Rede Antje Kleine-Wiskott - Dachverband der kritischen ...

Antje Kleine-Wiskott
Rede auf der Hauptversammlung
der Lufthansa AG am 07.05.2013
- Es gilt das gesprochene Wort. -
Sehr geehrter Herr Dr. Franz, sehr geehrte Damen und Herren!
Mein Name ist Antje Kleine-Wiskott. Ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen
und Aktionäre und habe diverse Fragen mitgebracht.
Zunächst einmal hat auch uns die Nachricht gestern natürlich sehr überrascht, dass Herr
Mayrhuber doch nicht als Aufsichtsratsvorsitzender kandidiert, um dann am späten Abend
den Rückzug seines Rückzugs zur Kandidatur bekannt zu geben. Warum dieses Hin und
Her, warum die Entscheidungen erst gestern? Wie kam es zu der Entscheidung so kurz vor
der Hauptversammlung?
Wie zahlreiche andere lehnen auch wir die Wahl von Herrn Mayrhuber in den Aufsichtsrat,
insbesondere zum Aufsichtsratsvorsitzenden, ab. Die Gründe wurden ja ausgiebig erläutert.
Herr Mayrhuber, überfordern Sie sich nicht mit all Ihren Aufsichtsrats-Funktionen und künftig
gleich zwei Mandaten als Vorsitzender (neben Infineon)? Mich persönlich würde ja mal
interessieren, was einen an so vielen Posten, Ämtern und Mandaten reizt?
Der kursierende anonyme Brief mit Absender „leitende Angestellte und Manager der
Lufthansa“ ging auch an unser Büro hier in Köln. Nicht nur von Mitarbeitern, sicher auch von
Aktionärinnen und Aktionären kann kritisiert werden, dass Herr Mayrhuber eine
Versorgungszusage von über 10 Millionen Euro erhalten hat. Wie ist es zu vertreten, dass
jemand, der dem Unternehmen enormen finanziellen Schaden zugefügt hat und damit auch
mit verantwortlich ist für das jetzt vollzogene rigorose Sparprogramm SCORE, mit derartigen
Beträgen belohnt wird? Wie fühlt sich das gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
an, die um ihren Arbeitsplatz und ihre faire Bezahlung bangen müssen? Und den
Aktionärinnen und Aktionären, die dieses Jahr nun ohne Dividende nach Hause gehen?
Sollten Sie, Herr Mayrhuber, nicht aus moralischen Gründen, auf dieses Geld oder
wenigstens einen Teil davon verzichten?
Unter Herrn Mayrhubers Vorstandsvorsitz wurde vor gerade einmal sechs Jahren die
gemietete Lufthansa Hauptverwaltung geschlossen, um die Mitarbeiter im Aviation Center in
Frankfurt und in der neu errichteten Hauptverwaltung hier direkt neben der Lanxessarena
einzusetzen. Damit bekannte sich die LH explizit zum Standort Köln, nun zieht sie sich
zurück. Welche Kosten sind denn im Gesamten damit verbunden, binnen so kurzer Zeit zwei
Gebäude extra zu errichten, und davon eines wieder zu schließen, und die Mitarbeiter in neu

zu schaffende Räumlichkeiten in Frankfurt und München zu versetzen? Bitte erläutern Sie,
warum ein Dienstleistungszentrum im Rhein-Main-Gebiet erweitert wird, wenn der Kölner
Standort geschlossen werden soll.
Ein paar Fragen zu speziellen Kosten: Seit 2013 wird die Flotte 737 komplett ausgemustert.
- Warum wurden diese Flugzeuge 2006/7 komplett mit einer neuen Bestuhlung
ausgerüstet, dann 2011/12 wieder komplett durch eine die Neue Europa Kabine
(NEK), wenn doch schon klar war, dass auf den Typ verzichtet wird?
- Was hat die Bestuhlung 2006/7 gekostet, was hat die Neubestuhlung 2011/12
gekostet und was kostet eine Ausmusterung pro Flugzeug?
- Was kostet die Umschulung der Piloten und der Flugbegleiter auf andere Flugzeuge?
Hätte man nicht dann die Kosten zumindest der Einführung der NEK einsparen
können?
Im August 2012 erschien im Manager Magazin ein sehr kritischer Artikel über die Lufthansa,
betitelt mit „Fragen Sie Franz!“. Er beschreibt auch das Ergebnis der Untersuchung des von
der LH beauftragten Berliner Beraterinstituts IFOK, und zwar, dass an vielen Stellen der
Lufthansa Selbstherrlichkeit herrsche und man sich gegen Einflüsse von außen sperre und
unfähig zur Veränderung sei.
ICH frage Franz: Haben die Manager und leitenden Angestellten der Lufthansa wohl deshalb
anonym die Kritik verbreitet? Was denken Sie?
Was halten Sie von disziplinarischen Strafen, die innerhalb der Lufthansa ausgesprochen
werden, wenn sich engagierte Mitarbeiter mit Veränderungsvorschlägen offen an Vorgesetzte
oder eventuell sogar den Vorstand wenden?
Natürlich beklagt sich der Vorstand über die vielen Streiks des Personals der letzen Jahre,
besonders des vergangenen Jahres. Nie zuvor habe es einen wirklichen Streikwillen beim
Kabinenpersonal gegeben – so wurde uns berichtet – es habe immer Entscheidungen des
Vorstands mitgetragen, obwohl häufig vertraglich zugesagte Eingeständnisse erst über Jahre
über Gericht eingeklagt werden mussten.
Zu Passagevorstand Spohr: Erst der Brief von Herrn Spohr (der sog. Brandbrief) an die
Flugbegleiter im April 2012 hat zu dem großen Streikwillen der Kabine beigetragen, da er so
ungeschickt formuliert war. Damit hat der Passagevorstand den Streik erst hervorgerufen.
- Welche Erfolge hat Herr Spohr als Passagevorstand aufzuweisen? In den letzten
zwei Jahren wurden die Feedbacks der Kunden immer schlechter.
- Ist das der Grund, warum es keine Meinungsformulare mehr gibt und die Internet-
Befragungen kompliziert aufgebaut sind?
Mit SCORE soll die Lufthansa wirtschaftlich wieder fit gemacht werden.
Von derzeit 117.000 Stellen sollen mindestens 3500 gestrichen werden, 2500 davon in
Deutschland. Von der Schließung der Kölner Hauptverwaltung sind 365 Mitarbeiter betroffen.
Bitte erklären Sie uns, warum Mitarbeiter über den baldigen Verlust ihres Arbeitsplatzes aus
der Presse erfahren mussten, nachdem die Vorstände dies zuvor Monate lang verneinten.
Nennen Sie das einen fairen Informationsfluss?
Bitte definieren Sie, was genau Sie unter nachhaltiger Personalpolitik verstehen.
Des Weiteren planen Sie angeblich, ca. 700-1000 Arbeitsplätze nach Krakau zu verlagern.
Wohin werden weitere Arbeitsplätze verlagert und wie viele? Bitte erläutern Sie, warum, und
welche Art von Arbeitsplätzen dies betrifft.
Während bei der LSG weitere Lohnkürzungen und Verlängerung der Arbeitszeiten
vorgesehen sind, soll der Vorstand nun weiter ausgebaut werden. Welcher Gedanke steckt
dahinter? Ist das Teil von nachhaltiger Personalpolitik?

Ein anderes Thema: Ich weiß, Herr Franz, der Atmosfair Airline Index interessiert Sie nicht
sonderlich, ich sage es Ihnen trotzdem: Von Rang 52 ist die Lufthansa nun auf Rang 54
gerutscht (im Vergleich der 100 größten Fluggesellschaften der Welt). Das liege unter
anderem daran, dass die Lufthansa auf der Kurzstrecke zu ca. einem Drittel ineffizientere
Flugzeugmodelle einsetze. Wird sich bezüglich des Einsatzes effizienterer Flugzeugmodelle
in den nächsten Jahren etwas ändern? Gibt es diesbezüglich klare Zielsetzungen für die
nächsten Jahre?
Thema Agro-Kerosin: Wie ist da der Stand Ihrer Forschungen und Anwendungen? Ist das
Thema Agro-Kerosin bei der Lufthansa nun abgehakt? Haben Sie inzwischen auch Zweifel
an der Nachhaltigkeit dieses Kraftstoffes bekommen? Ich habe nicht mehr so viel Infos
darüber gefunden... Es heißt, derzeit verbrauchen Lufthansa-Flugzeuge durchschnittlich 4
Liter Kerosin pro Passagier auf 100km. Wie sehen diesbezüglich die Ziele für die nächsten
Jahre aus?
Emissionshandel: Ich weiß, dass ich mit diesem Thema hier im Saal eher gegen den Strom
schwimme, aber ich nehme es sportlich. Im April hat die EU gegen die Reform des
Emissionshandels (ETS) abgestimmt. Unternehmen können nun weiterhin zum Spottpreis
die Umwelt verschmutzen. Das bedauern wir sehr. Die Einbeziehung des Flugverkehrs in
den Europäischen Emissionshandel wurde erst kürzlich wieder ausgesetzt, bzw. um ein Jahr
verschoben. Herr Franz, Sie sagen selbst, dass Sie es für wenig wahrscheinlich halten, dass
es bald zu einem weltweit einheitlichen Emissionshandel für den Luftverkehr kommt. Das
mag wohl richtig sein. Wir fordern die Lufthansa AG trotzdem auf, anstatt sich auf
europäischer Ebene zurückzuziehen, eine konstruktive Rolle in diesem Prozess zu spielen
und sich nicht vor einer europäischen Lösung zu drücken, so lange keine globale Lösung
gefunden wird. Herr Franz, Sie sagen, Ihre Branche steht unter Druck, besonders in Europa.
Sehen Sie es als Herausforderung! Gerade Ihre Branche hat eine besondere Verantwortung,
wenn es um Umwelt- und Klimaschutz geht! Sie sind die Nr. 1 (wie sie betonen). Dann
verhalten Sie sich auch so!
Eine Frage zu den Windfall Profits der Lufthansa: Im Jahr 2012 hat die Lufthansa gerne
Windfall Profits in Höhe von 53 Millionen Euro eingesteckt. Geld, das ihr eigentlich nicht
zusteht, da sie die Zertifikate ja überwiegend geschenkt bekam. Dieses Geld sollte der
Konzern eigentlich in Klimaschutzmaßnahmen investieren, anstatt in die eigene Tasche zu
stecken. Wie genau wurde oder wird dieses Geld bei der Lufthansa verwendet?
Ich selbst gehöre eher nicht zu Ihren Kunden, da ich lieber mit der Bahn fahre. Ich wünsche
Ihnen aber viel Erfolg, vor allem wünsche ich Ihren Mitarbeitern einen ehrlichen und
aufrichtigen Arbeitgeber, der Verantwortung übernimmt für sein Handeln und für die Umwelt,
die uns alle betrifft...
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!