Be Active Schachboxen - intellektuelle Kämpfer (Vorschau)
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2011 1<br />
05 DAS WORT DES Redakteurs<br />
06 <strong>Be</strong> Athlete<br />
SCHACHBOXEN<br />
Intellektuelle <strong>Kämpfer</strong><br />
10 BE FATHER / MOTHER<br />
Mission Impossible: das Kind zur <strong>Be</strong>wegung anregen<br />
Das Problem der Aktivität von Kindern und Jugendlichen<br />
26 <strong>Be</strong> Biker<br />
TAUSENDE VON KILOMETERN IN EINE RICHTUNG<br />
Exotischer Urlaub auf dem Motorrad<br />
54 BE EXPLORER<br />
Der Mars auf Erden<br />
Wo die Opalitis (das Opalfieber) gedeiht<br />
70 BE TREKKER<br />
Zu FuSS, auf Rädern oder mit Flügeln?<br />
Die ganz persönliche Art die Welt zu bereisen<br />
82 BE DRIVER<br />
Fahren, wohin man will<br />
Eigenschaften und Vorzüge von Wagen mit Allradantrieb<br />
108 BE PERSON<br />
Menschen können mehr als sie denken<br />
Der Eismensch Wim Hof<br />
22 IMPRESSUM<br />
<strong>Be</strong>wertungsskala<br />
2011 1<br />
2011 1<br />
Erklärungen der <strong>Be</strong>wertungsskala<br />
Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />
Ziel zu erreichen.<br />
5000 Euro<br />
Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist. 1 Tag Wochenendreise 7–10 Tage 10–21 Tage länger als 21 Tage<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt befördert werden.<br />
10000 km<br />
250 kg<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
ohne<br />
Vorbereitung<br />
gute allgemeine<br />
Körperform<br />
aktiver, sportreibender<br />
Mensch<br />
perfekte<br />
Körperform<br />
<strong>Be</strong>rufssportler<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser. unbeeindruckend beachtenswert empfehlenswert Teilnahme, wann nur<br />
möglich<br />
Für die wiederholte<br />
Teilnahme sind neue<br />
Kräfte notwendig<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
nichts Neues für den<br />
aktiven Menschen<br />
unbedeutende<br />
Neuigkeiten<br />
beachtenswert<br />
empfehlenswert<br />
Teilnahme, wann<br />
nur möglich
Das Wort<br />
des Redakteurs<br />
Auf der Welt leben Menschen, die<br />
unglaubliche außergewöhnliche Eigenschaften<br />
haben. Einer von ihnen<br />
ist der Holländer Wim Hof, der keine<br />
Furcht vor extremen Temperaturpolen<br />
hat. Er ist ein Mensch, der es fertigbringt,<br />
mit der Kraft seines Gehirns seine<br />
Körpertemperatur zu regeln! Er ist<br />
ein unglaubliches Phänomen, das am<br />
Nordpol nicht erfriert und sich unter<br />
der Sonne Spaniens nicht überhitzt.<br />
<strong>Be</strong>i unseren wechselhaften Klimabedingungen<br />
sind das beneidenswerte<br />
Eigenschaften. Wim Hof ist in der Lage,<br />
ohne besondere Vorbereitung und<br />
Gerätschaften eine Marathon-Distanz<br />
bei Extrembedingungen hinter dem Polarkreis<br />
zu bewältigen oder die höchsten<br />
Gipfel der Welt zu besteigen.<br />
Nicht jeder kann so etwas. Wenn Sie<br />
aktiv, sportlich und abgehärtet sind,<br />
dann ist dies bereits viel wert. Anderen<br />
Menschen muss man jedoch helfen.<br />
Insbesondere Kindern. Die Aktivität<br />
von Kindern und Jugendlichen der<br />
Gegenwart ist besorgniserregend. Die<br />
Statistik zu Übergewicht und den damit<br />
verbundenen Erkrankungen ist<br />
erschreckend und unbarmherzig. Die<br />
meisten Alterserkrankungen werden<br />
„jünger“. Experten behaupten, dass<br />
einen der Hauptgründe dafür die<br />
neuen Technologien darstellen – der<br />
Computer, das Internet, der Fernseher<br />
und Mobiltelefone. Unser Gedanke<br />
ist es, nicht zu verbieten oder einzuschränken,<br />
sondern diese Mittel zur<br />
Förderung der Aktivität einzusetzen.<br />
Die Kinder der Gegenwart fühlen<br />
sich in der virtuellen Welt besser<br />
als in der Wirklichkeit. Unternehmen<br />
wir einen Versuch, diese beiden<br />
Welten zu verbinden. Das ist<br />
natürlich nicht die einzige Lösung<br />
des Problems. Vielleicht haben Sie<br />
bereits eine bessere Möglichkeit<br />
gefunden, Ihre Sprösslinge in <strong>Be</strong>wegung<br />
zu versetzen, oder werden<br />
sie in Zukunft finden. Aber falls<br />
nicht, ist es einen Versuch wert.<br />
Völlig gegensätzliche Welten vereinen<br />
sich auch in einer unglaublichen<br />
Sportart – dem <strong>Schachboxen</strong>.<br />
Schon die alten Griechen strebten<br />
nach der Harmonie von Körper und<br />
Seele – die Sentenz „ein gesunder<br />
Geist in einem gesunden Körper“<br />
ist allgemein bekannt. <strong>Schachboxen</strong><br />
entspricht diesem Ziel wohl<br />
am meisten. Der <strong>Kämpfer</strong> muss<br />
in hervorragender körperlicher<br />
Verfassung sein, gleichzeitig aber<br />
auch hervorragend Schach spielen<br />
können – eine Kombination, die in<br />
einer Person nicht sehr häufig vorkommt.<br />
Es gibt nicht viele <strong>Kämpfer</strong><br />
auf der Welt, die den Anforderungen<br />
des WCBO (Weltschachboxverband)<br />
entsprechen. Probieren Sie es aus –<br />
vielleicht ist diese Sportart wie für Sie<br />
geschaffen.
athlete<br />
SCHACHBOXEN<br />
Intellektuelle <strong>Kämpfer</strong><br />
Text Arūnas Butkus<br />
6
Ein modernes Handy ist ohne Fotoapparat schwer<br />
vorstellbar, es gibt immer mehr Hybridfahrzeuge, Küchenmaschinen<br />
oder Stereoanlagen sind eine Selbstverständlichkeit.<br />
Aber wenn Sie ein richtig gutes Foto<br />
machen wollen, dann ist das Handy<br />
nicht hilfreich. Wenn Sie perfekte<br />
Klangqualität wünschen, wird die<br />
Stereoanlage ungeeignet sein. Die<br />
Kombinierung unterschiedlicher Dinge<br />
ist nur dann passend, wenn keine<br />
Höchstqualität gefordert wird.<br />
Ähnlich funktioniert es auch im Sport.<br />
Es kommen immer mehr neue Sportarten<br />
zum Vorschein, in denen die<br />
Eigenschaften mehrerer Sportarten<br />
in Einklang gebracht werden. Die<br />
wohl gegensätzlichsten Eigenschaften<br />
konnten beim <strong>Schachboxen</strong>, oder<br />
Chessboxing, vereint werden.<br />
Schach gilt offiziell als Sportart. Aber<br />
von körperlicher Aktivität und Leibesübungen<br />
gibt es hier keine Spur. An<br />
einem Tisch sitzen zwei Herren oder<br />
Damen und schieben gemütlich Figuren<br />
umher. Und als das Rauchen<br />
in der Öffentlichkeit noch gestattet<br />
war, füllten die Herrschaften bei einem<br />
Match auch noch den Aschenbecher.<br />
Sie können ein internationaler<br />
Sportmeister sein, aber nach dem<br />
Treppensteigen in den zweiten Stock<br />
mächtig ins Schnaufen kommen.<br />
Offiziell ist es Sport, aber... Schach wird<br />
wohl der Sportkategorie zugeordnet,<br />
weil dabei ein Zweikampf stattfindet.<br />
Ein Zweikampf findet auch in einer<br />
anderen Sportart statt – beim Boxen.<br />
Hier muss man nicht viel nachdenken.<br />
Man hat einen Gegner vor sich<br />
und muss kämpfen. Wenn Sie es nicht<br />
fertigbringen, werden Sie den Ring<br />
nicht auf eigenen Füßen verlassen<br />
– man wird Sie heraustragen. Daher<br />
kommt auch das Klischee, es wären<br />
Männer mit zertrümmerten Nasen<br />
und losem Gehirn. Von einem Boxer<br />
erwartet man keine Intelligenz.<br />
Allein mit Intelligenz oder allein mit<br />
Kraft kommt man beim <strong>Schachboxen</strong><br />
nicht weit. Hier finden im Wechsel<br />
Schach - und Boxrunden statt. Ein Match<br />
besteht aus 11 Runden: zuerst eine<br />
Schachrunde, danach eine Boxrunde,<br />
danach wieder Schach, Boxen usw. Insgesamt<br />
6 Schach- und 5 Boxrunden.<br />
Eine Schachrunde dauert 4 Minuten.<br />
Jeder Spieler hat 12 Minuten Zeit für<br />
das Schachspiel. Die Boxrunde dauert<br />
3 Minuten. Zwischen den Runden<br />
wird 1 Minute Pause eingelegt<br />
zur Vorbereitung auf die nächste<br />
Runde.<br />
Der Gewinner wird wie folgt ermittelt:<br />
Matt (in der Schachrunde),<br />
wenn die für das Schachspiel bestimmte<br />
<strong>Be</strong>denkzeit abgelaufen ist<br />
(in der Schachrunde), wenn der<br />
Gegner klein beigibt (in der Schachoder<br />
Boxrunde), K.O. (in der Boxrunde)<br />
oder auf <strong>Be</strong>schluss des<br />
Schiedsrichters. Herrscht nach dem<br />
Ende der Schachpartie Gleichstand,<br />
geht der Gegner mit dem besseren<br />
Ergebnis im Boxen als Sieger hervor.<br />
Wenn auch hier Gleichstand<br />
herrscht, gewinnt der Spieler, der<br />
mit den schwarzen Schachfiguren<br />
gespielt hat.<br />
Die Vorschriften beinhalten <strong>Be</strong>schränkungen,<br />
um <strong>Be</strong>trug zu vermeiden.<br />
Ein Lennox Lewis oder<br />
die Klitschko-Brüder würden die<br />
Figuren in der ersten Schachrunde<br />
umherschieben und dann im<br />
Boxring geht es los! An offiziellen<br />
Turnieren können nur Schachspieler<br />
teilnehmen, die ein Rating<br />
von mindestens 1800 ELO (ELO<br />
ranking of 1800 in chess) besitzen.<br />
7
athlete<br />
Das entspricht dem Niveau eines Experten,<br />
also müsste Lennox Lewis sehr<br />
viel trainieren. Außerdem kann der<br />
Schiedsrichter einen Spieler disqualifizieren,<br />
wenn er keinen Schachzug<br />
ausführt.<br />
Es wurde ein weltweiter <strong>Schachboxen</strong>verband<br />
(WCBO) gegründet.<br />
Jährlich organisiert er 3–4 Weltturniere.<br />
Es gibt auch einen Deutschen<br />
<strong>Schachboxen</strong>verband (GCBO). Er<br />
zählt etwa 100 Mitglieder. Wegen der<br />
<strong>Be</strong>schränkungen in <strong>Be</strong>zug auf das<br />
Schachrating gibt es weltweit nicht<br />
viele Schachboxer. Für die Kämpfe<br />
der Weltmeisterschaft wurden insgesamt<br />
nur etwa 800 Anträge eingereicht.<br />
Wer an der Weltmeisterschaft<br />
teilnehmen möchte, muss jünger als<br />
35 Jahre, in guter körperlicher Verfassung<br />
sein, eine Erfahrung von 20<br />
Wettkämpfen haben und das ELO-<br />
Rating von 1800 erfüllen. Es gibt gerade<br />
einmal 75 aktive <strong>Kämpfer</strong>. Nach<br />
den <strong>Be</strong>rechnungen des WCBO könnte<br />
es weltweit etwa 150 000 potenzielle<br />
<strong>Kämpfer</strong> geben. Vielleicht sind Sie einer<br />
von ihnen?<br />
Die offiziellen Anforderungen der<br />
Kämpfe sind recht streng. Aber niemand<br />
verbietet laienhaftes Training<br />
und die private <strong>Be</strong>schäftigung mit<br />
dieser Sportart. Das Wichtigste ist,<br />
einen gleichstarken Gegner zu wählen,<br />
damit man den Ausgang des<br />
Kampfes nicht bereut.<br />
Dieser Sport kann eine große Zukunft<br />
haben, weil er einen in der Tat<br />
umfassenden Universalathleten hervorbringt.<br />
Hier müssen Kraft und Intellekt<br />
in Einklang gebracht werden,<br />
wie beim Umsetzen der <strong>Be</strong>strebung<br />
der alten Griechen – ein gesunder<br />
Geist in einem gesunden Körper.<br />
Es ist kaum zu erwarten, dass Schachoder<br />
Boxweltmeister an Schachboxturnieren<br />
teilnehmen (selbst wenn<br />
sie es auch sehr möchten), genauso<br />
wie ein Weltmeister im <strong>Schachboxen</strong><br />
nicht erwarten sollte, Schach- oder<br />
Boxweltmeister zu werden. Aber wer<br />
weiß das schon so genau?<br />
Der erste offizielle Schachboxkampf<br />
fand am 14. November 2003<br />
in Amsterdam statt. Auch Frauen<br />
werden in Kürze mit dem <strong>Schachboxen</strong><br />
beginnen.<br />
Das Motto des WCBO lautet: „Gekämpft<br />
wird im Ring und Kriege<br />
führt man auf dem Brett.“<br />
8
Score<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
9
father / mother<br />
Mission Impossible:<br />
Das Kind zur<br />
<strong>Be</strong>wegung anregen<br />
Das Problem der Aktivität von<br />
Kindern und Jugendlichen<br />
Text Jacob Grani<br />
10
Studien zeigen, dass bereits ein Zehntel der Kinder in<br />
Europa unter Fettleibigkeit leidet, in den USA ist diese<br />
Zahl noch tragischer – ein Drittel der jungen Menschen<br />
kann sich nicht damit rühmen, dass ihnen <strong>Be</strong>kleidung gewöhnlicher<br />
Größe passt.<br />
Sicher haben schon viele ein Kind<br />
gesehen, dass sich Computerspielen<br />
hingibt. Es ist ironisch, dass das Kind<br />
momentan am Computer die aktuellste<br />
Version des Spiels FIFA spielt,<br />
in der es sich vorstellt, der weltbeste<br />
Fußballspieler zu sein. Als Sie ihn<br />
das letzte Mal angesprochen haben,<br />
im Hof gemeinsam ein paar Bälle zu<br />
schießen, hat er nur faul gegähnt<br />
und gesagt, dass dort, im Computer,<br />
ernsthaftere Gegner auf ihn warten<br />
als der gerade von der Arbeit heimgekehrte<br />
Vater.<br />
Was also tun? Der moderne Lernprozess<br />
ist nicht mehr vorstellbar ohne<br />
Computer, Internet und andere interaktive<br />
Mittel. Versuche, Ihrem Kind<br />
den Computer zu verbieten oder die<br />
Zeit, die es am Computer verbringt,<br />
einzuschränken, kann seiner Bildung<br />
schaden. Wenn Sie versuchen, die Zeit<br />
einzuschränken, wird sich Ihr Kind immer<br />
ausdenken, dass dies für das Erledigen<br />
der Hausaufgaben notwendig<br />
sei. Gibt es einen anderen Ausweg?<br />
Wir raten Ihnen dazu, Computertechnologien<br />
nicht zu verbieten oder<br />
einzuschränken, sondern sie zur<br />
Steigerung der Aktivität Ihres Kindes<br />
und, was sehr wichtig ist, zum engeren<br />
Umgang und für gemeinsame<br />
Tätigkeiten in der Familie zu benutzen.<br />
Mission Impossible? Eine auf den<br />
ersten Blick unmögliche Mission lässt<br />
sich dennoch in eine recht heitere<br />
<strong>Be</strong>schäftigung umwandeln, nicht<br />
nur für Kinder, sondern auch für Sie<br />
selbst.<br />
Sie haben keine Kinder? Kein Problem.<br />
Sie waren sicher schon mehrmals<br />
in einer Gesellschaft, wo Ihre<br />
Freunde und deren bessere Hälften<br />
ständig über die <strong>Be</strong>sonderheiten<br />
der Kindererziehung schwatzen.<br />
Dieser Artikel wird Ihnen nicht<br />
nur neue Möglichkeiten aktiver<br />
Freizeitgestaltung eröffnen, sondern<br />
letztendlich auch gestatten,<br />
sich in das Gespräch von Freunden,<br />
die Kinder haben, einzubringen.<br />
Daran wird höchstwahrscheinlich<br />
auch eine Freundin der Frau Ihres<br />
Freundes teilnehmen. Frauen gefällt<br />
es, wenn sich Männer für Kinder<br />
interessieren. Wenn sie Ihre erzählten<br />
Geschichten hört, wird sie<br />
sich höchstwahrscheinlich für Sie<br />
interessieren.<br />
11
father / mother<br />
Die Sesshaftigkeit<br />
zerstört die<br />
Zukunft der<br />
Menschheit<br />
Die Statistik besagt, dass ganze 70 %<br />
der Kinder im Alter von 5–17 Jahren<br />
keiner ausreichenden aktiven körperlichen<br />
<strong>Be</strong>tätigung nachgehen,<br />
die für die optimale Entwicklung des<br />
Körpers unerlässlich ist. Damit nicht<br />
genug, die Menge der Freizeit nimmt<br />
kontinuierlich ab, je älter die Kinder<br />
werden, und es fällt ihnen immer<br />
schwerer, irgendeiner <strong>Be</strong>tätigung<br />
nachzugehen, die auch nur minimale<br />
körperliche Anstrengungen<br />
erfordert.<br />
Wenn Sie und Ihr Kind unterschiedliche<br />
Ansichten haben, dann ist das<br />
noch nicht das größte Problem. Eltern<br />
müssen schließlich nicht nur das<br />
aushalten. Schließlich waren wir alle<br />
einmal in diesem Alter, also wissen<br />
wir, dass es völlig normal ist, Auseinandersetzungen<br />
mit den Eltern zu haben.<br />
Gäbe es diesen Aufstand nicht,<br />
würden wir wahrscheinlich heute<br />
noch in Höhlen wohnen.<br />
Aber die gegenwärtige Inaktivität<br />
kann, auch am Symbol der Moderne<br />
– dem Computer, einen Rückfall ins<br />
Mittelalter bedeuten. Ein Kind, dass<br />
den Fernseher als besten Gesprächspartner<br />
ansieht und genau so lange<br />
Sport treibt, wie die Sportnachrichten<br />
dauern, wird wahrscheinlich dick<br />
werden, und in der Zukunft wird<br />
sich dies in Form verschiedener <strong>Be</strong>schwerden<br />
äußern. Wissenschaftler<br />
behaupten, dass zu große Sesshaftigkeit<br />
Herz- und Gefäßkrankheiten,<br />
verschiedene Formen des Diabetes,<br />
Hypertension und Osteoporose<br />
hervorruft. Wenn Sie Ihr Kind also<br />
nicht jetzt vom Fleck bewegen,<br />
wird es im Alter im wahrsten Sinne<br />
des Wortes zusammenbrechen. Osteoporose,<br />
ein Knochenschwund,<br />
der den Zerfall der Knochen und<br />
deren häufigere Brüche verursacht,<br />
kommt meist bei Menschen<br />
im höheren Alter zum Vorschein.<br />
Die Neigung zur Erkrankung an<br />
dieser Krankheit wird jedoch im<br />
Kindesalter erworben: Die Stärkung<br />
der Knochen in den ersten<br />
20 Jahren des Lebens ist für die<br />
Knochenmasse und die Gesundheit<br />
im Alter von entscheidender<br />
<strong>Be</strong>deutung.<br />
Körperlich nicht aktive Jugendliche<br />
haben nichts, wogegen sie<br />
kämpfen können (es sei denn mit<br />
den Eltern, damit sie es erlauben,<br />
länger vor dem Fernseher oder am<br />
Computer zu sitzen), sie haben keine<br />
Kraft etwas zu schaffen, sie verlernen<br />
das Denken und dies wird<br />
von Depressionen, der Neigung<br />
zu verschiedenen Rauschmitteln<br />
u. Ä. gekrönt. Diese Kinder haben<br />
keinen Wettbewerbsinstinkt, keinen<br />
Wunsch zu siegen. Sie verlieren<br />
auch den Teamgeist, wenn mit<br />
gemeinsamen Kräften ein Ergebnis<br />
erzielt werden soll.<br />
12
Heutzutage erkranken Kinder so oft<br />
wie nie zuvor an Depression. Genau<br />
diese Krankheit ist der Hauptgrund für<br />
Selbstmord unter Jugendlichen. Die<br />
Statistik warnt, dass ganze 8 % der heutigen<br />
Jugendlichen einen Selbstmordversuch<br />
unternommen haben, und<br />
die Zahl der erfolgreichen Selbstmorde<br />
ist in den vergangenen dreißig Jahren<br />
um schwer zu begreifende 300 %<br />
gestiegen. Noch mehr Jugendliche<br />
konsumieren Drogen. Untersuchungen<br />
zeigen, dass Kinder lediglich 15 Minuten<br />
pro Tag mit aktiver <strong>Be</strong>tätigung<br />
im Freien zubringen. Es wird auch betont,<br />
dass es zur Gewährleistung einer<br />
höheren körperlichen Aktivität ausreicht,<br />
dass das Kind einfach mehr Zeit<br />
auswärts verbringt – es wird keine<br />
andere Wahl haben als sich eine aktive<br />
<strong>Be</strong>schäftigung zu überlegen. Sitzt<br />
das Kind jedoch zu Hause, wird seine<br />
Fantasie plötzlich sehr beschränkt und<br />
es bringt nichts mehr fertig, als einen<br />
Sitzmarathon vor bewegten Bildern zu<br />
veranstalten. Wenn die Kinder viel Zeit<br />
mit diesen neuen „Kindermädchen“<br />
verbringen, erfahren sie eine geistige<br />
Erschöpfung. Es hat sich herausgestellt,<br />
dass solche Kinder im Erwachsenenalter<br />
nicht nur öfter an Depression,<br />
sondern auch an chronischer Ermüdung<br />
leiden.<br />
Unter Kindern, die einer aktiven körperlichen<br />
<strong>Be</strong>tätigung nachgehen,<br />
kommt es viel seltener zum Konsum<br />
von Drogen, Tabakwaren oder Alkohol.<br />
Es gibt auch unbestreitbare<br />
<strong>Be</strong>weise, dass aktive Freizeitgestaltung<br />
beim Ablegen schädlicher Angewohnheiten<br />
hilft. Nicht weniger<br />
wichtig ist, dass er oder sie nicht vorzeitig<br />
dafür sorgt, Sie zum Großvater<br />
zu machen. Es wäre irgendwie völlig<br />
unpassend, in der Blüte seiner Jahre<br />
Enkel zu bekommen, wenn man mit<br />
einem Schneemotorrad Alaska offroad<br />
durchqueren oder an einem<br />
Seil von den Viktoria-Fällen in Afrika<br />
springen möchte. Man möchte doch<br />
nicht zu Hause sitzen und seinen Enkeln<br />
die Windeln wechseln. Die Statistik<br />
besagt, dass körperlich inaktive<br />
jugendliche Mädchen öfter schwanger<br />
werden, und wenn Sie sie dazu<br />
zwingen, die angestaute Energie freizusetzen<br />
– sei es durch Fahrradfahren,<br />
wird sich die Wahrscheinlichkeit,<br />
Ihren Freunden den Anlass zu geben,<br />
Sie als „Opa“ zu bezeichnen, deutlich<br />
verringern.<br />
Verbringt das Kind die Freizeit aktiv,<br />
verringert sich die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Depression, ebenso<br />
steigt das eigene Wertgefühl. Untersuchungen<br />
zeigen, dass die Zensuren<br />
von Jugendlichen, die einer<br />
aktiven körperlichen <strong>Be</strong>tätigung<br />
nachgehen im Durchschnitt besser<br />
sind als die Zensuren von denen,<br />
die ihre Freizeit im Sitzen verbringen.<br />
Körperliche <strong>Be</strong>tätigung beeinflusst<br />
auch das Verhalten und sorgt<br />
für Disziplin. Kinder, die ihre Freizeit<br />
aktiv verbringen, bereiten sich<br />
nicht nur besser auf das Leben im<br />
Erwachsenenalter vor, sie haben<br />
auch einen größeren emotionalen<br />
Intellekt, der sehr wichtig bei der<br />
Schaffung eines vollwertigen Lebens<br />
und bei der Kommunikation<br />
mit den Mitmenschen ist.<br />
13
father / mother<br />
Kurz – zum Wohl Ihrer eigenen Kinder<br />
sollten Sie sie bereits jetzt zu aktiver<br />
körperlicher <strong>Be</strong>tätigung anregen.<br />
Aber wie können Sie das erreichen?<br />
Sie haben versucht, Ihr Kind zum<br />
Angeln mitzunehmen? Sie haben<br />
ihm angeboten, das Autofahren zu<br />
lernen? Doch ohne die Augen vom<br />
Computer abzuwenden lautet seine<br />
Antwort „Nein“. Überlegen Sie nur,<br />
was Sie ihm für eine öde Alternative<br />
anbieten, im Vergleich zu der virtuellen<br />
Welt, die voll von Mystik, Dramen,<br />
Abenteuern und Überraschungen<br />
ist. Die einzige Möglichkeit, ein Kind<br />
für aktive körperliche <strong>Be</strong>tätigung zu<br />
interessieren, besteht darin ihm zu<br />
zeigen, dass die Wirklichkeit noch<br />
eindrucksvoller als die von Computerspielen,<br />
Internet und Fernsehen<br />
geschaffene Welt sein kann. Sie müssen<br />
eine <strong>Be</strong>tätigung anbieten, die<br />
dem Kind nicht nur visuelle Genugtuung<br />
bietet, sondern auch das <strong>Be</strong>dürfnis<br />
nach einer Intrige befriedigt.<br />
Dies wird gleichzeitig helfen, alle<br />
Abenteuer mit jeder Zelle des Körpers<br />
zu spüren.<br />
Erinnern Sie sich daran, wie Sie selbst<br />
in der Kindheit unterschiedliche „gute<br />
Jungs“ und „böse Jungs“ gespielt<br />
haben? Damals war das eine wunderbare<br />
Alternative, aber jetzt kann man<br />
seine Welt im Spiel „Travian“ schaffen,<br />
man kann sein, wer man will, Feinde<br />
mit einem Mausklick niederschlagen.<br />
Also muss die von Ihnen angebotene<br />
Alternative für einen Jugendlichen,<br />
der an klare Bilder und unglaubliche<br />
Abenteuer gewöhnt ist, um vieles kreativer<br />
sein als zuvor.<br />
Zum Wohle ihrer Kinder und Ihrer<br />
Familie bietet die Zeitschrift „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“<br />
einen Leitfaden zur spielerischen<br />
Einbeziehung von Kindern in die aktive<br />
Freizeit. Die Reihenfolge der <strong>Be</strong>schäftigungen<br />
muss nicht unbedingt<br />
eingehalten werden, aber wenn Sie<br />
sich bei einem völlig in der virtuellen<br />
Welt lebenden jungen Stubenhocker<br />
Gehör verschaffen wollen,<br />
müssen Sie vielleicht bei den<br />
einfachsten Spielen für primitive<br />
<strong>Be</strong>wegung beginnen und die <strong>Be</strong>lastung<br />
kontinuierlich erhöhen,<br />
bis Sie bei der wilden und extremen<br />
Freizeitgestaltung angelangt<br />
sind. Andererseits sollten Sie keinen<br />
unnötigen Druck auf das Kind<br />
ausüben, weil das seinen Enthusiasmus<br />
noch weiter schrumpfen<br />
lässt. Ihr Kind wird selbst die Wahl<br />
treffen, seien Sie einfach der Führer.<br />
Sie müssen natürlich auch der<br />
finanzielle Sponsor dieses Programms<br />
sein. Auf jeden Fall ist es<br />
eine gute Investition, und Ihr Kind<br />
wird diesen Spielen, für die meist<br />
der von ihm vergötterte Computer<br />
und das Internet benötigt werden,<br />
schwer widerstehen können.<br />
Viel zu Hause<br />
laufen<br />
Es ist kein Geheimnis, dass fast alle,<br />
die mit dem Übergewicht und der<br />
Inaktivität ihrer Kinder kämpfen,<br />
sagen, dass es sehr wichtig ist zu<br />
laufen. Viel und oft. Jetzt können<br />
Sie das Kind auf unerwartete Weise<br />
zum Laufen anregen ... mit Hilfe<br />
der Spielkonsole „Nintendo“. Ja, es<br />
handelt sich hier um eine weitere<br />
zündende Idee, dass der Grund für<br />
alle (na, fast alle) Probleme Ihrer<br />
Kinder gleichzeitig auch die Lösung<br />
sein kann. <strong>Be</strong>im Spielen von<br />
„Walk it Out“ findet die gesamte<br />
Aktion auf dem Bildschirm statt,<br />
aber damit etwas geschieht, muss<br />
man viel laufen. Dieser Vorgang<br />
wird so heiter, dass die Kinder nicht<br />
genug davon bekommen. Der Ort<br />
der Handlung, wo das Kind laufen<br />
muss, heißt „Rhythmus-Insel“<br />
(engl. Rhythm Island), obwohl es<br />
sich in diesem Moment auf dem<br />
Boden seines Zimmers bewegt.<br />
14
father / mother<br />
Um die Insel angemessen zu erforschen,<br />
neue Levels zu erreichen,<br />
Trophäen zu finden und auf neue<br />
Geheimnisse zu stoßen, muss man<br />
viel laufen. Ein Signalgeber überträgt<br />
die <strong>Be</strong>wegungen des Kindes in den<br />
Computer und stellt sie auf dem Bildschirm<br />
dar. Daneben kann man auf<br />
dem Bildschirm sehen, wie viele Kalorien<br />
beim Laufen verbrannt wurden.<br />
Dieses Laufspiel kann von 2 Personen<br />
gespielt werden, also können Sie gemeinsam<br />
mit dem Kind nicht nur laufen,<br />
sondern einander auch besser<br />
kennenlernen. Kommt es Ihnen seltsam<br />
vor, dass es interessanter ist, auf<br />
virtuellen Straßen zu laufen als auf<br />
echten? Das sind die Grimassen der<br />
Evolution.<br />
Nachdem Sie zu Hause genügend<br />
<strong>Be</strong>wegung hatten und übereingekommen<br />
sind, dass „Laufen Spaß machen<br />
kann“, können Sie das Kind auf<br />
ein höheres Level setzen. Sagen Sie es<br />
ihm auch so: Du bist so gut gelaufen,<br />
dass du dir etwas noch <strong>Be</strong>sseres verdient<br />
hast.<br />
Die Smartphones<br />
kommen Ihnen zu<br />
Hilfe<br />
Liegt Ihr Kind Ihnen schon seit einiger<br />
Zeit auf den Ohren, dass es ein Smartphone<br />
haben möchte? Aber Sie sind<br />
der Meinung, dass das für einen Jugendlichen<br />
ein völlig unnötiges Luxusgerät<br />
ist, dessen Hauptziel nicht<br />
darin besteht, E-Mails noch bequemer<br />
abzurufen, sondern noch mehr<br />
Spiele zu spielen, wenn der Computer<br />
außer Reichweite ist? Die Ersteller<br />
von Programmen für Smartphones<br />
haben sich nun jedoch entschieden,<br />
sich um die aktive Freizeitgestaltung<br />
der <strong>Be</strong>nutzer zu kümmern, und nützliche<br />
Spiele anzubieten, dass es sich<br />
schon in nächster Zeit lohnt, über<br />
den Kauf eines Smartphones für Ihr<br />
Kind nachzudenken. Er wird Hauptfigur,<br />
Entdecker oder Verbrecher sein,<br />
aber das Wichtigste ist, dass er an der<br />
frischen Luft auf den eigenen <strong>Be</strong>inen<br />
unterwegs ist.<br />
Die Schöpfer von „GPS Alien Attack“<br />
verkünden, dass es sich bei<br />
ihrem Spiel für das iPhone um eine<br />
Möglichkeit handelt, zur Figur eines<br />
virtuellen Spiels in der Wirklichkeit<br />
zu werden. Der Vorteil dieses Spiels<br />
liegt darin, dass man es allein spielen<br />
kann, also muss Ihr Kind nicht<br />
unbedingt mit Freunden losziehen,<br />
um seine Freizeit aktiv zu verbringen.<br />
Dieses Spiel erzeugt aber trotzdem<br />
mehr Intrigen, wenn mehrere<br />
Personen gegeneinander antreten.<br />
In diesem Spiel muss das Kind seine<br />
Stadt vor dem Angriff von Außerirdischen<br />
verteidigen. Man muss nur<br />
das Programm „GPS Alien Attack“<br />
für das iPhone herunterladen und<br />
dann raus auf die Straße, wo das Ziel<br />
darin besteht, die Eier der Außerirdischen<br />
zu zerstören, bevor aus<br />
ihnen Monster schlüpfen und den<br />
Darsteller erwischen. Dieses Spiel<br />
gefällt Kindern besonders, weil es<br />
an Computerspiele erinnert, nur<br />
hängt die <strong>Be</strong>wegung des Darstellers<br />
hier nicht von einem Knopfdruck,<br />
sondern von der wirklichen <strong>Be</strong>wegung<br />
ab. Das Navigationssystem<br />
ermittelt die Position des Darstellers<br />
in der Umgebung und das gesamte<br />
Spiel findet auf den Straßen der<br />
Stadt, im Park oder einer anderen<br />
wirklichen Umgebung statt. Die<br />
Kinder können untereinander wettstreiten,<br />
wer von ihnen der bessere<br />
Stadtverteidiger ist, sie können<br />
neue Freunde finden und die Stadt<br />
kennenlernen. Dieses Programm<br />
für das iPhone kostet nur 2,39 EUR,<br />
na und natürlich auch ein Telefon<br />
mit Internetverbindung.<br />
Die Programmhersteller von iPhone<br />
scheinen sich ganz einfach um Ihr<br />
Kind – nicht um den Geldbeutel zu<br />
sorgen und bieten eine große Auswahl<br />
an kostenlosen Spielen. Eines<br />
davon ist „Killer“. Ja, ein furchtbares<br />
Wort, aber wenn man den Namen<br />
unbeachtet lässt, ist dieses Spiel gar<br />
nicht so aggressiv. Durch <strong>Be</strong>nutzen<br />
des heruntergeladenen Programms<br />
und des GPS wird ein anderer<br />
Spieler in der Nähe ermittelt.<br />
16
Ziel des Darstellers ist es, so nahe an<br />
ihn heranzukommen, dass zwischen<br />
beiden Telefonen eine Bluetooth-<br />
Verbindung aufgebaut werden kann.<br />
Wenn das passiert, müssen Sie den<br />
Knopf „Shoot“ drücken und Sie haben<br />
den Sheriff erschossen („Shot the<br />
Sheriff“). Dass es sich hierbei um keine<br />
so aggressive heitere <strong>Be</strong>tätigung<br />
im Vergleich zu modernen Computerspielen<br />
handelt, wird dadurch bezeugt,<br />
dass der „Mörder“ in diesem<br />
Spiel traditionell in freundschaftlicher<br />
Absicht auf das „Opfer“ zugeht, um<br />
ein gemeinsames Foto zu machen.<br />
Wie auch bei normalen Spielen gibt es<br />
hier Tabellen mit führenden Spielern<br />
u. Ä. Es besteht viel Raum für Wettstreit<br />
und es gibt wirklich mehr Adrenalin<br />
als in irgendeinem „Doom“.<br />
Ein Spiel von ähnlichem Prinzip für<br />
Smartphones, das jedoch wegen des<br />
Hervorhebens der Kultur der „bösen<br />
Jungs“ bei Eltern weniger beliebt<br />
ist, nennt sich „Turf Wars“. Hier muss<br />
man einen Mafioso spielen und die<br />
Kontrolle über ein möglichst großes<br />
Gebiet der Stadt anstreben – durch<br />
Mord, Raub und Einschüchterung.<br />
Das alles findet natürlich per Telefon<br />
statt. Ihr Kind wird zum Geburtstag<br />
wahrscheinlich sowieso die letzte Version<br />
von „Grand Theft Auto“ haben<br />
wollen. Dort geht es noch grausamer<br />
zu, aber hier werden die Kalorien<br />
verbrennen.<br />
Möchten Sie für Ihr Kind ein weniger<br />
snobistisches Telefon als das iPhone?<br />
Sie können auch das Android kaufen.<br />
Auf beide Telefone kann man das<br />
Programm „Seek ‚n‘ Spell“, das von<br />
seinem Prinzip her „GPS Alien Attack“<br />
ähnelt, herunterladen. Hier werden<br />
aber Buchstaben gejagt, gesammelt<br />
und später daraus sinnvolle Worte<br />
gebildet. Das Prinzip ist dem des<br />
weltweit beliebten Spiels Scrabble<br />
ähnlich: Umso längere Wörter man<br />
bildet, desto mehr Punkte erhält man.<br />
17
father / mother<br />
Das ist wiederum eine wesentlich<br />
größere Herausforderung als mit<br />
Freunden zu Hause im Sitzen grüne<br />
Karten hin und her zu schieben.<br />
Außerdem werden Sie so Ihr Kind<br />
zwingen sich zu bilden und bis zum<br />
Umfallen zu laufen, was nicht einmal<br />
die teuersten bürokratischen<br />
Programme zur Förderung der Aktivität<br />
von Kindern fertigbringen.<br />
Android und iPhone haben auch<br />
das Spiel „Parallel Kingdom“, in<br />
dem man auf einer realen Landkarte<br />
eine alternative Welt schaffen<br />
kann. Stellen Sie sich einmal<br />
vor, wie attraktiv dies für ein Kind<br />
sein müsste, denn hier ist man quasi<br />
„Harry Potter“. Hier erhält das<br />
Kind nicht nur die Möglichkeit zu<br />
spielen, sondern auch im Chat mit<br />
anderen Spielern zu kommunizieren.<br />
Ganz wie im Computer.<br />
Manchmal ziehen sich Kinder vom<br />
Computer zurück und mögen Brettspiele.<br />
Aber in diesem Fall wechselt<br />
man doch nur vom Stuhl auf das<br />
Sofa. Schlagen Sie Ihrem Kind vor,<br />
das Brettspiel „Scotland Yard“ in<br />
der Realität zu spielen. Mit dem speziellen<br />
Programm „Fast Foot Challenge“<br />
und GPS findet die Jagd auf<br />
echten Straßen und auf eigenen<br />
Füßen statt. Nicht einmal der Computer<br />
kann so eine Aufregung hervorrufen.<br />
Wir haben es selbst ausprobiert<br />
und können sagen, dass<br />
es selbst für Erwachsene eine ganz<br />
unglaubliche Erfahrung war, die<br />
nur 3,99 USD im Shop von „iTunes“<br />
gekostet hat.<br />
Es gibt noch unendlich viele Realitätsspiele,<br />
die für Ihr Kind geeignet<br />
wären, ihm gefallen und es zu<br />
nie zuvor gesehener <strong>Be</strong>wegung<br />
anregen würden. Wir schlagen<br />
diese Spiele vor, weil sie bei uns<br />
den besten Eindruck hinterlassen<br />
haben. Wir hoffen, dass auch Ihr<br />
Kind sie nicht mit Gleichgültigkeit<br />
betrachtet.<br />
Die Suche nach<br />
echten Schätzen<br />
Geocaching ist eine aktive Freizeitbeschäftigung,<br />
bei der unter Verwendung<br />
des Navigationssystems<br />
nach versteckten Schätzen gesucht<br />
wird. Und dies geschieht auf der<br />
ganzen Welt. Mit anderen Worten –<br />
es ist ein intelligentes Versteckspiel.<br />
Die Geografie des Spiels ist sehr umfangreich:<br />
Auf allen Kontinenten der<br />
Welt, in mehr als 100 Staaten sind<br />
Schätze versteckt, die man finden<br />
kann. Geocaching entstand aus dem<br />
im 19. Jh. beliebten Letterboxing, dessen<br />
Sinn darin besteht, anhand von<br />
Verweisen und Hinweisen in Texten<br />
einen konkreten Ort zu finden. Für<br />
ein Kind müsste diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />
auch deshalb interessant sein, weil die<br />
18
Realität mit der virtuellen Welt in Verbindung<br />
gebracht wird. Die Aufgaben<br />
sind im Internet vorhanden. Dort<br />
rühmen sich die Teilnehmer auch,<br />
wenn sie sie bewältigt haben. Es gibt<br />
auch eine ähnliche Version für das<br />
iPhone mit dem Namen „Traveler‘s<br />
Quest“, die 2,39 EUR kostet. Hier muss<br />
allerdings kein echter Schatz versteckt<br />
werden: Nachdem Sie einen<br />
konkreten Ort erreicht haben, „verstecken“<br />
Sie den Schatz (oder „graben“<br />
ihn aus) virtuell, wobei Sie dies<br />
auf der Spielkarte vermerken.<br />
Traditionell ist Geocaching eine <strong>Be</strong>schäftigung,<br />
bei der ein wasserfester<br />
<strong>Be</strong>hälter versteckt wird, in dem sich irgendeine<br />
Trophäe befindet. Der Trophäe<br />
liegt auch ein Registrierzettel<br />
bei, auf dem alle Finder der Trophäe<br />
sich registrieren können. Danach<br />
werden die Koordinaten des versteckten<br />
<strong>Be</strong>hälters auf einer der Internetseiten<br />
des Spiels bekanntgegeben.<br />
Am beliebtesten ist www.geocaching.<br />
com. Die Jäger solcher Trophäen suchen<br />
in Anlehnung an die bekanntgegebenen<br />
Koordinaten und unter<br />
Verwendung verschiedener Navigationsgeräte<br />
nach den <strong>Be</strong>hältern.<br />
Haben sie diese gefunden, können<br />
sie die Trophäen an Ort und Stelle belassen<br />
oder an sich nehmen unter der<br />
<strong>Be</strong>dingung, dass sie etwas von ähnlichem<br />
oder höherem Wert zurücklassen.<br />
Und zweifellos sollte auch das<br />
Registrierungsbuch zurückgelassen<br />
werden, es ist ein logistisches Hilfsmittel,<br />
keine Trophäe. Wenn Sie hoffen,<br />
dass irgendein guter Onkel hier eine<br />
Million versteckt hat, werden Sie sicher<br />
enttäuscht sein, aber vielleicht<br />
werden Sie irgendein interessantes<br />
unbekanntes Buch, eine unbekannte<br />
CD, alte Münzen, seltsame Spielzeuge<br />
u. Ä. entdecken.<br />
Solche Dinge kann man an sich nehmen<br />
und an ihre Stelle z. B. das neue<br />
Album von „Arctic Monkeys“ legen.<br />
Schließlich möchte man ja gute Musik<br />
mit anderen teilen. Oder wenn<br />
Sie noch mehr Spaß haben wollen,<br />
hinterlassen sie das Buch mit den<br />
Prophezeiungen des Nostradamus<br />
mit einer konkreten gekennzeichneten<br />
Seite und die Person, die es<br />
findet, wird sich lange quälen um<br />
zu verstehen, welchen Sinn all diese<br />
Nachrichten haben. Man kann<br />
auch nicht so subtil Späße machen.<br />
Der von Ihnen hinterlassene Gegenstand<br />
sollte irgendeine Mission<br />
haben, z. B. so viele Kilometer wie<br />
möglich zurücklegen, einen konkreten<br />
Staat erreichen oder einfach<br />
nur schneller als andere Trophäen<br />
gleicher Art durch die Welt reisen.<br />
19
father / mother<br />
Diese <strong>Be</strong>schäftigung hat verschiedene<br />
Variationen, die sowohl für einen<br />
einfachen Laien, als auch für einen<br />
verrückten Schatzsucher akzeptabel<br />
sind. Die einfachsten <strong>Be</strong>schäftigungen<br />
des Geocaching sind PNG (Park<br />
and Grab) oder „Drive-By“. Falls Ihrem<br />
Kind diese <strong>Be</strong>schäftigung nach<br />
einiger Zeit langweilig wird, regen Sie<br />
es an, zu einem verrückten Schatzsucher<br />
zu werden. Das ist nicht so<br />
schwer, weil es viele Trophäen gibt,<br />
die an schwerer zugänglichen Orten<br />
versteckt sind, z. B. unter Wasser, hoch<br />
in den <strong>Be</strong>rgen, in Baumwipfeln, sechs<br />
Fuß unter der Erde (wenn Ihr Navigationsgerät<br />
Sie zum Friedhof führt,<br />
hat sich wahrscheinlich jemand einen<br />
Spaß erlaubt) oder an extremen Orten.<br />
Sogar in der Antarktis kann man<br />
versteckte Schätze finden.<br />
Außerdem gibt es auch viele Variationen<br />
des Spiels. Neben dem traditionellen<br />
Geocaching kann man auf<br />
mehreren Levels spielen, wobei eine<br />
Trophäe zur nächsten führt, und das<br />
Ziel besteht darin, die endgültige<br />
Trophäe zu entdecken. Wenn mehr<br />
Mystik gefragt ist, wird Geocaching<br />
in Form eines Puzzles angeboten. Die<br />
Koordinaten führen hier nicht direkt<br />
zu einem Objekt, sondern sie sind Teil<br />
eines Rätsels, nach dessen Lösung<br />
man bis zur Trophäe vorstoßen kann.<br />
Vielleicht gefällt Ihrem Kind auch das<br />
Sammeln? Geocaching hat auch hier<br />
eine Antwort parat – einen Letterbox-<br />
Hybriden. Anstelle einer Trophäe findet<br />
man einen speziellen Stempel,<br />
den man auf sein Stempelheft setzt<br />
und im vorgefundenen Heft auch<br />
seinen Stempel hinterlässt. Wenn Ihr<br />
Kind Gefallen an dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />
findet, kann es sein, dass Sie viel<br />
in Tinte investieren müssen, obwohl<br />
es sich hierbei um eine sehr günstige<br />
Investition in die aktive Freizeitgestaltung<br />
des Kindes handelt.<br />
Sie halten Tinte für zu archaisch?<br />
Auch für dieses Problem wurden Lösungen<br />
geschaffen. Man kann ein<br />
Versteckspiel auf mehreren Levels<br />
spielen. Wer eine Trophäe findet,<br />
versteckt sie an einem anderen Ort<br />
und aktualisiert die Koordinaten des<br />
Gegenstands. Und so geht es weiter.<br />
Es wäre interessant zu erfahren, was<br />
für ein Gefühl es ist, wenn man eine<br />
bereits bekannte Trophäe an einem<br />
völlig anderen Ort findet?<br />
Sie sind der Meinung, dass die Schatzsuche<br />
eine zu schmutzige <strong>Be</strong>schäftigung<br />
ist? Dann beschäftigen Sie sich<br />
mit virtuellem Geocaching. Hier muss<br />
man nur den angegebenen Ort finden,<br />
an ihm ein Foto von sich machen<br />
und dem Schatzinhaber sein Foto mit<br />
einem strahlenden Lächeln zusenden.<br />
Oder man kann Spaß mit der Videokamera<br />
haben... An dem Ort, den man<br />
finden muss, ist eine Videokamera versteckt<br />
und der Spieler muss sich vor ihr<br />
zeigen.<br />
Die heiterste Art des Geocaching ist<br />
nach unserer Meinung „Wherigo“.<br />
Hier genügt es nicht, eine konkrete<br />
Trophäe zu finden, die auf den<br />
nächsten Ort hindeutet. Die Organisatoren<br />
von „Wherigo“ schreiben<br />
meist eine Geschichte und wenn<br />
man alle Trophäen finden will, muss<br />
man konkrete Orte aufsuchen, mit<br />
bestimmten Menschen sprechen,<br />
die weiteren Hinweise geben (oder<br />
auch nicht).<br />
Das Wichtigste ist, dass diese Alternative<br />
der Kinderfreizeit sehr wenig<br />
kostet. Eine Jahresmitgliedschaft<br />
bei www.geochaching.com kostet<br />
30 USD, und wenn Sie nicht sicher<br />
sind, ob Ihr Kind so lange durchhalten<br />
wird, können Sie auch eine<br />
Quartalsmitgliedschaft für 10 USD<br />
abschließen. Die Programme von<br />
Geocaching können Sie auch für die<br />
Smartphones iPhone und Android<br />
herunterladen.<br />
<strong>Be</strong>reit für geheime<br />
Missionen<br />
Große Ähnlichkeit mit Geocaching<br />
hat das Spiel „Encounter“, aber<br />
damit kann man sich besser in den<br />
Lebensrhythmus eines Geheimagenten<br />
hineinversetzen. Zum<br />
Lösen einer konkreten Aufgabe<br />
oder Finden eines bestimmten Ortes<br />
kommen gleichzeitig mehrere<br />
Teams und man muss ihnen zweifellos<br />
einen Schritt voraus sein.<br />
Das Spiel findet meist in der Stadt<br />
oder deren Umgebung statt und<br />
kann mehrere Stunden oder Tage<br />
dauern. Zu dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />
werden Sie keine kleinen Kinder<br />
mitnehmen, weil die Aktionen oft<br />
in der Nacht stattfinden. Außerdem<br />
sind hier Schnelligkeit und Operativität<br />
sehr wichtig. Für Jugendliche<br />
wird dies jedoch eine außergewöhnliche<br />
Erfahrung sein und sie<br />
werden Ihnen für diese Möglichkeit<br />
dankbar sein. Dieses Spiel findet<br />
in mehr als 230 Städten auf der<br />
ganzen Welt statt, die meisten Teilnahmeorte<br />
gibt es in Deutschland,<br />
Frankreich und Russland.<br />
20
<strong>Be</strong>i der Teilnahme am Wettstreit<br />
mit „Encounter“ können Sie in verschiedene<br />
Missionen geraten: von<br />
der Lösung logischer Aufgaben bis<br />
zur Einbeziehung von Dritten, die<br />
keine Ahnung von diesem Spiel haben.<br />
Letzteres sollte einen Jugendlichen<br />
sehr reizen, aber wir würden<br />
Ihnen vorschlagen, sich mehr auf<br />
die Foto- und Videojagd von „Encounter“<br />
zu konzentrieren. Es gibt<br />
vorgesehene Aufgaben, die erfüllt<br />
werden müssen, und später fotografiert<br />
oder filmt man sie. Diese<br />
Bilder und ihr künstlerisches Niveau<br />
werden später entweder von den<br />
Machern des Spiels, oder von den<br />
Teams selbst bewertet. Neben der<br />
aktiven Freizeitgestaltung würde<br />
Ihr Kind noch Erfahrungen beim Fotografieren<br />
oder Filmen sammeln.<br />
Dies kann zu einem weiteren Hobby<br />
werden, das aus ihm eine umfassende<br />
Persönlichkeit macht.<br />
Wir sind der Meinung, dass Ihrem<br />
Jugendlichen „Photo Extreme“ gefallen<br />
wird. <strong>Be</strong>i diesem Spiel muss<br />
man völlig verrückte Aufgaben erfüllen<br />
und das Ergebnis fotografieren.<br />
Die Aufgaben sind oft so seltsam,<br />
dass es wichtig ist, ein Foto in<br />
beliebiger Qualität zu machen, auf<br />
dem die Erfüllung der Aufgabe erkennbar<br />
ist. Oft erinnern diese Aufgaben<br />
an „Jackass“, also wird sich<br />
ihr Sprössling wirklich freuen, dass<br />
sein Vater so jugendlich ist und ihm<br />
eine derartige Freizeit ermöglicht.<br />
Spiele vom Typ „Encounter“ werden<br />
bei vielen Internetportalen angeboten<br />
und das größte Problem<br />
ist, dass sie so verstreut sind. Dieses<br />
Spiel ist jedoch meist kostenlos oder<br />
es wird eine symbolische Gebühr<br />
berechnet, die bei der Anmeldung<br />
zum Wettstreit zu entrichten ist.<br />
Außerdem kann eine Investition in<br />
Ausrüstung und Kleidung notwendig<br />
sein, aber dieser <strong>Be</strong>darf ist bei<br />
jedem Spiel unterschiedlich.<br />
IN der Natur gibt es<br />
mehr Abenteuer als<br />
im Computer<br />
Diese <strong>Be</strong>schäftigung ist die höchste<br />
Stufe der Einbeziehung von Kindern<br />
in die aktive Freizeit, aber nach der<br />
intensiven Schatzsuche und dem Lösen<br />
von Rätseln „zu Fuß“ wird Ihr Kind<br />
auch darauf vorbereitet sein. Es ist wie<br />
mit allen Suchten: Je mehr man probiert,<br />
desto extremer muss es sein.<br />
<strong>Be</strong>i Abenteuerwettläufen muss man<br />
auf unterschiedliche Weise so schnell<br />
wie möglich die vorgegebene Strecke<br />
bewältigen. Es kann also passieren,<br />
dass Sie auf <strong>Be</strong>rge klettern, in die<br />
Pedale treten, schwimmen, rudern,<br />
auf Pferden reiten oder einfach nur<br />
mit einem schweren Rucksack auf<br />
den Schultern über Felder laufen<br />
müssen. Manchmal werden diese<br />
Wettläufe mit verschiedenen Aufgaben<br />
angereichert, die unterwegs zu<br />
erfüllen sind, um so viele Punkte wie<br />
möglich zu sammeln. Diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />
nennt sich „Rogaining“.<br />
Erinnern Sie sich an den Film „Rat<br />
Race – Der nackte Wahnsinn“? <strong>Be</strong>i den<br />
Abenteuerwettläufen läuft alles genau<br />
so, nur dass niemand Ihnen gestatten<br />
wird, ein Flugzeug zu mieten oder ein<br />
Taxi auf der Straße anzuhalten. Und<br />
wenn Sie einen solchen Wettlauf gewinnen,<br />
wird ihnen natürlich auch niemand<br />
eine Million überreichen. Aber<br />
bekannterweise kann man gute Stimmung<br />
und Gesundheit für so viel Geld<br />
sowieso nicht kaufen.<br />
21
father / mother<br />
Impressum<br />
Verlag<br />
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Kalvariju 181-4<br />
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Redaktion<br />
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Autoren<br />
Arūnas Butkus<br />
Alex Walker<br />
Gediminas Galkauskas<br />
Igor Smolevski<br />
Jacob Grani<br />
Oskar Ruhig<br />
Rimantas Vančys<br />
Übersetzer<br />
Christian Ricardo Fedeler<br />
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urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe<br />
berrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen.<br />
Alle Rechte vorbehalten.
-<br />
Abenteuerwettläufe existieren in<br />
verschiedenen Formaten. Zu Anfang<br />
sind die Tageswettläufe am<br />
besten geeignet. Wird ihr Kind stärker,<br />
können die Tageswettläufe<br />
über das Wochenende oder einen<br />
längeren Zeitraum ausgedehnt<br />
werden. Das wichtigste Argument,<br />
das Ihr Kind zu der Überzeugung<br />
kommen lassen muss, dass diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />
gut ist, ist die Möglichkeit<br />
zu siegen und zum Herrscher<br />
der Welt zu werden. Die Abenteuerwettläufe<br />
werden dem Wunsch<br />
Ihres Kindes, der <strong>Be</strong>ste zu sein, Genugtuung<br />
verschaffen. Und damit<br />
nicht genug: Da die Abenteuerwettläufe<br />
unendlich viele Disziplinen<br />
in sich bergen, muss Ihr Kind sich<br />
ernsthaft vorbereiten, wenn es gewinnen<br />
möchte. Es muss 10 Runden<br />
ums Haus laufen und sich daran<br />
erinnern, dass nicht unbedingt nur<br />
Vatis BMW, sondern auch das Fahrrad<br />
ein Transportmittel ist.<br />
Wenn Sie im Internet nach Informationen<br />
über Abenteuerwettläufe suchen,<br />
werden sie sicher auf den berühmtesten<br />
Wettlauf dieser Art stoßen – auf<br />
„Primal Quest“. Diesen Namen trägt<br />
der weltweit schwerste Wettbewerb.<br />
Wir schlagen Ihnen auf keinen Fall vor,<br />
das Format dieses Wettlaufs für Kinder<br />
anzupassen. Sie können jedoch Ideen<br />
sammeln, wie ein einfacher Sportwettbewerb<br />
zu einer riesigen Intrige<br />
gemacht werden kann. Wenn Sie außerdem<br />
denken, dass ein Wettbewerb<br />
Ihrem Kind unnötigen Stress verursachen<br />
kann, lassen Sie sich von Abenteuerwettläufen<br />
einnehmen, die nach<br />
dem olympischen Grundsatz „Dabei<br />
sein ist alles“ organisiert werden. Neben<br />
den körperlichen Fertigkeiten, die<br />
Ihr Kind erlangt, wird es bei den Abenteuerwettläufen<br />
Dinge lernen, die ihm<br />
im Leben auf jedem Gebiet nützlich<br />
sind: Teamarbeit, Selbstvertrauen, die<br />
Fähigkeit zur schnellen Orientierung<br />
in unverhofften Situationen. Nicht<br />
umsonst werden Abenteuerwettläufe<br />
sogar in den größten Unternehmen<br />
als ernsthaftes Mittel zur Teambildung<br />
eingesetzt.<br />
Das Problem mit den Abenteuerwettläufen<br />
besteht darin, dass es keine Anbieter<br />
für organisierte Kinderdienstleistungen<br />
gibt. Sie müssten also selbst<br />
zur Tat schreiten und mit anderen<br />
Eltern Abenteuerstrecken erstellen.<br />
Es gibt auch eine virtuelle Version des<br />
Abenteuerwettlaufs unter dem Namen<br />
„Tourality“. Hier sind alle Abenteuer<br />
auf einer Landkarte verzeichnet<br />
und man muss nur mit GPS und durch<br />
Erfüllung der festgelegten Aufgaben<br />
das Ziel erreichen. Dieses Spiel ist verfügbar<br />
für iPhone, Black<strong>Be</strong>rry, Android<br />
und für Telefone von Nokia und Sony<br />
Ericsson, die JavaScript verarbeiten<br />
können.<br />
23
father / mother<br />
Nachrichten<br />
Magellan wird eine neue Serie von<br />
GPS-Handempfängern unter dem<br />
Namen „eXplorist“ herausgeben.<br />
Diese Geräte werden die schnellere<br />
Orientierung an jedem Ort der<br />
Welt ermöglichen und die detaillierteste<br />
Weltkarte enthalten, auf<br />
der alle Straßen Nordamerikas,<br />
Westeuropas und Australiens eingetragen<br />
sind. Das Gerät mit einem<br />
3-Zoll-Touchscreen und einer<br />
Kamera (3,2 Megapixel) wird auch<br />
wasserfest sein. „eXplorist“ wird<br />
es dem Reisenden ermöglichen,<br />
geographische Fotos zu machen<br />
und zu Hause seine Eindrücke im<br />
Internet zu teilen. Magellan hat<br />
dieses Jahr auch das Programm<br />
„RoadMate GPS“ für das iPhone<br />
vorgestellt. Obwohl das iPhone<br />
über ein installiertes GPS verfügt,<br />
werden Kraftfahrer mit dem neuen<br />
Programm von Magellan die<br />
Navigationssysteme viel bequemer<br />
nutzen können.<br />
Die Hersteller für Navigationsgeräte<br />
„Garmin“ haben GPS-Geräte<br />
im Angebot, in denen bereits<br />
Standort- und Navigationsspiele<br />
installiert sind, die jeden Spaziergang<br />
bereichern. Über solche installierten<br />
Spiele verfügen diese<br />
Modelle von „Garmin“: Geko 201,<br />
Geko 301, GPS 60, eTrex Vista C und<br />
GPSMAP 76CS.<br />
Der Navigationsgerätehersteller<br />
„Insignia“ hat den GPS-<br />
Fährtensucher für Kinder „The<br />
Little Buddy“ auf den Markt<br />
gebracht. Mit dessen Hilfe können<br />
Sie jederzeit feststellen, wo<br />
sich Ihr Kind befindet. Das Gerät<br />
hat die Größe eines Lippenstifts<br />
und kostet 99 USD. Eine Registrierung<br />
bei dem Portal www.insignialittlebuddy.com<br />
und eine<br />
Aktivierung des Geräts ist notwendig.<br />
Der Monatsbeitrag zur<br />
uneingeschränkten Nutzung<br />
liegt bei 14,99 USD. Sie können<br />
auch für einzelne Anfragen zur<br />
Standortermittlung zahlen. Der<br />
Preis für eine Anfrage beträgt<br />
0,99 USD. Außerdem können<br />
Sie das Gerät kostenlos ausprobieren:<br />
Die ersten 30 Tage brauchen<br />
Sie nichts zu zahlen und<br />
in diesem Zeitraum können Sie<br />
die Nutzung der Dienstleistung<br />
ohne finanzielle Strafen widerrufen.<br />
Der Preis für dieses Gerät<br />
ist erschwinglich, da beispielsweise<br />
eines der beliebtesten Navigationsgeräte,<br />
das „LiveView<br />
GPS“, vier Mal so teuer ist.<br />
Die Weltmeisterschaft im Abenteuerwettlauf<br />
2011 wird in Australien<br />
in der Region Tasmanien<br />
stattfinden. Während der<br />
Weltmeisterschaft, die vom 31.<br />
Oktober – 11. November stattfinden<br />
wird, müssen Teams mit<br />
4 Mitgliedern zu Fuß, in Paddelbooten<br />
und auf Mountainbikes<br />
700 km wilder Natur von Tasmanien<br />
bewältigen. Weitere Informationen<br />
über diese Veranstaltung<br />
finden Sie im Internet<br />
unter www.arwc2011.com.<br />
24
Score<br />
Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />
Ziel zu erreichen.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
25
iker<br />
Tausende von<br />
KILOMETERN<br />
in eine richtung<br />
Exotischer Urlaub auf dem<br />
Motorrad<br />
Text Oskar Ruhig<br />
26
Wenn Ihnen eines Tages bewusst wird, dass irgendetwas<br />
fehlt, obwohl Sie in bequemer Routine leben<br />
und die erreichbaren Annehmlichkeiten nicht<br />
mehr Ihrem anspruchsvollen Geschmack entsprechen, entsteht<br />
offiziell das <strong>Be</strong>dürfnis nach einem Tapetenwechsel.<br />
Eine Reise ist notwendig. Sie haben<br />
dann folgende Wahl: a) Sie laden die<br />
ganze Routine, von der Sie die Nase<br />
voll haben, in den Kofferraum Ihres<br />
Autos, legen Ihr Lieblingslied auf,<br />
geben die Koordinaten eines Kurorts<br />
in Frankreich in Ihr GPS ein und<br />
wenn die Landschaft letztendlich am<br />
Fenster vorbeizieht, üben die Jahreszeiten<br />
keinen Einfluss mehr auf<br />
Sie aus, weil die Klimaanlage wunderbar<br />
funktioniert. Wie angenehm.<br />
Wie langweilig. Zum Einschlafen. Die<br />
Zeit vergeht langsam, aber danach<br />
können Sie zwei Wochen lang in der<br />
Sonne braten, Ihre Bräune an die der<br />
umliegenden Menschen anpassen; b)<br />
Sie ergreifen zwei riesige Koffer und<br />
eine Handtasche und setzen sich ins<br />
Flugzeug. Wie angenehm. Wie langweilig.<br />
Die Zeit vergeht langsam, aber<br />
danach können Sie sich beim Genuss<br />
eines „Mojito“ sowie beim Konzert<br />
eines lokalen Ensembles in irgendeinem<br />
Café der Ciudad de La Habana<br />
von den <strong>Be</strong>sonderheiten des sich<br />
verändernden Kommunismus erstau-<br />
nen lassen; c) Sie greifen zum Helm,<br />
steigen auf ein Motorrad mit so viel<br />
Klamotten, wie sie zusammenbekommen,<br />
tippen mit dem Finger auf die<br />
Landkarte, sagen „hier“ und mit dem<br />
Rauschen des Windes in den Ohren<br />
stürzen Sie sich in das Meer der Erlebnisse.<br />
Dort, wo Sie hinfahren, sind<br />
weder sengende Hitze, noch strömender<br />
Regen, noch Gespräche mit<br />
Ortsansässigen beim Verfahren etwas<br />
Ungewöhnliches. Wenn Sie auf zwei<br />
Rädern hunderte Kilometer Asphalt<br />
oder gar unwegsamen Geländes fressen,<br />
dann werden Sie fühlen, dass Sie<br />
am Leben sind.<br />
Variante „c“ und nichts anderes!<br />
Denn wann sonst, wenn nicht jetzt?<br />
Dann begründen Ihre Familie, Nahestehenden<br />
und Freunde bei Ihrem<br />
Anblick nur die Worte von Richter<br />
George Hanson (gespielt von Jack<br />
Nicholson) aus dem Film „Easy Rider“:<br />
„Sie werden mit dir andauernd über<br />
die Freiheit des Individuums sprechen.<br />
Aber wenn sie ein freies Individuum<br />
sehen, dann erschreckt es sie.“<br />
Tausende von Kilometern<br />
in eine Richtung:<br />
Der <strong>Be</strong>ginn<br />
Es war ein trister Winterabend, einer<br />
von denen, wo nichts anderes<br />
mehr übrig bleibt, als den Organismus<br />
mit Büchern über Reisen und<br />
Touristen anlockenden, farbkorrigierten<br />
Fotos von Palmen, Sand,<br />
Meer und Yachten zu täuschen. Ich<br />
habe ihn so lange getäuscht, bis<br />
ich endlich verstanden habe, dass<br />
ich eine Sünde begehe. Lügen,<br />
besonders sich selbst gegenüber,<br />
schadet der Gesundheit. Deshalb<br />
habe ich aus freiem Willen, im Vollbesitz<br />
meiner geistigen Kräfte und<br />
ohne dazu gezwungen zu werden<br />
mit der Planung einer Motorradreise<br />
begonnen, und zwar an die<br />
Orte, deren Fotos die Internetsuchmaschine<br />
nach dem Eingeben des<br />
Wortes „Urlaub“ ausgespuckt hat.<br />
27
iker<br />
Zu Anfang habe ich noch versucht<br />
mich durch logische Motive selbst zu<br />
überzeugen, dass kein Geld zur Verfügung<br />
stünde – also vielleicht sollte<br />
man das alles auf den nächsten Sommer<br />
verschieben? Ja, sagten meine<br />
Freunde, als sie von meinen Plänen<br />
hörten. „Fahr besser auf den Enduro-<br />
Strecken“, wonach ich mich übrigens<br />
auch gesehnt habe. Aber in meiner<br />
Wintermüdigkeit wollte ich keine langen<br />
Gespräche über Reisen, farbkorrigierte<br />
Fotos mit Meer, Palmen und<br />
in Buchten schaukelnden Booten<br />
hören. Mein einziger Gedanke war<br />
die Reise. Seit dieser Zeit bin ich mit<br />
diesem Gedanken schlafen gegangen<br />
und aufgestanden, habe mit ihm<br />
gegessen und getrunken. Ich musste<br />
mit einer Analyse der Landkarte beginnen...<br />
Ich habe die Länder Europas<br />
erforscht und nach meinen <strong>Be</strong>rechnungen<br />
kam ich zu einer Entscheidung<br />
– das Ziel meiner Reise wird der<br />
<strong>Be</strong>such von mindestens neun Staaten<br />
sein, und in einem von ihnen werde<br />
ich mich auch erholen. Dem stimmte,<br />
mit zwei Vorbehalten, auch die mich<br />
in letzter Zeit durchs Leben begleitende<br />
sowie gemeinsam Urlaub machende<br />
Göttin, die auch unter dem Pseudonym<br />
Schutzengel bekannt ist, zu.<br />
Erster Vorbehalt: Wir machen Urlaub<br />
an der Küste der Adria mit tausend Inseln,<br />
die unter dem Namen Kroatien<br />
bekannt ist. Und der zweite Vorbehalt<br />
war, dass ich bis nach Kroatien allein<br />
fahren müsste und dort würde ich<br />
meinen Schutzengel vom Flughafen<br />
abholen und am Ende der Reise wieder<br />
sicher zum Flugzeug bringen.<br />
Diese <strong>Be</strong>dingung band die Reise an einen<br />
engen Zeitrahmen – ich werde an<br />
einem bestimmten Tag zu einer bestimmten<br />
Zeit in Kroatien sein müssen,<br />
ansonsten würden Störungen den<br />
ganzen Urlaub verderben. Aber auf<br />
jeden Fall ist eine Reise mit dem Motorrad<br />
in engem Zeitrahmen immer<br />
noch besser als zwei Wochen Langeweile<br />
am Schwimmbecken eines Hotels.<br />
Jetzt musste nur noch ein Motorrad<br />
gekauft werden. Und damit<br />
die Reise nicht langweilig wird,<br />
damit ich die <strong>Be</strong>deutung jedes zurückgelegten<br />
Kilometers verstehen<br />
kann, machte ich es mir zur<br />
Aufgabe, ein Motorrad zu kaufen,<br />
das mindestens zwanzig Jahre alt<br />
ist. Das ist natürlich die offizielle<br />
Version – die finanziellen Möglichkeiten<br />
haben ebenfalls diese Wahl<br />
diktiert. Diesem Motorrad wird die<br />
Verantwortung übertragen, in ca.<br />
fünfundzwanzig Tagen einige tausend<br />
Kilometer zurückzulegen und<br />
mich letztendlich wieder gesund<br />
und lebendig nach Hause zu bringen.<br />
Wenn das noch nicht extremer<br />
als die alttägliche Routine ist, werde<br />
ich noch hinzufügen, dass das Ziel<br />
der Reise Osteuropa ist.<br />
28
<strong>Be</strong>rlin<br />
Germany<br />
Poland<br />
Wroclaw<br />
Hradec Kralove<br />
Krakow<br />
Czech Republic<br />
Brno<br />
Slovakia<br />
Austria<br />
Bratislava<br />
Esztergom<br />
Budapest<br />
Hungary<br />
Slovenija<br />
Croatia<br />
Bosnia<br />
and<br />
Herzegovina<br />
Primošten<br />
Trogir<br />
Montenegro<br />
Dubrovnik<br />
29
iker<br />
Das Motorrad<br />
Das Motorrad ist nur ein Transportmittel.<br />
Es fährt nur dorthin, wo man<br />
es hinlenkt. Es ist eine Masse aus Metall<br />
und Plastik, auf der man stundenlang<br />
sitzt – nichts weiter. Es ist lauter<br />
oder leiser brummende, <strong>Be</strong>nzin und<br />
Öl fressende Technik, vor deren Stimme<br />
man sich hunderte Kilometer lang<br />
nicht verstecken kann, wie vor dem<br />
Priester am <strong>Be</strong>ichtstuhl. Und dass<br />
sich diese Stimme um Gottes Willen<br />
nicht verändern möge... Es ist nur<br />
eine Maschine, deshalb werde ich sie<br />
schützen, wie die Schweizer Garde<br />
den Vatikan schützt, ich werde sie<br />
pflegen, wie der alte Gärtner seine<br />
Apfelbäume pflegt, und werde nicht<br />
zulassen, dass ihr mechanisches Herz<br />
zum Stillstand kommt, deshalb werde<br />
ich jeden Abend ihre Kette einfetten.<br />
Auf ein gesundes Leben.<br />
Das Motorrad, das ich erwerben wollte,<br />
musste einigen meiner Launen<br />
standhalten. Zu allererst musste es<br />
mindestens zwanzig Jahre alt sein.<br />
Zweitens musste es geeignet sein, um<br />
mehr oder weniger angenehm hunderte<br />
von Kilometern zu fahren, fast<br />
ohne von ihm abzusteigen. Drittens<br />
– es musste über einen Motor mit ausreichend<br />
Leistung verfügen, damit<br />
es nach dem <strong>Be</strong>laden durch Gepäck<br />
und Personen ohne Probleme bei<br />
jeder Geschwindigkeit fahren und<br />
<strong>Be</strong>rge und Hänge jedes Steigungsgrades<br />
bewältigen könnte. Außerdem<br />
kann man einen leistungsstarken<br />
Motor schwieriger dazu<br />
bewegen, den Löffel abzugeben, also<br />
besteht eine größere Wahrscheinlichkeit,<br />
dass er wenigstens einige<br />
tausend Kilometer aushält. Ich wollte<br />
ein großes Zweiradgefährt der Klasse<br />
„soft enduro“ kaufen, eines wie<br />
aus der Serie BMW GS oder das Africa<br />
Twin von Honda. Diese Motorräder<br />
sind jedoch besonders zuverlässig<br />
und beliebt. Wenn ich über eine Fahrt<br />
damit nachdenke, dann lässt es mich<br />
kalt. Ich habe mich auch in der Klasse<br />
der Reisemotorräder umgesehen. <strong>Be</strong>sonders<br />
ins Auge fiel mir das alte Gold<br />
Wing von Honda, aber ich entschloss<br />
mich, dass dafür noch die Zeit kommen<br />
wird, wenn mehr Komfort gefragt<br />
ist, beispielsweise, wenn ich auf<br />
den Gedanken komme, während der<br />
Fahrt Radio zu hören. Diesmal aber<br />
nicht. Ich brauchte irgendetwas, was<br />
nicht beliebt war, nicht schön aussah,<br />
aber mehr oder weniger zuverlässig<br />
war. Und, Halleluja, endlich fand sich<br />
ein Motorrad, das theoretisch meinen<br />
Vorhaben, Zielen und Launen<br />
entsprach! Dafür musste ich nur etwa<br />
zwei Monate im Internet hängen,<br />
verschiedene Kommentare und <strong>Be</strong>schreibungen<br />
lesen, mich mit Freunden<br />
und gänzlich unbekannten Menschen<br />
zu diesem Thema unterhalten.<br />
Die Yamaha „FJ 1200“. Mit der Herstellung<br />
von Sport-Touring-Motorrädern<br />
dieser Art wurde bereits<br />
1984 mit dem 1100 cc-Motor und<br />
125 PS begonnen, der nach einigen<br />
Jahren auf 1200 cc und 130 PS anstieg.<br />
Dieser Motor wurde ein ganzes<br />
Jahrzehnt hergestellt, und das<br />
bedeutet nichts anderes, als dass<br />
die FJ einen gewaltigen Herzschlag<br />
hat. Das gefällt mir gewaltig. Ich<br />
habe sowohl die FJ 1100, als auch<br />
die FJ 1200 unter die Lupe genommen,<br />
aber mein Motorrad habe<br />
ich noch zwei Monate lang nicht<br />
gefunden, bis ich an einem besonders<br />
düsteren Wintertag ein heruntergekommenes,<br />
abgeschrammtes<br />
und ganz allein dem Rost überlassenes<br />
Transportmittel besichtigt<br />
habe. Es gab seltsame Geräusche<br />
von sich, verlangte nach Pflege<br />
und Reparatur, obwohl es gerade<br />
erst achtzehn Jahre alt war. Der Eigentümer<br />
machte mir einen Preisnachlass<br />
für das Motorrad, deshalb<br />
war ich nachlässig in <strong>Be</strong>zug auf die<br />
Jahre. Anstelle von zwanzig – achtzehn.<br />
Kein großer Unterschied.<br />
30
Das Relikt aus dem vergangenen<br />
Jahrhundert mit den Original-<br />
Seitenkästen von Yamaha wurde<br />
mein Eigentum. Ohne einen blassen<br />
Schimmer davon zu haben,<br />
was der alten Dame fehlt, habe ich<br />
die Yamaha bei einem befreundeten<br />
Mechaniker in Reparatur<br />
gegeben. Irgendetwas hatte sie,<br />
denn die Reparatur belief sich auf<br />
ein Drittel des Kaufbetrags des Motorrads,<br />
obwohl der Motor nicht<br />
angerührt wurde. Als endlich der<br />
Frühling angebrochen war, setze<br />
ich mich zum ersten Mal auf die<br />
alte Dame. Ich spürte den unglaublichen<br />
Unterschied zum drei Jahre<br />
älteren Einzylinder Honda NX 650<br />
Dominator. Das Motorrad schnurrte<br />
wie eine Katze, vier Zylinder haben<br />
fast gar keine Vibration erzeugt.<br />
Wegen all dem und wegen der<br />
windschnittigen Formen habe ich<br />
die alte Dame auf den weiblichen<br />
Namen Fee getauft. Fee, wie alle<br />
Frauen, war nicht ideal. Trotz der<br />
anfänglichen Investition blieb sie<br />
launisch, forderte Aufmerksamkeit.<br />
Ich musste ihr neue „Schuhe“<br />
kaufen, und nicht nur irgendwelche,<br />
sondern von verschiedener<br />
Größe. Die alte Dame wollte auch<br />
nicht ohne neues Zubehör auf Reisen<br />
gehen. Es gab zwei Seitenkästen,<br />
aber es schien ein Ding der Unmöglichkeit,<br />
darin das Gepäck von<br />
zwei Personen für eine vierwöchige<br />
Fahrt unterzubringen. Also musste<br />
ein neues Kaufobjekt her – eine<br />
unglaublich große Hecktasche aus<br />
Stoff. Welche sich selbst schätzende<br />
Frau hat denn nur eine Tasche<br />
für die Arbeit dabei? Also musste<br />
ich auch eine Handtasche kaufen<br />
– eine Tasche auf dem Tank, in der<br />
man verschiedene Kleinigkeiten<br />
wie einen Fotoapparat oder eine<br />
Landkarte unterbringen kann.<br />
31
iker<br />
Ausgaben für ein<br />
Motorrad und seine<br />
Vorbereitung auf<br />
die Fahrt:<br />
Motorrad: Yamaha FJ 1200 – 960<br />
EUR<br />
Motorrad-Reparatur: 320 EUR<br />
Reifen: Vorderreifen 120/70 R17<br />
Shinko – 60 EUR; Hinterreifen<br />
150/80 R16 Heidenau – 105 EUR<br />
Hecktasche: unmessbaren Volumens<br />
von „Niche“ – 130 EUR<br />
Tanktasche: „Oxford 1“; Länge –<br />
440 mm; Breite – 330 mm; Höhe –<br />
180 mm; Höhe bei Ausbreiten – 260<br />
mm. Preis – 60 EUR<br />
Jacke für den Fahrer: Leder Jofama.<br />
Preis – geliehen.<br />
Handschuhe für den Fahrer: Leder<br />
Jofama. Preis – geliehen.<br />
Schuhe für den Fahrer: ATV/Enduro.<br />
Preis – bereits zuvor vorhanden.<br />
Knieschützer für den Fahrer: Fox.<br />
Preis – geschenkt.<br />
Hose für den Fahrer: Jeans jeder<br />
Art.<br />
Helm für den Fahrer: Marushin.<br />
Preis – bereits zuvor vorhanden.<br />
Regenanzug für den Fahrer:<br />
durchgehend, wind- und feuchtigkeitsundurchlässig.<br />
Preis – bereits<br />
zuvor vorhanden.<br />
32
Stiller Assistent<br />
Er wird Ihnen niemals mit der Werbung<br />
für seine Dienstleistungen auf<br />
die Nerven gehen, wird Sie niemals<br />
suchen. Sie werden ihn suchen. Es<br />
ist ein Assistent, den Sie auf die Fahrt<br />
mitnehmen können, aber wenn Sie<br />
beginnen seine Dienstleistungen zu<br />
nutzen, dann wird er es sein, der Sie<br />
auf die Fahrt mitnimmt. Und es wird<br />
Ihnen gefallen. Ohne ein Wort zu sagen,<br />
wird er Ihnen alle möglichen<br />
Wege aufzeigen. Er wird kein Widerwort<br />
sprechen, wenn Sie die eine<br />
oder andere Richtung einschlagen,<br />
wird niemals dazu raten, nach rechts<br />
oder links abzubiegen, und wenn Sie<br />
das nicht getan haben, wird er Sie auf<br />
den nächsten zwanzig Kilometern<br />
nicht dazu auffordern umzudrehen.<br />
Er wird Sie nicht mit eisiger Stimme<br />
nerven, indem die eingespeicherten<br />
Sätze wiederholt werden, wenn Sie<br />
zufällig auf die Idee kommen, wegen<br />
des fantastischen Sonnenuntergangs<br />
vom Kurs abzukommen. Er wird Ihr<br />
Vertrauen auf Ihre eigene Vorahnung<br />
nicht im Keim ersticken, wird Ihnen<br />
gestatten die Richtung zu wählen<br />
und gibt Ihnen die Möglichkeit zur<br />
Umsetzung des manchmal aufkommenden<br />
unbesiegbaren Wunsches<br />
sich zu verirren. Er wird Ihnen die<br />
Freiheit lassen, dorthin zu fahren, wo<br />
es unnötig ist, aber wo man hinfahren<br />
kann. Der stumme Assistent wird<br />
geduldig warten, bis Verirrungen,<br />
kurze Haltepausen oder herzliche Gespräche<br />
mit Ortsansässigen beim Herausfinden<br />
der <strong>Be</strong>sonderheiten des<br />
Straßenbelags zu Möglichkeiten werden,<br />
die man sich bei der Abfahrt zu<br />
Reisebeginn nicht einmal erhofft hat.<br />
Er fordert Sie nicht zur Auswahl eines<br />
Endziels auf, wird Sie jedoch mit seinen<br />
stummen Wegweisern stets auf<br />
den anfänglichen Kurs zurückbringen.<br />
Der Straßenatlas versteht, dass<br />
jede neue Straße eine neue Erfahrung<br />
bietet, welche die weitere Reise<br />
nur erleichtern kann. Wenn Sie nach<br />
Hause zurückgekehrt sind, können<br />
Sie wenigstens nicht sagen, dass Ihre<br />
Reise langweilig war.<br />
Das Austauschen des Straßenatlasses<br />
in Papierform gegen ein elektronisches<br />
GPS-Navigationssystem ist ein<br />
Ausdruck der Schwäche. Ich werde<br />
nicht zulassen, dass meine irdische<br />
Reise von aus dem Kosmos gesteuerten<br />
elektronischen Gehirnen bestimmt<br />
wird. Ich werde nicht zulassen,<br />
dass ein weiterer Flüssigkristallbildschirm<br />
meine Augen in <strong>Be</strong>schlag<br />
nimmt, wenn zur gleichen Zeit nie im<br />
Leben gesehene Bilder an mir vorbeiziehen.<br />
Wie sich zeigte, habe ich mich<br />
bei der Wahl der Landkarte nicht<br />
geirrt. Ich habe mich nicht geirrt,<br />
weil das Interessante allein durch die<br />
Landkarte noch vor dem Überqueren<br />
der Landesgrenze seinen Anfang<br />
nahm.<br />
33
iker<br />
Unangenehmes vor<br />
der Fahrt<br />
Es nennt sich Murphys Gesetz: Alles,<br />
was schief gehen kann, wird auch<br />
schief gehen. Jede Reise kann vor<br />
ihrem <strong>Be</strong>ginn durch unvorhergesehene<br />
Dinge durcheinander gebracht<br />
werden. Die beste Art mit den Schwierigkeiten<br />
fertig zu werden sind die<br />
Handlung aus dem Stehgreif und Improvisation.<br />
Nur knappe zwei Nächte<br />
vor der Abfahrt hat die zweiräderige<br />
alte Dame, die bis zu diesem Zeitpunkt<br />
einwandfrei funktioniert hatte,<br />
plötzlich den Geist aufgegeben,<br />
ist auseinandergefallen, obwohl sie<br />
zuvor repariert wurde. Es war wie ein<br />
Wink des Schicksals: Reize mich nicht,<br />
Brüderchen, du siehst doch selbst,<br />
dass das Motorrad alt ist, für eine so<br />
lange Fahrt allein hast du doch zu<br />
wenig Erfahrung, und deine Hände<br />
wissen doch nicht einmal, was sie mit<br />
den Werkzeugen anfangen sollen.<br />
Die Menschen um uns herum haben<br />
nur traurig mit dem Kopf genickt<br />
– was wird, sagen sie, wenn auf der<br />
Fahrt noch mehr Defekte auftreten,<br />
wenn du irgendwo weit von der Zivilisation<br />
allein zum Stehen kommst?<br />
Dann werden wir schon sehen, winkte<br />
ich ab, weil ich auf solche Fragen<br />
überhaupt nicht vorbereitet war.<br />
Aber ich war verblüfft und versuchte<br />
das Angebot meines Freundes und<br />
dessen Garage zu nutzen, um alle vier<br />
verdreckten Vergaser zu reinigen.<br />
Letztendlich stellte sich nach dem<br />
Lösen aller Schrauben, wobei ein Teil<br />
abgesägt werden musste, am Morgen<br />
heraus, dass drei von vier Gummimembranen<br />
kleine Löcher aufweisen<br />
und stellenweise die Löcher<br />
größer waren. Gemeinsam haben wir<br />
beschlossen, dass dies dem Motorrad<br />
offensichtlich nicht mehr Zuverlässigkeit<br />
auf der langen Fahrt verleiht, dass<br />
es ohne Zweifel Einfluss auf die Funktion<br />
des Motors hat und wahrscheinlich<br />
der Grund für alle potenziellen<br />
Defekte sein kann. Ich musste bis zum<br />
Morgen warten, wo ich dann eine<br />
Nachricht erhielt, die mich aus den<br />
Schuhen kippen ließ: Die neuen Membranen<br />
würden bestenfalls in einer<br />
Woche hier eintreffen und fast genau<br />
soviel kosten wie das gesamte Motorrad.<br />
Ich hatte aber nur zwei Tage und<br />
wollte nicht noch ein Motorrad kaufen.<br />
Improvisation war nötig: Ich rief<br />
einen bekannten Mechanikermeister<br />
an und ... Bingo! Man braucht nur<br />
eine Paste, die zur Herstellung von<br />
Zwischenstücken verwendet wird,<br />
und die Membranen sollten noch<br />
ein paar Jahre halten. Die Löcher<br />
wurden unter herkömmlichen <strong>Be</strong>dingungen<br />
verklebt und es blieb ein<br />
Tag bis zur Abfahrt, als mir nichts dir<br />
nichts, durch den Kupplungszylinder<br />
Flüssigkeit austrat, die alle Plastikteile<br />
zerfrisst, auf die sie trifft. Es folgten<br />
desperate Irrgänge durch die Stadt<br />
und ich erhielt das Ehrenwort, dass<br />
der Reparatursatz für den Kupplungszylinder<br />
am gleichen Tag, für den<br />
der Start geplant ist, eintreffen wird.<br />
34
Als der Starttag gekommen war,<br />
irrte der Reparatursatz aber leider<br />
irgendwo im Land umher und würde<br />
bestenfalls nach weiteren vierundzwanzig<br />
Stunden eintreffen.<br />
Ich kann nicht mit aus dem Griff<br />
tropfender Kupplungsflüssigkeit<br />
fahren, aber nach sieben Monaten<br />
Planung kann ich es nicht zulassen,<br />
dass meine Pläne ruiniert<br />
werden. Wieder ist Improvisation<br />
notwendig, und ich erwarb einen<br />
gebrauchten Kupplungszylinder<br />
aus einem Unfallmotorrad. Eine<br />
Garantie, dass nach 1000 km nicht<br />
wieder Flüssigkeit auszutreten beginnt,<br />
gibt es nicht. Das war’s. 50 kg<br />
Gepäck sind geladen, die Richtung<br />
ist gewählt und gegen Abend, nur<br />
zehn Stunden hinter dem Zeitplan<br />
zurückliegend, fahre ich aus der<br />
Hauptstadt Deutschlands ab, weil<br />
ich am selben Tag das Angebot<br />
erhalten und angenommen hatte,<br />
die Nacht in guter Gesellschaft in<br />
der Nähe der polnischen Grenze,<br />
auf einem von Wäldern umgebenen<br />
Gehöft zu verbringen. Unglaublich,<br />
aber in der Gesellschaft<br />
befand sich auch ein Lkw-Fahrer,<br />
der halb Europa kreuz und quer<br />
durchfahren hat. Der Mann zählte<br />
mit ruhigem Gesicht aus dem<br />
Kopf verschiedene Strecken auf,<br />
nannte die Straßennummern und<br />
Namen der Städte, wobei er nur<br />
selten einen Blick auf den Straßenatlas<br />
warf. Ich musste mir nur<br />
Notizen machen, aber der Abend<br />
war so gut, dass ich meine Notizen<br />
bis zum heutigen Tag nicht entziffern<br />
kann. Der Morgen kam und<br />
verging. Der Mittag kam und ich<br />
habe mich ohne Hast auf den Weg<br />
gemacht. Die zum Abschied winkenden<br />
Hände entfernen sich und<br />
auf meinem Gesicht hält sich das<br />
Lächeln. Der <strong>Be</strong>nzintank ist voll, die<br />
Landschaft wunderbar, die Straße<br />
gut. Der Urlaub beginnt und dann<br />
fahre ich nach Polen ein...<br />
35
iker<br />
POLEN: Legenden<br />
und die Wahrheit<br />
Die Menschen haben sich folgende<br />
Meinung gebildet: Wenn man<br />
die Möglichkeit dazu hat, sollte<br />
man unbedingt die Straßen Polens<br />
meiden. Diese Meinung ist nicht innerhalb<br />
einiger Wochen, sondern<br />
über Jahre entstanden. Warum<br />
wird dazu geraten, Polen zu umfahren?<br />
Zu allererst darum, weil<br />
Polen lange für besonders schlechte<br />
Straßen berühmt war. Zweitens<br />
ist es ein Transitland, durch welches<br />
hunderttausende von Lkws<br />
fahren, die wegen der qualitativ<br />
schlechten schmalen Straßen<br />
lange Warteschlangen erzeugen<br />
und die Geschwindigkeit von Reisenden<br />
und Touristen merklich<br />
verringern. Und der dritte Grund,<br />
weshalb man Polen vorerst umfahren<br />
sollte, ist der Ehrgeiz der Polen<br />
selbst, ihre Straßen zu verbreitern<br />
und in Ordnung zu bringen.<br />
Wegen Straßenreparaturen entstehen<br />
in ganz Polen riesige Staus,<br />
in denen man stundenlang festsitzt.<br />
Für Abwechslung in diesem<br />
Kaleidoskop sorgt das unvorsichtige<br />
Abbiegen von Fahrzeugen der<br />
Marke Polonez auf die Hauptstraße.<br />
Es gibt zumindest solche Legenden.<br />
Aber was bedeutet Polen für einen<br />
Optimisten, der das erste Jahr auf<br />
einem Sport-Touring-Motorrad sitzt,<br />
aber Erfahrung im Fahren eines<br />
Enduro hat? Ich beschloss, die Gerüchte<br />
selbst zu prüfen. Noch vielmehr<br />
dürstete es mich danach, den<br />
Schaum von einem Glas polnischen<br />
Bier in einer Bar in einer engen Gasse<br />
von Krakau zu pusten. Auf alle Fälle<br />
entschied ich mich zur Fahrt über<br />
Wrocław, da mit meinem krummen<br />
Blick auf die Landkarte diese Strecke<br />
am geradesten schien. Außerdem<br />
habe ich bei Wrocław einen Campingplatz<br />
gesichtet, auf dem ich<br />
übernachten könnte, falls mein Plan,<br />
mehr als siebenhundert Kilometer<br />
an einem Tag zu fahren, sich nicht<br />
bestätigen würde. Und, oh, Schicksal!<br />
Erst nach dem Ende meines Urlaubs<br />
werde ich verstehen, dass meine Entscheidung<br />
diesbezüglich eine Auszeichnung<br />
verdient hat. Der <strong>Be</strong>nzintank<br />
war also voll, die Sonne stand<br />
hoch, die Landschaft war gut, und<br />
auch die Straßen waren zu meinem<br />
Erstaunen hervorragend. Ich beschloss,<br />
nicht auf den Hauptstraßen,<br />
sondern auf den weniger vom Transittransport<br />
belasteten Straßen zu<br />
fahren. Kein einziger Lastkraftwagen.<br />
Mein bekannter Kraftfahrer sagte mir<br />
bei der Feier am Abend, dass ich bis<br />
etwa drei Uhr nachmittags keine Lkws<br />
zu sehen bekommen werde, weil es<br />
Samstag ist, und am Sonntag werde<br />
ich sie den ganzen Tag nicht sehen.<br />
Ich bog nach Zielona Góra ab.<br />
Weiterhin erstreckte sich eine erstaunlich<br />
gute Straße, es gab nicht<br />
viele Fahrzeuge. Und obwohl sich auf<br />
dieser Strecke Kleinstädte befinden,<br />
in denen die Geschwindigkeit stark<br />
eingeschränkt ist, habe ich bis fast<br />
nach Wrocław nichts <strong>Be</strong>sseres zu tun<br />
gehabt, als mich an der Fahrt und<br />
dem wunderbaren Wetter zu erfreuen.<br />
In dieser Zeit habe ich die Möglichkeit<br />
zur <strong>Be</strong>kanntschaft mit dem<br />
Motorradfahrer Mariusz gehabt. Der<br />
Pole hielt mich in einer Kleinstadt an.<br />
Obwohl er keiner einzigen der Sprachen,<br />
die ich konnte, mächtig war<br />
und ich seine Sprache nicht sprach,<br />
haben wir herausgefunden, dass er<br />
in Warschau und in noch drei anderen<br />
polnischen Städten wohnt und<br />
ebenfalls oft allein mit dem Motorrad<br />
unterwegs ist, weil selten jemand<br />
aus seinem Freundeskreis zu einer<br />
Fahrt auf weiterer Strecke bereit ist.<br />
36
Mariusz erfuhr von meinem Vorhaben,<br />
dass es sich um den ersten<br />
Tag meiner Fahrt im Ausland<br />
handelte, und dass noch ungefähr<br />
weitere zwanzig Tage vor mir<br />
liegen. Wir verabschiedeten uns,<br />
aber als ich nach fünfzig Kilometern<br />
am Straßenrand stand und<br />
versuchte, mit den herabrutschenden<br />
Gepäckhaltegurten fertig zu<br />
werden, holte mich der Mann ein<br />
und schlug vor, mich zu begleiten.<br />
In der Nähe von Wrocław bot der<br />
Pole mir sogar eine Übernachtungsmöglichkeit,<br />
Kaffee und eine<br />
Dusche an, aber ich machte abermals<br />
deutlich, dass mein Tagesziel<br />
Krakau ist. Mariusz nickte mit dem<br />
Kopf und wünschte mir Erfolg.<br />
Schon bald verstand ich warum.<br />
Gegen Abend, bis zur Dunkelheit<br />
blieben noch ein paar Stunden, war<br />
es nicht mehr weit bis Wrocław, von<br />
dem aus es bis Krakau gerade einmal<br />
zweihundert Kilometer sind, scheinbar<br />
zum Greifen nah. Aber dann<br />
begann der unendliche Strom der<br />
Geschwindigkeitsbegrenzungen.<br />
Das Verkehrsaufkommen stieg, die<br />
Sitzmuskeln begannen unerträglich<br />
zu schmerzen und die Stimmung<br />
verschwand wesentlich schneller,<br />
als sich die Zahlen bis zur nächsten<br />
Stadt auf den Anzeigetafeln veränderten.<br />
Als ich endlich Wrocław erreicht<br />
hatte, konnte ich nicht mehr<br />
auf meiner alten Dame sitzen, also<br />
begann ich nach dem Campingplatz<br />
zu suchen. Mit der Landkarte<br />
und der Sonne konnte ich den Platz<br />
leicht ausfindig machen, besonders<br />
nachdem ein Wachmann des Erholungsparks,<br />
der auf einem Motorroller<br />
fuhr, mir den Weg gewiesen hatte.<br />
37
iker<br />
Für das Zelt, das Motorrad und mich<br />
selbst habe ich zwölf Euro bezahlt,<br />
noch in der Dämmerung habe ich mir<br />
eine Suppe gekocht. Platz für ein Zelt<br />
und Wohnwagen gibt es auf dem Campingplatz<br />
reichlich. Wer möchte, kann<br />
auch in kleinen Bungalows unterkommen.<br />
Gegen Aufpreis kann man sogar<br />
in seinem Zelt auch Stromversorgung<br />
erhalten (man muss nur ein mehrere<br />
Meter langes Kabel bei sich haben). Die<br />
Duschen und die Toiletten sind jedoch<br />
nicht von der angenehmsten Art. Brüchige,<br />
unordentliche Einrichtung, herumliegende<br />
Zigarettenkippen, so viel<br />
Schmutz, dass man nach dem Duschen<br />
zusehen muss, um keine schmutzigen<br />
Füße zu bekommen. Später erfuhr<br />
ich, dass dies auf den Campingplätzen<br />
in Polen etwas ganz Gewöhnliches<br />
ist. Ich benötigte aber nur eine heiße<br />
Dusche und die habe ich bekommen.<br />
<strong>Be</strong>im Klang der schmetternden Musik<br />
aus den Autos von anreisenden polnischen<br />
Touristen und bei Feuerwerken<br />
bin ich ein wenig eingeschlafen<br />
und nach dem Sonnenaufgang war<br />
ich wieder fahrtüchtig. Eine Dusche,<br />
Frühstück, Zeltabbau, <strong>Be</strong>festigung des<br />
Gepäcks auf dem Motorrad und eine<br />
Stunde vor Mittag war ich wieder auf<br />
dem Weg nach Krakau. Ich entschloss<br />
mich übrigens diese Stadt zu umfahren<br />
und direkt in die Hauptstadt der<br />
Slowakei, Bratislava, zu fahren, um<br />
zum vereinbarten Zeitpunkt meine<br />
Göttin vom Flughafen in Kroatien abholen<br />
zu können. Die Straßen Polens<br />
haben mich angenehm überrascht.<br />
Und obwohl mich Mariusz gewarnt<br />
hat, dass sie vor Krakau schlechter werden,<br />
gab es keine Straße, die nicht mit<br />
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />
oder ein wenig schneller befahrbar<br />
wäre. Dafür wurde die Landschaft vor<br />
Krakau immer besser, bis endlich die<br />
<strong>Be</strong>rge ihren Anfang nahmen. Ich verstand,<br />
dass ich mich bereits unweit<br />
der polnisch-slowakischen Grenze<br />
befinde. Ich habe Krakau geschnitten<br />
(zuvor musste ich Ortsansässige nach<br />
der genaueren Richtung fragen, denn<br />
wie ich mich später selbst überzeugt<br />
habe, ist es in den größeren Städten<br />
Polens schwierig, sich nach den<br />
Verkehrszeichen zu orientieren – es<br />
gibt einfach zu wenige davon) und<br />
gelangte auf eine Straße, von der ich<br />
ein halbes Jahr lang geträumt hatte<br />
– breiter, spiegelglatter Asphalt windet<br />
sich zwischen <strong>Be</strong>rgen und Felsen<br />
hindurch, auf denen sich zwischen<br />
Wäldern liegende kleine bunte Häuschen<br />
befinden. Es war der beste Ort<br />
des Landes, der einen bleibenden<br />
Eindruck hinterlassen hat, und als ich<br />
letztendlich in die Slowakei eingefahren<br />
war, konnte ich die Eindrücke über<br />
das Fahren in Polen zusammenfassen.<br />
38
Irgendwann einmal wird Polen<br />
ebenso wunderbare Straßen haben<br />
wie Deutschland und Österreich,<br />
aber wer weiß, ob wir das noch erleben<br />
werden.<br />
Die Legende, dass die Straßen in<br />
Polen schlecht sind, hat sich nicht<br />
bestätigt. Sie werden ganz einfach<br />
repariert.<br />
Die Legende, dass es auf den Straßen<br />
von Lkws wimmelt, wird an<br />
Werktagen zu einer Tatsache. An<br />
Wochenenden sind sehr viel weniger<br />
von ihnen unterwegs, und einen<br />
Motorradfahrer stören sie nicht.<br />
Die Legende, dass die polnische Polizei<br />
gleich nach dem Anhalten um<br />
Schmiergeld bittet, konnte ich nicht<br />
überprüfen, weil ich auf der gesamten<br />
Fahrt nicht von einem Polizeibeamten<br />
angehalten wurde.<br />
Die Legenden von an den Straßenrändern<br />
lauernden Banditen werden, so<br />
wollen wir hoffen, zu einem Mythos.<br />
Ich selbst kann noch hinzufügen,<br />
dass die öffentlichen Toiletten in<br />
Polen (die Campingplätze habe ich<br />
bereits erwähnt) völlig ungeeignet<br />
zur <strong>Be</strong>nutzung sind, und falls Sie die<br />
Möglichkeit haben, sollten Sie diese<br />
meiden. Suchen Sie besser ein Café<br />
oder einen anderen privaten Ort auf.<br />
Die Tatsache, dass das Fahren durch<br />
Polen besonders schwierig ist, hat<br />
sich bestätigt. Von den Reparaturarbeiten<br />
und den Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
kann einem schlecht<br />
werden.<br />
Die Tatsache, dass aus jeder Seitenstraße,<br />
ohne auf irgendetwas zu<br />
achten, plötzlich ein lokales Gefährt<br />
der Marke Polonez langsam auf die<br />
Hauptstraße fahren kann, hat sich<br />
mehr als bestätigt. Ein Wagen der<br />
Marke Polonez war das erste Auto,<br />
das unvorsichtig direkt vor meiner<br />
Nase auf die Hauptstraße fuhr. Auch<br />
Fahrzeuge anderer Marken biegen<br />
verantwortungslos auf die Hauptstraße<br />
ab.<br />
Es ist eine Tatsache, dass die Polen<br />
nicht sonderlich auf die Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
außerhalb<br />
der Stadt achten.<br />
39
iker<br />
Die Slowakei: Staus<br />
in den <strong>Be</strong>rgen und<br />
überfüllte Hostels<br />
Die <strong>Be</strong>rge haben eine gute Eigenschaft:<br />
Wenn man sie durchfährt,<br />
dann brennt die Sonne nicht. Und<br />
sie brennt so wenig, dass es sogar<br />
ganz schön kühl wird, da hilft nicht<br />
einmal die windundurchlässige Lederjacke.<br />
Nachdem ich für die 7-tägige<br />
Vignette (eine kleinere gibt es<br />
nicht) gezahlt hatte, schlüpfte ich<br />
auch noch in meinen wind- und<br />
feuchtigkeitsundurchlässigen Anzug.<br />
Unter normalen Umständen<br />
fühle ich mich im August in einem<br />
Anzug wie in der Sauna, dieses<br />
Mal jedoch nicht. Es war nicht<br />
heiß und beim Tragen des Anzugs<br />
kam ungeahnte Freude auf, als<br />
die bleischweren Wolken an den<br />
<strong>Be</strong>rggipfeln letztendlich zu Regen<br />
wurden. Dies hielt den Verkehr<br />
auf. Ich verstand, dass falls ich meine<br />
Fahrtroute nicht ändere und<br />
nicht so schnell wie möglich die<br />
Autobahn erreiche, ich in den <strong>Be</strong>rgen<br />
übernachten kann. Würde es<br />
nicht regnen und würde ich nicht<br />
unter Zeitdruck stehen, klänge<br />
dieser Gedanke recht romantisch.<br />
Nur nicht dieses Mal. Ein Blick in<br />
den Atlas und die Nase meines<br />
Motorrads fuhr in anderer Richtung,<br />
war bemüht, die längste Autobahn<br />
der Slowakei zu riechen.<br />
Logisch gesehen war sie der schnellste<br />
Weg zum Ziel. Noch ein Dutzend<br />
der nicht gerade angenehmsten<br />
Kilometer und zu dem kühlen Wetter<br />
und dem Regen gesellte sich der<br />
Stau hinzu. Lang und langweilig.<br />
Das nervte. Einige Autofahrer sind,<br />
auf Grund welches Kindheitstraumas<br />
auch immer, außerdem der<br />
Meinung, dass Motorradfahrer fliegen<br />
können und unsterblich sind,<br />
weshalb man sie seelenruhig von der<br />
Straße drängen kann. Zum Glück gibt<br />
es von solchen Autofahrern nicht<br />
viele. Etwa zwei Stunden und einige<br />
Dutzend Kilometer später hinter<br />
der Stadt Žilina beginnen die Fahrzeuge<br />
sich mit einer unglaublichen<br />
Geschwindigkeit von 50 km/h fortzubewegen<br />
und so geht das noch<br />
eine gute Stunde. Fröhlicher war mir<br />
zumute, als ich nach dem Sprung<br />
auf die Autobahn und einer weiteren<br />
Stunde Fahrt bemerkte, dass der<br />
Himmel sich lichtete, aber die treue<br />
alte Dame Fee öffnete eines ihrer zwei<br />
roten Augen – das der <strong>Be</strong>nzinreserve.<br />
Das „<strong>Be</strong>nzinauge“ öffnete Fee nicht<br />
zum ersten Mal. Wenn der Tankanzeiger<br />
nicht einwandfrei funktioniert,<br />
gibt es keine andere Möglichkeit als<br />
auszuprobieren, wie weit man mit vollem<br />
Tank fahren kann, aber nur nicht<br />
dann, wenn die Reservelampe aufleuchtet.<br />
Die Zahlen kannte ich nur<br />
ungefähr... Es war wie die Ankunft des<br />
Nirwana auf Erden, als sich die Wolken<br />
endlich gänzlich verzogen und im<br />
Sonnenuntergang hinter den <strong>Be</strong>rgen<br />
Fees Tankmündung von der <strong>Be</strong>nzinpistole,<br />
und mein Gehirn von dem in<br />
der Schokolade enthaltenen Theobromin<br />
erreicht wurde. Die verbleibenden<br />
zweihundert Kilometer bis<br />
zur slowakischen Hauptstadt Bratislava<br />
waren fast schon angenehm, würden<br />
wir die Tatsache auslassen, dass<br />
Fee ihr zweites rotes Auge öffnete –<br />
die Ölstandslampe. Ich habe sanft auf<br />
sie eingeredet, sie gestreichelt, gekitzelt<br />
und unglaublich aber wahr, die<br />
alte Dame schloss ihr „Ölauge“. Wir<br />
fuhren in Bratislava ein. In meinem<br />
Gedächtnis befanden sich Bruchstücke<br />
des Stadtplans aus dem Internet,<br />
die sagten, dass mein reserviertes<br />
<strong>Be</strong>tt im Hostel irgendwo im Zentrum<br />
von Bratislava auf mich wartet. Als ich<br />
endlich anhielt, um nach dem Weg zu<br />
fragen, weil ich nicht mehr wusste, wo<br />
ich bin, stellte sich heraus, dass meine<br />
gesuchte Straße sich um die Ecke<br />
befindet und das von mir gesuchte<br />
Hostel – in weiteren zweihundert Metern<br />
Entfernung. Als ich es betreten<br />
hatte, dachte ich, dass mir gar kein so<br />
schlechter Abend bevorsteht. Die Rezeption<br />
des Hostels war eine einfache<br />
Bar, in der sich Jugendliche aus aller<br />
Herren Länder befanden, und sich<br />
lebhaft miteinander unterhielten.<br />
40
Nach zehn Stunden auf dem Motorrad<br />
konnte ich nicht mehr genau<br />
sagen, was man ihnen in die<br />
Getränke geschüttet hat, aber ich<br />
verstand, dass ich in einer Gruppe<br />
von denen gelandet war, die dem<br />
Rock ‚n‘ Roll des Lebens etwas abgewinnen<br />
können. Das Lächeln<br />
verschwand, als es sich herausstellte,<br />
dass ich per Internet die Reservierung<br />
nicht zwei Mal bestätigt<br />
hatte, was Voraussetzung war, um<br />
ein <strong>Be</strong>tt zu bekommen. „Leider“,<br />
lächelte das Mädchen hinter dem<br />
Tresen schuldig, nachdem sie den<br />
Computer drei Mal überprüft hatte,<br />
„es gibt keine Reservierung für Sie<br />
und auch kein freies <strong>Be</strong>tt“. Es stellte<br />
sich heraus, dass die Wahrscheinlichkeit,<br />
zu dieser Jahreszeit im<br />
Hostel ein <strong>Be</strong>tt ohne Reservierung<br />
zu bekommen, genau dieselbe ist,<br />
wie mit einem veralteten Motorrad<br />
5000 km ohne Probleme zu fahren<br />
– besonders gering. Aber ich hatte<br />
wohl Glück. Nachdem ich eine<br />
Stunde in den umliegenden Wohnbezirken<br />
umhergefahren war, fand<br />
ich endlich irgendein Hostel, unweit<br />
von dem, in dem ich kein <strong>Be</strong>tt<br />
bekommen hatte. Aber auch dort<br />
erhielt ich eine ähnliche Antwort<br />
– es gibt keine freien Plätze im Hostel.<br />
Trotzdem machte jemand auf<br />
wundersame Art und Weise seine<br />
Reservierung rückgängig, sodass<br />
ganze drei freie <strong>Be</strong>tten zur Verfügung<br />
standen! Problem gelöst.<br />
Nach zehn Stunden und mehr als<br />
siebenhundert Kilometer Fahrt<br />
winkten traditionelles Gulasch in<br />
irgendeinem Lokal, zwei Gläser<br />
lokales Bier und dann kehrte ich<br />
zum Schlafen in ein Zimmer mit<br />
vierzehn <strong>Be</strong>tten zurück. Die Ruhe<br />
war seltsam. Der Schlaf wurde nur<br />
durch die leicht angetrunkenen<br />
Reisenden gestört, die leise wie<br />
Mäuse versuchten, ihre <strong>Be</strong>tten zu<br />
erreichen, aber über Gegenstände<br />
stolperten – Menschen wie auch<br />
ich. Alles ganz normal.<br />
41
iker<br />
Ungarn und die<br />
gesonderte Republik<br />
mit dem Namen<br />
Budapest<br />
Das Tagesziel ist angsteinflößend –<br />
eine Übernachtung in der neuntgrößten<br />
Stadt der Europäischen Union<br />
zu finden, die mehr als eineinhalb<br />
Millionen Einwohner hat. Ja, der Weg<br />
führt nach Budapest in die Hauptstadt<br />
Ungarns. Es schien nichts Einfacheres<br />
zu geben, man muss sich nur in das<br />
WLAN des Hostels einklinken, ein anderes<br />
Hostel in Budapest finden, die<br />
Landkarten sichten und sich bis zum<br />
Ende des Weges an ihnen orientieren.<br />
Nur eines hatte ich nicht vorausgesehen<br />
– dass morgens im Hostel das<br />
Internet nicht funktionieren wird. Ich<br />
habe auf den Regen draußen gepfiffen<br />
– ich werde die Zeit nicht mit<br />
der Suche nach einem anderen Internetzugang<br />
vergeuden und mich<br />
dem Glück in die Hände begeben,<br />
falls es bereit ist, mir zur Seite zu stehen.<br />
Außerdem möchte ich noch bei<br />
Tageslicht etwas von der Stadt sehen,<br />
in der ich untergekommen bin, und<br />
eine solche Möglichkeit hatte ich bisher<br />
nicht. Ich bin etwas durch die Industriebezirke<br />
von Bratislava geirrt,<br />
um nach dem Weg nach Budapest<br />
entlang der Donau zu suchen. Wieder<br />
musste ich nach dem Weg fragen,<br />
aber dieses Mal führten mich die<br />
Hinweise nicht dorthin, wo ich wollte,<br />
denn ich fuhr auf die Autobahn. Nach<br />
dem Überqueren der ungarischen<br />
Grenze und nach dem Entrichten<br />
der Maut begann ich nach der erstbesten<br />
Straße zu suchen, die mich<br />
zum Fluss bringen kann. Ich hatte gehört,<br />
dass die Straße und die Aussicht<br />
dort einfach wunderbar seien. Ich<br />
bog ab, fuhr weiter und suchte. Und<br />
dort, dort war sie! Durch die Bäume<br />
huschte ein Fleckchen dunklen Wassers<br />
und verschwand wieder. Weitere<br />
Dutzend Kilometer auf löcherigem<br />
Asphalt und dort war sie wieder! Ein<br />
weiteres durch die Bäume hinweghuschendes<br />
Fleckchen Wasser. Auf<br />
der Holperfahrt durch die, gelinde<br />
gesagt, nicht gerade wohlhabenden<br />
Kleinstädte begann Fee zusätzliche<br />
Geräusche zu machen und ich streite<br />
nicht ab, dass mich das beunruhigte.<br />
Die Donau, so wie ich sie sehen<br />
wollte, erblickte ich erst in der Stadt<br />
Esztergom, die bereits von Weitem<br />
mit der Kuppel seiner Basilika anzog.<br />
42
Dieser Ort war fast drei Jahrhunderte<br />
lang die Hauptstadt Ungarns.<br />
Ach ja, die Schönheit der Stadt entfaltet<br />
sich am besten, wenn man<br />
über die Brücke gefahren ist, die<br />
Ungarn mit der Slowakei verbindet.<br />
Kurz darauf ragte Budapest vor<br />
mir empor. Obwohl ich in Ungarn<br />
ungefähr zweihundert Kilometer<br />
gefahren war, hatte ich nach dem<br />
Erreichen des Hauptstadtzentrums<br />
den Eindruck, dass Budapest eine<br />
völlig gesonderte Republik ist. Luxus<br />
und Größe umgaben mich und<br />
mein Motorrad, die Menschen kleiden<br />
sich nicht mehr in Trainingsanzügen<br />
aus Nylon, der Asphalt ist<br />
nicht mehr von Löchern übersät.<br />
Alles ist so ordentlich, schön, eine<br />
eindrucksvolle Architektur und<br />
keine Spur von der Armut, die so<br />
offensichtlich ist, wenn man auf Regionalstraßen<br />
durch die Kleinstädte<br />
unterwegs ist. Diesen Eindruck<br />
gewann ich, aber ich denke, dass<br />
jede Hauptstadt sich in ihrem Land<br />
in etwas unterscheidet, was man in<br />
den Randbezirken nicht zu sehen<br />
bekommt. Nun musste also nur<br />
noch eine Übernachtungsmöglichkeit<br />
gefunden werden. Nachdem<br />
ich in irgendeinem Hotel am Fluss<br />
Zugang zum Internet gefunden<br />
hatte, machte ich mich auf die Suche<br />
nach einem Hostel. Abermals<br />
überzeugte ich mich davon, dass<br />
der August der Urlaubsmonat ist –<br />
es gab keinen einzigen freien Platz.<br />
Und ganz unverhofft findet sich<br />
eine Variante direkt im Stadtzentrum,<br />
an der Donau, so wie ich es<br />
auch wollte. Das nebenan befindliche<br />
majestätische Parlamentsgebäude<br />
verdirbt dem Hostel auch<br />
nicht den Ausblick. Laut <strong>Be</strong>schreibung<br />
ist es ein kleines Hostelchen,<br />
das nur über einundzwanzig <strong>Be</strong>tten<br />
verfügt, sich „HostelPlus“<br />
nennt und neben der Margaretenbrücke<br />
liegt. Es ist unglaublich,<br />
dass gerade ein freier Platz übrig<br />
war. Ich reservierte ihn, suchte<br />
über „Google Maps“ die Fahrtroute<br />
und setzte mich in <strong>Be</strong>wegung.<br />
Doch was für eine Enttäuschung erwartete<br />
mich, als ich eine gute Stunde<br />
im Stau gestanden hatte, um auf<br />
das andere Flussufer zu gelangen<br />
(der von Google Maps vorgeschlagene<br />
Weg über die Margaretenbrücke<br />
war fehlerhaft, da die Brücke bereits<br />
drei Jahre lang repariert wird).<br />
Im Hostel stellte sich heraus, dass es<br />
sich bei der Reservierung lediglich<br />
um einen enttäuschenden Systemfehler<br />
handelte. Alle <strong>Be</strong>tten waren<br />
längst belegt, da zu dieser Zeit auf der<br />
Insel Buda gerade das internationale<br />
Musikfestival begonnen hatte. Mir<br />
wurde sogar bange, was ich getan<br />
hätte. Ich hätte wohl die Eigentümer<br />
gefragt, was sie empfehlen können.<br />
Diese zeigten sich jedoch besonders<br />
gastfreundlich und verständnisvoll.<br />
Sie entschuldigten sich für das Missverständnis<br />
und boten mir an, auf<br />
einer Matratze, die auf dem Boden<br />
in einem der Zimmer platziert wird,<br />
zu übernachten. Für diese Annehmlichkeit<br />
musste ich anstelle von zwanzig<br />
Euro nur fünfzehn zahlen. Eine<br />
bessere Variante hatte ich mir gar<br />
nicht erhofft. An dieser Stelle beende<br />
ich meine Erzählung über Hostels.<br />
Ich habe nur in zwei von ihnen übernachtet,<br />
aber ich erlaube mir zu<br />
behaupten, dass obwohl es mir zu<br />
Anfang wegen meiner Sachen, des<br />
Tumults und der Wahrscheinlichkeit<br />
sich nicht ausschlafen zu können,<br />
43
iker<br />
etwas mulmig zumute war, so ist das<br />
Hostel der angemessene Ort für einen<br />
Reisenden mit geringen Ansprüchen,<br />
um für eine Nacht unterzukommen,<br />
besonders wenn man mit wenig Gepäck<br />
unterwegs ist. Die Duschen sind<br />
besser als auf dem Campingplatz bei<br />
Wrocław, es gibt häuslich eingerichtete<br />
kleine Küchen, WLAN-Internet,<br />
einen Fernseher, ein Radio u. Ä. In<br />
beiden Hostels habe ich wunderbar<br />
ausgeschlafen und keine schlechten<br />
Emotionen erfahren. Wenn man von<br />
Hostels spricht, dann hört man immer<br />
die folgende abgedroschene Phrase:<br />
Darin unterzukommen ist interessant,<br />
weil man neue Menschen trifft...<br />
Das ist zum Teil wahr: Man trifft viele<br />
Menschen, aber ob sie auch alle<br />
interessant sind, ist Geschmackssache.<br />
Ein interessantes Gespräch<br />
hatte ich mit einem im Hostel wohnenden<br />
Mann respektablen Alters,<br />
der behauptete, er hätte mit Paolo,<br />
dem Bruder des italienischen<br />
Pressemagnaten Silvio <strong>Be</strong>rlusconi<br />
zusammengearbeitet und persönlich<br />
einige recht bekannte Mitwirkende<br />
von politischen Skandalen<br />
vom Ende des 20. Jh. gekannt.<br />
Es kann sein, dass der alte Mann<br />
nicht nur die Wahrheit gesagt hat.<br />
Es ist aber immer angenehm und<br />
interessant solche Geschichten zu<br />
hören. Ein Paar aus Amerika erzählte<br />
auch, dass es in den Hochhäusern<br />
New Yorks verboten ist,<br />
eine Waschmaschine zu betreiben,<br />
aber ein Nachbar aus der Ukraine<br />
hätte insgeheim trotzdem eine.<br />
Zusammenfassend kann man über<br />
Budapest Folgendes sagen: Bier<br />
gibt es sowohl in Buda, als auch in<br />
Pest, aber verträumt in die Ferne<br />
blickende Mädchen gibt es mehr<br />
am Ufer von Pest. Nach Auskunft<br />
der Eigentümer lokaler Hostels<br />
befindet sich dort auch ein kleines<br />
Restaurant, in dem man bei Klaviermusik<br />
für einen symbolischen<br />
Preis den besten traditionellen Pilaw<br />
(ein Gericht aus gekochtem<br />
und anschließend gedämpftem<br />
Reis) der Stadt bekommt. Weitere<br />
Informationen über Budapest können<br />
Sie den Reiseführern entnehmen.<br />
Und ganz Ungarn wünsche<br />
ich momentan nur eins: so schnell<br />
wie möglich den Euro einführen,<br />
denn man muss ein Ortsansässiger<br />
sein, um aus dem in Forint angegebenen<br />
Preisen zweifellos den Wert<br />
der Ware oder Dienstleistung beurteilen<br />
zu können. Zum <strong>Be</strong>ispiel: Wie<br />
viel Euro müssen Sie für achtzehn<br />
Liter <strong>Be</strong>nzin zahlen, wenn ein Liter<br />
<strong>Be</strong>nzin 352 Forint kostet, und ein<br />
Euro ungefähr 260 Forint wert ist?<br />
Viel Erfolg!<br />
44
iker<br />
Zwei Mal Kroatien<br />
Zusammen mit Fee sind wir viel<br />
gefahren, haben viel gesehen, viel<br />
erlebt und endlich erreichten wir<br />
das felsige Kroatien. Ich musste nur<br />
meine Göttin vom Flughafen abholen,<br />
sie hinter mir platzieren und<br />
den nächsten Urlaubsabschnitt<br />
beginnen, in dem alles langsamer<br />
vorangeht, wo weniger gefahren<br />
wird. Aber es fehlt nicht an Sonne,<br />
Asphalt, der <strong>Be</strong>rge und Meer<br />
trennt, an Yachten, Trubel und Fischerfesten,<br />
Schlaf, Sprüngen von<br />
Felsen ins Wasser und Tauchen,<br />
an morgendlichen Spaziergängen<br />
zum Fischmarkt, Power-Drachen<br />
und Surfbrettern, Sonnencreme,<br />
verdünntem Wein und reinem<br />
Raki. Wir wollten beide Varianten<br />
von Kroatien sehen – sowohl<br />
die touristische, als auch die kroatische.<br />
Die Erste fanden wir und<br />
nach der Zweiten suchten wir nicht<br />
dort, wo es angebracht war, und<br />
nicht zur richtigen Zeit.<br />
Das erste Kroatien<br />
Das erste Kroatien ist den Touristen<br />
gewidmet und die Touristen schätzen<br />
es besonders im August, wenn es am<br />
Meer die wenigsten Tage mit <strong>Be</strong>wölkung<br />
gibt. Italiener, Deutsche, Polen,<br />
Slowaken, Ungarn, Tschechen, Bulgaren<br />
und Menschen anderer Nationalitäten<br />
– wir alle besetzen die Küste<br />
Kroatiens und die Ortsansässigen befinden<br />
sich in der Minderheit. In einem<br />
solchen Monat ist es sehr schwierig,<br />
einen freien Platz am Strand oder<br />
bescheidene Apartments für kurze<br />
Zeit an strategisch günstigen Orten<br />
zu finden. Und so trägt es sich zu.<br />
In Kroatien gibt es ein Städtchen mit<br />
dem Namen Primošten. Eine alte reizende<br />
Stadt, deshalb auch stark von<br />
Menschen überfüllt. Wir hatten keine<br />
Zweifel daran, dass wir vor Ort ein<br />
Zimmer, genauer gesagt ein Apartment<br />
finden werden. Wir kamen ins<br />
Stadtzentrum, drehten eine Runde<br />
und sondierten die Lage, wie viele<br />
Apartments es hier zur Miete geben<br />
könnte, denn im zuvor besuchten<br />
Städtchen Šibenik hatten wir begriffen,<br />
dass es auch Kleinstädte gibt, in<br />
denen man von der Straße aus die<br />
Hinweisschilder über Mietapartments<br />
einfach nicht sehen kann. Nur nicht<br />
in Primošt. Hier wird den Touristen<br />
fast jedes Gebäude vermietet, mit<br />
Ausnahme der Post, der Apotheke<br />
und des Lebensmittelgeschäfts. Ich<br />
ließ meine beiden Mädels (das Motorrad<br />
und die echte) beim Eingang<br />
in die Altstadt auf der Insel zurück<br />
und klapperte mit meinen Enduro-<br />
Stiefeln die Straßen auf der Suche<br />
nach einem Dach überm Kopf ab.<br />
46
Von der Hitze wurde mir schwarz<br />
vor Augen, der Schweiß floss ins<br />
Meer, das Salz fraß weiße Löcher<br />
in die schwarzen Jeans. Ich suchte<br />
jedes Haus im Zentrum mit Blick<br />
aufs Meer auf, sprach mit all ihren<br />
Eigentümern. Meist sprachen<br />
sie weder Deutsch noch Englisch,<br />
aber manchmal ein wenig Italienisch.<br />
Man hebt zwei Finger und<br />
sagt „persons“, zieht sie kurz wieder<br />
ein und hebt wieder dieselben<br />
zwei Finger und sagt „nights“.<br />
Nach etwa einer Stunde und mehreren<br />
Dutzend Häusern beginnt<br />
die Hoffnung mich dann langsam<br />
zu verlassen, nachdem ich gerade<br />
einmal zwei Angebote erhalten<br />
habe: An einem Ort werden zwei<br />
Personen nur für mindestens sieben<br />
Nächte, am anderen – für maximal<br />
eine Nacht beherbergt. Zwei<br />
oder drei Nächte für zwei Personen<br />
– keine Chance. Ich war der Panik<br />
nahe, aber diese wurde wenigstens<br />
für kurze Zeit von einem lokalen<br />
Glatzkopf mit „Police“-Sonnenbrille<br />
vertrieben. In gebrochenem Englisch<br />
riet er mir dazu, mich ans<br />
Fremdenverkehrsbüro zu wenden.<br />
An der Busstation, so sagte er, gäbe es<br />
ganze drei davon. Nachdem ich den<br />
Schweiß aus meinen Stiefeln ausgekippt<br />
hatte, sammelte ich meine Mädels<br />
ein und wir wandten uns an die<br />
angegebenen Institutionen. Halleluja!<br />
Es gibt eine Variante. Sie hinterlegen<br />
die Pässe und warten, bis in ein paar Minuten<br />
der Eigentümer vorbeikommt,<br />
um Sie zum Apartment zu begleiten<br />
und es Ihnen zu zeigen. Ich habe nicht<br />
verstanden, warum sie die Pässe an<br />
sich genommen haben, aber wir haben<br />
sie erfolgreich zurückerhalten. Die<br />
Pässe kann man zurückerhalten, wenn<br />
der Ort gefällt oder nicht gefällt. Eine<br />
halbe Stunde lang haben wir gerätselt,<br />
mit welchem Auto ein geschäftstreibender<br />
lokaler Einwohner fahren<br />
kann? Dann erschien eine alte Dame,<br />
die zu Fuß unterwegs war – die Eigentümerin<br />
des Apartments, die nachdem<br />
sie das Motorrad erblickt hatte, zu lachen<br />
begann und auf Kroatisch verständlich<br />
machte, dass sie auf keinen<br />
Fall aufsteigen würde. Aus Höflichkeit<br />
bleibe ich allein auf dem Motorrad<br />
und knattere hinterher mit schnellem<br />
Mädchenschritt. Neunzig Euro<br />
und wir haben ein Schlafzimmer mit<br />
funktionsuntüchtigem Ventilator, einer<br />
Toilette und einer Duschimitation.<br />
47
iker<br />
Alles für zwei Nächte. Dritte Etage<br />
mit Balkon, deshalb hat man einen<br />
wunderbaren Blick aufs Meer, obwohl<br />
es bis dahin gute vierzehneinhalb<br />
Minuten zu Fuß sind. All das<br />
überdeckt sogar den seltsamen,<br />
im Apartment vorherrschenden<br />
Geruch. Dieser ist übrigens unbeschreiblich.<br />
<strong>Be</strong>sonders in der Toilette.<br />
Nein, es riecht nicht nach Kot.<br />
Aber der Geruch ist auch nervtötend.<br />
In diesem Fall liegt der beste<br />
Ausweg darin, den Geruch im<br />
Apartment durch seinen eigenen<br />
zu ersetzen. Nein, nicht durch Kot.<br />
<strong>Be</strong>ginnen kann man beispielsweise<br />
durch das Erklingen von Procol<br />
Harums „A Whiter Shade of Pale“,<br />
bis zum Abschluss mit der Livekonzert-Version<br />
von Patti Smiths „<strong>Be</strong>cause<br />
the Night“. Das Lied erreicht<br />
seinen Höhepunkt und wenn man<br />
sein Mädchen mit den Blicken in<br />
Richtung Duschimitation begleitet,<br />
liegt in der Luft ein angenehmes,<br />
gewöhnliches, alles durchdringendes<br />
Aroma unruhiger (wie<br />
die dunkle Wolke über dem Meer)<br />
Hormone. Und dann die Ruhe.<br />
Sie schütteln den Staub von den<br />
Plastik-Balkonstühlen und können<br />
sich am Anblick der am Fuß des<br />
<strong>Be</strong>rges, vor dem Hintergrund der<br />
Inseln aufleuchtenden Laternen<br />
der Yachten erfreuen. Hier wird<br />
es schnell dunkel. Und es wird<br />
auch kühl. Ungefähr bis zu zweiundzwanzig<br />
Grad... Und irgendwo<br />
steigen immer noch die roten<br />
Lichter von Autos in die <strong>Be</strong>rge auf.<br />
Ich schaue nach unten, wo sich die<br />
treue Fee ausruht, und sage ganz<br />
leise: Schon bald werden auch deine<br />
Lampen den Asphalt zwischen<br />
den Felsen und dem Wasser zu<br />
sehen bekommen, aber jetzt ruhe<br />
dich ein wenig aus...<br />
48
Wie wir die Heilige<br />
Jungfrau Maria in<br />
den Himmel aufgenommen<br />
haben<br />
Über das Fest der Heiligen Mariä-<br />
Himmelfahrt in Kroatien wird sogar<br />
in Büchern geschrieben. Reiseführer<br />
setzen es mit solchen religiösen<br />
Festen wie Weihnachten gleich.<br />
Wir erwarteten diesen Tag mit<br />
Bangen, denn genau am 15. August<br />
mussten wir unseren Standort<br />
wechseln. Die Angst erfasste die<br />
Hände, die das Gepäck am Motorrad<br />
befestigten, die Augen flogen<br />
unruhig umher und suchten nach<br />
ersten Anzeichen für Gefahr.<br />
Und dann erreichten wir ein nicht<br />
weniger als die anderen zuvor reizendes<br />
und ein wesentlich älteres<br />
Städtchen – Trogir...<br />
Unterwegs nach Trogir hatten wir<br />
die Unannehmlichkeit, mit einem<br />
Phänomen konfrontiert zu werden,<br />
das mit keinem Fest zusammenhängt,<br />
aber erwähnt werden muss.<br />
Von Primošten aus wollten wir jedes<br />
auf dem Weg liegende Städtchen und<br />
jedes Dorf besichtigen, wir hofften<br />
mehr zu erleben und die Dinge anders<br />
zu sehen, als in den Reiseführern beschrieben<br />
wird. Und tatsächlich, solche<br />
Orte wie Primošten, nur weniger von<br />
der Menschheit belastet, gibt es genügend.<br />
Jedoch genau dort sind wir mit<br />
diesem unangenehmen Phänomen<br />
konfrontiert worden. Aus irgendeinem<br />
Grund hält es die Straßenwacht<br />
in Kroatien nicht für notwendig, den<br />
ganz gewöhnlichen Fahrer zu warnen,<br />
dass genau hinter dieser Ecke/ diesem<br />
Haus/ dieser Kurve/ dieser kleinen<br />
Bucht/ diesen Büschen das Asphalt<br />
zu Ende ist und entweder nichts oder<br />
etwas, das sich bei großem Wunsch<br />
als Pfad bezeichnen lassen würde, seinen<br />
Anfang nimmt. Mit Motorrädern<br />
der Serie GS von BMW könnte man<br />
vielleicht versuchen, weiter zu fahren,<br />
aber nicht mit unserer Touringmaschine,<br />
die nur den Asphalt unter den<br />
Reifen gewöhnt ist. In solchen Fällen<br />
muss man also auf einem Weg von der<br />
Größe eines Doppelbetts zwischen Zäunen<br />
oder Steinhäusern mit einem 300<br />
kg schweren Motorrad + 50 kg Gepäck<br />
+ 48 kg hinter dem Rücken sitzender<br />
Schutzengel wenden. Jedes Mal wenn<br />
sie fragte „soll ich vielleicht absteigen?“,<br />
brummte ich unter dem Einfluss<br />
männlicher Eigenliebe – „nein,<br />
lass mal...“. Gut wenn dies nicht bergab<br />
passierte. Übrigens ist eine Lederjacke<br />
unter diesen Umständen, hinsichtlich<br />
der etwa 30 °C Umgebungstemperatur<br />
nicht sehr hilfreich.<br />
Auch das Fest war noch nirgendwo<br />
auszumachen, also umgab uns<br />
fast schon eine Aura der Ruhe, aber<br />
dann erreichten wir Trogir, die Perle<br />
der Adriaküste, die <strong>Be</strong>rühmtheit von<br />
Dalmatien. Den Reiz dieser Kleinstadt<br />
habe ich an diesem Tag nicht gesehen,<br />
da ich aufpassen musste, um<br />
nicht irgendjemandem in den Hintern<br />
zu fahren. Staus. Sowohl in die<br />
eine, als auch in die andere Richtung.<br />
Die Straßen sind eng, die Möglichkeit<br />
sich hindurchzuschlängeln bietet sich<br />
genauso oft, wie eine völlige Sonnenfinsternis<br />
– die nächste Möglichkeit<br />
in sechzig Jahren. Und es ist nicht<br />
so, dass man in dem Stau einige Zeit<br />
stillsteht, sich entspannen und ruhig<br />
schwitzen könnte. Er zuckt. Und das<br />
ständig. Man hat kaum die Kupplung<br />
gelöst, schon muss man wieder drücken,<br />
aber dann ist es schon wieder<br />
an der Zeit, loszulassen. Um bei Ihnen<br />
für Verständnis von der Gesamtsituation<br />
zu sorgen, muss ich erzählen, dass<br />
wir nicht in Trogir selbst Unterschlupf<br />
finden wollten, also fuhren wir auf die<br />
Insel, die mit der Stadt über eine Brücke<br />
verbunden war. Die Straße führte<br />
entweder in die eine Richtung oder<br />
in die andere Richtung die Küste entlang<br />
um die Insel herum, und an dieser<br />
Küste gab es nur Häuschen und kleine<br />
Bars, die sich zu Städtchen zusammenschlossen.<br />
Um die ganze Insel herum.<br />
49
iker<br />
So sind wir mehrere Kilometer gefahren.<br />
Die linke Hand wurde bereits<br />
vom Krampf erfasst, als wir in<br />
gewählter Fahrtrichtung und auf<br />
der Hauptstraße aus dem Stau herausfuhren<br />
und nichts anderes,<br />
als das Ende der Straße erreichten.<br />
Es blieb die Wahl, nach rechts<br />
auf einem <strong>Be</strong>tonweg oder zurück<br />
zu fahren. Wir fuhren nach rechts.<br />
Die Steigung des Weges war derartig,<br />
dass mein rücklings sitzender<br />
Schutzengel ernsthaft die Möglichkeit<br />
eines Überschlags nach vorn in<br />
Erwägung zog. Der Weg endete in<br />
einer Neigung von etwa 45 Grad.<br />
Wir stießen auf einen kaputten<br />
Kühlschrank und einen Kieshaufen,<br />
hinter dem das Meer begann. Oh,<br />
du Barmherzigste, deren Fest die<br />
Gläubigen an diesem Tag begehen,<br />
wie sollen wir jetzt umdrehen?! Wir<br />
versuchten es, aber da kam uns ein<br />
Mann entgegen, der in der Landessprache<br />
fragte, ob wir nicht Hilfe benötigen.<br />
Wie wir später im Gespräch<br />
mit diesem Mann und seiner Familie<br />
herausfanden, hatte das Fest der<br />
Heiligen Mariä-Himmelfahrt den<br />
wenigsten Einfluss auf die Staus<br />
und das Chaos in der Stadt. Es war<br />
Sonntag – der Tag, nach dem die<br />
Arbeitswoche beginnt, deshalb haben<br />
alle Kroaten versucht, von der<br />
Insel zu verschwinden. Genau wie<br />
die Italiener, für die der 15. August<br />
zum Teil die Halbzeit des Urlaubs<br />
und das <strong>Be</strong>dürfnis nach dem Zusammenpacken<br />
der Habseligkeiten<br />
und zur Fahrt nach Hause bedeutet.<br />
So fuhren eben alle, wo und wie sie<br />
wollten, und verursachten damit<br />
einen Aufruhr, zu dessen Teilnehmern<br />
wir wurden. So viel zum 15.<br />
August, einem der wichtigsten Feste<br />
Kroatiens im Jahr.<br />
Welchen Nutzen<br />
uns das Wegende<br />
am kaputten Kühlschrank<br />
brachte<br />
Wie ich erwähnte, bot uns am Abhang<br />
ein Mann in der Landessprache<br />
Hilfe an. Und dieser war, wie sich<br />
später herausstellte, von nirgendwo<br />
anders als aus Deutschland. <strong>Be</strong>i dem<br />
Hin und Her der Unterhaltung kam<br />
das Gespräch darauf, dass wir eine<br />
Unterkunft suchen und es uns völlig<br />
egal ist, ob auf dieser Seite der Insel,<br />
oder auf der anderen. Wichtig wären<br />
ein <strong>Be</strong>tt und auch eine Toilette. Natürlich<br />
wäre auch eine kleine Küche<br />
nicht schlecht. Der Mann rief in Richtung<br />
Meer hinaus und ein weiterer<br />
Mann sowie eine kleine Gruppe von<br />
Kindern gesellten sich zu uns. Der<br />
erste sagte: „Das ist mein Bruder, er<br />
sucht für Touristen Apartments.“ „Für<br />
30 Euro“, sagte der Gerufene, „gibt es<br />
eine Möglichkeit direkt im Zentrum<br />
des Städtchens. Möchten Sie es sich<br />
anschauen?“ Ein Anruf, eine Minute<br />
Gespräch auf Kroatisch und er sagte:<br />
„Fahren wir, wir bringen Sie bis zum<br />
Ort. Der erste Mann setzt auf einen<br />
Motorroller mit unklarem Kennzeichen<br />
das Kind, der zweite – der Bruder,<br />
auf einen anderen Motorroller<br />
mit spanischem Kennzeichen die anderen<br />
zwei Kinder und nachdem er<br />
uns versichert hatte, dass dies in Europa<br />
erlaubt wäre, fuhren die drei Apparate<br />
dorthin, von wo wir vor einer<br />
guten halben Stunde hergekommen<br />
waren. Ich hielt sie dazu an, nicht zu<br />
rasen, denn obwohl Fee auf der Strecke<br />
stabil ist, so ist sie zwischen Autos<br />
trotzdem wie eine Kuh. Und, oh, Wunder!<br />
Von dem Stau, der uns zuvor so<br />
ermüdet hatte, war keine Spur mehr.<br />
Ich wunderte mich selbst, ob wir wirklich<br />
auf denselben Straßen fahren.<br />
Wir hielten bei einem recht mächtigen<br />
Haus mit einem Supermarkt<br />
im Erdgeschoss an. Ein ortsansässiger<br />
alter Mann, der Deutsch sprach,<br />
führte uns ins dritte Stockwerk des<br />
Hauses und nachdem wir lange Flure<br />
entlang gegangen waren, übergab<br />
er uns die Zimmerschlüssel. Und<br />
wieder ein seltsamer Geruch. Diesmal<br />
ein anderer als in Primošten, denn<br />
er mischte sich noch mit dem der<br />
nicht zu lüftenden Küche, vielleicht<br />
sogar mit dem Geruch von Naphthalin.<br />
So seltsam es auch war, er hielt<br />
sich nur im Flur und im Zimmer, das<br />
eine Toilette besaß, aber nicht in der<br />
kleinen Küche, dort roch es nicht.<br />
50
Für 90 Euro gehörten drei Nächte<br />
erfolgreich uns. Die Aussicht<br />
aus dem Fenster war etwas daneben,<br />
aber dafür konnte man<br />
bis Mitternacht wunderbar die<br />
von der Strandbar auf der anderen<br />
Straßenseite herüber dringende<br />
rhythmische Musik hören,<br />
der man wunderbar lauschen<br />
kann, wenn man sich auf die unglaublich<br />
große gemeinsame Terrasse<br />
legt. Das Fenster hatte ein<br />
Loch, und obwohl dieses die einzige<br />
„Klimaanlage“ im Zimmer war,<br />
wurde es dadurch auch nicht kühler.<br />
Aber je näher man dem Fenster<br />
war, umso besser war die immer<br />
wieder abbrechende kostenlose<br />
WLAN-Verbindung. Ob es sich dabei<br />
um eine lokale Dienstleistung<br />
handelt, habe ich nicht zu fragen<br />
gewagt. Der Ort war besonders<br />
bequem – gegenüber den Stränden<br />
der Kleinstadt Okrug Gornji.<br />
In dem Geschäft im Erdgeschoss<br />
kauft man sich Bier, überquert die<br />
Straße, kämpft sich durch die kleinen<br />
Bars, wo das Bier zweimal so<br />
teuer ist, und setzt sich ruhig auf<br />
den heißen Schotter. Schön.<br />
Ich habe übrigens versucht herauszufinden,<br />
welchen Ursprungs<br />
unsere <strong>Be</strong>gleiter waren. Es wurde<br />
nur gelacht und abgewinkt, dass<br />
die Kinder, die mit den Motorrollern<br />
hierher gebracht wurden, Spanier,<br />
Russen und Kroaten seien. Sie verabschiedeten<br />
sich von und empfohlen<br />
uns, auf dem Weg nach Dubrovnik<br />
hinter der Grenze zu Bosnien<br />
und Herzegowina billige Austern<br />
essen zu fahren. Dann luden sie<br />
ihre internationale Truppe auf die<br />
Motorroller und danach sahen wir<br />
sie nur noch am Strand. Was für<br />
ein Weg, der an einem Kieshaufen<br />
und einem kaputten Kühlschrank<br />
endete. Das bedeutet es, mit einem<br />
beladenen Motorrad in ein fremdes<br />
Land zu fahren und sich nur nach<br />
dem Straßenatlas zu orientieren.<br />
Genau das macht den Reiz von<br />
Reisen aus.<br />
Score<br />
Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />
Ziel zu erreichen.<br />
Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt befördert werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
Das Suchsystem für Übernachtungsmöglichkeiten<br />
hatten wir sehr schnell<br />
durchschaut. Erstens ist es nicht<br />
notwendig, in den Hauptballungszentren,<br />
den am meisten überfüllten<br />
Städten zu übernachten. Eine<br />
wunderbare Unterkunft und andere<br />
Dienstleistungen kann man in unweit<br />
gelegenen Kleinstädten finden. Das<br />
ist nicht nur billiger, sondern kostet<br />
auch weniger Nerven bei der Suche<br />
nach einem Parkplatz und bei Staus,<br />
eröffnet aber neue Möglichkeiten.<br />
Als <strong>Be</strong>ispiel können wir Dubrovnik<br />
nehmen. Wir fanden Unterkunft<br />
sechzehn Kilometer davon entfernt,<br />
in Richtung Montenegro in der Kleinstadt<br />
Cavtat. In einem solchen Fall<br />
kann man bei Tag durch Montenegro<br />
sogar die Grenze von Albanien mit<br />
dem Motorrad erreichen und am selben<br />
Abend in Dubrovnik ein Wassertaxi<br />
benutzen. Man muss nur Fantasie<br />
besitzen. Zweitens, wenn man keinen<br />
freien Platz findet, darf man sich nicht<br />
scheuen, den Eigentümer einer ausgebuchten<br />
Herberge zu fragen, ob er<br />
etwas empfehlen kann. Das kann er<br />
immer. Und erst im Ernstfall, wenn einem<br />
nichts weiter übrig bleibt, dann<br />
ist es ratsam, sich an das Fremdenverkehrsbüro<br />
zu wenden.<br />
51
iker<br />
Das zweite Kroatien<br />
Das zweite Kroatien sollte das richtige,<br />
das Kroatien der Kroaten sein. Ich hatte<br />
gehofft, eine Bar zu finden, die nur<br />
von Ortsansässigen besucht wird und<br />
in der verdünnter Wein getrunken<br />
wird, wobei die gegenwärtigen Aktualien<br />
diskutiert werden. Aber wie ich<br />
erwähnte, werden Sie dieses Kroatien<br />
am Strand Mitte August nicht finden.<br />
Deshalb werden sie das nächste Mal<br />
außerhalb der Saison in die <strong>Be</strong>rge fahren<br />
müssen, um zu verstehen, wie sie<br />
sind, die echten Kroaten.<br />
Nach zwei Wochen Entspannung habe<br />
ich meine Göttin zum Flughafen Dubrovnik<br />
gefahren und habe geplant,<br />
dass mir mindestens fünf Tage zur<br />
Heimfahrt blieben. Aber ich entschied<br />
mich, nach neuen Herausforderungen<br />
zu suchen. Die Reise zurück wird<br />
sowohl für mich, als auch für mein<br />
achtzehn Jahre altes Motorrad zu einer<br />
<strong>Be</strong>währungsprobe werden – den<br />
Weg zurück, ungefähr 1600 km, werden<br />
wir in zwei Tagen meistern, obwohl<br />
zur Hinfahrt doppelt so viel nötig<br />
waren. Mit wachsender Entfernung<br />
zur Küste wurde das Wetter schlechter,<br />
es begann zu regnen, wurde kühl. Das<br />
erschreckte uns nicht. Angeschmiegt<br />
hielt ich mich im Sattel, während meine<br />
alte Dame sich schnell dem Ziel<br />
näherte. Die Dunkelheit überwältigte<br />
mich nach gerade einmal neunhundert<br />
Kilometern, noch vor der tschechischen<br />
Stadt Brno. Ich musste wählen:<br />
Entweder ich fahre in die Stadt<br />
und suche nach einer Übernachtung,<br />
oder ich fahre auf die gerade, bergige<br />
Autobahn, über der wie festgenagelt<br />
der Vollmond hängt und dem Asphalt<br />
einen gespenstischen Silberanstrich<br />
verleiht. Jetzt scheint mir, dass ich die<br />
Autobahn wählen würde, aber damals<br />
habe ich mich für die Übernachtung<br />
entschieden. Ich fuhr in Brno ein und<br />
hatte keinen blassen Schimmer weder<br />
von der Größe der Stadt, noch von den<br />
Übernachtungsmöglichkeiten dort.<br />
Ich versuchte das Zentrum zu finden,<br />
aber es wurde unverhofft zu<br />
Industriebezirken mit Eisenbahngleisen.<br />
Ich geriet in eine Sackgasse.<br />
Ich wendete, suchte die<br />
Straße, von der ich gekommen<br />
war, brachte jedoch die Straßen<br />
durcheinander und stand vor der<br />
nächsten Sackgasse. Ich begriff,<br />
dass ich mich zum zweiten Mal in<br />
meinem Leben hoffnungslos verirrt<br />
hatte (das erste Mal war in meiner<br />
Jugend im Wald). Ich irrte durch<br />
enge Gassen zwischen eingestürzten<br />
und neuen Gebäuden, bis mir<br />
die Werbung eines Restaurants mit<br />
dem Zusatz „Pension“ ins Auge fiel.<br />
Ich fuhr durch das Tor, fragte den<br />
Barkeeper nach einer Möglichkeit<br />
zum Übernachten. Und was glauben<br />
Sie, was er geantwortet hat?<br />
52
Natürlich gibt es eine Möglichkeit,<br />
wir haben viele Zimmer! Für fünfunddreißig<br />
Euro können Sie nicht nur das<br />
komplette Dachgeschoss mit Dusche<br />
und Doppelbett sowie Fernseher bekommen,<br />
sondern auch noch Frühstück,<br />
dass Sie auch schon am Abend<br />
mitnehmen und so am Morgen noch<br />
vor dem Servieren abreisen können.<br />
Ich fiel ins <strong>Be</strong>tt, nachdem ich das Glas<br />
Bier unten im Restaurant gerade so<br />
ausgetrunken hatte. <strong>Be</strong>i sofortigem<br />
Einschlafen störte nur das Klopfen des<br />
Barkeepers an die Tür – der Deutsch<br />
sprechende junge Mann brachte mir<br />
die Schlüssel vom Motorrad, die ich<br />
neben dem Bierglas liegen gelassen<br />
hatte. Und um sieben Uhr morgens<br />
stand ich bereits im Hof bei meiner<br />
alten Dame.<br />
Acht Stunden auf dem Motorrad und<br />
mehr als sechshundert Kilometer gehören<br />
der Vergangenheit an. Es pfeift<br />
in den Ohren und jede <strong>Be</strong>wegung lässt<br />
dieses Pfeifen zu einem Dröhnen werden.<br />
Die Sitzmuskeln hörten nach vier<br />
Stunden Fahrt auf zu schmerzen, und<br />
nun entspannen sich auch die Schultern.<br />
Ich lege mich in die heiße Wanne,<br />
gieße mein Lieblingsbier in mein<br />
Lieblingsbierglas, schließe die Augen<br />
und endlich begreife ich – ich habe es<br />
geschafft. Ich lächle mir selbst zu und<br />
rasiere mich. Es tut gut, nach Hause zurückzukommen.<br />
Entfernung: 5300 km<br />
<strong>Be</strong>suchte Länder: Polen, Slowakei,<br />
Ungarn, Kroatien, Bosnien und Herzegowina,<br />
Montenegro, Slowenien,<br />
Österreich, Tschechien<br />
Zeitraum: 6.–29. August<br />
Preis des Urlaubs für 2 Personen<br />
(+Ausgaben für den Erwerb des<br />
Motorrads und sein Zubehör): 3490<br />
EUR<br />
Preis des Urlaubs für 2 Personen<br />
(ohne Ausgaben für den Erwerb<br />
des Motorrads und sein Zubehör):<br />
1855 EUR<br />
Probleme mit dem Motorrad während<br />
der Fahrt: 7 Liter Motoröl verbraucht<br />
53
explorer<br />
Der Mars<br />
auf Erden<br />
Wo die Opalitis<br />
(das Opalfieber)<br />
gedeiht<br />
Text Alex Walker<br />
54
Ich experimentiere nicht nur gern im alltäglichen Leben,<br />
sondern auch auf Reisen.<br />
Von Touristen durchforstete Orte<br />
reizen mich nicht, außerdem bin ich<br />
gern aktiv mit irgendetwas beschäftigt<br />
und habe auf meinen Reisen das<br />
Ziel, etwas Interessantes zu unternehmen.<br />
Meine Leidenschaft sind isolierte<br />
Orte auf der Welt: Dieses Gefühl<br />
der Einsamkeit, der Abgrenzung, des<br />
Raums, wo niemand mit den Ellenbogen<br />
rangelt und wo der Lärm vom<br />
unheimlichen Wind – nicht von den<br />
Menschen herrührt, das ist es, was<br />
mich fasziniert. Die Neugier sowie der<br />
Wunsch etwas zu erleben und auszuprobieren,<br />
was nur wenige gesehen<br />
haben, führen mich an die seltsamsten<br />
Orte der Welt, wo ich noch seltsamere<br />
Dinge erlebe. Vielleicht ist es<br />
eine Suche nach mir selbst, ich weiß es<br />
nicht, es ist mir egal. Das Wichtigste ist,<br />
dass es mir gefällt.<br />
Dieses Mal habe ich den Mars ins Auge<br />
gefasst. Nein, ich spreche nicht vom<br />
siebtgrößten Planeten unseres Sonnensystems,<br />
sondern über einen Ort<br />
auf der Erde, der als Mars auf Erden<br />
bezeichnet wird. Ich weiß, dass dort<br />
weltberühmte Filme der Marsthematik<br />
oder über die Folgen von Atomwaffentests<br />
gefilmt werden, weil die<br />
Umgebung so ärmlich ist, dass sie<br />
dem Bild vom Weltuntergang (wie<br />
ihn sich die Menschen meistens vorstellen)<br />
entspricht. Unter den Füßen<br />
zerbröckelt der rissige ausgetrocknete<br />
Boden. Er ist tiefrot, da der Ackerboden,<br />
der sich nach Vulkanausbrüchen<br />
herausbildete, viel Eisen enthält<br />
und ringsum große Hitze und ein<br />
grenzenloses NICHTS herrschen. Instinktiv<br />
möchte man die einzige Wasserflasche<br />
in seinem Rucksack noch<br />
stärker umarmen und jeden ihrer<br />
Tropfen sparen.<br />
Der erste Baum an diesem Ort ist aus<br />
Metallabfällen zusammengeschweißt,<br />
denn hier gibt es fast keine Pflanzenwelt.<br />
Kaum jemand könnte auch dieses<br />
anstrengende Wüstenklima ertragen,<br />
wo die Temperatur bis auf 50 °C<br />
klettern kann, aber Menschen (nicht<br />
nur die Ureinwohner, sondern auch<br />
Zuwanderer) leben hier bereits viele<br />
Jahre. Dafür gibt es einen triftigen<br />
Grund. Die lokalen <strong>Be</strong>wohner haben<br />
sogar ihren eigenen Golfplatz, wahrscheinlich<br />
den einzigen seiner Art auf<br />
der Welt – ein graues, staubiges, grasloses<br />
Feld, der auf Grund verständlicher<br />
Klimabedingungen meist nachts<br />
mit leuchtenden Golfbällen bespielt<br />
wird. Man holt aus, schlägt auf den Ball<br />
und dann wartet man bis der Staub<br />
sich senkt. Ist das nicht herrlich?!<br />
Vielleicht machen Sie sich schon lange<br />
Gedanken darüber, Ihren Wohnort<br />
zu wechseln, neue Eindrücke zu<br />
sammeln oder vielleicht möchten<br />
Sie sich einfach nur vergewissern, ob<br />
Sie ein zu bequemes Leben führen?<br />
Dann wird dieses seltsame und isolierte<br />
Städtchen mit atemberaubenden<br />
Ansichten der Einöde ihre Erwartungen<br />
nicht nur erfüllen, sondern auch<br />
übertreffen.<br />
Es ist die Opalhauptstadt der Welt, die<br />
auch unter dem Namen Coober Pedy<br />
(Australien) oder „Kupa Piti“ bekannt<br />
ist, was übersetzt aus der Sprache der<br />
lokalen Ureinwohner „weißer Mann<br />
im Loch oder in der Höhle“ bedeutet.<br />
Es ist ein sehr logischer Name,<br />
weil die weißen Männer, die in diese<br />
unwirtliche Gegend gekommen sind<br />
um reich zu werden, in Höhlen gelebt<br />
haben und immer noch dort leben.<br />
Genauer gesagt, liegen die Wohnräume<br />
in Höhlen, nehmen wir mal<br />
an ein Drei-Zimmer-Apartment mit<br />
Küche und Badezimmer. Dort gibt<br />
es keine Fenster und auch eine<br />
Dusche ist Luxus, da der Ort mehr<br />
als 500 Kilometer von größeren<br />
Städten entfernt liegt und es dort<br />
fast keine Niederschläge gibt. Die<br />
Höhlenhäuser halten jedoch eine<br />
konstante Temperatur von 24 °C,<br />
und diejenigen, die auf dem brennend<br />
heißen Boden errichtet wurden,<br />
benötigen eine sehr gute Klimaanlage.<br />
Wenn man drei bis vier<br />
Monate furchtbaren Wind und<br />
Temperaturen hoch über 40 °C in<br />
Aussicht hat, dann würde ich die<br />
unterirdische Variante wählen. Ein<br />
Fenster braucht sowieso niemand,<br />
weil einem beim Blick auf diese<br />
Einöde nur die Seele schmerzen<br />
würde. Außerdem befinden sich<br />
alle Schätze dieser Region unter<br />
Tage. Deshalb bin ich auch hierher<br />
gekommen – nicht nur um auf das<br />
Nichts zu starren, sondern auch um<br />
mich als Opalsucher zu versuchen.<br />
55
explorer<br />
Das Abenteuer<br />
beginnt<br />
In das opalreiche Gebiet bin ich<br />
mit einem Kleinflugzeug angereist.<br />
Ja, es gibt dort einen Flughafen,<br />
jedoch keinen, wie Sie ihn sich am<br />
<strong>Be</strong>ispiel von London Heathrow oder<br />
Frankfurt/Main vorstellen mögen,<br />
aber trotzdem einen Flughafen.<br />
Wenn Sie wünschen, können Sie<br />
die schlappen 846 Kilometer von<br />
Adelaide aus auch mit dem Bus<br />
oder einem Mietwagen hinter sich<br />
bringen.<br />
<strong>Be</strong>reits aus dem Himmel habe<br />
ich das NICHTS erblickt und der<br />
Wunsch, so schnell wie möglich diesen<br />
seltsamen roten Boden zu betreten,<br />
wuchs noch mehr. Irgendetwas<br />
zog mich magisch dorthin, wie<br />
wohl auch die meisten der anderen<br />
hoffnungsvoll gestimmten Schatzsucher<br />
vor fast einem Jahrhundert,<br />
als in Coober Pedy die ersten Opale<br />
gefunden wurden. Ich gelobte zu<br />
bleiben, bis ich alles über die Opale,<br />
die Art sie zu fördern in Erfahrung<br />
bringe und natürlich bis zu meinem<br />
Erfolg. Zuerst lebte ich in einem Zelt,<br />
aber nachdem ich an die trockene,<br />
40 °C heiße Luft gekommen bin, begann<br />
ich zu zweifeln, und nachdem<br />
Wind aufgekommen war, verstand<br />
ich, dass Sandstürme hier keine<br />
Seltenheit sind und meine <strong>Be</strong>reitschaft<br />
zum Leben in einem Zelt verschwand<br />
im Handumdrehen.<br />
Das Städtchen Coober Pedy hat fast<br />
3500 Einwohner, fünfzig unterschiedliche<br />
Nationen, obwohl ich nach dem<br />
Aussteigen in der roten Wildnis, d. h.<br />
am Flughafen nicht diesen Eindruck<br />
hatte. Dort gibt es keine Vegetation,<br />
keine Wiesen an den Häusern, d. h. an<br />
den Höhlen, keine Blumen, lediglich<br />
etwas Gestrüpp, dass von den Ortsansässigen<br />
hingebungsvoll gepflegt<br />
wird, denn ohne stetige Unterstützung<br />
durch den Menschen würde<br />
es dort nicht wachsen. Dafür gibt es<br />
rote, ausgetrocknete Erde und Staub<br />
im Überfluss. Jetzt gibt es in Coober<br />
Pedy auch überirdische Gebäude,<br />
aber die Mehrzahl verbirgt sich trotzdem<br />
unter den Sandsteinbergen, weil<br />
sich so die Temperatur einfacher und<br />
effizienter regeln lässt.<br />
56
Mein Zelt habe ich dennoch aufgestellt,<br />
aber nicht über- sondern unterirdisch.<br />
„Riba‘s Underground“<br />
(http://www.camp-underground.<br />
com.au/) behauptet von sich, der<br />
einzige Ort auf der Welt zu sein, wo<br />
man sein Zelt unter Tage aufschlagen<br />
kann und ich schenke ihnen<br />
mein heiligstes Vertrauen. Die Heringe<br />
in den härtesten Untergrund<br />
zu treiben ist schwierig, auf Steinuntergrund<br />
zu schlafen – hart und<br />
unbequem. Aber wir sind in Coober<br />
Pedy, also hörte ich auf mich<br />
zu wundern und freute mich über<br />
die Möglichkeit duschen zu können.<br />
Die <strong>Be</strong>sichtigung der lokalen<br />
<strong>Be</strong>rühmtheiten, einschließlich der<br />
unterirdischen Kirche, schließe ich<br />
aus, weil mein Ziel die Opale sind.<br />
Also beschließe ich zuerst einmal,<br />
mich mit der Gegend vertraut zu<br />
machen und mehr Informationen<br />
zu sammeln, und danach kann ich<br />
mich an die anstrengende, körperliche<br />
Arbeit machen.<br />
57
explorer<br />
Was sind Opale und<br />
von wo kommen sie?<br />
Fast 100 Prozent der Opale Australiens<br />
werden in Sedimentgestein, an<br />
trockenen, unfruchtbaren Orten gefunden.<br />
Mann braucht nicht sehr tief<br />
graben, meist findet man sie in bis zu<br />
dreißig Meter Tiefe in stark vermodertem<br />
Felsgestein. Opale sind in grauer<br />
Vorzeit während der Herausbildung<br />
der Erdkruste als Folge chemischer<br />
Prozesse entstanden. Dieses Mineral<br />
der Oxydklasse ist auf der ganzen<br />
Welt anzutreffen, aber der Großteil<br />
(95 %) wird in Australien gefördert.<br />
So würde die wissenschaftliche Erklärung<br />
zur Entstehung der Opale<br />
lauten. Ein Mythos der Ureinwohner<br />
Australiens besagt, dass der Schöpfer<br />
mit dem Regenbogen auf die Erde<br />
gelangt ist und allen Menschen Frieden<br />
und Ruhe gebracht hat. Dort,<br />
wo seine Füße den Boden berührten,<br />
erstrahlten die Steine in allen Farben<br />
des Regenbogens.<br />
Diese Edelsteine funkeln tatsächlich in<br />
fast allen möglichen Farbtönen, weshalb<br />
man im Mittelalter glaubte, dass<br />
Opale große Erfolgsgaranten seien,<br />
weil in einem Stein alle guten Eigenschaften<br />
der Edelsteine vereint sind,<br />
deren Farben in das Farbspektrum<br />
der Opale gelangen.<br />
Es ist ein komplizierter Stein und seine<br />
Wertung beschränkt sich nicht<br />
nur auf die vier C (Colour, Clarity, Cut,<br />
Carat), wie bei der Wertung von Diamanten.<br />
Hier sind auch Hintergrund<br />
(umso dunkler, desto besser), Helligkeit,<br />
Muster, Farbe, Form, Gewicht<br />
und Mängel von Wichtigkeit. Opale,<br />
die rote Farbe enthalten, sind meist<br />
die teuersten, aber neben der Farbe<br />
werden auch die anderen zuvor erwähnten<br />
Eigenschaften des Minerals<br />
in <strong>Be</strong>tracht gezogen.<br />
<strong>Be</strong>i Weitem nicht alle gefundenen<br />
Opale sind Edelsteine. Das Gegenteil<br />
ist sogar der Fall, nur ein winziger<br />
Teil (1 %) aller Opale, die in<br />
Coober Pedy gefördert werden<br />
(und hier werden die meisten in<br />
Australien gefunden) besitzen die<br />
Qualität von Edelsteinen. <strong>Be</strong>i der<br />
großen Mehrheit (97 %) handelt es<br />
sich um den Gemeinen Opal (Common<br />
Opal), der auch als „potch“<br />
bezeichnet wird, kein begehrtes<br />
Farbenspiel zeigt, nicht durchsichtig<br />
und nicht teuer ist. Ein Teil des<br />
Gemeinen Opals ist jedoch reich an<br />
einigen Farben (meist Grün und<br />
Blau) und ist gar nicht so gewöhnlich,<br />
wird also viel für Ornamente<br />
eingesetzt.<br />
Ich hatte auch „Anfängerglück“<br />
gehofft und träumte von Steinen,<br />
die in allen Farben funkeln,<br />
am besten vor schwarzem Hintergrund,<br />
beispielsweise Rot vor<br />
Schwarz – der teuerste, mir würde<br />
er hervorragend passen.<br />
58
Nicht zu Hause<br />
nachmachen!<br />
Heute werden Opale mit moderner<br />
Technik gefördert, die Schachtkanäle<br />
werden mit großen Bohrern<br />
ausgehöhlt und unnützes Material<br />
wird über Spezialmaschinen aus<br />
dem unterirdischen Königreich an<br />
die Oberfläche befördert. Deshalb<br />
ist das gesamte Städtchen Coober<br />
Pedy von natürlichen Fallen umgeben<br />
– Löcher im Boden, die das Tor<br />
zum Königreich der Unterwelt darstellen,<br />
Zugänge zu den Schächten,<br />
und daneben <strong>Be</strong>rgehalden<br />
(mullock).<br />
Um mich herum habe ich niemanden<br />
gesehen, der einen Spaten<br />
schwingt und Erdreich in Eimern<br />
nach oben befördert. Diese Art Opale<br />
zu suchen ist die älteste und übrigens<br />
auch eine der effizientesten,<br />
denn wenn man langsam arbeitet<br />
und mit begrenzter Kraft hämmert,<br />
bestehen weniger Möglichkeiten<br />
einen wichtigen Streifen zu versäumen,<br />
der anzeigt, dass dort bereits<br />
eine Opalansammlung anfängt.<br />
Als es noch keine motorisierte Technik<br />
gab, haben die Opalsucher mit<br />
den Spaten vertikale Schächte gegraben,<br />
bis sie auf den Schlamm<br />
mit den Opalablagerungen stießen.<br />
Die Schachttiefe schwankte damals<br />
(und schwankt heute noch) von drei<br />
bis dreißig Meter. Alles ist abhängig<br />
vom Ort und vom Glück. Wenn der<br />
„Grund“ erreicht ist, wird eine horizontale<br />
Höhle weiter gegraben, und<br />
das gesamte unnütze Erdreich wird<br />
an die Oberfläche geschafft und dort<br />
ausgekippt. Es ist eine gefährliche<br />
Arbeit, die ein Zwei-Personenteam<br />
erfordert. Ich aber hatte diesen Luxus<br />
nicht, und auch die Neugier trieb<br />
mich zur Suche nach dem geeigneten<br />
Ort, an dem ich den Spaten benutzen<br />
kann.<br />
Ich musste nicht lange fahren und<br />
suchen, die Opalschächte beginnen<br />
gleich hinter dem Städtchen und erstrecken<br />
sich im Umkreis von 40 Kilometern.<br />
Jenseits des Asphalts sind die<br />
Wege hier löchrig und staubig, und<br />
die Landschaft ist unheimlich öde.<br />
59
explorer<br />
Dieser Ort auf der Welt ist etwas für<br />
starke, ehrgeizige, hartnäckige und<br />
ein wenig verrückte Menschen. Nicht<br />
umsonst wird eine der dort befindlichen<br />
Ebenen „Mondebene“ (Moon<br />
plane) genannt und man sagt, dass<br />
die Aussicht um Coober Pedy herum<br />
Ähnlichkeit mit den Aufnahmen der<br />
Mondoberfläche hat.<br />
Nachdem ich auf einen der Wege zu<br />
den Schächten abgebogen war, stieg<br />
ich aus dem Auto. Ich habe mich lange<br />
umgeschaut und versuchte mich<br />
zu entscheiden, wo ich anfangen sollte.<br />
Ich ging langsam und war voller<br />
Spannung. Der Boden dort ist von<br />
Löchern übersät, die, wie ich wusste,<br />
tief in das Herz der Erde reichen. Ich<br />
kam mir vor wie in einem Film, völlig<br />
irreal. Ich ging an den Straßenschildern<br />
vorbei, die davor warnten, sich<br />
von den Schächten fernzuhalten,<br />
den Boden aufmerksam zu beobachten<br />
und die Nase nicht in verlassene<br />
Minen zu stecken. Die <strong>Be</strong>wohner rieten<br />
mir außerdem dazu, mich vor<br />
Schlangen in Acht zu nehmen und sie<br />
nicht zu provozieren, und schon gar<br />
nicht zu versuchen, ihnen mit dem<br />
Spaten in der Hand hinterherzulaufen<br />
mit der Absicht, sie zu erschlagen.<br />
Neben den Erdlöchern befinden sich<br />
<strong>Be</strong>rge zu Tage geförderten Erdreichs,<br />
und diese hoch aufgetürmte Masse<br />
sah im Vergleich zu den winzigen Öffnungen,<br />
die in die Tiefe führten, riesig<br />
aus. Man muss nicht lange nachdenken<br />
um zu verstehen, dass all dieses<br />
Erdreich aus diesen engen Öffnungen<br />
gefördert wurde, aber erst wenn<br />
man diese Tatsache verinnerlicht,<br />
versteht man, welche Tiefe und Länge<br />
diese unterirdischen Höhlen haben<br />
– es sind unendliche Labyrinthe.<br />
Wenn Sie nach unten abrutschen,<br />
dann wird niemand – und ich sage<br />
bewusst NIEMAND – Sie finden, denn<br />
dort herrscht eine andere Welt.<br />
Am nächsten Morgen stand ich<br />
bereits im ersten Morgenlicht an<br />
den Schächten. Ich hatte eine<br />
Spitzhacke, eine Pinzette und eine<br />
Lupe dabei. Ich hatte eine Mütze<br />
auf dem Kopf, trug starre, stabile<br />
Schuhe und hatte mich von Kopf<br />
bis Fuß mit Insektenabwehrmittel<br />
eingesprüht. Sie haben ja keine<br />
Ahnung, was Fliegen sind, wenn<br />
sie nicht in der Tiefe des australischen<br />
Kontinents gewohnt haben<br />
– es sind furchtbare, lästige,<br />
scheußliche Viecher, die es dort<br />
haufenweise gibt. Ich habe vier Liter<br />
Wasser mitgenommen und war<br />
voller Enthusiasmus. Als es hell genug<br />
war und ich das Gelände klar<br />
und deutlich sehen konnte, habe<br />
ich mich auf den Weg gemacht.<br />
60
Von meiner Absicht im roten Boden<br />
zu graben habe ich Bob erzählt,<br />
einem Mann, den ich am Tag<br />
meiner Ankunft kennengelernt<br />
hatte, denn irgendjemand musste<br />
meinen Aufenthaltsort kennen,<br />
falls ich plötzlich nicht zurückkehren<br />
würde. Als er von meinem Vorhaben<br />
hörte, setzte er ein breites<br />
Lächeln auf, klopfte mir mit der<br />
Hand auf den Rücken, versuchte<br />
aber nicht, mich von meinem Unterfangen<br />
abzubringen. Er sagte<br />
nur: „die Nase im Mist, Sterne in<br />
den Augen“, und wünschte mir<br />
gesunde Rückkehr.<br />
Ich ging so weit, bis alle Löcher hinter<br />
mir lagen, zumindest schien es<br />
mir so, denn niemand konnte garantieren,<br />
dass sich unter mir keine<br />
tiefen horizontalen Tunnel durchs<br />
Erdreich winden. Ich begann mit<br />
dem Spaten zu arbeiten und zu<br />
Anfang war ich mit voller Kraft bei<br />
der Sache. Ich war bemüht eine so<br />
enge Öffnung wie möglich auszuheben,<br />
um nicht unnötig ins<br />
Schwitzen zu kommen. Aber mit<br />
der Zeit habe ich verstanden, dass<br />
es eine höllische und schwierig<br />
zu bewältigende Arbeit für eine<br />
Einzelperson ist. Ich habe einen<br />
mehrere Meter tiefen Schacht gegraben,<br />
aber das Ausschütten des<br />
Erdreiches wurde immer schwieriger<br />
und ich habe viel Zeit dafür<br />
verschwendet. Arbeiten konnte<br />
ich nur in den Morgenstunden, bis<br />
die Hitze mich aus der Grube trieb.<br />
Aber je tiefer ich grub, umso kühler<br />
wurde es. Mir wurde völlig klar,<br />
warum die Opalsucher an diesem<br />
Ort nicht nur bei der Arbeit, sondern<br />
auch danach das Leben unter<br />
Tage vorzogen – die Temperatur<br />
im Untergrund war angenehm<br />
und ich wollte überhaupt nicht in<br />
die sengende Hitze zurück.<br />
Ich fuhr zurück, um Werkzeuge zu<br />
suchen, weil ich den Gedanken hatte,<br />
einen primitiven Mechanismus<br />
zu montieren, der es mir gestatten<br />
würde mittels eines Seils das unnütze<br />
Erdreich auf der Oberfläche auszuschütten.<br />
Am nächsten Morgen habe<br />
ich ein stabiles Brett mit einer entsprechenden<br />
Aussparung am Rand<br />
des Lochs eingegraben, ein starkes<br />
mit Fett geschmiertes Seil daran festgemacht<br />
und bin in meinen Schacht<br />
abgestiegen. Ich fühlte mich hervorragend,<br />
mein Geist und mein ganzes<br />
Ich wurden vom Abenteuer erfasst.<br />
Schmutzig und verschwitzt wühlte<br />
ich im staubigen Erdboden und in<br />
meinen Augen blinkten tatsächlich<br />
Sterne auf. Ob ich tatsächlich hoffte,<br />
eine Opalader zu finden und reich<br />
zu werden, weiß ich nicht. Diesen<br />
Gedanken trug ich wahrscheinlich<br />
im Kopf mit mir herum, aber in Wirklichkeit<br />
war ich noch zu grün hinter<br />
den Ohren und zu unvorbereitet.<br />
Meinen Schacht habe ich bis auf fünf<br />
Meter ausgehoben, aber Anzeichen<br />
dafür, dass ich bereits den Grund erreicht<br />
hatte und mit dem Graben eines<br />
horizontalen Tunnels beginnen<br />
könnte, gab es nicht. Mein neuer<br />
<strong>Be</strong>kannter Bob willigte ein, mit mir<br />
zu fahren und mein Werk zu besichtigen.<br />
Er war mir gegenüber besonders<br />
wohlwollend gestimmt und<br />
nach dem Abstieg konnte er nur bestätigen,<br />
dass ich noch tiefer graben<br />
muss. Ich wusste, dass nach Erreichen<br />
des Grundes das Tunnelgraben noch<br />
nicht abgeschlossen sein wird. Es wird<br />
ein weiterer Schacht benötigt, damit<br />
die Luft zirkulieren kann. Nach der<br />
<strong>Be</strong>rechnung der Zeit und der Mühen<br />
fühlte ich, dass mein Enthusiasmus<br />
zu verblassen begann, Technik und<br />
Hilfe waren notwendig, aber ich wollte<br />
nicht investieren, war noch nicht<br />
dazu bereit.<br />
61
explorer<br />
Noodling –<br />
etwas für alle!<br />
Bob stimmte meiner Entscheidung<br />
zur Aufgabe des selbständigen<br />
Schachtgrabens zu und schlug vor,<br />
das Glück auf eine einfachere Art und<br />
Weise zu versuchen – beim Durchsieben<br />
des bereits geförderten Erdreichs,<br />
das aus tieferen Schichten<br />
abgesaugt wurde und auf großen<br />
Haufen verrottet. Diese Art der Edelsteinsuche<br />
nennt sich Noodling.<br />
Es ist eine sehr staub- und schmutzreiche<br />
Arbeit, aber viele leben davon<br />
und mehr als einmal hat ein hartnäckiger<br />
und aufmerksamer Laie Opale<br />
im Wert von mehreren hundert Dollar<br />
oder mehr gefunden.<br />
Um Coober Pedy herum gab es<br />
zahllose solcher abgeschriebenen,<br />
herrenlosen Haufen und mit deren<br />
Umgraben und Durchsieben wären<br />
viele solcher Freiwilligen wie ich beschäftigt,<br />
aber laut Bob ist die Menge<br />
an „mullok dump“ optisch recht trügerisch,<br />
denn viele Menschen durchsuchen<br />
das ausgeschüttete Erdreich<br />
und es ist ziemlich schwierig einen<br />
„fruchtbaren“ Haufen zu finden.<br />
Trotzdem habe ich mich entschlossen<br />
es zu versuchen, und den Gedanken<br />
von meinem eigenen Schacht habe<br />
ich aufgegeben. Ich habe das Graben<br />
nicht bereut, aber ich habe begriffen,<br />
dass dies keine Arbeit für eine Einzelperson<br />
ist, obwohl niemand sagen<br />
kann, ob ich mit etwas mehr Anstrengungen<br />
nicht einen rekordverdächtigen<br />
Opal gefunden hätte. Eben<br />
genau in Coober Pedy wurde 1956<br />
der weltgrößte Edelstein (3,5 kg Gewicht)<br />
gefunden und „Olympic Australis“<br />
genannt, weil in diesem Jahr<br />
in Melbourne die Olympischen Spiele<br />
stattfanden.<br />
Ich wollte mich eine Woche lang dem<br />
Noodling widmen, vor Schmutz hatte<br />
ich keine Angst, obwohl Bob eindringlich<br />
behauptete, dass dies eine<br />
scheußlichere und schmutzigere Arbeit<br />
sei als das Graben eines Schachtes.<br />
Ich hatte ein geliehenes Sieb, eine<br />
Schaufel und eine Staubmaske, ohne<br />
die ich bereits in der ersten Stunde<br />
ums Leben gekommen wäre. Und<br />
danach ging es an die Arbeit: Man<br />
steigt oder watet auf den Haufen aus<br />
Streugut, nimmt eine Schaufel voll<br />
Abfall, wirft ihn auf das Sieb und siebt<br />
ihn durch.<br />
Die aussichtsreichsten Haufen sind die,<br />
die von Bulldozern beim Schachtgraben<br />
aufgehäuft wurden, denn ein unaufmerksamer<br />
Fahrer könnte Opale<br />
unter den Raupen nicht bemerkt und<br />
zermalmt haben. Man muss eine positive<br />
Einstellung haben, immerhin<br />
werden 90 % Opale weltweit in diesen<br />
70 Opalfeldern um Coober Pedy<br />
herum gefunden. Irgendjemand<br />
hat bestimmt irgendetwas in diesen<br />
unnützen Abfallhaufen übersehen,<br />
dessen muss man sich sicher sein, ansonsten<br />
werden einen der Staub und<br />
die Rückenschmerzen zu Kapitulation<br />
bewegen, noch bevor man in Fahrt<br />
gekommen ist.<br />
62
Wenn Sie sieben, dann suchen Sie<br />
nach Farben, Glanz, dem Versprechen,<br />
dass sich in diesem kleinen<br />
Steinchen ein Schatz verbirgt. Ich<br />
habe sehr geduldig und methodisch<br />
gearbeitet, habe jede Stunde<br />
eine kurze Pause gemacht, und<br />
wenn es gar nicht mehr ging – jede<br />
halbe Stunde. Sehr schnell habe ich<br />
verstanden, dass ich mit dem Rücken<br />
zum Wind arbeiten muss, um<br />
die Augen vor dem furchtbaren<br />
aufgewirbelten Staub zu schützen,<br />
und mit den Fliegen musste ich<br />
mich einfach abfinden. Sie waren<br />
in schrecklich großer Zahl vorhanden<br />
und fanden immer, ob durch<br />
den kleinsten Spalt im Hemd oder<br />
in der Maske, den Weg zu meinem<br />
verschwitzten Körper. Es sind sehr<br />
lästige Viecher, von denen es auf<br />
dem Mars auf Erde eindeutig zu<br />
viele gibt.<br />
In sieben Tagen habe ich acht<br />
Mullock-Haufen abgearbeitet und<br />
fand nur „potch“, was die unterste<br />
Art des Gemeinen Opals ist. Ab<br />
und zu konnte man in ihm auch<br />
einen Farbschimmer erkennen,<br />
aber im Grunde ist es ein Mineral<br />
ohne kommerziellen Wert auf<br />
dem Opalmarkt. Geschliffen sah<br />
er jedoch sehr schön aus und man<br />
riet mir dazu, ihn als wunderbaren<br />
Grund für ein Aquarium zu verwenden...<br />
63
explorer<br />
Mein Glückstag<br />
Bob verfolgte wachsam mein Glück<br />
als „Opalsucher“ und nach siebzehn<br />
Tagen erschöpfender Arbeit sah ich<br />
wahrscheinlich zu bedauernswert<br />
aus, denn er lud mich zum Abendessen<br />
in seine Höhle ein (er wohnte<br />
in einem unterirdischen Haus), und<br />
dann schlug er mir etwas Unglaubliches<br />
vor – einen praktischen Ausflug<br />
in verlassene Schächte. An diesem<br />
Abend hörte ich auch seine Familiengeschichte,<br />
die der von vielen in<br />
Coober Pedy sesshaft gewordenen<br />
Abenteuersuchern ähnelt.<br />
Vor fast zwanzig Jahren sind er und<br />
seine Frau Pam, nachdem sie in den<br />
Vorruhestand gegangen waren,<br />
durch Australien gefahren und Coober<br />
Pedy war nur ein Städtchen auf<br />
dem Weg in die nordaustralische<br />
Stadt Darwin, in der sie für längere<br />
Zeit wohnen wollten. Alles änderte<br />
sich jedoch, als die Magie von Coober<br />
Pedy ins Spiel kam und Bob an<br />
Opalitis, dem Opalfieber erkrankte.<br />
„Ich war ‚grün hinter den Ohren‘<br />
wie du“, lachte mein neuer Freund<br />
„und alles hat mich sehr gelockt“.<br />
Die Erfahrung der alten Opalgräber<br />
sagt, dass wenn man einmal die bunten<br />
Farben tief in der Schachtwand<br />
gesehen hat, kein Neugieriger mehr<br />
zu stoppen ist. So auch Bob und Pam.<br />
Obwohl sie die versprochenen Schätze<br />
nicht gefunden haben und nicht<br />
mehr aktiv suchen, wohnen sie immer<br />
noch in Coober Pedy und planen<br />
nicht sich von diesem seltsamen Ort<br />
wegzubewegen.<br />
Wir haben vereinbart, dass er mich<br />
am nächsten Tag dorthin führt, wo<br />
wir uns in alten Schächten umschauen<br />
können, und dann werden wir<br />
unser Glück versuchen bei der Suche<br />
nach dem, was die Sucher vor uns<br />
hier nicht entdeckt haben. Bob versicherte<br />
mir, dass dort, tief im Innern<br />
der Erde, jeder irgendetwas nicht<br />
bemerkt, weil wir alle unterschiedlich<br />
sehen und das, was dem einen Augenpaar<br />
nicht auffällt, kann für das<br />
andere Augenpaar einen Opalschatz<br />
bedeuten.<br />
In dieser Nacht war es schwer einzuschlafen,<br />
ich wollte mich so schnell<br />
wie möglich in den versprochenen<br />
Untergrund begeben, und ohne<br />
einen erfahrenen alten Hasen auf<br />
diesem Gebiet wäre dieses Unterfangen<br />
nicht möglich oder zu riskant.<br />
Der Touristenausflug in den allen<br />
gezeigten sicheren und abgegriffenen<br />
Schacht reizte mich nicht. Ich<br />
wollte mit der Spitzhacke hacken<br />
und darauf hoffen, dass in dem<br />
verlassenen Schacht das Glück auf<br />
mich wartet.<br />
Bobs alter aber leistungsstarker<br />
Nissan Patrol war mit einem<br />
verbesserten Sonderrahmen in<br />
A-Form an der Frontseite des Wagens<br />
ausgestattet. Mit Hilfe dieser<br />
alten Konstruktion stiegen wir<br />
nacheinander in einen (meines<br />
Erachtens) sehr tiefen Schaft ab,<br />
den Bob schon irgendwann einmal<br />
besichtigt hatte. Die zwanzig<br />
Meter tief in die Erde, im Sitzen auf<br />
einem schmalen Brett, das von einem<br />
Drahtseil gehalten wurde und<br />
sich mit Bobs Mechanismus Marke<br />
Eigenbau abwickelte, erschien mir<br />
wie eine Ewigkeit. Sehr weit unten<br />
leuchtete das Licht meines Reiseführers,<br />
der zuerst nach unten gestiegen<br />
war, und ich bewegte mich<br />
langsam nach unten, gesichert<br />
mit einem Sicherungsdraht, damit<br />
ich im schlimmsten Fall hängen<br />
bleiben würde. Nur die Frage war,<br />
wie Bob nach oben steigen würde,<br />
denn die Metallleiter endete in<br />
10 Meter Tiefe.<br />
Allein vom Abstieg stockte der<br />
Atem, denn alles Mögliche hätte<br />
passieren können: Das Seil konnte<br />
sich verklemmen, die Drahtseile,<br />
die meinen Sitz hielten, konnten<br />
reißen, der Mut konnte verschwinden<br />
... aber all dies verblasst gegenüber<br />
den Gefühlen, die der Adrenalinstoß<br />
verursacht, wenn man<br />
weiß, dass gleich etwas Unerwartetes<br />
passieren wird und man selbst<br />
daran teilnimmt.<br />
64
Letztendlich mussten wir nach<br />
unserem Abstieg auf allen Vieren<br />
kriechen. Ich bin Bob gefolgt, der<br />
mit seinem beleibten Körper recht<br />
schwer vorankam, aber sich in<br />
den Labyrinthen ohne Probleme<br />
orientierte. An den Tunneldurchgängen<br />
war ungefähr jeweils ein<br />
halber Meter harten Tons angetrocknet,<br />
den das Regenwasser<br />
dorthin getragen hat, das die<br />
verlassenen Schächte Jahr um<br />
Jahr gewaschen hat. Um mit der<br />
Spitzhacke arbeiten zu können,<br />
mussten wir erst einmal mit dem<br />
Spaten Ordnung schaffen und den<br />
Zugang frei machen, um Platz zum<br />
Drehen zu haben und um in die<br />
Verbindungstunnel zu gelangen.<br />
65
explorer<br />
Die meiste Zeit habe ich gegraben<br />
und Bob hat über die alten Tage berichtet,<br />
als sie selbst Sprengladungen<br />
herstellten und ihren Weg in die Tiefe<br />
gruben, über seine Partner bei der<br />
Arbeit unter Tage und gefundene<br />
Opalschichten. Ich habe gefühlt, dass<br />
ihm diese Tätigkeit furchtbar fehlt,<br />
aber Alter und Gesundheit haben das<br />
Arbeiten im Staub mit dem Bohrer<br />
und der Spitzhacke in der Hand nicht<br />
mehr zugelassen. Ich habe verstanden,<br />
dass ich sehr großes Glück hatte,<br />
diesen scherzenden, alten Mann kennenzulernen,<br />
denn allein hätte ich<br />
nicht mal ein Zehntel von dem, was<br />
sich jetzt in meinem Kopf befindet, erlebt<br />
und erfahren.<br />
Bob willigte ein, mich mehrere Wochen<br />
lang in Schächte zu begleiten,<br />
und jeden Morgen stiegen wir in<br />
den gleichen Untergrund ab. Dort<br />
gab es nicht Verzweigungen und<br />
nach einigen Tagen hatten wir den<br />
Weg mehr oder weniger freigelegt.<br />
Ich war ganz ungeduldig und wusste<br />
nicht, wo ich anfangen sollte. Dann<br />
zeigte mir Bob eine Abzweigung, die<br />
in einem ungewöhnlichen Winkel<br />
nach oben führte, und deren Decke<br />
voll von Kalksteinen war. Im Laufe des<br />
Jahres fielen die Kalksteine zu Boden<br />
und deshalb war alles so weiß, dass<br />
sogar die Augen vom Hinsehen wehtaten,<br />
wie bei Schnee an einem sonnigen<br />
Wintertag. Genau dort haben wir<br />
gefunden, was als „chalky potch“ bezeichnet<br />
wird und unter <strong>Be</strong>rufung auf<br />
seine Erfahrung hat Bob sich entschieden,<br />
dass dies ein Hinweis auf Opale<br />
sein kann, deshalb war es wert die<br />
Spitzhacke zum Einsatz kommen zu<br />
lassen. Nach einigen leichten Hieben<br />
brach der Gesteinsbrocken entzwei<br />
und vor uns glitzerten die Farben.<br />
Das Gefühl war unbeschreiblich, meine<br />
Augen funkelten wahrscheinlich<br />
mehr als das Versprechen, dass wir<br />
etwas <strong>Be</strong>sonderes gefunden hatten.<br />
66
Mit zitternder Hand berührte ich<br />
die Wand und drehte mich zu meinem<br />
Partner um auf der Suche<br />
nach Zustimmung, dass das, was<br />
meine Augen sehen, wirklich DAS<br />
ist, wofür ich es halte. Bob nickte<br />
zustimmend mit dem Kopf, ich sah,<br />
dass die Stimmung des Augenblicks<br />
auch ihn erfasst hatte und<br />
wir arbeiteten eifrig weiter.<br />
An diesem Tag brachten wir aus<br />
dieser wundersamen Schachtwand<br />
dreihundert Gramm Grauopal<br />
(Grey Opal) zu Tage und mir schien<br />
es, dass ich diesen magischen Ort<br />
nie mehr verlassen möchte. An<br />
den verbleibenden Tagen stießen<br />
ich und Bob auf noch einmal so<br />
viel Grauopal, der kein echter Edelstein<br />
ist, aber trotzdem durch seine<br />
Farben auffällt. Meist ist er nicht<br />
durchsichtig, bis er bearbeitet und<br />
in sehr dünne Blätter geschnitten<br />
wird, und dann ist er geeignet für<br />
die Verwendung im „Triplet”, was<br />
die einfachste Art ist, sich mit einem<br />
echten Opal zu schmücken und<br />
daran Freude zu haben. <strong>Be</strong>i der<br />
Herstellung des Triplet wird eine<br />
dünne Opalschicht an einem starken<br />
Untergrund befestigt und von<br />
oben werden Glas- oder Quarzstücke<br />
eingepresst. So werden Manschettenknöpfe,<br />
Ohrringe, Spangen<br />
und andere Schmuckstücke<br />
hergestellt.<br />
Den Erfolg der erfolgreichen Ausgrabungen<br />
haben wir mit Pam in<br />
ihrem gastfreundlichen unterirdischen<br />
Höhlenhaus gefeiert. Es hat<br />
mir kein Vermögen eingebracht,<br />
aber ich habe gespürt, dass es sehr<br />
einfach ist, sich mit der Opalitis anzustecken.<br />
Man braucht nur etwas<br />
Farbe zu sehen. Ich wollte in den<br />
Schacht zurückkehren, aber Bob<br />
weigerte sich mit mir zu fahren,<br />
obwohl ich in seinen Augen immer<br />
noch die brennende Flamme des<br />
Fiebers brennen sah. „Diese Zeit ist<br />
für mich vorbei“, sagte er, „obwohl<br />
ich weiß, dass ich nie ganz gesund<br />
werden werde.“<br />
67
explorer<br />
Das ist erst der<br />
Anfang<br />
Opale sind nur einer von vielen funkelnden<br />
und nicht funkelnden Schätzen,<br />
die die Tiefen der Erde geheim<br />
halten und die potenziell jeder aufmerksame<br />
Sucher finden kann. Topase,<br />
Diamanten, Gold, Zirkonium,<br />
Amethysten, Kristalle und so weiter<br />
– die Schichten mit all diesen Gütern<br />
sind grundsätzlich allen Suchenden<br />
zugängig, man muss nur Willen, Hartnäckigkeit<br />
und Zeit mitbringen. Ein<br />
großer Teil der Steingräber sind Laien<br />
auf diesem Gebiet und beschäftigen<br />
sich ungefähr zwei Monate pro Jahr<br />
damit. Ein Teil von ihnen erfreut sich<br />
daran nur während des kurzen Sommerurlaubs,<br />
die anderen leben diese<br />
Tätigkeit und leben davon. Und das<br />
können Menschen mit den verschiedensten<br />
<strong>Be</strong>rufen sein, meist sind es Arbeiter,<br />
Pädagogen oder Personen in<br />
hohen Positionen, die ein gewaltiges<br />
Bankkonto haben, aber sie alle vereint<br />
dieselbe Leidenschaft – zu suchen und<br />
zu finden.<br />
Irgendein lang in Vergessenheit geratener,<br />
wilder und primitiver Instinkt<br />
erwacht, wenn man sich auf einfache<br />
körperliche Arbeiten, die Umgebung,<br />
die Erde konzentriert und das verleiht<br />
unsagbares Vergnügen. Ich muss<br />
gestehen, dass das Graben eine sehr<br />
ansteckende Angelegenheit ist und<br />
damit ist noch nicht alles zu Ende. Einige<br />
Veteranen sind nicht nur gut im<br />
Suchen und Finden von Edelsteinen,<br />
sondern eignen sich auch die erforderlichen<br />
Fertigkeiten zu deren <strong>Be</strong>arbeitung<br />
an, machen alles von A bis Z<br />
mit ihren eigenen Händen und das ist<br />
ihr größter Erfolg und ihr Vergnügen.<br />
Positives Denken ist bei erfolgreichen<br />
Grabungen die halb gemachte Arbeit.<br />
Auf keinen Fall darf man den Kopf hängen<br />
lassen und diejenigen beachten,<br />
die behaupten, dass sie an der einen<br />
oder anderen Stelle nichts finden, weil<br />
es nicht wahr ist. Überlegen Sie selbst,<br />
wenn es sich um einen erfolgreichen<br />
Ort handelt, wer würde allen davon<br />
erzählen wollen, damit gleich ein<br />
Haufen von „Kollegen“ angelaufen<br />
kommt und die ganze Ernte aushebt?!<br />
Aber dieselben Steingräber kehren<br />
Tag für Tag an denselben Ort, an<br />
denselben Bach zurück, wobei sie<br />
seinen Boden in Sieben spülen. Irgendetwas<br />
muss sich ja schließlich<br />
in diesem bröseligen Sand befinden<br />
– vielleicht feiner Goldstaub,<br />
der Appetit auf einen größeren<br />
Schatz macht, oder das nicht greifbare<br />
Versprechen, dass man nach<br />
Anstrengung dort auf sein El Dorado<br />
stoßen wird. Die einfachsten<br />
Grabungsergebnisse sind trotzdem<br />
positiv – Sie werden garantiert die<br />
verschiedensten Menschen treffen,<br />
<strong>Be</strong>kanntschaften schließen, die Zeit<br />
aktiv verbringen und Sie werden<br />
Ihre Urinstinkte, die beim bequemen<br />
Leben meist unbenutzt veröden,<br />
wieder zum Leben erwecken.<br />
68
Score<br />
Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />
Ziel zu erreichen.<br />
Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt befördert werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
69
trekker<br />
Zu Fuß,<br />
Rädern<br />
auf<br />
oder mit Flügeln?<br />
Die ganz persönliche Art die<br />
Welt zu bereisen<br />
Text Rimantas Vančys<br />
70
In der Atacamawüste von Chile wurde ich tatsächlich<br />
von einem Lkw angefahren, in Haiti musste ich vor einer<br />
„ aufgebrachten Menge die Flucht ergreifen, ägyptische<br />
Soldaten haben mich gefangen genommen und bis zur<br />
<strong>Be</strong>wusstlosigkeit geprügelt, und in Kamerun habe ich für<br />
„Staatsverleumdung“ hinter Gittern gesessen.<br />
In Indonesien habe ich mir eine<br />
furchtbare Dysenterie eingefangen<br />
– ich dachte, dass ich meine gesamte<br />
unruhige Seele aus mir herausstöhnen<br />
werde. Irgendwie habe ich es<br />
überstanden und von den Aufständischen<br />
in Zimbabwe ein Geschenk erhalten<br />
– eine Kugel ins <strong>Be</strong>in. Den Bienenangriff<br />
beim Baden in einem Fluss<br />
von Mosambik kann man also als unbedeutende<br />
Kleinigkeit bezeichnen.“<br />
So könnte der Deutsche Heinz Stücke<br />
den millionsten Teil seiner Erlebnisse<br />
kurz schildern. Er kann das Reisen<br />
um die Welt nicht mehr lassen und ist<br />
dafür ins Guinnessbuch der Rekorde<br />
gelangt als meistreisender Mensch<br />
auf diesem Planeten. Wenn man weiß,<br />
was dieser Mann anstellt, kann man<br />
behaupten, dass es für ihn im Leben<br />
nichts <strong>Be</strong>sseres gibt, als unterwegs zu<br />
sein, wobei jede bewältigte Schwierigkeit<br />
zu einem Abenteuer wird.<br />
<strong>Be</strong>im Spaziergang mit meinem Hund<br />
am Fluss denke ich oft nach: „Wenn<br />
man nur alles so einfach aufgeben<br />
könnte und eine Woche zu Fuß irgendwohin<br />
wandern könnte. Durch<br />
Wiesen und Wälder, ganz ohne Hast,<br />
viel dabei zu sehen bekommen, vielleicht<br />
würde der Hund sogar irgendein<br />
Tier zum Abendessen erlegen...“<br />
Dabei bleibt es dann auch, aber beim<br />
nächsten Mal, bei der Fahrt mit dem<br />
Motorrad kommt derselbe Gedanke<br />
zurück, nur diesmal bereits in breiterem<br />
Umfang – wie könnte man denn<br />
die Welt bereisen? Und sollen doch<br />
selbst Kleinkinder über mich lachen,<br />
wenn ich irgendwann einmal im Lotto<br />
eine Million gewinne und nach Umsetzung<br />
des Plans „Was ich mit dem<br />
Gewinn von einer Million tun würde“<br />
dieses Stück Fels nicht bereise.<br />
Muss es unbedingt diese Million sein?<br />
Ich habe einmal einen kräftigen alten<br />
Mann gesehen, der bereits den Großteil<br />
seines Lebens hinter sich gebracht<br />
hat. Er zieht seinen Wagen mit seiner<br />
Habe irgendwo in Richtung Norden.<br />
Man konnte deutlich sehen, dass<br />
dieses nicht das erste Land ist, das er<br />
durchläuft und dass er wirklich keine<br />
Million besitzt. Die Geschichte besagt<br />
auch, dass nicht für jede Weltreise<br />
eine Million zur Verfügung stehen<br />
muss. Wie viele Möglichkeiten zum<br />
Reisen um die Welt gibt es? Mehrere,<br />
und manche Reisen erfordern große<br />
Anstrengungen, körperliche Kraft<br />
und ständige geistige Arbeit, um irgendwo<br />
unterwegs nicht für ewig<br />
steckenzubleiben.<br />
Die älteste Möglichkeit zu reisen<br />
bietet sich unter Verwendung der<br />
im 21. Jahrhundert fast zu Rudimenten<br />
gewordenen Fortsätze,<br />
die man <strong>Be</strong>ine nennt. Irgendwann<br />
einmal, als nach etwas Essbarem<br />
gesucht werden musste, waren<br />
die <strong>Be</strong>ine von lebenswichtiger <strong>Be</strong>deutung.<br />
Jetzt werden sie meist<br />
als zur Zierde des Tisches verwendet,<br />
wenn der Sender „Discovery“<br />
geschaut wird. Ja, eine Weltreise<br />
zu Fuß ist möglich. Das haben bereits<br />
mehrere Menschen getan,<br />
aber der erste „Earthwalker“, der<br />
offiziell um die Welt gegangen<br />
ist, wurde in den 60er Jahren des<br />
vergangenen Jahrhunderts registriert.<br />
Dave Kunst hat in vier<br />
Jahren 23 255 km zurückgelegt,<br />
unterwegs seinen Bruder verloren<br />
(John Kunst wurde in Afghanistan<br />
von Banditen erschossen, als ein<br />
Journalist wegen Verständigungsschwierigkeiten<br />
schrieb, dass die<br />
Brüder Geld für UNICEF sammeln.<br />
Die Brüder riefen zum Überweisen<br />
von Geld an die Organisation<br />
auf, sammelten selbst aber nicht.<br />
Die Mörder, die den Artikel gelesen<br />
hatten, überfielen die Brüder,<br />
töteten einen und verletzten den<br />
anderen) aber eine Frau gefunden<br />
(eine australische Lehrerin mit Namen<br />
Jenni Samuel willigte ein, den<br />
Wagen von Dave mehr als 1500 km<br />
mit dem eigenen Auto zu ziehen,<br />
während Dave nebenher ging.<br />
71
trekker<br />
Sie verliebten sich und am Ende<br />
der Reise brachte der „Earthwalker“<br />
die Frau mit in die USA, wo sie<br />
bis heute glücklich zusammenleben).<br />
Dave verlor zwei Hunde, vier<br />
Esel und trug 21 Paar Schuhe ab.<br />
Aber in vier Jahren hat er soviel erlebt,<br />
wie ein gewöhnlicher Bürger<br />
in seinem gesamten Leben.<br />
Die Menschheit hat sich entwickelt<br />
und als die Trägheit es erforderte,<br />
hat irgendein Mann (oder vielleicht<br />
auch eine Frau) das Rad erfunden.<br />
Allein auf einem Rad kann<br />
man auch die Welt bereisen. In den<br />
Gemeinschaften von Einradliebhabern<br />
werden bis heute Legenden<br />
über einen gewissen Wally Watts<br />
(Wobbling Wally Watts) erzählt.<br />
Zwei Jahre (1976–1978) und schon<br />
wurde Wally zu dem Yogi, der die<br />
Welt auf dem Einrad umreiste.<br />
Die Frauen, die diesen Mann getroffen<br />
hatten, haben bestätigt, dass die<br />
<strong>Be</strong>ine von Watt „wie Baumstämme“<br />
sind. Über das Gesäß schweigen sie<br />
bescheiden. Auch wenn Watts vielleicht<br />
einige Tausend Kilometer bis<br />
zum Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde<br />
gefehlt haben, so hat er doch<br />
das Eis gebrochen und den Menschen<br />
gesagt: „Leute, es ist möglich.<br />
Man muss nur einen festen Hintern<br />
und eiserne Geduld haben“.<br />
Fast einhundert Jahre vor Wobbling<br />
Wally Watts hat sich 1884 der Brite<br />
Thomas Stevens auf den Weg gemacht,<br />
zu seinem schwarzen Standardfahrrad<br />
vom Typ „Columbia“<br />
(dessen Vorderrad fast die Größe eines<br />
Menschen hatte) gegriffen und<br />
ist aus San Francisco in den USA um<br />
die Welt gefahren. Er wurde zum ersten<br />
Mann, der mit einem Zweiradfahrzeug<br />
den Erdball umfahren hat. Seine<br />
Abenteuer beschreibt er auf wunderbare<br />
Weise in seinem Buch „Mit dem<br />
Fahrrad um die Welt“.<br />
Genau zehn Jahre nach dem <strong>Be</strong>ginn<br />
der Reise von Stevens machte sich<br />
eine gewisse Annie Londonderry<br />
mit einem verbesserten Fahrrad des<br />
Typs „Columbia“ (beide Räder hatten<br />
dieselbe Größe) auf den Weg um die<br />
Welt. Dadurch dass sie ihren Ehemann<br />
und drei schreiende Kleinkinder für<br />
fünfzehn Monate beiseite geschoben<br />
hatte, verursachte sie in den Köpfen<br />
der Vertreterinnen des schönen Geschlechts<br />
eine Revolution, verkörperte<br />
den Gipfel der weiblichen Ausdauer<br />
und ging als erste Dame, die die<br />
Welt mit dem Fahrrad umreist hat, in<br />
die Geschichte ein. Obwohl die Frau<br />
ohne einen Groschen in der Tasche<br />
auf die Reise gegangen war, hat sie<br />
5000 US-Dollar mit zurückgebracht.<br />
Von ihr kann man lernen, wie man<br />
unterwegs Geld machen kann. Weltreisen<br />
mit dem Fahrrad sind heute so<br />
populär geworden, dass man über<br />
deren Vorbereitung <strong>Be</strong>rge von Informationen<br />
und Literatur finden kann.<br />
Nun sind die motorisierten Zweiradfahrzeuge<br />
an der Reihe. Zur Reise<br />
um die Welt auf einem Motorrad<br />
haben mich als Mann besonders<br />
die <strong>Be</strong>ispiele der Vertreterinnen des<br />
schwachen Geschlechts inspiriert.<br />
Insbesondere der Fall der Slowenin<br />
<strong>Be</strong>nka Pulko. Über ihren Entschluss<br />
zu reisen erzählt sie Folgendes: „Ich<br />
habe einmal im Zimmer gelegen<br />
und an die Decke gestarrt, als mir<br />
plötzlich ein Gedanke gekommen ist.<br />
72
Ich habe mir gesagt, dass ich mit<br />
dem Motorrad um die Welt reisen<br />
werde. Und es ist egal, dass ich zuvor<br />
nicht mit einem Motorrad unterwegs<br />
war und niemals damit gefahren<br />
bin – das waren nur Details,<br />
die mich nicht aufhalten sollten.“<br />
Psychiater würden in solchem Verhalten<br />
ernsthafte besorgniserregende<br />
Anzeichen erkennen, aber<br />
diese Frau hat ihr Ziel erreicht:<br />
zwei Weltrekorde, fünf Jahre unterwegs,<br />
siebzig Länder, 180 000<br />
km – allein das Lesen eines solchen<br />
Reisetagebuchs ist ein Abenteuer<br />
des Lebens.<br />
Falls Ihnen das Gehen, Laufen,<br />
Fahrradfahren oder ständige<br />
Sitzen auf dem Motorrad als zu<br />
schweißtreibende <strong>Be</strong>schäftigung<br />
erscheint, können Sie eine weitaus<br />
bequemere Möglichkeit zum<br />
Umreisen des Erdballs wählen.<br />
Sie können sich hinter das Steuer<br />
eines komfortablen Gelände- oder<br />
Wohnwagens setzen und so viel fahren,<br />
wie Ihr Herz begehrt. <strong>Be</strong>i den<br />
gegenwärtigen Technologien haben<br />
selbst die Jahreszeiten keinen<br />
Einfluss.<br />
Vor siebzig Jahren war nicht alles so<br />
einfach. Die ersten, die bewiesen,<br />
dass man die Welt mit jedem alten<br />
Kübel (sogar mit einem 1934 hergestellten<br />
Škoda) umreisen kann,<br />
waren die Tschechen Bohuslav Jan<br />
Prochazka und Jindrich Kubiasa im<br />
Jahre 1936. Bohuslav Jan Prochazka<br />
wurde zur Reise von einem gewissen<br />
wohlhabenden Grafen Borghese inspiriert,<br />
der 1906 mit einem „Itala“<br />
aus Peking nach Paris gefahren war<br />
(in 60 Tagen fuhr er ungefähr 14 000<br />
km). Also klopfte Bohuslav seinem<br />
Freund Jindrich, einem Mechaniker,<br />
auf die Schulter und sagte: „Alter,<br />
pack deine Sachen, aber nicht<br />
zu viel – wir fahren um die Welt.“<br />
73
trekker<br />
Er vergrößerte den Tank seines<br />
„Škoda Rapid“ und beide verließen<br />
Prag in Richtung Norden. Nachdem<br />
sie 97 Tage alle drei Gänge des Autos<br />
durchgeschaltet hatten, kehrten die<br />
Freunde aus der anderen Richtung in<br />
ihre Heimatstadt zurück und hatten<br />
die Welt umreist. Ohne Klimaanlage<br />
und MP3-Player. Anstelle dieser Geräte<br />
führten sie zur Vorsicht 2 Pistolen<br />
vom Typ „CZ“ und eine Maschinenpistole<br />
vom Typ „Thompson“ mit sich.<br />
Reisen mit dem Auto sind so populär<br />
geworden, dass es Menschen gibt,<br />
die darin wohnen und nicht hunderte,<br />
tausende, und nicht einmal zehntausende,<br />
sondern hunderttausende<br />
von Kilometern zurücklegen. Diese<br />
Menschen haben sogar einen Namen<br />
– „Globetrotter“. Und niemand wird<br />
ihnen über solche Reisen und das<br />
Leben besser berichten können als<br />
das schweizerische Ehepaar Emil und<br />
Liliana Schmid. Gegenwärtig halten<br />
sie sich irgendwo in Indonesien auf.<br />
Ungefähr vor fünfundzwanzigeinhalb<br />
Jahren sind sie mit dem Auto auf<br />
Reisen gegangen und haben nicht<br />
vor, in ihre Schweiz zurückzukehren.<br />
In dieser Zeit haben sie die folgenden<br />
Rekorde erreicht: die längste Reise,<br />
die meisten zurückgelegten Kilometer<br />
(mehr als 641 115) und die meisten<br />
mit einem Auto bereisten Länder<br />
(167). Das ist übrigens keine schlechte<br />
Werbung für den „Toyota Land Cruiser“.<br />
Würden Sie das Ehepaar um Rat<br />
für die Reise fragen, würden Sie ungefähr<br />
diese Antwort erhalten: „Wenn<br />
Sie auf sehr holperigen Straßen fahren,<br />
lassen Sie sich nicht die Möglichkeit<br />
zum Wäschewaschen entgehen.<br />
Packen Sie die Sachen in einen dichten<br />
<strong>Be</strong>hälter, der bis zur Hälfte mit<br />
Wasser gefüllt ist, geben Sie Waschpulver<br />
hinzu und schließen Sie den<br />
<strong>Be</strong>hälter. Am Ende der Fahrt müssen<br />
Sie nur die Wäsche durchspülen und<br />
trocknen.“<br />
74
Die beiden Schweizer sagen, dass<br />
ihnen für einen Tag im Durchschnitt<br />
24 Euro zum Lebensunterhalt genügen<br />
(einschließlich Kraftstoff und<br />
Nutzung des Autos) – ungefähr<br />
soviel kosten im Zentrum von <strong>Be</strong>rn<br />
zwei Tassen Kaffee mit Kuchen. Emil<br />
und Lilian sagen, dass falls sie irgendwann<br />
einmal ein sesshaftes Leben<br />
beginnen werden, sie wirklich nicht<br />
in die Schweiz zurückkehren würden<br />
– es müsste ein Ort sein, an dem<br />
es weniger Vorschriften und mehr<br />
Wärme gibt.<br />
Reisen mit Vierradfahrzeugen haben<br />
ihre Nachteile. Zu allererst<br />
muss man einen gültigen Führerschein<br />
besitzen, und dann muss<br />
man wachsam sein, um in einem<br />
abgelegenen Dorf nicht auf einen<br />
korrupten Polizisten zu treffen oder<br />
mit einem von Ochsen gezogenen<br />
Wagen zusammenzuprallen.<br />
Wenn man es sich gut überlegt,<br />
wozu die Mühe, wenn man<br />
sich ganz einfach in einen Waggon<br />
setzen kann, den man nicht<br />
selbst fahren muss, wenn man im<br />
<strong>Be</strong>tt ausschlafen und Flüssigkeiten<br />
genießen kann, die meist nur<br />
an Volljährige verkauft werden?<br />
75
trekker<br />
Natürlich lässt sich die Welt nicht mit<br />
einem, zwei und auch nicht mit hundert<br />
Zügen umfahren, und das aus<br />
einem sehr einfachen Grund: Nur<br />
wirtschaftsstarke Staaten oder Entwicklungsländer<br />
verfügen über eine<br />
Eisenbahnstrecke. Für die Durchquerung<br />
eines Kontinents wie Afrika<br />
mit irgendeiner „Trans“-Eisenbahn<br />
besteht keine Chance – weder in der<br />
Breite, noch in der Länge. Falls es irgendwann<br />
einmal eine Eisenbahnstrecke<br />
gegeben hat, die Ost und<br />
West mehr oder weniger verbunden<br />
hat, haben verschiedene Aufständische<br />
sich ihrer auf sehr einfache Weise<br />
entledigt, indem sie mehrere Tausend<br />
Minen eingesetzt haben. Wenn<br />
wir jedoch Afrika beiseite lassen, ist<br />
der Zug auf den anderen Kontinenten<br />
eine wunderbare Möglichkeit zu<br />
reisen, insbesondere wenn man einen<br />
sogenannten „Rail Pass“ kauft,<br />
der ein wenig beim Sparen hilft,<br />
und man muss sich nicht den Kopf<br />
zerbrechen, wie und wann man die<br />
Fahrkarten kauft. Für manche Züge<br />
muss man die Fahrkarten gesondert<br />
kaufen, aber wen kümmert das, wenn<br />
deine Reise ungefähr so verläuft: „In<br />
Nizza bin ich in einen Zug der „Russischen<br />
Eisenbahn“ eingestiegen<br />
und bin nach 52 Stunden, nachdem<br />
ich Genua, Mailand, Wien, Warschau,<br />
Minsk und Smolensk gesehen habe,<br />
auf dem Moskauer <strong>Be</strong>lorusski-Bahnhof<br />
ausgestiegen (für einen Euro bin<br />
ich ungefähr 10 km gefahren) (www.<br />
russiantrains.com). Nach der Fahrt<br />
zum Jaroslawski-Bahnhof habe ich<br />
auf den nächsten Zug gewartet und<br />
eine Fahrkarte, auf der in schwarzen<br />
Buchstaben „Российские железные<br />
дороги“ (Russische Eisenbahn) geschrieben<br />
stand, in den Hände gehalten.<br />
In meinem Kopf schwirrten<br />
Gedanken über das ferne Wladiwostok<br />
am Ufer des Stillen Ozeans umher.<br />
Aber unterwegs erwarten mich<br />
noch Jekaterinburg, Nowosibirsk,<br />
Krasnojarsk, Irkutsk und Ulan-Ude. Ja,<br />
es ist die längste, mit Legenden und<br />
Mythen umwobene Strecke der Welt<br />
– die „Transsibirische Eisenbahn“.<br />
Für eine Fahrt bezahlen Sie zwischen<br />
180 und 900 Euro, abhängig von der<br />
Klasse.<br />
In Wladiwostok wusste ich nicht mehr,<br />
wie ich mich entscheiden sollte: Mit<br />
der Fähre bis nach Japan und dessen<br />
<strong>Be</strong>sichtigung mit einem „Rail<br />
Pass“ oder wieder mit dem Zug fahren,<br />
um nach Peking zu gelangen,<br />
und von dort aus liegt mir dann<br />
ganz China zu Füßen. Am besten die<br />
eine und die andere Variante... Dann<br />
muss ich unbedingt nach Australien<br />
gelangen, in den „Indian Pacific“<br />
einsteigen und die Fahrt von Sydney<br />
nach Perth über Adelaide, oder<br />
umgekehrt, genießen (www.railaustralia.com.au/indianPacific.php).<br />
Ein<br />
kleiner Rat für diejenigen, die selbst<br />
bei der Zugfahrt nach Extremerfahrungen<br />
suchen: <strong>Be</strong>mühen Sie sich,<br />
von Dezember bis Februar zu reisen.<br />
76
Dieser Sommerzeitraum ist für Niederschläge<br />
berühmt, aufgrund derer<br />
es zu Hochwasser kommt, das<br />
die Gleise überschwemmt. Wechseln<br />
wir von Australien über auf die<br />
Vereinigten Staaten (www.amtrak.<br />
com) und Kanada (www.viarail.ca)<br />
– von einer Küste zur anderen, von<br />
Nord nach Süd – kein Problem, besonders<br />
mit einem „Rail Pass“. Von<br />
Nordamerika aus ist auch Südamerika<br />
zum Greifen nahe, aber eine<br />
Reise nur mit dem Zug ist dort etwas<br />
schwieriger als das Durchqueren<br />
der Weiten Russlands, weil es in<br />
Mittel- und Südamerika keine zwischenstaatlichen<br />
Eisenbahnnetze<br />
gibt. Nach so langer Fahrt mit dem<br />
Zug kann ich jedoch mit ruhigem<br />
Gewissen sagen, dass ich die Welt<br />
auf der Schiene umreist habe, und<br />
einem Menschen, der das geschafft<br />
hat, müsste man einen Orden<br />
verleihen (weitere Informationen<br />
über Zugfahren finden Sie unter<br />
www.seat61.com).<br />
Wer keinen Sinn darin sieht, Koffer<br />
oder Rucksack von einem Zug in<br />
den anderen zu schleppen, nach<br />
einem Platz zu suchen, wo man<br />
sich und seine Sachen unterbringen<br />
kann, für den gibt es eine Alternative:<br />
Sie können Koffer und<br />
Rucksäcke auch von einem Flugzeug<br />
zum anderen schleppen!<br />
Dort ist wenigstens ein Platz garantiert<br />
und die Geschwindigkeit<br />
ist auch höher, was bedeutet, dass<br />
man weniger Zeit verliert. Flugzeuge<br />
fliegen heutzutage überall<br />
hin, deshalb kann man fast jeden<br />
Winkel der Welt erreichen. Wenn<br />
Sie einfacher und ohne Zeitverlust<br />
sagen möchten „Ich bin um die<br />
Welt geflogen“, dann wenden Sie<br />
sich an Riccardo Mortara, einen<br />
Schweizer, der die Welt mit seinem<br />
dreißig Jahre alten Flugzeug in 57<br />
Stunden und 54 Minuten umflogen<br />
hat, womit er den Rekord des verstorbenen<br />
Steve Fossett um zehn<br />
Stunden verbesserte.<br />
77
trekker<br />
Ein gewisser Bürger Indiens mit Namen<br />
Kashi Samaddar fühlte sich, als<br />
ihm einmal die Einreise in einen der<br />
Staaten Südafrikas verweigert wurde,<br />
sehr verletzt und beschloss, so<br />
viele Länder wie möglich zu bereisen.<br />
Eine Zeitlang ist er also viel geflogen.<br />
Und was meinen Sie, wie viele Länder<br />
dieser Geschäftsmann besucht hat?<br />
Nach Angaben der CIA existieren gegenwärtig<br />
auf der Welt 265 Länder,<br />
nicht anerkannte Staaten oder Gebiete<br />
mit einem Status, den man als<br />
Einheit mit einer bestimmten ethnischen<br />
Gruppe, Bräuchen, Gesetzen u.<br />
Ä. einstufen kann. Auf der Welt befinden<br />
sich 194 souveräne Staaten. Herr<br />
Kashi Samaddar hat innerhalb von 6<br />
Jahren und 10 Monaten und 18 Tagen<br />
alle souveränen Staaten bereist.<br />
Wenn man auch die nicht anerkannten<br />
Staaten mit einrechnet, erhöht<br />
sich die Zahl auf 218. Dafür benötigte<br />
er die Ersparnisse seines gesamten<br />
Lebens – ungefähr 500 000 Euro.<br />
Aber seien Sie nicht enttäuscht,<br />
Sie können die Welt viel schneller<br />
umreisen, weil Herr Samaddar,<br />
egal wohin er reist, ein Visum benötigt.<br />
Auf die Einreisegenehmigung<br />
in manche Länder wartete<br />
er ganze 3 Jahre. Es besteht also<br />
die Chance, den Rekord des Geschäftsmanns<br />
zu verbessern. Es ist<br />
offensichtlich, dass nur wenige von<br />
uns es sich leisten können, sechs<br />
Jahre zu reisen. Deshalb müssen<br />
wir uns auf einfachere Varianten<br />
beschränken. Eine davon sind<br />
„Round-the-World“-Tickets oder<br />
-Pässe. Sie werden gegenwärtig<br />
von mehreren Allianzen angeboten,<br />
z. B. von „SkyTeam“ und „Star<br />
Alliance“, sowie vom Reisebüro in<br />
Ihrer Nähe. In solchen Fällen wird<br />
ein Passagier, der eine solche Reise<br />
gewählt hat, innerhalb des gewählten<br />
Zeitraums und für die gewählte<br />
Summe garantiert die Mehrzahl<br />
der Kontinente besuchen.<br />
78
Je mehr Euro Sie der Gesellschaft<br />
zahlen, desto mehr Städte werden<br />
angeboten. Die Preise beginnen<br />
ab ungefähr 2000 Euro in der<br />
Economy-Klasse und können die<br />
Anfangssumme um das Fünffache<br />
überschreiten, wenn Sie Flüge erster<br />
Klasse buchen. Es ist nur so, dass<br />
die Flüge meist in derselben Stadt<br />
beginnen und enden, und für<br />
den <strong>Be</strong>such der gewählten Städte<br />
höchstens 1 Jahr zur Verfügung<br />
steht.<br />
Wasser bedeckt mehr als siebzig<br />
Prozent der Oberfläche dieses auf<br />
Position drei von der Sonne entfernt<br />
gelegenen Felsbrockens. Und<br />
nur etwas mehr als neunundzwanzig<br />
Prozent sind Land, das zum<br />
Heim für zweibeinige Primaten geworden<br />
ist, die ihre Spezies heute<br />
als Homo sapiens bezeichnen. Der<br />
Mensch hat es trotzdem geschafft,<br />
auf das Meer zu fahren und sogar<br />
das andere Ufer zu erreichen. Der<br />
erste Mensch, der dies offiziell geschafft<br />
hat, navigierte 1519 auf dem<br />
Wasser in eine Richtung und kehrte<br />
aus der anderen Richtung nach<br />
Umfahren der Welt 1522 zurück. Es<br />
war der Portugiese Ferdinand Magellan.<br />
Tatsächlich kehrte nur seine<br />
<strong>Be</strong>satzung zurück, da 1521, unweit<br />
des Ziels, Magellan mit seinem Gefolge<br />
in einen Konflikt mit dem<br />
Stamm der Lapu-Lapu verwickelt<br />
wurde, und einer (oder vielleicht<br />
sogar mehrere) von ihnen traf<br />
den Reisenden zu heftig am Kopf,<br />
wodurch der Held in eine bessere<br />
Welt entsandt wurde. Trotzdem gilt<br />
Magellan als Pionier der Schifffahrt<br />
um die Welt. Und heute kann jeder<br />
gewöhnliche Adrenalinsüchtige<br />
mit etwas Freizeit etwas Ähnliches<br />
wiederholen (nicht den Kampf mit<br />
den Lapu-Lapu, sondern das Umfahren<br />
der Welt mit dem Schiff).<br />
79
trekker<br />
Falls Sie nach Veränderungen im Alltag<br />
suchen, adrenalinsüchtig sind<br />
und ohne Furcht die Tasse „Latte“ in<br />
der einen Hand und die Zeitung in<br />
der anderen in einen Kompass und<br />
ein Seil umtauschen, dann werden<br />
Sie hören wollen, wie das Salzwasser<br />
auf das Deck schwappt und der vor<br />
Hoffnungslosigkeit stöhnende Mast<br />
bemüht ist, die Segel nicht dem Wind<br />
zu überlassen. Dann würde ihnen das<br />
Trampen auf Schiffen (hitchhiking<br />
boats) passen. Falls es gelingt, dann<br />
werden Sie vom einen Hafen zum<br />
anderen mit einer vielseitigen <strong>Be</strong>satzung<br />
gerade einmal zum Preis für die<br />
Verpflegung reisen. Falls Ihnen das<br />
Glück hold ist, können Sie auch auf<br />
eine Yacht gelangen, die beispielsweise<br />
den Atlantik überquert. Es gibt<br />
Chancen. Wer aus Europa abreisen<br />
möchte, der sollte dies im Herbst tun,<br />
am besten im Oktober und November.<br />
Zu dieser Zeit sind die Winde am<br />
günstigsten. Man hört Legenden<br />
über eine jährlich Anfang November<br />
am Rande Europas, unweit von Afrika,<br />
stattfindende Regatta über den<br />
Atlantik. Genau dort kann der <strong>Be</strong>ginn<br />
solcher Reisen liegen. Zu dieser Zeit<br />
müssen Sie sich so oft wie möglich in<br />
den Häfen aufhalten und bei jeder<br />
Yacht fragen, ob keine Hilfskraft beim<br />
Überqueren des Atlantiks benötigt<br />
wird. Sie müssen zuvorkommend und<br />
immer erreichbar, fleißig und zuverlässig<br />
sein. In diesem Fall können die<br />
Meeresgötter ihnen wohlgesonnen<br />
sein, damit man nur zum Preis für die<br />
Verpflegung in einem Monat das<br />
andere Ufer des Ozeans erreicht.<br />
Das gilt auch für diejenigen, die<br />
keine Segelerfahrung haben, obwohl<br />
sie natürlich ein Vorteil ist.<br />
Sie sollten sich jedoch nicht als romantischer<br />
Passagier täuschen lassen,<br />
denn man wird Sie wie einen Ochsen<br />
ausnutzen, wie einen Sträfling ernähren<br />
und als Esel bezeichnen. Ja, solche<br />
Vorschriften bestehen auf dem<br />
Meer, wo es niemanden interessiert,<br />
ob Sie ein Wirtschaftsmagnat, ein<br />
Anwalt oder ein Klempner sind – die<br />
Macht liegt in den Händen des Kapitäns<br />
und er wird alles dafür tun, dass<br />
er seine <strong>Be</strong>satzung, darunter auch<br />
Sie, lebendig ans andere Ufer bringt.<br />
Deshalb erinnert sich jeder, der<br />
eine solche Reise erlebt hat, mit einem<br />
Lächeln daran, wie schwer es<br />
war, wobei er den Meeresgöttern<br />
dankt, dass er nun festen Boden<br />
unter den Füßen hat.<br />
Und wenn Sie, lieber Reisender,<br />
nicht alle Meere der Welt befahren,<br />
nicht in alle Länder fliegen,<br />
nicht auf allen Straßen fahren und<br />
nicht alle <strong>Be</strong>rge durchwandern,<br />
dann macht das nichts. Selbst das<br />
Fahrzeug ist unwichtig – Sie werden<br />
trotzdem weitaus mehr erlebt<br />
haben als Ihr Nachbar, Kollege,<br />
Freund oder der Unbekannte, an<br />
dem Sie auf der Straße vorbeigegangen<br />
sind. Sie werden trotzdem<br />
etwas am Tisch, an der Bar oder<br />
beim Picknick zu erzählen haben.<br />
Denn alle Reisen gehen um die<br />
Welt, nur manchmal benötigen wir<br />
eine kurze Pause, um sie fortsetzen<br />
zu können.<br />
80
Score<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt befördert werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
81
Fahren,<br />
wohin man will<br />
Eigenschaften und Vorzüge<br />
von Wagen mit Allradantrieb<br />
Text Igor Smolevski<br />
82
© Dreamstime (1)<br />
Ein Fahrzeug mit erhöhter Geländegängigkeit weckt im<br />
Menschen ganz unterschiedliche Assoziationen.<br />
Was für den einen einfach ein robustes<br />
männliches Fahrzeug darstellt,<br />
bedeutet für den anderen vor allem<br />
Zuverlässigkeit bei widrigen Witterungsbedingungen.<br />
Und mancher<br />
möchte einfach nicht wie jedermann<br />
auf gewöhnlichem Gelände fahren.<br />
Für andere wiederum sind diese Fahrzeuge<br />
einfach ökologische Ungeheuer<br />
und sie fragen sich, warum die<br />
Leute damit im Stadtverkehr fahren<br />
müssen. Wir wollen versuchen, einige<br />
der Fragen zu beantworten.<br />
Was eigentlich ist<br />
ein Geländewagen?<br />
Über dieses Thema könnte man ein<br />
ganzes Buch schreiben. Und es würde<br />
dem Autor sicher schwerfallen zu entscheiden,<br />
was hier hineingehört oder<br />
nicht. Die gegenüber gewöhnlichen<br />
Fahrzeugtypen ungeheure Erweiterung<br />
der Ausstattung verwandelt<br />
die Fahrt in einem solchen Wagen zu<br />
einem einzigartigen Erlebnis, das die<br />
Eroberung der Sahara, das <strong>Be</strong>treten<br />
der Regenwälder des Amazonas oder<br />
eine Reise durch die Steinsteppen zu<br />
genießen erlaubt. Während das <strong>Be</strong>fahren<br />
der Straßen und Wege in unserem<br />
Kulturraum kaum hohe Anforderungen<br />
stellt, es sei denn in einem<br />
harten Winter, lassen sich extreme<br />
Fahrerlebnisse fern der Heimat ganz<br />
sicher finden und genießen.<br />
Es mag paradox klingen, aber tatsächlich<br />
fällt es schwer zu definieren,<br />
was einen Geländewagen eigentlich<br />
ausmacht. Können wir ein einfaches<br />
Auto mit Allradantrieb und erhöhter<br />
Bodenfreiheit als Geländewagen<br />
bezeichnen? Pfiffige Autoverkäufer<br />
bezeichnen Fahrzeuge, die nur diese<br />
Attribute aufweisen, bereits als solche.<br />
Echte Enthusiasten, für die ein<br />
„Offroading“ viel mehr bedeutet als<br />
nur eine Fahrt zur Arbeit auf schlechten<br />
Straßen, werden solche Autos<br />
nur belächeln.<br />
In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl<br />
der Fahrzeuge mit Allradantrieb im<br />
Verkehrsstrom stark angestiegen.<br />
Eine Verlangsamung dieses Prozesses<br />
hat sich erst unlängst durch<br />
staatlich subventionierte Abwrackprämien<br />
ergeben, die viele Kunden<br />
zu den Autohändlern lockte,<br />
um kleinere und sparsamere Fahrzeuge<br />
zu kaufen.<br />
Die Wahl eines Geländewagens sollte<br />
davon bestimmt werden, wie und<br />
wo er zum Einsatz kommen soll. Das<br />
trifft besonders dann zu, wenn für<br />
gängige Fahrzeuge ungeeignetes<br />
Gelände befahren werden soll.<br />
<strong>Be</strong>i Weitem nicht alle Geländewagen<br />
mit erhöhter Geländegängigkeit<br />
verhalten sich auf schlechten,<br />
unbefestigten Straßen aber gleich.<br />
Manche können sich hier sogar als<br />
völlige Versager erweisen. Vielleicht<br />
jedoch zeigt sich ihre Stärke auf<br />
der sicheren und bequemen Fahrt<br />
mit den Kindern zur Schule oder<br />
auf einem Wochenendtrip mit der<br />
Familie aufs Land?<br />
83
Wohin sollte die<br />
Reise gehen?<br />
„Der beste Weg ist kein Weg.“ Das<br />
klingt seltsam, wird aber gern und<br />
mit Stolz von den Mitgliedern der<br />
Geländewagenklubs behauptet. Sie<br />
denken dabei an äußerst anspruchsvolles<br />
Gelände, an riesige Löcher, Furten,<br />
Sandfelder und scharfe Felsen.<br />
Das sind Gebiete, die einen Porsche<br />
911-Fahrer in Angst und Schrecken<br />
versetzen und die er viel lieber von<br />
einem Ballon aus betrachten würde.<br />
Das „Offroading“ bezeichnet eine<br />
Fahrt außerhalb gewöhnlicher Straßen.<br />
Hierzu zählen seichte Flüsse,<br />
Matsch, Sanddünen, Strände, Hügel,<br />
Kies, aber auch verwilderte Feldwege.<br />
Trifft man auf solche Gebiete, beginnt<br />
das Spiel. Dem einen mag es darum<br />
gehen, seine Kraft mit der Natur zu<br />
messen, den anderen wiederum reizt<br />
es, Fahrtaktiken zu entwickeln und<br />
die Technik zu erproben. <strong>Be</strong>ides ist<br />
auf eine jeweils eigene Art reiz- und<br />
glückvoll. Es ist jedoch genauso wichtig<br />
zu wissen, wie Unfälle oder unangenehm<br />
hohe Reparaturkosten verhindert<br />
werden können.<br />
Mutter Natur und ihre „Wege“ sind<br />
unberechenbar. Nirgendwo findet<br />
man den gleichen Pfad, das gleiche<br />
Bachbett oder die gleiche Düne noch<br />
einmal. Wer Lust darauf hat, seine<br />
Kräfte mit der Natur zu messen, muss<br />
sich die hierfür nötige Ausrüstung<br />
besorgen. In Abhängigkeit vom Reiseziel<br />
ist das Fahrzeug entsprechend<br />
vorzubereiten, auch dann, wenn es<br />
im Autokatalog als „König der Straßen“<br />
bezeichnet wird. Für asphaltierte<br />
Straßen geeignete Reifen taugen<br />
beispielsweise für eine Fahrt durch<br />
schlammiges Moor keinesfalls.<br />
Wie bei jeder Aktivität werden Sie unvermeidlich<br />
auf neue <strong>Be</strong>griffe stoßen.<br />
Und es ist nichts Schlimmes dabei,<br />
wenn Sie nicht wissen, welche Furt Ihr<br />
Fahrzeug durchqueren kann oder<br />
wie man am besten über sumpfiges<br />
Gebiet kommt, um dort nicht stecken<br />
zu bleiben.<br />
Eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />
für Fahrten auf beliebigem Gelände ist<br />
die Bodenhaftung der Reifen. Der Reifen<br />
stellt die einzige Verbindung zwischen<br />
Fahrzeug und Straße dar, deswegen<br />
haben seine <strong>Be</strong>schaffenheit,<br />
an erster Stelle Profil und Luftdruck,<br />
den größten Einfluss auf eine sichere<br />
Fahrt. Erfahrene Geländewagenfahrer<br />
wechseln als Erstes die Reifen, indem<br />
sie vorteilhaftere und für die geplante<br />
Aktivität besser geeignete aufziehen.<br />
Von ebenso entscheidender <strong>Be</strong>deutung<br />
ist die richtige Reifengröße<br />
in Höhe und Breite.<br />
Für Fahrten durch Schnee, Sand<br />
oder Matsch werden unterschiedliche<br />
Größen verwendet. Größere<br />
Reifen wirken im Stadtverkehr<br />
nicht nur attraktiver, sie erhöhen<br />
auch die Bodenfreiheit. Allerdings<br />
erweisen sich für Sand, Schnee oder<br />
Matsch geeignete Reifen als echte<br />
Spritfresser und auf lärmempfindliche<br />
Bürger wirken sie als echte<br />
Lärmmonster. Grobes Reifenprofil<br />
verdreckt nicht so schnell und lässt<br />
sich, ähnlich wie Gummischuhe,<br />
leichter reinigen. Reifen mit gröberem<br />
Profil erleichtern die Fahrt<br />
durch Matsch, passen sich, sofern<br />
etwas Luft abgelassen wird, den<br />
Unebenheiten des Geländes an und<br />
erzeugen eine bessere Reibung, die<br />
beim Fahren so notwendig ist.<br />
84
Das Reifenangebot für Geländewagen<br />
ist nach Gruppen aufgeteilt.<br />
Meistens werden auf Geländewagen<br />
Straßenreifen mit nicht so stark<br />
ausgeprägtem Profil aufgezogen.<br />
Ihre Einsatzeignung lässt sich in<br />
folgenden Zahlen ausdrücken: 80<br />
Prozent für Schnellstraßen und nur<br />
20 Prozent für anspruchsvolles Gelände.<br />
Die Reifen für die schnellsten<br />
Geländewagen (z. B. Porsche Cayenne)<br />
sind überhaupt nur zu 5 Prozent<br />
für Fahrten im Gelände tauglich.<br />
Die AT-Reifen (All-Terrain) sind unter<br />
jenen Fahrern, die 50 Prozent ihrer<br />
Fahrzeit auf befestigten Straßen<br />
und die restlichen 50 Prozent auf<br />
schlechten, unbefestigten Straßen<br />
verbringen, wohl am beliebtesten.<br />
Dieses Reifenprofil ist bereits etwas<br />
gröber, und die Reifen eignen sich gut<br />
für Fahrten auf trockener oder nur<br />
leicht schneebedeckter Oberfläche.<br />
Entscheidet man sich jedoch für<br />
eine Fahrt durch „Schlammbäder“,<br />
Schneematsch oder Sandfelder, empfiehlt<br />
sich der Einsatz von Matschreifen<br />
(Mud-Terrain), deren Profil noch<br />
gröber ist und die sich noch besser<br />
auf Oberflächen wie Sand, Schlamm,<br />
Felsen oder Schnee verhalten. Im Vergleich<br />
zu den oben genannten Reifen<br />
verhalten sie sich besonders gut auf<br />
nassen Oberflächen, sind aber auf<br />
befestigten Straßen sehr laut. Echte<br />
Geländewagenmaximalisten wählen<br />
spezielle Reifen, die nur für eine konkrete<br />
Aktivität taugen. Bogger-Reifen<br />
erweisen sich bspw. als unersetzlich<br />
im Matschgelände und manche<br />
ballonähnlichen Reifen vermögen<br />
es, den Geländewagen sogar in ein<br />
Amphibienfahrzeug zu verwandeln.<br />
Obwohl Reifen aus der Sicht vieler<br />
Fachexperten eines der wichtigsten<br />
Elemente des Geländewagens darstellen,<br />
sollte man die Feinheiten<br />
maximaler Getriebeausnutzung in<br />
Geländewagen mit Allradantrieb<br />
(Allrad-Geländewagen) sowie die Gewichtsverteilung<br />
insbesondere beim<br />
<strong>Be</strong>rgauffahren nicht außer Acht lassen.<br />
Die unterschiedlichsten Fahrzeuge<br />
geraten auf einem Abhang<br />
aufgrund fehlenden Gleichgewichts<br />
ins Rutschen, da ihre Statik außer<br />
Kontrolle gerät. Das ist in der Tat eine<br />
schreckliche Sache, es sei denn der<br />
Geländewagen ist stecken geblieben<br />
und man ist gezwungen, schlittenartig<br />
vom Hügel herunterzukommen.<br />
85
<strong>Be</strong>vor man sich auf die Fahrt begibt,<br />
sollte geklärt werden, wie groß<br />
die drei unterschiedlichen Winkel<br />
im Fahrzeug beschaffen sind:<br />
der Böschungswinkel vorn und<br />
hinten sowie der Rampenwinkel.<br />
Wenn man die Größen dieser Winkel<br />
kennt, sinkt die theoretische<br />
Möglichkeit unerwünschten Steckenbleibens<br />
bzw. Hängens. Die<br />
Winkelgröße kann auf ganz einfache<br />
Art und Weise gemessen werden:<br />
mit einem Brett, das gegen die<br />
Räder gestemmt und so hoch wie<br />
möglich gehoben wird. Auf diese<br />
Weise erfährt man die passierbare<br />
Rampensteigung.<br />
Versuchen wir, auf eine Rampe<br />
zu fahren: Ist die Rampe zu steil,<br />
wird die vordere Stoßstange auf<br />
die Rampe aufprallen. Den vorderen<br />
maximalen Winkel zwischen<br />
Fahrzeug und Boden nennt man<br />
den vorderen Böschungswinkel.<br />
Dasselbe gilt auch für den hinteren<br />
Böschungswinkel. <strong>Be</strong>i einer<br />
Fahrt über hügeliges Gelände sollte<br />
man die Höhe der Bodenfreiheit<br />
kennen, damit sich das Fahrzeug<br />
nicht mittig auf einem Stein festfährt<br />
und zur Waage wird. Diese<br />
Parameter sind im schwer befahrbaren<br />
Gelände von besonderer<br />
Wichtigkeit.<br />
Für einen Geländewagen ist jedoch<br />
nicht nur die <strong>Be</strong>schaffenheit des<br />
Geländes von großer <strong>Be</strong>deutung.<br />
Einen großen Einfluss hat auch die<br />
Temperatur. Früher herrschte die<br />
Meinung vor, dass Allradfahrzeuge<br />
der älteren Generation für beliebige,<br />
auch beliebige klimatische<br />
Fahrbedingungen geeignet sind.<br />
Es gibt aber bestimmte Unterschiede<br />
bezüglich der Fahrten unter<br />
Grenzbedingungen, z. B. in der Arktis<br />
oder der heißen Wüste.<br />
Manche Geländewagenhersteller<br />
bieten Pakete für kaltes Klima an:<br />
eine stärkere Batterie, die das Starten<br />
bei sehr niedrigen Temperaturen<br />
ermöglicht, eine stärkere<br />
Lichtmaschine sowie einen stärker<br />
belastbaren Anlasser. Für die Vorbereitung<br />
auf eine Fahrt unter wirklich<br />
kalten <strong>Be</strong>dingungen empfiehlt<br />
sich auch ein Motorblockheizer, der<br />
das Anspringen des Fahrzeuges<br />
erleichtert. Wenn der Motor in <strong>Be</strong>trieb<br />
gesetzt wird, wird die Wärme<br />
zur Erleichterung des Anspringens<br />
eingesetzt.<br />
Genauso notwendig ist auch ein<br />
Transmissionskühler, insbesondere<br />
wenn schwere Gegenstände befördert<br />
oder das Getriebe äußerst<br />
schwierigen <strong>Be</strong>dingungen ausgesetzt<br />
ist. Manche Hersteller bieten<br />
Pakete für extrem heiße Klimazonen<br />
an: Transmissionskühler und größere<br />
Motorkühler, um ein Schmelzen<br />
der Technik unter den <strong>Be</strong>dingungen<br />
heißer Sandwüsten zu verhindern.<br />
Wenn das ganze System<br />
richtig arbeitet, bleiben die technischen<br />
Details im Hintergrund, und<br />
das ist ein Merkmal wirklich guten<br />
Funktionierens.<br />
87
Mit welchem Wagen<br />
fahren wir?<br />
Was sich für alles eignet, eignet<br />
sich meistens für nichts – es gibt<br />
keinen idealen Geländewagen,<br />
der für alle <strong>Be</strong>dingungen passt.<br />
Wenn es einen solchen gäbe,<br />
würden ja alle nur damit fahren.<br />
Das allerdings ist nicht der Fall.<br />
Der eine Geländewagen mag nur<br />
für den bequemen Einkauf im Supermarkt<br />
taugen, der andere mag<br />
für die Fahrt in die <strong>Be</strong>rge oder<br />
zum Angeln am abgelegenen Ort<br />
passen. Es ist wichtig, mindestens<br />
ungefähr zu wissen, auf welchem<br />
Gelände der Wagen zum Einsatz<br />
kommen wird. Soll das ein einfacher<br />
Kiesweg oder ein Waldpfad<br />
sein, den niemals je eine Menschenseele<br />
betreten hat.<br />
Manche Menschen sind stolz, einen<br />
Geländewagen zu besitzen, jedoch<br />
sind sie mit diesem niemals abseits<br />
ausgewiesener Straßen unterwegs<br />
gewesen. Es ist besser, nicht auf<br />
die Ratschläge solcher Fahrer zu<br />
hören, da sie nicht viel nützen. Das<br />
Fahren mit einem Geländewagen<br />
auf einer gewöhnlichen Straße unterscheidet<br />
sich kaum von der Fahrt<br />
mit einem üblichen Pkw. Natürlich<br />
ist der Fahrersitz im Geländewagen<br />
viel höher als in den üblichen Pkws.<br />
Da man dank der erhöhten Sitzposition<br />
eine bessere Sicht auf das Verkehrsgeschehen<br />
hat, leiten manche<br />
hieraus auch eine größere Verkehrssicherheit<br />
ab. Der Geländewagen<br />
hat eine höhere Bodenfreiheit und<br />
größere Räder. Es mag auch sein,<br />
dass seine Karosserie kompakter<br />
und stoßfester als der herkömmlichen<br />
Personenkraftwagen gebaut<br />
ist, dies ist jedoch nicht immer die<br />
Regel. Auch wenn man einem Zusammenstoß<br />
mit einem anderen Auto<br />
auszuweichen sucht und unglücklicherweise<br />
von der Straße abkommt,<br />
ist die Wahrscheinlichkeit der <strong>Be</strong>schädigung<br />
des Geländewagens viel<br />
geringer als dies bei einem ähnlichen<br />
Manöver mit einem üblichen Pkw der<br />
Fall wäre.<br />
Der Automarkt bietet ein breites Angebot<br />
an Fahrzeugen mit erhöhter<br />
Geländegängigkeit, die sich in verschiedene<br />
Gruppen und Klassen einteilen<br />
lassen. Wir wollen hier auf die<br />
wichtigsten Klassen eingehen, um<br />
uns ein Bild über den Gegenstand<br />
zu verschaffen. Denn die meisten Irrtümer<br />
treten aufgrund mangelnder<br />
Information auf.<br />
<strong>Be</strong>ginnen wir bei den<br />
vier Hauptklassen:<br />
den konventionellen Fahrzeugen<br />
mit Allradantrieb,<br />
den sogenannten „weichen“<br />
Geländewagen,<br />
den echten 4x4 Geländewagen und<br />
den „Monstern“ mit spezieller<br />
Ausrüstung.<br />
Zunächst zu den üblichen Pkws mit<br />
permanentem Allradantrieb (manchmal<br />
mit Zweiradantrieb, wobei die anderen<br />
beiden Räder erst zum Einsatz<br />
kommen, wenn der Wagen „durchdreht“).<br />
Diese Wagen sind auf nassen<br />
und glatten Straßen, bei starkem Regen,<br />
Schnee oder auf Kieswegen von<br />
Vorteil. Es handelt sich dabei nicht um<br />
wirkliche Geländewagen. Gewöhnlich<br />
verfügen sie über Reifen mit einfachem<br />
Profil und eine niedrigere Bodenfreiheit.<br />
Zu dieser Gruppe zählen<br />
Fahrzeuge vom Typ VW Golf 4MOTION<br />
bis Subaru Outback.<br />
Sicherlich haben Sie schon einmal einen<br />
VW Hatchback gesehen, können<br />
sich ihn aber schwer im unwegsamen<br />
Gelände vorstellen. Die Bodenhaftung<br />
dieser Kraftwagen ist jedoch auf<br />
befestigten Straßen bei jedem Wetter<br />
deutlich besser als bei analogen Fahrzeugen<br />
mit Frontantrieb.<br />
Fahrzeuge wie Audi Allroad oder<br />
Subaru Outback funktionieren nicht<br />
nur auf Kieswegen ausgezeichnet.<br />
<strong>Be</strong>i entsprechender Geschwindigkeit<br />
kommt man selbst in einer Sandgrube<br />
ein Stück voran. Dann jedoch<br />
ist die Fahrt zu Ende. Um den Wagen<br />
herauszuziehen, benötigt man<br />
nunmehr „ernstere“ Technik. Ein<br />
Hauptgrund hierfür ist die zu niedrige<br />
Bodenfreiheit, ein noch größeres<br />
Problem jedoch stellt das zu geringe<br />
Reifenprofil dar. Wenn sie auf scharfkantiges<br />
Gestein treffen, werden die<br />
Reifen sehr schnell durchstochen<br />
oder aber sie verfügen selbst bei reduziertem<br />
Luftdruck nicht über die<br />
nötige Sandhaftung. Fahrzeuge dieser<br />
Art taugen also am besten für Fahrten<br />
auf Kieswegen oder für häufige Fahrten<br />
im Schlamm- bzw. Sandgelände.<br />
88
Zur höheren Kategorie der Geländewagen,<br />
den sogenannten „Weichen“,<br />
zählen Honda CR-V, Land Rover Freeland,<br />
Toyota RAV-4 oder Volkswagen Tiguan.<br />
Sie zeichnen sich durch größere<br />
Räder und eine höhere Bodenfreiheit<br />
aus. Mit diesen Fahrzeugen lassen sich<br />
auch weiter entfernte Orte erreichen.<br />
Wie die einfachen 4x4 Geländewagen<br />
verfügen sie über einen permanenten<br />
Allradantrieb – so der Toyota RAV4, bzw.<br />
einen zuschaltbaren Allradantrieb wie<br />
der VW Tiguan. Für gewöhnlich besitzt<br />
der VW Tiguan nur einen Frontantrieb,<br />
d. h. erst wenn das System spürt, dass<br />
die Vorderräder durchzudrehen beginnen,<br />
werden die Hinterräder automatisch<br />
eingeschaltet. Der größte<br />
Nachteil bei solchen Fahrzeugen ist,<br />
dass es keine Möglichkeit gibt, ein<br />
niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis<br />
und die Differenzialsperre zu<br />
wählen. Obwohl dieser Wagen also<br />
über Allradantrieb verfügt, genügt es,<br />
dass ein Rad in der Luft hängen bleibt,<br />
und man steckt in der Klemme. Das<br />
Auto fährt nicht weiter.<br />
Die Sitzposition im Fahrersitz ist viel<br />
höher als bei den üblichen Personenkraftwagen,<br />
so dass Sie das Geschehen<br />
vor dem Fahrzeug besser beobachten<br />
können. Selbstverständlich können<br />
Sie einige Geländefahrten unternehmen,<br />
jedoch sollten diese auf kleine<br />
Sandflächen begrenzt bleiben.<br />
Im letzten Jahrzehnt haben sich auch<br />
Mittelklassewagen zwischen den<br />
„Weichen“ und den echten Geländewagen<br />
durchgesetzt – so die Prestige<br />
Sport Utility Vehicles, die nicht nur mit<br />
einem komplizierten Allrad-Getriebe<br />
ausgestattet sind, sondern auch über<br />
die neueste Elektronik verfügen. Dies<br />
steht gegen die Tatsache, dass das<br />
Fahrzeug weder ein niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis<br />
noch eine<br />
Differenzialsperre besitzt. Hierzu gehören<br />
BMW X5, Porsche Cayenne oder<br />
VW Touareg. Ein wichtiger Vorteil dieser<br />
Fahrzeuge sind die bequeme Lenkung<br />
(ähnlich wie bei den größeren<br />
üblichen Pkws) und die Sicherheit bei<br />
hoher Geschwindigkeit, die 200 km/h<br />
z. T. überschreiten kann.<br />
Wenn Sie allerdings in einem Moor<br />
„baden“, über Flüsse fahren oder<br />
<strong>Be</strong>rge „ersteigen“ wollen, dann<br />
sollten Sie sich einen echten Geländewagen<br />
aussuchen. Wie man<br />
diesen findet? Zuerst sollte man<br />
prüfen, ob der Wagen ein niedriges<br />
Getriebeübersetzungsverhältnis<br />
hat. Die meisten solcher Fahrzeuge<br />
verfügen über einen zusätzlichen<br />
Schalthebel, aber in den neuesten<br />
Modellen werden immer öfter<br />
elektronische Schalter installiert.<br />
Ein niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis<br />
bzw. eine verlängerte Getriebeübersetzung<br />
sind notwendig,<br />
um auf glatten und steinigen Pisten<br />
bergauf und bergab zu fahren oder<br />
sich aus dem Sand zu befreien.<br />
89
Ein anspruchsvolles Gelände erfordert<br />
folgende Voraussetzungen: eine,<br />
zwei oder sogar drei Differenzialsperren,<br />
Traktionskontrolle und ein LSD-<br />
Sperrdifferenzial. Ernstzunehmende<br />
Allradfahrzeuge verfügen über solch<br />
verbreitete Karosserievarianten wie<br />
Pick-ups und Sport Utility Vehicles<br />
(SUV). Natürlich gibt es auch exotische<br />
Cabrios oder sogar Sedans, aber das ist<br />
bereits die Ausnahme von der Regel.<br />
Größtenteils haben die Pick-ups ein<br />
niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis.<br />
Fahrzeuge ihrer Art sind meist<br />
mit Differenzialsperren oder einer<br />
Traktionskontrolle ausgestattet. <strong>Be</strong>sonders<br />
in Europa sind sie jedoch auf<br />
Grund ihres offenen, nicht ausgekleideten<br />
Kofferraums unbeliebt, da das<br />
Gepäck bei unsachgemäßer <strong>Be</strong>festigung<br />
vom Regen durchnässt bzw.<br />
verstaubt oder beschädigt werden<br />
kann. Auch bieten die Einmannbzw.<br />
Doppelkabinen nicht viel Platz.<br />
Der größte Vorteil solcher Fahrzeuge<br />
ist allerdings das beinahe unbegrenzte<br />
Kofferraumvolumen in Breite wie<br />
Höhe. Für die Landwirtschaft oder<br />
den Baubetrieb ist dies von großem<br />
Nutzen.<br />
Auf dem Pick-up-Markt dominieren<br />
seit Jahren japanische und amerikanische<br />
Fahrzeuge, allerdings holen die<br />
europäischen Hersteller wacker auf.<br />
So kam vor kurzem beispielsweise der<br />
VW Amarok auf den Markt, ausgestattet<br />
mit allen Merkmalen eines echten<br />
Geländewagens. Ungeachtet dessen<br />
wird er mit solchen Pick-ups wie Toyota<br />
Hilux oder Mitsubishi L200 zu kämpfen<br />
haben, die eine lange Tradition<br />
besitzen und ohne größere Probleme<br />
250 000 km zurücklegen.<br />
In der SUV-Kategorie trifft man auf<br />
solch schneidige Fahrzeuge wie den<br />
Land Rover Discovery oder den Toyota<br />
Land Cruiser u. a. Wegen ihrer Zuverlässigkeit,<br />
guten Geländegängigkeit<br />
und Einsetzbarkeit auch auf dem Lande<br />
nehmen die letztgenannten Fahrzeuge<br />
eine weltweite Spitzenposition<br />
unter den beliebtesten Geländewagen<br />
ein. Darüber hinaus bieten sie auch<br />
im Innenraum genügend Platz. Mini<br />
Land Cruiser, in manchen Ländern<br />
auch Prado genannt, gelten als ebenso<br />
starke Fahrzeuge. Ihre neuesten<br />
Modelle verfügen bereits über Traktionskontrolle<br />
und eine erstaunlich<br />
gute Standard-Bodenfreiheit.<br />
Die meisten SUVs werden sie soweit<br />
bringen, wie die Bodenfreiheit erlaubt.<br />
Diese Wagen werden ebenfalls<br />
in zwei Kategorien unterteilt – in jene<br />
mit permanentem Allradantrieb und<br />
in jene mit manuell zuschaltbarem Allradantrieb.<br />
Zur ersten Kategorie zählen<br />
die meisten SUVs: Mercedes-<strong>Be</strong>nz<br />
ML, Land Rover Discovery, Toyota Land<br />
Cruiser u. a. Auf veraltete Systeme<br />
treffen wir in älteren Geländewagenmodellen<br />
oder „neuesten“ Pick-ups<br />
indischer (Tata Xenon) oder japanischer<br />
(Nissan Pick-up) Produktion.<br />
90
Und wie der Name dieser Geländewagen<br />
mit Sonderausstattung<br />
sagt, handelt es sich dabei um<br />
Fahrzeuge, die auf besondere Aufgaben<br />
vorbereitet sind: auf Expeditionen,<br />
Rennen, Unterhaltung<br />
oder sogar für militärische Zwecke.<br />
Es ist kein Geheimnis, dass ein Fahrzeug,<br />
dass in unwegsamem Gelände<br />
bessere Fahrergebnisse erzielt,<br />
wahrscheinlich keine so guten<br />
Fahreigenschaften auf herkömmlichen<br />
Straßen beweist. Es sei denn,<br />
man geht Kompromisse ein. So banal<br />
es auch klingt, in unwegsamem<br />
Gelände benötigen Sie einen leistungsstarken<br />
Motor mit großem<br />
Drehmoment und eine stabile Karosserie,<br />
die Herausforderungen<br />
standhalten kann.<br />
<strong>Be</strong>i der Zusammenfassung der<br />
Vertreter aller Klassen lässt sich<br />
behaupten, dass es kein Fahrzeug<br />
mit Allradantrieb gibt, das wirklich<br />
„erste Wahl“ ist. Wenn Sie nicht<br />
jenseits befestigter Straßen unterwegs<br />
sind und nur einmal im<br />
Jahr einen Schneesturm bewältigen<br />
müssen, genügt Ihnen ein<br />
Geländewagen mit zuschaltbarem<br />
Allradantrieb – es wird wirtschaftlicher<br />
sein, seine Aufhängung wird<br />
sicher mehr Komfort bieten. In einigen<br />
Fällen genügt auch ein Fahrzeug<br />
mit Zweiradantrieb und höherer<br />
Bodenfreiheit. Warum auch<br />
nicht? Doch diese Ausstattung ist<br />
für das Austoben in der wilden Natur<br />
wirklich ungeeignet.<br />
Obwohl Klassifizierungen und<br />
<strong>Be</strong>wertungen subjektiver Natur<br />
sind, werden wir den Versuch unternehmen,<br />
die besten Fahrzeuge<br />
der jeweiligen Klasse mit Allradantrieb<br />
näher zu beleuchten. Unter<br />
den Personenkraftwagen mit<br />
Allradantrieb fallen die Modelle<br />
Impreza bzw. Legacy von Subaru,<br />
in der luxuriöseren Preisklasse der<br />
Audi A4 und größere Modelle dieser<br />
Gesellschaft ins Auge. Unter<br />
den „weichen“ Geländewagen<br />
kann man den Honda CR-V, Toyota<br />
RAV4 und VW Tiguan erwähnen.<br />
91
In der Kategorie der „echten“ 4x4<br />
kann man den Toyota Land Cruiser,<br />
Nissan Patrol und Land Rover<br />
Discovery als Könige bezeichnen.<br />
Ausschlaggebend ist auch die Größe.<br />
<strong>Be</strong>im Nissan Patrol und dem<br />
großen Toyota Land Cruiser (für gewöhnlich<br />
mit V8-Motor ausgestattet)<br />
handelt es sich um weitaus größere<br />
Fahrzeuge, als ob sie in einer<br />
anderen Liga spielen würden. Sie<br />
zeichnen sich auch durch einen guten<br />
bleibenden Wert aus. Der Patrol<br />
ist eine gute Alternative zum Land<br />
Cruiser, da dieser auf dem Markt<br />
sehr begehrt und zu teuer ist.<br />
Ohne die Liebhaber von britischen<br />
Land Rovern beleidigen zu wollen,<br />
der bleibende Wert ihrer Geländewagen<br />
ist einer der geringsten<br />
und das aus einem sehr wichtigen<br />
Grund – Instabilität. Das tropfende<br />
Motoröl, der Lärm, die unberechenbaren<br />
Defekte können selbst<br />
den treuesten Verehrer in Rage<br />
versetzen. Die neuesten Modelle<br />
sind jedoch wesentlich komfortabler<br />
geworden, vielleicht sogar am<br />
komfortabelsten in der Klasse der<br />
echten Geländewagen.<br />
Traurig aber wahr – mit jeder neuen<br />
Generation oder mit jedem Jahresanfang<br />
werden Geländewagen und<br />
andere Fahrzeuge immer teurer. In<br />
gut ausgestatteten Geländewagen<br />
gibt es immer mehr Platz für nützliche<br />
oder unnütze Spielzeuge, die ihr<br />
Gutes und Schlechtes haben, aber für<br />
all dies wird man zusätzlich zur Kasse<br />
gebeten.<br />
Nuancen: Pro und<br />
Kontra<br />
Es gibt also viele verschiedene Arten<br />
vom Allradantrieb und genauso<br />
viele Hersteller von Fahrzeugen. Es<br />
stimmt, dass jeder unabhängige Automobilhersteller<br />
über unterschiedliche<br />
Schemen verfügt, mit denen die<br />
Motorleistung auf alle Räder verteilt<br />
wird. Dies ist besonders schwer, wenn<br />
man sich den Wortschatz der Hersteller<br />
anhört. Um es leichter zu machen,<br />
können wir einige <strong>Be</strong>griffe definieren.<br />
Vierradantrieb – für gewöhnlich,<br />
wenn der Hersteller diesen Terminus<br />
erwähnt, hat er ein nicht permanentes<br />
System im Sinn, wenn bei der<br />
Fahrt auf rutschigem Untergrund zur<br />
permanenten Antriebsachse die andere<br />
passive Achse automatisch oder<br />
mechanisch zugeschaltet wird.<br />
Der Allradantrieb wird manchmal<br />
auch als permanenter Vierradantrieb<br />
bezeichnet. Dieses Antriebssystem ist<br />
für die Fahrt auf jedem Untergrund<br />
geeignet – auf einer ebenen trockenen<br />
Straße und in unwegsamem Gelände.<br />
Viele dieser Systeme lassen sich<br />
nicht teilweise abschalten.<br />
Sowohl permanente, als auch zuschaltbare<br />
Antriebssysteme können<br />
anhand derselben Kriterien bewertet<br />
werden. Die besten Systeme übermitteln<br />
an jedes Rad das genaue Drehmoment,<br />
damit das Rad nicht anfängt<br />
durchzudrehen.<br />
Die Hauptkomponenten jedes Vierradantriebssystems<br />
sind zwei Differenziale<br />
(Vorder- und Hinterdifferenzial)<br />
und das Verteilergetriebe.<br />
Zuschaltbare Systeme besitzen zusätzlich<br />
die Möglichkeit einer Radnabensperre,<br />
und beide Systeme können<br />
mit Elektronik ausgestattet sein,<br />
die eine noch größere Bodenhaftung<br />
garantiert.<br />
Die Differenziale im Fahrzeug übertragen<br />
das Drehmoment auf die Räder.<br />
Sie lassen ebenfalls das Drehen<br />
der links- und rechtsseitigen Räder<br />
mit unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />
zu, wenn Kurven gefahren werden.<br />
In der Kurve legen die inneren<br />
Räder einen kürzeren Weg zurück als<br />
die äußeren Räder, weshalb sie sich<br />
mit unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />
drehen müssen.<br />
In Personen- und Lastkraftwagen<br />
gibt es verschiedene Arten von Differenzialen.<br />
Sie haben alle den Zweck,<br />
bei der Erzeugung einer größeren<br />
Bodenhaftung behilflich zu sein.<br />
92
Das Verteilergetriebe teilt die Leistung<br />
zwischen der Vorder- und Hinterachse<br />
im Vierradantrieb auf. Wenn<br />
die Differenziale die Leistung auf die<br />
Seitenräder verteilen, besitzt das<br />
Verteilergetriebe eine Vorrichtung,<br />
die die Steuerung des Geschwindigkeitsunterschieds<br />
im Allradantrieb<br />
zwischen den Vorder- und Hinterrädern<br />
zulässt. Dabei kann es sich<br />
um eine Visco-Kupplung, ein Mittendifferenzial<br />
oder eine anderweitige<br />
Vorrichtung handeln. Damit wird die<br />
angemessene Funktion des Allradantriebssystems<br />
auf jeder Oberfläche<br />
sichergestellt.<br />
Das Verteilergetriebe in einem zuschaltbaren<br />
Allradantrieb zwingt die<br />
Räder der Vorderachse dazu, sich mit<br />
derselben Geschwindigkeit wie die Räder<br />
der Hinterachse zu drehen. Deshalb<br />
gelangen die Reifen bei der Kurvenfahrt<br />
gelegentlich ins Rutschen.<br />
Es ist nicht ratsam, zuschaltbare<br />
Systeme dieser Art auf haftendem<br />
Untergrund einzusetzen, weil die<br />
Reifen diesen schwer bewältigen.<br />
Wird Missbrauch betrieben, kommt<br />
es zu einer schnelleren Abnutzung<br />
der Reifen und der Mechanismen<br />
des Getriebes.<br />
In einigen Verteilergetrieben, meist<br />
in nicht permanenten Antriebssystemen,<br />
gibt es eine verlängerte<br />
Getriebeübersetzung, die nützlich<br />
ist, wenn Sie mit dem Fahrzeug stecken<br />
geblieben sind. Obwohl man<br />
nach Zuschaltung dieses Modus im<br />
ersten Gang nicht schneller als 10<br />
km/h fahren kann, kann der Fahrer<br />
somit langsam das maximale<br />
Drehmoment ausnutzen und z. B.<br />
reibungslos eine steile Böschung<br />
„besteigen“.<br />
93
94<br />
Jedes Rad im Fahrzeug ist auf einer<br />
Nabe befestigt. Geländewagen mit<br />
zuschaltbarem Allradantrieb verfügen<br />
oft über die Vorderradnabensperre.<br />
Wird der Allradantrieb<br />
nicht verwendet, werden die gesperrten<br />
Radnaben von den Vorderdifferenzialen,<br />
den Halbachsen<br />
und der Antriebswelle getrennt.<br />
Dies gestattet dem Differenzial,<br />
den Halbachsen und der Antriebswelle<br />
sich nicht zu drehen, wenn<br />
das Fahrzeug nur von den Hinterrädern<br />
angetrieben wird und auf<br />
diese Weise nutzen sich diese Mechanismen<br />
weniger ab, der Kraftstoffverbrauch<br />
sinkt. Um den Allradantrieb<br />
zu aktivieren, muss der<br />
Fahrer für gewöhnlich aussteigen<br />
und einen Schalter an den Vorderrädern<br />
betätigen. Modernere<br />
Systeme verfügen über eine automatische<br />
Radnabensperre, die aus<br />
dem Wageninnern gesteuert wird,<br />
und man muss dazu nicht einmal<br />
anhalten.
In vielen modernen Fahrzeugen mit<br />
Allradantrieb spielt fortschrittliche<br />
Elektronik eine wichtige Rolle. Dabei<br />
handelt es sich nicht nur um moderne<br />
ABS- oder ESP-Systeme, sondern<br />
auch um raffinierte, elektrisch steuerbare<br />
Kupplungen, mit denen sich die<br />
Verteilung des Drehmoments auf die<br />
Räder besser steuern lässt.<br />
Es ist sehr wichtig, dass ein Geländewagen<br />
mit permanentem Allradantrieb<br />
im Verteilergetriebe über eine<br />
Mittendifferenzialsperre zwischen<br />
Vorder- und Hinterachse verfügt. Es<br />
ist notwendig, wenn Sie Kurven fahren<br />
und unterschiedliche Räder eine<br />
unterschiedliche Entfernung zurücklegen<br />
müssen, d. h. das Differenzial<br />
überträgt das Drehmoment des Motors<br />
auf die Räder, die es benötigen.<br />
Ohne das Differenzial würde ein in<br />
der Luft schwebendes Rad weiterhin<br />
mit Leistung versorgt werden, und<br />
die verbliebenen Räder erhielten keine.<br />
Und Sie würden sich nicht von der<br />
Stelle bewegen. Eine Mittendifferenzialsperre<br />
ist also etwas sehr Wertvolles<br />
in einem Fahrzeug mit Allradantrieb.<br />
Sie ist ein untrennbares Attribut<br />
des Toyota Land Cruiser und der ihm<br />
ebenbürtigen Geländewagen.<br />
Eines der fragwürdigsten Dinge ist<br />
eine Automatikschaltung in einem<br />
Fahrzeug mit Allradantrieb. Es ist anerkannt,<br />
dass diese im Vergleich zu<br />
einer mechanischen Gangschaltung<br />
eine bessere Alternative beim Fahren<br />
auf Sanddünen ist, aber das Hauptproblem<br />
besteht beim Herabfahren<br />
von steilen Hügeln. <strong>Be</strong>im Herabfahren<br />
von einem Hügel bei mechanischer<br />
Gangschaltung wird der erste<br />
Gang eingelegt, damit das Fahrzeug<br />
besser mit dem Motor gebremst wird.<br />
<strong>Be</strong>i der Verlangsamung des Wagens<br />
und der „Überdosierung“ der Bremsen<br />
wird er ins Rutschen kommen<br />
und dann stehen Ihnen völlig unerwartete<br />
Folgen bevor. Eine Automatikschaltung<br />
kann einfach nicht<br />
den erforderlichen Widerstand erzeugen.<br />
Wenn Sie also sicher auf rutschiger<br />
hügeliger Oberfläche fahren<br />
möchten, ist ein Wagen mit mechanischer<br />
Gangschaltung besser dafür<br />
geeignet.<br />
Einige Automatikschaltungen besitzen<br />
bereits eine Sperrfunktion, wonach<br />
die Schaltung unter derartigen<br />
<strong>Be</strong>dingungen wie eine mechanische<br />
Gangschaltung funktioniert. Das ist<br />
sehr hilfreich.<br />
95
Diskussionen gibt es auch bei den<br />
Konstruktionsunterschieden der Vorderaufhängung.<br />
In manchen Geländewagen<br />
befindet sich eine Strahlachse<br />
durchgehender Konstruktion,<br />
und in einigen auf eine modernere<br />
unabhängige Vorderaufhängung.<br />
Es wurden jedoch bereits Schlussfolgerungen<br />
getroffen, dass es keine<br />
absolut beste Wahl gibt. Die abhängige<br />
Federung wird beim Fahren<br />
auf Dünen und in Schneewehen der<br />
unabhängigen Federung überlegen<br />
sein, und die unabhängige Federung<br />
wird beim Fahren auf schwierigeren<br />
Bodenbelägen vorteilhafter sein. Die<br />
unabhängige Federung zeichnet sich<br />
auch durch komfortableres Fahren<br />
aus, ihre Wartung ist jedoch kostenintensiver.<br />
Trotzdem ist sie bereits sogar<br />
in kleinen billigen Wagen vorhanden.<br />
Weitaus weniger Diskussionen entstehen<br />
zu der Frage, welcher Motor für<br />
unwegsames Gelände besser geeignet<br />
ist – ein <strong>Be</strong>nziner oder ein Diesel.<br />
Dieselmotoren zeichnen sich durch<br />
guten Schub bei niedrigen Umdrehungen<br />
aus und bringt keine Leistung<br />
bei hohen Umdrehungen, d. h. beim<br />
Fahren mit hoher Geschwindigkeit.<br />
<strong>Be</strong>i <strong>Be</strong>nzinmotoren ist es umgekehrt.<br />
Der Vorteil eines Dieselmotors zeigt sich<br />
beim Fahren auf sandigem Gelände,<br />
im Schnee oder beim „<strong>Be</strong>rgsteigen“.<br />
Der Kraftstoffverbrauch ist ebenfalls<br />
auf der Seite des Dieselmotors,<br />
er verbraucht wesentlich weniger<br />
Kraftstoff. Falls Sie planen, Afrika<br />
oder eine andere wenig zivilisierte<br />
Region zu durchqueren, werden<br />
Sie mit dem Problem minderwertigen<br />
Kraftstoffs konfrontiert, besonders<br />
mit einem Mangel an bleifreiem<br />
<strong>Be</strong>nzin. Diesel können Sie fast<br />
überall finden, gutes <strong>Be</strong>nzin aber<br />
nicht. Es gilt jedoch, dass die Wartung<br />
von Dieselmotoren kostenintensiver<br />
als die von <strong>Be</strong>nzinmotoren<br />
ist. Alte Dieselmotoren sind nicht<br />
für die Fahrt auf Dünen geeignet,<br />
aber die neue Ära der modernen<br />
Dieselmotoren hat das geändert.<br />
Die Modernität hat jedoch Opfer<br />
gefordert – sie benötigen Diesel<br />
von höherer Qualität, der wie auch<br />
bleifreies <strong>Be</strong>nzin an abgelegeneren<br />
Orten schwerer zu finden ist.<br />
Sie sollten auch nicht vergessen,<br />
dass alte Dieselmotoren recht<br />
langsam und nicht für Spritztouren<br />
geeignet sind. Solche „Stresssituationen“<br />
können mit deren „Tod“<br />
enden. Also sind an dieser Stelle<br />
benzinbetriebene Fahrzeuge von<br />
Vorteil. Das Verdichtungsverhältnis<br />
von Dieselmotoren liegt auch<br />
wesentlich höher als das bei <strong>Be</strong>nzinmotoren,<br />
also sind ihre Bauteile<br />
wesentlich schwerer und sind ausschlaggebend<br />
für das Gesamtgewicht.<br />
Die neuesten Technologien<br />
der Dieselmotoren haben diese<br />
Mängel jedoch fast beseitigt und<br />
Dieselmotoren sind attraktiver geworden<br />
– Sie können die Leistung<br />
eines V8-<strong>Be</strong>nzinfressers bekommen<br />
und sich der Kraftstoffsparsamkeit<br />
eines kleinen <strong>Be</strong>nzinmotors<br />
erfreuen.<br />
96
In den letzten Jahrzehnten wurde<br />
das Fahren von Geländewagen, wie<br />
auch anderer Kraftfahrzeuge, für unerfahrene<br />
Fahrer immer sicherer. Die<br />
Sicherheitstechnologien haben im<br />
letzten Jahrzehnt wohl die meisten<br />
Fortschritte im Vergleich zu den übrigen<br />
gemacht. Angefangen bei den<br />
„banalen“ Airbags. In modernen Geländewagen<br />
schießen sie heute nicht<br />
nur aus dem Lenkrad, sondern alle<br />
Insassen der Fahrgastzelle werden im<br />
Winkel von 360 Grad durch Airbags vor<br />
ernsten Verletzungen bewahrt. Dies<br />
gilt jedoch nur für Wagen, die 10 000<br />
Euro und mehr kosten. Diese Messlatte<br />
wird aber jedes Jahr weiter nach unten<br />
gesetzt und im nächsten Jahrzehnt<br />
werden vielleicht selbst die kleinsten<br />
Wagen mit einer genügenden Anzahl<br />
von Airbags ausgestattet sein.<br />
Die Stabilität der Geländewagenkarosserien<br />
wird von verschiedenen<br />
unabhängigen Sicherheitsorganisationen<br />
geprüft, wie bspw. von Euro<br />
NCAP. Obwohl wohl kaum jemand<br />
die Stabilität der Geländewagenkonstruktion<br />
unter realen <strong>Be</strong>dingungen<br />
ausprobieren möchte, wirkt die<br />
Kenntnis von Karosseriezonen, die<br />
den Aufprall absorbieren, beruhigend.<br />
Es ist niemals genug<br />
Wenn Sie sich ernsthaft für Offroading<br />
interessieren, sollten Sie nicht<br />
vergessen darüber nachzudenken,<br />
wie Zusatzausrüstung bequem befestigt<br />
werden kann, z. B. eine Dachreling,<br />
eine Stange, Zughaken und<br />
anderes Zubehör, von dem man<br />
nie weiß, wann man es benötigt. Die<br />
meisten Fahrzeuge vom Typ SUV verfügen<br />
heute nicht einmal über eine<br />
Schutzvorrichtungen der Unterseite<br />
der Türen oder der Bögen, und für<br />
diese sollte man sorgen, wenn man<br />
eine Fahrt in den Busch plant. Nicht<br />
bei allen ist auch Platz zur <strong>Be</strong>festigung<br />
einer zusätzlichen Dachreling<br />
oder es fehlt eine Anhängerkupplung.<br />
Niemand möchte zusätzlich<br />
die Zeit mit dem Bohren von Löchern<br />
vergeuden. Wichtig ist auch der Platz<br />
in der Fahrgastzelle – ob tatsächlich<br />
genügend Platz für Kameras, Landkarten<br />
und gute Fächer zur Ablage<br />
von Kleinigkeiten vorhanden sind. <strong>Be</strong>i<br />
einem weiten Ausflug benötigt man<br />
manchmal Dinge, die einem nutzlos<br />
erscheinen.<br />
Zu einem großen Problem wird<br />
auch die genügende Bodenfreiheit<br />
– wohl aus Gründen des sparsameren<br />
Kraftstoffverbrauchs bieten die<br />
Hersteller mit jeder neuen Modellgeneration<br />
Wagen an, die so nahe<br />
wie möglich über dem Boden fahren<br />
(geringerer Luftwiderstand).<br />
Wenn Sie also den Wagen „vom<br />
Boden“ anheben wollen, werden<br />
Sie eine ganze Menge Geld für die<br />
Modifikation der Aufhängungsbauteile<br />
ausgeben müssen: Einbau<br />
größerer Federn, vielleicht kaufen<br />
Sie auch teure regulierbare Stoßdämpfer<br />
oder eine Luftfederung,<br />
Hebel und Hülsen müssen ausgewechselt,<br />
die <strong>Be</strong>festigungsteile der<br />
Aufhängung verstärkt werden.<br />
Nach Erhöhung der Bodenfreiheit<br />
können Sie auch größere Reifen<br />
montieren. Eine rücksichtslose Erhöhung<br />
der Bodenfreiheit hat jedoch<br />
auch negative Folgen – der<br />
Wagen lässt sich schwerer lenken,<br />
die Wahrscheinlichkeit zum Umkippen<br />
in Kurvenlage steigt.<br />
98
Ein Unterbodenschutz ist ebenfalls<br />
etwas Neues. Er ist zum Schutz der<br />
Unterseite der Karosserie des Geländewagens<br />
vor Baumstämmen,<br />
Felsen und anderen Faktoren der<br />
Natur gedacht. Viele Hersteller<br />
bieten diesen Schutz als Zusatzausrüstung<br />
bei Offroad-Ausstattung,<br />
die beim Kauf eines neuen Geländewagens<br />
bestellt werden kann.<br />
Für gewöhnlich befinden sich in<br />
dieser Ausstattung auch verbesserte<br />
Stoßdämpfer und Reifen mit<br />
besserer Bodenhaftung und stärkerem<br />
Profil für unwegsames Gelände.<br />
Es versteht sich von selbst,<br />
dass es sich bei den schwächsten<br />
Bauteilen an der Außenseite eines<br />
Geländewagens um die handelt,<br />
die aus Glas oder dessen Ersatzstoffen<br />
hergestellt werden. Scheinwerfer<br />
und Fenster lassen sich jedoch<br />
mit verschiedenen Netzen und Gittern<br />
schützen, und schlamm- sowie<br />
wasserscheue Hohlräume lassen<br />
sich abdichten. Man muss sich auch<br />
Gedanken über die Sicherheit beförderter<br />
Ladung machen, indem<br />
man sie mit Gurten und Netzen befestigt.<br />
Aber es stimmt auch, dass<br />
diese Dinge nicht nur ihre direkte<br />
Funktion erfüllen. Manch einer<br />
möchte sie nur haben, damit sein<br />
Geländewagen besser aussieht...<br />
Geländewagen erhalten bei Weitem<br />
nicht nur die vom Hersteller offiziell<br />
zugelassene Zusatzausstattung. Sie<br />
müssen nur überlegen, was Ihrem Geländewagen<br />
noch fehlt und irgendjemand<br />
wird es unbedingt verkaufen.<br />
Hier kann man Geld ausgeben und<br />
nicht sparen – am einfachsten ist es<br />
beim Kauf eines neuen Geländewagens<br />
die gesamte mögliche Ausrüstung<br />
zu bestellen. Obwohl die Suche<br />
nach Zubehör, das nicht der Originalausstattung<br />
entspricht, und dessen<br />
Anpassung viel Zeit in Anspruch<br />
nimmt, so kann man auf diese Weise<br />
sparen. Die Geschäfte für Offroad-Enthusiasten<br />
haben gewisse Ähnlichkeit<br />
mit Süßwarengeschäften für Kinder.<br />
Man möchte alle „Süßigkeiten“ kosten<br />
und man kann scheinbar nie genug<br />
bekommen.<br />
Ein Blick in die<br />
Geschichte<br />
Interessant ist, dass keine genauen<br />
Angaben zur Entstehung des Allradantriebs<br />
vorliegen. Manche Aufzeichnungen<br />
sagen, dass noch vor der<br />
Entstehung der modernen Automobilindustrie<br />
der englische Ingenieur<br />
Bramah Joseph Diplock 1893 ein System<br />
mit Allradlenkung und drei Differenzialen<br />
patentierte. Später 1900<br />
wurde in Paris der elektrisch betriebene<br />
Allrad-Wagen von Ferdinand<br />
Porsche der Öffentlichkeit vorgeführt.<br />
Tatsächlich wurde jedes Rad von einem<br />
gesonderten Motor angetrieben.<br />
1903 brachten die Gebrüder Spijker<br />
aus den Niederlanden einen Allradantrieb<br />
mit einem Verbrennungsmotor<br />
in ihrem produzierten Rennwagen<br />
Spyker 60 H. P. in Einklang.<br />
Der Bruch in der Produktion der<br />
Transmission des Allradantriebs geschah<br />
jedoch erst nach <strong>Be</strong>ginn des<br />
Ersten Weltkriegs, als die amerikanische<br />
„Four Wheel Drive Auto Company“<br />
in Wisconsin mehr als 20 000 Lastkraftwagen<br />
Model B für die britischen<br />
und amerikanischen Streitkräfte<br />
produzierte.<br />
Daimler-<strong>Be</strong>nz hat noch vor dem<br />
Ersten Weltkrieg 1907 den Dernburg-Wagen<br />
mit Allradantrieb und<br />
Allradlenkung für die Kolonien in<br />
Afrika hergestellt. 1937 produzierte<br />
Mercedes-<strong>Be</strong>nz im Auftrag der Regierung<br />
den G5 und BMW Modelle<br />
vom Typ 325 4x4 mit permanentem<br />
Allradantrieb, Allradlenkung, drei<br />
Sperrdifferenzialen und einer vollständig<br />
unabhängigen Federung.<br />
99
1938 erschienen auch die russischen<br />
Geländewagen vom Typ GAZ-61.<br />
Der erste wirklich in Masse produzierte<br />
Offroad-Wagen war jedoch<br />
der Jeep CJ-2A, den ab 1945 die<br />
Gesellschaften Willys und Ford<br />
herstellten.<br />
Das britische Konzept des Geländewagens<br />
erschien 1948 mit dem<br />
Land Rover. Dieselbe Gesellschaft<br />
hat in den 70er Jahren auch den<br />
ersten luxuriöseren „echten“ Geländewagen<br />
Range Rover präsentiert,<br />
dessen Nachfolger bis heute<br />
produziert werden.<br />
Der von 1966 bis 1971 produzierte<br />
und in 318 Auflagen verbreitete<br />
Jensen FF war der erste Sportwagen<br />
der GT-Klasse mit Allradantrieb.<br />
Übrigens verteilte Jensen bereits<br />
damals das Drehmoment zwischen<br />
der Vorder- und Hinterachse im<br />
Verhältnis 40 zu 60. So hält es gegenwärtig<br />
auch der Erschaffer des berühmtesten<br />
Quatro-Getriebes –<br />
Audi. 1972 präsentierte Subaru<br />
den massengefertigten Leone mit<br />
zuschaltbarem Allradantrieb, den<br />
man nicht auf trockenem Straßenbelag<br />
verwenden konnte.<br />
Die berühmte Geschichte des Audi<br />
Quattro begann 1980. Der Audi-Ingenieur<br />
Jörg <strong>Be</strong>nsinger hat bei den Wintertests<br />
der Wagen festgestellt, dass der<br />
Volkswagen Iltis der Bundeswehr jedes<br />
beliebige schnelle Modell von Audi bezwingen<br />
kann. Seine weiteren Errungenschaften<br />
führten zu einer Verbesserung<br />
des konservativen Images von<br />
Audi nach großen Erfolgen mit dem<br />
Allradantrieb auf Rallye-Trassen.<br />
Einen hochentwickelten Allradantrieb<br />
kann man heute in vielen Personenkraftwagen,<br />
in einigen exotischen Modellen<br />
und in Superwagen finden.<br />
König Dakar<br />
<strong>Be</strong>sonders wichtig in der Geschichte<br />
der Geländewagen sind Wagenrennen.<br />
Das berühmteste unter ihnen ist<br />
zweifellos die jedes Jahr stattfindende<br />
nach der afrikanischen Stadt Dakar benannte<br />
Rallye. Die seit 1978 traditionell<br />
in Südwest-Europa startende und in Afrika<br />
endende Rallye zieht hunderte von<br />
Teilnehmern und tausende Neugieriger<br />
an und ist ein besonderes Milieu für<br />
Automobilhersteller, um ihre Produkte<br />
zu testen und für die Werbung zu machen.<br />
Nach den terroristischen Übergriffen<br />
des Jahres 2008 wird die Rallye<br />
bereits seit einigen Jahren in Südamerika<br />
ausgetragen, aber die Traditionen<br />
der Geländewagen-Fiesta sind ungebrochen.<br />
Das Rennen ist auch deshalb<br />
interessant, dass es sowohl für Profis,<br />
als auch für Laien offen steht. Der Anteil<br />
der Letzteren am Rennen macht ganze<br />
80 Prozent aus. Dieses Rennen gilt als<br />
eines der schwierigsten und verlangt<br />
den Rennfahrern und der Technik<br />
maximale Ausdauer ab.<br />
Wenn in den Anfangszeiten der Rallye<br />
die Teilnehmer fast mit Standardtechnik<br />
gegeneinander antraten und die<br />
Mannschaften nicht über millionenschwere<br />
Budgets verfügten, dann erblicken<br />
wir heute unter den Siegern<br />
der Rallye oft die Mannschaften von<br />
Herstellern, die mit fortschrittlichster<br />
Technik bewaffnet sind und über millionenschwere<br />
Budgets verfügen. Obwohl<br />
wir auf den malerischsten Fotos<br />
und in Videoreportagen mit riesigen<br />
Sanddünen kämpfende Wagen sehen,<br />
müssen die Rennfahrer auch Streckenabschnitte<br />
mit Schlamm, Wiesen und<br />
Felsen bewältigen, deren Länge pro<br />
Tag zwischen weniger als hundert bis<br />
zu 800–900 Kilometern schwankt.<br />
Obwohl an der Rallye auch Motorräder,<br />
Quads und Trucks teilnehmen,<br />
gilt der Klasse der PKW-Geländewagen,<br />
zu der alles von kleinen SUV-Wagen<br />
bis zu handgefertigten Buggys<br />
zählt, die größte Aufmerksamkeit.<br />
Wie wir erwähnt haben, nutzen viele<br />
der Hersteller die Rallye als ideales<br />
Medium zum Test der maximalen<br />
Möglichkeiten des von ihnen produzierten<br />
Wagens, zur Demonstrierung<br />
der Stabilität der Wagen. Die an der<br />
Rallye teilnehmenden Wagen haben<br />
jedoch wenig mit Serienmodellen<br />
gemeinsam. Meist besteht ihr Zusammenhang<br />
nur im Namen und dem<br />
ähnlichen Aussehen oder in den verbliebenen<br />
Bauteilen.<br />
100
Interessant ist, dass in den Anfangszeiten<br />
der Rallye solche europäischen<br />
Wagen wie Renault 4, Land Rover, Range<br />
Rover, Mercedes-<strong>Be</strong>nz G, Volkswagen<br />
Iltis und Pinzgauer, ebenso der japanische<br />
Toyota Land Cruiser dominierten.<br />
Der erfolgreichste PKW dieser Rallye<br />
ist jedoch der Mitsubishi Pajero/Montero,<br />
der ganze sieben Jahre hintereinander<br />
(2001–2007) bei dem Rennen<br />
dominierte. Mitsubishi hält es nicht<br />
geheim, dass diese Investition in die<br />
Rallye einen sehr guten <strong>Be</strong>itrag zur<br />
Popularisierung des Geländewagens<br />
in den Autohäusern geleistet hat. Andere<br />
Hersteller stürmten die Rallye<br />
mit stark modifizierten Standardwagen<br />
wie Rolls-Royce, Citroën, Peugeot<br />
(405 T16, 205 T16) und Porsche (911, 959).<br />
Obwohl großer Aufwand betrieben<br />
wurde, sind auf den Straßen<br />
bekannte Werkmodelle wie der<br />
Mercedes <strong>Be</strong>nz M, BMW X5, BMW<br />
X3, Hummer H1, Hummer H3 leider<br />
nicht zu Anerkennung gelangt.<br />
Jean-Louis Schlesser seinerseits<br />
stellte eine Serie eigens angefertigter<br />
Rennbuggys her und gewann<br />
mit ihnen einige Rennen. In den<br />
letzten Jahren nach Verlegung der<br />
Rallye nach Südamerika haben die<br />
Mannschaften, die mit dem Volkswagen<br />
Touareg unterwegs waren,<br />
ihren Vorteil demonstriert.<br />
Eindrucksvoll erscheinen bei der<br />
Rallye auch die mit mehr als tausend<br />
Pferdestärken ausgestatteten<br />
Geländetrucks. Vor einigen<br />
Jahrzehnten fuhren die Favoriten<br />
mit Trucks von DAF und Mercedes-<strong>Be</strong>nz,<br />
aber im vergangenen<br />
Jahrzehnt bewies die Mannschaft<br />
von Kamaz aus Russland unglaubliche<br />
Stärke, obwohl ihre Trucks in<br />
Serienfertigung gegenüber den<br />
westlichen Konkurrenten in Sachen<br />
Technologien sich wohl ein<br />
halbes Jahrhundert im Rückstand<br />
befinden.<br />
101
Die Liebe zur Natur<br />
In den vergangenen Jahren wurde<br />
weltweit recht aktiv eine Kampagne<br />
gegen Geländewagen veranstaltet.<br />
Interessierte Personen in hohen Regierungsämtern<br />
haben Vorschläge<br />
zur Einschränkung der <strong>Be</strong>wegung<br />
von Geländewagen, besonders in<br />
Städten, eingereicht und sind sogar<br />
bemüht, diese Kraftfahrzeuge und<br />
deren Halter zu dämonisieren.<br />
Die Liebhaber von Geländewagen<br />
in Europa sollten dafür am meisten<br />
den Amerikanern „dankbar sein“, wo<br />
Geländewagen und große Fahrzeuge<br />
einen Großteil der Gesamtanzahl<br />
darstellen. Aus Unwissenheit oder<br />
anderen Gründen wird versucht, mit<br />
den aus den USA entnommenen Tatsachen<br />
eine verzerrte Wahrheit über<br />
Geländewagen in Europa unter <strong>Be</strong>weis<br />
zu stellen. Einige negative Tatsachen<br />
sollten die Halter von Geländewagen<br />
hinnehmen, aber die meisten<br />
dieser Informationen sind zu sehr<br />
überspitzt, zu emotional und wirklichkeitsfremd<br />
dargestellt.<br />
Zu allererst ist es schwierig, die angebliche<br />
Realität zu bewerten, weil<br />
nicht alle Wagen mit Allradantrieb<br />
groß und unsparsam sind, das Gleiche<br />
gilt auch für viel größere Wagen,<br />
die mehr oder weniger Ähnlichkeit<br />
mit Geländewagen haben und einen<br />
Zweiradantrieb besitzen. Würde also<br />
die Fahrt mit solchen Allradantrieb-<br />
Wagen in der Stadt verboten, würden<br />
fälschlicherweise die Fahrer von<br />
Wagen wie dem Audi Allroad bestraft<br />
und die Halter des riesigen Chevrolet<br />
Tahoe 4x2 hätten eine Rechtfertigung.<br />
Die heutigen Wagen analoger Größe<br />
haben ungeachtet der Anzahl<br />
der Antriebsachsen einen ähnlichen<br />
Kraftstoffverbrauch und stoßen ähnliche<br />
Emissionsmengen aus. Der Toyota<br />
Land Cruiser lässt sich leicht im Vergleich<br />
zum kompakten Volkswagen<br />
Golf dämonisieren. Jedoch würde ein<br />
leistungsstärkerer Mercedes-<strong>Be</strong>nz der<br />
E-Klasse genügen, um diesen Geländewagen<br />
zu rechtfertigen. Man muss<br />
also zugestehen, dass alle Wagen die<br />
Umwelt verschmutzen, sogar diejenigen,<br />
die batteriebetrieben sind,<br />
weil bei ihrer Herstellung noch mehr<br />
Emissionen freigesetzt werden.<br />
Häufig werden hohe Offroad-Geländewagen<br />
als unsicher angesehen,<br />
weil sie bei höherer Geschwindigkeit<br />
auf der Schnellstraße angeblich die<br />
lineare Stabilität verlieren. Aber auch<br />
an dieser Stelle sind die Technologien<br />
sehr weit fortgeschritten, und die<br />
Tests von Sicherheitsorganisationen<br />
(wie Euro NCAP) zeigen, dass Geländewagen<br />
ebenfalls maximale Sicherheitsbewertungen<br />
wie herkömmliche<br />
Hatchbacks erhalten. Es bleibt also<br />
die Anerkennung der alten Wahrheit,<br />
dass nicht die Fahrzeuge Unfälle<br />
verursachen, sondern die Menschen<br />
Fehler begehen.<br />
Die Geländewagen stehen auch wegen<br />
ihrer Größe unter <strong>Be</strong>schuss. Es<br />
wird der Gedanke aufgedrängt, dass<br />
Geländewagen auf den Straßen wie<br />
Nilpferde anmuten. In Wahrheit ist z.<br />
B. der „große“ Geländewagen Land<br />
Rover Discovery kürzer und schmaler<br />
als z. B. eine Limousine der höheren<br />
Mittelklasse wie der Saab 9-5. Ja, er ist<br />
höher, aber es scheint, dass noch niemand<br />
den Luftraum nach oben besteuert<br />
hat und die Höhe dürfte noch<br />
niemandem Sorgen bereiten.<br />
102
Die Grenzen<br />
Zum Abschluss einige interessantere<br />
Tatsachen. Einer der billigsten<br />
oder vielleicht sogar der billigste<br />
4x4-Wagen in Europa ist der Fiat<br />
Panda 4x4 aus Italien, der bis zu<br />
13 000 Euro kostet.<br />
Als schnellste Geländewagen preisen<br />
sich gegenwärtig die mit einem<br />
Motor mit 555 PS Leistung ausgestatteten<br />
„Brüder“ BMW X5 M und<br />
X6 M, die eine Höchstgeschwindigkeit<br />
von 275 km/h erreichen.<br />
Aber die Gesellschaft Brabus, die in<br />
beschränkten Serien Wagen herstellt,<br />
hat Ende des letzten Jahres<br />
auf Grundlage des Mercedes-<strong>Be</strong>nz<br />
GLK SUV einen echten Rennwagen<br />
geschaffen, der eine Geschwindigkeit<br />
von 322 km/h erreichen kann.<br />
Das grundlegende von Brabus perfektionierte<br />
Bauteil ist ein neuer<br />
V12-Motor mit zwei Turboladern,<br />
die es möglich machen, eine Maximalleistung<br />
von 750 PS und ein „saftiges“<br />
Drehmoment von 1350 Nm<br />
zu erzielen.<br />
Der schnellste Standard-Geländewagen,<br />
der auf der berühmten<br />
Rennstrecke von Nürnberg gefahren<br />
ist, ist der Porsche Cayenne<br />
Turbo. Eine Runde der Rennstrecke<br />
bewältigte er in 7 Minuten und 56<br />
Sekunden. Nach Angaben von<br />
Augenzeugen wurden bei dem<br />
Rekordversuch mehrere solcher<br />
Wagen zu Schrott gefahren, also<br />
wurden zur Sicherheit im Fahrzeug<br />
Sicherheitsbögen montiert.<br />
103
Einige Ratschläge<br />
für Anfänger<br />
Wenn wir also Ihr Interesse Geweckt<br />
haben und Sie an einem Wochenende<br />
die Freuden des Offroading<br />
ausprobieren möchten, sollten Sie<br />
über mehrere Dinge nachdenken.<br />
Zu allererst stellt sich die Frage,<br />
wo, in welchen Gegenden Sie die<br />
Fahrt planen? Ist Ihre geplante<br />
Route sumpfig, sandig oder bergig?<br />
Dementsprechend müssen Sie<br />
sich auch vorbereiten: Reifen, Kleidung,<br />
Zusatzausrüstung des Autos<br />
und Hilfsmittel wählen. Sie müssen<br />
unbedingt aufmerksam prüfen, ob<br />
Sie die Batterie Ihres Mobiltelefons<br />
oder eines anderen Kommunikationsgeräts<br />
geladen haben, ob<br />
das Navigationssystem einwandfrei<br />
funktioniert, damit Sie, falls<br />
notwendig, unkompliziert Hilfe<br />
rufen können.<br />
Die Wetterbedingungen müssen unbedingt<br />
berücksichtigt werden. Falls<br />
Sie vorhaben, in der Natur zu übernachten,<br />
werden Sie ein Zelt, einen<br />
Schlafsack und Insektenabwehrmittel<br />
benötigen. Nehmen Sie unbedingt<br />
mehrere Sätze Kleidung und Schuhwerk<br />
mit. Sorgen Sie auch für Lebensmittelvorräte.<br />
Wählen Sie dazu unverderbliche,<br />
konservierte Produkte.<br />
Denken Sie darüber nach, wie Sie warmes<br />
Essen zubereiten werden – über<br />
einem Feuer, oder auf einem Öl- bzw.<br />
Gaskocher. Über dem Feuer Gekochtes<br />
und Gebratenes wird bestimmt<br />
einen bleibenden gastronomischen<br />
Eindruck hinterlassen. Angebracht ist<br />
es, stärkeren Alkohol zur Desinfektion<br />
oder zur „Erwärmung“ nach einem<br />
Bad im Sumpf bei sich zu haben.<br />
Wenn Sie das erste Mal auf Reise gehen,<br />
lautet unser Rat: Suchen Sie sich<br />
einen Freund, der bereits die Fahrt<br />
auf entsprechenden Routen erprobt<br />
hat. Am besten wäre es, sich einer Gesellschaft<br />
anzuschließen, und sei es<br />
als Navigator. So können Sie mit eigenen<br />
Augen die Spezifik des Fahrens<br />
in unwegsamem Gelände zu sehen<br />
bekommen und sicher unkomplizierte<br />
Streckenabschnitte meistern.<br />
Außerdem ist diese Variante weniger<br />
kostenintensiv. Falls Sie keine solchen<br />
Freunde haben, versuchen Sie einen<br />
Geländewagen in Offroad-Clubs zu<br />
mieten und Sie werden gleichzeitig<br />
nützliche Hinweise erhalten. Wenn<br />
Ihnen Offroad gefällt, können Sie sich<br />
auf die Suche nach einem Wagen machen,<br />
der Ihren eigenen Anforderungen<br />
entspricht. Anfängern empfehlen<br />
wir die Wahl eines gebrauchten<br />
sowie wenigstens minimal vorbereiteten<br />
Geländewagens. Später werden<br />
Sie schon beim Fahren selbst feststellen,<br />
welche Zusatzausrüstung Sie benötigen,<br />
was Ihnen am besten gefällt.<br />
104
Geländewagenfahrer-Wörterbuch<br />
ABS: Antiblockiersystem der Bremsen.<br />
Offroad / unwegsames Gelände:<br />
jede Erdoberfläche, ausschließlich<br />
der Straßen guter Qualität.<br />
Kuss: wenn ein Geländewagen ein<br />
Objekt (z. B. einen Stein) sanft berührt,<br />
aber keinen Schaden nimmt.<br />
Schläger: ein Geländewagen mit<br />
nicht ansprechender Optik, der jedoch<br />
Verehrer hat.<br />
Luft ablassen: den Reifendruck<br />
verringern, damit bessere Bodenhaftung<br />
hergestellt wird.<br />
Neigungswinkel: maximaler Rampenwinkel,<br />
den der Wagen bewältigen<br />
kann, ohne den vorderen<br />
Stoßfänger oder den Unterboden<br />
zu berühren.<br />
Wasserleiche: ein tief im Wasser<br />
festsitzender oder überspülter Wagen<br />
oder nur sein Motor.<br />
Muskeln pumpen: Modifizierung<br />
der Standardteile des Wagens, um<br />
ihnen mehr Stabilität zu verleihen.<br />
Schwermetall: für gewöhnlich der<br />
größte vom Hersteller verkaufte<br />
Geländewagen.<br />
Gesperrt: manuell gesperrte Radnaben.<br />
Rüstung: starker Unterbodenoder<br />
Karosserieschutz.<br />
Dreirad: ein Terminus, der die Situation<br />
beschreibt, wenn ein Rad sich<br />
vom Boden abhebt.<br />
Niedrige Gänge: Gänge, die eine<br />
höhere Getriebeübersetzung besitzen<br />
(hohe Gänge – umgekehrt).<br />
Score<br />
Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />
Ziel zu erreichen.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
105
BREATH THERMO<br />
Ihr Aufwärmprogramm für den Winter<br />
Der Sommer neigt sich dem Ende, die Temperaturen beginnen zu sinken und schon stehen Wintersport und Winterurlaub<br />
vor der Tür. Viel Zeit und <strong>Be</strong>wegung im Freien - beim Skifahren, Snowboarden, Langlaufen, Klettern, Wandern, Laufen oder<br />
Golfen - erfordert bei allen Sportarten und Aktivitäten gleichermaßen eine perfekte Ausrüstung, insbesondere bei niedrigen<br />
Temperaturen.<br />
Genau dafür bietet der japanische Sportartikelhersteller MIZUNO die Lösung:<br />
BREATH THERMO – die erste Faser, die sich warm macht!<br />
Breath Thermo ist eine revolutionäre (Sport)Faser, die Körperfeuchtigkeit absorbiert und in Wärme umwandelt. Durch diese<br />
einzigartige Funktion unterscheidet sich Breath Thermo von sonstiger „Funktions-Unterwäsche“.<br />
Wie funktioniert Breath Thermo?<br />
Breath Thermo ermöglicht einen ständigen Zyklus der Wärmeerzeugung, wenn man bei kaltem Wetter aktiv ist. Den<br />
ganzen Tag über verdunstet unser Körper Feuchtigkeit – in so geringen Mengen, dass es von uns nicht wahrgenommen wird.<br />
Diese Körperfeuchtigkeit wird von den Breath Thermo Fasern aufgenommen. Durch eine spezielle Ummantelung wird<br />
verhindert, dass die Breath Thermo Fasern sich ausdehnen – wie gewöhnliche Fasern das tun, wenn sie Feuchtigkeit aufnehmen.<br />
Dadurch entsteht Reibungsenergie im Inneren der Faser, die in Form von Wärme spürbar ist. Man muss also nicht schwitzen,<br />
um den Wärmeprozess zu aktivieren, auch bei allen leichten <strong>Be</strong>wegungsformen kann man von der wärmenden Breath Thermo<br />
Funktion profitieren.<br />
Durch zusätzlich in das Material eingearbeitete DryScience Fasern wird die Körperfeuchtigkeit an die Oberfläche des Stoffes<br />
transportiert, so bleibt der Sportler im Winter warm und trocken.<br />
Der Sportartikelspezialist MIZUNO hat seine jahrzehntelange Erfahrung im Leistungssport und in der <strong>Be</strong>kleidungstechnologie<br />
verwendet, um eine kühne Vision in diese neuartige Technologie zu verwandeln. Mit dem Vorbild der Natur vor Augen, war<br />
es das Ziel der Entwickler, eine Faser zu kreieren, die den Körper aktiv vor dem Auskühlen schützt. Die exklusive Breath Thermo<br />
Unterwäsche liegt angenehm und sanft auf der Haut und spendet die ideale Wärme auf dem Körper. Neben der wichtigsten<br />
Funktion, der Erzeugung von Wärme, bietet Breath Thermo auch andere Vorteile: es kontrolliert den pH-Wert der Kleidung<br />
und sorgt so für ein angenehmes Tragegefühl, außerdem hat es eine antibakterielle Wirkung.<br />
Noch wärmer: die Breath Thermo Linie „Wool“ –<br />
getestet von National Geographic Fotograf Paul Nicklen!<br />
Für den tiefsten Winter gibt es die erweiterte Linie „Wool“, die mit 27% Merinowolle auch extremen <strong>Be</strong>dingungen standhält.<br />
Mizuno hat den bekannten National Geographic Fotograf und Abenteurer Paul Nicklen engagiert, um die Wärme erzeugende<br />
Breath Thermo <strong>Be</strong>kleidung unter extremen <strong>Be</strong>dingungen zu testen. Nicklen arbeitet regelmäßig über Wochen hinweg in<br />
den kältesten und entlegensten Regionen unseres Planeten, von Alaska bis zu den Northwest Territories, und diese extremen<br />
<strong>Be</strong>dingungen erfordern das beste und technisch am höchsten entwickelte Equipment. Hier kommt Mizuno ins Spiel, und<br />
versorgt ihn mit Breath Thermo <strong>Be</strong>kleidung, die ihn warm und trocken hält.<br />
Im Gegenzug ist Paul Nicklen viel mehr als ein einfacher Botschafter der Marke. Er spielt eine zentrale Rolle in <strong>Be</strong>zug auf<br />
Forschung und Entwicklung für die Breath Thermo Technologie und versorgt Mizuno mit wichtigem Feedback bezüglich<br />
Tragekomfort und Funktionalität unter extremen <strong>Be</strong>dingungen. Dadurch wird die Breath Thermo <strong>Be</strong>kleidung ständig<br />
weiterentwickelt und verbessert.<br />
Breath Thermo umfasst eine komplette Kollektion von Funktionsunterwäsche über Laufbekleidung, Handschuhe, Socken<br />
und Accessoires in verschiedenen Farben, für Damen und Herren. Neben der wichtigsten Funktion, der Erzeugung von<br />
Wärme bietet Breath Thermo auch andere Vorteile: es kontrolliert den pH-Wert der Kleidung und sorgt so für ein angenehmes<br />
Tragegefühl, außerdem hat es eine antibakterielle Wirkung.<br />
W H I T E Communications<br />
HOME TO BEAUTIFUL BRANDS<br />
www.mizuno.eu
person<br />
Der Übermensch vom<br />
Eisplaneten<br />
Der Eismensch WIM HOF<br />
Text Gediminas Galkauskas<br />
108
Der Übermensch vom Eisplaneten:<br />
Menschen können mehr als sie denken<br />
Die ewigen Diskussionen, ob es den Schneemenschen<br />
gibt oder nicht, haben ein Ende.<br />
Falls Sie auf der Seite derjenigen standen,<br />
die behauptet haben, dass ein<br />
solches Geschöpf existiert, können<br />
Sie sich die Krone aufsetzen. Es gibt<br />
allerdings eine winzige Ungenauigkeit:<br />
Er ist kein Schnee- sondern ein<br />
Eismensch. Und er wohnt ganz und<br />
gar nicht in China, sondern in den<br />
Niederlanden und hat sogar einen<br />
Pass, in dem Vor- und Familienname<br />
stehen: Wim Hof. Geburtsdatum: 20.<br />
April 1959. Genau dieser Mensch kann<br />
uns allen Hoffnung geben, dass man<br />
den kältesten Winter überleben kann.<br />
Der Eismensch wurde weltweit dadurch<br />
berühmt, dass er besonders<br />
niedrige Temperaturen aushalten<br />
kann. Er hält 15 Guinness-Weltrekorde,<br />
von denen die meisten mit der<br />
Demonstrierung der Möglichkeiten<br />
des Menschen bei extremer Kälte zusammenhängen.<br />
Wie im Spott über die im Überfluss lebende<br />
und verwöhnte Welt schlüpft<br />
Wim Hof selbst bei eisiger Kälte in seine<br />
Shorts, die bereits zum Warenzeichen<br />
geworden sind, und taucht in<br />
eisiges Wasser, läuft Marathon-Distanzen<br />
hinter dem Polarkreis oder sitzt<br />
länger als eine Stunde in einem Reservoir<br />
voller Eiswürfel. Nach all dem<br />
ist seine Körperfarbe immer noch<br />
rosig, und nach kritischen Versuchen<br />
raucht er manchmal glückselig eine<br />
Zigarette.<br />
Unglaubliche<br />
Entdeckungen<br />
Seine <strong>Be</strong>rufung zum König von<br />
Schnee und Kälte zu werden hat<br />
der in Sittard (Holland) geborene<br />
Wim Hof ganz zufällig entdeckt,<br />
als er im Winter im Park spazieren<br />
ging. Ihn faszinierte ein mit einer<br />
dünnen Eisschicht bedecktes Gewässer.<br />
Nachdem er eine Zeitlang<br />
überlegt hatte, ob es anständig<br />
wäre, sich in der Öffentlichkeit auszuziehen,<br />
und ob man ihn nicht als<br />
gewöhnlichen Verrückten in die<br />
Psychiatrie verfrachten würde, ist<br />
der zukünftige Eismensch in das<br />
kalte Wasser abgetaucht und erfuhr<br />
eine Erleuchtung sowie das<br />
Gefühl einer ungeahnten Kraft.<br />
Seit dieser Zeit wiederholt er täglich<br />
das Ritual des Eintauchens in<br />
eisiges Wasser, welches das Blut in<br />
den Adern gefrieren lässt. Durch<br />
die allmähliche Verlängerung seines<br />
Aufenthalts im kalten Wasser<br />
und durch verschiedene Atemübungen<br />
überschritt der Holländer<br />
die Grenze, die für einen normalen<br />
Menschen mit einer Reise<br />
ins Jenseits endet.<br />
Die Körpertemperatur eines gewöhnlichen<br />
Menschen, der in Eiswasser<br />
gerät, fällt in wenigen Minuten<br />
bis auf die kritische Grenze von<br />
33 °C. Dann fangen die Körperflüssigkeiten<br />
an zu erstarren und um<br />
lebenswichtige Organe zu retten,<br />
beginnt der Körper Blut für sie aufzusparen,<br />
indem er es nicht zu den<br />
Extremitäten leitet. Diese erfrieren<br />
dann. Auch das Herz- und Gefäßsystem<br />
nehmen Schaden, und im kritischen<br />
Fall kann ein schwaches Blutgefäß<br />
einfach platzen. Geschieht<br />
dies im Kopf, dann ist der Tod garantiert.<br />
Ein normaler Mensch erleidet<br />
beim Abtauchen in Eiswasser einen<br />
starken Schmerz, sein Blutkreislauf<br />
wird gestört, Hysterie tritt auf.<br />
109
110<br />
person
Der Übermensch<br />
Wenn man die Tätigkeit von Wim<br />
Hof betrachtet, erscheint er wie ein<br />
echter Außerirdischer, der vom mit<br />
ewigem Eis überzogenen Zwergplaneten<br />
Pluto auf die Erde gekommen<br />
ist. <strong>Be</strong>vor er seine Identität der<br />
breiten Masse, der NASA und den<br />
MIB bekannt gab, hat er als Briefträger<br />
gearbeitet. Die Menschen<br />
waren sicher zufrieden, weil sie ihre<br />
Briefe selbst bei der eisigsten Kälte<br />
erhielten.<br />
Während dieser Zeit hat er auch<br />
seine Fähigkeit zum Überleben bei<br />
extremer Kälte trainiert und nach<br />
20 Jahren Vorbereitung wagte er<br />
es, sich der Welt zu zeigen, als er<br />
1999 den Entschluss fasste, eine<br />
halbe Marathon-Distanz zu laufen<br />
... hinter dem Polarkreis, bei eisiger<br />
Kälte. <strong>Be</strong>reits damals trug er nur<br />
Shorts und lief barfuß.<br />
Später hat er mehrmals seine halben<br />
Marathon-Läufe hinter dem<br />
Polarkreis wiederholt, aber er hat<br />
auch eine volle Marathon-Distanz<br />
am gleichen Ort bewältigt. Schließlich<br />
fügte er seiner besonders reichhaltigen<br />
<strong>Be</strong>kleidung, die aus Shorts<br />
und nur Shorts bestand, auch Sandalen<br />
hinzu, die für eine bessere Bodenhaftung<br />
auf rutschigem Schnee<br />
und Eis unerlässlich sind. Dies wird<br />
zur Energieeinsparung gemacht,<br />
weshalb Wim Hof auch immer nur<br />
auf hartem Schnee läuft. Unter solchen<br />
<strong>Be</strong>dingungen und bei fast<br />
–20°C bewältigte der Eismensch die<br />
Marathon-Distanz in 5 Stunden 25<br />
Minuten. Den Weltrekord für den<br />
herkömmlichen Marathon hält gegenwärtig<br />
der Äthiopier Haile Gebrselassie<br />
und er liegt bei 2 Std. 3 min<br />
59 s. Am interessantesten ist, dass<br />
die weltbesten Athleten sich lange<br />
auf die anstrengende Distanz von<br />
42,195 km vorbereiten und vor den<br />
entscheidenden Starts ein mehrere<br />
Monate andauerndes spezielles<br />
Trainingsprogramm absolvieren.<br />
Der Eismensch hingegen behauptet,<br />
dass er niemals ein Läufer gewesen<br />
sei und seine Fähigkeit zur <strong>Be</strong>wältigung<br />
langer Distanzen nicht trainiert<br />
hätte. Seine einzige Vorbereitung vor<br />
dem Extremmarathon in der Kälte ist<br />
die Einhaltung des Tagesablaufs, d. h.<br />
das tägliche Abtauchen in Eiswasser.<br />
Und am letzten Tag vor dem Lauf<br />
schwimmt er einfach eine halbe Stunde<br />
im Eiswasser, damit sein Körper<br />
sich an die herannahenden maximalen<br />
Herausforderungen gewöhnt.<br />
Der Rekord des Afrikaners wird mit<br />
Sicherheit verbessert werden, und es<br />
scheint, dass Wim Hof der Einzige ist,<br />
der neue Rekorde aufstellen und sie<br />
später selbst übertrumpfen kann. Es<br />
könnte als sehr billiger Trick anmuten,<br />
aber er hält eine Reihe besonders<br />
solider Rekorde, beispielsweise<br />
für den längsten Aufenthalt in einem<br />
mit Eiswürfeln gefüllten Reservoir.<br />
Gegenwärtig liegt sein Rekord, den<br />
er dieses Jahr in Tokio aufgestellt hat,<br />
bei 1 Std. 44 min. Er ist 57,5 m unter<br />
dem Eis der Arktis geschwommen,<br />
wobei er keinen Schutzanzug getragen<br />
hat, mit Ausnahme seiner traditionellen<br />
Shorts und einer Schutzbrille.<br />
Um zu zeigen, dass seine Fähigkeiten,<br />
den Körper zum Überleben bei Extrembedingungen<br />
zu zwingen, weiter<br />
reichen als nur heitere <strong>Be</strong>schäftigung<br />
in der Kälte, hat Wim Hof 4 min 30 s<br />
nach völligem Ausatmen, d. h. ohne<br />
Sauerstoff ausgehalten.<br />
111
person<br />
Am meisten wurde der Eismensch<br />
jedoch berühmt, als er versuchte,<br />
den Everest fast nackt zu besteigen.<br />
Den Gipfel hat er auf Grund<br />
einer wiederkehrenden <strong>Be</strong>inverletzung<br />
nicht erreichen können, aber<br />
nur in Shorts und Sandalen hat er<br />
es trotzdem bis auf eine Höhe von<br />
7,4 km geschafft. Nach der Marke<br />
von 6,7 km hat er seine Sandalen<br />
allerdings in spezielle <strong>Be</strong>rgsteigerschuhe<br />
eingetauscht, weil sich an<br />
seinem geliebten Schuhwerk keine<br />
Steigeisen befestigen ließen. Dass<br />
ein solches Unterfangen ein außergewöhnliches<br />
Ereignis ist, bestätigte<br />
auch Doktor Kenneth Kamler,<br />
der im <strong>Be</strong>reich Extremmedizin<br />
tätig ist. Er sagt, dass die meisten<br />
Menschen gerade wegen der unerträglichen<br />
Kälte und des Windes<br />
nicht in der Lage sind, den Everest<br />
zu besteigen.<br />
Obwohl es Wim Hof noch nicht<br />
gelungen ist, den höchsten <strong>Be</strong>rg<br />
der Welt zu erklimmen, so lag ihm<br />
jedoch bereits der höchste Gipfel<br />
Afrikas – der Kilimandscharo, zu<br />
Füßen. Für den Aufstieg benötigte<br />
der Holländer 2 Tage, ebenso viel<br />
für den Abstieg. Seiner Willensanstrengung<br />
hielt auch der höchste<br />
<strong>Be</strong>rg Europas – der Mont Blanc,<br />
nicht stand.<br />
Keine Spezialtricks<br />
– nur der Ruf<br />
der Natur<br />
Viele Menschen, die zum ersten Mal<br />
von Wim Hof hören, prusten vor Lachen<br />
und sagen, das wäre ja nichts<br />
<strong>Be</strong>sonderes. Der berühmte Magier<br />
David Blaine aus den USA stand<br />
schließlich ganze drei Tage auf einem<br />
Eisblock. Wim Hof selbst hat seine eigene<br />
Meinung dazu: „Blaine stand<br />
15–20 cm vom Eis entfernt und hatte<br />
keinen direkten Kontakt damit, deshalb<br />
imponiert mir seine Leistung<br />
überhaupt nicht. Ich habe großen<br />
Respekt vor ihm, weil er drei Tage<br />
lang auf den <strong>Be</strong>inen stehen konnte,<br />
aber nicht wegen seiner Fähigkeit, eisige<br />
Kälte zu ertragen.“<br />
Der Eismensch sagt, dass die Kälte<br />
nicht unser Feind ist. Im Gegenteil –<br />
sie ist unser bester Freund. Genau bei<br />
der Konfrontation mit der Kälte lernt<br />
man Körper und Geist zu kontrollieren.<br />
Würde er das den Nachkommen<br />
von Robert Scott, der auf einer Reise<br />
zum Südpol ums Leben gekommen<br />
ist, erzählen. Trotzdem hat Wim Hof<br />
keine Zweifel, dass die Fähigkeit zum<br />
Ertragen großer Kälter allen Menschen<br />
angeboren ist und tippt mit<br />
dem Finger auf die Ureinwohner Australiens<br />
(Aborigines), die nackt schlafen,<br />
obwohl es nachts besonders kalt<br />
ist, oder auf die Inuit von Grönland,<br />
die stets mit den Möglichkeiten des<br />
Menschen zum Ertragen von Kälte<br />
experimentieren. Wenn man diese<br />
Fähigkeit aber nicht nutzt, dann verkümmert<br />
sie ganz natürlich. Ein Kollege<br />
von Wim Hof, der Psychologe Dr.<br />
George Havenith behauptet, dass der<br />
Mensch solche Eiseskälte nur durch<br />
ständige <strong>Be</strong>währung des Körpers<br />
unter Extrembedingungen und die<br />
Fähigkeit, die angemessene Reaktion<br />
des Körpers auf außergewöhnliche<br />
<strong>Be</strong>währungen hervorzurufen, ertragen<br />
kann.<br />
Um zu beweisen, dass er kein außergewöhnlicher<br />
Mensch ist, der furchtbare<br />
Kälte ertragen kann, sondern<br />
ganz einfach ein Experte für den geistesgesteuerten<br />
Körper, beabsichtigt<br />
der Eismensch In diesem Jahr eine<br />
Distanz von 50 km in der Sahara zu<br />
laufen, ohne dabei Flüssigkeiten zu<br />
sich zu nehmen. Er stellt bereits jetzt<br />
unter <strong>Be</strong>weis, dass die Fähigkeit zum<br />
Ertragen extremer Hitze ebenfalls<br />
angeboren ist und nennt ein <strong>Be</strong>ispiel<br />
aus seiner Arbeit als <strong>Be</strong>rgführer: Unter<br />
der brennenden Sonne Spaniens<br />
bei +40 °C trinkt er den ganzen<br />
Tag über kein Wasser. Wie ein Kamel.<br />
Erst nach seiner Rückkehr an den<br />
Urlaubsort trinkt er nachts literweise<br />
Wasser. Auch genau wie ein Kamel.<br />
Wim Hof sagt, das sei der <strong>Be</strong>weis dafür,<br />
dass die Natur den Lebewesen<br />
diese Fähigkeiten verliehen hat, man<br />
muss sie nur von Neuem entdecken<br />
und ständig perfektionieren. Wir sind<br />
sehr erfreut, dass der Holländer kein<br />
<strong>Be</strong>ispiel mit Regenwürmern genannt<br />
hat, weil sich sonst unverhofft herausstellen<br />
würde, dass die Fähigkeit des<br />
Menschen zur Fortpflanzung mit sich<br />
selbst ebenfalls angeboren ist.<br />
112
Wim Hof argumentiert, dass der<br />
Mensch sich ständig weiterentwickelt<br />
und schließlich durch den Versuch,<br />
sich an Extrembedingungen<br />
anzupassen, am Ende zum Überschreiten<br />
unvorstellbarer Grenzen<br />
in der Lage ist: „Edmund Hillary hat<br />
den Everest in Kleidung und mit einer<br />
Sauerstoffmaske bestiegen. Das<br />
war der Anfang. Reinhold Messner<br />
schaffte es später ohne Sauerstoffmaske,<br />
und jetzt versucht jemand<br />
das Gleiche nur mit Shorts bekleidet.<br />
Eine größere Herausforderung<br />
kann man sich nicht vorstellen.“<br />
Um zu beweisen, dass der Körper<br />
natürlicherweise auf das Überleben<br />
bei Extrembedingungen angepasst<br />
ist, hat Wim Hof beim <strong>Be</strong>antworten<br />
der Frage, wie seine Extremitäten<br />
auf die tödliche Kälte reagiert haben,<br />
das folgende <strong>Be</strong>ispiel angeführt:<br />
„Die natürliche Schutzfunktion<br />
des Penis äußert sich darin, dass<br />
er zusammenschrumpft. Er zieht<br />
sich fast schon ins Innere zurück. Er<br />
ist wie der ausziehbare Griff einer<br />
Angel.“ Hm...<br />
113
person<br />
Die Fähigkeit, mit<br />
dem Geist den Körper<br />
zu kontrollieren<br />
Der Freund aller Eisbären sagt, dass<br />
die Fähigkeit zum Überleben unter<br />
Extrembedingungen nur dank der<br />
Kontrolle durch den Geist möglich<br />
ist. Wim Hof ist in der Lage, die innere<br />
Energie dorthin umzuleiten, wo<br />
es am notwendigsten ist. Der Körper<br />
ist aber ein Körper und der unsrige<br />
ist meist schwach, besonders, wenn<br />
wir die Komfortzone verlassen.<br />
Der Eismensch ist deshalb überzeugt,<br />
dass man keine extremen <strong>Be</strong>währungsproben<br />
überleben kann, wenn<br />
man versuchen will, den Schmerz zu<br />
ignorieren, und nicht ihn zu überschreiten.<br />
Der Holländer sagt, dass es<br />
stärkere Kräfte gibt und diese helfen<br />
können, alles zu ertragen. Laut ihm<br />
ist der Schmerz ein Signal, dass etwas<br />
nicht in Ordnung ist. Wenn man<br />
jedoch in der Lage ist, auf tiefere Stufen<br />
der Persönlichkeit abzutauchen,<br />
dann wird dieser Schmerz einfach<br />
überschritten.<br />
Um zu erreichen, dass sein Körper<br />
unter Extrembedingungen überlebt,<br />
muss Wim Hof mit Hilfe seines<br />
Geistes die inneren Energieströme<br />
effizient steuern und in der Lage<br />
sein, Körperwärme von innen heraus<br />
zu erzeugen. Das gleiche Prinzip ist<br />
schon lange bekannt und wird Tummo<br />
genannt, eine Meditation, die von<br />
tibetischen Mönchen in den <strong>Be</strong>rgen<br />
praktiziert wird. Die <strong>Be</strong>schreibung des<br />
am weitesten verbreiteten Tummo-<br />
Rituals lautet ungefähr so: Die tibetischen<br />
Mönche sitzen nackt auf einem<br />
Eisblock, um sie herum liegen feuchte<br />
Laken. Wenn die Mönche meditieren,<br />
trocknet selbst bei Minusgraden die<br />
Kleidung und der Eisblock schmilzt.<br />
Der Eismensch selbst behauptet, dass<br />
er diese Technik selbst verinnerlicht<br />
hat und die Praxis der tibetischen<br />
Mönche niemals ernsthaft studiert<br />
hat. Ob es die Wahrheit ist oder nicht,<br />
Wim Hof ist der einzige Mensch auf<br />
der Welt, der nicht aus Tibet stammt<br />
und diese Technik beherrscht. Tibet<br />
am nächsten war er nur bei seiner<br />
<strong>Be</strong>steigung des Everests. Aber schon<br />
beim ersten Eintauchen in das eisige<br />
Wasser in seiner Jugendzeit hat er<br />
verstanden, dass er mit Hilfe seines<br />
Gehirns und der Konzentration das<br />
sogenannte innere Feuer aufrechterhalten<br />
kann, das die <strong>Be</strong>wältigung<br />
von extremen <strong>Be</strong>währungen möglich<br />
macht. Später hat er diese Fähigkeiten<br />
selbst perfektioniert.<br />
Dass er tatsächlich die Energie dorthin<br />
umleiten kann, wo der Körper<br />
sie benötigt, hat Wim Hof schon bei<br />
seinem Marathonlauf hinter dem Polarkreis<br />
bewiesen. Er begann die Strecke<br />
mit einem schmerzenden <strong>Be</strong>in,<br />
was ihn aber nicht gestört hat. Nach<br />
drei Stunden Laufen war er erschöpft,<br />
hatte aber noch nicht die Grenze erreicht,<br />
die jedem Marathonläufer unter<br />
der <strong>Be</strong>zeichnung „hit the wall“ bekannt<br />
ist. Obwohl er eingestand, dass<br />
etwas mehr als 4 km vor der Ziellinie<br />
seine <strong>Be</strong>ine sehr schwer waren und<br />
dass ihm etwas kalt war, war er in der<br />
Lage, die Energieströme an die kritischen<br />
Stellen umzuleiten und nachdem<br />
er einen heißen Tee getrunken<br />
hatte, konnte er in <strong>Be</strong>gleitung seines<br />
sechsjährigen Sohnes Noah das Ziel<br />
erreichen. Und... als echter <strong>Be</strong>fürworter<br />
der gesunden Lebensweise zündete<br />
er sich eine Zigarette an.<br />
114
Für das Wohl der<br />
Wissenschaft<br />
Mit dem Wunsch, dass die Menschen<br />
in sich selbst die angeborene<br />
Fähigkeit zur <strong>Be</strong>wältigung<br />
extremer <strong>Be</strong>währungsproben entdecken<br />
mögen, begibt sich Wim<br />
Hof gern in die Hände von Wissenschaftlern.<br />
Er möchte damit<br />
beweisen, dass er tatsächlich kein<br />
Übermensch ist. Die Forscher haben<br />
festgestellt, dass der Körper<br />
des Eismenschen keine Anomalien<br />
aufweist, weshalb seine Fähigkeit<br />
zum Ertragen eisiger Kälte viel tiefer<br />
liegt.<br />
Ärzte haben die Gehirnfunktionen<br />
von Wim Hof bei einem seiner Tauchgänge<br />
ins Eis untersucht. In diesem<br />
Zeitraum wechselt die Gehirntätigkeit<br />
des Holländers vom parietalen<br />
<strong>Be</strong>reich, der für die natürlichen<br />
Überlebensmechanismen zuständig<br />
ist, auf den frontalen <strong>Be</strong>reich.<br />
Mit anderen Worten, der Eismensch<br />
versucht, bewusst die natürliche<br />
Reaktion des Körpers auf Extremerfahrungen<br />
zu umgehen und mit<br />
dem Nervensystem die Immunität<br />
zu kontrollieren, was für gewöhnlich<br />
unbewusst stattfindet. <strong>Be</strong>i den Untersuchungen<br />
wurde festgestellt, dass<br />
der Eismensch in der Lage ist, bewusst<br />
Blut umzuleiten oder Blutgefäße zu verengen<br />
bzw. zu erweitern. Obwohl die<br />
Temperatur seiner Haut bis auf 30 °C<br />
sank, hielt sich die innere Temperatur<br />
bei 37 °C. Wie ein inneres Feuer.<br />
Selbst bei einem Aufenthalt im Wasser<br />
von mehr als einer Stunde beträgt die<br />
Körpertemperatur des Holländers immer<br />
noch 35 °C. Sein Herzrhythmus<br />
stieg währenddessen von 70 auf 140<br />
Schläge pro Minute an. Wim Hof und<br />
sein Team erklären dies damit, dass<br />
somit mit Hilfe des Geistes die Körpertemperatur<br />
erhöht wird. Ein erhöhter<br />
Herzrhythmus ist notwendig, um Sauerstoff<br />
an konkrete Stellen im Körper<br />
zu transportieren.<br />
Um zu beweisen, dass der Körper zu<br />
allem fähig ist – nicht nur zum Erzeugen<br />
des inneren Feuers, bereitet<br />
sich Wim Hof gemeinsam mit Wissenschaftlern<br />
auf ein Experiment vor, bei<br />
dem ihm eine Bakteriendosis verabreicht<br />
werden wird, und sein Immunsystem<br />
wird diese Bakterien bekämpfen.<br />
Wim Hof hat keine Zweifel, dass<br />
ihm dies bewusst gelingen wird. Und<br />
wenn er es kann, bedeutet das, dass<br />
jeder es kann. Falls ihm das Humane<br />
Immundefizienz-Virus injiziert wird<br />
und der Eismensch in der Lage sein<br />
wird, es loszuwerden, werden alle Laboratorien,<br />
die schon mehrere Jahrzehnte<br />
keine Medikamente gegen<br />
AIDS erfinden können, weltweit in<br />
Konkurs gehen.<br />
115
person<br />
Erfolgslehrer<br />
Da Wim Hof sagt, dass jeder Mensch<br />
das kann, was er fertigbringt, veranstaltet<br />
er Trainingskurse und versucht<br />
die Menschen zu inspirieren, in seine<br />
Fußstapfen zu treten. So sehr wir die<br />
aktive Freizeit auch lieben, ziehen wir<br />
es vor, lieber warm mit einer Decke bei<br />
einem Glas Glühwein zusammenzusitzen,<br />
während andere trainieren, um<br />
Kopien des Eismenschen zu werden.<br />
Dieses Ziel kann man ganz unkompliziert<br />
erreichen und beginnen sollte<br />
man bei Atemübungen: Sie müssen<br />
tief atmen, bis es scheint, dass Sie fühlen,<br />
wie sie im Innern wie ein Ballon<br />
platzen. Dann müssen Sie tief einatmen<br />
und den Atem anhalten. Wenn<br />
Sie das getan haben, fangen Sie an<br />
Liegestützen zu machen. Wenn man<br />
gut trainiert, kann man auf diese Weise<br />
mehr als 100 Liegestützen machen.<br />
Wim Hof vergleicht das Abtauchen<br />
ins Wasser mit dem Gefühl, wenn man<br />
zum ersten Mal auf einen Sprungturm<br />
in 10 m Höhe hinaufgestiegen<br />
ist und nach unten schaut. Dieses Gefühl<br />
mischt sich mit Liegestützen bei<br />
angehaltenem Atem. Wenn Sie alles<br />
zusammenrechnen, dann können<br />
Sie sich ungefähr vorstellen, welchen<br />
emotionalen Schock der Körper beim<br />
Eintauchen in Eiswasser erfährt. Nach<br />
den Trainingskursen des Eismenschen<br />
hat es Menschen gegeben, die bereits<br />
länger als eine halbe Stunde in eisigem<br />
Wasser aushalten konnten. Wim<br />
Hof erklärt dies wie ein typischer und<br />
banaler Erfolgslehrer: Vorbereitung<br />
ist wichtig, aber noch wichtiger ist der<br />
Glaube, dass du es schaffen kannst.<br />
Für eine bessere Welt<br />
Wim Hof hat den gemeinnützigen<br />
Fonds „Happy People of the World“<br />
gegründet, dessen Hauptziel darin<br />
besteht, die Welt besser zu machen.<br />
Ziel des Fonds ist es, Einkommen zu<br />
erzielen oder über Sport-, Umweltschutz-<br />
und Kunstveranstaltungen<br />
und durch den Verkauf der Produkte<br />
von „Happy People“ Aufmerksamkeit<br />
auf verschiedene gemeinnützige<br />
Organisationen zu lenken. Um auf<br />
die Probleme des Umweltschutzes<br />
aufmerksam zu machen, befährt der<br />
Fonds die Weltmeere stets mit einem<br />
Schiff, das nur durch Sonnenenergie<br />
angetrieben wird. Oder sie stellen die<br />
Skulpturen an den berühmtesten Orten<br />
der Welt auf.<br />
Gegenwärtig fördert Wim Hof das<br />
Projekt des Fotokünstlers Henny Boogert,<br />
mit dem gezeigt werden soll,<br />
wie unterschiedlich Studenten in verschiedenen<br />
Ländern untergebracht<br />
werden, konkret am <strong>Be</strong>ispiel von Kenia,<br />
Russland und den Niederlanden.<br />
Die Welt wird tatsächlich besser werden.<br />
Insbesondere dann, wenn sie<br />
ganz von Eis umschlossen ist.<br />
Nachrichten<br />
Am 7. April 2011 fand der kälteste<br />
Wettbewerb auf Erden statt – der<br />
Nordpolmarathon. Die Teilnehmer<br />
liefen, im Unterschied zu<br />
Wim Hof, in warmer <strong>Be</strong>kleidung<br />
und sogar mit Gesichtsschutz. An<br />
diesem Marathon konnte jeder<br />
teilnehmen, der die Teilnahmegebühr<br />
von 11 900 EUR aufbringen<br />
konnte. Für diese Gebühr wurden<br />
die Teilnehmer in Spitzbergen in<br />
Norwegen untergebracht, später<br />
zum Nordpol geflogen und nach<br />
dem Marathon zurückbefördert.<br />
Für diese bescheidene Teilnahmegebühr<br />
erhalten Sie Fotos und<br />
Videos von sich beim Laufen, T-<br />
Shirts, Souvenirs und andere völlig<br />
unnütze Dinge.<br />
Der kälteste von Menschen bewohnte<br />
Ort auf der Welt heißt<br />
Oimjakon – ein Dorf in der russischen<br />
Region Jakutien. Die<br />
Durchschnittstemperatur im Winter<br />
beträgt hier –45 °C. Der Ort<br />
hält auch den weltweiten Kälterekord<br />
von –71,2 °C. Die Schulen<br />
in Oimjakon werden wegen Kälte<br />
erst dann geschlossen, wenn<br />
die Temperatur bis auf –52 °C<br />
sinkt. An diesem Ort leben über<br />
200 000 Menschen. Vielleicht<br />
sind sie noch härter als Wim Hof.<br />
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117
person<br />
Wenn Sie das Motorradfahren<br />
mögen, sollten Sie, um Ihre Hände<br />
bei kaltem Wetter zu schützen,<br />
Handschuhe von „SealSkinz“<br />
wählen, die speziell für sehr kaltes<br />
Wetter ausgelegt sind. Diese<br />
Handschuhe verfügen über drei<br />
Schichten und die Mittelschicht<br />
ist wasserfest. Die untere Schicht<br />
wurde so entworfen, dass sie<br />
ständig die Feuchtigkeit von der<br />
Haut aufnimmt, und die äußere<br />
Schicht ist sehr elastisch und<br />
sorgt für den bestmöglichen Sitz<br />
auf der Hand. Solche Handschuhe<br />
kosten ungefähr 70 USD.<br />
Um Spaß bei kaltem Wetter zu<br />
haben, müssen Sie sich auch um<br />
ein geeignetes Zelt kümmern.<br />
Für sehr kaltes Wetter geeignete<br />
Zelte sind oft teuer, aber wenn<br />
Sie an dieser Stelle sparen, können<br />
Sie eventuell den Morgen<br />
nicht mehr erleben. Wir empfehlen<br />
das „North Face VE 25“ oder<br />
das von „Exped“ hergestellte<br />
„Pegasus“. Der Preis für das erste<br />
Zelt liegt bei 600 USD, der Preis für<br />
das zweite beginnt bei 800 USD.<br />
Es gibt nichts Schlimmeres, als<br />
sich den Kopf samt Gehirn abzufrieren.<br />
Wenn Sie bei Kälte Spaß<br />
haben möchten, raten wir zum<br />
Kauf von „Arctic Hat 6 in 1“. Wie<br />
der Name sagt, kann man diese<br />
Mütze auf sechs Arten einsetzen:<br />
als Haube mit Schal, als Haube mit<br />
Gesichtsschutz, als Halsschutz,<br />
nur als Gesichtsschutz (auf dem<br />
Kopf können Sie tragen, was Ihnen<br />
beliebt), als einfache Mütze<br />
oder als <strong>Be</strong>utel. Dieses Chamäleon<br />
kostet Sie ungefähr 25 USD.<br />
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