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Sirvan Cakici in der Bremischen Bürgerschaft am 22. Januar 2009 ...

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<strong>Sirvan</strong> <strong>Cakici</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bremischen</strong> <strong>Bürgerschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>22.</strong> <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong><br />

Sehr geehrter Herr Präsident,<br />

liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />

Rede zum Antrag auf E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Sozial- und Kulturtickets<br />

Es gilt das gesprochene Wort!<br />

Wir haben erneut die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Sozial- und Kulturtickets beantragt, weil wir erkennen mussten, dass <strong>in</strong><br />

dieser Sache e<strong>in</strong>fach nicht genügend passiert!<br />

Wenig Bewegung <strong>in</strong> Sachen Sozialticket hat Ihnen sogar <strong>der</strong> Weser-Kurier attestiert!<br />

Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Sozial- und Kulturtickets muss endlich realisiert werden!<br />

Schon vor über e<strong>in</strong>em Jahr haben wir die E<strong>in</strong>führung des Sozialtickets hier gefor<strong>der</strong>t- echte Fortschritte hat es<br />

seitdem aber nicht gegeben. Sie hatten genügend Zeit, die Verpflichtungen aus Ihrer eigenen<br />

Koalitionsvere<strong>in</strong>barung zu realisieren, liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen!<br />

Wir LINKE haben das Problem schon lange erkannt. Und wir haben realistische Lösungsvorschläge geboten!<br />

Denn das Problem drängt. Wir sehen die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die alle<strong>in</strong>e zur Schule und nach Hause fahren, weil ihre Eltern<br />

sie aus Kostengründen nicht abholen können. Wir sehen die Menschen, die den Arztbesuch aufschieben, weil<br />

sie sich die Fahrkarte dorth<strong>in</strong> nicht leisten können. Und wir sehen die Auswirkungen dieser e<strong>in</strong>geschränkten<br />

Mobilität <strong>der</strong> e<strong>in</strong>kommensschwachen Menschen <strong>in</strong> unseren Städten, die vom gesellschaftlichen und<br />

kulturellen Leben weitgehend ausgeschlossen s<strong>in</strong>d. Diese Situation ist ungerecht und diskrim<strong>in</strong>ierend!<br />

Was für die meisten von uns ganz normal ist, bedeutet für die ca. 100.000 von Armut betroffenen o<strong>der</strong><br />

bedrohten Menschen [70.000 Leistungsempfänger] im Land Bremen großen Luxus. Für viele ist es schlicht<br />

unmöglich, ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mal e<strong>in</strong>en Schwimmbad- o<strong>der</strong> Museums- Besuch zu ermöglichen, nicht nur wegen<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>trittspreise, son<strong>der</strong>n auch wegen den Fahrpreisen!<br />

Man muss sich ganz klar überlegen, welche Maßnahmen den betroffenen Menschen wirklich helfen.<br />

Es hilft ke<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Kulturticket und ke<strong>in</strong> Jobticket o<strong>der</strong> „Activ-Card“ für fast 30 Euro. Da machen Sie die<br />

Rechnung ohne den Wirt, liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen! „Zielgruppe verfehlt“, wäre <strong>der</strong> korrekte Titel e<strong>in</strong>er<br />

solchen Aktion.<br />

www.l<strong>in</strong>ksfraktion-bremen.de


E<strong>in</strong> Kulturticket ohne die Gewährleistung <strong>der</strong> dazu nötigen Mobilität ist sche<strong>in</strong>heilig, me<strong>in</strong>e D<strong>am</strong>en und<br />

Herren. Sie können sich hier h<strong>in</strong>stellen und die Helden spielen, von wegen „kulturelle Teilhabe ermöglichen“.<br />

Aber dabei ignorieren sie viel grundlegen<strong>der</strong>e Bedürfnisse, die viele unserer Mitbürger haben!<br />

Das Problem bei <strong>der</strong> ganzen Sache ist doch folgendes:<br />

Sie haben geschaut, welche M<strong>in</strong>imalleistung man möglichst kostenneutral e<strong>in</strong>führen und diese gleichzeitig als<br />

große Errungenschaft erklären kann!<br />

Aber Ihre bisherigen Vorschläge s<strong>in</strong>d nichts an<strong>der</strong>es als Mogelpackungen! Sie betreiben hier<br />

Etikettenschw<strong>in</strong>del, liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen!!!<br />

Anstelle Ihres Möchtegern-Sozialtickets muss e<strong>in</strong> echtes Sozialticket her- und zwar <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>em<br />

Kulturticket! Das e<strong>in</strong>e vom an<strong>der</strong>en zu trennen ist nur e<strong>in</strong> geschickter Trick von Ihnen, die Kosten zu umgehen<br />

und trotzdem e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>druck für die Öffentlichkeit zu erzeugen!<br />

Während die Fahrsche<strong>in</strong>preise <strong>in</strong> Bremen seit Anfang des Jahres erhöht wurden, s<strong>in</strong>kt die entsprechende<br />

Bedarfsposition <strong>in</strong> den Regelsätzen für ALG-II-Empfänger<strong>in</strong>nen und -Empfänger! Das passt für uns nicht<br />

zus<strong>am</strong>men! Es ist doch so sicher wie das Amen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche, dass dadurch soziale Nöte vergrößert werden!<br />

Wenn <strong>der</strong> Regelsatz für Hartz IV nur 14,26€ für öffentliche Verkehrsmittel vorsieht, dann kann man doch<br />

nicht herkommen und den Leuten sagen, dass sie für e<strong>in</strong> Monatsticket 25 Euro o<strong>der</strong> mehr bezahlen sollen!<br />

Das ist realitätsfremd und hilft niemandem, liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen!<br />

Wenn man sich mal ausrechnet, wie weit man mit <strong>der</strong> Pauschale aus dem ALG-II- Regelsatz für öffentliche<br />

Verkehrsmittel kommt, dann kommt man zu folgendem Ergebnis: E<strong>in</strong>e Person kann d<strong>am</strong>it nur 3 Wege pro<br />

Monat mit dem ÖPNV zurücklegen - <strong>in</strong>klusive Amtsgänge, Arztbesuche, Elternabend etc. Nennen Sie das<br />

„mobil“, liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen?<br />

Wir jedenfalls nennen es erniedrigend!<br />

Dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong> Regelsätze etwas nicht stimmt, ist klar. Aber dann muss man umso mehr dafür<br />

sorgen, regionale Lösungen zu f<strong>in</strong>den. Hier muss ich Ihnen e<strong>in</strong>deutig fehlenden politischen Willen attestieren,<br />

liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen [zu SPD und B90]!<br />

Das Sozialticket muss für alle e<strong>in</strong>kommensschwachen Menschen <strong>in</strong> Bremen und Bremerhaven erhältlich und<br />

f<strong>in</strong>anzierbar se<strong>in</strong>. Dabei sollte auch die wachsende Zahl <strong>der</strong> Menschen berücksichtigt werden, die im<br />

Niedriglohnsektor tätig s<strong>in</strong>d. Und es müssen parallel zu e<strong>in</strong>em Monatsticket ermäßigte E<strong>in</strong>zelfahrsche<strong>in</strong>e<br />

angeboten werden für diejenigen, die sich selbst das monatliche Sozialticket nicht leisten können.<br />

Es muss auch darauf geachtet werden, dass die Vergabe <strong>der</strong> Sozialtickets ke<strong>in</strong>en stigmatisierenden<br />

Charakter hat. Hier muss nicht nur die richtige Vergabestelle gefunden werden, son<strong>der</strong>n auch das<br />

Vergabesystem und die Gestaltung des Tickets bedacht werden.<br />

Wir möchten auch ausdrücklich betonen, dass die E<strong>in</strong>führung des Sozial- und Kulturtickets auf ke<strong>in</strong>en Fall<br />

zulasten <strong>der</strong> Bremer Verkehrsbetriebe und <strong>der</strong>en Beschäftigter gehen darf! Anfallende Mehrkosten <strong>der</strong><br />

Verkehrsbetriebe müssen vom Senat übernommen werden. Denn wer sich mit dem Etikett „Sozial“ schmückt,<br />

<strong>der</strong> muss auch die entsprechende Verantwortung übernehmen.<br />

2<br />

www.l<strong>in</strong>ksfraktion-bremen.de


Und wer sich selbst als „ökologisch“ bezeichnet, <strong>der</strong> sollte auch die Vorzüge e<strong>in</strong>es Sozialtickets kennen: Die<br />

Erfahrungen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en deutschen Kommunen haben ergeben, dass nach E<strong>in</strong>führung des Sozialtickets e<strong>in</strong>e<br />

Neu- und Mehrnutzung <strong>der</strong> öffentlichen Verkehrsmittel stattgefunden hat. Das Sozialticket ist also nicht nur<br />

gut für die Menschen, son<strong>der</strong>n auch für die Stadt: Weniger Fe<strong>in</strong>staubbelastung und gesün<strong>der</strong>es Leben durch<br />

die Mehrnutzung umweltschonen<strong>der</strong> Verkehrsmittel sollten doch schlagkräftige Argumente se<strong>in</strong>!<br />

Da <strong>der</strong> Antrag erst jetzt debattiert wird, muss Punkt Nr. 3 aus unserem Antrag natürlich an<strong>der</strong>s lauten. Wir<br />

möchten, dass <strong>der</strong> Senat <strong>der</strong> <strong>Bürgerschaft</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> nächsten zwei Monate e<strong>in</strong>en schriftlichen Bericht<br />

zum Stand <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge vorlegt.<br />

Ich hoffe für die Menschen <strong>in</strong> Bremen und Bremerhaven, dass Sie sich ernsthaft für die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

echten Sozial- und Kulturtickets e<strong>in</strong>setzten und es nicht bei den bisherigen Lippenbekenntnissen belassen!!!<br />

Vielen Dank!<br />

3<br />

www.l<strong>in</strong>ksfraktion-bremen.de

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