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Außenblick<br />
Evelyn Pschak<br />
Welcher Kreative hätte sich noch vor einem<br />
Jahr freiwillig nach Obersendling begeben?<br />
Oder, zugegebenermaßen, – welcher <strong>Kunst</strong>kritiker?<br />
Der Münchner Süden war kulturelles<br />
Brachland. Industriegebiete, Einkaufszentren,<br />
Parkdecks und kleinbürgerliche Wohngegenden<br />
umrahmen den Ratzinger Platz, der 2008 zum<br />
hässlichsten Fleck Münchens gekürt wurde.<br />
Doch es gab wohl visionäre Geister im<br />
Referat <strong>für</strong> Arbeit und Wirtschaft, die dieser<br />
Flächenskizzierung vor allem eines abzulesen<br />
wussten: Hier ist Platz <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong>. Im dritten<br />
Stock einer ehemaligen Fotofabrik fanden<br />
2000 Quadratmeter weitläufige, luftige Industriearchitektur<br />
eine kulturelle Neubestimmung –<br />
die Platform3: Mit 22 Ateliers von 32 Künstlern,<br />
verglastem Großraumbüro der künstlerischen<br />
Leitung und den volontierenden Kulturmanagern<br />
sowie den Werkstätten der Gebäudemanagementassistenz<br />
<strong>für</strong> Haus- und Ausstellungstechnik.<br />
Sie alle haben im Münchner Süden auf<br />
der Platform3 eine gemeinsame Ebene gefunden,<br />
die sich am Besten darüber definieren<br />
lässt, was sie nicht ist: „Wir sind keine <strong>Kunst</strong>halle,<br />
kein Museum, keine Galerie, kein Vermittlungsinstitut<br />
<strong>für</strong> Künstler, keine Hochschule.“,<br />
hatte Gründungsleiterin Elisabeth<br />
Hartung kurz vor der Eröffnung erklärt. Und<br />
präzisierte den eigenen Ansatz: „Wir wollen<br />
eine Plattform sein, die sichtbar macht, problematisiert,<br />
wo wichtige Fragen der Gegenwart<br />
angesprochen und interdisziplinäre Projekte<br />
realisiert werden“.<br />
Finanziert vom Referat <strong>für</strong> Arbeit und Wirtschaft,<br />
mit der gemeinnützigen Gesellschaft<br />
Wohnforum München als Träger, profitieren die<br />
Künstler im Atelierhaus von den gebündelten<br />
Aktivitäten eines kulturmanagerialen Stabs,<br />
während sich junge Ausstellungsmacher, zunächst<br />
unter der Ägide von Elisabeth Hartung,<br />
inzwischen bei Marlene Rigler, einen Namen<br />
in der <strong>Kunst</strong>szene erarbeiten können. Ausstellungstechnisch<br />
unterstützt von ehemaligen<br />
Langzeitarbeitslosen aus dem Gebäudemanagement.<br />
Da <strong>Kunst</strong> <strong>für</strong> alle Beteiligten oftmals<br />
ein hartes Brot ist, greift hier unterstützend<br />
das „Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm“<br />
der Stadt auf das Kultur<br />
und Jobs verschränkende Pilotprojekt der<br />
Wohnforum München.<br />
Dass sich inzwischen manch Obersendlinger<br />
auf den Gentrifizierungsversuch eingelassen<br />
hat, verdankt sich Projektreihen wie<br />
der des jungen <strong>Kunst</strong>pädagogen Achim Sauters.<br />
Der untersuchte mit Raumsonde Alpenblick<br />
das Terrain auf Koexistenzen und Analogien<br />
zwischen kreativen Neuankömmlingen und indigener<br />
Lebensform: So schaltete das Künstlerund<br />
Kuratorenpaar Paul Huf und Annette<br />
Schemmel im Sendlinger Anzeiger ein Preisrätsel<br />
mit drollig vorformulierten Antworten.<br />
Auf die Frage „Was machen Künstler?“ stand<br />
neben einem der anzukreuzenden Kästchen<br />
als Möglichkeit „Rotwein trinken und gescheit<br />
daherreden“. Zu „Wer war der ‚Blaue Reiter?‘“<br />
gefiel besonders „Eine Trambahnlinie zur alten<br />
Pinakothek“. Und schön war auch die Antwort<br />
auf „Welche Gründe könnte die städtische<br />
Förderung von Ateliers in einem bestimmten<br />
Stadtteil haben?“ – hier vermuten die Rätselautoren<br />
nämlich „Ein Bürgerbegehren <strong>für</strong> mehr<br />
Schöpfertum“. Wie schön. Bleibt zu hoffen,<br />
dass dieser letzte Satz dereinst Nachahmer<br />
finden wird, sollte das Fortbestehen der<br />
Platform3 nach Auslauf der dreijährigen Entwicklungsphase<br />
in Frage gestellt werden.<br />
München braucht Platz <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong> – und wie<br />
Platform3 beweist, gibt es den auch, wo man<br />
ihn zunächst nicht vermutet.<br />
Auftakt<br />
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