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50 Jahre Klausenhof: Ehemalige berichten - Akademie Klausenhof

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Seite 4<br />

Akademikerkurse<br />

1979, als vor allem Soziologen/<br />

Sozialwissenschaftler immer häufiger<br />

keine Anstellung mehr fanden,<br />

starteten die Lehrgänge für<br />

Arbeit suchende Akademiker in<br />

der <strong>Akademie</strong> <strong>Klausenhof</strong> mit<br />

dem Praxisseminar "Personalwesen<br />

und EDV". Das Programm<br />

wurde in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem damaligen Landesarbeitsamt<br />

NRW und Wirtschaftsunternehmen<br />

entwickelt. Der<br />

Kurs dauerte neun, später zwölf<br />

Monate, und 70 % bis 90 % der<br />

Absolventinnen und Absolventen<br />

haben anschließend einen Arbeitsplatz<br />

gefunden. Wichtiges<br />

Element war das dreimonatige<br />

Praktikum. Bis zum Ende des<br />

Kurses 2002 haben rund 600<br />

Personen den Kurs besucht. <strong>Ehemalige</strong><br />

dieses Kurses sind daher<br />

in Personalabteilungen vieler Firmen<br />

zu finden. 1987 folgte der<br />

21monatige Umschulungskurs<br />

"Ver lags kaufmann/-frau". Kurzzeitig<br />

bot der <strong>Klausenhof</strong> außerdem<br />

eine Umschulung "Medien kaufmann/-frau"<br />

an. Auf Grund veränderter<br />

Förderpolitik der Bundesagentur<br />

für Arbeit existieren<br />

diese Angebote heute nicht<br />

mehr.<br />

Integrationskurse für<br />

junge Migranten<br />

Die "Kurse zur Verbesserung der<br />

Integrationschancen", wie sie früher<br />

hießen, sind bis heute ein<br />

Klassiker im Bildungsangebot des<br />

<strong>Klausenhof</strong>s. 1976 führte der<br />

<strong>Klausenhof</strong> im Auftrag der spanischen<br />

Botschaft diesen Kurs mit<br />

dem Ziel eines Schulabschlusses<br />

durch. Nahmen im ersten Jahr<br />

nur spanische Jugendliche teil,<br />

öffnete sich der Lehrgang bald<br />

für alle klassischen "Gastar beiter"-Länder<br />

und für Aussiedler.<br />

Lange Zeit förderte das Bundesarbeitsministerium<br />

diese Lehrgänge.<br />

In Spitzenzeiten nahmen<br />

rund 300 Jugendliche pro Jahr<br />

teil. Später öffnete sich der Lehrgang<br />

für Jugendliche aus aller<br />

Welt, die in Deutschland leben.<br />

Hinzu gekommen sind auch spezielle<br />

EU-geförderte Kurse für<br />

junge Flüchtlinge aus Krisen- und<br />

Kriegsgebieten sowie Jugendintegrationskurse.<br />

Ziel der Kurse ist<br />

es immer, die Jugendlichen für<br />

eine Ausbildung fit zu machen. Im<br />

Zentrum dabei stand und steht<br />

heute noch der nachträgliche Erwerb<br />

eines Schulabschlusses<br />

(Hauptschule, mittlerer Schulabschluss/Fachobersschulreife).<br />

Kursprospekt aus den 90er<br />

<strong>Jahre</strong>n.<br />

Doktor statt<br />

arbeitslos<br />

Arif Shoshi ist mittlerweile<br />

Privatdozent an<br />

der Universität Bielefeld.<br />

Als Migrant erlangte<br />

er im <strong>Klausenhof</strong> die<br />

Fachoberschulreife.<br />

Jugendliche Migranten. "Summa<br />

cum laude" - mit der Auszeichnung<br />

des "höchsten Lobes" schloss Arif<br />

Shoshi im Jahr 2003 seine Promotion<br />

zum Doktor der Physik an der<br />

Universität in Heidelberg ab. Den<br />

Grundstein für seine steile Karriere<br />

legte der junge Mann, der einen<br />

Großteil seiner Kindheit im Kosovo<br />

verbrachte, in der <strong>Akademie</strong> <strong>Klausenhof</strong>.<br />

Im Jahr 1989 vermittelte ihn<br />

die Ausländerberatungsstelle in<br />

Bamberg hierhin. Zunächst nahm er<br />

in Rhede an einem sprachlichen Vorbereitungskurs<br />

teil und belegte anschließend<br />

in Dingden einen Kurs<br />

zur Fachoberschulreife. Seine<br />

Schullaufbahn setzte der Wissenschaftler<br />

am Oberstufenkolleg in<br />

Bielefeld fort, erwarb dort das Abitur,<br />

studierte Physik und gibt sein<br />

Wissen nun als Privatdozent an die<br />

Studenten weiter.<br />

Der Werdegang von Shoshi ist<br />

zwar eine Ausnahme, aber er zeigt<br />

dennoch deutlich: Ohne die Zeit im<br />

<strong>Klausenhof</strong> mit ihrer intensiven Bildungsarbeit<br />

hätten die Jugendlichen<br />

überhaupt keine Chance gehabt. Für<br />

viele Absolventinnen und Absolventen<br />

war der Schulabschluss die Tür<br />

zu einer Berufsausbildung. Sonay<br />

Nr. 1 | März 2009<br />

Zeitung der <strong>Akademie</strong> <strong>Klausenhof</strong><br />

<strong>Klausenhof</strong> war der<br />

Viele Arbeit suchende<br />

Akademiker haben im<br />

<strong>Klausenhof</strong> eine neue<br />

Perspektive erhalten.<br />

Hochschulabsolventen. Die Kurse<br />

für arbeitslose Akademiker waren<br />

eines der Erfolgsmodelle in der Geschichte<br />

der <strong>Akademie</strong> <strong>Klausenhof</strong><br />

(s. li.). Dr. Kurt Tohermes ist ein<br />

gutes Beispiel dafür: Er studierte zunächst<br />

Sozialwissenschaften und<br />

Theologie, fand danach nur eine<br />

Halbtagsstelle als Lehrer ohne<br />

Chance auf Übernahme. Er hielt sich<br />

dann mit Jobs über Wasser, bis<br />

er1988 von dem neu eingerichteten<br />

Umschulungskurs "Verlags kaufmann/-frau"<br />

hörte. Zwei <strong>Jahre</strong> spä-<br />

Anna Maria Stiel<br />

Wendepunkt<br />

ter, nach erfolgreichem Abschluss<br />

des Kurses, fand er zunächst eine<br />

Stelle als Verlagskaufmann bei der<br />

Rheinischen Post und wechselte nur<br />

wenige Monate später zum Walter-<br />

Eucken-Berufskolleg Düsseldorf, zu-<br />

Dr. Kurt Tohermes<br />

Arif Shoshi<br />

Necmeddin Günes (li.) und Murat<br />

Atak<br />

Yukaribas mit türkischem Hintergrund<br />

hat z. B. 1999 als 20-Jährige<br />

den mittleren Schulabschluss im<br />

<strong>Klausenhof</strong> erworben und danach in<br />

Warendorf einen beruflichen Einstieg<br />

im Einzelhandel gefunden.<br />

Dzemeila Musiovic, die 1991 vom<br />

Balkankrieg nach Deutschland geflüchtet<br />

ist, schaffte 1995 den Schulabschluss,<br />

machte eine Ausbildung<br />

zur Einzelhandelskauffrau und stieg<br />

zur Teamleiterin in der Textilabteilung<br />

im Kaufhaus real in Rhede-Vardingholt<br />

auf. Necmeddin Günes<br />

aus Kalkar erreichte 2005 die Fachoberschulreife<br />

und absolvierte anschließend<br />

eine Tischlerlehre in Kleve.<br />

Anna Maria Stiel aus Polen<br />

hat nach ihrem Hauptschulabschluss<br />

2001 im <strong>Klausenhof</strong> die Abendrealschule<br />

besucht und eine Ausbildung<br />

zur Floristin gemacht. 2008 wagte<br />

sie sich schließlich mit einer eigenen<br />

Floristik-Boutique "Passaflora – Stil<br />

mit Stiel" in Wiesbaden den Schritt<br />

in die Selbstständigkeit. Murat Atak<br />

(Abschluss 2000) arbeitet nach seiner<br />

Ausbildung und Meisterprüfung<br />

in der Bochumer Bäckerei / Konditorei<br />

Löcher GmbH und bildet sich<br />

derzeit an der <strong>Akademie</strong> des Handwerks<br />

im Schloss Raesfeld zum Betriebswirt<br />

weiter.<br />

ständig für die Ausbildung von Verlagskaufleuten,<br />

wo er bis heute arbeitet.<br />

Mittlerweile ist er auch Autor<br />

des Standard-Fachkundebuches und<br />

einer monatlichen Kolumne zum<br />

Thema "Marketing" im Fachblatt<br />

"Buchmarkt". "Die Zeit im <strong>Klausenhof</strong><br />

war der Wendepunkt in meinem<br />

Leben", sagt er heute rückblickend,<br />

dort habe er das Handwerkszeug<br />

gelernt, das er für seinen jetzigen<br />

Beruf benötigt.<br />

Aber nicht nur der Unterricht ist<br />

ihm zugute gekommen, auch die Lage<br />

des <strong>Klausenhof</strong>s: So fuhr er jeden<br />

Tag per Fahrrad von Wesel zur <strong>Akademie</strong>,<br />

nutzte auch Schwimmbad<br />

und Wald in Dingden für seine<br />

sportlichen Ambitionen, die er aktuell<br />

als 53-Jähriger noch erfolgreich<br />

pflegt. So ist er derzeit deutscher<br />

Vize-Seniorenmeister M<strong>50</strong> im Biathle<br />

(Laufen und Schwimmen), war<br />

vorher zweimal Meister und Zweiter<br />

im Weltcup.<br />

Mit ihrer Fächerkombination<br />

Deutsch/Englisch wäre Monika<br />

Tacke heute eine gefragte Lehrerin,<br />

nicht aber 1988, als es keinerlei Jobs<br />

in der Schule gab. So saß sie bald<br />

zusammen mit Kurt Tohermes im<br />

Umschulungskurs, machte trotz<br />

zwischenzeitlicher Geburt ihres<br />

Kindes den Abschluss ("war ganzschön<br />

anstrengend") und übernahm<br />

auf Grund dieses kaufmännischen<br />

Wissens schließlich 1992 die Buchhandlung<br />

Böckenhoff & Honsel in<br />

Bocholt: "Die <strong>Akademie</strong> <strong>Klausenhof</strong><br />

hat mir geholfen, der Unterricht<br />

war sehr fundiert und ich hatte keine<br />

Probleme, den Laden zu führen",<br />

sagt sie heute.<br />

Personalwesen<br />

Ein anderes Erfolgsmodell war die<br />

Reintegration für<br />

Krankenschwestern<br />

Die Koreanerin Jeong<br />

Youll Song besuchte<br />

erst einen Integrations-,<br />

dann einen Reintegrationskurs<br />

im <strong>Klausenhof</strong>.<br />

Reintegration. Anfang 1974 kam<br />

sie nach Deutschland, wie viele andere<br />

koreanische und philippinische<br />

Krankenschwestern auch, um den<br />

damaligen Personalnotstand in<br />

Deutschlands Krankenhäusern zu<br />

beheben. Der <strong>Klausenhof</strong> bot damals<br />

einmonatige Integrationskurse<br />

für diese jungen Frauen an. Jeong<br />

Youll Song war eine von ihnen. Nach<br />

der <strong>Klausenhof</strong>zeit arbeitete sie im<br />

Kreiskrankenaus Gailendorf. Drei<br />

<strong>Jahre</strong> später gab es wieder genügend<br />

deutsche Krankenpflegekräfte<br />

- und die Gäste aus Fernost wurden<br />

überflüssig, die Arbeitsverträge nicht<br />

verlängert. Der <strong>Klausenhof</strong> bot in<br />

dieser Situation einen neuen Kurstyp<br />

an, der anlässlich einer Konferenz<br />

zwischen koreanischen Industriellen<br />

und Vertretern des Klau-<br />

Qualifizierung "Personalwesen und<br />

EDV"; die sich ebenfalls an Arbeit<br />

suchende Akademiker richtete.<br />

Hartmut Schilling besuchte 1990<br />

diesen Kurs nachdem er mit seinen<br />

Studienfächern Sozialarbeit, Literatur-<br />

und Sozialwissenschaft keine<br />

Stelle gefunden hatte. Noch im<br />

Praktikum wurde ihm eine Stelle im<br />

Bereich Fortbildung bei einem Einzelhandelskonzern<br />

angeboten, nach<br />

zwei <strong>Jahre</strong>n wurde er dort Abteilungsleiter.<br />

Heute ist er als selbstständiger<br />

Coach für Führungskräfte<br />

tätig.<br />

Auch Christoph Tillmann (Abschluss<br />

1983) schaffte über das<br />

Praktikum den Einstieg bei seinem<br />

Arbeitgeber Bayer. Heute ist er zum<br />

Leiter der Personalbetreuung für<br />

alle drei Standorte der Bayer-Tochter<br />

Lanxess aufgestiegen. Er schätzt,<br />

dass insgesamt rund 30 <strong>Ehemalige</strong><br />

aus diesem Kurs eine Anstellung bei<br />

Bayer gefunden haben.<br />

Zu den Pionieren, den "Eisbrechern"<br />

dieses Kurses gehörte Wilhelm<br />

Riepert, der jetzt Referatsleiter<br />

"Modernisierung der Arbeit"<br />

im Ministerium für Arbeit, Gesundheit<br />

und Soziales in NRW ist. Nach<br />

dem Studium (Politik und Soziologie)<br />

habe er nicht gleich eine Stelle<br />

gefunden. So wurde er 1979 vom<br />

Arbeitsamt mehr oder weniger "gezwungen",<br />

an dem neu entwickelten<br />

"revolutionären" Kurs teilzunehmen.<br />

Vieles sei zwar neu und problematisch<br />

gewesen, aber vor allem der<br />

Unterricht in EDV - damals noch<br />

etwas Besonders - habe ihm sehr<br />

geholfen.<br />

Christoph Tillmann<br />

senhofs 1976 in Seoul entwickelt<br />

wurde. So kam es zum Kurs "Höhere<br />

Handelsschule", der zur Auslandskorrespondentin<br />

ausbildete. Jeong<br />

Youll Song und 24 andere Koreanerinnen<br />

absolvierten diesen Kurs. Sie<br />

kehrte nach Seoul zurück und erhielt<br />

bald als Sekretärin bei der dortigen<br />

Niederlassung der Lufthansa<br />

eine Stelle. 1987 wechselte sie zu<br />

Siemens in Seoul, wo sie bis heute<br />

arbeitet. Nächstes Jahr wird sie in<br />

Rente gehen. Der Erfolg dieses Kurses<br />

kann sich sehen lassen: Alle Absolventinnen<br />

haben einen passenden<br />

Job gefunden.<br />

Jeong Youll Song

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