2013-05 - beim LSO

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29.03.2014 Aufrufe

Portrait unterrichten ist meine leidenschaft Portrait. In loser Folge stellt das Schulblatt Mitglieder des lSo-Vorstandes in einem Portrait vor. cristina Mattiello, Primarlehrerin in lohnammannsegg, ist schon lange dabei. Sie lebt ihre Stärken, reist leidenschaftlich gern und weiss: Schule halten ist eine «wäuts gueti Sach». Sie schenkt sich eine tasse tee nach. Ihre tochter zeichnet am tisch, völlig unbeeindruckt von unserem Gespräch. Ab und zu streicht eine Katze vorbei, sucht kurz Nähe und verzieht sich dann wieder. cristina Mattiello schaut aus dem Fenster, überlegt kurz: «Ich hatte das Gefühl, mich ‹verjagts›. Ich musste irgendwie wieder weg. Früher war ich viel unterwegs, entdeckte neue Welten.» Partnerschaft und Familie liessen kaum mehr Raum für grosse Sprünge, abgesehen von den Reisen nach holland, die die Primarlehrerin, hausfrau und Mutter auf gar keinen Fall missen möchte. Eine Zeit des Staunens begann «Es war wirklich ein Glücksfall, dass mein Mann ein Sabbatical einziehen durfte. Ich nahm unbezahlten urlaub und ab ging es nach Vietnam und Kambodscha.» Die zweimonatige Reise kam zum richtigen Zeitpunkt. Endlich ausbrechen, reisen, erleben, geniessen und abschalten. cristinas Augen leuchten, sie sprüht, badet förmlich in den Erinnerungen. Schulblatt AG/SO · 5/2013 Die Schule soll Kinder öffnen für Neues, ihnen Zeit geben, Wege zu finden. 34

Portrait «Die Reise war eine Entschleunigung. Ich spürte meine Sinne wieder, wurde offen für alles, was sich um mich ereignete. Die ‹triebfeder›, die uns von morgens bis abends stets auf trab hält, war ausser Kraft. Die Prioritäten waren anders gesetzt, grosses Staunen begleitete mich. Fremde Düfte und Klänge, Menschen und Sprachen zogen mich und meine Familie in ihren Bann.» Vietnam bereiste die Familie nach eigenem Plan. Kambodscha entdeckten sie während beinahe vier Wochen, zwei Wochen davon liessen sie sich als Familie führen. «Nebst unzähligen Erlebnissen haben mich zwei Begebenheiten besonders beeindruckt. Einerseits waren es meine Kinder, die sich mit der grössten Selbstverständlichkeit in der anderen Kultur bewegten, vorurteilslos, offen. Andererseits spürte ich auf Schritt und tritt die Vergangenheit Kambodschas. Der Krieg hat tiefe Spuren hinterlassen, für uns unvorstellbar.» Reisen, ein magisches Wort für cristina Mattiello, eine Vision für spätere Zeiten, nach Beruf und Familie. «Eventuell möchte ich auch in einem Musikprojekt mitmachen, Kochkurse besuchen und noch viel mehr selber kochen als jetzt schon. Auch das Pflegen von Beziehungen, mit Leuten zusammen sein, ist ein Anliegen für die Zukunft. und sonst – Visionen? Ich habe vorerst einmal Zeit zum träumen, was kommt. Ich bin fest im Alltag verwurzelt.» cristina hebt leicht die Schultern, blickt in die Abendsonne, in den Garten im Winterschlaf. «Ein Manko habe ich schon. Ich habe kein so riesiges hobby. Wenn ich manchmal lese, was andere alles machen?!» «E wäuts gueti Sach» Die Nachdenklichkeit dauert nicht lange. Wir sprechen über die Schule. cristina ist überzeugte Lehrerin. Wenn sie davon erzählt, blüht sie auf. Sie fühlt sich durch das unterrichten gefordert und getragen. «Das mache ich unglaublich gerne, weil mir die Kinder viel geben, mich zwingen zu hinterfragen, mich zu bewegen, neugierig zu sein.» Auch auf der Reise sei ihr das wieder sehr bewusst geworden. «unterrichten ist meine Leidenschaft, es ist eine ‹wäuts gueti Sach›.» Nachdenklich stimmt cristina Mattiello allerdings der umstand, dass sich die Schule immer legitimieren muss. «Die Schule muss sich immer rechtfertigen: mittels Schlagwörtern wie ‹Schule mit Profil›, mit Qualitätsmanagement, Leitbildern, Noten, eventuell sogar Rankings, um in der Gesellschaft glaubwürdig zu sein. Das hinterlässt bei mir viele Fragen, zumal das Sich-beweisen-Müssen viel Stress auslöst bei den Kindern, den Eltern und den Lehrpersonen. Auf der anderen Seite sollen die Kinder in einer ausgeglichenen umgebung und möglichst entspannt lernen können. Die Schule soll die Kinder öffnen für Neues, ihnen Zeit geben, Wege zu finden. Dieses Spannungsfeld beschäftigt mich tief.» und das trifft den Lebensnerv von cristina. Sie zweifelt, sie hinterfragt, sie sucht Wege, am liebsten im Gespräch mit anderen, nicht allein im stillen Kämmerlein. Stärken leben, Stärken lassen Darum hat sie sich entschieden, sich in der Fraktion der Primarlehrpersonen und im Vorstand des LSO zu engagieren, Lösungen zu suchen. Seit Jahren ist sie dabei, mit viel herz, nicht immer so strukturiert im Denken, wie sie von sich selber sagt. Manchmal möchte sie schon klarer, durchdachter sein. «Aber das passt nicht zu mir. Ich entscheide oft aus dem Bauch heraus.» cristina kennt kein Konkurrenzverhalten, sie kann mit allen zusammenarbeiten. Sie möchte nicht führen, im Rampenlicht stehen. Sie legt ihr Können, ihre Praxisnähe und ihre langjährige Erfahrung ohne grosses Brimborium in die Waagschale. «Es ist wie ein Puzzle. Verschiedene Fähigkeiten führen zu einem Ganzen. Eigene Stärken leben, andere Stärken lassen.» cristina Mattiello hat kein Manko und sie hat ein hobby, das sie voll und ganz ausfüllt: Ihr Beruf – die Schule. Das ist ihre Vision. Zusammen mit der Familie, dem haus und dem Garten, ihrer Oase der Stille, ist sie mehr als ausgelastet. So stark sogar, dass sie noch nicht dazu gekommen ist, Liegestühle für den Garten zu kaufen. christoph Frey Schulblatt AG/SO · 5/2013 35

Portrait<br />

«Die Reise war eine Entschleunigung. Ich<br />

spürte meine Sinne wieder, wurde offen<br />

für alles, was sich um mich ereignete.<br />

Die ‹triebfeder›, die uns von morgens<br />

bis abends stets auf trab hält, war ausser<br />

Kraft. Die Prioritäten waren anders gesetzt,<br />

grosses Staunen begleitete mich.<br />

Fremde Düfte und Klänge, Menschen<br />

und Sprachen zogen mich und meine<br />

Familie in ihren Bann.» Vietnam bereiste<br />

die Familie nach eigenem Plan. Kambodscha<br />

entdeckten sie während beinahe<br />

vier Wochen, zwei Wochen davon<br />

liessen sie sich als Familie führen.<br />

«Nebst unzähligen Erlebnissen haben<br />

mich zwei Begebenheiten besonders<br />

beeindruckt. Einerseits waren es meine<br />

Kinder, die sich mit der grössten Selbstverständlichkeit<br />

in der anderen Kultur<br />

bewegten, vorurteilslos, offen. Andererseits<br />

spürte ich auf Schritt und tritt die<br />

Vergangenheit Kambodschas. Der Krieg<br />

hat tiefe Spuren hinterlassen, für uns<br />

unvorstellbar.»<br />

Reisen, ein magisches Wort für cristina<br />

Mattiello, eine Vision für spätere Zeiten,<br />

nach Beruf und Familie. «Eventuell<br />

möchte ich auch in einem Musikprojekt<br />

mitmachen, Kochkurse besuchen und<br />

noch viel mehr selber kochen als jetzt<br />

schon. Auch das Pflegen von Beziehungen,<br />

mit Leuten zusammen sein, ist ein<br />

Anliegen für die Zukunft. und sonst –<br />

Visionen? Ich habe vorerst einmal Zeit<br />

zum träumen, was kommt. Ich bin fest<br />

im Alltag verwurzelt.» cristina hebt leicht<br />

die Schultern, blickt in die Abendsonne,<br />

in den Garten im Winterschlaf. «Ein<br />

Manko habe ich schon. Ich habe kein<br />

so riesiges hobby. Wenn ich manchmal<br />

lese, was andere alles machen?!»<br />

«E wäuts gueti Sach»<br />

Die Nachdenklichkeit dauert nicht lange.<br />

Wir sprechen über die Schule. cristina<br />

ist überzeugte Lehrerin. Wenn sie davon<br />

erzählt, blüht sie auf. Sie fühlt sich durch<br />

das unterrichten gefordert und getragen.<br />

«Das mache ich unglaublich gerne, weil<br />

mir die Kinder viel geben, mich zwingen<br />

zu hinterfragen, mich zu bewegen, neugierig<br />

zu sein.» Auch auf der Reise sei<br />

ihr das wieder sehr bewusst geworden.<br />

«unterrichten ist meine Leidenschaft, es<br />

ist eine ‹wäuts gueti Sach›.» Nachdenklich<br />

stimmt cristina Mattiello allerdings der<br />

umstand, dass sich die Schule immer<br />

legitimieren muss. «Die Schule muss sich<br />

immer rechtfertigen: mittels Schlagwörtern<br />

wie ‹Schule mit Profil›, mit Qualitätsmanagement,<br />

Leitbildern, Noten, eventuell<br />

sogar Rankings, um in der Gesellschaft<br />

glaubwürdig zu sein. Das hinterlässt<br />

bei mir viele Fragen, zumal das<br />

Sich-beweisen-Müssen viel Stress auslöst<br />

bei den Kindern, den Eltern und den Lehrpersonen.<br />

Auf der anderen Seite sollen<br />

die Kinder in einer ausgeglichenen umgebung<br />

und möglichst entspannt lernen<br />

können. Die Schule soll die Kinder öffnen<br />

für Neues, ihnen Zeit geben, Wege zu<br />

finden. Dieses Spannungsfeld beschäftigt<br />

mich tief.» und das trifft den Lebensnerv<br />

von cristina. Sie zweifelt, sie hinterfragt,<br />

sie sucht Wege, am liebsten im Gespräch<br />

mit anderen, nicht allein im stillen Kämmerlein.<br />

Stärken leben, Stärken lassen<br />

Darum hat sie sich entschieden, sich in<br />

der Fraktion der Primarlehrpersonen und<br />

im Vorstand des <strong>LSO</strong> zu engagieren, Lösungen<br />

zu suchen. Seit Jahren ist sie dabei,<br />

mit viel herz, nicht immer so strukturiert<br />

im Denken, wie sie von sich selber<br />

sagt. Manchmal möchte sie schon klarer,<br />

durchdachter sein. «Aber das passt nicht<br />

zu mir. Ich entscheide oft aus dem Bauch<br />

heraus.» cristina kennt kein Konkurrenzverhalten,<br />

sie kann mit allen zusammenarbeiten.<br />

Sie möchte nicht führen, im<br />

Rampenlicht stehen. Sie legt ihr Können,<br />

ihre Praxisnähe und ihre langjährige<br />

Erfahrung ohne grosses Brimborium in<br />

die Waagschale. «Es ist wie ein Puzzle.<br />

Verschiedene Fähigkeiten führen zu<br />

einem Ganzen. Eigene Stärken leben,<br />

andere Stärken lassen.»<br />

cristina Mattiello hat kein Manko und<br />

sie hat ein hobby, das sie voll und ganz<br />

ausfüllt: Ihr Beruf – die Schule. Das ist<br />

ihre Vision. Zusammen mit der Familie,<br />

dem haus und dem Garten, ihrer Oase<br />

der Stille, ist sie mehr als ausgelastet.<br />

So stark sogar, dass sie noch nicht dazu<br />

gekommen ist, Liegestühle für den Garten<br />

zu kaufen.<br />

christoph Frey<br />

Schulblatt AG/SO · 5/<strong>2013</strong><br />

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