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viertes auslöschende Brand der Ausnahmefall,<br />
an welchem der prekäre Status desselben<br />
lediglich besonders augenfällig wird. Ist es, so<br />
muss man gerade im Angesicht des perpetuierten<br />
geradezu phantastischen Anschwellens<br />
des Web-Archivs im Terabyte-Maßstab fragen,<br />
nicht eher die Überschwemmung, die alles<br />
gespeicherte Gewusste, das im Archiv abgelegte<br />
Geschehene im Regelfall bedrängt?<br />
Ist es nicht vielmehr die Überflutung des Archivierten<br />
durch einen nicht abreißen wollenden<br />
Strom des neu zu Archivierenden, das nicht<br />
abebben wollende Über- und Unterspültwerden<br />
der Geschichte durch das Andrängen immer<br />
detaillierter erschlossener „alter“ und ständig<br />
hinzukommender „neuer“ Geschichte, worin<br />
die Bedrohung geordneten Wissens von dem,<br />
was war und was in die Gegenwart hinein nachwirkt,<br />
eigentlich begründet liegt?<br />
Um der Geschichte, einem ebenso unaufhörlich<br />
wie multidimensional expandierenden<br />
Feld, im Verstehen so weit und so gut als<br />
möglich beizukommen, haben sich gerade<br />
moderne Archivare philosophischen wie historiographischen<br />
Hintergrunds vielfach als Geschichtenerzähler<br />
versucht: Geleitet von der<br />
Überzeugung, in oder hinter dieser bestimmte<br />
Muster, Kräfte und Prinzipien ausmachen zu<br />
können, haben sie darauf abgezielt, der Geschichte<br />
als dem strukturell unübersichtlichen<br />
Gegenstand ihres Interesses übersichtliche<br />
Form zu geben. So ist die Philosophie in ihrem<br />
Umgang mit Geschichte paradigmatischer<br />
Weise darauf aus, Großnarrative von deren Verlauf<br />
und innerer Konstitution zu entwickeln.<br />
Wesentlich kreisen diese um Figuren des Fortschritts<br />
(Hegels Gedanke eines sich immer<br />
umfassender entfaltenden „Weltgeistes“), des<br />
Verfalls (Heideggers Gedanke einer sich immer<br />
weiter verfestigenden „Seinsvergessenheit“)<br />
oder des Zyklus (Nietzsches Gedanke einer<br />
„ewigen Wiederkehr des Gleichen“). Durch<br />
derlei formale Schemata soll der kaum zu<br />
fassende Fluss des Geschehens bzw. der Erfahrung<br />
des Geschehens konzeptuell eingefangen<br />
und als sinnvolle, nicht zuletzt auch<br />
dramaturgisch gehaltvolle Ganzheit begreifbar<br />
werden. Insbesondere sind dramatic narratives<br />
philosophischer Provenienz darauf ausgerichtet,<br />
der Gegenwart einzigartige Bedeutsamkeit<br />
zuzuschreiben, indem diese entweder – so<br />
unter den Titeln Vernunft und Freiheit – zum<br />
Gipfelpunkt, oder aber – so unter den Titeln<br />
Entfremdung und Selbstverlust – zum Tiefpunkt<br />
menschheitlicher Entwicklung erhoben wird.<br />
Eine dritte Möglichkeit, das Heute als in außergewöhnlicher<br />
Weise geschichtlich relevant zu<br />
profilieren, besteht schließlich darin, dieses<br />
zur „Krise“ zu erklären, zu derjenigen Wasserscheide<br />
also, an welcher sich alle weitere<br />
Zukunft der Menschheit endgültig entscheiden<br />
wird. „Modernität“, bemerkt Michel Foucault<br />
mit Blick auf derartig großformatige Ansätze,<br />
die – mögen sie nun teleologisch, eschatologisch<br />
oder apokalyptisch ausfallen – sämtlich<br />
suggerieren, die geheimen inneren Verlaufsgesetze<br />
der Geschichte decodiert zu haben,<br />
„ist der Wille, die Gegenwart zu heroisieren.“<br />
Obzwar in der Regel kleinteiliger ansetzend,<br />
ist auch die Geschichtswissenschaft darauf<br />
aus, durch wohlgeordnete Narrative dem Herr<br />
zu werden, was Foucault als das „Wimmeln“<br />
der Geschichte bezeichnet. Um überschaubare<br />
Geschichten – von Prozessen des Aufstiegs,<br />
Niedergangs und Umbruchs, von Schwellenund<br />
Sattelzeiten, von Epochenscheiden und<br />
Paradigmenwechseln – zu konstruieren, werden<br />
unterschiedlichste Erzähltechniken aufgeboten:<br />
Kultur- oder Naturgeschichte, Ideen- oder<br />
Ereignisgeschichte, Begriffs- oder Sozialgeschichte,<br />
Wissenschafts- oder Wirtschaftgeschichte<br />
– die sich bietenden Optionen scheinen<br />
unerschöpflich. Dies gilt freilich nicht nur <strong>für</strong><br />
die Modi der Narration, sondern auch <strong>für</strong><br />
den erzählerisch je thematisierten Plot sowie<br />
das Setting desselben. Denn schier unendlich<br />
ist die Fülle der thematisierbaren Ereignisse<br />
und Zwischenfälle, Personen und Strukturen,<br />
Handlungen und Institutionen, Worte und Bilder<br />
sowie – von der longue durée über die Epoche<br />
bis zur Momentaufnahme, von global über<br />
national bis hin zu lokal – der zeitlich-räumlichen<br />
Ausschnitte, die als separate Geschichten<br />
aus der amorphen Masse „Geschichte“ gewonnen<br />
und als isolierte beleuchtet werden<br />
können. Die je angewandte Erzähltechnik<br />
und der je ausgewählte Ausschnitt sind es,<br />
welche die Resultate historischer Forschung,<br />
die Pointen geschichtswissenschaftlicher<br />
Geschichten bestimmen: Sie sind es, die