PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
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Kap. 13<br />
Freiheit der Person<br />
Verfahren vor dem EGMR. Die Gestaltung des innerstaatliche Klageverfahrens überprüft<br />
der EGMR ebenfalls am Maßstab von Art. 5 Abs. 5: So dürfen z. B. die Beweisanforderungen<br />
in Bezug auf einen vom Betroffenen erlittenen immateriellen Schaden<br />
nicht übermäßig formalistisch gehandhabt werden, um die Wirksamkeit des Entschädigungsanspruchs<br />
nicht zu untergraben. 408<br />
106a In Deutschland ist der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1<br />
VwGO vor den ordentlichen Gerichten zu erheben, und zwar gegen denjenigen Hoheitsträger,<br />
dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt<br />
wurde. 409 Die sachliche Zuständigkeit liegt ausschließlich beim Landgericht analog<br />
§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG. 410 Die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind, selbst<br />
wenn sie über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft zu befinden haben, ebensowenig<br />
zuständig wie die Strafvollstreckungskammern. 411 Für die Verjährung gelten<br />
die allgemeinen deliktsrechtlichen Regeln, jetzt also § 199 Abs. 2 und 3 BGB. 412 Da er<br />
rechtswidriges staatliches Handeln, aber kein Verschulden erfordert, ähnelt der Anspruch<br />
im System des deutschen Staatshaftungsrechts typologisch dem aufopferungsgleichen<br />
Eingriff. 413<br />
106a<br />
107 Der Text des GG kennt eine vergleichbare Schadensersatzgewährleistung nicht,<br />
wenngleich in den Beratungen des Parlamentarischen Rats noch an eine Staatshaftungsnorm<br />
mit Grundrechtscharakter gedacht war. 414 Allerdings geht die Verfassung<br />
in Art. 34 GG davon aus, dass auf der Ebene des einfachen Gesetzes ein Haftungsanspruch<br />
des Einzelnen für schuldhaftes Fehlverhalten von Amtsträgern besteht. In diesem<br />
Sinne enthält die Norm auch eine institutionelle Garantie der Staatshaftung. 415<br />
Von dieser verfassungsrechtlich vorausgesetzten, jedoch nicht näher ausgeformten<br />
Haftung sind auch Verstöße gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG umfasst.<br />
107<br />
108 Daneben tritt der ungeschriebene allgemeine Aufopferungsanspruch, der dem Einzelnen<br />
für – auch rechtswidrige 416 – Eingriffe in die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG<br />
eine angemessene Entschädigung bringt. Der im Richterrecht entwickelte Anspruch<br />
greift – im vorliegenden Zusammenhang – ein, wenn in die Freiheit der Person durch<br />
hoheitlichen Zwang zum Wohle der Allgemeinheit eingegriffen wird. 417 Das außerdem<br />
vom Einzelnen zu erbringende »Sonderopfer« ist durch die Rechtswidrigkeit des Ein-<br />
108<br />
408<br />
EGMR No. 9411/05, §§ 34 f. – Danev (2010).<br />
409<br />
OLG Hamm 15 W 313/02 v. 21. 10. 2002, NVwZ-Beil. I/2003, 40.<br />
410<br />
OLG Schleswig 11 W 23/01 v. 26. 11. 2001, NVwZ-Beil I/2002, 118 (119).<br />
411<br />
OLG Hamm 15 W 313/02 v. 21. 10. 2002, NVwZ-Beil. I/2003, 40; OLG München 1 Ws 289/95<br />
v. 5. 7. 2005, NStZ-RR 1996, 125 (126).<br />
412<br />
Früher § 852 BGB, vgl. BGH III ZR 118/64 v. 31. 1. 1966, BGHZ 45, 58 (75 f.), gebilligt durch<br />
BVerfG (K) 1 BvR 414/04, NJW 2005, 1567 f.<br />
413<br />
Ossenbühl/Cornils (Fn. 395), 634; R. Streinz, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen<br />
Recht, in: VVDStRL 61 (2002), 300 (312 f.).<br />
414<br />
Vgl. JöR NF 1 (1951), 324–328.<br />
415<br />
Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 13 und 87; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck,<br />
GG, Art. 34 Rn. 43.<br />
416<br />
Ossenbühl/Cornils (Fn. 395), 135 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 674 und Art. 34<br />
Rn. 56; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 28 Rn. 4; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck,<br />
GG, Art. 14 Rn. 486.<br />
417<br />
Im Einzelnen Ossenbühl (Fn. 395), 134–136.<br />
682<br />
Oliver Dörr