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B. Strukturvergleich<br />

Kap. 16<br />

B. Strukturvergleich<br />

I. Verortung der Gewährleistungen<br />

15 Der Schutz des Privat- und Familienlebens wird in der EMRK in einem einheitlichen<br />

Grundrecht zusammengefasst. Art. 8 EMRK gewährleistet ausdrücklich einen Anspruch<br />

auf Achtung des Privatlebens, des Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs,<br />

wobei sich diese vier Bereiche nicht in jeder Hinsicht eindeutig voneinander<br />

abgrenzen lassen und Überschneidungen aufweisen. 113 Demgegenüber erfasst das GG<br />

den Schutz des Privat- und Familienlebens durch eine Reihe unterschiedlicher Grundrechte.<br />

Dabei finden Ehe und Familie einen besonderen Schutz in Art. 6 GG. Darüber<br />

hinaus sind die Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 GG und das Brief-, Post- und<br />

Fernmeldegeheimnis in Art. 10 GG garantiert. Einen ausdrücklichen grundrechtlichen<br />

Schutz der »Privatsphäre« kennt das GG ebensowenig wie zahlreiche andere mitgliedstaatliche<br />

Verfassungen. 114 Insoweit bemüht die Rechtsprechung des BVerfG Art. 2<br />

Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, denen sie nicht nur ein so genanntes allgemeines Persönlichkeitsrecht<br />

entnimmt, sondern durch die sie einen umfassender angelegten<br />

unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung geschützt sieht, der der Einwirkung<br />

der öffentlichen Gewalt grundsätzlich entzogen ist. 116 Damit ist grundgesetzlich der<br />

Schutz der Privatsphäre des Einzelnen gewährleistet. Die jeweils andere textuelle Verortung<br />

der Gewährleistungen in EMRK und GG bringt unterschiedliche Wahrnehmungen<br />

der Gefährdung grundrechtlich geschützter Güter zum Ausdruck. Sie entfaltet<br />

darüber hinaus auch Bedeutung für Inhalt und Gewicht der jeweiligen Grund- und<br />

Menschenrechte, insbesondere im Hinblick auf die zwischen ausdrücklich formulierten<br />

und interpretatorisch abgeleiteten Gewährleistungen bestehenden Unterschiede.<br />

15<br />

II. Stellenwert der Gewährleistungen innerhalb der Grundrechtskataloge<br />

16 Das GG stellt vom Wortlaut her spezifische Ausprägungen der Privatsphäre in den<br />

Vordergrund und verwendet den (Ober-) Begriff der Privatsphäre selbst nicht. Gelegentlich<br />

findet sich dieser Begriff allerdings in der Rechtsprechung des BVerfG. 117 Dies<br />

gilt besonders für den Schutz der »räumlichen Privatsphäre« 118 , der nach seiner geschichtlichen<br />

Entwicklung 119 in engem Zusammenhang mit der freien Entfaltung der<br />

Persönlichkeit steht. 120 Nach Auffassung des BVerfG soll Art. 13 GG dem Einzelnen<br />

einen »elementaren Lebensraum« 121 gewährleisten, innerhalb dessen er das Recht hat,<br />

16<br />

113<br />

Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 8 Rn. 1; Wildhaber/Breitenmoser, in: IK-EMRK, Art. 8<br />

Rn. 1; A. W. Heringa/L. Zwaak, in: van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, 664 f.; Harris/O’Boyle/<br />

Warbrick, 303; Grabenwarter/Pabel, § 22 Rn. 1.<br />

114<br />

Grabenwarter/Pabel, § 22 Rn. 2.<br />

115<br />

Vgl. dazu statt aller Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 I Rn. 68 f.<br />

116<br />

BVerfGE 35, 202 (219); 72, 155 (170); 82, 236 (269); 90, 263 (270).<br />

117<br />

BVerfGE 101, 361 (382).<br />

118<br />

BVerfGE 65, 1 (40).<br />

119<br />

Herdegen, in: BK GG, Art. 13 Rn. 4 ff.<br />

120<br />

Pieroth/Schlink, Rn. 945.<br />

121<br />

BVerfGE 42, 212 (219); 51, 97 (110).<br />

Thilo Marauhn/Judith Thorn 885

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