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PLATFORM3 - Räume für zeitgenössische Kunst - 2009

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Außenblick<br />

Evelyn Pschak<br />

Welcher Kreative hätte sich noch vor einem<br />

Jahr freiwillig nach Obersendling begeben?<br />

Oder, zugegebenermaßen, – welcher <strong>Kunst</strong>kritiker?<br />

Der Münchner Süden war kulturelles<br />

Brachland. Industriegebiete, Einkaufszentren,<br />

Parkdecks und kleinbürgerliche Wohngegenden<br />

umrahmen den Ratzinger Platz, der 2008 zum<br />

hässlichsten Fleck Münchens gekürt wurde.<br />

Doch es gab wohl visionäre Geister im<br />

Referat <strong>für</strong> Arbeit und Wirtschaft, die dieser<br />

Flächenskizzierung vor allem eines abzulesen<br />

wussten: Hier ist Platz <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong>. Im dritten<br />

Stock einer ehemaligen Fotofabrik fanden<br />

2000 Quadratmeter weitläufige, luftige Industriearchitektur<br />

eine kulturelle Neubestimmung –<br />

die Platform3: Mit 22 Ateliers von 32 Künstlern,<br />

verglastem Großraumbüro der künstlerischen<br />

Leitung und den volontierenden Kulturmanagern<br />

sowie den Werkstätten der Gebäudemanagementassistenz<br />

<strong>für</strong> Haus- und Ausstellungstechnik.<br />

Sie alle haben im Münchner Süden auf<br />

der Platform3 eine gemeinsame Ebene gefunden,<br />

die sich am Besten darüber definieren<br />

lässt, was sie nicht ist: „Wir sind keine <strong>Kunst</strong>halle,<br />

kein Museum, keine Galerie, kein Vermittlungsinstitut<br />

<strong>für</strong> Künstler, keine Hochschule.“,<br />

hatte Gründungsleiterin Elisabeth<br />

Hartung kurz vor der Eröffnung erklärt. Und<br />

präzisierte den eigenen Ansatz: „Wir wollen<br />

eine Plattform sein, die sichtbar macht, problematisiert,<br />

wo wichtige Fragen der Gegenwart<br />

angesprochen und interdisziplinäre Projekte<br />

realisiert werden“.<br />

Finanziert vom Referat <strong>für</strong> Arbeit und Wirtschaft,<br />

mit der gemeinnützigen Gesellschaft<br />

Wohnforum München als Träger, profitieren die<br />

Künstler im Atelierhaus von den gebündelten<br />

Aktivitäten eines kulturmanagerialen Stabs,<br />

während sich junge Ausstellungsmacher, zunächst<br />

unter der Ägide von Elisabeth Hartung,<br />

inzwischen bei Marlene Rigler, einen Namen<br />

in der <strong>Kunst</strong>szene erarbeiten können. Ausstellungstechnisch<br />

unterstützt von ehemaligen<br />

Langzeitarbeitslosen aus dem Gebäudemanagement.<br />

Da <strong>Kunst</strong> <strong>für</strong> alle Beteiligten oftmals<br />

ein hartes Brot ist, greift hier unterstützend<br />

das „Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm“<br />

der Stadt auf das Kultur<br />

und Jobs verschränkende Pilotprojekt der<br />

Wohnforum München.<br />

Dass sich inzwischen manch Obersendlinger<br />

auf den Gentrifizierungsversuch eingelassen<br />

hat, verdankt sich Projektreihen wie<br />

der des jungen <strong>Kunst</strong>pädagogen Achim Sauters.<br />

Der untersuchte mit Raumsonde Alpenblick<br />

das Terrain auf Koexistenzen und Analogien<br />

zwischen kreativen Neuankömmlingen und indigener<br />

Lebensform: So schaltete das Künstlerund<br />

Kuratorenpaar Paul Huf und Annette<br />

Schemmel im Sendlinger Anzeiger ein Preisrätsel<br />

mit drollig vorformulierten Antworten.<br />

Auf die Frage „Was machen Künstler?“ stand<br />

neben einem der anzukreuzenden Kästchen<br />

als Möglichkeit „Rotwein trinken und gescheit<br />

daherreden“. Zu „Wer war der ‚Blaue Reiter?‘“<br />

gefiel besonders „Eine Trambahnlinie zur alten<br />

Pinakothek“. Und schön war auch die Antwort<br />

auf „Welche Gründe könnte die städtische<br />

Förderung von Ateliers in einem bestimmten<br />

Stadtteil haben?“ – hier vermuten die Rätselautoren<br />

nämlich „Ein Bürgerbegehren <strong>für</strong> mehr<br />

Schöpfertum“. Wie schön. Bleibt zu hoffen,<br />

dass dieser letzte Satz dereinst Nachahmer<br />

finden wird, sollte das Fortbestehen der<br />

Platform3 nach Auslauf der dreijährigen Entwicklungsphase<br />

in Frage gestellt werden.<br />

München braucht Platz <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong> – und wie<br />

Platform3 beweist, gibt es den auch, wo man<br />

ihn zunächst nicht vermutet.<br />

Auftakt<br />

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