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PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag

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Einleitung<br />

1 Mit dem Konkordanzkommentar EMRK/GG wird eine umfassende vergleichende<br />

Kommentierung zu den dogmatischen Grundlagen des europäischen Grundrechtsschutzes,<br />

zu dessen Einzelgewährleistungen und zu den für ihre Durchsetzung zur<br />

Verfügung stehenden Verfahren auf nationaler und europäischer Ebene vorgelegt. Der<br />

europäische Grundrechtsschutz hat einen Entwicklungsstand erreicht, der eine systematisch<br />

aufbereitete Querschnittsanalyse, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede<br />

der in verschiedenen Kontexten und mit unterschiedlichen Zielsetzungen entstandenen<br />

nationalen und europäischen Grundrechtsordnungen sichtbar macht, dringend<br />

geboten erscheinen lässt.<br />

1<br />

2 Sechzig Jahre nach ihrem Inkrafttreten hat sich die Europäische Menschenrechtskonvention<br />

als Kernstück der europäischen Grundrechtsverfassung fest etabliert.<br />

Dies zeigt sich an formalen Indikatoren, wie der Inkorporation der Konvention in die<br />

innerstaatliche Rechtsordnung sämtlicher Mitgliedstaaten, ebenso wie an der Spruchpraxis<br />

der Konventionsorgane, die mittlerweile zu einzelnen Garantien an Umfang<br />

und Gewicht derjenigen der nationalen Verfassungsgerichte in nichts nachsteht, ja sie<br />

zum Teil übertrifft. Zwar hält auch der EGMR, wie insbesondere seine Rechtsprechung<br />

zum einzelstaatlichen Beurteilungsspielraum bei Grundrechtseingriffen zeigt, nach<br />

wie vor an dem u. a. in Art. 13, 34 und 53 EMRK zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgedanken<br />

fest, wonach effektiver Grundrechtsschutz vorrangig auf der Ebene<br />

der Mitgliedstaaten verwirklicht werden muss. Der Gerichtshof und früher auch die<br />

Kommission haben die Idee eines europäischen Grundrechtsmindeststandards jedoch<br />

von Anfang an als ein normatives und dynamisches Konzept verstanden, das sich nicht<br />

darin erschöpft, den in den Konventionsstaaten tatsächlich praktizierten kleinsten gemeinsamen<br />

Nenner zum Maßstab des europäischen Grundrechtsschutzes zu erheben,<br />

sondern auf die Identifizierung autonomer Schutzstandards abzielt, die auch der<br />

Grundrechtsentwicklung in Staaten mit einer bereits gefestigten rechtsstaatlichen und<br />

grundrechtlichen Ordnung neue Impulse geben können. Es liegt auf der Hand, dass<br />

diese Funktion mit dem Beitritt zahlreicher mittel- und osteuropäischer Staaten zur<br />

EMRK, die bei der Bewältigung der mit dem Übergang von der Einparteiendiktatur<br />

zur Demokratie verbundenen Fragen nicht auf eine gesicherte eigene Grundrechtsüberlieferung<br />

zurückgreifen konnten, noch stärker in den Mittelpunkt gerückt ist. Die<br />

daraus resultierende Notwendigkeit, verallgemeinerungsfähige Standards zu formulieren,<br />

die nicht nur den staatlichen Behörden und Gerichten, sondern gegebenenfalls<br />

auch dem nationalen Gesetzgeber über den entschiedenen Einzelfall hinaus als verlässlicher<br />

Orientierungsrahmen dienen können, wirkt auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs<br />

zurück und zwingt ihn dazu, seine zuvor regelmäßig an den Besonderheiten<br />

des jeweiligen Einzelfalls ausgerichtete, kasuistische Spruchpraxis zu überdenken.<br />

Diese Entwicklung nähert die Rolle des EGMR – trotz der nach wie vor eingeschränkten<br />

formalen Bindungswirkung seiner Entscheidungen – an diejenige eines »klassischen«<br />

Verfassungsgerichts an.<br />

2<br />

3 Zugleich wird es immer schwieriger, das enorme Fallmaterial, das in Straßburg aufgrund<br />

der den Gerichtshof schon zahlenmäßig an die Grenze der Belastbarkeit führenden<br />

Beschwerden jedes Jahr produziert wird, systematisch aufzubereiten. Zwar greift<br />

3<br />

Oliver Dörr/Rainer Grote/Thilo Marauhn 1

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