PLATFORM3 - Räume für zeitgenössische Kunst - 2009

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Kintopp im Spätkapitalismus (Auszug) Wenzel Storch „Angefangen hat vielleicht alles mit ein bißchen Rauschgift, das weiß ich nicht mehr so genau. Jedenfalls spukt mir seit den ersten Trips die Vorstellung im Kopf rum: Ich würde gerne mal einen Film sehen, der so kunterbunt und angenehm durcheinander ist, wie die Welt auf Pille nun mal eben so ist. Und da es all das Schöne, was man sich da so zusammenträumt, in der grausamen Wirklichkeit nicht gibt, muß man sich seine kleine Welt eben selber zurechtbasteln.“ „Wenn man im Grunde seines Herzens aber arbeitsscheu ist und vor allem ‚entfremdete Arbeit‘ verabscheut – das ist noch hängengeblieben seit ich mit elf Jahren mal der kleinste und fanatischste KPW-Sympathisant Hildesheims war –, muß man sich nach der Schule schnell was einfallen lassen. Also: Drehbuch schreiben und Filmförderung beantragen! Dann muss der Steuerzahler für den ganzen Hokuspokus aufkommen, den man demnächst so verzapft. Hinzu kommt, dass sich keiner gerne langweilt, und wenn man einen Film macht, hat man wenigstens was zu tun und kommt sich nicht so nutzlos vor oder auf dumme Gedanken.“ „Die ganze Wahrheit ist: Zehn Jahre lang war Super 8 meine Lieblingsdroge, und – Filmförderung sei Dank – jetzt kann ich endlich auf mein heißersehntes 16 mm umsteigen. Womit eine letzte Frage allerdings immer noch nicht beantwortet wäre, nämlich die, wieso denn einer wie ich nicht wie jeder normale Mensch was Anständiges arbeiten geht, sondern einfach nur blöde Filme macht. Da bleibt mir nur, den großen Jürgen Höhne zu zitieren. Der wird als Oleander von den barmherzigen Schwestern, die ihn in ihrem Klösterchen aufgenommen haben, dabei erwischt, wie er an langen Winterabenden heimlich Langhaarige aus Teenie- Zeitschriften ausschnippelt. Verständnislos fragen sie: ‚Warum machen Sie den das alles?‘ Oleander erwidert halb stolz, halb scheinheilig: ‚Was? Das? Nur so! Aus Scheiß!‘ Womit auch diese letzte Frage beantwortet wäre.“ Wenzel Storch: Kintopp im Spätkapitalismus (aus: Risiken und Nebenwirkungen. Komik in Deutschland, hrsg. von Niels Folckers und Wilhelm Solms, 1996, S. 79–116.)
Wenzel Storch, Die Reise ins Glück, Filmstill Gespräch mit Wenzel Storch, 29.7.2009 Projekte 2009 | Raumsonde Alpenblick 114 | 115
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