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PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag

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Kap. 13<br />

Freiheit der Person<br />

eine Verzögerung von wenigen Stunden rechtfertigen. 353 Die von der Norm geforderte<br />

Freilassung muss allerdings nicht bedingungslos sein, sondern kann auch unter Auferlegung<br />

einer Kaution erfolgen. 354<br />

90 Auch unter dem GG soll die durch den Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG)<br />

gebotene richterliche Kontrolle dem Betroffenen grundsätzlich vor dem Freiheitsentzug<br />

alle rechtsstaatlichen Sicherungen eines justizförmigen Verfahrens zuteil werden<br />

lassen. 355 Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG ein<br />

Verfahren zu regeln, welches auf den jeweils zur Entscheidung stehenden Freiheitsentzug<br />

abgestimmt ist. Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung kann eine Vereinfachung<br />

des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, dadurch darf aber die unabhängige richterliche<br />

Entscheidungsfindung nicht gefährdet sein. 356<br />

90<br />

91 Das Verfahren der richterlichen Entscheidung ist von Amts wegen einzuleiten. 357<br />

Der Richter entscheidet auf Antrag der zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde<br />

(vgl. § 417 Abs. 1 FamFG), eine Klage oder Beschwerde des Betroffenen ist – anders als<br />

nach Art. 5 Abs. 4 EMRK – nicht erforderlich. Der nicht formgebundene Antrag der<br />

Behörde muss auf eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit oder Fortdauer der<br />

Freiheitsentziehung gerichtet sein.<br />

91<br />

92 In Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur eigenen Sachverhaltsaufklärung<br />

muss sich der mit einer Freiheitsentziehung befasste Richter eine der Bedeutung<br />

der Freiheitsgarantie entsprechende tatsächliche Informationsgrundlage für seine Entscheidung<br />

verschaffen (→ Rn. 22). Dabei verlangt die grundrechtssichernde Funktion<br />

des Richtervorbehalts (und Art. 103 Abs. 1 GG), dass dem Betroffenen rechtliches,<br />

genauer: gerichtliches Gehör gewährt wird (vgl. § 420 FamFG), jedenfalls wenn die<br />

richterliche Entscheidung der Freiheitsentziehung nachfolgt. Dies wird regelmäßig<br />

eine persönliche Anhörung des Betroffenen gebieten (§ 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG). 358<br />

Vor allem im Verfahren der zwangsweisen Unterbringung psychisch Kranker hat der<br />

(erstinstanzliche) Richter sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und<br />

seiner Erkrankung zu verschaffen, um den ärztlichen Gutachten die notwendige richterliche<br />

Kontrolle entgegensetzen zu können. 359 In dringenden Fällen ist die persönliche<br />

Anhörung unverzüglich nachzuholen. 360 Dagegen kann ein Rechtsmittelgericht<br />

von einer weiteren Anhörung absehen, wenn hiervon keine zusätzliche Sachaufklärung<br />

zu erwarten ist. 361 Vorneweg hat das zuständige Gericht zu prüfen, ob eine vorherige<br />

richterliche Entscheidung, die eigentlich von Verfassungs wegen geboten ist<br />

(→ Rn. 94), den Zweck der Freiheitsentziehung vereiteln würde und daher ausnahmsweise<br />

nachgeholt werden kann (→ Rn. 95). 362<br />

92<br />

353<br />

EGMR No. 11036/03, § 81 – Ladent (2008).<br />

354<br />

EGMR No. 11956/07, § 102 – Stephens (No. 1) (2009).<br />

355<br />

BVerfGE 83, 24 (32).<br />

356<br />

BVerfGE 83, 24 (32).<br />

357<br />

Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 104 Rn. 27; Hartlaub, 111.<br />

358<br />

Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 Rn. 50; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 104<br />

Rn. 22 f.; Hartlaub, 111 f.<br />

359<br />

BVerfGE 58, 208 (222 f.); BVerfG (K) 1 BvR 338/07, NJW 2007, 3560 (3561).<br />

360<br />

BVerfGE 66, 191 (196 f.).<br />

361<br />

BVerfGE 65, 317 (323 f.).<br />

362<br />

BVerfG (K) 2 BvR 2367/07, NVwZ 2009, 1033 (1034).<br />

676<br />

Oliver Dörr

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