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der Vergangenheit spricht, vom Vergessen,<br />
und die zugleich versucht, die Türen der Gerechtigkeit<br />
auf die Zukunft hin zu öffnen. Dies<br />
ist eine Geschichte, die sich in der explosiven<br />
Erklärung der Zeit abzeichnet und nicht in<br />
der geistigen Einheit einer unilateral begriffenen<br />
Moderne. All dies soll eine abgeklärte<br />
Moderne nahelegen, die migriert und <strong>für</strong> nicht<br />
erlaubte Winde und Strömungen empfänglich<br />
ist: eine Moderne, die eine diskontinuierliche<br />
Geschichte sät, die sich nicht mehr im Einklang<br />
mit der Synthese befindet, die von einer<br />
Epoche verlangt wird, die nur die Selbstbestätigung<br />
ihres Willens sucht.<br />
Aus dem Englischen übersetzt von Nikolaus G. Schneider.<br />
Literatur<br />
Benjamin, W., „Über den Begriff der Geschichte“, in: ders.,<br />
Gesammelte Schriften, Band 1.2, Frankfurt am Main.<br />
Deleuze, G., und Guattari, F. (1992), Tausend Plateaus,<br />
übers. v. Gabriele Ricke und Ronald Voullié, Berlin.<br />
Foucault, M. (1991), „Andere <strong>Räume</strong>“, in: Aisthesis. Wahrnehmung<br />
heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig.<br />
Melville, H. (2003), Moby Dick or, The Whale, Harmondsworth.<br />
Schmitt, C. (2008), Land und Meer.<br />
Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Stuttgart.<br />
Weizman, E. (2007), Hollow Land:<br />
Israel’s Architecture of Occupation, London.<br />
Wolfe, C. (2008), „Learning from Temple Grandin, or Arnimal<br />
Studies, Disability Studies, and Who Comes After the Subject“,<br />
New Formations, 64.<br />
Geschichte in Archiv und Narrativ –<br />
Navigationsversuche zwischen Golfstrom und Weltgeist<br />
Florian Grosser<br />
„As the past becomes less easily reduced to<br />
a single set of meanings and effects, as the<br />
present is forced to orient itself amid so much<br />
history and so many histories, history itself<br />
emerges as both weightier and less deterministic<br />
than ever before.“<br />
Wendy Brown, Politics out of History<br />
Schriftrollen nicht exakt zu bestimmender<br />
Herkunft pflegten die Bibliothekare Alexandrias<br />
in ihrem Bemühen, dem größten Wissensspeicher<br />
der Antike Struktur zu verleihen, mit<br />
der Aufschrift „Von den Schiffen“ zu versehen.<br />
Über Jahrhunderte hinweg wurde in der Hafenstadt<br />
von einigen der hervorragendsten Köpfe<br />
des Ptolemäerreiches akribisch registriert<br />
und systematisiert, welche in Text gebannten<br />
Kenntnisse die Strömungen und Wellen des<br />
Mittelmeeres an dessen südöstliche Gestade<br />
getragen hatten. Ein verheerender Brand war<br />
es, welcher dem Sammeln und Ordnen, dem<br />
Vermessen und Kartographieren des Wissens<br />
der damaligen (mediterranen) Welt schließlich<br />
ein Ende bereitete und abertausende Geisteswerke<br />
nahezu spurlos verschwinden ließ.<br />
So tief hat sich das traumatische Bild des in<br />
Flammen aufgehenden alexandrinischen<br />
Wissensreservoirs ins kollektive Gedächtnis<br />
eines gesamten Kulturkreises eingebrannt,<br />
dass man sich zu Beginn unseres Jahrtausends<br />
nicht mit dem symbolischen Akt zufrieden gab,<br />
an historischer Stätte eine neue Bibliotheca<br />
Alexandrina zu errichten. Vielmehr erwies sich<br />
die Sorge, erneut einen ähnlich gravierenden<br />
Gedächtnisverlust zu erleiden, als triebkräftig<br />
genug, um eben dort auch einen „Mirror“, eine<br />
Kopie des Internet Archive, des umfangreichsten<br />
existierenden Archivs digitaler Daten, zu<br />
installieren.<br />
Aller Eindrücklichkeit und offensichtlichen<br />
Wirkungsmacht der Szene von Unmengen zu<br />
Asche zerfallender schriftzeichenübersäter<br />
Papyri zum Trotz – es scheint, als sei der Archi-<br />
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