PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
PDF (1,6 MB) - Mohr Siebeck Verlag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kap. 13<br />
Freiheit der Person<br />
kürzere Frist als etwa Art. 5 Abs. 3 Satz 1 EMRK. Die Spruchpraxis legt hier zwar<br />
keine konkreten Fristen fest. Da die Festnahme aber faktisch nicht erfolgen kann, ohne<br />
dass zuvor Gründe dafür entstanden sind, die dem festnehmenden Staatsorgan bekannt<br />
sind, muss die Unterrichtung, wenn nicht unmittelbar bei der Festnahme, so<br />
doch spätestens bei der ersten Vernehmung erfolgen, wenn diese innerhalb weniger<br />
Stunden stattfindet. 146 Eine gewisse Verzögerung ist dann nicht zu beanstanden, wenn<br />
der Betroffene sie z. B. durch die Verschleierung seiner Identität verursacht hat. 147 Eine<br />
Verzögerung von zehn Tagen ist jedoch in keinem Fall akzeptabel, 148 auch eine Unterrichtung<br />
erst nach 76 Stunden Gewahrsam genügt den Anforderungen von Art. 5<br />
Abs. 2 EMRK nicht 149 .<br />
39 Im Text des GG findet sich kein entsprechendes allgemeines Informationsrecht. Nur<br />
für den Fall der vorläufigen Festnahme schreibt die Spezialregelung des Art. 104 Abs. 3<br />
Satz 1 GG die Unterrichtung des Festgenommenen im Rahmen der richterlichen Vorführung<br />
vor, welche spätestens am folgenden Tag stattzufinden hat. Der Richter hat<br />
dem Betroffenen die Gründe für seine Verhaftung bekanntzugeben und ihm Gelegenheit<br />
zu Einwendungen zu geben. Seine Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung<br />
darf sich grundsätzlich nicht auf Tatsachen stützen, welche dem Betroffenen<br />
nicht mitgeteilt wurden. 150 Auch im Fall der nachträglichen richterlichen Entscheidung<br />
gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist der Betroffene im Rahmen der regelmäßig<br />
gebotenen persönlichen Anhörung über die Gründe, die zu der Freiheitsentziehung<br />
geführt haben, zu informieren. 151<br />
39<br />
40 Darüber hinaus gewährt Art. 104 Abs. 4 GG im Falle der Freiheitsentziehung ausdrücklich<br />
ein subjektives Recht 152 auf Benachrichtigung eines Angehörigen oder einer<br />
Vertrauensperson. Es handelt sich um eine ergänzende Gewährleistung, die ein spurloses<br />
Verschwinden von Personen verhindern soll. Sie wird durch jede richterliche<br />
Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ausgelöst,<br />
auch durch solche im Beschwerdeverfahren 153 oder zur Anordnung der Haftfortdauer<br />
. Nicht erfasst ist dagegen die vorläufige Freiheitsentziehung durch die Exekuti-<br />
40<br />
ve. 155<br />
41 Die Benachrichtigung gemäß Art. 104 Abs. 4 GG muss zwingend und von Amts 41<br />
wegen erfolgen. Sie ist durch den Richter zu veranlassen, welcher die Freiheitsentzie-<br />
146<br />
In EGMR No. 12244/86 u.a, A 182, § 42 – Fox u. a. – akzeptierte der EGMR Unterrichtungen<br />
als »prompt«, die innerhalb von drei bis fünf Stunden nach der Festnahme stattfanden, in No. 14310/88,<br />
A 300-A, §§ 78 ff. – Murray solche innerhalb von ca. zwei Stunden.<br />
147<br />
EGMR No. 20869/92, Rep. 2000-VIII, § 56 a. E. – Dikme.<br />
148<br />
EGMR No. 11509/85, A 170-A, §§ 30 f. – Van der Leer.<br />
149<br />
EGMR No. 13229/03, § 55 – Saadi v. Vereinigtes Königreich (2006); No. 13229/03, § 85 – Saadi<br />
v. Vereinigtes Königreich (GK) (2008).<br />
150<br />
Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 Rn. 53.<br />
151<br />
Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104 Rn. 53 unter Verweis auf die Rechtsprechung<br />
zu Art. 103 I GG.<br />
152<br />
BVerfGE 16, 119 (122).<br />
153<br />
BVerfGE 16, 119 (123).<br />
154<br />
BVerfGE 38, 32 (34).<br />
155<br />
Dennoch enthalten auch für diesen Fall fast alle Polizeigesetze eine Benachrichtigungspflicht,<br />
vgl. z. B. § 41 Abs. 2 BPolG, Art. 19 Abs. 2 BayPAG, § 32 Abs. 2 BlnASOG, § 20 Abs. 2 NSOG, § 37<br />
Abs. 2 PolGNW, § 16 Abs. 2 RhPfPOG.<br />
654<br />
Oliver Dörr