aspettate,<br />
E alla nave il traete<br />
Il diste? Andate.<br />
(partono i marinari)<br />
Enrico innanzi dalla sinistra, Silvia indietro dal medesimo lato, avanza<br />
dosi verso la destra senza ver<strong>der</strong>lo.<br />
Scena IX<br />
Enrico e Silvia<br />
Silvia<br />
Dov’ è Costanza? Io non la trovo.<br />
A lei …<br />
Enrico<br />
Che miro! Ascolta,<br />
Bella ninfa.<br />
Silvia<br />
Ah di nuovo<br />
Tu sei qui.<br />
(in atto di fuggire)<br />
Enrico<br />
Perchè fuggi? Odi un momento.<br />
Silvia<br />
Che vuoi da me?<br />
Enrico<br />
Solo ammirarti, e solo<br />
Teco parlar.<br />
74
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
(zwei Matrosen kommen)<br />
Freunde, es ist nötig, Gernando zu entführen.<br />
Gefangen von einem ungesunden Schmerz, will er nicht mit uns weg.<br />
Kennt ihr den Ort, wo zwischen den Felsen ein klarer Fluss f ?<br />
Dieser befindet sich in einem Wald, gut für einen Überfall.<br />
Versteckt euch hier, wartet darauf, dass er vorbei kommt,<br />
und bringt ihn zum Schiff.<br />
Habt ihr gehört? Geht nun.<br />
(Matrosen gehen hinaus)<br />
Enrico vorne von links, Silvia hinten auf <strong>der</strong> selben Seite,<br />
geht nach Rechts ohne ihn zu sehen.<br />
Neunter Auftritt<br />
Enrico und Silvia.<br />
SILVIA<br />
Wo ist Costanza? Ich finde sie nicht.<br />
Bei ihr …<br />
ENRICO<br />
Was seh' ich? Höre doch,<br />
schöne Nympfe!<br />
SILVIA<br />
Ha! Bist Du<br />
schon wie<strong>der</strong> hier?<br />
(zur Flucht ansetzend)<br />
ENRICO<br />
Warum fliehst Du? Höre mich einen Augenblick.<br />
SILVIA<br />
Was willst Du von mir?<br />
ENRICO<br />
Nichts, als Dich ansehen,<br />
und mit Dir reden.<br />
75
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Silvia<br />
(dalla scena)<br />
Prometti<br />
Di parlarmi da lungi.<br />
Enrico<br />
Io lo prometto.<br />
(scostandosi)<br />
(Che sembiante gentil!)<br />
Silvia<br />
(avvicinandosi)<br />
(Che dolce aspetto!)<br />
Enrico<br />
Ma di tanto spavento<br />
Qual cagione in me trovi? Al fin non sono<br />
Un aspide, una fiera. Un uomo al fine<br />
Ren<strong>der</strong> non ti dovria così smarrita.<br />
Silvia<br />
(turbandosi)<br />
Un uom sei dunque?<br />
Enrico<br />
Un uom.<br />
Silvia<br />
(fugge spaventata)<br />
Soccorso! Aita!<br />
Enrico<br />
(la raggiunge e la trattiene)<br />
Ferma.<br />
Silvia<br />
(inginocchiandosi)<br />
Pietà, mercè! Nulla io ti feci:<br />
Non essermi crudel.<br />
76
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
SILVIA<br />
(aus dem Hintergrund)<br />
Versprich mir,<br />
von fern mit mir zu reden.<br />
ENRICO<br />
Ich verspreche es.<br />
(etwas abrückend)<br />
(Welch ein niedliches Gesicht!)<br />
SILVIA<br />
(sich annähernd)<br />
(Welch ein süßer Anblick!)<br />
ENRICO<br />
Aber was findest Du denn an mir für Anlaß<br />
zu solchem Schrecken? Ich bin doch keine Schlange,<br />
kein reißendes Thier. Ein Mann sollte Dich doch nicht<br />
so sehr in Angst jagen.<br />
SILVIA<br />
(verstört)<br />
Du bist also ein Mann?<br />
ENRICO<br />
Ja! Ein Mann.<br />
SILVIA<br />
(entsetzt fliehend)<br />
Rettung! Hülfe!<br />
ENRICO<br />
(sie erreichend und festhaltend)<br />
Bleib hier!<br />
SILVIA<br />
(auf die Knie fallend)<br />
Erbarmen! Gnade! Ich habe Dir nichts gethan.<br />
Sey nicht grausam gegen mich.<br />
77
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Enrico<br />
(la solleva)<br />
Deh sorgi, o cara:<br />
Cara, ti rassicura. Ah mi trafigge<br />
Quell’ ingiusto timore.<br />
Silvia<br />
(Ch’io mi fidi di lui, mi dice il core.)<br />
Enrico<br />
Dì, se cortese sei come sei bella:<br />
La povera Costanza<br />
Dove, quando restò di vita priva?<br />
Silvia<br />
Costanza? Lode al Ciel, Costanza è viva.<br />
Enrico<br />
Viva! Ah, Silvia gentil, che al sito, agli anni<br />
Certo Silvia tu sei, corri a Costanza.<br />
A Gernando io frattanto …<br />
Silvia<br />
Ah dunque è teco<br />
Quel crudel, quell’ ingrato?<br />
Enrico<br />
Chiamalo sventurato,<br />
Ma non crudele. Ah, non tardar: sarrebbe<br />
Tirannia differir le gioie estreme<br />
Di due sposi sì fidi.<br />
Silvia<br />
Andiamo insieme.<br />
Enrico<br />
No, se insieme ne andiam, bisogna all’ opra<br />
Tempo maggior. Va. Quì con lei ritorna;<br />
Con lui qui tornerò.<br />
Silvia<br />
Senti: e il tuo nome?<br />
78
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
ENRICO<br />
(sie aufhebend)<br />
O liebes Mädchen!<br />
Steh auf und sey ruhig.<br />
Diese ungerechte Furcht kränkt mich im Herzen.<br />
SILVIA<br />
(Mein Herz sagt mir, ich kann ihm trauen.)<br />
ENRICO<br />
Wenn Du so gefällig, als schön, bist,<br />
so sage mir, wo und wann<br />
ist die arme Costanza gestorben?<br />
SILVIA<br />
Costanza! Dem Himmel sey Dank! Costanza lebt.<br />
ENRICO<br />
Sie lebt? Ach reizende Silvia! denn, dem Alter<br />
und allen Umständen nach, bist Du gewiß Silvia,<br />
lauf zu Costanza. Ich will indessen zu Gernando. ...<br />
SILVIA<br />
Ha! So ist also dieser Grausame,<br />
dieser Undankbare bey Dir?<br />
ENRICO<br />
Unglücklich nenn' ihn, aber nicht grausam.<br />
O! Säume nicht. Es wäre Grausamkeit,<br />
die hohen Freuden<br />
solcher treuen Gatten zu verzögern.<br />
SILVIA<br />
Wir wollen mit einan<strong>der</strong> gehen.<br />
ENRICO<br />
Nein, wenn wir mit einan<strong>der</strong> gehn,so brauchen wir längere Zeit<br />
zu unserm Vorhaben. Geh! Komm mit ihr wie<strong>der</strong> hieher;<br />
ich will mit ihm zurück kommen.<br />
SILVIA<br />
Höre! Dein Nahme?<br />
79
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Enrico<br />
Enrico.<br />
(come sopra)<br />
Silvia<br />
Odimi.<br />
(con affetto)<br />
Ah troppo<br />
Non trattenerti.<br />
Enrico<br />
Onde la fretta, o cara?<br />
Silvia<br />
Non so. Mesta io mi trovo<br />
Subito che mi lasci; e in un momento<br />
Poi rallegrar mi sento allor che torni.<br />
Enrico<br />
Ed io teco vivrei tutti i miei giorni.<br />
(parte)<br />
Scena X<br />
Silvia sola<br />
Che mai m’avvene! Ei parte,<br />
E mi resta presente? Ei parte, ed io<br />
Pur sempre col pensier lo vo seguendo?<br />
Perchè tanto affannarmi? Io non m’intendo.<br />
Aria<br />
Come il vapor s’accende<br />
In aria a poco a poco,<br />
Così l’ardente fuoco<br />
S’accresce nel mio cor.<br />
Oimè che fuoco orribile,<br />
Che fiera smania è questa?<br />
Tiranno amor t’arresta,<br />
Non tanta crudeltà!<br />
(parte)<br />
80
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
ENRICO<br />
Enrico.<br />
(wie oben)<br />
SILVIA<br />
Höre doch!<br />
(mit Empfindung)<br />
Ach,<br />
bleib auch nicht lange.<br />
ENRICO<br />
Und warum so eilfertig? Liebes Mädchen!<br />
SILVIA<br />
Ich weiß nicht. Ich bin gleich betrübt,<br />
wenn Du mich verläßest; und sobald Du wie<strong>der</strong> kommst,<br />
fühl' ich, daß ich wie<strong>der</strong> vergnügt werde.<br />
ENRICO<br />
Und ich wollte wohl mein ganzes Leben mit Dir zubringen.<br />
(geht ab)<br />
Zehnter Auftritt<br />
SILVIA allein<br />
Was in aller Welt ist mit mir vorgegangen? Er geht weg,<br />
und bleibt mir doch gegenwärtig? Er geht weg, und ich<br />
folg' ihm doch immer mit meinen Gedanken?<br />
Warum bin ich so bekümmert? Ich verstehe mich selber nicht.<br />
Arie<br />
So wie <strong>der</strong> Dampf zur Sonne<br />
nach und nach sich erhebt,<br />
so wächst das heftige Feuer<br />
in meinem Herzen.<br />
O weh! Welch schädliches Feuer!<br />
welche unselige Marter!<br />
Grausame Liebe, halt ein,<br />
sey nicht so wüthend!<br />
(geht ab)<br />
81
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Scena XI<br />
Costanza sola<br />
Aria<br />
Ah, che in van per me pietoso<br />
Fugge il tempo e affretta il passo:<br />
Cede agli anni il tronco, e’l sasso;<br />
Ma s’invecchia il mio martir.<br />
Non è vita una tal sorte;<br />
Ma si lunga è questa morte,<br />
Ch’ io son stanca di morir.<br />
(s’abbandona a se<strong>der</strong>e sopra un tronco, alla sinsitra)<br />
Giàcché da me lontana<br />
L’innocente germana<br />
Mi lascia in pace, al doloroso impiego<br />
Torni la mano.<br />
(torna al lavoro)<br />
Scena XII<br />
Gernando e detta.<br />
Gernando<br />
(senza ve<strong>der</strong> Costanza)<br />
Giacché il pietoso amico<br />
Lungi ha rivolto il passo,<br />
Quell’ adorato sasso<br />
Si torni a ribaciar.<br />
(la vede)<br />
Ma … chi è colei?<br />
Donde venne? Che fa?<br />
Costanza<br />
Tu sudi, e forse<br />
Resterà sempre ignoto,<br />
Infelice Costanza il tuo lavoro.<br />
Gernando<br />
(l’abbraccia: Costanza si rivolge e lo riconosce)<br />
Costanza! Ah, sposa!<br />
82
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
Eilfter Auftritt<br />
COSTANZA allein.<br />
Arie<br />
Ach! vergebens mitleidig gegen mich,<br />
flieht die Zeit und beflügelt ihren Schritt.<br />
Stamm und Felsen weicht den Jahren,<br />
aber meine Marter altert nicht.<br />
Solch ein Schicksal heißt nicht leben<br />
son<strong>der</strong>n ist vielmehr ein so langwieriger Tod,<br />
daß ich schon des Sterbens überdrüßig bin.<br />
(setzt sich entfernt auf einen Baumstamm, zur Linken)<br />
Jetzt, da meine unschuldige Schwester,<br />
fern von mir, mich ungestört läßt,<br />
mag meine Hand wie<strong>der</strong><br />
an ihre schmerzliche Arbeit gehn!<br />
(nimmt die Arbeit wie<strong>der</strong> auf)<br />
Zwölfter Auftritt<br />
Gernando und die Vorige.<br />
GERNANDO<br />
(ohne Costanza zu sehen)<br />
Jetzt, da mein mitleidiger Freund<br />
weit von hier ist, will ich jenen theuren<br />
Felsen wie<strong>der</strong> küssen.<br />
(sieht sie)<br />
Aber ... wer ist die?<br />
Wo kommt sie her? Was macht sie?<br />
COSTANZA<br />
Unglückliche Costanza!<br />
Du mühest Dich, und vielleicht bleibt<br />
Deine Arbeit ewig unbekannt.<br />
GERNANDO<br />
(umarmt sie, Costanza wendet sich ihm zu und erkennt ihn)<br />
Costanza! Gemahlin!<br />
83
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Costanza<br />
Ah, traditore! Io moro.<br />
(sviene sopra il sasso)<br />
Gernando<br />
Mio ben! … Non ode. Oh Dio!<br />
Perdé l’uso de’ sensi. Ah qualche stilla<br />
Di fresco umor … Dove potrei … Sì; scorre<br />
Non lungi un rio; poc’ anzi il vidi … E deggio<br />
L’idol mio così solo<br />
Abbandonar? Ritornerò di volo.<br />
(parte in fretta)<br />
Scena XIII<br />
Enrico e Costanza svenuta.<br />
Enrico<br />
Ignora il caro amico<br />
Le sue felicità. Da me s’asconde;<br />
Rinvenirlo non so … Ma su quel sasso<br />
Una ninfa riposa!<br />
(s’appressa e l’osserva)<br />
Silvia non è; dunque è Costanza. Oh come<br />
Ha pien di morte il volto!<br />
Costanza<br />
(comincia a rinvenire)<br />
Oimè!<br />
Enrico<br />
Costanza?<br />
Costanza<br />
(senza guardarlo)<br />
Lasciami.<br />
Enrico<br />
Ah del tuo sposo<br />
Vive all’amor verace.<br />
84
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
COSTANZA<br />
Ha! Verräther! Ich sterbe. ...<br />
(sinkt auf den Fels nie<strong>der</strong>)<br />
GERNANDO<br />
Meine Geliebte! Sie hört nicht. O Himmel!<br />
Sie ist ohne Sinne. Ach! Ein Paar Tropfen<br />
frischen Wassers ... Aber wo ... Ja! Nicht weit von hier<br />
fließt ein Bach; ich sah ihn vorher. Und soll ich<br />
meine Geliebte so allein lassen?<br />
Ich will schnell wie<strong>der</strong> zurückfliegen.<br />
(geht eiligst ab)<br />
Dreizehnter Auftritt.<br />
Enrico und Costanza, ohnmächtig.<br />
ENRICO<br />
Mein geliebter Freund<br />
weiß sein Glück noch nicht. Er verbirgt sich vor mir;<br />
ich kann ihn nicht wie<strong>der</strong>finden ... Aber auf jenem Felsen<br />
liegt eine Nimpfe ...<br />
(legt sich auf die Lauer und beobachtet sie)<br />
Silvia ist es nicht, also ist es Costanza. O! Wie herrscht<br />
<strong>der</strong> Tod auf ihrem Gesicht!<br />
COSTANZA<br />
(kommt allmählich zu sich)<br />
O weh!<br />
ENRICO<br />
Costanza!<br />
COSTANZA<br />
(ohne ihn anzublicken)<br />
Laß mich!<br />
ENRICO<br />
O! Lebe für die treue Liebe<br />
Deines Gemahls.<br />
85
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Costanza<br />
(come sopra)<br />
Lasciami, traditor, morire in pace.<br />
Enrico<br />
Io traditor! Non mi conosci.<br />
Costanza<br />
(si rivolge e lo guarda con ammirizione e spavento)<br />
Oh stelle!<br />
Gernando ov’è? Tu non sei più l’istesso?<br />
Ho sognato poc’anzi, o sogno adesso?<br />
Enrico<br />
Non sognasti e non sogni. Il tuo Gernando<br />
Vedesti, a quel che ascolto:<br />
Di lui l’amico or vedi.<br />
Costanza<br />
E mi ritorna innanzi? Ei, che ha potuto<br />
Lasciarmi in abbandono!<br />
Enrico<br />
Ah l’infelice<br />
Non ti lasciò, ma fu rapito.<br />
Costanza<br />
Quando?<br />
Enrico<br />
(accenando la grotta)<br />
Quando immersa nel sonno<br />
Tu colà riposavi.<br />
Costanza<br />
Chi lo rapì?<br />
Enrico<br />
Di barbari pirati<br />
Un assalto improvviso. Ei si difese,<br />
Ma, nella man ferito,<br />
Perdé l’acciaro; il numero l’oppresse,<br />
E restò prigionier.<br />
86
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
COSTANZA<br />
(wie oben)<br />
Laß mich, Verräther! In Frieden sterben!<br />
ENRICO<br />
Ich ein Verräther! Du kennst mich ja nicht.<br />
COSTANZA<br />
(wendet sich und sieht ihn verwun<strong>der</strong>t und entsetzt an)<br />
O Himmel!<br />
Wo ist Gernando? Bist Du nicht mehr <strong>der</strong>selbige?<br />
Habe ich vorher geträumt, o<strong>der</strong> träum' ich jetzt?<br />
ENRICO<br />
Du hast nicht geträumt, und träumst auch jetzt nicht.<br />
Nach dem, was ich höre, hast Du Deinen Gernando gesehn;<br />
jetzt siehst Du seinen Freund.<br />
COSTANZA<br />
Und er kommt mir wie<strong>der</strong> vor Augen?<br />
Er, <strong>der</strong> mich verlassen konnte?<br />
ENRICO<br />
Ach! <strong>der</strong> Unglückliche verließ Dich nicht:<br />
er ward entführt.<br />
COSTANZA<br />
Wann?<br />
ENRICO<br />
(auf die Grotte weisend)<br />
Als Du, in Schlaf begraben,<br />
dort ausruhtest.<br />
COSTANZA<br />
Wer entführte ihn denn?<br />
ENRICO<br />
Barbarische Seeräuber,<br />
die ihn unvermuthet überfielen. Er wehrte sich,<br />
ward aber in die Hand verwundet<br />
und verlohr den Degen. Die Menge überwältigte ihn,<br />
und er blieb ihr Gefangner.<br />
87
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Costanza<br />
Ma sino ad ora …<br />
Enrico<br />
Ma sino ad or non ebbe<br />
Libero, che il pensiero: e a te vicino<br />
Col suo pensier fu sempre.<br />
Costanza<br />
Oh Dio, qual torto,<br />
Mio Gernando, io ti feci!<br />
Enrico<br />
Eccolo al fine sciolto da’ lacci:<br />
Eccolo a te ritorna fido etenero sposo<br />
A ren<strong>der</strong>ti il riposo, a calmare il tuo pinato,<br />
A viver téco ed a morir ti accanto.<br />
Costanza<br />
Ah mio Gernando, ah dove sei?<br />
Scena ultima<br />
Silvia dalla destra e detti. Gernando dal lato medesimo.<br />
Silvia<br />
Costanza! Costanza? Il tuo Gernando in van cerchi colà.<br />
Per te poc’anzi quinci al fonte affrettossi,<br />
Ed assalito ritornar non poté.<br />
(accennando alla destra)<br />
Costanza<br />
Stelle! Assalito? Da chi? Perché?<br />
Enrico<br />
Perdona; il fallo è mio.<br />
Perch’ei ti tenne estinta e qui restar volea,<br />
Rapirlo a forza ai nostri imposi.<br />
Costanza<br />
Andiamo a toglierlo d’impaccio.<br />
(vuol partire)<br />
88
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
COSTANZA<br />
Aber bis jetzt ...<br />
ENRICO<br />
Aber bis jetzt hat er nichts frey gehabt,<br />
als seine Gedanken; und mit diesen<br />
ist er immer bey Dir gewesen.<br />
COSTANZA<br />
Gott! Wie sehr hab' ich Dir,<br />
mein Gernando! Unrecht gethan!<br />
Enrico<br />
Da kommt er endlich, gelöst von den Banden:<br />
er kommt zu dir als treuer, ewiger Ehemann zurück,<br />
um dir die Ruhe zu bringen, um dein Weinen zu beruhigen,<br />
um mit dir zu leben und neben dir zu sterben.<br />
Costanza<br />
Ach mein Gernando, ach wo bist du?<br />
Letzter Auftritt.<br />
Gernando und Silvia, von verschiedenen Seiten.<br />
Silvia<br />
Costanza! Costanza? Du suchst hier vergeblich Gernando.<br />
Vor kurzem ist er wegen dir zur Quelle geeilt,<br />
und wurde überfallen. Daher konnte er nicht wie<strong>der</strong>kehren.<br />
(nach rechts zeigend)<br />
Costanza<br />
Himmel! Überfallen? Von wem? Warum?<br />
Enrico<br />
Verzeih’ mir, es ist meine Schuld.<br />
Er glaubte, du bist tot, und wollte hier bleiben,<br />
so habe ich befohlen, ihn zu entführen.<br />
Costanza<br />
Helfen wir ihm.<br />
(will hingehen)<br />
89
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Silvia<br />
Aspetta: io tutto già lor spiegai.<br />
Costanza<br />
Che aspetti ancor?<br />
Tant’anni si abbastanza?<br />
È tempo che di mia sorte amara io trovi il fine.<br />
(rivolgendosi per partire si trova fra le braccia di Gernando)<br />
Gernando<br />
In queste braccia, o cara.<br />
Costanza<br />
Ed è vero?<br />
Gernando<br />
E non sogno?<br />
Costanza<br />
Gernando è meco?<br />
Gernando<br />
Ho la mia sposa accanto?<br />
Enrico<br />
Quegli amplessi, quel pianto,<br />
Quegli accenti interrotti<br />
Mi fanno intenerir.<br />
Silvia<br />
Che pensi, Enrico?<br />
Di te Gernando è più gentile. Osserva<br />
Com’ ei parla a Costanza:<br />
E tu nulla mi dici.<br />
Enrico<br />
Eccomi pronto,<br />
Se pur caro io ti sono,<br />
A dir ciò che tu vuoi.<br />
90
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
Silvia<br />
Warte: Ich habe ihnen schon alles erklärt.<br />
Costanza<br />
Worauf wartest du noch?<br />
Waren so viele Jahre nicht genug?<br />
Es ist Zeit, dass mein bitt‘res Schicksal ein Ende findet.<br />
(wendet sich zum Gehen und findet sich in Gernandos Armen)<br />
GERNANDO<br />
In diesen Armen, Geliebte!<br />
COSTANZA<br />
Und ist es dann wahr?<br />
GERNANDO<br />
Und träum' ich nicht?<br />
COSTANZA<br />
Gernando ist bey mir?<br />
GERNANDO<br />
Ich habe meine Gemahlin an meiner Seite?<br />
ENRICO<br />
Diese Umarmungen, diese Thränen,<br />
diese abgebrochene Reden<br />
rühren mich ungemein.<br />
SILVIA<br />
Was stehst Du so in Gedanken, Enrico?<br />
Gernando ist viel artiger, als Du. Sieh nur,<br />
wie er mit <strong>der</strong> Costanza spricht;<br />
und Du – sagst mir nicht ein Wort.<br />
ENRICO<br />
Wenn ich Dir lieb bin,<br />
so bin ich bereit, alles zu sagen,<br />
was Du willst.<br />
91
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Silvia<br />
(tenera e lieta molto)<br />
Se mi sei caro?<br />
Più della mia cervetta.<br />
Enrico<br />
E ben, mi porgi<br />
Dunque la man: sarai mia sposa.<br />
Silvia<br />
Io sposa?<br />
Oh questo no! Sarei ben folle. In qualche<br />
Isola resterei<br />
A passar solitaria i giorni miei.<br />
Costanza<br />
No Silvia, il mio Gernando<br />
Non mi lasciò: tutto saprai. Non son<br />
Gl’uomini, come io dissi,<br />
Inumani ed infidi.<br />
Silvia<br />
Quando Enrico conobbi, io me ne avvidi.<br />
Costanza<br />
A torto gli accusai. Dell’ error mio<br />
Or mi disdico.<br />
Silvia<br />
E mi disdico anch’io.<br />
(porgendo la mano ad Enrico)<br />
Quartett<br />
Costanza<br />
Sono contento appieno,<br />
Appresso al caro bene<br />
Mi scordo le mie pene<br />
Mi scordo il sospirar.<br />
92
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
SILVIA<br />
(zärtlich und sehr fröhlich)<br />
Wenn Du mir lieb bist?<br />
Lieber als mein kleines Reh.<br />
ENRICO<br />
Nun so gieb mir Deine Hand;<br />
Du sollst meine Gemahlin seyn.<br />
SILVIA<br />
Ich Gemahlin?<br />
O nein! Das nicht. Da wär ich wohl sehr thörigt.<br />
Ich würde wohl auf irgend einer Insel bleiben<br />
und meine Tage einsam zubringen müssen.<br />
COSTANZA<br />
Nein, Silvia! Mein Gernando<br />
hat mich nicht verlassen. Du sollst alles erfahren.<br />
Die Männer sind nicht, wie ich sagte,<br />
treulos und unmenschlich.<br />
SILVIA<br />
Das hab' ich wohl gemerkt, als ich den Enrico kennen lernte.<br />
COSTANZA<br />
Mit Unrecht hab' ich sie beschuldigt.<br />
Jetzt nehm' ich meinen Irrthum zurück.<br />
SILVIA<br />
Und ich den meinigen auch.<br />
(reicht Enrico die Hand)<br />
Quartett<br />
COSTANZA<br />
Ganz glücklich bin ich<br />
bey meiner Geliebten;<br />
ich vergesse alle Plage,<br />
vergesse alle Leiden.<br />
93
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Gernando<br />
Che più sperar poss’ io<br />
Or che il mio ben trovai,<br />
Accanto a suoi bei rai,<br />
Io resto a giubilar.<br />
Silvia<br />
Se del mio core i moti<br />
Caro vedessi oh Dio<br />
Vedresti idolo mio<br />
Quanto ti sappia amar.<br />
Enrico<br />
Prendi d’amore in pegno,<br />
Cara, la man di sposo<br />
Più fido ed amoroso<br />
Di me non puoi trovar.<br />
Costanza e Gernando<br />
Di due cori inamorati<br />
Serba amore i lacci amati.<br />
Silvia e Enrico<br />
Ne soffrir ch’entri lo sdegno<br />
Il regno a disturbar.<br />
Gernando<br />
Cari affanni!<br />
Costanza<br />
Dolci pene.<br />
Gernando<br />
Ah, Costanza.<br />
Costanza<br />
Caro bene.<br />
Enrico<br />
Silvia cara.<br />
94
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
GERNANDO<br />
Was hab' ich nun mehr zu wünschen,<br />
nun ich meine Liebe gefunden:<br />
unter ihren schönen Augen<br />
bleibe ich nun frohlockend.<br />
SILVIA<br />
Könntest Du, Lieber, die Bewegung<br />
meines Herzens sehen,<br />
Du würdest sehen, mein Lieber,<br />
wie sehr es Dich zu lieben weiß.<br />
ENRICO<br />
Nimm, o Liebe, zum Unterpfande,<br />
die Hand Deines Geliebten;<br />
zärtlicher und treuer<br />
kannst Du keinen finden.<br />
COSTANZA UND GERNANDO<br />
Erhalte, o Liebe! Die Bande<br />
zweyer liebenden Herzen.<br />
SILVIA UND ENRICO<br />
Gieb nicht zu, daß je <strong>der</strong> Unmuth<br />
dieses schöne Reich verstöre.<br />
GERNANDO<br />
Süße Schmerzen!<br />
COSTANZA<br />
Süße Pein.<br />
GERNANDO<br />
Ach Costanza!<br />
COSTANZA<br />
O Du Lieber!<br />
ENRICO<br />
Geliebte Silvia!<br />
95
l’isola disabitata ƒ parte seconda<br />
Silvia<br />
Oh, quel contento.<br />
Enrico<br />
Cara sposa.<br />
Silvia<br />
Oh bel momento.<br />
Costanza, Gernando, Silvia, Enrico<br />
Oh giorno fortunato<br />
Oh giorno di contento<br />
Andiamo le vele al vento<br />
Andiamo a giubilar.<br />
- Fine dell’Opera -<br />
96
l’isola disabitata ƒ Zweiter akt<br />
SILVIA<br />
O welches Glück!<br />
ENRICO<br />
Traute Liebe!<br />
SILVIA<br />
O schöner Augenblick!<br />
COSTANZA, GERNANDO, SILVIA, ENRICO<br />
O Tag des Glücks!<br />
Tag <strong>der</strong> Freude.<br />
Auf! Die Segel gespannt!<br />
Laß uns jubeln!<br />
- Ende -<br />
97
Impressum<br />
Herausgeber und Veranstalter: <strong>Innsbrucker</strong> <strong>Festwochen</strong> <strong>der</strong> <strong>Alten</strong> <strong>Musik</strong> GmbH,<br />
Geschäftsführung/Managing Director: Mag. Sarah Wilson, Historisches Rathaus<br />
<strong>der</strong> Stadt Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 21/1, A-6020 Innsbruck, Tel.: +43<br />
(0) 512 571 032, Fax: +43 (0) 512 563 142, festwochen@altemusik.at, Redaktion:<br />
Mag. Carsten Hinrichs; Texte Seite 8, 18, 26 und 30 sind Originalbeiträge für<br />
diese Produktion und unterliegen dem © <strong>Festwochen</strong>/Autor; Isola disabitata:<br />
Übersetzung ins Deutsche aus Joseph Haydn: Die unbewohnte Insel. Berlin 1786,<br />
S. 41–48, durchgesehen und zeilengleich angepasst von Carsten Hinrichs, zusätzliche<br />
Übersetzungen: Dr. Silva Manfrè, Kantate Arianna a Naxos, Neuübersetzung<br />
für diese Produktion von Carsten Hinrichs; Redaktionelle Mitarbeit: Mag. Philip<br />
Brunna<strong>der</strong>; Fotos: M. Vandory (S. 4); Künstlerfotos: Agenturen; Illustrationen:<br />
Gustave Doré (S. 3); Elisabeth Vigée-Lebrun, Lady Hamilton als Ariadne, 1790<br />
(S. 12); Otto Speckter, Grimms Brü<strong>der</strong>chen und Schwesterchen, Buchillustration<br />
(S. 16, 28, 29); Oliver Helf, Figurinen zu L'isola disabitata (S. 17, 19, 35, 43);<br />
Otto Lilienthal in seinem Gleiter, 1894 / Leonardo Da Vinci, Konstruktionsskizze<br />
einer Flugmaschine (S. 27); istockfoto (S. 46); trotz Recherche konnten bis<br />
Redaktionsschluss nicht alle Rechtinhaber ermittelt werden, wir sind aber<br />
selbstverständlich bereit, etwaige Ansprüche marktüblich abzugelten und bitten<br />
die Inhaber, sich mit uns ggf. in Verbindung zu setzen; Konzeption und Grafik:<br />
CITYGRAFIC, Agentur für Werbung & Design, www.citygrafic.at; Druck: Alpina<br />
Druck Innsbruck; Druck- und Satzfehler vorbehalten; Redaktionsschluss: 24. Juli<br />
2009; Besetzungs- und Programmän<strong>der</strong>ungen vorbehalten.<br />
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