Recht und Steuern im Gas- und Wasserfach Zum Lieferbeginn als Vertragsbeginn (Vorschau)
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He raus ge ge ben vom Bun des ver band der<br />
Energie- <strong>und</strong> Was ser wirt schaft e.V.<br />
43. Jahrgang · Nr. 7/8 · Juli/August 2012<br />
<strong>und</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong><br />
Was ser fach<br />
<strong>Recht</strong>sprechung<br />
Vertragsrecht<br />
<strong>Zum</strong> <strong>Lieferbeginn</strong> <strong>als</strong> <strong>Vertragsbeginn</strong><br />
OLG Naumburg, Urteil vom 17.02.2011, 1 U 76/10<br />
Leitsatz (nicht amtlich)<br />
Das OLG Naumburg hat folgende AGB-Klausel in einem Stromliefervertrag<br />
zum <strong>Vertragsbeginn</strong> für unwirksam beurteilt:<br />
„Nach Eingang des K<strong>und</strong>enauftrags bei den XX kommt der Energieliefervertrag<br />
erst durch ausdrückliche schriftliche Bestätigung<br />
durch die XX unter Angabe des Liefertermins zustande. Der Vertrag<br />
hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Die Laufzeit beginnt mit der<br />
Stromlieferung.“<br />
Aus den Gründen:<br />
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen, die die Beklagte gegenüber K<strong>und</strong>en ihres<br />
Angebots S. Spar Strom verwendet. Soweit das Landgericht die<br />
Klauseln aus Nr. 3 Abs. 2 (fristlose Kündigung) <strong>und</strong> Nr. 10 Abs. 3<br />
(Nutzung gespeicherter K<strong>und</strong>endaten) für unwirksam erklärt hat, ist<br />
das Urteil rechtskräftig. In der Berufungsinstanz streiten die Parteien<br />
noch über folgende Klauseln:<br />
Nr. 2 Abs. 1 S. 1:<br />
Nach Eingang des K<strong>und</strong>enauftrages bei den S. kommt der Vertrag<br />
S.Spar Strom erst durch ausdrückliche schriftliche Bestätigung durch<br />
die S. unter Angabe des <strong>Lieferbeginn</strong>s zustande.<br />
Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf den Inhalt des<br />
Liefervertrages, in dem es u. a. heißt:<br />
Hiermit beauftrage ich die S. (S.) zum nächstmöglichen Zeitpunkt<br />
innerhalb der nächsten 3 Monate mit der Lieferung von elektrischer<br />
Energie gemäß Ziffer …<br />
Nr. 3 Abs. 1 S. l:<br />
Der Vertrag hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Die Laufzeit beginnt<br />
mit der Lieferung S. Spar Strom.<br />
Nr. 7 S. 1:<br />
Bei einer Unterbrechung oder bei Unregelmäßigkeiten in der Elektrizitätsversorgung<br />
sind, soweit es sich um die Folgen einer Störung des<br />
Netzbetriebes einschließlich des Netzanschlusses handelt, die S. von<br />
der Leistungspflicht befreit.<br />
Das Landgericht hält die Klausel in Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB wegen<br />
Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB für unwirksam. Die Klauseln in<br />
Nr. 3 Abs. 1 S. 1 <strong>und</strong> Nr. 7 S. 1 AGB verstießen demgegenüber nicht<br />
gegen § 309 Nr. 9 lit. a BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (i.V.m. den<br />
§§ 326 Abs. 1, 314 BGB).<br />
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung,<br />
mit denen sie hinsichtlich der vorgenannten Klauseln ihre erstinstanzlichen<br />
Anträge weiterverfolgen.<br />
II. Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere Form- <strong>und</strong> fristgerecht<br />
eingelegt <strong>und</strong> begründet worden. Die Berufung der Beklagten<br />
wird zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg:<br />
1. Berufung der Beklagten:<br />
Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die Klausel aus Nr. 2 Abs. 1<br />
S. 1 der AGB nicht gegen § 308 Nr. 1 BGB verstoße, kann dem nicht<br />
gefolgt werden. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt der Berufung,<br />
dass § 308 Nr. 1 BGB quasi voraussetzt, dass der K<strong>und</strong>e für<br />
eine unbest<strong>im</strong>mte oder unangemessen lange Zeit an sein Angebot<br />
geb<strong>und</strong>en ist. Nicht gefolgt werden kann aber der Ansicht, dass die<br />
vertraglichen Regelungen keine K<strong>und</strong>enbindung beinhalteten Ob<br />
dies bei einer isolierten Betrachtung von Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB<br />
angenommen werden könnte, kann letztlich dahinstehen Die<br />
Beklagte weist selbst auf die Regelung in dem Liefervorvertrag hin,<br />
in der von einer Belieferung innerhalb der nächsten 3 Monate die<br />
Rede ist. In der Zusammenschau mit Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB kann<br />
der durchschnittliche K<strong>und</strong>e – auf dessen Sicht <strong>im</strong> Zeitpunkt der<br />
Angebotsabgabe abzustellen ist (Staudinger/Coester-Waltjen BGB,<br />
Neubearbeitung 2006, § 308 Nr. 1, Rn. 12) – die Klausel nur so verstehen,<br />
jedenfalls für 3 Monate an sein Angebot geb<strong>und</strong>en zu sein.<br />
Eine solche Bindungsfrist ist auch für Energielieferungsverträge zu<br />
lang. Die angemessene Dauer der Leistungspflicht richtet sich nach<br />
Art der geschuldeten Leistung unter Berücksichtigung der erforderlichen<br />
Beschaffungs- <strong>und</strong> Herstellungszeit (Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt<br />
AGB-<strong>Recht</strong>, 10. Aufl., § 308 Nr. 1, Rn. 16). Zu berücksichtigen<br />
ist, dass das Gesetz selbst (HS 2) festlegt, welcher Umstand<br />
nicht in die Best<strong>im</strong>mung der Frist einfließen kann. Im Übrigen ist<br />
wesentlich darauf abzustellen, wer die Frist beeinflussen kann, ob<br />
dies <strong>als</strong>o von Umständen in der Sphäre des Verwenders oder des<br />
K<strong>und</strong>en abhängig ist (Staudinger a.a.O., Rn. 18). Die Beklagte hat<br />
es <strong>im</strong> Liefervertrag übernommen, die Abwicklung des bisherigen<br />
K<strong>und</strong>envertrages durchzuführen (z. B. die Kündigung gegenüber<br />
dem bisherigen Stromversorger auszusprechen u.s.w.). Soweit die<br />
Beklagte in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass weitere<br />
Schritte bis zum Beginn der Energielieferung notwendig seien<br />
(Anmeldung des K<strong>und</strong>en be<strong>im</strong> örtlichen Stromnetzbetreiber), mag<br />
dies unterstellt werden. Sämtliche Schritte, die der Aufnahme der<br />
Strombelieferung vorausgehen, sind indes von der Beklagten zu<br />
veranlassen. Der K<strong>und</strong>e hat darauf keinerlei Einfluss. insbesondere<br />
auch keine Einwirkungsmöglichkeit <strong>im</strong> Verhältnis zur Beklagten.<br />
Bei einer Gesamtschau kann auch den Ausführungen in der Berufungsbegründung<br />
nicht entnommen werden, woraus sich die Notwendigkeit<br />
dieser – wenigstens – 3-monatigen Frist ergibt. Vergleicht<br />
man die Frist mit den Fristen, die in der <strong>Recht</strong>sprechung für verschiedene<br />
Fallgestaltungen <strong>als</strong> unangemessen lang angesehen wurden<br />
(<strong>Recht</strong>sprechungsübersicht: Staudinger a.a.0., Rn. 11), müssen<br />
die 3 Monate <strong>als</strong> unangemessen lang angesehen werden Das Landgericht<br />
ist damit <strong>im</strong> Ergebnis zutreffend von der Unwirksamkeit der<br />
Klausel ausgegangen.<br />
2. Berufung des Klägers:<br />
Die Berufung hat Erfolg, soweit sie sich gegen Nr. 3 Abs. 1 S. 1 der<br />
AGB wendet, die weitergehende Berufung hat keinen Erfolg.<br />
Nach § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist eine Klausel unwirksam, die eine<br />
verbindliche Vertragslaufzeit von mehr <strong>als</strong> 2 Jahren vorsieht. Nach
30 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012<br />
Nr. 3 Abs. 1 S. 2 der AGB beginnt die Laufzeit mit dem Beginn der<br />
Belieferung. Diese Regelung steht <strong>im</strong> direkten Widerspruch zur<br />
<strong>Recht</strong>sprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs (BGHZ 122, 63. 67), die<br />
davon ausgeht, dass dann, wenn keine Rückwirkung vereinbart<br />
wurde, die Laufzeit mit dem Vertragsschluss beginnt <strong>und</strong> gerade<br />
nicht mit einer später einsetzenden Leistungserbringung. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> muss Nr. 3 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit der –<br />
ebenfalls unwirksamen – Klausel aus Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB<br />
gesehen werden. Wie unter 1. ausgeführt, handelt es sich bei der<br />
3-Monatsfrist aus dem Liefervertrag um eine anzunehmende Mindestfrist<br />
für die Bindung des K<strong>und</strong>en. Dass es sich dabei um eine<br />
Höchstfrist handelt, steht demgegenüber nicht fest. In der entsprechenden<br />
Klausel ist lediglich von der Belieferung mit Energie die<br />
Rede. Da Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB den Vertragsabschluss von der<br />
schriftlichen Bestätigung durch die Beklagte abhängig macht, steht<br />
nicht einmal fest, dass bei <strong>Lieferbeginn</strong> der Vertrag überhaupt schon<br />
besteht (<strong>im</strong> Hinblick auf die Schriftlichkeitsklausel kann er nicht<br />
automatisch mit dem <strong>Lieferbeginn</strong> zustande kommen). Der Lieferzeitraum<br />
<strong>und</strong> die Vertragslaufzeit können mithin völlig unterschiedlich<br />
sein <strong>und</strong> können sich daher <strong>im</strong> Einzelfall auch auf mehr<br />
<strong>als</strong> 24 Monate summieren. Da eine AGB-Klausel transparent <strong>und</strong><br />
eindeutig sein muss, kann entgegen der Ansicht des Landgerichts<br />
nicht davon ausgegangen werden, dass die Höchstlaufzeit aus § 309<br />
Nr. 9 lit. a BGB nicht doch überschritten werden könnte, selbst wenn<br />
dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht der Fall sein<br />
wird.<br />
Ohne Erfolg bleibt die Berufung soweit sie sich gegen Nr. 7 S. 1 der<br />
AGB wendet. Der Senat n<strong>im</strong>mt insoweit in vollem Umfang Bezug<br />
auf die zutreffende Begründung <strong>im</strong> angefochtenen Urteil (LGU<br />
S. 7). Die Klausel befasst sich eindeutig nur mit der Leistungspflicht<br />
des Verwenders <strong>und</strong> enthält keinerlei Anh<strong>als</strong>punkte dafür, dass sich<br />
be<strong>im</strong> K<strong>und</strong>en der Eindruck einstellen könnte. dass ihm Gegenansprüche<br />
nicht zustehen könnten. Woraus sich dieser Eindruck ergeben<br />
könnte. vermag die Berufung nicht aufzuzeigen<br />
RA Carsten Wesche, BDEW<br />
Wettbewerbsrecht<br />
<strong>Zum</strong> unlauteren, irreführenden Werben mit Selbstverständlichkeiten<br />
Landgericht Duisburg, Urteil vom 27.09.2011,<br />
22 O 85/09<br />
Leitsatz (nicht amtlich)<br />
Eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist dann unzulässig,<br />
wenn sie bei einem nicht unbeachtlichen Teil des angesprochenen<br />
Verkehrs einen unrichtigen Eindruck erweckt. Das ist der Fall, wenn<br />
die Selbstverständlichkeit – hier die Werbung für einen Wechsel<br />
ohne Wechselkosten in Unkenntnis des Verbrauchers darüber, dass<br />
Wechselgebühren gem. § 41 Abs. 1 Nr. 5 EnWG unzulässig sind –<br />
werbemäßig <strong>als</strong> Besonderheit herausgestellt wird.<br />
Sachverhalt<br />
Die Parteien sind Stromversorgungsunternehmen <strong>und</strong> Wettbewerber<br />
auf dem Gebiet des Strommarktes für Endabnehmer. Die Klägerin<br />
versorgt K<strong>und</strong>en dabei mit Erdgas, Strom, Fernwärme <strong>und</strong><br />
Wasser <strong>und</strong> ist in dem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung<br />
Gr<strong>und</strong>versorger für Strom <strong>und</strong> <strong>Gas</strong> <strong>im</strong> Sinne des § 36 EnWG.<br />
Im Oktober 2008 ließ die Beklagte Postwurfsendungen (Flyer) verteilen,<br />
mit dem sie versuchte, K<strong>und</strong>en der Klägerin abzuwerben <strong>und</strong><br />
zum Wechsel des Stromanbieters zu veranlassen. Gegen Ende des<br />
Monats Oktober 2008 riefen Mitarbeiter eines von der Beklagten<br />
beauftragten Callcenters bei mehreren K<strong>und</strong>en der Klägerin an,<br />
wobei der Ablauf der Gespräche gr<strong>und</strong>sätzlich wie folgt verlief: Der<br />
Anrufer fragte, ob die jeweiligen K<strong>und</strong>en Geld sparen wollen, ob sie<br />
Strom über die St... AG bezögen, dass man günstiger Strom anbieten<br />
könne, ob man Zähler-Nummer oder Verbrauchs-Nummer<br />
nennen könne. In allen Gesprächen wurden die Namen „Ri… <strong>und</strong>/<br />
oder W…“ genannt. Die jeweiligen angerufenen K<strong>und</strong>en hatten in<br />
einen solchen Anruf nicht eingewilligt. Bereits unter dem 7.11.2008<br />
hatte die Klägerin be<strong>im</strong> Landgericht Duisburg gegen die Beklagte<br />
den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Mitte des Jahres<br />
2009 ließ die Beklagte weitere Postwurfsendungen verteilen, um<br />
Strom- <strong>und</strong> <strong>Gas</strong>k<strong>und</strong>en der Klägerin abzuwerben. Im Laufe des<br />
Monats Juni 2009 wurden zudem mehrere K<strong>und</strong>en der Klägerin von<br />
Beauftragten der Beklagten aufgesucht. Der K<strong>und</strong>in B… der Klägerin<br />
stellte sich der Beauftragte dabei mit der Aussage vor, dass er von<br />
den Stadtwerken komme, er sei von …, … gehöre aber zu den Stadtwerken,<br />
… könne aber der K<strong>und</strong>in bessere Preise anbieten, <strong>und</strong> zwar<br />
statt 146,00 € bei der Beklagten lediglich 50,00 € bei … für den<br />
Strombezug. Eine weitere Beauftragte der Beklagten gab über der<br />
K<strong>und</strong>in der Klägerin K… an, dass sie von den Stadtwerken komme<br />
<strong>und</strong> dass diese mit (phonetisch) „Impr<strong>im</strong>a“ zusammenarbeiten würden.<br />
Eine Beauftragte gab gegenüber der K<strong>und</strong>in der Klägerin Frau A…<br />
an, sie komme von „…“, „…“ arbeite mit den Stadtwerken zusammen<br />
<strong>und</strong> die Stadtwerke würden alles an … abgeben. Am 8.6.2009<br />
wurde schließlich die K<strong>und</strong>in der Klägerin Ka… von zwei Beauftragten<br />
der Beklagten aufgesucht, wobei einer gegenüber der K<strong>und</strong>in<br />
angab, er komme von den Stadtwerken. Auf die wiederholten<br />
Fragen der K<strong>und</strong>in, ob er mit den Stadtwerken zusammenarbeite,<br />
wurde dies bejaht mit der Aussage, dass … mit den Stadtwerken <strong>und</strong><br />
R… zusammenarbeite.<br />
In der Folge wurde die Beklagte mit einem Abmahnschreiben aufgefordert,<br />
eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung<br />
zu unterzeichnen, was diese jedoch am 16.7.2009 ablehnte.<br />
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe sich wettbewerbswidrig<br />
verhalten; aus technischen Gründen des Netzbetriebs gebe es keine<br />
100 %ige Netz- bzw. Versorgungssicherheit, so dass jeder Stromlieferant<br />
davon abhängig sei, dass der zuständige Netzbetreiber zuverlässig<br />
arbeite; die Aussagen zur Versorgungssicherheit stellten zudem<br />
eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, die sie von anderen<br />
Mitbewerbern nicht abheben würden. Soweit die Beklagte damit<br />
werbe, ein potenzieller K<strong>und</strong>e könne ohne Anmeldegebühr <strong>und</strong><br />
ohne Wechselkosten zur Beklagten wechseln, stelle dies eine irreführende<br />
Werbung dar. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 5 Energiewirtschaftsgesetz<br />
müssten Energielieferungsverträge nämlich zwingend Best<strong>im</strong>mungen<br />
darüber enthalten, dass ein Wechsel des Stromanbieters unentgeltlich<br />
möglich sei; Wechselgebühren seien daher gesetzlich ohnehin<br />
unzulässig.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die Klage hat überwiegend Erfolg.<br />
Hinsichtlich der Anträge I. 1. b) <strong>und</strong> c), II. 2. 3. <strong>und</strong> 4. war die<br />
Beklagte bereits aufgr<strong>und</strong> ihres Anerkenntnisses zu verurteilen, § 307<br />
ZPO.<br />
II.) Hinsichtlich des Antrages I. 1. a), aa) ist die Klage ebenfalls<br />
begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch<br />
die Werbeaussage betreffend ein potenzieller K<strong>und</strong>e<br />
könne kostenlos ohne Wechselkosten wechseln gemäß den §§ 3, 5, 8<br />
UWG zu. Die beanstandete Werbeaussage stellt einen Verstoß gegen<br />
das Verbot der irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten<br />
nach § 5 UWG dar. Allerdings ist der Hinweis, dass K<strong>und</strong>en kostenlos<br />
ohne Wechselkosten zur Beklagten wechseln können, objektiv<br />
richtig. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erhebung von<br />
Wechselgebühren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 5 Energiewirtschaftsgesetz<br />
gesetzlich unzulässig ist <strong>und</strong> stellt damit letztlich lediglich einen<br />
Hinweis auf eine Selbstverständlichkeit dar. Indessen ist auch eine<br />
Werbung mit derartigen Angaben dann unzulässig, wenn sie bei<br />
einem nicht unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs einen<br />
unrichtigen Eindruck erweckt, was dann der Fall ist, wenn sie werbemäßig<br />
<strong>als</strong> Besonderheit herausgestellt wird (BGH, GRUR, 1990,<br />
1029, 1030; GRUR, 2008, 532, 534). Hintergr<strong>und</strong> ist, dass dann bei<br />
einem unk<strong>und</strong>igen Publikum, welches die Selbstverständlichkeit<br />
nicht kennt, irrig angenommen wird, es werde ein Vorzug der angebotenen<br />
Ware oder Dienstleistungen beworben, der dieser gegenüber<br />
anderen vergleichbaren Angeboten der allen Konkurrenzwaren
<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012 31<br />
<strong>und</strong> -angeboten gleichermaßen vorhanden sind (OLG Köln, NJWE-<br />
WettbR, 1999, 101). Die vorgenannte Äußerung auf dem <strong>im</strong> Oktober<br />
2008 von der Beklagten verteilten Flyer (BI. 271 GA.) stellt sich<br />
<strong>als</strong> nach diesen Gr<strong>und</strong>sätzen irreführend dar. Dem Hinweis, dass<br />
ohne Wechselkosten gewechselt werden kann, der sich auf dem<br />
Anschreiben des Flyers unter Ziffer 1. befindet, ist nämlich der Satz<br />
„Wechseln auch Sie <strong>und</strong> profitieren Sie dreifach“ vorangestellt. Die<br />
beanstandete Äußerung folgt sodann <strong>als</strong> einer von insgesamt drei<br />
angeblichen Umständen, aus denen sich ein derartiges Profitieren<br />
ergeben soll. Dann wird aber jedenfalls ein nicht unbeachtlicher Teil<br />
des angesprochenen Verkehrs diesen Hinweis so verstehen, dass<br />
damit ein Vorteil gerade <strong>und</strong> nur der beworbenen Leistung dargestellt<br />
werden soll. Denn dem durchschnittlichen Verbraucher wird<br />
nicht ohne Weiteres bekannt sein, dass Erhebung von Wechselgebühren<br />
be<strong>im</strong> Wechsel des Stromanbieters gesetzlich gar nicht zulässig<br />
ist. Demgemäß wird ein nicht unerheblicher Teil der Werbeadressaten<br />
einen besonderen Vorteil erwarten, der bei den Leistungen der<br />
Mitbewerber nicht ohne Weiteres enthalten ist. Denn der bloßen<br />
Information über eine Eigenschaft des beworbenen Produktes oder<br />
der beworbenen Leistung, die diesem bzw. dieser mit allen anderen<br />
konkurrierenden Angeboten gemeinsam ist, misst der Verkehr in<br />
aller Regel keine Besonderheit der in einer Anzeige konkret beworbenen<br />
individuellen Leistung des bewerbenden Unternehmens bei,<br />
so dass er auch keinen – hier indessen nach dem Vorgesagten gerade<br />
vorliegenden – hervorgehobenen Hinweis darauf erwartet (vgl.<br />
OLG Köln, NJWE-WettbR, 1999, 101, 102).<br />
Soweit beklagtenseits ausgeführt wird, der Kontext der Aussage<br />
lasse keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Aussage „ohne<br />
Anmeldegebühr <strong>und</strong> Wechselkosten“ einzig <strong>und</strong> allein darauf<br />
abstelle, dass die Beklagte darauf verzichte, eine „Anmeldegebühr“<br />
oder etwaige sonstige Wechselkosten zu erheben; es werde daher<br />
zutreffend nur darauf hingewiesen, dass die Beklagte den Neuk<strong>und</strong>en<br />
bei Abschluss eines Stromlieferungsvertrages nicht mit irgendwelchen<br />
Anschlusskosten, Einstands- oder Vorauszahlungen belaste,<br />
vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Nach der Überzeugung<br />
der Kammer wird nämlich zumindest ein nicht unerheblicher Teil<br />
der angesprochenen Werbeadressaten der Werbeaussage eine Bedeutung<br />
dahin be<strong>im</strong>essen, dass sie sich auf Wechselgebühren bezieht.<br />
Diese lassen sich nämlich ohne Weiteres unter den Begriff der<br />
„Wechselkosten“ fassen. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen<br />
Werbeadressaten wird die Aussage daher so verstehen, dass<br />
ein Wechsel des K<strong>und</strong>en mit keinen zusätzlichen finanziellen Belastungen<br />
gegenüber dem bisherigen Anbieter verb<strong>und</strong>en ist. Dies gilt<br />
dabei um so mehr, <strong>als</strong> dass die Frage, ob bei einem Wechsel des<br />
Anbieters für den Stromk<strong>und</strong>en gegenüber seinem bisherigen Anbieter<br />
Kosten entstehen, für eine Entscheidung zum Wechsel ersichtlich<br />
eine nicht unerhebliche Relevanz.<br />
III. Der Antrag zu I. 1. a) bb) ist indessen unbegründet.<br />
Eine Vorschrift, die es verbieten würde, bei einem Wechsel des Stromanbieters<br />
Anmeldegebühren in Rechnung zu stellen, existiert<br />
nicht. Insoweit steht daher lediglich eine freiwillige Leistung der<br />
Beklagten in Rede. Der Werbende, der in der Werbung eine freiwillig<br />
erbrachte Leistung herausstellt, die weder gesetzlich vorgeschrieben<br />
ist noch zum Wesen der Ware gehört, bringt zwar eine Selbstverständlichkeit<br />
zum Ausdruck, wenn sie <strong>im</strong> Geschäftsverkehr durchweg<br />
erbracht wird. Er handelt aber deswegen noch nicht notwendig<br />
auch irreführend. Denn der Hinweis dient weniger dazu, einen Vorzug<br />
gegenüber den Mitbewerbern zu behaupten, <strong>als</strong> dazu, den Eindruck<br />
zu verhindern, der Werbende erbringe nicht die übliche Leistung.<br />
Auf eine freiwillig erbrachte Leistung kann der Werbende<br />
daher gr<strong>und</strong>sätzlich hinweisen, auch wenn andere Mitbewerber<br />
keine höheren Preise verlangen oder die gleiche Qualität bieten<br />
(Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 5 UWG, Rn. 2, 116).<br />
Umstände, aus denen sich vorliegend etwas Anderes ergeben könnte,<br />
sind nicht ersichtlich. Soweit klägerseits in diesem Zusammenhang<br />
insbesondere ausgeführt wird, die enge Verbindung der Wechselkosten<br />
mit der Aussage „keine Anmeldegebühren‘ infiziere auch die<br />
Werbeaussage über die Nichterhebung von Anmeldegebühren; beide<br />
Begriffe könnten aufgr<strong>und</strong> ihres drucktechnischen Zusammenhangs<br />
nicht willkürlich voneinander getrennt werden, wird übersehen, dass<br />
„Anmeldegebühren“ <strong>und</strong> „Wechselkosten“ zwar in Ziffer 1. in dem<br />
Anschreiben des streitgegenständlichen Flyers genannt sind. Gleichwohl<br />
wird ohne Weiteres erkennbar zwischen beidem differenziert.<br />
Insoweit wird aber nach Überzeugung der Kammer der durchschnittlich<br />
informierte <strong>und</strong> verständige Verbraucher, der die Werbung<br />
mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit zur<br />
Kenntnis n<strong>im</strong>mt, die vorgenannten Begrifflichkeiten ohne Weiteres<br />
in dem Sinne verstehen, dass sich die „Anmeldegebühren“ in<br />
Abgrenzung zu den „Wechselkosten“ auf die Beklagte, <strong>als</strong> Unternehmen<br />
zu dem gewechselt werden soll, beziehen. Eine Irreführung<br />
<strong>im</strong> vorgenannten Sinne scheidet dann aber aus.<br />
IV. Hinsichtlich der Anträge zu I., 1., a), cc), dd), ee), ist die Klage<br />
hingegen gemäß den §§ 3, 5, 8 UWG begründet. Dabei können diese<br />
Anträge nicht isoliert betrachtet werden. Maßgeblich für die Auslegung<br />
des Sinnes dieser beanstandeten Äußerungen sind vielmehr die<br />
Gesamtumstände der Werbung <strong>und</strong> die gewählte Ausdrucksweise<br />
(vgl. KG, NJW-RR, 1997, 995, 997). Aus der gemäß diesem Gr<strong>und</strong>satz<br />
vorzunehmenden Auslegung der genannten Angaben <strong>im</strong> streitgegenständlichen<br />
Flyer von Oktober 2008 folgt aber, dass diese<br />
beanstandeten Aussagen irreführend sind <strong>und</strong> deswegen das Unterlassungsbegehren<br />
der Klägerin gemäß den §§ 3, 5, 8 UWG berechtigt<br />
ist.<br />
Mit Urteil vom 10.3.2009, Aktenzeichen 20 U 238/08, hat das Oberlandesgericht<br />
Düsseldorf eine Werbung mit dem Text „Sicherer<br />
<strong>Gas</strong>versorger: Wir garantieren Ihnen jederzeit 100 %ige <strong>Gas</strong>belieferung.<br />
Profitieren Sie jetzt von den günstigen ... –<strong>Gas</strong>preisen!“ beanstandet.<br />
Es hat hierzu ausgeführt, dass schon die Verwendung des<br />
Wortes „jederzeit“ zeige, dass es nicht lediglich um die Versorgungssicherheit<br />
in der Situation des Wechsels gehe <strong>und</strong> allein ein unterbrechungsfreier<br />
Wechsel des <strong>Gas</strong>versorgers garantiert werden solle.<br />
Vielmehr reiche die Werbeaussage zweifellos darüber hinaus <strong>und</strong><br />
betreffe die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses, für die stets<br />
eine sichere <strong>Gas</strong>versorgung garantiert werden solle. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
gebe es nach Überzeugung des Senats zumindest einen<br />
nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher, die der<br />
Werbeaussage ihrem Wortlaut entsprechend eine weitergehende<br />
Bedeutung dahin bemessen würden, dass die garantierte Versorgungssicherheit<br />
die Antragsgegnerin gegenüber sonstigen Anbietern<br />
am Markt hervorheben solle. Die Werbebroschüre sei nämlich nach<br />
ihrem gesamten Inhalt darauf angelegt, K<strong>und</strong>en zu einem Wechsel<br />
des <strong>Gas</strong>versorgers zu veranlassen. Aufgezählt würden, mit einem<br />
Haken versehen, drei ausdrücklich so bezeichnete „Vorteile“ der<br />
Antragsgegnerin. Sie würden in drei Spalten mit den Überschriften<br />
„garantiert günstig“, „Bequemer Wechsel“ <strong>und</strong> „sicherer <strong>Gas</strong>versorger“<br />
dargestellt. Neben dem günstigen Preis werde damit besonders<br />
die Versorgungssicherheit der Antragsgegnerin herausgehoben, die<br />
„jederzeit“ zu 100 % garantiert sein solle. Damit wolle die Antragsgegnerin<br />
nach dem Verständnis zumindest eines erheblichen Teils<br />
der angesprochenen Verbraucher sich gegenüber anderen Versorgern<br />
hervorheben. So werde durchaus der Eindruck erweckt, sicherer<br />
<strong>als</strong> andere Unternehmer zu sein. Tatsächlich sei dies nicht der<br />
Fall, wie zwischen den Parteien nicht streitig sei. Mit der angegriffenen<br />
Formulierung hebe die Antragsgegnerin sich indes von anderen<br />
Unternehmen ab <strong>und</strong> nehme eine Sonderstellung hinsichtlich der<br />
Versorgungssicherheit in Anspruch, die ihr nicht zukomme.<br />
Der vorliegende Fall liegt nicht anders. Auch hinsichtlich des streitgegenständlichen<br />
Flyers heißt es „Wechseln Sie <strong>und</strong> profitieren Sie<br />
dreifach“. Sodann werden unter den Ziffern 1. bis 3. unter den<br />
Schlagworten „kostenlos“, „bequem“ <strong>und</strong> „sicher“ die Umstände,<br />
die zu einem profitablen Wechsel führen sollen, hervorgehoben.<br />
Unter dem Schlagwort „sicher“ wird dabei nicht nur die Begrifflichkeit<br />
„keine Leistungsunterbrechung“, sondern auch eine 100 %ige<br />
Versorgungssicherheit genannt. Die sichere Versorgung wird auch<br />
<strong>im</strong> Weiteren hervorgehoben, wenn in dem Flyer die Überschrift „Ihr<br />
Vorteil: einfacher Wechsel – sichere Versorgung!“ verwendet wird.<br />
Aufgezählt werden dann – unter arabischer Nummerierung die<br />
Begrifflichkeiten „Garantiert günstig“, „Bequemer Wechsel“ <strong>und</strong><br />
„Sicherer Strom“. Dort wird sodann ausgeführt, dass die Strombelieferung<br />
jederzeit zu 100 % gesichert sei – <strong>im</strong> gesamten B<strong>und</strong>esgebiet.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> will dann aber auch <strong>im</strong> vorliegenden
32 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012<br />
Fall die Beklagte nach dem Verständnis zumindest eines erheblichen<br />
Teils der angesprochenen Verbraucher sich gegenüber anderen Versorgern<br />
hervorheben, indem der Eindruck erweckt wird, sicherer <strong>als</strong><br />
andere Unternehmen zu sein. Dies gilt dabei um so mehr, <strong>als</strong> dass –<br />
wie bereits ausgeführt – ein nicht unerheblicher Teil der Werbeadressaten<br />
einen besonderen Vorteil erwartet, wenn in einer Anzeige ein<br />
Merkmal bzw. ein Umstand des besonderen Angebotes besonders<br />
betont wird. Denn der bloßen Information über eine Eigenschaft des<br />
beworbenen Produktes oder der beworbenen Leistung, die diesem<br />
bzw. dieser mit allen anderen konkurrierenden Angeboten gemeinsam<br />
ist, misst der Verkehr in aller Regel keine Besonderheit der in<br />
einer Anzeige konkret beworbenen individuellen Leistung des werbenden<br />
Unternehmens bei, so dass er auch keinen hervorgehobenen<br />
werblichen Hinweis darauf erwartet (OLG Köln, NJWE-WettbR,<br />
1999, 101, 102).<br />
Soweit beklagtenseits darauf hingewiesen wird, dass vorliegend <strong>im</strong><br />
Gegensatz zur vorgenannten Entscheidung des Oberlandesgerichts<br />
Düsseldorf eine 100 %ige Belieferung nicht garantiert worden sei,<br />
führt diese schon <strong>im</strong> Hinblick auf die Herausstellungen der Versorgungssicherheit,<br />
die nach dem Vorgesagten ein nicht unerheblicher<br />
Teil der Werbeadressaten <strong>als</strong> einen besonderen Vorteil begreifen<br />
wird, zu keiner anderen Betrachtung. Abgesehen davon wird ein<br />
derartiger Personenkreis die Hinweise auf die 100 %ige Versorgungssicherheit<br />
<strong>und</strong> die Sicherung der Strombelieferung zu 100 % <strong>im</strong><br />
gesamten B<strong>und</strong>esgebiet letztlich aber auch in keinem anderen Sinne<br />
<strong>als</strong> einer entsprechenden Garantie verstehen.<br />
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist der Antrag zu I. 1.,<br />
a) cc) auch nicht gemäß § 11 Abs. 1 UWG verjährt. Geht man mit<br />
dem Beklagtenvortrag von einer für den Verjährungsbeginn relevanten<br />
Kenntnis der Klägerseite am 22.10.2009 aus, wurde die Verjährung<br />
gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 9 ZPO durch das vor dem Landgericht<br />
Duisburg <strong>und</strong> später vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter<br />
den Aktenzeichen 21 O 138/08 bzw. 20 U 36/09 geführte einstweilige<br />
Verfügungsverfahren, das den selben Flyer zum Gegenstand hatte,<br />
gehemmt. Durch die Rücknahme des Antrages auf Erlass der einstweiligen<br />
Verfügung mit Schriftsatz vom 22.6.2009 endet die Hemmung<br />
sodann durch eine Beendigung des Verfahrens gemäß § 204<br />
Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. Beck OK/Henrich, § 204 BGB, Rn. 49) sechs<br />
Monate später. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagtenseite jedoch<br />
bereits der Klageschriftsatz <strong>im</strong> vorliegenden Verfahren, nämlich am<br />
17.12.2009, zugestellt, so dass gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut<br />
Hemmung eintrat. Ob diese Zustellung <strong>im</strong> Verhältnis zur Einreichung<br />
der Klage am 27.7.2009 demnächst <strong>im</strong> Sinne von § 167 ZPO<br />
war, mag daher dahinstehen.<br />
Die Hemmungswirkung des einstweiligen Verfügungsverfahrens<br />
bezieht sich auch auf den Antrag zu I. 1. a), cc) aus der Klageschrift<br />
vom 20.7.2009. Ein entsprechender, wortgleicher Antrag wurde zwar<br />
<strong>im</strong> einstweiligen Verfügungsverfahren nicht gestellt. Ist eine Unterlassungsklage<br />
auf eine konkrete Verletzungsform gerichtet, hemmt<br />
sie jedoch auch die Verjährung hinsichtlich der „kerngleichen“ Verletzungsformen,<br />
auf die sich die <strong>Recht</strong>skraft des Urteils erstrecken<br />
würde (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., 2011, § 11 UWG, Rn.<br />
1.46). Die <strong>Recht</strong>skraft eines Unterlassungsurteils bezieht sich aber<br />
auch auf solche Verstöße gegen das Unterlassungsgebot, die den<br />
Kern der Verbotsform unberührt lassen (BGH, GRUR 1994, 844).<br />
Vorliegend betrifft der Antrag zu I. 1. a), cc) eine <strong>im</strong> Verhältnis zur<br />
vorgenannten einstweiligen Verfügungsverfahren kerngleiche Verletzungsform.<br />
Dieses Verfahren bezog sich nämlich nicht nur auf den<br />
gleichen Flyer, sondern hatte ausdrücklich das Unterlassungsbegehren<br />
bezogen auf die Angaben <strong>im</strong> Flyer, dass ein Wechsel „100%<br />
Versorgungssicherheit – keine Leistungsunterbrechung“ biete, zum<br />
Gegenstand. Auch wurde Unterlassung der Behauptung begehrt,<br />
dass man den Wechsel lediglich am günstigen Preis bemerke, was die<br />
Einfachheit eines Wechsels <strong>im</strong>pliziert. Damit ist aber der Antrag zu<br />
I. 1. a), cc) vom sachlichen Umfang des <strong>im</strong> einstweiligen Verfügungsverfahrens<br />
geltend gemachten Unterlassungsanspruchs<br />
erfasst.<br />
V. Die Anträge zu II. 1. a) bis d) sind ebenfalls gemäß den §§ 3, 5, 8<br />
UWG begründet.<br />
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite fehlt es hinsichtlich der<br />
Begehren zu II. 1. a) aa), d), aa) nicht an der Wiederholungsgefahr.<br />
Eine durch die Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr<br />
erstreckt sich gr<strong>und</strong>sätzlich auf alle <strong>im</strong> Kern gleichartigen<br />
Verletzungshandlungen, ohne dass insofern auf eine Erstbegehungsgefahr<br />
zurückgegriffen werden müsste (Köhler/Bornkamm, UWG,<br />
29. Aufl. 2011, § 8 UWG, Rn. 1.52). Bei der Verwendung der streitgegenständlichen<br />
Äußerungen „Im gesamten B<strong>und</strong>esgebiet ist die<br />
lückenlose Strombelieferung zu 100 % gewährleistet <strong>und</strong> gesetzlich<br />
garantiert,“ <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Zusatz „Be<strong>im</strong> Wechsel des<br />
Versorgers entstehen daher keine Versorgungslücken.“, sowie „Die<br />
lückenlose <strong>Gas</strong>belieferung ist zu 100 % gewährleistet <strong>und</strong> gesetzlich<br />
garantiert.“ <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Zusatz „Be<strong>im</strong> Wechsel des<br />
Energieversorgers entstehen daher keine Versorgungslücken.“ stehen<br />
<strong>im</strong> Verhältnis zu einer lediglich isolierten Verwendung dieser<br />
Aussagen aber derartige <strong>im</strong> Kern gleichartige Verletzungshandlungen<br />
in Rede. Dies gilt dabei umso mehr, <strong>als</strong> dass die Zusätze jeweils<br />
in einem neuen Satz enthalten sind. Es kann angesichts der unter<br />
Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges der beanstandeten<br />
Werbung vorzunehmenden Auslegung zudem keinen Unterschied<br />
machen, ob die beanstandeten Passagen in der streitgegenständlichen<br />
Werbung <strong>im</strong> selben Absatz aufgeführt sind oder, ob die<br />
Beklagte hierfür einen neuen Absatz wählt, so dass die Passagen<br />
isoliert wären.<br />
Auch <strong>im</strong> Übrigen sind die Anträge begründet, wie sich aus den vorstehenden<br />
Ausführungen unter III. ergibt. Soweit die Beklagte in<br />
dem Flyer aus dem Jahr 2009 auf gesetzliche Garantien hinweist,<br />
führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Optisch, da andersfarbig<br />
hervorgehoben auf dem Flyer, sind nämlich die sog. „…Pluspunkte“,<br />
die sodann untereinander angeordnet, mit deutlichem<br />
Abstand <strong>und</strong> daher besonders ins Auge fallend geschrieben mit<br />
„garantiert günstig“, „einfacher Wechsel“ <strong>und</strong> „gesetzlich garantiert<br />
sichere Energie“ benannt werden. Gerade der optisch hervorgehobene<br />
Hinweis, dass es sich hierbei um einen … Pluspunkt handeln<br />
soll, erweckt aber den Eindruck, dass insoweit ein Vorteil in Rede<br />
steht, den [die Beklagte] gegenüber anderen Anbietern hat. Tatsächlich<br />
besteht ein derartiger Vorteil demgegenüber nicht.<br />
VI. Wie sich aus dem Vorgesagten ergibt, ist der Antrag zu II. 1. e)<br />
gemäß den §§ 3, 5, 8 UWG begründet. Der Antrag zu II. 1. f) ist<br />
hingegen unbegründet.<br />
<br />
Assessorin jur. Alexandra Höffken DVV GmbH,<br />
<br />
RA Dr. Dietmar Hempel, Dortm<strong>und</strong><br />
Wettbewerbsrecht<br />
Zur irreführenden Umweltwerbung<br />
„100% umweltfre<strong>und</strong>lich“<br />
LG Stendal, Urteil vom 09.06.2011, 31 O 40/10<br />
Leitsatz (nicht amtlich)<br />
Die Umweltwerbung „100% umweltfre<strong>und</strong>lich“ suggeriert eine<br />
absolute Umweltverträglichkeit <strong>und</strong> ist deshalb irreführend, wenn<br />
die unrichtige Vorstellung hervorgerufen wird, dass eine Wärmepumpe<br />
unabhängig von fossilen Brennstoffen <strong>und</strong> absolut emissionsfrei<br />
arbeitet, obwohl sie mit Strom betrieben wird.<br />
Tatbestand<br />
Die Klägerin n<strong>im</strong>mt den Beklagten auf Unterlassung von Werbeaussagen<br />
in Anspruch.<br />
Die Klägerin, ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher<br />
Interessen, verfolgt u. a die Aufgabe, einen funktionierenden Wettbewerb<br />
zu erhalten, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen <strong>und</strong> den lauteren<br />
Geschäftsverkehr zu fördern.<br />
Der Beklagte verkauft <strong>und</strong> installiert sogenannte Wärmepumpen <strong>als</strong><br />
Heizsysteme. In einem Werbeprospekt warb der Beklagte u. a. mit<br />
folgenden Angaben:
<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012 33<br />
„30 Jahre Erfahrung in der Wärmepumpentechnik“<br />
„100% umweltfre<strong>und</strong>lich!“<br />
„Unabhängig von fossilen Brennstoffen! … Kein Treibhauseffekt“<br />
Ferner enthält der Prospekt unter der Überschrift Sparsam-effizient-umweltfre<strong>und</strong>lich<br />
die Angabe:<br />
„Eine Wärmepumpe ist in der Anschaffung absolut erschwinglich<br />
<strong>und</strong> garantiert niedrige Betriebskosten.“<br />
Hieran schließen sich Prozentangaben für <strong>Gas</strong>heizung, Ölheizung,<br />
Pelletsheizung <strong>und</strong> Wärmepumpe mit einem jeweiligen Balkendiagramm<br />
an. Hierunter findet sich der Zusatz:<br />
„Betriebskosten für ein Jahr (gesamt Heizung) für ein Wohnhaus<br />
mit 175 m 2 , Heizlast: 11,5 kW.“<br />
Die Klägerin macht geltend, dass die streitgegenständlichen Werbeaussagen<br />
unzutreffend bzw. irreführend seien. Mit der Werbung<br />
„100% umweltfre<strong>und</strong>lich“ sowie „unabhängig von fossilen Brennstoffen“...<br />
kein Treibhauseffekt“ suggeriere der Beklagte eine absolute<br />
Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit, d.h. eine vollkommene Unabhängigkeit<br />
von Energiequellen fossiler Brennstoffe, die bei der Energieerzeugung<br />
negativ auf die Umwelt einwirkten. Er rufe insoweit bei den<br />
interessierten Verkehrskreisen die unrichtige Vorstellung hervor, mit<br />
dem Kauf <strong>und</strong> Einsatz einer Wärmepumpe zum Heizen eines Hauses<br />
verzichte der Verbraucher künftig vollständig auf den Verbrauch<br />
fossiler Brennstoffe. Er verursache so keinerlei CO 2 -Ausstoß <strong>und</strong><br />
trage insoweit auch nicht zum Treibhauseffekt bei. Unstreitig würden<br />
die Wärmepumpen des Beklagten jedoch mit erheblichen Mengen<br />
Strom betrieben. Der in Deutschland gelieferte Strom bestehe<br />
-ebenfalls unstreitig- ganz oder zumindest zu überwiegenden Teilen<br />
aus nicht regenerativen Energiequellen wie Kohle, <strong>Gas</strong> oder Öl. Bei<br />
der Stromerzeugung entstünden zu einem ganz erheblichen Maß<br />
CO 2 -Ausstöße, die zum Treibhauseffekt beitrügen. Die Werbung sei<br />
daher nicht nur unwahr, sondern auch grob irreführend. Irreführend<br />
sei auch der von dem Beklagten in seinem Prospekt vorgenommene<br />
Kostenvergleich. Durch den Kostenvergleich entstehe bei den Verkehrskreisen<br />
der Eindruck, dass es sich um einen Kostenvergleich<br />
handele, der sämtliche Kosten für Kauf <strong>und</strong> Einsatz der dort verglichenen<br />
Heizsysteme umfasse, Tatsächlich erfasse der Vergleich<br />
jedoch nicht die Investitionskosten für die Anschaffung <strong>und</strong> Installation<br />
der Wärmepumpe. Die dargestellte Kostenrelation sei daher<br />
unzutreffend <strong>und</strong> spiegele eine tatsächlich nicht gegebene Günstigkeit<br />
des Wärmepumpensystems vor. Auch die Alterswerbung sei<br />
unzutreffend. Tatsächlich sei der Betrieb des Beklagten erst zum<br />
8.8.2006 gegründet worden (unstreitig). Der Beklagte <strong>und</strong> das von<br />
ihm betriebene Unternehmen verfüge damit gerade nicht über<br />
30 Jahre Erfahrung in dem Bereich.<br />
Der Beklagte wendet ein, dass der Prospekt <strong>im</strong> Februar 2007 hergestellt<br />
<strong>und</strong> in den Folgemonaten verteilt worden sei. Er sei auch nicht<br />
mehr <strong>im</strong> Besitz der Prospekte. Ebenso wenig habe er vor, in der<br />
Zukunft den Prospekt weiter zu verteilen. In dem Prospekt habe der<br />
Beklagte auch keine unwahren oder täuschenden Angaben gemacht.<br />
Unter der Angabe „100% umweltfre<strong>und</strong>lich“ finde sich der Zusatz<br />
„Heizen mit kostenloser Umweltenergie! Das ist wirtschaftlich <strong>und</strong><br />
umweltfre<strong>und</strong>lich!“. Hiermit werde zum Ausdruck gebracht, dass<br />
100 %ige Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>und</strong> somit auch eine Unabhängigkeit<br />
von fossilen Brennstoffen dann erreicht werde, wenn mit<br />
Umweltenergie, wie der aus Windkraft-, Photovoltaik- oder Windkraftanlagen<br />
die Anlage betrieben werde. Gleiches gelte für die<br />
Werbeaussage „Unabhängig von fossilen Brennstoffen! … kein<br />
Treibhauseffekt“. Dazwischen stehe der Zusatz „CO 2 -Verminderung“.<br />
Hieraus sei ersichtlich, dass weniger CO 2 anfalle, nicht<br />
jedoch, dass gar kein CO 2 anfalle. Durch das Weglassen weiterer<br />
Passagen entfremde die Klägerin daher die Werbeaussage. Hinsichtlich<br />
des Kostenvergleichs sei ausdrücklich kein Vollkostenvergleich<br />
aufgestellt. Es würden hierin lediglich der Kostenbetrag in der<br />
Anschaffung denen der niedrigen Betriebskosten gegenüber gestellt.<br />
Hinsichtlich der Alterswerbung dürfe der Beklagte hingegen auf<br />
eine 30jährige Erfahrung des Vorunternehmens zurückgreifen, da er<br />
das Know-how sowie die Mitarbeit des bisherigen Inhabers vertraglich<br />
erworben habe.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Die Klage ist zulässig <strong>und</strong> in dem <strong>im</strong> Urteilstenor ersichtlichen<br />
Umfang begründet.<br />
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Unterlassungsanspruch<br />
hinsichtlich der Alterswerbung <strong>und</strong> der Umweltwerbung<br />
durch den Beklagten in dem streitgegenständlichen Prospekt gemäß<br />
den § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 Ziff. 1 <strong>und</strong> 3 UWG<br />
zu). Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr<br />
auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3<br />
UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorn<strong>im</strong>mt. Unlautere<br />
geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind,<br />
die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen<br />
Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG).<br />
Unlauter handelt insbesondere, wer eine irreführende geschäftliche<br />
Handlung vorn<strong>im</strong>mt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG). Eine geschäftliche<br />
Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder<br />
sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Angaben<br />
enthält:<br />
1. Die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie<br />
Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken usw. (§ 5 Abs. 1<br />
Satz 2 Ziff.UWG), den Erlass des Verkaufs wie das Vorhandensein<br />
eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art <strong>und</strong> Weise, in<br />
der er berechnet wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 UWG) oder die Person,<br />
Eigenschaften oder <strong>Recht</strong>e des Unternehmens wie Identität,<br />
Vermögen einschließlich der <strong>Recht</strong>e des geistigen Eigentums, den<br />
Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status. Zulassug u.a. (§ 5<br />
Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 UWG).<br />
Die Werbeaussagen des Beklagten in dem streitgegenständlichen<br />
Werbeprospekt sind teilweise irreführend. Für die Irreführung<br />
genügt es, dass eine Angabe geeignet ist, die Umworbenen irrezuführen<br />
<strong>und</strong> sie zu f<strong>als</strong>chen Angaben zu beeinflussen. Hierbei kommt es<br />
nicht auf den objektiven Wortsinn <strong>und</strong> auch nicht darauf an, wie<br />
der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder gewerbliche<br />
Leistung verstanden haben will. Maßgebend ist vielmehr die Auffassung<br />
der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (vgl. nur<br />
Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 UWG, Rz. 2.65 f. <strong>und</strong> 2.67<br />
m.w.N.).<br />
Diesem Maßstab folgend ist die Alterswerbung des Beklagten „30<br />
Jahre Erfahrung in der Wärmepumpentechnik „ unzulässig. Alterswerbung<br />
enthält versteckte Qualitätssignale, die geeignet sind, die<br />
Kaufentscheidung der Verbraucher zu beeinflussen. Mit dem Alter<br />
werden dem Unternehmen vom Verkehr auf dem betreffenden<br />
Gebiet wirtschaftliche Leistungskraft, Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Solidität<br />
zugeschrieben. Ein Unternehmen darf sich daher nicht älter machen<br />
<strong>als</strong> es in Wirklichkeit ist (vgl. nur Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5<br />
UWG, Rz. 5.55). Unstreitig besteht das Unternehmen des Beklagten<br />
erst seit August 2006. Durch den Hinweis auf eine dreißigjährige<br />
Berufserfahrung wird aus der Sicht des Verbrauchers dem Unternehmen<br />
ein Alter zugeschrieben, das das Unternehmen des Beklagten<br />
tatsächlich nicht hat. Ferner wird dem Unternehmen des Beklagten<br />
mit dieser Werbeaussage eine Erfahrung zugeschrieben, über die<br />
der Beklagte tatsächlich ebenfalls nicht verfügt. Es mag sein, dass<br />
der Beklagte den früheren Inhaber des Unternehmens <strong>als</strong> Mitarbeiter<br />
beschäftigt hat. Es mag auch sein, dass er ein gewisses Knowhow<br />
von dem vorherigen Inhaber des Unternehmens übernommen<br />
hat. Eine geschäftliche Kontinuität liegt insoweit jedoch nicht vor.<br />
Ungeachtet der Verwendung des Know-Hows <strong>und</strong> der Weiterbeschäftigung<br />
des vorherigen Inhabers schreibt der Durchschnittsverbraucher<br />
diese Erfahrung eben gerade dem Beklagten zu. Im Bereich<br />
der noch relativ jungen Wärmepumpentechnik ist auch für den<br />
Verbraucher die Werbung mit jahrzehntelanger Erfahrung von<br />
erheblicher Relevanz.<br />
2. Die von dem Beklagten in dem streitgegenständlichen Prospekt<br />
enthaltene Umweltwerbung „100 % umweltfre<strong>und</strong>lich“, „Unabhängig<br />
von fossilen Brennstoffen kein Treibhauseffekt“ ist ebenfalls<br />
unzulässig. Maßgebend für die Beurteilung eine Werbeaussage ist<br />
die beanstandete Werbung aufgr<strong>und</strong> des Gesamteindrucks. Einzelne<br />
Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen deshalb<br />
nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Nur wenn eine
34 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012<br />
Einzelangabe vom flüchtigen Leser ohne Zusammenhang mit dem<br />
übrigen Werbetext wahrgenommen <strong>und</strong> verwendet wird, ist eine<br />
isolierte Beurteilung geboten. Für die Blickfangwerbung trifft dies<br />
indes nicht uneingeschränkt zu. Hierbei hängt es von den Umständen<br />
des Einzelfalles ab, wie deutlich aufklärende Hinweise gestaltet<br />
sein müssen. Geht es um eine Werbung, die auch von einem verständigen<br />
Verbraucher nur flüchtig wahrgenommen wird, muss der<br />
Betrachter auf geeignete Weise ein Warnsignal erhalten, das ihm<br />
zeigt, dass der Blickfang nicht vorbehaltlos gilt (Köhler/Bornkamm,<br />
a.a.O., § 5 UWG Rz. 2.90 <strong>und</strong> 2.93 ff.). Da mit dem wachsenden<br />
Umweltbewusstsein der Abnehmer ökologische Gesichtspunkte<br />
zunehmende Bedeutung für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen<br />
erlangen, besteht lauterkeitsrechtlich ein besonderes Bedürfnis<br />
für einen Irreführungsschutz. Zur Meidung einer Irreführung<br />
besteht ein gesteigertes Informationsbedürfnis der umworbenen<br />
Verkehrskreise über Bedeutung <strong>und</strong> Inhalt der in der Werbung verwendeten<br />
Hinweise, Begriffe <strong>und</strong> Zeichen (Köhler/Bornkamm,<br />
a.a.O., § 5 Rz. 4.167). Soweit der Beklagte in dem streitgegenständlichen<br />
Prospekt mit „100 % umweltfre<strong>und</strong>lich“ wirbt, wird eine<br />
absolute Umweltverträglichkeit suggeriert. Insbesondere <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit dem vorstehenden Sachtext, in welchem es heißt, dass<br />
die Wärmepumpe unabhängig von fossilen Brennstoffen <strong>und</strong> absolut<br />
emissionsfrei arbeitet, wird der unzutreffende Eindruck erweckt,<br />
dass Energiequellen fossiler Brennstoffe für den Betrieb der Wärmepumpe<br />
überhaupt nicht benötigt werden. Dies gilt erst recht für die<br />
auf einer der Folgeseiten in . der Sprechblase ebenfalls hervorgehobene<br />
Aussage „Unabhängig von fossilen Brennstoffen, CO 2 -Verminderung,<br />
kein Treibhauseffekt“. Auch hierdurch wird dem Verbraucher<br />
der Eindruck vermittelt, vollständig auf den Verbrauch fossiler<br />
Brennstoffe verzichten zu können. Eben dieser Eindruck wird nicht<br />
dadurch relativiert, dass eine CO 2 -Verminderung aufgeführt ist.<br />
Vielmehr legt dies nahe, dass der Verbraucher, der sich für eine Wärmepumpe<br />
des Beklagten entscheidet, dadurch, dass er keinerlei fossile<br />
Brennstoffe benötigt, seinerseits zur Verminderung des CO 2<br />
beiträgt. Die Einschränkung des Beklagten, eine 100 %ige Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
<strong>und</strong> somit eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen<br />
werde dann erreicht, wenn mit Umweltenergie, wie der aus<br />
Windkraft-, Photovoltaik- <strong>und</strong> Windkraftanlagen die Anlage betrieben<br />
werde, wird <strong>im</strong> Prospekt nicht deutlich. Vielmehr wird diese<br />
Bedingung an keiner Stelle des Prospektes ausdrücklich so ausgeführt.<br />
3. Anders verhält es sich hingegen mit dem <strong>im</strong> Prospekt aufgeführten<br />
Kostenvergleich. Dieser ist weder unwahr noch zur Täuschung<br />
geeignet.<br />
Zwar wird ein Vergleich verschiedener Heizungssysteme regelmäßig<br />
nicht <strong>als</strong> zulässig erachtet. wenn nur einer von mehreren Kostenfaktoren<br />
der Systeme herausgestellt <strong>und</strong> – das Bild der Gesamtkosten<br />
verfälschend – miteinander verglichen wird (vgl. nur BGH Urteil<br />
vom 1.2.1996 – I ZR 50/94 – „Energiekosten – Preisvergleich“; LG<br />
Stuttgart RdE 1993 Seite 24, 25). In engen Grenzen ist ein Warenvergleich<br />
indes zulässig. Die wahre <strong>und</strong> sachlich richtige vergleichende<br />
Werbung ist zulässig, wenn die in Vergleich gesetzten Leistungen,<br />
Waren oder Systeme sachlich vergleichbar sind <strong>und</strong> für den<br />
Vergleich in dieser Form ein sachlich gerechtfertigter Anlass besteht<br />
<strong>und</strong> die Angaben sich nach Art <strong>und</strong> Maß in den Grenzen des Erforderlichen<br />
<strong>und</strong> der wahrheitsgemäßen, sachlich richtigen Erörterung<br />
halten (BGH, Urteil vom 19.9.1996 – I ZR 72/94 –„Energiekosten-<br />
Preisvergleich II“ <strong>und</strong> BGH, Urteil vom 1.2.1996 – I ZR 50/94 –<br />
„Energiekosten-Preisvergleich“ – jeweils zitiert nach juris). Eben<br />
dies ist hier der Fall. Der Vergleich beschränkt auf den Vergleich von<br />
Betriebskosten für 1 Jahr, die nach der Säulengrafik ausdrücklich<br />
auf ein Wohnhaus mit 175 qm <strong>und</strong> einer Heizlast von 11,5 KW<br />
bezogen sind. Dass die Angaben unwahr sind, behauptet die Klägerin<br />
auch nicht. Der Vergleich ist schlicht sachlich gehalten. Auch<br />
dem flüchtigen Betrachter wird deutlich, dass die dort angegebenen<br />
Betriebskosten nicht mit der Einrichtung <strong>und</strong> dem Betrieb einer<br />
Heizungsanlage, gleich welchen Systems, insgesamt gleichzusetzen<br />
sind. Dies gilt erst recht vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass vor der Grafik<br />
ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass eine Wärmepumpe in<br />
der Anschaffung „erschwinglich“ sei. Dies macht hinreichend deutlich,<br />
dass weitere Kostenfaktoren von Bedeutung sind. Der Vergleich<br />
beschränkt sich auch nur auf ein konkretes Beispiel. Auch<br />
dem flüchtigen Leser wird damit nicht der Eindruck vermittelt, dass<br />
die allgemeine Wirtschaftlichkeit der angegebenen Heizsysteme<br />
behandelt <strong>und</strong> miteinander verglichen wird. In diesem Zusammenhang<br />
erwartet der durchschnittliche Verbraucher deshalb auch keine<br />
weitere Aufklärung. In einer Gesamtbetrachtung kann für die streitgegenständliche<br />
Werbung von einer Irreführung keine Rede sein.<br />
4. Soweit ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, streitet eine tatsächliche<br />
Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Die durch den begangenen<br />
Wettbewerbsverstoß begründete tatsächliche Vermutung für das<br />
Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch<br />
die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt<br />
werden. Sie entfällt insbesondere nicht schon mit der Aufgabe<br />
der Betätigung, in deren Rahmen die Verletzungshandlung erfolgt<br />
ist, solange auch nicht jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme<br />
ähnlicher Tätigkeiten durch den Verletzer beseitigt ist (BGH<br />
GRUR 2001, Seite 453, 455). Der Beklagte hat eine strafbewehrte<br />
<strong>und</strong> Unterlassungserklärung bislang nicht abgegeben. <strong>Recht</strong>lich<br />
unerheblich ist seine Behauptung, den Werbeprospekt seit drei Jahren<br />
nicht mehr an K<strong>und</strong>en zu verteilen. Mit Blick auf die fortdauernde<br />
geschäftliche Betätigung des Beklagten besteht durchaus die<br />
Möglichkeit einer weiteren Verletzungshandlung.<br />
RA Annett Heublein, BDEW<br />
Leitungs- <strong>und</strong> Wegerecht<br />
Duldungspflicht von Wasserleitungen durch die Keller<br />
mehrerer Plattenbauten in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
OLG Rostock, 3. Zivilsenat, Urteil vom 16.12.2011,<br />
3 U 35/11<br />
Leitsätze<br />
1. Die Duldungspflicht der Gr<strong>und</strong>stückseigentümer aus § 8 Abs. 1<br />
AVB WasserV bezieht sich auf das Verlegen von Leitungen etc.<br />
über Gr<strong>und</strong>stücke des Eigentümers. Das Verlegen von Ringleitungen<br />
innerhalb der Keller von mehreren Gebäuden ist hiervon<br />
nicht erfasst.<br />
2. Sind Wasserversorgungsleitungen vor dem 03.10.1990 durch die<br />
Keller mehrerer Gebäude verlegt worden, besteht mangels<br />
Anwendbarkeit von § 8 Abs. 1 AVBWasserV eine beschränkte<br />
persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines dinglichen Leitungsrechtes<br />
aus § 9 Abs. 9 GBBerG, § 1 SachenR-DV.<br />
3. Folge der entstandenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit<br />
ist gem. §§ 1090 Abs. 2, 1023 Abs. 1 Satz 1 2. HS BGB, dass für<br />
die Umlegungskosten der Wasserleitung aufgr<strong>und</strong> des Abrisses<br />
einzelner Gebäude die Klägerin aufzukommen hat, da die Verlegung<br />
in ihrem Interesse erfolgt ist.<br />
(Vorinstanz: LG Rostock, Urteil vom 18.03.2011 – 3 O 28/10 LG<br />
HRO)<br />
Sachverhalt<br />
Die Klägerin begehrt von der Beklagten – soweit in der Berufungsinstanz<br />
noch relevant – die Erstattung der Kosten für die Umverlegung<br />
einer Trinkwasserleitung. Sie ist Eigentümerin diverser Gr<strong>und</strong>stücke<br />
in Rostock, bebaut mit Wohnblocks in sogenannter Plattenbauweise,<br />
unter anderem des streitgegenständlichen Objekts in der<br />
H.-C.-Straße 46–48. Die Ver- <strong>und</strong> Entsorgungsleitungen dieses <strong>und</strong><br />
benachbarter Objekte wurden Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
gleichzeitig verlegt <strong>und</strong> angeschlossen. Die Trinkwasserleitung<br />
wurde <strong>als</strong> Ringleitung innerhalb von Kellerleitungsgängen der<br />
Wohnblocks geführt.<br />
Mit Vereinbarung vom 07.01.1997 räumte die Klägerin den Versorgungsunternehmen<br />
an den Kellerleitungsgängen ein kostenloses<br />
Nutzungsrecht auf unbest<strong>im</strong>mte Zeit ein, das frühestens 2010<br />
gekündigt werden konnte. Im Rahmen des Förderprogramms zur<br />
integrierten Stadtentwicklung baute die Klägerin mehrere Wohnob-
<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012 35<br />
jekte ab dem Jahre 2005 <strong>im</strong> Wege des Abrisses vollständig zurück,<br />
unter anderem auch das streitgegenständliche. In diesem Zusammenhang<br />
verlegte die Klägerin die Trinkwasserversorgungsleitung<br />
<strong>und</strong> legte die Entsorgungsleitungen still. Diesbezüglich schloss sie<br />
mit der Beklagten <strong>und</strong> dem Abwasserverband <strong>im</strong> August/September<br />
2005 eine dreiseitige Vereinbarung, in der der Leistungsumfang <strong>und</strong><br />
die Ausführung geregelt sind. Hinsichtlich der Kosten ist in Ziffer 5<br />
der Vereinbarung Folgendes geregelt:<br />
„5. Kostentragungspflicht<br />
Die Parteien vertreten unterschiedliche Auffassungen darüber, wer<br />
dem Gr<strong>und</strong>e nach die Kosten für die Ausführung der unter Ziffer 1.<br />
bezeichneten Leistungen zu übernehmen hat. Die Höhe der Kosten<br />
gilt <strong>als</strong> unstreitig, sofern E.N. GmbH das Angebot des beauftragten<br />
Bauunternehmens bestätigt hat. Um den zeitlichen Verlauf der vorgesehenen<br />
Abrissmaßnahmen nicht zu gefährden, übern<strong>im</strong>mt die<br />
WG U. zunächst – ohne Anerkennung einer <strong>Recht</strong>spflicht – die<br />
Kosten für die unter Ziffer 1. genannten Leistungen gegenüber E.N.<br />
GmbH <strong>und</strong> dem Verband.<br />
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die WG U, die aufgewandten<br />
Kosten in voller Höhe von E.N.GmbH erstattet verlangen kann,<br />
sofern rechtskräftig entschieden oder anerkannt ist, dass <strong>im</strong> konkreten<br />
oder einem gleich gelagerten Fall E.N. GmbH <strong>und</strong> / oder der<br />
Verband verpflichtet waren, die Beseitigung der in Ziffer 1. genannten<br />
Anlagen auf eigene Kosten vorzunehmen. Zinsen können auf<br />
einen etwa zurückzuzahlenden Betrag nicht verlangt werden.“<br />
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kostentragungspflicht<br />
der Beklagten bzw. des Abwasserverbandes hinsichtlich der<br />
umverlegten Trinkwasserleitung folge aus § 8 Abs. 3 der allgemeinen<br />
Bedingungen für die Wasserversorgung der Beklagten (<strong>als</strong> Bestandteil<br />
der Vertragsbest<strong>im</strong>mungen für die Wasserversorgung von Tarifk<strong>und</strong>en<br />
<strong>im</strong> Gebiet des Abwasserverbandes durch die E.N. GmbH) in<br />
Verbindung mit der Satzung des Abwasserverbandes vom 29.10.1998.<br />
Ein Nutzungsrecht der Beklagten sei durch die Vereinbarung von<br />
2005 einvernehmlich aufgehoben worden. Die § 1090 Abs. 2, 1023<br />
Abs. 1 BGB führten zu keinem anderen Ergebnis, da eine Gr<strong>und</strong>dienstbarkeit<br />
mit Einigung <strong>und</strong> Eintragung entstehe, was unstreitig<br />
nicht erfolgt sei.<br />
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr stehe ein vertragliches<br />
kostenloses Nutzungsrecht aus der Vereinbarung vom 07.01.1997<br />
zu. Da die Umverlegung der Trinkwasserleitung allein deswegen<br />
notwendig gewesen sei, weil die Klägerin dieser Nutzungsüberlassungspflicht<br />
nicht mehr nachgekommen sei, sei die Klägerin verpflichtet,<br />
die entstandenen Kosten zu tragen. Hierneben stehe der<br />
Beklagten bzw. dem Abwasserverband ein dingliches Leitungsrecht<br />
gem. §§ 9 Abs. 1, Abs. 9 GBBerG, 1 SachenR-DV zu. Die Voraussetzungen<br />
des Ausnahmetatbestandes gem. § 9 Abs. 2 GBBerG seien<br />
nicht erfüllt, da § 8 AVBWasserV kein <strong>Recht</strong> des Versorgungsunternehmens<br />
begründe, Leitungen innerhalb von Gebäuden zu verlegen.<br />
Die Kostentragungspflicht der Klägerin folge aus §§ 1090 Abs. 2,<br />
1023 Abs. 1 BGB.<br />
Mit diesem Urteil vom 18.03.2011 hat das Landgericht der auf Zahlung<br />
von 33.001,40 € gerichteten Klage nur zu einem kleinen Teil<br />
stattgegeben <strong>und</strong> sie <strong>im</strong> Übrigen, insbesondere hinsichtlich der geltend<br />
gemachten Kosten für die Umverlegung der Trinkwasserleitung,<br />
abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, für die Beurteilung<br />
der Kostentragungspflicht sei nach dem Sinn <strong>und</strong> Zweck der<br />
Regelung in Ziffer 5. der Vereinbarung aus dem Jahre 2005 maßgeblich<br />
auf die <strong>Recht</strong>slage vor bzw. ohne Abschluss der Vereinbarung<br />
abzustellen. Insoweit hätte weder die Beklagte noch der Abwasserverband<br />
zu diesem Zeitpunkt die Umverlegung der Trinkwasserleitung<br />
auf eigene Kosten vornehmen müssen, denn es habe ein vertragliches<br />
Nutzungsrecht an den Kellerleitungsgängen aus § 8 Abs. 1<br />
der Vereinbarung vom 07.01.1997 bestanden, das erstm<strong>als</strong> 2010<br />
hätte gekündigt werden können. Diese Individualvereinbarung verdränge<br />
die Regelung aus § 8 Abs. 3 der Vertragsbest<strong>im</strong>mungen der<br />
Beklagten.<br />
Gegen jenes Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am<br />
25.03.2011 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer<br />
am 08.04.2011 eingegangenen Berufung, die sie nach zwe<strong>im</strong>aliger<br />
Fristverlängerung bis zum 18.07.2011 mit an diesem Tag eingegangenen<br />
Schriftsatz begründet hat. Sie begehrt die Zahlung weiterer<br />
30.063,32 €, die sie aufgr<strong>und</strong> der Verlegung der Trinkwasserleitung<br />
habe aufwenden müssen. Das Landgericht habe zu Unrecht die<br />
Kostentragungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Trinkwasserleitungsumverlegung<br />
verneint. Insofern wiederholt <strong>und</strong> vertieft die<br />
Klägerin <strong>im</strong> Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie<br />
stützt ihren Kostenerstattungsanspruch insbesondere nach wie vor<br />
auf § 8 Abs. 3 der allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten.<br />
Die Vereinbarung aus 1997 stehe dem nicht entgegen. Auf das dort<br />
geregelte Nutzungsrecht habe die Beklagte durch die Vereinbarung<br />
aus dem Jahre 2005 verzichtet. Darüber hinaus setze die Vereinbarung<br />
von 1997 den Bestand des Gebäudes voraus. Durch den einvernehmlichen<br />
Gebäudeabriss sei der Vereinbarung die Geschäftsgr<strong>und</strong>lage<br />
entzogen.<br />
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil <strong>und</strong> bekräftigt<br />
erneut, dass ihr neben dem vom Landgericht zugestandenen vertraglichen<br />
Nutzungsrecht ein dingliches Leitungsrecht gem. §§ 9 Abs. 9<br />
GBBerG, 1 SachenR-DV zur Seite gestanden habe. Soweit die Klägerin<br />
<strong>im</strong> Übrigen eine Störung der Geschäftsgr<strong>und</strong>lage der Vereinbarung<br />
aus 1997 behaupte, könne sie daraus keine <strong>Recht</strong>e herleiten,<br />
weil eine etwaige Störung allein ihrer Risikosphäre zuzuordnen sei,<br />
da es ihre eigene Entscheidung gewesen sei, das Gebäude abzureißen.<br />
Gründe<br />
Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.<br />
Zu <strong>Recht</strong> hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin gegen<br />
die Beklagte auf Erstattung der der Klägerin für die Umverlegung<br />
der Trinkwasserleitung entstandenen Kosten - jedenfalls <strong>im</strong> Ergebnis<br />
-verneint. Eine entsprechende Anspruchsgr<strong>und</strong>lage hierfür<br />
besteht nicht. Vielmehr ist <strong>und</strong> bleibt die Klägerin verpflichtet, die<br />
Kosten zu tragen.<br />
Der Senat teilt zunächst den rechtlichen Ausgangspunkt des Landgerichts,<br />
das für die Beurteilung der Kostentragungspflicht maßgeblich<br />
auf die <strong>Recht</strong>slage abzustellen ist, die vor Abschluss der Vereinbarung<br />
aus dem Jahre 2005 bestanden hat bzw. die ohne Abschluss<br />
jener Vereinbarung bestanden hätte. Dies folgt in der Tat aus Sinn<br />
<strong>und</strong> Zweck der Regelung zu Ziffer 5. der Vereinbarung. Auf die<br />
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu n<strong>im</strong>mt der<br />
Senat Bezug. Anderenfalls wäre die Vereinbarung in deren Ziffer 5.<br />
diesbezüglich völlig sinnlos. Bei Zugr<strong>und</strong>elegung jener <strong>Recht</strong>slage ist<br />
ein Anspruch der Klägerin auf Umverlegung der Trinkwasserleitung<br />
gegen die Beklagte auf deren Kosten nicht ersichtlich.<br />
Die seinerzeitige <strong>Recht</strong>slage stellt sich vielmehr wie folgt dar:<br />
1. a. Gem. § 9 Abs. 1 GBBerG i.V.m. § 9 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 GBBerG<br />
i.V.m. § 1 SachenR-DV ist zugunsten der Beklagten bzw. des Abwasserverbandes<br />
am 11.01.1995 (vgl. § 14 SachenR-DV) ein dingliches<br />
Leitungsrecht in Gestalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit<br />
am streitgegenständlichen Gr<strong>und</strong>stück begründet worden.<br />
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Es handelt sich<br />
insbesondere um wasserwirtschaftliche Anlagen der in § 9 Abs. 9<br />
Satz 1 Nr. 1 GBBerG bezeichneten Art auf Leitungstrassen, die am<br />
03.10.1990 in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten<br />
Gebiet genutzt waren. Zur Begründung der beschränkten persönlichen<br />
Dienstbarkeit bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin<br />
auch keiner Einigung <strong>und</strong> Eintragung <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>buch. Sie entstand<br />
vielmehr außerhalb des Gr<strong>und</strong>buchs, das lediglich zu berichtigen<br />
ist (vgl. § 9 Abs. 5 GBBerG bzw. § 8 SachenR-DV; Böhringer,<br />
RPfleger 2002, 186).<br />
1. b. Der Begründung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit<br />
zugunsten der Beklagten bzw. des Abwasserverbandes nach oben<br />
genannten Vorschriften stand auch nicht gem. § 9 Abs. 2 GBBerG<br />
i.V.m. § 1 Satz 2 SachenR-DV entgegen, dass die Klägerin bereits<br />
nach der AVBWasserV vom 20.06.1980 zur Duldung der Anlagen<br />
verpflichtet war. Zwar ist die AVBWasserV nach Anlage I. Kapitel<br />
V. Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 16 Einigungsvertrag mit Maßgaben<br />
auch in Mecklenburg-Vorpommern 1990 in Kraft getreten.<br />
Zudem sind auch die persönlichen Voraussetzungen gemäß dem die<br />
Duldungspflicht des Gr<strong>und</strong>stückseigentümers regelnden § 8 Abs. 1
36 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2012<br />
AVBWasserV erfüllt; die Klägerin ist unstreitig K<strong>und</strong>in <strong>und</strong><br />
Anschlussnehmerin des Abwasserverbandes bzw. der Beklagten.<br />
Allerdings liegen nach Auffassung des Senats die gegenständlichen<br />
Voraussetzungen gem. § 8 Abs. 1 AVBWasserV nicht vor. Die Duldungspflicht<br />
der Gr<strong>und</strong>stückseigentümer bezieht sich auf das Verlegen<br />
von Leitungen etc. über Gr<strong>und</strong>stücke des Eigentümers. Dass<br />
hierdurch auch das Verlegen von Leitungen innerhalb von Gebäuden<br />
– wie hier – umfasst ist, vermag der Senat der Vorschrift nicht<br />
zu entnehmen. Der Wortlaut selbst gibt hierzu unmittelbar nichts<br />
her. In Literatur <strong>und</strong> <strong>Recht</strong>sprechung findet sich in diesem Zusammenhang<br />
– soweit ersichtlich – nichts. Dafür spricht allerdings der<br />
allgemeine rechtliche Gr<strong>und</strong>satz, das Gebäude Bestandteile des<br />
Gr<strong>und</strong>stücks sind.<br />
Dagegen spricht jedoch zum einen der Umstand, dass das Vorschriftenwerk<br />
bereits 1980 in den Altb<strong>und</strong>esländern – ebenso wie die<br />
übrigen Verordnungen über allgemeine Bedingungen für die Energieversorgung<br />
– in Kraft getreten ist, so dass die Vorschriften <strong>im</strong><br />
Lichte dessen auszulegen sind. Im Hinblick darauf erscheint die<br />
Verlegung von Leitungen <strong>im</strong> Sinne von § 8 Abs. 1 AVBWasserV<br />
durch Gebäude hindurch, <strong>und</strong> eine entsprechende vom Energieversorger<br />
verlangte Duldungspflicht für den Senat ausgesprochen<br />
schwer denkbar zu sein, <strong>im</strong> Gegensatz zu dem in der ehemaligen<br />
DDR praktizierten Neubau von typisierten Wohnblocks in sogenannter<br />
Plattenbauweise.<br />
<strong>Zum</strong> anderen spricht insbesondere dagegen, dass in § 8 AVBFernwärmeV,<br />
<strong>im</strong> Gegensatz zu §§ 8 AVBWasserV, AVBEItV <strong>und</strong> AVB-<br />
<strong>Gas</strong>V, ausdrücklich die Verlegung von Leitungen über Gr<strong>und</strong>stücke<br />
<strong>und</strong> in ihren Gebäuden geregelt ist. In der Kommentierung hierzu<br />
herrscht – soweit ersichtlich – Übereinst<strong>im</strong>mung, dass der Kreis der<br />
Anlagen, die vom Gr<strong>und</strong>stückseigentümer zu dulden seien, wegen<br />
der spezifischen Verhältnisse bei der Fernwärmeversorgung anders<br />
umschrieben sei <strong>als</strong> bei der Elektro- <strong>und</strong> <strong>Gas</strong>versorgung. Auch das<br />
Ausmaß der Duldungspflicht sei insofern erweitert, <strong>als</strong> der Gr<strong>und</strong>stückseigentümer<br />
nicht nur die Benutzung seiner Gr<strong>und</strong>stücke,<br />
sondern auch seiner Gebäude zu gestatten habe, was aus den technischen<br />
besonderen Gegebenheiten jedoch gerechtfertigt sei (vgl.<br />
Hempel/Franke, <strong>Recht</strong> der Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgung, § 8<br />
AVBFernwärmeV Rn. 1; Witzel/Topp, AVBFernwärmeV, 2. Aufl.,<br />
§ 8, S. 106). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Verordnungsgeber<br />
bei den übrigen Energieversorgungsregelungen eben nicht von<br />
einer Duldungspflicht für Leitungen innerhalb von Gebäuden ausgegangen<br />
ist.<br />
Eine erweiternde Auslegung von § 8 Abs. 1 AVBWasserV für das<br />
Beitrittsgebiet aufgr<strong>und</strong> der hier vielerorts vorhandenen Plattenbauwohnblocks<br />
mit typischerweise Versorgungsleitungsführung innerhalb<br />
von Kellerleitungsgängen ist nicht geboten, denn hierfür<br />
bestand <strong>und</strong> besteht kein Bedürfnis. Gem. § 40 Abs. 1 c WasserG/<br />
DDR bestand nämlich gr<strong>und</strong>sätzlich ohnehin ein Mitbenutzungsrecht<br />
des Versorgungsträgers auch für Gebäude. Dieses <strong>Recht</strong><br />
bestand nach dem 03.10.1990 fort, in Mecklenburg-Vorpommern<br />
gem. § 135 Abs. 5 (bzw. seit dem 23.02.2010: Abs. 4) LWaG.<br />
1. c. Folge der entstandenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit<br />
ist gem. §§ 1090 Abs. 2, 1023 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BGB, deren<br />
Voraussetzungen ansonsten erfüllt sind, dass für die Umlegungskosten<br />
die Klägerin aufzukommen hat, da die Verlegung in ihrem Interesse<br />
erfolgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 02.04.1998, III ZR 251/96, BGHZ<br />
138, 281; Hempel/Franke a.a.O., § 8 AVBWasserV Rn. 60).<br />
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, die Satzung<br />
des Abwasserverbandes in Verbindung mit den allgemeinen Bedingungen<br />
für die Wasserversorgung der Beklagten gingen dem vor, so<br />
dass § 8 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen eingreife <strong>und</strong> daher<br />
die Beklagte kostentragungspflichtig sei, so geht dieser Einwand<br />
fehl. Die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Wasserversorgung<br />
(<strong>als</strong> Bestandteil der Vertragsbest<strong>im</strong>mungen für die Wasserversorgung<br />
von Tarifk<strong>und</strong>en <strong>im</strong> Gebiet des Abwasserverbandes<br />
durch die E.N. GmbH) entsprechen wörtlich der AVBWasserV vom<br />
20.06.1980, worauf in § 1 der Allgemeinen Bedingungen auch ausdrücklich<br />
hingewiesen wird. Für die Auslegung der Regelungen<br />
gelten daher die gleichen Gr<strong>und</strong>sätze wie oben zu b. dargestellt. Eine<br />
abweichende rechtliche Würdigung ergibt sich daraus somit nicht.<br />
Der Anwendungsbereich von § 8 der Allgemeinen Bedingungen der<br />
Beklagten ist vielmehr nicht eröffnet.<br />
2. Nach alldem kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob –<br />
dem rechtlichen Ansatz des Landgerichts folgend – § 8 Abs. 3 der<br />
Allgemeinen Bedingungen der Beklagten durch die Individualvereinbarung<br />
in § 8 der Vereinbarung vom 07.01.1997 verdrängt wird.<br />
Der Senat hält die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts<br />
jedoch für nachvollziehbar <strong>und</strong> gut vertretbar. Eine Beendigung des<br />
Vertrages vor 2010 aufgr<strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>sätze des Wegfalls der<br />
Geschäftsgr<strong>und</strong>lage wäre entgegen der Ansicht der Klägerin schon<br />
deswegen außerordentlich problematisch, weil es allein um eine<br />
Ursache aus der Sphäre der Klägerin geht.<br />
Hinsichtlich der aus der Verweigerung der Gebrauchsüberlassung<br />
ohne Zust<strong>im</strong>mung der Beklagten letztlich folgenden Schadensersatzverpflichtung<br />
der Klägerin wäre – entgegen ihrer Auffassung – keineswegs<br />
ohne weiteres nach dem Gr<strong>und</strong>satz der Vorteilsausgleichung<br />
zu berücksichtigen, dass die Beklagte bzw. der Abwasserverband<br />
nunmehr Eigentümer/in von neuen statt von 20 Jahre alten<br />
Leitungen geworden ist. Hierfür fehlt es an konkreten von der Klägerin<br />
vorzutragenden Anhaltspunkten. Nach der <strong>Recht</strong>sprechung<br />
des BGH liegt es in derartigen Fällen jedenfalls nicht auf der Hand,<br />
ob <strong>und</strong> ggf. inwieweit durch die Neuverlegung der Leitungen gegenüber<br />
dem bisherigen, für ein langfristig ausgelegtes Versorgungsleitungssystem<br />
noch keineswegs veralteten. Zustand eine Änderung<br />
zugunsten der Beklagten <strong>im</strong> Sinne einer für sie gegebenen best<strong>im</strong>mten<br />
signifikanten Wertverbesserung eingetreten ist (vgl. BGH,<br />
a.a.O.).<br />
RA Carsten Wesche, BDEW<br />
© 1970 Ol den bourg In dust rie ver lag GmbH, Ro sen hei mer Straße 145, D-81671 Mün chen.<br />
Prin ted in Ger ma ny.<br />
Bei la ge zu gwf-<strong>Gas</strong> | Erd gas <strong>und</strong> gwf-Was ser | Ab was ser 153 (2012) Heft 7-8.<br />
R + S er scheint <strong>als</strong> Teil des gwf je den zwei ten Mo nat. Wei te re Ein zel hef te kön nen vom Ver lag be zo gen wer den. Be zugs preis: Ein zel heft € 11,–,<br />
Jah res abon ne ment € 75,– incl. Mehr wert steu er zu züg lich Ver sand spe sen.<br />
Schriftleitung: <strong>Recht</strong>s an wäl tin An nett He ub lein, An schrift: BDEW B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Was ser wirt schaft e. V., Rein hardtstraße 32,<br />
D-10117 Berlin.