03.04.2014 Aufrufe

PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag

PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag

PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kap. 13<br />

Freiheit der Person<br />

unterstellt, wären somit auch die Gewährleistungen aus Art. 36 Abs. 1 WÜK als völkerrechtliche<br />

Individualrechte vor deutschen Gerichten durchzusetzen.<br />

IV. Recht auf richterliche Vorführung<br />

45 Art. 5 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbs. 165 EMRK gewährleistet den gemäß Abs. 1 lit. c Festgehaltenen<br />

das Recht, umgehend einem Richter oder einer vergleichbaren Amtsperson vorgeführt<br />

zu werden. Der hohe Rang der Freiheitsgarantie kommt hierin insoweit zur<br />

Geltung, als die staatliche Exekutive sie nur vorläufig und vorübergehend beschränken<br />

kann und der Betroffene innerhalb kürzester Zeit dem Schutz der richterlichen Gewalt<br />

zu unterstellen ist. Das deutsche Grundgesetz bringt dies durch den umfassenden<br />

Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 GG (→ Rn. 147–149) zum Ausdruck, der zudem für<br />

Untersuchungshäftlinge um das Recht auf richterliche Vorführung (Art. 104 Abs. 3<br />

Satz 1 GG) ergänzt ist. Die EMRK gewährt das sofortige Recht auf einen Richter zunächst<br />

nur Untersuchungshäftlingen und Personen im Präventivgewahrsam. Dagegen<br />

findet Art. 5 Abs. 3 EMRK – wie auch Art. 104 Abs. 3 GG 166 – keine Anwendung in<br />

Fällen der Auslieferungs- oder Abschiebungshaft 167 sowie erst recht nicht auf Konstellationen,<br />

die überhaupt nicht von Art. 5 Abs. 1 EMRK erfasst sind. 168<br />

45<br />

46 Art. 5 Abs. 3 Satz 1 EMRK verbürgt eine erste richterliche Vorführung, nicht dagegen<br />

ihre (regelmäßige) Wiederholung. 169 Allerdings ist diese erste Vorführung von<br />

Amts wegen einzuleiten und darf – im Unterschied zum Verfahren nach Abs. 4 – nicht<br />

etwa von einem Antrag des Betroffenen abhängen. 170 Daher kann dem Betroffenen<br />

auch eine möglicherweise fehlerhafte Antragstellung nicht entgegengehalten werden.<br />

46<br />

47 Die durch Art. 5 Abs. 3 EMRK gebotene Vorführung meint zunächst dem Wortlaut<br />

(»before a judge«/»devant un juge«) entsprechend die unmittelbare physische Konfrontation<br />

des Betroffenen mit dem Richter. Die persönliche Inaugenscheinnahme<br />

durch den Richter dient dem Nebenzweck der Vorschrift, den Einzelnen vor Misshandlungen<br />

in staatlichem Gewahrsam zu schützen, weil sie im Rahmen der unverzüglich<br />

durchzuführenden Vorführung bemerkt werden könnten. 171<br />

47<br />

48 Weiter garantiert die Vorschrift ein jedenfalls ansatzweise justizförmiges Verfahren,<br />

das zwar nicht in jedem Fall dem Standard des Art. 6 Abs. 1 EMRK genügen, aber<br />

minimale Verfahrensgarantien beachten muss; im Wesentlichen gilt der nach Art. 5<br />

48<br />

165<br />

Nach der überarbeiteten offiziellen Übersetzung von Art. 5 EMRK (BGBl. 2010 II 1199 [1201])<br />

sind nunmehr auch in der deutschen Sprachfassung das Recht auf richterliche Vorführung und auf<br />

eine angemessene Haftdauer in einem Satz zusammengefasst. Dies entspricht dem englischen und<br />

französischen Originalwortlaut.<br />

166<br />

BGH 1 ARs 49/51 v. 6. 12. 1951, BGHSt 2, 44 (47–50).<br />

167<br />

EGMR No. 18580/91, A 311, § 53 – Quinn; EKMR No. 7317/75, DR 6, 141 (153) – Lynas (Pl.).<br />

168<br />

EGMR No. 34578/97, Rep. 2000-IX, § 75 – Ječius.<br />

169<br />

EGMR No. 34578/97, Rep. 2000-IX, § 86 – Ječius; No. 37975/97, § 25 – Graužinis (2000).<br />

170<br />

EGMR No. 3394/03, § 122 – Medvedyev (GK) (2010); No. 11036/03, § 74 – Ladent (2008);<br />

No. 33065/03, § 48 – Samoila u. Cionca (2008); No. 543/03, Rep. 2006-X, § 34 – McKay (GK);<br />

No. 27915/95, § 50 – Niedbala (2000); No. 25642/94, Rep. 1999-III, § 49 – Aquilina (GK); No. 9362/81<br />

u. a., A 78, § 46 – Van der Sluijs u. a.; No. 9626/81 u. a., A 79, § 36 – Duinhof u. Duijf.<br />

171<br />

Vgl. EGMR No. 21987/93, Rep. 1996-VI, § 76 – Aksoy; No. 25642/94, Rep. 1999-III, § 49 – Aquilina<br />

(GK); No. 20869/92, Rep. 2000-VIII, § 66 – Dikme; No. 22279/93, § 65 – Altay (2001); No. 543/03,<br />

Rep. 2006-X, § 33 – McKay (GK); No. 11036/03, § 72 – Ladent (2008); No. 39630/09, § 231 – El-Masri<br />

(GK) (2012).<br />

656<br />

Oliver Dörr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!