Jägerregiment 1 - Strategie und Technik
Jägerregiment 1 - Strategie und Technik
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Heer<br />
<strong>Jägerregiment</strong> 1<br />
Im Einsatz als Quick Reaction Force RC North<br />
Michael Matz<br />
Das <strong>Jägerregiment</strong> 1 hatte in der Zeit von April 2009 bis April 2010 den Auftrag, im Rahmen des deutschen<br />
Beitrages zur International Security and Assistance Force (ISAF) die Quick Reaction Force (QRF = Schnelle Eingreiftruppe)<br />
des deutsch geführten Regional Command North (RC N) zu stellen. Es wurden insgesamt zwei<br />
Kräftedispositive (QRF 3 <strong>und</strong> QRF 4) für jeweils ein halbes Jahr in den Einsatz entsandt.<br />
D<br />
ie QRF gliederte sich in eine<br />
Stabs-, Versorgungs- <strong>und</strong> Kampfunterstützungskompanie<br />
sowie<br />
zwei Infanteriekompanien mit je drei<br />
Zügen, davon je einer mit der Fähigkeit,<br />
Schützenpanzer (SPz) Marder einzusetzen.<br />
Eine Sanitätskompanie für den beweglichen<br />
Einsatz wurde auf Zusammenarbeit<br />
angewiesen. Die QRF war darauf<br />
eingestellt, bis zu 72 St<strong>und</strong>en autark zu<br />
operieren.<br />
Materielle Ausstattung<br />
Die QRF war mit geschützten Fahrzeugen<br />
der Typen Transportpanzer (TPz)<br />
Fuchs A7 <strong>und</strong> A8, Allzwecktransportfahrzeug<br />
Dingo 2A2 <strong>und</strong> 2A3 sowie dem SPz<br />
Marder ausgestattet. Aufgr<strong>und</strong> des Gewichts<br />
<strong>und</strong> der Größe dieser modernen<br />
Fahrzeuge waren Bewegungen abseits<br />
Autor<br />
Oberst Michael Matz ist Kommandeur<br />
des <strong>Jägerregiment</strong> 1.<br />
... ...<br />
I<br />
I<br />
1 (187)<br />
2 (122) 3<br />
... ..<br />
...<br />
..<br />
Mat<br />
.<br />
LNO<br />
TACP<br />
TACP<br />
Gliederung<br />
.<br />
.<br />
TACP<br />
TACP<br />
...<br />
...<br />
EOD<br />
..<br />
.<br />
.<br />
TACP<br />
II<br />
..<br />
...<br />
...<br />
...<br />
Gesamtstärke: 431 (472)<br />
I<br />
..<br />
...<br />
...<br />
...<br />
(122)<br />
I<br />
(41)<br />
SanKp bwglEins<br />
..<br />
.<br />
.<br />
.<br />
BAT<br />
Ustg 2./QRF<br />
Ustg 3./QRF<br />
20<br />
Januar 2011 · <strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong>
Heer<br />
Für die QRF war die Übernahme folgender<br />
Aufträge vorgesehen:<br />
• Einsatz als taktische Reserve COM RC N (ein verstärkter Zug)<br />
• Offensive Operationen gegen OMF (opposing militant forces)<br />
• Entsatz eigener Kräfte (z.B. nach Angriffen durch OMF)<br />
• Unterstützung bei Zugriffs- <strong>und</strong> Durchsuchungsoperationen<br />
• Patrouilleneinsatz im Rahmen der Standardoperationsführung der PRT<br />
• Evakuierungsoperationen (ISAF <strong>und</strong> Internationale Gemeinschaft)<br />
• Absicherungsoperationen (z.B. öffentliche Veranstaltungen <strong>und</strong> Konvois)<br />
• Einsatz gegen gewaltbereite Menschenmengen (Crowd and Riot Control)<br />
Die Bedrohungslage im Raum K<strong>und</strong>uz<br />
bedingte, dass nahezu ununterbrochen<br />
eine verstärkte Infanteriekompanie<br />
der QRF unter der Führung des PRT<br />
(Provincial Reconstruction Team) im<br />
Distrikt K<strong>und</strong>uz (KDZ) operierte. Dieser<br />
Umstand verringerte zwar den Einsatzwert<br />
des QRF-Verbandes, für weitere<br />
Operationen wurde die QRF aber regelmäßig<br />
durch Aufklärungskräfte (gemischte<br />
Aufklärungskompanie Mazar-e<br />
Sharif (MES)), Pionierkräfte, CIMIC (Civilder<br />
Hauptverbindungsstraßen nur stark<br />
eingeschränkt möglich.<br />
Die Soldaten der QRF verfügten über die<br />
Ausstattung Infanterist der Zukunft (IdZ).<br />
Diese Ausrüstung hat sich dank intensiver<br />
Ausbildung im Heimatland voll bewährt.<br />
Transportpanzer Fuchs A8<br />
Aufgr<strong>und</strong> eingeschränkter Verfügbarkeit<br />
von Hubschraubern im Einsatzland konnten<br />
die Kräfte des <strong>Jägerregiment</strong>s 1 ihre Fähigkeit<br />
zum luftgestützten Einsatz (luftbewegliche<br />
QRF) nicht zum Einsatz bringen.<br />
Einsatzvorbereitung<br />
Während der einsatzvorbereitenden Ausbildung<br />
wurden die Sanitätskompanie <strong>und</strong><br />
alle externen Teileinheiten <strong>und</strong> Einzelabstellungen<br />
sechs Monate vor Einsatzbeginn<br />
in die QRF integriert. Diese frühe Zusammenführung<br />
hat sich bewährt. Zum einen<br />
erfolgte die Integration in den Verband,<br />
zum anderen wurden alle Ausbildungsabschnitte<br />
gemeinsam durchlaufen.<br />
Die Vorausbildung der Truppenteile des<br />
<strong>Jägerregiment</strong>s 1 war standardisiert. Sie<br />
durchliefen die Einsatzvorbereitende Ausbildung<br />
für Konfliktverhütung <strong>und</strong> Krisenbewältigung<br />
an den Standorten Schwarzenborn<br />
bzw. Hammelburg <strong>und</strong> vertieften<br />
die Schießfertigkeiten während mehrerer<br />
Truppenübungsplatzaufenthalte.<br />
Die Kompanien der Einsatzkontingente wurden<br />
am Übungszentrum der Infanterie an<br />
der Infanterieschule in Hammelburg ausgebildet,<br />
zudem absolvierten beide QRF einen<br />
14-tägigen Durchgang im Gefechtsübungszentrum<br />
des Heeres in der Letzlinger Heide.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der umfassenden einsatzvorbereitenden<br />
Ausbildung – die einen großen<br />
organisatorischen Aufwand darstellte –<br />
war es dem <strong>Jägerregiment</strong> 1 gelungen, nahezu<br />
alle Soldaten an dem im Einsatzgebiet<br />
vorhandenen Material auszubilden.<br />
QRF im Einsatzgebiet<br />
Military Cooperation)-Kräfte <strong>und</strong> PSY-<br />
OPS (Psychological Operations)-Kräfte<br />
verstärkt.<br />
Die QRF führte Operationen im gesamten<br />
Einsatzraum des RC N durch <strong>und</strong> war von<br />
Ghormach im Westen bis Taloqan im Osten,<br />
von Heyratan im Norden bis Darzab<br />
<strong>und</strong> Pol-e-Komri im Süden eingesetzt.<br />
QRF im Gefecht<br />
Exemplarisch für die weit über 50 Feuerkämpfe<br />
<strong>und</strong> teilweise st<strong>und</strong>enlangen Gefechte,<br />
in welche die QRF verwickelt war,<br />
werden im Folgenden zwei Operationen<br />
beschrieben <strong>und</strong> ausgewertet.<br />
Das Gefecht bei Basoz <strong>und</strong><br />
Sujani (zehn km westlich K<strong>und</strong>uz)<br />
am 4. Juni 2009<br />
Die QRF führte die Operation an diesem Tag<br />
wie folgt: A-Zug in der Nacht zuvor zum<br />
Schutz der Polizeistation Chahar DARREH<br />
als Nacht- <strong>und</strong> Tagpatrouille eingesetzt,<br />
geplante Rückkehr ins PRT gegen Mittag.<br />
B-Zug Sweep (Kampfmittelsuche entlang<br />
eines Weges) auf einer der Straßen nordwestlich<br />
der Polizeistation. Der unterstellte<br />
Spähtrupp der AufKlKp (Aufklärungskompanie)<br />
MES führte eine Einweisung im Norden<br />
des AOR (Area of Responsibility) durch<br />
<strong>und</strong> operierte eng mit B-Zug zusammen.<br />
C-Zug als Reserve der QRF im PRT KDZ. Im<br />
Verlauf des Tages wurden starke Kräfte<br />
der QRF <strong>und</strong> des PRT sowie ein Zug der<br />
Afghan National Army (ANA) unter einheitlicher<br />
Führung der QRF 3 eingesetzt. Aus<br />
Gründen der operativen Sicherheit wird im<br />
Weiteren das Gefecht nur in Ausschnitten<br />
dargestellt.<br />
Um 1613D* (D* = Ortszeitbezeichnung<br />
AFG, entspricht MESZ + 2 St<strong>und</strong>en 30<br />
Minuten) wurde der Spähtrupp 3 500 m<br />
nordwestlich der Ortschaft Basoz durch<br />
einen Selbstmordattentäter angesprengt<br />
<strong>und</strong> von feindlichen Kräften beschossen.<br />
Der Spähtrupp konnte den Hinterhalt<br />
durchstoßen <strong>und</strong> sollte nördlich Basoz so<br />
in Stellung gehen, dass aus Westen nachstoßender<br />
Feind hätte bekämpft werden<br />
können. Gleichzeitig erhielt der B-Zug den<br />
Auftrag, den Spähtrupp aufzunehmen, um<br />
die Voraussetzungen für einen Gegenangriff<br />
entlang der Straße J79 – Yumar Bazar<br />
zu schaffen. Absicht QRF war es, nachstoßenden<br />
Feind im Zuge der Straße J79<br />
– Yumar Bazar bei günstiger Gelegenheit<br />
zu zerschlagen.<br />
Noch bevor der B-Zug die Stellung nördlich<br />
Basoz gewinnen konnte, kam es um<br />
1650D* erneut zu Beschuss. Diesmal<br />
wurden sowohl der Spähtrupp, noch<br />
nördlich Basoz, als auch der B-Zug, noch<br />
südlich Basoz, mit RPG (Rocket Propelled<br />
<strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong> · Januar 2011 21
Heer<br />
Grenade) <strong>und</strong> Handwaffen beschossen.<br />
B-Zug durchstieß <strong>und</strong> konnte Schulterschluss<br />
mit dem Spähtrupp herstellen. Bei<br />
dem Beschuss des B-Zuges <strong>und</strong> des Spähtrupps<br />
nahm der Feind keine Rücksicht<br />
auf die Zivilbevölkerung <strong>und</strong> schoss über<br />
<strong>und</strong> durch eine Gruppe Kinder hindurch.<br />
Glücklicherweise wurde keines der Kinder<br />
getroffen.<br />
Noch während der Verbindungsaufnahme<br />
zwischen Spähtruppführer <strong>und</strong> Gruppenführer<br />
Spitzengruppe B-Zug griff der<br />
Feind in zwei Wellen an. B-Zug ging mit<br />
eingegliedertem Spähtrupp im Zuge der<br />
Ortschaft Basoz angelehnt an mehrere<br />
Gebäude in Stellung <strong>und</strong> verteidigte erfolgreich<br />
gegen eine große Anzahl INS<br />
(Insurgents), die aus mehreren Richtungen<br />
angriffen <strong>und</strong> mehrfach versuchten, sich in<br />
die Flanken des Zuges zu verschieben. Gegen<br />
1715D* trafen zwei A-10 Th<strong>und</strong>erbolt<br />
zur Luftnahunterstützung ein.<br />
Ein Zug der ANA, unterstützt durch ein<br />
belgisches OMLT (Observation, Monitoring<br />
and Liaison Team), wurde der QRF unterstellt<br />
<strong>und</strong> zum Schutz der linken Flanke<br />
eingesetzt.<br />
Es entwickelte sich ein etwa eineinhalbstündiges<br />
Gefecht, welches nach Eintreffen weiterer<br />
Verstärkungen gegen 1818D*endete.<br />
Der Feind, offensichtlich von der heftigen<br />
Gegenwehr überrascht, brach seinen Angriff<br />
ab <strong>und</strong> wich nach Westen aus. Da<br />
gleichzeitig eine große Anzahl von unbewaffneten<br />
Zivilisten aus den Häusern kam,<br />
ist anzunehmen, dass diese das Ausweichen<br />
des Feindes ermöglichen sollten.<br />
Ob die Bevölkerung dabei freiwillig handelte<br />
oder gezwungen wurde, konnte nicht<br />
abschließend geklärt werden. Ein Nachstoßen<br />
war wegen der Zivilbevölkerung,<br />
der einsetzenden Dämmerung <strong>und</strong> des<br />
unübersichtlichen, stark bebauten Geländes<br />
mit kurzen Kampfentfernungen nicht<br />
zweckmäßig, zumal die INS über die bessere<br />
Ortskenntnis <strong>und</strong> abgesessen höhere<br />
Beweglichkeit verfügten.<br />
Die Straße Kharoti – Basoz lässt ein Wenden<br />
größerer Fahrzeuge unter Feindbedrohung<br />
nicht zu, so dass über Sujani Ulya<br />
verlegt werden musste.<br />
Viele Soldaten berichteten, dass während<br />
des Ausweichens viel Zivilbevölkerung auf<br />
der Straße war <strong>und</strong> ihnen zugewinkt habe.<br />
Kurz vor der Ortschaft Sujani Ulya meldete<br />
B-Zug, dass die Zivilbevölkerung sich wieder<br />
in die Häuser zurückziehe <strong>und</strong> vermutlich<br />
ein weiterer Angriff unmittelbar bevor<br />
stünde. Noch bevor die Meldung vollständig<br />
abgesetzt war, wurde das Spitzenfahrzeug<br />
B-Zug gegen 1854 D* mit fünf RPG<br />
<strong>und</strong> Handwaffen (Small Arms Fire, SAF)<br />
beschossen.<br />
Der Zug führte den Feuerkampf <strong>und</strong> ent-<br />
QRF 3 K<strong>und</strong>uz<br />
schied sich dann zum Durchstoßen, da das<br />
Gelände kein gedecktes Absitzen zuließ.<br />
Der B-Zug saß nach dem Durchstoßen<br />
südlich Suyani Ulya ab. Der heftige Feuerkampf<br />
selbst dauerte r<strong>und</strong> 30 Minuten.<br />
Mittlerweile waren vier Kampfflugzeuge<br />
vom Typ Th<strong>und</strong>erbolt im Einsatz, die aus<br />
der Luft Aufklärungsergebnisse lieferten<br />
<strong>und</strong> mehrfach zum „Show-of-Force“ eingesetzt<br />
wurden. Nach fünf St<strong>und</strong>en war<br />
das Gefecht um 2127 D* beendet.<br />
Während des Gefechtes wurden zur Unterstützung<br />
der eigenen Operationsführung<br />
LUNA <strong>und</strong> CAS (vier A-10 Th<strong>und</strong>erbolt<br />
im rottenweisen Einsatz) zur Aufklärung<br />
aus der Luft <strong>und</strong> „Show-of-Force“<br />
eingesetzt. Es wurden keine eigenen Soldaten<br />
verw<strong>und</strong>et.<br />
Operation OQAB <strong>und</strong> das<br />
Gefecht an der Loc Banana<br />
bei Zar-Kharid-i-Sufla<br />
Operation OQAB/Gefecht am 19. Juli<br />
2009/Wirkung auf eigene Kräfte<br />
Mit dem Auftrag, das im Feuerkampf stehende<br />
1. Kandak (Bataillon) der 2. Brigade<br />
209. ANA Korps einschließlich deutschem<br />
OMLT im Raum Polizeistation Zar Kharidi-Sufla<br />
zu verstärken, verlegte 2./QRF am<br />
19. Juli mit Panzergrenadierzug voraus.<br />
Zum Zeitpunkt der Verbindungsaufnahme<br />
mit den deutschen Kräften des OMLT<br />
hatten sich diese aus einem Hinterhalt gelöst,<br />
waren auf die Polizeistation ausgewichen<br />
<strong>und</strong> standen mit ihren Spitzen im<br />
Feuerkampf mit Feindkräften bei Baaghi<br />
Sheerkat.<br />
Unmittelbar mit dem Eintreffen der Marder<br />
gingen die Soldaten der ANA wieder<br />
vor <strong>und</strong> bezogen Stellung noch vor den<br />
SPz. Nachdem der Feuerkampf gegen<br />
die Feindstellung vor Baaghi Sheerkat<br />
geführt war, <strong>und</strong> aus diesem Raum kein<br />
Feuer mehr erwidert wurde, machten<br />
die ANA-Soldaten lobende <strong>und</strong> anerkennende<br />
Gesten zu den SPz des Zuges. Augenscheinlich<br />
war, dass unmittelbar mit<br />
dem Eintreffen der SPz die Moral bei den<br />
angegriffenen Kräften stieg. Dies wurde<br />
später durch das deutsche OMLT bestätigt.<br />
Im weiteren Verlauf der Operation sicherte<br />
der Zug mit den SPz die Polizeistation <strong>und</strong><br />
überwachte das abgesessene Vorgehen<br />
der ANA <strong>und</strong> deutscher Kräfte mit den<br />
Bordmaschinenkanonen. Es hat sich gezeigt,<br />
dass der Einsatz der Schützenpanzer<br />
die Kampfmoral eigener <strong>und</strong> verbündeter<br />
Kräfte erheblich erhöht hat.<br />
Wirkung auf die Zivilbevölkerung<br />
Bei Bewegungen mit den Schützenpanzern<br />
fiel auf, dass der übrige Verkehr deutlich<br />
Abstand zum Zug hielt. Der Gegenverkehr<br />
ist ausnahmslos an den Straßenrand gefahren<br />
<strong>und</strong> hat dort gehalten bis eigene Kräfte<br />
passiert hatten. Dies war beim Marsch mit<br />
Radfahrzeugen nicht üblich.<br />
Bewegungen <strong>und</strong> Infrastruktur<br />
Bewegungen im Zuge der Hauptverbindungsstraßen<br />
(LOC) konnten ohne<br />
Schwierigkeiten durchgeführt werden.<br />
Die Felder waren zu der Zeit abgeerntet,<br />
Bewässerungsgräben – welche parallel zu<br />
den LOC verlaufen – stellten aufgr<strong>und</strong> der<br />
Überschreitfähigkeit der SPz kein Hindernis<br />
dar. Kleine Brücken <strong>und</strong> Straßen mit<br />
Bachdurchläufen sind tragfähig genug <strong>und</strong><br />
schränken die Mobilität der Schützenpanzer<br />
nicht ein. Lediglich Reisfelder sind als<br />
Panzerhindernis zu bewerten.<br />
Der SPz ist in der Lage, eine typisch afghanische<br />
Mauer zu durchbrechen <strong>und</strong><br />
die Straße seitlich zu verlassen. Der Durchbruch<br />
konnte von allen anderen Fahrzeugen<br />
ebenfalls genutzt werden. Im späteren<br />
Verlauf des Einsatzes wurden Furten nutzbar,<br />
Flüsse hingegen waren Hindernisse<br />
<strong>und</strong> hemmten die eigenen Bewegungen.<br />
Einsatz der Schützenpanzer<br />
Aufgr<strong>und</strong> der enormen Kampfraumtemperaturen<br />
von bis zu 80 Grad Celsius <strong>und</strong> des<br />
Umstandes, dass ein schneller Wechsel der<br />
22<br />
Januar 2011 · <strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong>
Kampfweise aus dem engen Kampfraum<br />
mit IdZ (Infanterist der Zukunft)-Ausstattung<br />
nicht möglich ist, wurde der Zug in<br />
einem Fahrzeugmix mit Dingo <strong>und</strong> SPz eingesetzt.<br />
Die SPz benötigen zur Steigerung<br />
ihres Einsatzwertes dringend eine Klimaanlage.<br />
Schon in Mazar-e Sharif wurden<br />
Beschussversuche mit Gefechtsmunition<br />
auf eine Compo<strong>und</strong>mauer durchgeführt,<br />
um die Wirkung auf eine typisch Deckung<br />
der INS zu testen.<br />
Nachdem am 19. Juli mit der Bordmaschinenkanone<br />
gegen eine erkannte MG- <strong>und</strong><br />
eine RPG-Stellung gefeuert wurde, war der<br />
bis dahin lang anhaltende Feuerkampf sofort<br />
beendet. Später kämpften die INS auch<br />
nach dem Beziehen einer offenen Stellung<br />
weiter aus einer frontalen Stellung gegen<br />
die SPz. Es wurden RPG gegen einen SPz<br />
gefeuert, die allerdings auf der Straße liegen<br />
blieben oder vor der Stellung umsetzten.<br />
Parallel zu den LOC bieten sich im ganzen<br />
Raum unzählige Stellungsmöglichkeiten<br />
für INS, um flankierend auf die Straßen<br />
zu wirken. Beim Vorgehen der SPz – aber<br />
auch aller anderen Kräfte – gilt es, diese<br />
Flankenbedrohung ständig zu beurteilen.<br />
Bei Anzeichen für einen Angriff oder einen<br />
Hinterhalt, sowie bei erkanntem Feind,<br />
muss frühzeitig die Kampfweise gewechselt<br />
werden <strong>und</strong> die Flankenbedrohung im<br />
Zusammenwirken von auf- <strong>und</strong> abgesessenen<br />
Kräften ausgeschaltet werden.<br />
Die Versuchung ist groß, die Schützenpanzer<br />
als einzelnes Waffensystem einzusetzen,<br />
um mehrere Züge mit einer weitreichenden<br />
Waffe <strong>und</strong> entsprechender Feuerkraft auszustatten.<br />
Um die volle Leistungsfähigkeit<br />
der SPz zur Wirkung zu bringen, muss der<br />
Zug den Einsatzgr<strong>und</strong>sätzen der PzGrenTr<br />
entsprechend als Feuereinheit <strong>und</strong> im engen<br />
Zusammenwirken mit abgesessenen<br />
Kräften eingesetzt werden. Der Einsatz<br />
eines Halbzuges in besonderen Lagen ist<br />
möglich, sollte aber die Ausnahme bleiben.<br />
Gefecht bei Quara Yatim<br />
Nach Aufklärung <strong>und</strong> Sprengung eines IED<br />
(Improvised Explosive Device) bei Pol-e-Za<br />
Khel gab es eine Vielzahl von Hinweisen<br />
darauf, dass die Ortschaft Quara Yatim im<br />
nördlichen Chahar Darreh im deutlichen<br />
Interesse der INS liegt. Durch die Drohne<br />
LUNA aufgeklärte Bausperren westlich der<br />
Ortschaft verstärkten diese Vermutung.<br />
Auch bestand die Gefahr, dass INS die relativ<br />
lange Abwesenheit von ISAF-Kräften<br />
im Raum genutzt haben, um neben luftgestützt<br />
aufklärbaren Bausperren IED einzubringen.<br />
Erkenntnisse aus der Gesprächsaufklärung<br />
verdichteten diese Vermutung.<br />
Nicht zuletzt das zuvor aufgeklärte <strong>und</strong><br />
beseitigte IED war deutliches Anzeichen<br />
dafür, dass aus der Ortschaft Qara Yatim<br />
eine deutliche <strong>und</strong> nachhaltige Bedrohung<br />
für die Bewegungsfreiheit von ISAF im Zuge<br />
der LOC KAMINS <strong>und</strong> somit dem einzigen<br />
Weg von <strong>und</strong> nach Chahar Darreh<br />
gegeben war. Daher hatte die Kompanie<br />
den Auftrag, die Bausperren zu prüfen <strong>und</strong><br />
Gesprächsaufklärung in besagter Ortschaft<br />
durchzuführen.<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der Feindlage <strong>und</strong> möglicher<br />
Bedrohung durch IED entschied sich der<br />
Kompaniechef für eine Kombination aus<br />
IED-Sweep durch A-Zug <strong>und</strong> EOD-Trupp<br />
sowie unmittelbar dahinter folgender<br />
Gesprächsaufklärung durch Tactical Psy-<br />
Ops Team (TPT) <strong>und</strong> Tactical CIMIC Team<br />
(TCT). Um die auf der Hauptverbindungsstraße<br />
zwischen Quara Yatim <strong>und</strong> Loc Kamins<br />
„sweependen“ Kräfte in Bezug auf<br />
die Kampfkraft zu verstärken, ging ein<br />
Halbzug Panzergrenadiere auf- <strong>und</strong> abgesessen<br />
unmittelbar folgend mit vor. Der<br />
abgesessene <strong>und</strong> durch Teile des Bewegli-<br />
Heer<br />
chen Arzttrupps <strong>und</strong> des Joint Fire Support<br />
Teams verstärkte Kompanieführungstrupp<br />
gliederte sich ebenfalls ein.<br />
Die westliche Flanke wurde durch eine abgesessene<br />
<strong>und</strong> parallel zu den Hauptkräften<br />
vorgehende Panzergrenadiergruppe<br />
gesichert, während das offene Gelände<br />
ostwärts der Hauptverbindungsstraße<br />
den Einsatz von zwei SPz zur Überwachung<br />
der rechten Flanke zuließ. Absicht<br />
des Kompaniechefs war es, zunächst bis<br />
zu der durch LUNA aufgeklärten Bausperre<br />
zu „sweepen“ <strong>und</strong> zeitgleich hinter<br />
den Sweep-Kräften Gesprächsaufklärung<br />
durchzuführen.<br />
Der erste Feuerkampf des Tages begann<br />
mit der Feuereröffnung auf die links eingesetzte<br />
<strong>und</strong> abgesessen vorgehende Panzergrenadiergruppe<br />
durch INS auf eine Entfernung<br />
von circa 100 bis 150 m. Dabei wirkte<br />
der Feind in Truppstärke über ein freies Feld<br />
auch auf die – im Zuge der Hauptverbindungsstraße<br />
vorgehenden – Hauptkräfte.<br />
Das Feuer wurde unmittelbar erwidert<br />
<strong>und</strong> der Feind wich – unter Nutzung von<br />
Bewässerungsgräben – nach Norden aus.<br />
Das weitere Vorgehen der eigenen Kräfte<br />
wurde unverändert fortgesetzt. Als sich die<br />
Hauptkräfte an die aufgeklärte Bausperre<br />
annäherten, eröffnete der als Sperrsicherung<br />
eingesetzte Feind wiederum das Feuer<br />
mit Handwaffen <strong>und</strong> RPG.<br />
Die Sperrsicherung wurde im Zusammenwirken<br />
zwischen einem SPz Marder <strong>und</strong><br />
einem Scharfschützentrupp bekämpft.<br />
Parallel dazu wurden die ostwärts eingesetzten<br />
Marder auf weite Entfernung mit<br />
RPG beschossen. Da der Feind, wie oftmals<br />
zuvor auch, die RPG indirekt über bebautes<br />
Gelände hinweg geschossen hat, konnten<br />
die feindlichen Schützen nicht aufgeklärt<br />
<strong>und</strong> bekämpft werden. Nach Erk<strong>und</strong>ung<br />
der Bausperre wurde diese gesprengt. Im<br />
Task Group QRF 4<br />
IED-Sweep<br />
<strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong> · Januar 2011 23
Heer<br />
Anschluss setzte die Kompanie den Sweep<br />
als Voraussetzung für die Gesprächsaufklärung<br />
in Qara Yatim weiter fort.<br />
Bereits kurze Zeit nachdem der südliche<br />
Ortsrand Qara Yatim genommen war, sammelten<br />
sich Teile der Bevölkerung, die – wie<br />
so oft – vor allem aus Alten <strong>und</strong> Kindern bestand.<br />
Das TPT begann unmittelbar unter<br />
Sicherung mit der Gesprächsführung. Im<br />
Laufe des Gesprächs mit einem der Dorfältesten<br />
wurde dieser durch einen Anruf auf<br />
seinem Mobiltelefon darüber in Kenntnis<br />
gesetzt, dass INS in der Ortschaft seien <strong>und</strong><br />
ein Angriff auf die Kompanie unmittelbar<br />
bevorstehe. Diese Information gab der Gesprächspartner<br />
direkt an das TPT weiter.<br />
Circa eine Minute nachdem die Lageinformation<br />
an die Züge <strong>und</strong> weiteren Unterstützungskräfte<br />
gegeben wurde, wirkten<br />
Feindkräfte durch massiven Beschuss auf<br />
die Spitzenteile des A-Zuges. Nachdem der<br />
Feuerkampf durch den A-Zug mit allen zur<br />
Verfügung stehenden Handwaffen geführt<br />
wurde, löste sich die Kompanie unter Überwachung<br />
durch die Flankensicherung <strong>und</strong><br />
nunmehr zur Verfügung stehender Drohne<br />
LUNA wieder in Richtung LOC KAMINS.<br />
Parallel zu den zuvor kurz umrissenen<br />
Teilgefechten war auch die Polizeistation<br />
Chahar Darreh durch eine weitere INS-<br />
Gruppierung Feindfeuer ausgesetzt. Solche<br />
Entlastungsangriffe wurden seitens<br />
INS regelmäßig geführt <strong>und</strong> zu einem fast<br />
berechenbaren Standardverfahren.<br />
Durch die im Zuge der Gesprächsaufklärung<br />
gewonnenen Erkenntnisse <strong>und</strong> natürlich<br />
die Feuerkämpfe des Tages wurde<br />
der Stellenwert Qara Yatims für den Feind<br />
sehr deutlich. Die vorliegenden Hinweise<br />
<strong>und</strong> daraus gewachsene Vermutung darüber<br />
wurde Gewissheit, so dass Qara Yatim<br />
in der Folgezeit stärker in den Fokus des<br />
eigenen Interesses gerückt ist, <strong>und</strong> entsprechende<br />
Operationen von ISAF-Kräften<br />
in Verbindung mit der ANA im Raum der<br />
Ortschaft geplant <strong>und</strong> durchgeführt wurden.<br />
Auch konnten die Erkenntnisse über<br />
die zivile Lage vor Ort aktualisiert werden.<br />
Erkenntnisse über Taktik<br />
<strong>und</strong> Absicht der INS<br />
Zu Art, Absicht <strong>und</strong> Verhalten der INS im<br />
Einsatzzeitraum der 2./QRF 4 in K<strong>und</strong>uz<br />
lässt sich Folgendes zusammenfassend<br />
feststellen:<br />
Die Art <strong>und</strong> Qualität des im Raum K<strong>und</strong>uz<br />
agierenden Feindes stellt sich örtlich unterschiedlich<br />
dar. Dabei variiert das Spektrum<br />
zwischen den sogenannten „50-Dollar-Taliban“,<br />
mit niedrigerem Ausbildungsstand<br />
<strong>und</strong> geringerer Entschlossenheit im Kampf,<br />
bis hin zu durch „Foreign-Fighters“ angeleiteten<br />
INS-Hardliner.<br />
In den vorangegangenen Kontingen-<br />
„Wagenburg“ der QRF<br />
ten war es ISAF-Kräften noch möglich,<br />
sich in der Tiefe des nördlichen <strong>und</strong><br />
südlichen Chahar Darreh zu bewegen.<br />
Dabei wurden ISAF-Kräfte durch INS<br />
räumlich <strong>und</strong> zeitlich begrenzt im Rahmen<br />
von Hinterhalten angegriffen, mindestens<br />
gestört.<br />
Entgegen der Erfahrungen im Gefecht von<br />
Palaw Kamar muss die Mehrzahl der durch<br />
die Kompanie bestrittenen Gefechte als<br />
wenig überraschend <strong>und</strong> bisweilen vorhersehbar<br />
bezeichnet werden. So war die<br />
Bewegungsfreiheit für ISAF-Kräfte über die<br />
Dauer des Einsatzes der 2./QRF 4 in Chahar<br />
Darreh deutlich eingeschränkt. Bereits<br />
nach kurzer Zeit im Raum K<strong>und</strong>uz war für<br />
die Kompanie klar, dass man mittlerweile<br />
auf die alten Begrifflichkeiten zurückkommen<br />
musste.<br />
Der Feind verteidigt mittlerweile deutlich<br />
<strong>und</strong> entschieden, mit der Absicht, ISAF-<br />
Kräften das Eindringen in die Tiefe des<br />
Raumes zu verwehren. Dabei nutzte er<br />
bewährte militärische Gr<strong>und</strong>sätze; so<br />
zum Beispiel Sperren in Form von Bausperren<br />
<strong>und</strong> IED, Sperrsicherungen in<br />
Form von Schützenstellungen, welche<br />
die jeweilige Sperre überwachten, <strong>und</strong><br />
Entlastungsangriffe auf die Polizeistation<br />
Chahar Darreh. Das „Gefecht in Hinterhalten“<br />
wurde im Einsatzzeitraum der 2./<br />
QRF 4 durch das „Gefecht am Vorderen<br />
Rand der Verteidigung (VRV)“ abgelöst.<br />
Zusammenfassung<br />
Das <strong>Jägerregiment</strong> 1 war insgesamt weit<br />
über ein Jahr mit der Einsatzvorbereitung,<br />
der Einsatzdurchführung <strong>und</strong> der Einsatznachbereitung<br />
gefordert. Dies forderte<br />
alle dem Regiment zur Verfügung stehenden<br />
Mittel, personell wie materiell. Ohne<br />
die herausragende Leistungsbereitschaft<br />
der Soldaten des Verbandes hätte dieser<br />
Auftrag in seiner hohen Qualität nicht<br />
erfüllt werden können. Dies schließt ausdrücklich<br />
auch die am Standort verblie-<br />
benen Soldaten ein, die in der gesamten<br />
Zeit alle nicht einsatzbezogenen Aufträge<br />
zu erfüllen hatten. Dabei war nicht nur<br />
die einsatzbedingte Abwesenheit vieler<br />
Spezialisten <strong>und</strong> Soldaten des Stabes zu<br />
kompensieren, vielmehr mussten zusätzlich<br />
auch die wichtigen Aufträge aus dem<br />
Einsatzland sowie die Zuarbeit erledigt<br />
werden.<br />
Der Verband war auf den schwierigen Einsatz<br />
in Afghanistan vorbereitet <strong>und</strong> konnte<br />
an dem Material, das im Einsatzland Verwendung<br />
findet, ausgebildet werden. Alle<br />
Soldaten der QRF haben durch umsichtiges<br />
<strong>und</strong> professionelles Handeln zum Erfolg im<br />
Einsatz beigetragen. Hierbei hat sich der<br />
Einsatz von „gewachsenen“, teilweise über<br />
Einsatzerfahrung verfügenden Teileinheiten<br />
bewährt. Es gilt, diese Erfahrungen<br />
für die Ausbildung der Einsatzkontingente<br />
auszuwerten <strong>und</strong> konsequent in die Ausbildung<br />
einzubeziehen.<br />
Das <strong>Jägerregiment</strong> 1 denkt „vom Einsatz<br />
her“ <strong>und</strong> beginnt bereits jetzt die<br />
Soldaten <strong>und</strong> Soldatinnen zielgerichtet<br />
auf die wahrscheinlichen Einsätze im<br />
Jahr 2012 hin auszubilden. Besonderes<br />
Augenmerk wurde im <strong>Jägerregiment</strong> 1<br />
auf die Betreuung der Familienangehörigen<br />
der Einsatzsoldaten gelegt. Sieben<br />
Soldaten mit Einsatzerfahrung <strong>und</strong> vier<br />
ehrenamtliche Helfer betreuten die Familien<br />
der Einsatzsoldaten über ein Jahr. Vor<br />
Einsatzbeginn wurden Informationsveranstaltungen<br />
<strong>und</strong> während des Einsatzes<br />
monatlich Familienbetreuungsveranstaltungen<br />
durchgeführt. Ziel dieser Veranstaltungen<br />
war es, die Angehörigen umfassend<br />
über die Lage im Einsatzgebiet zu<br />
informieren <strong>und</strong> sich im persönlichen Gespräch<br />
gegenseitig kennen zu lernen. Der<br />
Wunsch der Angehörigen, am Standort<br />
der Einsatzsoldaten <strong>und</strong> nicht durch eine<br />
„anonyme“ Familienbetreuungsstelle in<br />
der Nähe des Wohnortes des Soldaten<br />
unterrichtet zu werden, wurde offensichtlich.<br />
L<br />
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Januar 2011 · <strong>Strategie</strong> & <strong>Technik</strong>