Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Kunst</strong> und Wirtschaft im Umbruch 1<br />
Doris Rothauer<br />
Wenn Kreativität der Schlüssel zu einer neuen<br />
Gesellschaft ist, dann muss <strong>Kunst</strong> und <strong>Kunst</strong>schaffen<br />
in dieser neuen Gesellschaft eine<br />
Schlüsselrolle spielen, die sie momentan nicht<br />
hat. Eine Schlüsselrolle, die es Künstlern und<br />
<strong>Kunst</strong>schaffenden aufgrund ihrer kreativen Kompetenz<br />
und ihres kreativen Ethos ermöglicht,<br />
den Gestaltungsprozess unseres Gesellschaftswandels<br />
maßgeblich in die Hand zu nehmen. In<br />
ökonomische und politische Gestaltungs- und<br />
Entscheidungsprozesse miteingebunden zu<br />
werden. Neue Denk-, Sicht- und Handlungsweisen<br />
zu eröffnen und verbindlich weiterzugeben.<br />
Um diese Schlüsselrolle einzunehmen, bedarf<br />
es nicht nur einer symbolischen Macht, die<br />
sich auf symbolische Operationen und Diskurse<br />
beschränken muss, sondern realer politischer<br />
Einflussmöglichkeiten. Derzeit sind Künstler<br />
und <strong>Kunst</strong>schaffende zwar gesellschaftlich privilegiert,<br />
werden aber im Zusammenspiel mit<br />
der Wirtschaft und der Politik nicht als gleichwertige<br />
Partner gesehen.<br />
Einer philosophischen <strong>Kunst</strong>anschauung<br />
folgend ist das Ende der <strong>Kunst</strong> mit ihrer Autonomie<br />
gekommen, die ihren Funktionsverlust<br />
bedingte (Liessmann, 1993). Die Aufhebung<br />
der Autonomie wäre demnach eine Möglichkeit<br />
<strong>für</strong> die <strong>Kunst</strong>, sich ihre gesellschaftspolitische<br />
Funktion und Gestaltungsmacht zurückzuerobern.<br />
<strong>Kunst</strong> würde in die Wirklichkeit zurückgeholt<br />
und ihr eine Funktion zugeschrieben werden.<br />
Das würde im Sinne Hegels das Ende des Endes<br />
der <strong>Kunst</strong> und damit ihren Neuanfang bedeuten.<br />
Mit der Autonomie hat sich ein <strong>Kunst</strong>betrieb<br />
ausgebildet, der eigenen Gesetzmäßigkeiten<br />
folgt, in sich autark funktioniert und nur die<br />
Bedürfnisse befriedigt, die er selbst erzeugt<br />
(Liessmann, 1993). Damit ist die Autonomie nur<br />
eine scheinbare, die in Wirklichkeit nicht von<br />
außen bedroht wird, sondern von innen. Es ist<br />
nicht das Bestreben, Künstler und <strong>Kunst</strong>schaffende<br />
in außerkünstlerische Systeme einzubinden,<br />
das ihren Autonomie- und Freiheitsverlust<br />
bedeuten würde. Der <strong>Kunst</strong>betrieb selbst<br />
hat die Autonomie längst aufgehoben und ein<br />
künstliches System mit postfeudalistischen<br />
Strukturen geschaffen, das droht, sich ad absurdum<br />
zu führen. Ein System, das nicht kooperationsfähig<br />
ist, solange es sich nicht öffnet<br />
und ausschließlich selbstreferentiell agiert.<br />
Künstlerische Manifestationen, die immer nur<br />
auf den gleichen autarken Zirkel gerichtet<br />
sind, um sich dort ihre Legitimation zu holen,<br />
haben keine reale gesellschaftspolitische Bedeutung.<br />
<strong>Kunst</strong> muss dorthin gehen, wo Mitgestaltung<br />
gesellschaftlich relevant ist. Das<br />
kann in der Politik, in der Wirtschaft oder in<br />
der Wissenschaft sein. Oder auch in unserer<br />
Alltagskultur, die es Künstlern und <strong>Kunst</strong>schaffenden<br />
ermöglicht, ihre autonome Tätigkeit,<br />
ihre Werthaltungen und ihre Kreativität dort einzuschleusen,<br />
wo „das Leben“ stattfindet.<br />
Wirtschaft und Politik müssen ihrerseits dazu<br />
beitragen, künstlerische Kreativität aufzuwerten,<br />
indem sie den Stellenwert, der ihr vorerst<br />
nur in der Theorie zukommt, auch in der Praxis<br />
bekommt: als Schlüsselwert und Qualifikation<br />
unserer Gesellschaft und Wirtschaft. <strong>Kunst</strong> und<br />
Wirtschaft sind bisher zwei nicht kompatible<br />
Systeme gewesen, da ein zufriedenstellender<br />
Austausch von symbolischem Kapital gegen<br />
ökonomisches Kapital im kapitalistischen System<br />
nicht funktioniert hat. Das könnte sich in<br />
der Wissensgesellschaft ändern. Das verbindende<br />
Element von <strong>Kunst</strong> und Wirtschaft im Umbruch<br />
ist die Kreativität. <strong>Kunst</strong> kann neue Denk-,<br />
Sicht- und Handlungsweisen eröffnen, die die<br />
Wirtschaft aufnehmen und einfließen lassen<br />
sollte. Und es sollten <strong>Kunst</strong> und Wissenschaft<br />
näher zusammenrücken und sich synergetisch<br />
austauschen, um so auf die Wirtschaft zu wirken.<br />
Um die verbindende Kompetenz der Kreativität<br />
auszunutzen, bedarf es veränderter<br />
Rollenbilder. Wenn sich das Selbstverständnis<br />
<strong>Kunst</strong>schaffender von seinen traditionellen<br />
Fesseln löst, dann muss auch das Berufsbild<br />
<strong>Kunst</strong>schaffender, wie es in der Fremdwahrnehmung<br />
besteht, mit dieser Entwicklung mitgehen.<br />
Das von der Gesellschaft, der Wirtschaft<br />
und der Politik einzufordern, sollte eine neue<br />
Aufgabe des <strong>Kunst</strong>betriebes sein.<br />
1 aus: Rothauer, Doris: Kreativität & Kapital.<br />
<strong>Kunst</strong> und Wirtschaft im Umbruch. Wien: WUV 2005, S. 180 f<br />
Anstösse | Kulturelle Arbeit<br />
184 | 185