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Kap. 13<br />

Freiheit der Person<br />

Satz 1 EMRK Anwendung. 273 Im GG ist die richterliche Verantwortung für Anordnung<br />

und Kontrolle von Freiheitsentziehungen vor allem durch den umfassenden Richtervorbehalt<br />

des Art. 104 Abs. 2 GG gewährleistet, der nicht nur eine Eingriffs-, sondern<br />

vor allem auch eine (präventive) Rechtsschutzfunktion besitzt. 274 Er sichert dem<br />

Betroffenen gerichtlichen Rechtsschutz und rechtliches Gehör. 275<br />

1. Anwendungsbereich<br />

73 Der Anwendungsbereich des Rechtsschutzanspruchs wird zunächst von seinem<br />

Hauptzweck, der gerichtlichen Kontrolle der Exekutive bestimmt. Er greift vor allem<br />

dann ein, wenn die Freiheitsentziehung von einer Verwaltungsbehörde verfügt wurde.<br />

Beruht die Freiheitsentziehung dagegen auf einem gerichtlichen Verfahren (z. B. die<br />

Freiheitsstrafe), so ist dadurch dem Kontrollanspruch des Abs. 4 zunächst Genüge getan:<br />

Die von der Norm geforderte Aufsicht durch ein Gericht ist in die gerichtliche<br />

Verhängung der Freiheitsentziehung inkorporiert. 276<br />

73<br />

74 Da sich aber auch bei gerichtlich verhängten Freiheitsentziehungen die Umstände,<br />

die zu ihrer Anordnung führten, ändern können, kommt insoweit dem Anspruch aus<br />

Art. 5 Abs. 4 EMRK eine weitergehende Bedeutung zu: Er sichert die fortdauernde<br />

Rechtmäßigkeit der andauernden Grundrechtsbeschränkung. Nach mittlerweile ständiger<br />

Rechtsprechung muss daher auch im Falle einer gerichtlichen Anordnung die<br />

Möglichkeit bestehen, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung, deren Voraussetzungen<br />

sich ändern können, in angemessenen Abständen durch ein Gericht überprüfen<br />

zu lassen. 277 Anderes gilt nur für die ausschließlich zur Bestrafung vergangenen<br />

Verhaltens verhängte Freiheitsentziehung (Freiheitsstrafe). Hier kann eine Neubewertung<br />

der Umstände – mithin eine periodische gerichtliche Kontrolle – nur unter besonderen<br />

Umständen relevant werden, z. B. wenn der Freiheitsentziehung auch Verwahrungs-,<br />

Erziehungs- oder Präventionscharakter zukommt. 278<br />

74<br />

75 Die nähere Ausformung wie auch die gebotenen zeitlichen Abstände dieser wiederholten<br />

gerichtlichen Kontrolle können dabei nach der Art der Freiheitsentziehung sowie<br />

den sonstigen Umständen des Einzelfalls variieren. Ein gesetzlich vorgeschriebenes<br />

Intervall von drei Jahren hielt der Gerichtshof ganz allgemein für nicht mehr an-<br />

75<br />

273<br />

EGMR No. 8805/79 u. a., A 77, § 57 – De Jong u. a.<br />

274<br />

Hantel, Begriff, 31.<br />

275<br />

Gusy, 461.<br />

276<br />

Grundlegend EGMR No. 2832/66 u. a., A 12, § 76 – De Wilde u. a. (Pl.); in jüngerer Zeit z. B.<br />

EGMR No. 16462/90, A 325-C, § 30 – Iribarne Pérez; No. 31365/96, Rep. 2000-X, § 58 – Varbanov;<br />

No. 53236/99, § 56 – Waite (2002); No. 44672/98, § 64 – Herz (2003); No. 4691/06, § 93 – Jusic (2010).<br />

277<br />

EGMR No. 6301/73, A 33, § 55 – Winterwerp; No. 7215/75, A 46, § 52 – X v. Vereinigtes Königreich;<br />

No. 7906/77, A 50, § 48 – Van Droogenbroeck (Pl.); No. 9019/80, A 75, § 31 – Luberti;<br />

No. 9787/82, A 114, § 58 – Weeks (Pl.); No. 13770/88, A 237-A, § 22 – Megyeri; No. 24760/94,<br />

Rep. 1998-VIII, § 162 – Assenov u. a.; No. 32605/96, § 50 – Rutten (2001); No. 44872/98, Rep. 2002-I,<br />

§ 40 – Magalhaes Pereira; No. 59512/00, § 42 – Blackstock (2005); No. 12788/04, S. 8 – Homann<br />

(Zul.) (2007).<br />

278<br />

Vgl. EGMR No. 11787/85 u. a., A 190, §§ 71–78 – Thynne u. a. (Pl.); No. 15484/89, A 294-A,<br />

§§ 33–36 – Wynne; No. 21928/93, Rep. 1996-I, §§ 52–54 – Hussain; No. 36273/97, Rep. 2000-X, § 34<br />

– Oldham; No. 46295/99, Rep. 2002-IV, § 87 – Stafford (GK); No. 12788/04, S. 8 – Homann (Zul.)<br />

(2007).<br />

668<br />

Oliver Dörr

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