PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kap. 13<br />
Freiheit der Person<br />
55 Das Verfahren der richterlichen Vorführung konkretisiert für den Sonderfall der<br />
vorläufigen Festnahme die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und<br />
geht dabei in Einzelheiten über dessen allgemeine Anforderungen hinaus. So hat der<br />
Richter den Betroffenen grundsätzlich persönlich zu vernehmen, ebenso wie im Rahmen<br />
von Art. 5 Abs. 3 EMRK ist also die unmittelbare Gegenüberstellung gefordert. 199<br />
Die bloße Kenntnisnahme des Richters von der Festnahme genügt nicht, wie sich aus<br />
den im Relativsatz des Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG festgeschriebenen richterlichen<br />
Handlungspflichten zwangsläufig ergibt. Nur ganz ausnahmsweise, etwa wenn der<br />
Festgenommene infolge Krankheit vernehmungsunfähig ist, soll die sog. symbolische<br />
Vorführung durch Vorlage der Akten ausreichen. 200 Im Rahmen der Vorführung muss<br />
der Richter den Betroffenen anhören und ihm Gelegenheit zu Einwendungen geben.<br />
Ein effektiver Grundrechtsschutz setzt insoweit voraus, dass der Betroffene weiß, dass<br />
er Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art gegen die Festnahme erheben<br />
kann. 201 Auch wird bei der Vorführung fremdsprachiger Festgenommener die Hinzuziehung<br />
eines Dolmetschers unverzichtbar sein. 202<br />
55<br />
56 Die vom Richter zu treffende Entscheidung ist in Form und Inhalt durch die Verfassung<br />
selbst determiniert. Gemäß Art. 104 Abs. 3 Satz 2 GG kann sie nur auf Erlass<br />
eines Haftbefehls oder auf Freilassung lauten. Ergeht ein Haftbefehl, so bildet er ex<br />
nunc den Rechtsgrund für die weitere Freiheitsentziehung in Form der Untersuchungshaft.<br />
Er muss nach der Verfassungsnorm schriftlich ergehen und mit – ebenfalls schriftlichen<br />
– Gründen versehen sein. Aus der Bedeutung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergeben<br />
sich insoweit spezifische Begründungsanforderungen (→ Rn. 23), denen mit generellen,<br />
formularmäßigen Floskeln nicht genügt ist. Die Annahme eines Haftgrundes<br />
muss detailliert und auf den Einzelfall bezogen begründet werden.<br />
56<br />
V. Recht auf angemessene Haftdauer<br />
57 Art. 5 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbs. 203 EMRK verbürgt dem Untersuchungshäftling ein Recht<br />
auf eine angemessene Dauer seiner Untersuchungshaft: Entweder ist er innerhalb dieser<br />
Frist abzuurteilen oder aber aus der Haft zu entlassen. Obwohl sich Abs. 3 pauschal<br />
auf die gemäß Abs. 1 lit. c Festgehaltenen bezieht, ergibt die Vorschrift für den ebenfalls<br />
in Abs. 1 lit. c geregelten Präventivgewahrsam keinen Sinn, da dort den Betroffenen<br />
eine Deliktsbegehung ja gar nicht vorgeworfen wird und sie deshalb auch kein<br />
strafgerichtliches Verfahren zu erwarten haben.<br />
57<br />
58 Der hier behandelte Anspruch weist deutliche Parallelen auf zum Recht auf eine<br />
angemessene Verfahrensdauer gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK (→ Der Grundsatz des fairen<br />
Verfahrens, Kap. 14 Rn. 113 ff.). In Art. 5 Abs. 3 Satz 1 EMRK allerdings geht es<br />
um den Beschleunigungsanspruch des Inhaftierten, so dass die »Angemessenheit« der<br />
58<br />
199<br />
Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 104 Rn. 29; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG,<br />
Art. 104 Rn. 68; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 104 Rn. 43; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG,<br />
Art. 104 Rn. 42; Grabitz (Fn. 1), Rn. 28.<br />
200<br />
Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 104 Rn. 29; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 104 Rn. 42.<br />
201<br />
Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 Rn. 68.<br />
202<br />
Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 104 Rn. 30; vgl. zum Recht auf ein faires Verfahren<br />
BVerfGE 64, 135 (145–149).<br />
203<br />
→ Fn. 165.<br />
660<br />
Oliver Dörr