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Be Active Schachboxen - intellektuelle Kämpfer (Vorschau)

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2011 1<br />

05 DAS WORT DES Redakteurs<br />

06 <strong>Be</strong> Athlete<br />

SCHACHBOXEN<br />

Intellektuelle <strong>Kämpfer</strong><br />

10 BE FATHER / MOTHER<br />

Mission Impossible: das Kind zur <strong>Be</strong>wegung anregen<br />

Das Problem der Aktivität von Kindern und Jugendlichen<br />

26 <strong>Be</strong> Biker<br />

TAUSENDE VON KILOMETERN IN EINE RICHTUNG<br />

Exotischer Urlaub auf dem Motorrad<br />

54 BE EXPLORER<br />

Der Mars auf Erden<br />

Wo die Opalitis (das Opalfieber) gedeiht<br />

70 BE TREKKER<br />

Zu FuSS, auf Rädern oder mit Flügeln?<br />

Die ganz persönliche Art die Welt zu bereisen<br />

82 BE DRIVER<br />

Fahren, wohin man will<br />

Eigenschaften und Vorzüge von Wagen mit Allradantrieb<br />

108 BE PERSON<br />

Menschen können mehr als sie denken<br />

Der Eismensch Wim Hof<br />

22 IMPRESSUM<br />

<strong>Be</strong>wertungsskala<br />

2011 1<br />

2011 1<br />

Erklärungen der <strong>Be</strong>wertungsskala<br />

Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />

Ziel zu erreichen.<br />

5000 Euro<br />

Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist. 1 Tag Wochenendreise 7–10 Tage 10–21 Tage länger als 21 Tage<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt befördert werden.<br />

10000 km<br />

250 kg<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

ohne<br />

Vorbereitung<br />

gute allgemeine<br />

Körperform<br />

aktiver, sportreibender<br />

Mensch<br />

perfekte<br />

Körperform<br />

<strong>Be</strong>rufssportler<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser. unbeeindruckend beachtenswert empfehlenswert Teilnahme, wann nur<br />

möglich<br />

Für die wiederholte<br />

Teilnahme sind neue<br />

Kräfte notwendig<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

nichts Neues für den<br />

aktiven Menschen<br />

unbedeutende<br />

Neuigkeiten<br />

beachtenswert<br />

empfehlenswert<br />

Teilnahme, wann<br />

nur möglich


Das Wort<br />

des Redakteurs<br />

Auf der Welt leben Menschen, die<br />

unglaubliche außergewöhnliche Eigenschaften<br />

haben. Einer von ihnen<br />

ist der Holländer Wim Hof, der keine<br />

Furcht vor extremen Temperaturpolen<br />

hat. Er ist ein Mensch, der es fertigbringt,<br />

mit der Kraft seines Gehirns seine<br />

Körpertemperatur zu regeln! Er ist<br />

ein unglaubliches Phänomen, das am<br />

Nordpol nicht erfriert und sich unter<br />

der Sonne Spaniens nicht überhitzt.<br />

<strong>Be</strong>i unseren wechselhaften Klimabedingungen<br />

sind das beneidenswerte<br />

Eigenschaften. Wim Hof ist in der Lage,<br />

ohne besondere Vorbereitung und<br />

Gerätschaften eine Marathon-Distanz<br />

bei Extrembedingungen hinter dem Polarkreis<br />

zu bewältigen oder die höchsten<br />

Gipfel der Welt zu besteigen.<br />

Nicht jeder kann so etwas. Wenn Sie<br />

aktiv, sportlich und abgehärtet sind,<br />

dann ist dies bereits viel wert. Anderen<br />

Menschen muss man jedoch helfen.<br />

Insbesondere Kindern. Die Aktivität<br />

von Kindern und Jugendlichen der<br />

Gegenwart ist besorgniserregend. Die<br />

Statistik zu Übergewicht und den damit<br />

verbundenen Erkrankungen ist<br />

erschreckend und unbarmherzig. Die<br />

meisten Alterserkrankungen werden<br />

„jünger“. Experten behaupten, dass<br />

einen der Hauptgründe dafür die<br />

neuen Technologien darstellen – der<br />

Computer, das Internet, der Fernseher<br />

und Mobiltelefone. Unser Gedanke<br />

ist es, nicht zu verbieten oder einzuschränken,<br />

sondern diese Mittel zur<br />

Förderung der Aktivität einzusetzen.<br />

Die Kinder der Gegenwart fühlen<br />

sich in der virtuellen Welt besser<br />

als in der Wirklichkeit. Unternehmen<br />

wir einen Versuch, diese beiden<br />

Welten zu verbinden. Das ist<br />

natürlich nicht die einzige Lösung<br />

des Problems. Vielleicht haben Sie<br />

bereits eine bessere Möglichkeit<br />

gefunden, Ihre Sprösslinge in <strong>Be</strong>wegung<br />

zu versetzen, oder werden<br />

sie in Zukunft finden. Aber falls<br />

nicht, ist es einen Versuch wert.<br />

Völlig gegensätzliche Welten vereinen<br />

sich auch in einer unglaublichen<br />

Sportart – dem <strong>Schachboxen</strong>.<br />

Schon die alten Griechen strebten<br />

nach der Harmonie von Körper und<br />

Seele – die Sentenz „ein gesunder<br />

Geist in einem gesunden Körper“<br />

ist allgemein bekannt. <strong>Schachboxen</strong><br />

entspricht diesem Ziel wohl<br />

am meisten. Der <strong>Kämpfer</strong> muss<br />

in hervorragender körperlicher<br />

Verfassung sein, gleichzeitig aber<br />

auch hervorragend Schach spielen<br />

können – eine Kombination, die in<br />

einer Person nicht sehr häufig vorkommt.<br />

Es gibt nicht viele <strong>Kämpfer</strong><br />

auf der Welt, die den Anforderungen<br />

des WCBO (Weltschachboxverband)<br />

entsprechen. Probieren Sie es aus –<br />

vielleicht ist diese Sportart wie für Sie<br />

geschaffen.


athlete<br />

SCHACHBOXEN<br />

Intellektuelle <strong>Kämpfer</strong><br />

Text Arūnas Butkus<br />

6


Ein modernes Handy ist ohne Fotoapparat schwer<br />

vorstellbar, es gibt immer mehr Hybridfahrzeuge, Küchenmaschinen<br />

oder Stereoanlagen sind eine Selbstverständlichkeit.<br />

Aber wenn Sie ein richtig gutes Foto<br />

machen wollen, dann ist das Handy<br />

nicht hilfreich. Wenn Sie perfekte<br />

Klangqualität wünschen, wird die<br />

Stereoanlage ungeeignet sein. Die<br />

Kombinierung unterschiedlicher Dinge<br />

ist nur dann passend, wenn keine<br />

Höchstqualität gefordert wird.<br />

Ähnlich funktioniert es auch im Sport.<br />

Es kommen immer mehr neue Sportarten<br />

zum Vorschein, in denen die<br />

Eigenschaften mehrerer Sportarten<br />

in Einklang gebracht werden. Die<br />

wohl gegensätzlichsten Eigenschaften<br />

konnten beim <strong>Schachboxen</strong>, oder<br />

Chessboxing, vereint werden.<br />

Schach gilt offiziell als Sportart. Aber<br />

von körperlicher Aktivität und Leibesübungen<br />

gibt es hier keine Spur. An<br />

einem Tisch sitzen zwei Herren oder<br />

Damen und schieben gemütlich Figuren<br />

umher. Und als das Rauchen<br />

in der Öffentlichkeit noch gestattet<br />

war, füllten die Herrschaften bei einem<br />

Match auch noch den Aschenbecher.<br />

Sie können ein internationaler<br />

Sportmeister sein, aber nach dem<br />

Treppensteigen in den zweiten Stock<br />

mächtig ins Schnaufen kommen.<br />

Offiziell ist es Sport, aber... Schach wird<br />

wohl der Sportkategorie zugeordnet,<br />

weil dabei ein Zweikampf stattfindet.<br />

Ein Zweikampf findet auch in einer<br />

anderen Sportart statt – beim Boxen.<br />

Hier muss man nicht viel nachdenken.<br />

Man hat einen Gegner vor sich<br />

und muss kämpfen. Wenn Sie es nicht<br />

fertigbringen, werden Sie den Ring<br />

nicht auf eigenen Füßen verlassen<br />

– man wird Sie heraustragen. Daher<br />

kommt auch das Klischee, es wären<br />

Männer mit zertrümmerten Nasen<br />

und losem Gehirn. Von einem Boxer<br />

erwartet man keine Intelligenz.<br />

Allein mit Intelligenz oder allein mit<br />

Kraft kommt man beim <strong>Schachboxen</strong><br />

nicht weit. Hier finden im Wechsel<br />

Schach - und Boxrunden statt. Ein Match<br />

besteht aus 11 Runden: zuerst eine<br />

Schachrunde, danach eine Boxrunde,<br />

danach wieder Schach, Boxen usw. Insgesamt<br />

6 Schach- und 5 Boxrunden.<br />

Eine Schachrunde dauert 4 Minuten.<br />

Jeder Spieler hat 12 Minuten Zeit für<br />

das Schachspiel. Die Boxrunde dauert<br />

3 Minuten. Zwischen den Runden<br />

wird 1 Minute Pause eingelegt<br />

zur Vorbereitung auf die nächste<br />

Runde.<br />

Der Gewinner wird wie folgt ermittelt:<br />

Matt (in der Schachrunde),<br />

wenn die für das Schachspiel bestimmte<br />

<strong>Be</strong>denkzeit abgelaufen ist<br />

(in der Schachrunde), wenn der<br />

Gegner klein beigibt (in der Schachoder<br />

Boxrunde), K.O. (in der Boxrunde)<br />

oder auf <strong>Be</strong>schluss des<br />

Schiedsrichters. Herrscht nach dem<br />

Ende der Schachpartie Gleichstand,<br />

geht der Gegner mit dem besseren<br />

Ergebnis im Boxen als Sieger hervor.<br />

Wenn auch hier Gleichstand<br />

herrscht, gewinnt der Spieler, der<br />

mit den schwarzen Schachfiguren<br />

gespielt hat.<br />

Die Vorschriften beinhalten <strong>Be</strong>schränkungen,<br />

um <strong>Be</strong>trug zu vermeiden.<br />

Ein Lennox Lewis oder<br />

die Klitschko-Brüder würden die<br />

Figuren in der ersten Schachrunde<br />

umherschieben und dann im<br />

Boxring geht es los! An offiziellen<br />

Turnieren können nur Schachspieler<br />

teilnehmen, die ein Rating<br />

von mindestens 1800 ELO (ELO<br />

ranking of 1800 in chess) besitzen.<br />

7


athlete<br />

Das entspricht dem Niveau eines Experten,<br />

also müsste Lennox Lewis sehr<br />

viel trainieren. Außerdem kann der<br />

Schiedsrichter einen Spieler disqualifizieren,<br />

wenn er keinen Schachzug<br />

ausführt.<br />

Es wurde ein weltweiter <strong>Schachboxen</strong>verband<br />

(WCBO) gegründet.<br />

Jährlich organisiert er 3–4 Weltturniere.<br />

Es gibt auch einen Deutschen<br />

<strong>Schachboxen</strong>verband (GCBO). Er<br />

zählt etwa 100 Mitglieder. Wegen der<br />

<strong>Be</strong>schränkungen in <strong>Be</strong>zug auf das<br />

Schachrating gibt es weltweit nicht<br />

viele Schachboxer. Für die Kämpfe<br />

der Weltmeisterschaft wurden insgesamt<br />

nur etwa 800 Anträge eingereicht.<br />

Wer an der Weltmeisterschaft<br />

teilnehmen möchte, muss jünger als<br />

35 Jahre, in guter körperlicher Verfassung<br />

sein, eine Erfahrung von 20<br />

Wettkämpfen haben und das ELO-<br />

Rating von 1800 erfüllen. Es gibt gerade<br />

einmal 75 aktive <strong>Kämpfer</strong>. Nach<br />

den <strong>Be</strong>rechnungen des WCBO könnte<br />

es weltweit etwa 150 000 potenzielle<br />

<strong>Kämpfer</strong> geben. Vielleicht sind Sie einer<br />

von ihnen?<br />

Die offiziellen Anforderungen der<br />

Kämpfe sind recht streng. Aber niemand<br />

verbietet laienhaftes Training<br />

und die private <strong>Be</strong>schäftigung mit<br />

dieser Sportart. Das Wichtigste ist,<br />

einen gleichstarken Gegner zu wählen,<br />

damit man den Ausgang des<br />

Kampfes nicht bereut.<br />

Dieser Sport kann eine große Zukunft<br />

haben, weil er einen in der Tat<br />

umfassenden Universalathleten hervorbringt.<br />

Hier müssen Kraft und Intellekt<br />

in Einklang gebracht werden,<br />

wie beim Umsetzen der <strong>Be</strong>strebung<br />

der alten Griechen – ein gesunder<br />

Geist in einem gesunden Körper.<br />

Es ist kaum zu erwarten, dass Schachoder<br />

Boxweltmeister an Schachboxturnieren<br />

teilnehmen (selbst wenn<br />

sie es auch sehr möchten), genauso<br />

wie ein Weltmeister im <strong>Schachboxen</strong><br />

nicht erwarten sollte, Schach- oder<br />

Boxweltmeister zu werden. Aber wer<br />

weiß das schon so genau?<br />

Der erste offizielle Schachboxkampf<br />

fand am 14. November 2003<br />

in Amsterdam statt. Auch Frauen<br />

werden in Kürze mit dem <strong>Schachboxen</strong><br />

beginnen.<br />

Das Motto des WCBO lautet: „Gekämpft<br />

wird im Ring und Kriege<br />

führt man auf dem Brett.“<br />

8


Score<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

9


father / mother<br />

Mission Impossible:<br />

Das Kind zur<br />

<strong>Be</strong>wegung anregen<br />

Das Problem der Aktivität von<br />

Kindern und Jugendlichen<br />

Text Jacob Grani<br />

10


Studien zeigen, dass bereits ein Zehntel der Kinder in<br />

Europa unter Fettleibigkeit leidet, in den USA ist diese<br />

Zahl noch tragischer – ein Drittel der jungen Menschen<br />

kann sich nicht damit rühmen, dass ihnen <strong>Be</strong>kleidung gewöhnlicher<br />

Größe passt.<br />

Sicher haben schon viele ein Kind<br />

gesehen, dass sich Computerspielen<br />

hingibt. Es ist ironisch, dass das Kind<br />

momentan am Computer die aktuellste<br />

Version des Spiels FIFA spielt,<br />

in der es sich vorstellt, der weltbeste<br />

Fußballspieler zu sein. Als Sie ihn<br />

das letzte Mal angesprochen haben,<br />

im Hof gemeinsam ein paar Bälle zu<br />

schießen, hat er nur faul gegähnt<br />

und gesagt, dass dort, im Computer,<br />

ernsthaftere Gegner auf ihn warten<br />

als der gerade von der Arbeit heimgekehrte<br />

Vater.<br />

Was also tun? Der moderne Lernprozess<br />

ist nicht mehr vorstellbar ohne<br />

Computer, Internet und andere interaktive<br />

Mittel. Versuche, Ihrem Kind<br />

den Computer zu verbieten oder die<br />

Zeit, die es am Computer verbringt,<br />

einzuschränken, kann seiner Bildung<br />

schaden. Wenn Sie versuchen, die Zeit<br />

einzuschränken, wird sich Ihr Kind immer<br />

ausdenken, dass dies für das Erledigen<br />

der Hausaufgaben notwendig<br />

sei. Gibt es einen anderen Ausweg?<br />

Wir raten Ihnen dazu, Computertechnologien<br />

nicht zu verbieten oder<br />

einzuschränken, sondern sie zur<br />

Steigerung der Aktivität Ihres Kindes<br />

und, was sehr wichtig ist, zum engeren<br />

Umgang und für gemeinsame<br />

Tätigkeiten in der Familie zu benutzen.<br />

Mission Impossible? Eine auf den<br />

ersten Blick unmögliche Mission lässt<br />

sich dennoch in eine recht heitere<br />

<strong>Be</strong>schäftigung umwandeln, nicht<br />

nur für Kinder, sondern auch für Sie<br />

selbst.<br />

Sie haben keine Kinder? Kein Problem.<br />

Sie waren sicher schon mehrmals<br />

in einer Gesellschaft, wo Ihre<br />

Freunde und deren bessere Hälften<br />

ständig über die <strong>Be</strong>sonderheiten<br />

der Kindererziehung schwatzen.<br />

Dieser Artikel wird Ihnen nicht<br />

nur neue Möglichkeiten aktiver<br />

Freizeitgestaltung eröffnen, sondern<br />

letztendlich auch gestatten,<br />

sich in das Gespräch von Freunden,<br />

die Kinder haben, einzubringen.<br />

Daran wird höchstwahrscheinlich<br />

auch eine Freundin der Frau Ihres<br />

Freundes teilnehmen. Frauen gefällt<br />

es, wenn sich Männer für Kinder<br />

interessieren. Wenn sie Ihre erzählten<br />

Geschichten hört, wird sie<br />

sich höchstwahrscheinlich für Sie<br />

interessieren.<br />

11


father / mother<br />

Die Sesshaftigkeit<br />

zerstört die<br />

Zukunft der<br />

Menschheit<br />

Die Statistik besagt, dass ganze 70 %<br />

der Kinder im Alter von 5–17 Jahren<br />

keiner ausreichenden aktiven körperlichen<br />

<strong>Be</strong>tätigung nachgehen,<br />

die für die optimale Entwicklung des<br />

Körpers unerlässlich ist. Damit nicht<br />

genug, die Menge der Freizeit nimmt<br />

kontinuierlich ab, je älter die Kinder<br />

werden, und es fällt ihnen immer<br />

schwerer, irgendeiner <strong>Be</strong>tätigung<br />

nachzugehen, die auch nur minimale<br />

körperliche Anstrengungen<br />

erfordert.<br />

Wenn Sie und Ihr Kind unterschiedliche<br />

Ansichten haben, dann ist das<br />

noch nicht das größte Problem. Eltern<br />

müssen schließlich nicht nur das<br />

aushalten. Schließlich waren wir alle<br />

einmal in diesem Alter, also wissen<br />

wir, dass es völlig normal ist, Auseinandersetzungen<br />

mit den Eltern zu haben.<br />

Gäbe es diesen Aufstand nicht,<br />

würden wir wahrscheinlich heute<br />

noch in Höhlen wohnen.<br />

Aber die gegenwärtige Inaktivität<br />

kann, auch am Symbol der Moderne<br />

– dem Computer, einen Rückfall ins<br />

Mittelalter bedeuten. Ein Kind, dass<br />

den Fernseher als besten Gesprächspartner<br />

ansieht und genau so lange<br />

Sport treibt, wie die Sportnachrichten<br />

dauern, wird wahrscheinlich dick<br />

werden, und in der Zukunft wird<br />

sich dies in Form verschiedener <strong>Be</strong>schwerden<br />

äußern. Wissenschaftler<br />

behaupten, dass zu große Sesshaftigkeit<br />

Herz- und Gefäßkrankheiten,<br />

verschiedene Formen des Diabetes,<br />

Hypertension und Osteoporose<br />

hervorruft. Wenn Sie Ihr Kind also<br />

nicht jetzt vom Fleck bewegen,<br />

wird es im Alter im wahrsten Sinne<br />

des Wortes zusammenbrechen. Osteoporose,<br />

ein Knochenschwund,<br />

der den Zerfall der Knochen und<br />

deren häufigere Brüche verursacht,<br />

kommt meist bei Menschen<br />

im höheren Alter zum Vorschein.<br />

Die Neigung zur Erkrankung an<br />

dieser Krankheit wird jedoch im<br />

Kindesalter erworben: Die Stärkung<br />

der Knochen in den ersten<br />

20 Jahren des Lebens ist für die<br />

Knochenmasse und die Gesundheit<br />

im Alter von entscheidender<br />

<strong>Be</strong>deutung.<br />

Körperlich nicht aktive Jugendliche<br />

haben nichts, wogegen sie<br />

kämpfen können (es sei denn mit<br />

den Eltern, damit sie es erlauben,<br />

länger vor dem Fernseher oder am<br />

Computer zu sitzen), sie haben keine<br />

Kraft etwas zu schaffen, sie verlernen<br />

das Denken und dies wird<br />

von Depressionen, der Neigung<br />

zu verschiedenen Rauschmitteln<br />

u. Ä. gekrönt. Diese Kinder haben<br />

keinen Wettbewerbsinstinkt, keinen<br />

Wunsch zu siegen. Sie verlieren<br />

auch den Teamgeist, wenn mit<br />

gemeinsamen Kräften ein Ergebnis<br />

erzielt werden soll.<br />

12


Heutzutage erkranken Kinder so oft<br />

wie nie zuvor an Depression. Genau<br />

diese Krankheit ist der Hauptgrund für<br />

Selbstmord unter Jugendlichen. Die<br />

Statistik warnt, dass ganze 8 % der heutigen<br />

Jugendlichen einen Selbstmordversuch<br />

unternommen haben, und<br />

die Zahl der erfolgreichen Selbstmorde<br />

ist in den vergangenen dreißig Jahren<br />

um schwer zu begreifende 300 %<br />

gestiegen. Noch mehr Jugendliche<br />

konsumieren Drogen. Untersuchungen<br />

zeigen, dass Kinder lediglich 15 Minuten<br />

pro Tag mit aktiver <strong>Be</strong>tätigung<br />

im Freien zubringen. Es wird auch betont,<br />

dass es zur Gewährleistung einer<br />

höheren körperlichen Aktivität ausreicht,<br />

dass das Kind einfach mehr Zeit<br />

auswärts verbringt – es wird keine<br />

andere Wahl haben als sich eine aktive<br />

<strong>Be</strong>schäftigung zu überlegen. Sitzt<br />

das Kind jedoch zu Hause, wird seine<br />

Fantasie plötzlich sehr beschränkt und<br />

es bringt nichts mehr fertig, als einen<br />

Sitzmarathon vor bewegten Bildern zu<br />

veranstalten. Wenn die Kinder viel Zeit<br />

mit diesen neuen „Kindermädchen“<br />

verbringen, erfahren sie eine geistige<br />

Erschöpfung. Es hat sich herausgestellt,<br />

dass solche Kinder im Erwachsenenalter<br />

nicht nur öfter an Depression,<br />

sondern auch an chronischer Ermüdung<br />

leiden.<br />

Unter Kindern, die einer aktiven körperlichen<br />

<strong>Be</strong>tätigung nachgehen,<br />

kommt es viel seltener zum Konsum<br />

von Drogen, Tabakwaren oder Alkohol.<br />

Es gibt auch unbestreitbare<br />

<strong>Be</strong>weise, dass aktive Freizeitgestaltung<br />

beim Ablegen schädlicher Angewohnheiten<br />

hilft. Nicht weniger<br />

wichtig ist, dass er oder sie nicht vorzeitig<br />

dafür sorgt, Sie zum Großvater<br />

zu machen. Es wäre irgendwie völlig<br />

unpassend, in der Blüte seiner Jahre<br />

Enkel zu bekommen, wenn man mit<br />

einem Schneemotorrad Alaska offroad<br />

durchqueren oder an einem<br />

Seil von den Viktoria-Fällen in Afrika<br />

springen möchte. Man möchte doch<br />

nicht zu Hause sitzen und seinen Enkeln<br />

die Windeln wechseln. Die Statistik<br />

besagt, dass körperlich inaktive<br />

jugendliche Mädchen öfter schwanger<br />

werden, und wenn Sie sie dazu<br />

zwingen, die angestaute Energie freizusetzen<br />

– sei es durch Fahrradfahren,<br />

wird sich die Wahrscheinlichkeit,<br />

Ihren Freunden den Anlass zu geben,<br />

Sie als „Opa“ zu bezeichnen, deutlich<br />

verringern.<br />

Verbringt das Kind die Freizeit aktiv,<br />

verringert sich die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Depression, ebenso<br />

steigt das eigene Wertgefühl. Untersuchungen<br />

zeigen, dass die Zensuren<br />

von Jugendlichen, die einer<br />

aktiven körperlichen <strong>Be</strong>tätigung<br />

nachgehen im Durchschnitt besser<br />

sind als die Zensuren von denen,<br />

die ihre Freizeit im Sitzen verbringen.<br />

Körperliche <strong>Be</strong>tätigung beeinflusst<br />

auch das Verhalten und sorgt<br />

für Disziplin. Kinder, die ihre Freizeit<br />

aktiv verbringen, bereiten sich<br />

nicht nur besser auf das Leben im<br />

Erwachsenenalter vor, sie haben<br />

auch einen größeren emotionalen<br />

Intellekt, der sehr wichtig bei der<br />

Schaffung eines vollwertigen Lebens<br />

und bei der Kommunikation<br />

mit den Mitmenschen ist.<br />

13


father / mother<br />

Kurz – zum Wohl Ihrer eigenen Kinder<br />

sollten Sie sie bereits jetzt zu aktiver<br />

körperlicher <strong>Be</strong>tätigung anregen.<br />

Aber wie können Sie das erreichen?<br />

Sie haben versucht, Ihr Kind zum<br />

Angeln mitzunehmen? Sie haben<br />

ihm angeboten, das Autofahren zu<br />

lernen? Doch ohne die Augen vom<br />

Computer abzuwenden lautet seine<br />

Antwort „Nein“. Überlegen Sie nur,<br />

was Sie ihm für eine öde Alternative<br />

anbieten, im Vergleich zu der virtuellen<br />

Welt, die voll von Mystik, Dramen,<br />

Abenteuern und Überraschungen<br />

ist. Die einzige Möglichkeit, ein Kind<br />

für aktive körperliche <strong>Be</strong>tätigung zu<br />

interessieren, besteht darin ihm zu<br />

zeigen, dass die Wirklichkeit noch<br />

eindrucksvoller als die von Computerspielen,<br />

Internet und Fernsehen<br />

geschaffene Welt sein kann. Sie müssen<br />

eine <strong>Be</strong>tätigung anbieten, die<br />

dem Kind nicht nur visuelle Genugtuung<br />

bietet, sondern auch das <strong>Be</strong>dürfnis<br />

nach einer Intrige befriedigt.<br />

Dies wird gleichzeitig helfen, alle<br />

Abenteuer mit jeder Zelle des Körpers<br />

zu spüren.<br />

Erinnern Sie sich daran, wie Sie selbst<br />

in der Kindheit unterschiedliche „gute<br />

Jungs“ und „böse Jungs“ gespielt<br />

haben? Damals war das eine wunderbare<br />

Alternative, aber jetzt kann man<br />

seine Welt im Spiel „Travian“ schaffen,<br />

man kann sein, wer man will, Feinde<br />

mit einem Mausklick niederschlagen.<br />

Also muss die von Ihnen angebotene<br />

Alternative für einen Jugendlichen,<br />

der an klare Bilder und unglaubliche<br />

Abenteuer gewöhnt ist, um vieles kreativer<br />

sein als zuvor.<br />

Zum Wohle ihrer Kinder und Ihrer<br />

Familie bietet die Zeitschrift „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“<br />

einen Leitfaden zur spielerischen<br />

Einbeziehung von Kindern in die aktive<br />

Freizeit. Die Reihenfolge der <strong>Be</strong>schäftigungen<br />

muss nicht unbedingt<br />

eingehalten werden, aber wenn Sie<br />

sich bei einem völlig in der virtuellen<br />

Welt lebenden jungen Stubenhocker<br />

Gehör verschaffen wollen,<br />

müssen Sie vielleicht bei den<br />

einfachsten Spielen für primitive<br />

<strong>Be</strong>wegung beginnen und die <strong>Be</strong>lastung<br />

kontinuierlich erhöhen,<br />

bis Sie bei der wilden und extremen<br />

Freizeitgestaltung angelangt<br />

sind. Andererseits sollten Sie keinen<br />

unnötigen Druck auf das Kind<br />

ausüben, weil das seinen Enthusiasmus<br />

noch weiter schrumpfen<br />

lässt. Ihr Kind wird selbst die Wahl<br />

treffen, seien Sie einfach der Führer.<br />

Sie müssen natürlich auch der<br />

finanzielle Sponsor dieses Programms<br />

sein. Auf jeden Fall ist es<br />

eine gute Investition, und Ihr Kind<br />

wird diesen Spielen, für die meist<br />

der von ihm vergötterte Computer<br />

und das Internet benötigt werden,<br />

schwer widerstehen können.<br />

Viel zu Hause<br />

laufen<br />

Es ist kein Geheimnis, dass fast alle,<br />

die mit dem Übergewicht und der<br />

Inaktivität ihrer Kinder kämpfen,<br />

sagen, dass es sehr wichtig ist zu<br />

laufen. Viel und oft. Jetzt können<br />

Sie das Kind auf unerwartete Weise<br />

zum Laufen anregen ... mit Hilfe<br />

der Spielkonsole „Nintendo“. Ja, es<br />

handelt sich hier um eine weitere<br />

zündende Idee, dass der Grund für<br />

alle (na, fast alle) Probleme Ihrer<br />

Kinder gleichzeitig auch die Lösung<br />

sein kann. <strong>Be</strong>im Spielen von<br />

„Walk it Out“ findet die gesamte<br />

Aktion auf dem Bildschirm statt,<br />

aber damit etwas geschieht, muss<br />

man viel laufen. Dieser Vorgang<br />

wird so heiter, dass die Kinder nicht<br />

genug davon bekommen. Der Ort<br />

der Handlung, wo das Kind laufen<br />

muss, heißt „Rhythmus-Insel“<br />

(engl. Rhythm Island), obwohl es<br />

sich in diesem Moment auf dem<br />

Boden seines Zimmers bewegt.<br />

14


father / mother<br />

Um die Insel angemessen zu erforschen,<br />

neue Levels zu erreichen,<br />

Trophäen zu finden und auf neue<br />

Geheimnisse zu stoßen, muss man<br />

viel laufen. Ein Signalgeber überträgt<br />

die <strong>Be</strong>wegungen des Kindes in den<br />

Computer und stellt sie auf dem Bildschirm<br />

dar. Daneben kann man auf<br />

dem Bildschirm sehen, wie viele Kalorien<br />

beim Laufen verbrannt wurden.<br />

Dieses Laufspiel kann von 2 Personen<br />

gespielt werden, also können Sie gemeinsam<br />

mit dem Kind nicht nur laufen,<br />

sondern einander auch besser<br />

kennenlernen. Kommt es Ihnen seltsam<br />

vor, dass es interessanter ist, auf<br />

virtuellen Straßen zu laufen als auf<br />

echten? Das sind die Grimassen der<br />

Evolution.<br />

Nachdem Sie zu Hause genügend<br />

<strong>Be</strong>wegung hatten und übereingekommen<br />

sind, dass „Laufen Spaß machen<br />

kann“, können Sie das Kind auf<br />

ein höheres Level setzen. Sagen Sie es<br />

ihm auch so: Du bist so gut gelaufen,<br />

dass du dir etwas noch <strong>Be</strong>sseres verdient<br />

hast.<br />

Die Smartphones<br />

kommen Ihnen zu<br />

Hilfe<br />

Liegt Ihr Kind Ihnen schon seit einiger<br />

Zeit auf den Ohren, dass es ein Smartphone<br />

haben möchte? Aber Sie sind<br />

der Meinung, dass das für einen Jugendlichen<br />

ein völlig unnötiges Luxusgerät<br />

ist, dessen Hauptziel nicht<br />

darin besteht, E-Mails noch bequemer<br />

abzurufen, sondern noch mehr<br />

Spiele zu spielen, wenn der Computer<br />

außer Reichweite ist? Die Ersteller<br />

von Programmen für Smartphones<br />

haben sich nun jedoch entschieden,<br />

sich um die aktive Freizeitgestaltung<br />

der <strong>Be</strong>nutzer zu kümmern, und nützliche<br />

Spiele anzubieten, dass es sich<br />

schon in nächster Zeit lohnt, über<br />

den Kauf eines Smartphones für Ihr<br />

Kind nachzudenken. Er wird Hauptfigur,<br />

Entdecker oder Verbrecher sein,<br />

aber das Wichtigste ist, dass er an der<br />

frischen Luft auf den eigenen <strong>Be</strong>inen<br />

unterwegs ist.<br />

Die Schöpfer von „GPS Alien Attack“<br />

verkünden, dass es sich bei<br />

ihrem Spiel für das iPhone um eine<br />

Möglichkeit handelt, zur Figur eines<br />

virtuellen Spiels in der Wirklichkeit<br />

zu werden. Der Vorteil dieses Spiels<br />

liegt darin, dass man es allein spielen<br />

kann, also muss Ihr Kind nicht<br />

unbedingt mit Freunden losziehen,<br />

um seine Freizeit aktiv zu verbringen.<br />

Dieses Spiel erzeugt aber trotzdem<br />

mehr Intrigen, wenn mehrere<br />

Personen gegeneinander antreten.<br />

In diesem Spiel muss das Kind seine<br />

Stadt vor dem Angriff von Außerirdischen<br />

verteidigen. Man muss nur<br />

das Programm „GPS Alien Attack“<br />

für das iPhone herunterladen und<br />

dann raus auf die Straße, wo das Ziel<br />

darin besteht, die Eier der Außerirdischen<br />

zu zerstören, bevor aus<br />

ihnen Monster schlüpfen und den<br />

Darsteller erwischen. Dieses Spiel<br />

gefällt Kindern besonders, weil es<br />

an Computerspiele erinnert, nur<br />

hängt die <strong>Be</strong>wegung des Darstellers<br />

hier nicht von einem Knopfdruck,<br />

sondern von der wirklichen <strong>Be</strong>wegung<br />

ab. Das Navigationssystem<br />

ermittelt die Position des Darstellers<br />

in der Umgebung und das gesamte<br />

Spiel findet auf den Straßen der<br />

Stadt, im Park oder einer anderen<br />

wirklichen Umgebung statt. Die<br />

Kinder können untereinander wettstreiten,<br />

wer von ihnen der bessere<br />

Stadtverteidiger ist, sie können<br />

neue Freunde finden und die Stadt<br />

kennenlernen. Dieses Programm<br />

für das iPhone kostet nur 2,39 EUR,<br />

na und natürlich auch ein Telefon<br />

mit Internetverbindung.<br />

Die Programmhersteller von iPhone<br />

scheinen sich ganz einfach um Ihr<br />

Kind – nicht um den Geldbeutel zu<br />

sorgen und bieten eine große Auswahl<br />

an kostenlosen Spielen. Eines<br />

davon ist „Killer“. Ja, ein furchtbares<br />

Wort, aber wenn man den Namen<br />

unbeachtet lässt, ist dieses Spiel gar<br />

nicht so aggressiv. Durch <strong>Be</strong>nutzen<br />

des heruntergeladenen Programms<br />

und des GPS wird ein anderer<br />

Spieler in der Nähe ermittelt.<br />

16


Ziel des Darstellers ist es, so nahe an<br />

ihn heranzukommen, dass zwischen<br />

beiden Telefonen eine Bluetooth-<br />

Verbindung aufgebaut werden kann.<br />

Wenn das passiert, müssen Sie den<br />

Knopf „Shoot“ drücken und Sie haben<br />

den Sheriff erschossen („Shot the<br />

Sheriff“). Dass es sich hierbei um keine<br />

so aggressive heitere <strong>Be</strong>tätigung<br />

im Vergleich zu modernen Computerspielen<br />

handelt, wird dadurch bezeugt,<br />

dass der „Mörder“ in diesem<br />

Spiel traditionell in freundschaftlicher<br />

Absicht auf das „Opfer“ zugeht, um<br />

ein gemeinsames Foto zu machen.<br />

Wie auch bei normalen Spielen gibt es<br />

hier Tabellen mit führenden Spielern<br />

u. Ä. Es besteht viel Raum für Wettstreit<br />

und es gibt wirklich mehr Adrenalin<br />

als in irgendeinem „Doom“.<br />

Ein Spiel von ähnlichem Prinzip für<br />

Smartphones, das jedoch wegen des<br />

Hervorhebens der Kultur der „bösen<br />

Jungs“ bei Eltern weniger beliebt<br />

ist, nennt sich „Turf Wars“. Hier muss<br />

man einen Mafioso spielen und die<br />

Kontrolle über ein möglichst großes<br />

Gebiet der Stadt anstreben – durch<br />

Mord, Raub und Einschüchterung.<br />

Das alles findet natürlich per Telefon<br />

statt. Ihr Kind wird zum Geburtstag<br />

wahrscheinlich sowieso die letzte Version<br />

von „Grand Theft Auto“ haben<br />

wollen. Dort geht es noch grausamer<br />

zu, aber hier werden die Kalorien<br />

verbrennen.<br />

Möchten Sie für Ihr Kind ein weniger<br />

snobistisches Telefon als das iPhone?<br />

Sie können auch das Android kaufen.<br />

Auf beide Telefone kann man das<br />

Programm „Seek ‚n‘ Spell“, das von<br />

seinem Prinzip her „GPS Alien Attack“<br />

ähnelt, herunterladen. Hier werden<br />

aber Buchstaben gejagt, gesammelt<br />

und später daraus sinnvolle Worte<br />

gebildet. Das Prinzip ist dem des<br />

weltweit beliebten Spiels Scrabble<br />

ähnlich: Umso längere Wörter man<br />

bildet, desto mehr Punkte erhält man.<br />

17


father / mother<br />

Das ist wiederum eine wesentlich<br />

größere Herausforderung als mit<br />

Freunden zu Hause im Sitzen grüne<br />

Karten hin und her zu schieben.<br />

Außerdem werden Sie so Ihr Kind<br />

zwingen sich zu bilden und bis zum<br />

Umfallen zu laufen, was nicht einmal<br />

die teuersten bürokratischen<br />

Programme zur Förderung der Aktivität<br />

von Kindern fertigbringen.<br />

Android und iPhone haben auch<br />

das Spiel „Parallel Kingdom“, in<br />

dem man auf einer realen Landkarte<br />

eine alternative Welt schaffen<br />

kann. Stellen Sie sich einmal<br />

vor, wie attraktiv dies für ein Kind<br />

sein müsste, denn hier ist man quasi<br />

„Harry Potter“. Hier erhält das<br />

Kind nicht nur die Möglichkeit zu<br />

spielen, sondern auch im Chat mit<br />

anderen Spielern zu kommunizieren.<br />

Ganz wie im Computer.<br />

Manchmal ziehen sich Kinder vom<br />

Computer zurück und mögen Brettspiele.<br />

Aber in diesem Fall wechselt<br />

man doch nur vom Stuhl auf das<br />

Sofa. Schlagen Sie Ihrem Kind vor,<br />

das Brettspiel „Scotland Yard“ in<br />

der Realität zu spielen. Mit dem speziellen<br />

Programm „Fast Foot Challenge“<br />

und GPS findet die Jagd auf<br />

echten Straßen und auf eigenen<br />

Füßen statt. Nicht einmal der Computer<br />

kann so eine Aufregung hervorrufen.<br />

Wir haben es selbst ausprobiert<br />

und können sagen, dass<br />

es selbst für Erwachsene eine ganz<br />

unglaubliche Erfahrung war, die<br />

nur 3,99 USD im Shop von „iTunes“<br />

gekostet hat.<br />

Es gibt noch unendlich viele Realitätsspiele,<br />

die für Ihr Kind geeignet<br />

wären, ihm gefallen und es zu<br />

nie zuvor gesehener <strong>Be</strong>wegung<br />

anregen würden. Wir schlagen<br />

diese Spiele vor, weil sie bei uns<br />

den besten Eindruck hinterlassen<br />

haben. Wir hoffen, dass auch Ihr<br />

Kind sie nicht mit Gleichgültigkeit<br />

betrachtet.<br />

Die Suche nach<br />

echten Schätzen<br />

Geocaching ist eine aktive Freizeitbeschäftigung,<br />

bei der unter Verwendung<br />

des Navigationssystems<br />

nach versteckten Schätzen gesucht<br />

wird. Und dies geschieht auf der<br />

ganzen Welt. Mit anderen Worten –<br />

es ist ein intelligentes Versteckspiel.<br />

Die Geografie des Spiels ist sehr umfangreich:<br />

Auf allen Kontinenten der<br />

Welt, in mehr als 100 Staaten sind<br />

Schätze versteckt, die man finden<br />

kann. Geocaching entstand aus dem<br />

im 19. Jh. beliebten Letterboxing, dessen<br />

Sinn darin besteht, anhand von<br />

Verweisen und Hinweisen in Texten<br />

einen konkreten Ort zu finden. Für<br />

ein Kind müsste diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />

auch deshalb interessant sein, weil die<br />

18


Realität mit der virtuellen Welt in Verbindung<br />

gebracht wird. Die Aufgaben<br />

sind im Internet vorhanden. Dort<br />

rühmen sich die Teilnehmer auch,<br />

wenn sie sie bewältigt haben. Es gibt<br />

auch eine ähnliche Version für das<br />

iPhone mit dem Namen „Traveler‘s<br />

Quest“, die 2,39 EUR kostet. Hier muss<br />

allerdings kein echter Schatz versteckt<br />

werden: Nachdem Sie einen<br />

konkreten Ort erreicht haben, „verstecken“<br />

Sie den Schatz (oder „graben“<br />

ihn aus) virtuell, wobei Sie dies<br />

auf der Spielkarte vermerken.<br />

Traditionell ist Geocaching eine <strong>Be</strong>schäftigung,<br />

bei der ein wasserfester<br />

<strong>Be</strong>hälter versteckt wird, in dem sich irgendeine<br />

Trophäe befindet. Der Trophäe<br />

liegt auch ein Registrierzettel<br />

bei, auf dem alle Finder der Trophäe<br />

sich registrieren können. Danach<br />

werden die Koordinaten des versteckten<br />

<strong>Be</strong>hälters auf einer der Internetseiten<br />

des Spiels bekanntgegeben.<br />

Am beliebtesten ist www.geocaching.<br />

com. Die Jäger solcher Trophäen suchen<br />

in Anlehnung an die bekanntgegebenen<br />

Koordinaten und unter<br />

Verwendung verschiedener Navigationsgeräte<br />

nach den <strong>Be</strong>hältern.<br />

Haben sie diese gefunden, können<br />

sie die Trophäen an Ort und Stelle belassen<br />

oder an sich nehmen unter der<br />

<strong>Be</strong>dingung, dass sie etwas von ähnlichem<br />

oder höherem Wert zurücklassen.<br />

Und zweifellos sollte auch das<br />

Registrierungsbuch zurückgelassen<br />

werden, es ist ein logistisches Hilfsmittel,<br />

keine Trophäe. Wenn Sie hoffen,<br />

dass irgendein guter Onkel hier eine<br />

Million versteckt hat, werden Sie sicher<br />

enttäuscht sein, aber vielleicht<br />

werden Sie irgendein interessantes<br />

unbekanntes Buch, eine unbekannte<br />

CD, alte Münzen, seltsame Spielzeuge<br />

u. Ä. entdecken.<br />

Solche Dinge kann man an sich nehmen<br />

und an ihre Stelle z. B. das neue<br />

Album von „Arctic Monkeys“ legen.<br />

Schließlich möchte man ja gute Musik<br />

mit anderen teilen. Oder wenn<br />

Sie noch mehr Spaß haben wollen,<br />

hinterlassen sie das Buch mit den<br />

Prophezeiungen des Nostradamus<br />

mit einer konkreten gekennzeichneten<br />

Seite und die Person, die es<br />

findet, wird sich lange quälen um<br />

zu verstehen, welchen Sinn all diese<br />

Nachrichten haben. Man kann<br />

auch nicht so subtil Späße machen.<br />

Der von Ihnen hinterlassene Gegenstand<br />

sollte irgendeine Mission<br />

haben, z. B. so viele Kilometer wie<br />

möglich zurücklegen, einen konkreten<br />

Staat erreichen oder einfach<br />

nur schneller als andere Trophäen<br />

gleicher Art durch die Welt reisen.<br />

19


father / mother<br />

Diese <strong>Be</strong>schäftigung hat verschiedene<br />

Variationen, die sowohl für einen<br />

einfachen Laien, als auch für einen<br />

verrückten Schatzsucher akzeptabel<br />

sind. Die einfachsten <strong>Be</strong>schäftigungen<br />

des Geocaching sind PNG (Park<br />

and Grab) oder „Drive-By“. Falls Ihrem<br />

Kind diese <strong>Be</strong>schäftigung nach<br />

einiger Zeit langweilig wird, regen Sie<br />

es an, zu einem verrückten Schatzsucher<br />

zu werden. Das ist nicht so<br />

schwer, weil es viele Trophäen gibt,<br />

die an schwerer zugänglichen Orten<br />

versteckt sind, z. B. unter Wasser, hoch<br />

in den <strong>Be</strong>rgen, in Baumwipfeln, sechs<br />

Fuß unter der Erde (wenn Ihr Navigationsgerät<br />

Sie zum Friedhof führt,<br />

hat sich wahrscheinlich jemand einen<br />

Spaß erlaubt) oder an extremen Orten.<br />

Sogar in der Antarktis kann man<br />

versteckte Schätze finden.<br />

Außerdem gibt es auch viele Variationen<br />

des Spiels. Neben dem traditionellen<br />

Geocaching kann man auf<br />

mehreren Levels spielen, wobei eine<br />

Trophäe zur nächsten führt, und das<br />

Ziel besteht darin, die endgültige<br />

Trophäe zu entdecken. Wenn mehr<br />

Mystik gefragt ist, wird Geocaching<br />

in Form eines Puzzles angeboten. Die<br />

Koordinaten führen hier nicht direkt<br />

zu einem Objekt, sondern sie sind Teil<br />

eines Rätsels, nach dessen Lösung<br />

man bis zur Trophäe vorstoßen kann.<br />

Vielleicht gefällt Ihrem Kind auch das<br />

Sammeln? Geocaching hat auch hier<br />

eine Antwort parat – einen Letterbox-<br />

Hybriden. Anstelle einer Trophäe findet<br />

man einen speziellen Stempel,<br />

den man auf sein Stempelheft setzt<br />

und im vorgefundenen Heft auch<br />

seinen Stempel hinterlässt. Wenn Ihr<br />

Kind Gefallen an dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />

findet, kann es sein, dass Sie viel<br />

in Tinte investieren müssen, obwohl<br />

es sich hierbei um eine sehr günstige<br />

Investition in die aktive Freizeitgestaltung<br />

des Kindes handelt.<br />

Sie halten Tinte für zu archaisch?<br />

Auch für dieses Problem wurden Lösungen<br />

geschaffen. Man kann ein<br />

Versteckspiel auf mehreren Levels<br />

spielen. Wer eine Trophäe findet,<br />

versteckt sie an einem anderen Ort<br />

und aktualisiert die Koordinaten des<br />

Gegenstands. Und so geht es weiter.<br />

Es wäre interessant zu erfahren, was<br />

für ein Gefühl es ist, wenn man eine<br />

bereits bekannte Trophäe an einem<br />

völlig anderen Ort findet?<br />

Sie sind der Meinung, dass die Schatzsuche<br />

eine zu schmutzige <strong>Be</strong>schäftigung<br />

ist? Dann beschäftigen Sie sich<br />

mit virtuellem Geocaching. Hier muss<br />

man nur den angegebenen Ort finden,<br />

an ihm ein Foto von sich machen<br />

und dem Schatzinhaber sein Foto mit<br />

einem strahlenden Lächeln zusenden.<br />

Oder man kann Spaß mit der Videokamera<br />

haben... An dem Ort, den man<br />

finden muss, ist eine Videokamera versteckt<br />

und der Spieler muss sich vor ihr<br />

zeigen.<br />

Die heiterste Art des Geocaching ist<br />

nach unserer Meinung „Wherigo“.<br />

Hier genügt es nicht, eine konkrete<br />

Trophäe zu finden, die auf den<br />

nächsten Ort hindeutet. Die Organisatoren<br />

von „Wherigo“ schreiben<br />

meist eine Geschichte und wenn<br />

man alle Trophäen finden will, muss<br />

man konkrete Orte aufsuchen, mit<br />

bestimmten Menschen sprechen,<br />

die weiteren Hinweise geben (oder<br />

auch nicht).<br />

Das Wichtigste ist, dass diese Alternative<br />

der Kinderfreizeit sehr wenig<br />

kostet. Eine Jahresmitgliedschaft<br />

bei www.geochaching.com kostet<br />

30 USD, und wenn Sie nicht sicher<br />

sind, ob Ihr Kind so lange durchhalten<br />

wird, können Sie auch eine<br />

Quartalsmitgliedschaft für 10 USD<br />

abschließen. Die Programme von<br />

Geocaching können Sie auch für die<br />

Smartphones iPhone und Android<br />

herunterladen.<br />

<strong>Be</strong>reit für geheime<br />

Missionen<br />

Große Ähnlichkeit mit Geocaching<br />

hat das Spiel „Encounter“, aber<br />

damit kann man sich besser in den<br />

Lebensrhythmus eines Geheimagenten<br />

hineinversetzen. Zum<br />

Lösen einer konkreten Aufgabe<br />

oder Finden eines bestimmten Ortes<br />

kommen gleichzeitig mehrere<br />

Teams und man muss ihnen zweifellos<br />

einen Schritt voraus sein.<br />

Das Spiel findet meist in der Stadt<br />

oder deren Umgebung statt und<br />

kann mehrere Stunden oder Tage<br />

dauern. Zu dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />

werden Sie keine kleinen Kinder<br />

mitnehmen, weil die Aktionen oft<br />

in der Nacht stattfinden. Außerdem<br />

sind hier Schnelligkeit und Operativität<br />

sehr wichtig. Für Jugendliche<br />

wird dies jedoch eine außergewöhnliche<br />

Erfahrung sein und sie<br />

werden Ihnen für diese Möglichkeit<br />

dankbar sein. Dieses Spiel findet<br />

in mehr als 230 Städten auf der<br />

ganzen Welt statt, die meisten Teilnahmeorte<br />

gibt es in Deutschland,<br />

Frankreich und Russland.<br />

20


<strong>Be</strong>i der Teilnahme am Wettstreit<br />

mit „Encounter“ können Sie in verschiedene<br />

Missionen geraten: von<br />

der Lösung logischer Aufgaben bis<br />

zur Einbeziehung von Dritten, die<br />

keine Ahnung von diesem Spiel haben.<br />

Letzteres sollte einen Jugendlichen<br />

sehr reizen, aber wir würden<br />

Ihnen vorschlagen, sich mehr auf<br />

die Foto- und Videojagd von „Encounter“<br />

zu konzentrieren. Es gibt<br />

vorgesehene Aufgaben, die erfüllt<br />

werden müssen, und später fotografiert<br />

oder filmt man sie. Diese<br />

Bilder und ihr künstlerisches Niveau<br />

werden später entweder von den<br />

Machern des Spiels, oder von den<br />

Teams selbst bewertet. Neben der<br />

aktiven Freizeitgestaltung würde<br />

Ihr Kind noch Erfahrungen beim Fotografieren<br />

oder Filmen sammeln.<br />

Dies kann zu einem weiteren Hobby<br />

werden, das aus ihm eine umfassende<br />

Persönlichkeit macht.<br />

Wir sind der Meinung, dass Ihrem<br />

Jugendlichen „Photo Extreme“ gefallen<br />

wird. <strong>Be</strong>i diesem Spiel muss<br />

man völlig verrückte Aufgaben erfüllen<br />

und das Ergebnis fotografieren.<br />

Die Aufgaben sind oft so seltsam,<br />

dass es wichtig ist, ein Foto in<br />

beliebiger Qualität zu machen, auf<br />

dem die Erfüllung der Aufgabe erkennbar<br />

ist. Oft erinnern diese Aufgaben<br />

an „Jackass“, also wird sich<br />

ihr Sprössling wirklich freuen, dass<br />

sein Vater so jugendlich ist und ihm<br />

eine derartige Freizeit ermöglicht.<br />

Spiele vom Typ „Encounter“ werden<br />

bei vielen Internetportalen angeboten<br />

und das größte Problem<br />

ist, dass sie so verstreut sind. Dieses<br />

Spiel ist jedoch meist kostenlos oder<br />

es wird eine symbolische Gebühr<br />

berechnet, die bei der Anmeldung<br />

zum Wettstreit zu entrichten ist.<br />

Außerdem kann eine Investition in<br />

Ausrüstung und Kleidung notwendig<br />

sein, aber dieser <strong>Be</strong>darf ist bei<br />

jedem Spiel unterschiedlich.<br />

IN der Natur gibt es<br />

mehr Abenteuer als<br />

im Computer<br />

Diese <strong>Be</strong>schäftigung ist die höchste<br />

Stufe der Einbeziehung von Kindern<br />

in die aktive Freizeit, aber nach der<br />

intensiven Schatzsuche und dem Lösen<br />

von Rätseln „zu Fuß“ wird Ihr Kind<br />

auch darauf vorbereitet sein. Es ist wie<br />

mit allen Suchten: Je mehr man probiert,<br />

desto extremer muss es sein.<br />

<strong>Be</strong>i Abenteuerwettläufen muss man<br />

auf unterschiedliche Weise so schnell<br />

wie möglich die vorgegebene Strecke<br />

bewältigen. Es kann also passieren,<br />

dass Sie auf <strong>Be</strong>rge klettern, in die<br />

Pedale treten, schwimmen, rudern,<br />

auf Pferden reiten oder einfach nur<br />

mit einem schweren Rucksack auf<br />

den Schultern über Felder laufen<br />

müssen. Manchmal werden diese<br />

Wettläufe mit verschiedenen Aufgaben<br />

angereichert, die unterwegs zu<br />

erfüllen sind, um so viele Punkte wie<br />

möglich zu sammeln. Diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />

nennt sich „Rogaining“.<br />

Erinnern Sie sich an den Film „Rat<br />

Race – Der nackte Wahnsinn“? <strong>Be</strong>i den<br />

Abenteuerwettläufen läuft alles genau<br />

so, nur dass niemand Ihnen gestatten<br />

wird, ein Flugzeug zu mieten oder ein<br />

Taxi auf der Straße anzuhalten. Und<br />

wenn Sie einen solchen Wettlauf gewinnen,<br />

wird ihnen natürlich auch niemand<br />

eine Million überreichen. Aber<br />

bekannterweise kann man gute Stimmung<br />

und Gesundheit für so viel Geld<br />

sowieso nicht kaufen.<br />

21


father / mother<br />

Impressum<br />

Verlag<br />

Extreme Media House GmbH<br />

Kalvariju 181-4<br />

08311 Vilnius<br />

info@extrememh.eu<br />

Redaktion<br />

Arūnas Butkus (Chefredakteur)<br />

Tel. +370687 57732<br />

arunas@extrememh.eu<br />

Laurynas Rimeikis<br />

laurynas@extrememh.eu<br />

Dalius Rakutis<br />

dalius@extrememh.eu<br />

Autoren<br />

Arūnas Butkus<br />

Alex Walker<br />

Gediminas Galkauskas<br />

Igor Smolevski<br />

Jacob Grani<br />

Oskar Ruhig<br />

Rimantas Vančys<br />

Übersetzer<br />

Christian Ricardo Fedeler<br />

Vida Kaluza<br />

Text Herausgeber<br />

Giedra Zokaitytė<br />

Layout<br />

RZidea<br />

Algirdo str. 31-503<br />

LT-03219 Vilnius, Lithuania<br />

STR./Fax +370 5 26 16 922<br />

Mob. +370 676 07 257<br />

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www.rzidea.lt<br />

Arturas Serapinas (designer)<br />

Vertrieb:<br />

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22<br />

DRUCK<br />

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Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen <strong>Be</strong>iträge und Abbildungen sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe<br />

berrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen.<br />

Alle Rechte vorbehalten.


-<br />

Abenteuerwettläufe existieren in<br />

verschiedenen Formaten. Zu Anfang<br />

sind die Tageswettläufe am<br />

besten geeignet. Wird ihr Kind stärker,<br />

können die Tageswettläufe<br />

über das Wochenende oder einen<br />

längeren Zeitraum ausgedehnt<br />

werden. Das wichtigste Argument,<br />

das Ihr Kind zu der Überzeugung<br />

kommen lassen muss, dass diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />

gut ist, ist die Möglichkeit<br />

zu siegen und zum Herrscher<br />

der Welt zu werden. Die Abenteuerwettläufe<br />

werden dem Wunsch<br />

Ihres Kindes, der <strong>Be</strong>ste zu sein, Genugtuung<br />

verschaffen. Und damit<br />

nicht genug: Da die Abenteuerwettläufe<br />

unendlich viele Disziplinen<br />

in sich bergen, muss Ihr Kind sich<br />

ernsthaft vorbereiten, wenn es gewinnen<br />

möchte. Es muss 10 Runden<br />

ums Haus laufen und sich daran<br />

erinnern, dass nicht unbedingt nur<br />

Vatis BMW, sondern auch das Fahrrad<br />

ein Transportmittel ist.<br />

Wenn Sie im Internet nach Informationen<br />

über Abenteuerwettläufe suchen,<br />

werden sie sicher auf den berühmtesten<br />

Wettlauf dieser Art stoßen – auf<br />

„Primal Quest“. Diesen Namen trägt<br />

der weltweit schwerste Wettbewerb.<br />

Wir schlagen Ihnen auf keinen Fall vor,<br />

das Format dieses Wettlaufs für Kinder<br />

anzupassen. Sie können jedoch Ideen<br />

sammeln, wie ein einfacher Sportwettbewerb<br />

zu einer riesigen Intrige<br />

gemacht werden kann. Wenn Sie außerdem<br />

denken, dass ein Wettbewerb<br />

Ihrem Kind unnötigen Stress verursachen<br />

kann, lassen Sie sich von Abenteuerwettläufen<br />

einnehmen, die nach<br />

dem olympischen Grundsatz „Dabei<br />

sein ist alles“ organisiert werden. Neben<br />

den körperlichen Fertigkeiten, die<br />

Ihr Kind erlangt, wird es bei den Abenteuerwettläufen<br />

Dinge lernen, die ihm<br />

im Leben auf jedem Gebiet nützlich<br />

sind: Teamarbeit, Selbstvertrauen, die<br />

Fähigkeit zur schnellen Orientierung<br />

in unverhofften Situationen. Nicht<br />

umsonst werden Abenteuerwettläufe<br />

sogar in den größten Unternehmen<br />

als ernsthaftes Mittel zur Teambildung<br />

eingesetzt.<br />

Das Problem mit den Abenteuerwettläufen<br />

besteht darin, dass es keine Anbieter<br />

für organisierte Kinderdienstleistungen<br />

gibt. Sie müssten also selbst<br />

zur Tat schreiten und mit anderen<br />

Eltern Abenteuerstrecken erstellen.<br />

Es gibt auch eine virtuelle Version des<br />

Abenteuerwettlaufs unter dem Namen<br />

„Tourality“. Hier sind alle Abenteuer<br />

auf einer Landkarte verzeichnet<br />

und man muss nur mit GPS und durch<br />

Erfüllung der festgelegten Aufgaben<br />

das Ziel erreichen. Dieses Spiel ist verfügbar<br />

für iPhone, Black<strong>Be</strong>rry, Android<br />

und für Telefone von Nokia und Sony<br />

Ericsson, die JavaScript verarbeiten<br />

können.<br />

23


father / mother<br />

Nachrichten<br />

Magellan wird eine neue Serie von<br />

GPS-Handempfängern unter dem<br />

Namen „eXplorist“ herausgeben.<br />

Diese Geräte werden die schnellere<br />

Orientierung an jedem Ort der<br />

Welt ermöglichen und die detaillierteste<br />

Weltkarte enthalten, auf<br />

der alle Straßen Nordamerikas,<br />

Westeuropas und Australiens eingetragen<br />

sind. Das Gerät mit einem<br />

3-Zoll-Touchscreen und einer<br />

Kamera (3,2 Megapixel) wird auch<br />

wasserfest sein. „eXplorist“ wird<br />

es dem Reisenden ermöglichen,<br />

geographische Fotos zu machen<br />

und zu Hause seine Eindrücke im<br />

Internet zu teilen. Magellan hat<br />

dieses Jahr auch das Programm<br />

„RoadMate GPS“ für das iPhone<br />

vorgestellt. Obwohl das iPhone<br />

über ein installiertes GPS verfügt,<br />

werden Kraftfahrer mit dem neuen<br />

Programm von Magellan die<br />

Navigationssysteme viel bequemer<br />

nutzen können.<br />

Die Hersteller für Navigationsgeräte<br />

„Garmin“ haben GPS-Geräte<br />

im Angebot, in denen bereits<br />

Standort- und Navigationsspiele<br />

installiert sind, die jeden Spaziergang<br />

bereichern. Über solche installierten<br />

Spiele verfügen diese<br />

Modelle von „Garmin“: Geko 201,<br />

Geko 301, GPS 60, eTrex Vista C und<br />

GPSMAP 76CS.<br />

Der Navigationsgerätehersteller<br />

„Insignia“ hat den GPS-<br />

Fährtensucher für Kinder „The<br />

Little Buddy“ auf den Markt<br />

gebracht. Mit dessen Hilfe können<br />

Sie jederzeit feststellen, wo<br />

sich Ihr Kind befindet. Das Gerät<br />

hat die Größe eines Lippenstifts<br />

und kostet 99 USD. Eine Registrierung<br />

bei dem Portal www.insignialittlebuddy.com<br />

und eine<br />

Aktivierung des Geräts ist notwendig.<br />

Der Monatsbeitrag zur<br />

uneingeschränkten Nutzung<br />

liegt bei 14,99 USD. Sie können<br />

auch für einzelne Anfragen zur<br />

Standortermittlung zahlen. Der<br />

Preis für eine Anfrage beträgt<br />

0,99 USD. Außerdem können<br />

Sie das Gerät kostenlos ausprobieren:<br />

Die ersten 30 Tage brauchen<br />

Sie nichts zu zahlen und<br />

in diesem Zeitraum können Sie<br />

die Nutzung der Dienstleistung<br />

ohne finanzielle Strafen widerrufen.<br />

Der Preis für dieses Gerät<br />

ist erschwinglich, da beispielsweise<br />

eines der beliebtesten Navigationsgeräte,<br />

das „LiveView<br />

GPS“, vier Mal so teuer ist.<br />

Die Weltmeisterschaft im Abenteuerwettlauf<br />

2011 wird in Australien<br />

in der Region Tasmanien<br />

stattfinden. Während der<br />

Weltmeisterschaft, die vom 31.<br />

Oktober – 11. November stattfinden<br />

wird, müssen Teams mit<br />

4 Mitgliedern zu Fuß, in Paddelbooten<br />

und auf Mountainbikes<br />

700 km wilder Natur von Tasmanien<br />

bewältigen. Weitere Informationen<br />

über diese Veranstaltung<br />

finden Sie im Internet<br />

unter www.arwc2011.com.<br />

24


Score<br />

Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />

Ziel zu erreichen.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

25


iker<br />

Tausende von<br />

KILOMETERN<br />

in eine richtung<br />

Exotischer Urlaub auf dem<br />

Motorrad<br />

Text Oskar Ruhig<br />

26


Wenn Ihnen eines Tages bewusst wird, dass irgendetwas<br />

fehlt, obwohl Sie in bequemer Routine leben<br />

und die erreichbaren Annehmlichkeiten nicht<br />

mehr Ihrem anspruchsvollen Geschmack entsprechen, entsteht<br />

offiziell das <strong>Be</strong>dürfnis nach einem Tapetenwechsel.<br />

Eine Reise ist notwendig. Sie haben<br />

dann folgende Wahl: a) Sie laden die<br />

ganze Routine, von der Sie die Nase<br />

voll haben, in den Kofferraum Ihres<br />

Autos, legen Ihr Lieblingslied auf,<br />

geben die Koordinaten eines Kurorts<br />

in Frankreich in Ihr GPS ein und<br />

wenn die Landschaft letztendlich am<br />

Fenster vorbeizieht, üben die Jahreszeiten<br />

keinen Einfluss mehr auf<br />

Sie aus, weil die Klimaanlage wunderbar<br />

funktioniert. Wie angenehm.<br />

Wie langweilig. Zum Einschlafen. Die<br />

Zeit vergeht langsam, aber danach<br />

können Sie zwei Wochen lang in der<br />

Sonne braten, Ihre Bräune an die der<br />

umliegenden Menschen anpassen; b)<br />

Sie ergreifen zwei riesige Koffer und<br />

eine Handtasche und setzen sich ins<br />

Flugzeug. Wie angenehm. Wie langweilig.<br />

Die Zeit vergeht langsam, aber<br />

danach können Sie sich beim Genuss<br />

eines „Mojito“ sowie beim Konzert<br />

eines lokalen Ensembles in irgendeinem<br />

Café der Ciudad de La Habana<br />

von den <strong>Be</strong>sonderheiten des sich<br />

verändernden Kommunismus erstau-<br />

nen lassen; c) Sie greifen zum Helm,<br />

steigen auf ein Motorrad mit so viel<br />

Klamotten, wie sie zusammenbekommen,<br />

tippen mit dem Finger auf die<br />

Landkarte, sagen „hier“ und mit dem<br />

Rauschen des Windes in den Ohren<br />

stürzen Sie sich in das Meer der Erlebnisse.<br />

Dort, wo Sie hinfahren, sind<br />

weder sengende Hitze, noch strömender<br />

Regen, noch Gespräche mit<br />

Ortsansässigen beim Verfahren etwas<br />

Ungewöhnliches. Wenn Sie auf zwei<br />

Rädern hunderte Kilometer Asphalt<br />

oder gar unwegsamen Geländes fressen,<br />

dann werden Sie fühlen, dass Sie<br />

am Leben sind.<br />

Variante „c“ und nichts anderes!<br />

Denn wann sonst, wenn nicht jetzt?<br />

Dann begründen Ihre Familie, Nahestehenden<br />

und Freunde bei Ihrem<br />

Anblick nur die Worte von Richter<br />

George Hanson (gespielt von Jack<br />

Nicholson) aus dem Film „Easy Rider“:<br />

„Sie werden mit dir andauernd über<br />

die Freiheit des Individuums sprechen.<br />

Aber wenn sie ein freies Individuum<br />

sehen, dann erschreckt es sie.“<br />

Tausende von Kilometern<br />

in eine Richtung:<br />

Der <strong>Be</strong>ginn<br />

Es war ein trister Winterabend, einer<br />

von denen, wo nichts anderes<br />

mehr übrig bleibt, als den Organismus<br />

mit Büchern über Reisen und<br />

Touristen anlockenden, farbkorrigierten<br />

Fotos von Palmen, Sand,<br />

Meer und Yachten zu täuschen. Ich<br />

habe ihn so lange getäuscht, bis<br />

ich endlich verstanden habe, dass<br />

ich eine Sünde begehe. Lügen,<br />

besonders sich selbst gegenüber,<br />

schadet der Gesundheit. Deshalb<br />

habe ich aus freiem Willen, im Vollbesitz<br />

meiner geistigen Kräfte und<br />

ohne dazu gezwungen zu werden<br />

mit der Planung einer Motorradreise<br />

begonnen, und zwar an die<br />

Orte, deren Fotos die Internetsuchmaschine<br />

nach dem Eingeben des<br />

Wortes „Urlaub“ ausgespuckt hat.<br />

27


iker<br />

Zu Anfang habe ich noch versucht<br />

mich durch logische Motive selbst zu<br />

überzeugen, dass kein Geld zur Verfügung<br />

stünde – also vielleicht sollte<br />

man das alles auf den nächsten Sommer<br />

verschieben? Ja, sagten meine<br />

Freunde, als sie von meinen Plänen<br />

hörten. „Fahr besser auf den Enduro-<br />

Strecken“, wonach ich mich übrigens<br />

auch gesehnt habe. Aber in meiner<br />

Wintermüdigkeit wollte ich keine langen<br />

Gespräche über Reisen, farbkorrigierte<br />

Fotos mit Meer, Palmen und<br />

in Buchten schaukelnden Booten<br />

hören. Mein einziger Gedanke war<br />

die Reise. Seit dieser Zeit bin ich mit<br />

diesem Gedanken schlafen gegangen<br />

und aufgestanden, habe mit ihm<br />

gegessen und getrunken. Ich musste<br />

mit einer Analyse der Landkarte beginnen...<br />

Ich habe die Länder Europas<br />

erforscht und nach meinen <strong>Be</strong>rechnungen<br />

kam ich zu einer Entscheidung<br />

– das Ziel meiner Reise wird der<br />

<strong>Be</strong>such von mindestens neun Staaten<br />

sein, und in einem von ihnen werde<br />

ich mich auch erholen. Dem stimmte,<br />

mit zwei Vorbehalten, auch die mich<br />

in letzter Zeit durchs Leben begleitende<br />

sowie gemeinsam Urlaub machende<br />

Göttin, die auch unter dem Pseudonym<br />

Schutzengel bekannt ist, zu.<br />

Erster Vorbehalt: Wir machen Urlaub<br />

an der Küste der Adria mit tausend Inseln,<br />

die unter dem Namen Kroatien<br />

bekannt ist. Und der zweite Vorbehalt<br />

war, dass ich bis nach Kroatien allein<br />

fahren müsste und dort würde ich<br />

meinen Schutzengel vom Flughafen<br />

abholen und am Ende der Reise wieder<br />

sicher zum Flugzeug bringen.<br />

Diese <strong>Be</strong>dingung band die Reise an einen<br />

engen Zeitrahmen – ich werde an<br />

einem bestimmten Tag zu einer bestimmten<br />

Zeit in Kroatien sein müssen,<br />

ansonsten würden Störungen den<br />

ganzen Urlaub verderben. Aber auf<br />

jeden Fall ist eine Reise mit dem Motorrad<br />

in engem Zeitrahmen immer<br />

noch besser als zwei Wochen Langeweile<br />

am Schwimmbecken eines Hotels.<br />

Jetzt musste nur noch ein Motorrad<br />

gekauft werden. Und damit<br />

die Reise nicht langweilig wird,<br />

damit ich die <strong>Be</strong>deutung jedes zurückgelegten<br />

Kilometers verstehen<br />

kann, machte ich es mir zur<br />

Aufgabe, ein Motorrad zu kaufen,<br />

das mindestens zwanzig Jahre alt<br />

ist. Das ist natürlich die offizielle<br />

Version – die finanziellen Möglichkeiten<br />

haben ebenfalls diese Wahl<br />

diktiert. Diesem Motorrad wird die<br />

Verantwortung übertragen, in ca.<br />

fünfundzwanzig Tagen einige tausend<br />

Kilometer zurückzulegen und<br />

mich letztendlich wieder gesund<br />

und lebendig nach Hause zu bringen.<br />

Wenn das noch nicht extremer<br />

als die alttägliche Routine ist, werde<br />

ich noch hinzufügen, dass das Ziel<br />

der Reise Osteuropa ist.<br />

28


<strong>Be</strong>rlin<br />

Germany<br />

Poland<br />

Wroclaw<br />

Hradec Kralove<br />

Krakow<br />

Czech Republic<br />

Brno<br />

Slovakia<br />

Austria<br />

Bratislava<br />

Esztergom<br />

Budapest<br />

Hungary<br />

Slovenija<br />

Croatia<br />

Bosnia<br />

and<br />

Herzegovina<br />

Primošten<br />

Trogir<br />

Montenegro<br />

Dubrovnik<br />

29


iker<br />

Das Motorrad<br />

Das Motorrad ist nur ein Transportmittel.<br />

Es fährt nur dorthin, wo man<br />

es hinlenkt. Es ist eine Masse aus Metall<br />

und Plastik, auf der man stundenlang<br />

sitzt – nichts weiter. Es ist lauter<br />

oder leiser brummende, <strong>Be</strong>nzin und<br />

Öl fressende Technik, vor deren Stimme<br />

man sich hunderte Kilometer lang<br />

nicht verstecken kann, wie vor dem<br />

Priester am <strong>Be</strong>ichtstuhl. Und dass<br />

sich diese Stimme um Gottes Willen<br />

nicht verändern möge... Es ist nur<br />

eine Maschine, deshalb werde ich sie<br />

schützen, wie die Schweizer Garde<br />

den Vatikan schützt, ich werde sie<br />

pflegen, wie der alte Gärtner seine<br />

Apfelbäume pflegt, und werde nicht<br />

zulassen, dass ihr mechanisches Herz<br />

zum Stillstand kommt, deshalb werde<br />

ich jeden Abend ihre Kette einfetten.<br />

Auf ein gesundes Leben.<br />

Das Motorrad, das ich erwerben wollte,<br />

musste einigen meiner Launen<br />

standhalten. Zu allererst musste es<br />

mindestens zwanzig Jahre alt sein.<br />

Zweitens musste es geeignet sein, um<br />

mehr oder weniger angenehm hunderte<br />

von Kilometern zu fahren, fast<br />

ohne von ihm abzusteigen. Drittens<br />

– es musste über einen Motor mit ausreichend<br />

Leistung verfügen, damit<br />

es nach dem <strong>Be</strong>laden durch Gepäck<br />

und Personen ohne Probleme bei<br />

jeder Geschwindigkeit fahren und<br />

<strong>Be</strong>rge und Hänge jedes Steigungsgrades<br />

bewältigen könnte. Außerdem<br />

kann man einen leistungsstarken<br />

Motor schwieriger dazu<br />

bewegen, den Löffel abzugeben, also<br />

besteht eine größere Wahrscheinlichkeit,<br />

dass er wenigstens einige<br />

tausend Kilometer aushält. Ich wollte<br />

ein großes Zweiradgefährt der Klasse<br />

„soft enduro“ kaufen, eines wie<br />

aus der Serie BMW GS oder das Africa<br />

Twin von Honda. Diese Motorräder<br />

sind jedoch besonders zuverlässig<br />

und beliebt. Wenn ich über eine Fahrt<br />

damit nachdenke, dann lässt es mich<br />

kalt. Ich habe mich auch in der Klasse<br />

der Reisemotorräder umgesehen. <strong>Be</strong>sonders<br />

ins Auge fiel mir das alte Gold<br />

Wing von Honda, aber ich entschloss<br />

mich, dass dafür noch die Zeit kommen<br />

wird, wenn mehr Komfort gefragt<br />

ist, beispielsweise, wenn ich auf<br />

den Gedanken komme, während der<br />

Fahrt Radio zu hören. Diesmal aber<br />

nicht. Ich brauchte irgendetwas, was<br />

nicht beliebt war, nicht schön aussah,<br />

aber mehr oder weniger zuverlässig<br />

war. Und, Halleluja, endlich fand sich<br />

ein Motorrad, das theoretisch meinen<br />

Vorhaben, Zielen und Launen<br />

entsprach! Dafür musste ich nur etwa<br />

zwei Monate im Internet hängen,<br />

verschiedene Kommentare und <strong>Be</strong>schreibungen<br />

lesen, mich mit Freunden<br />

und gänzlich unbekannten Menschen<br />

zu diesem Thema unterhalten.<br />

Die Yamaha „FJ 1200“. Mit der Herstellung<br />

von Sport-Touring-Motorrädern<br />

dieser Art wurde bereits<br />

1984 mit dem 1100 cc-Motor und<br />

125 PS begonnen, der nach einigen<br />

Jahren auf 1200 cc und 130 PS anstieg.<br />

Dieser Motor wurde ein ganzes<br />

Jahrzehnt hergestellt, und das<br />

bedeutet nichts anderes, als dass<br />

die FJ einen gewaltigen Herzschlag<br />

hat. Das gefällt mir gewaltig. Ich<br />

habe sowohl die FJ 1100, als auch<br />

die FJ 1200 unter die Lupe genommen,<br />

aber mein Motorrad habe<br />

ich noch zwei Monate lang nicht<br />

gefunden, bis ich an einem besonders<br />

düsteren Wintertag ein heruntergekommenes,<br />

abgeschrammtes<br />

und ganz allein dem Rost überlassenes<br />

Transportmittel besichtigt<br />

habe. Es gab seltsame Geräusche<br />

von sich, verlangte nach Pflege<br />

und Reparatur, obwohl es gerade<br />

erst achtzehn Jahre alt war. Der Eigentümer<br />

machte mir einen Preisnachlass<br />

für das Motorrad, deshalb<br />

war ich nachlässig in <strong>Be</strong>zug auf die<br />

Jahre. Anstelle von zwanzig – achtzehn.<br />

Kein großer Unterschied.<br />

30


Das Relikt aus dem vergangenen<br />

Jahrhundert mit den Original-<br />

Seitenkästen von Yamaha wurde<br />

mein Eigentum. Ohne einen blassen<br />

Schimmer davon zu haben,<br />

was der alten Dame fehlt, habe ich<br />

die Yamaha bei einem befreundeten<br />

Mechaniker in Reparatur<br />

gegeben. Irgendetwas hatte sie,<br />

denn die Reparatur belief sich auf<br />

ein Drittel des Kaufbetrags des Motorrads,<br />

obwohl der Motor nicht<br />

angerührt wurde. Als endlich der<br />

Frühling angebrochen war, setze<br />

ich mich zum ersten Mal auf die<br />

alte Dame. Ich spürte den unglaublichen<br />

Unterschied zum drei Jahre<br />

älteren Einzylinder Honda NX 650<br />

Dominator. Das Motorrad schnurrte<br />

wie eine Katze, vier Zylinder haben<br />

fast gar keine Vibration erzeugt.<br />

Wegen all dem und wegen der<br />

windschnittigen Formen habe ich<br />

die alte Dame auf den weiblichen<br />

Namen Fee getauft. Fee, wie alle<br />

Frauen, war nicht ideal. Trotz der<br />

anfänglichen Investition blieb sie<br />

launisch, forderte Aufmerksamkeit.<br />

Ich musste ihr neue „Schuhe“<br />

kaufen, und nicht nur irgendwelche,<br />

sondern von verschiedener<br />

Größe. Die alte Dame wollte auch<br />

nicht ohne neues Zubehör auf Reisen<br />

gehen. Es gab zwei Seitenkästen,<br />

aber es schien ein Ding der Unmöglichkeit,<br />

darin das Gepäck von<br />

zwei Personen für eine vierwöchige<br />

Fahrt unterzubringen. Also musste<br />

ein neues Kaufobjekt her – eine<br />

unglaublich große Hecktasche aus<br />

Stoff. Welche sich selbst schätzende<br />

Frau hat denn nur eine Tasche<br />

für die Arbeit dabei? Also musste<br />

ich auch eine Handtasche kaufen<br />

– eine Tasche auf dem Tank, in der<br />

man verschiedene Kleinigkeiten<br />

wie einen Fotoapparat oder eine<br />

Landkarte unterbringen kann.<br />

31


iker<br />

Ausgaben für ein<br />

Motorrad und seine<br />

Vorbereitung auf<br />

die Fahrt:<br />

Motorrad: Yamaha FJ 1200 – 960<br />

EUR<br />

Motorrad-Reparatur: 320 EUR<br />

Reifen: Vorderreifen 120/70 R17<br />

Shinko – 60 EUR; Hinterreifen<br />

150/80 R16 Heidenau – 105 EUR<br />

Hecktasche: unmessbaren Volumens<br />

von „Niche“ – 130 EUR<br />

Tanktasche: „Oxford 1“; Länge –<br />

440 mm; Breite – 330 mm; Höhe –<br />

180 mm; Höhe bei Ausbreiten – 260<br />

mm. Preis – 60 EUR<br />

Jacke für den Fahrer: Leder Jofama.<br />

Preis – geliehen.<br />

Handschuhe für den Fahrer: Leder<br />

Jofama. Preis – geliehen.<br />

Schuhe für den Fahrer: ATV/Enduro.<br />

Preis – bereits zuvor vorhanden.<br />

Knieschützer für den Fahrer: Fox.<br />

Preis – geschenkt.<br />

Hose für den Fahrer: Jeans jeder<br />

Art.<br />

Helm für den Fahrer: Marushin.<br />

Preis – bereits zuvor vorhanden.<br />

Regenanzug für den Fahrer:<br />

durchgehend, wind- und feuchtigkeitsundurchlässig.<br />

Preis – bereits<br />

zuvor vorhanden.<br />

32


Stiller Assistent<br />

Er wird Ihnen niemals mit der Werbung<br />

für seine Dienstleistungen auf<br />

die Nerven gehen, wird Sie niemals<br />

suchen. Sie werden ihn suchen. Es<br />

ist ein Assistent, den Sie auf die Fahrt<br />

mitnehmen können, aber wenn Sie<br />

beginnen seine Dienstleistungen zu<br />

nutzen, dann wird er es sein, der Sie<br />

auf die Fahrt mitnimmt. Und es wird<br />

Ihnen gefallen. Ohne ein Wort zu sagen,<br />

wird er Ihnen alle möglichen<br />

Wege aufzeigen. Er wird kein Widerwort<br />

sprechen, wenn Sie die eine<br />

oder andere Richtung einschlagen,<br />

wird niemals dazu raten, nach rechts<br />

oder links abzubiegen, und wenn Sie<br />

das nicht getan haben, wird er Sie auf<br />

den nächsten zwanzig Kilometern<br />

nicht dazu auffordern umzudrehen.<br />

Er wird Sie nicht mit eisiger Stimme<br />

nerven, indem die eingespeicherten<br />

Sätze wiederholt werden, wenn Sie<br />

zufällig auf die Idee kommen, wegen<br />

des fantastischen Sonnenuntergangs<br />

vom Kurs abzukommen. Er wird Ihr<br />

Vertrauen auf Ihre eigene Vorahnung<br />

nicht im Keim ersticken, wird Ihnen<br />

gestatten die Richtung zu wählen<br />

und gibt Ihnen die Möglichkeit zur<br />

Umsetzung des manchmal aufkommenden<br />

unbesiegbaren Wunsches<br />

sich zu verirren. Er wird Ihnen die<br />

Freiheit lassen, dorthin zu fahren, wo<br />

es unnötig ist, aber wo man hinfahren<br />

kann. Der stumme Assistent wird<br />

geduldig warten, bis Verirrungen,<br />

kurze Haltepausen oder herzliche Gespräche<br />

mit Ortsansässigen beim Herausfinden<br />

der <strong>Be</strong>sonderheiten des<br />

Straßenbelags zu Möglichkeiten werden,<br />

die man sich bei der Abfahrt zu<br />

Reisebeginn nicht einmal erhofft hat.<br />

Er fordert Sie nicht zur Auswahl eines<br />

Endziels auf, wird Sie jedoch mit seinen<br />

stummen Wegweisern stets auf<br />

den anfänglichen Kurs zurückbringen.<br />

Der Straßenatlas versteht, dass<br />

jede neue Straße eine neue Erfahrung<br />

bietet, welche die weitere Reise<br />

nur erleichtern kann. Wenn Sie nach<br />

Hause zurückgekehrt sind, können<br />

Sie wenigstens nicht sagen, dass Ihre<br />

Reise langweilig war.<br />

Das Austauschen des Straßenatlasses<br />

in Papierform gegen ein elektronisches<br />

GPS-Navigationssystem ist ein<br />

Ausdruck der Schwäche. Ich werde<br />

nicht zulassen, dass meine irdische<br />

Reise von aus dem Kosmos gesteuerten<br />

elektronischen Gehirnen bestimmt<br />

wird. Ich werde nicht zulassen,<br />

dass ein weiterer Flüssigkristallbildschirm<br />

meine Augen in <strong>Be</strong>schlag<br />

nimmt, wenn zur gleichen Zeit nie im<br />

Leben gesehene Bilder an mir vorbeiziehen.<br />

Wie sich zeigte, habe ich mich<br />

bei der Wahl der Landkarte nicht<br />

geirrt. Ich habe mich nicht geirrt,<br />

weil das Interessante allein durch die<br />

Landkarte noch vor dem Überqueren<br />

der Landesgrenze seinen Anfang<br />

nahm.<br />

33


iker<br />

Unangenehmes vor<br />

der Fahrt<br />

Es nennt sich Murphys Gesetz: Alles,<br />

was schief gehen kann, wird auch<br />

schief gehen. Jede Reise kann vor<br />

ihrem <strong>Be</strong>ginn durch unvorhergesehene<br />

Dinge durcheinander gebracht<br />

werden. Die beste Art mit den Schwierigkeiten<br />

fertig zu werden sind die<br />

Handlung aus dem Stehgreif und Improvisation.<br />

Nur knappe zwei Nächte<br />

vor der Abfahrt hat die zweiräderige<br />

alte Dame, die bis zu diesem Zeitpunkt<br />

einwandfrei funktioniert hatte,<br />

plötzlich den Geist aufgegeben,<br />

ist auseinandergefallen, obwohl sie<br />

zuvor repariert wurde. Es war wie ein<br />

Wink des Schicksals: Reize mich nicht,<br />

Brüderchen, du siehst doch selbst,<br />

dass das Motorrad alt ist, für eine so<br />

lange Fahrt allein hast du doch zu<br />

wenig Erfahrung, und deine Hände<br />

wissen doch nicht einmal, was sie mit<br />

den Werkzeugen anfangen sollen.<br />

Die Menschen um uns herum haben<br />

nur traurig mit dem Kopf genickt<br />

– was wird, sagen sie, wenn auf der<br />

Fahrt noch mehr Defekte auftreten,<br />

wenn du irgendwo weit von der Zivilisation<br />

allein zum Stehen kommst?<br />

Dann werden wir schon sehen, winkte<br />

ich ab, weil ich auf solche Fragen<br />

überhaupt nicht vorbereitet war.<br />

Aber ich war verblüfft und versuchte<br />

das Angebot meines Freundes und<br />

dessen Garage zu nutzen, um alle vier<br />

verdreckten Vergaser zu reinigen.<br />

Letztendlich stellte sich nach dem<br />

Lösen aller Schrauben, wobei ein Teil<br />

abgesägt werden musste, am Morgen<br />

heraus, dass drei von vier Gummimembranen<br />

kleine Löcher aufweisen<br />

und stellenweise die Löcher<br />

größer waren. Gemeinsam haben wir<br />

beschlossen, dass dies dem Motorrad<br />

offensichtlich nicht mehr Zuverlässigkeit<br />

auf der langen Fahrt verleiht, dass<br />

es ohne Zweifel Einfluss auf die Funktion<br />

des Motors hat und wahrscheinlich<br />

der Grund für alle potenziellen<br />

Defekte sein kann. Ich musste bis zum<br />

Morgen warten, wo ich dann eine<br />

Nachricht erhielt, die mich aus den<br />

Schuhen kippen ließ: Die neuen Membranen<br />

würden bestenfalls in einer<br />

Woche hier eintreffen und fast genau<br />

soviel kosten wie das gesamte Motorrad.<br />

Ich hatte aber nur zwei Tage und<br />

wollte nicht noch ein Motorrad kaufen.<br />

Improvisation war nötig: Ich rief<br />

einen bekannten Mechanikermeister<br />

an und ... Bingo! Man braucht nur<br />

eine Paste, die zur Herstellung von<br />

Zwischenstücken verwendet wird,<br />

und die Membranen sollten noch<br />

ein paar Jahre halten. Die Löcher<br />

wurden unter herkömmlichen <strong>Be</strong>dingungen<br />

verklebt und es blieb ein<br />

Tag bis zur Abfahrt, als mir nichts dir<br />

nichts, durch den Kupplungszylinder<br />

Flüssigkeit austrat, die alle Plastikteile<br />

zerfrisst, auf die sie trifft. Es folgten<br />

desperate Irrgänge durch die Stadt<br />

und ich erhielt das Ehrenwort, dass<br />

der Reparatursatz für den Kupplungszylinder<br />

am gleichen Tag, für den<br />

der Start geplant ist, eintreffen wird.<br />

34


Als der Starttag gekommen war,<br />

irrte der Reparatursatz aber leider<br />

irgendwo im Land umher und würde<br />

bestenfalls nach weiteren vierundzwanzig<br />

Stunden eintreffen.<br />

Ich kann nicht mit aus dem Griff<br />

tropfender Kupplungsflüssigkeit<br />

fahren, aber nach sieben Monaten<br />

Planung kann ich es nicht zulassen,<br />

dass meine Pläne ruiniert<br />

werden. Wieder ist Improvisation<br />

notwendig, und ich erwarb einen<br />

gebrauchten Kupplungszylinder<br />

aus einem Unfallmotorrad. Eine<br />

Garantie, dass nach 1000 km nicht<br />

wieder Flüssigkeit auszutreten beginnt,<br />

gibt es nicht. Das war’s. 50 kg<br />

Gepäck sind geladen, die Richtung<br />

ist gewählt und gegen Abend, nur<br />

zehn Stunden hinter dem Zeitplan<br />

zurückliegend, fahre ich aus der<br />

Hauptstadt Deutschlands ab, weil<br />

ich am selben Tag das Angebot<br />

erhalten und angenommen hatte,<br />

die Nacht in guter Gesellschaft in<br />

der Nähe der polnischen Grenze,<br />

auf einem von Wäldern umgebenen<br />

Gehöft zu verbringen. Unglaublich,<br />

aber in der Gesellschaft<br />

befand sich auch ein Lkw-Fahrer,<br />

der halb Europa kreuz und quer<br />

durchfahren hat. Der Mann zählte<br />

mit ruhigem Gesicht aus dem<br />

Kopf verschiedene Strecken auf,<br />

nannte die Straßennummern und<br />

Namen der Städte, wobei er nur<br />

selten einen Blick auf den Straßenatlas<br />

warf. Ich musste mir nur<br />

Notizen machen, aber der Abend<br />

war so gut, dass ich meine Notizen<br />

bis zum heutigen Tag nicht entziffern<br />

kann. Der Morgen kam und<br />

verging. Der Mittag kam und ich<br />

habe mich ohne Hast auf den Weg<br />

gemacht. Die zum Abschied winkenden<br />

Hände entfernen sich und<br />

auf meinem Gesicht hält sich das<br />

Lächeln. Der <strong>Be</strong>nzintank ist voll, die<br />

Landschaft wunderbar, die Straße<br />

gut. Der Urlaub beginnt und dann<br />

fahre ich nach Polen ein...<br />

35


iker<br />

POLEN: Legenden<br />

und die Wahrheit<br />

Die Menschen haben sich folgende<br />

Meinung gebildet: Wenn man<br />

die Möglichkeit dazu hat, sollte<br />

man unbedingt die Straßen Polens<br />

meiden. Diese Meinung ist nicht innerhalb<br />

einiger Wochen, sondern<br />

über Jahre entstanden. Warum<br />

wird dazu geraten, Polen zu umfahren?<br />

Zu allererst darum, weil<br />

Polen lange für besonders schlechte<br />

Straßen berühmt war. Zweitens<br />

ist es ein Transitland, durch welches<br />

hunderttausende von Lkws<br />

fahren, die wegen der qualitativ<br />

schlechten schmalen Straßen<br />

lange Warteschlangen erzeugen<br />

und die Geschwindigkeit von Reisenden<br />

und Touristen merklich<br />

verringern. Und der dritte Grund,<br />

weshalb man Polen vorerst umfahren<br />

sollte, ist der Ehrgeiz der Polen<br />

selbst, ihre Straßen zu verbreitern<br />

und in Ordnung zu bringen.<br />

Wegen Straßenreparaturen entstehen<br />

in ganz Polen riesige Staus,<br />

in denen man stundenlang festsitzt.<br />

Für Abwechslung in diesem<br />

Kaleidoskop sorgt das unvorsichtige<br />

Abbiegen von Fahrzeugen der<br />

Marke Polonez auf die Hauptstraße.<br />

Es gibt zumindest solche Legenden.<br />

Aber was bedeutet Polen für einen<br />

Optimisten, der das erste Jahr auf<br />

einem Sport-Touring-Motorrad sitzt,<br />

aber Erfahrung im Fahren eines<br />

Enduro hat? Ich beschloss, die Gerüchte<br />

selbst zu prüfen. Noch vielmehr<br />

dürstete es mich danach, den<br />

Schaum von einem Glas polnischen<br />

Bier in einer Bar in einer engen Gasse<br />

von Krakau zu pusten. Auf alle Fälle<br />

entschied ich mich zur Fahrt über<br />

Wrocław, da mit meinem krummen<br />

Blick auf die Landkarte diese Strecke<br />

am geradesten schien. Außerdem<br />

habe ich bei Wrocław einen Campingplatz<br />

gesichtet, auf dem ich<br />

übernachten könnte, falls mein Plan,<br />

mehr als siebenhundert Kilometer<br />

an einem Tag zu fahren, sich nicht<br />

bestätigen würde. Und, oh, Schicksal!<br />

Erst nach dem Ende meines Urlaubs<br />

werde ich verstehen, dass meine Entscheidung<br />

diesbezüglich eine Auszeichnung<br />

verdient hat. Der <strong>Be</strong>nzintank<br />

war also voll, die Sonne stand<br />

hoch, die Landschaft war gut, und<br />

auch die Straßen waren zu meinem<br />

Erstaunen hervorragend. Ich beschloss,<br />

nicht auf den Hauptstraßen,<br />

sondern auf den weniger vom Transittransport<br />

belasteten Straßen zu<br />

fahren. Kein einziger Lastkraftwagen.<br />

Mein bekannter Kraftfahrer sagte mir<br />

bei der Feier am Abend, dass ich bis<br />

etwa drei Uhr nachmittags keine Lkws<br />

zu sehen bekommen werde, weil es<br />

Samstag ist, und am Sonntag werde<br />

ich sie den ganzen Tag nicht sehen.<br />

Ich bog nach Zielona Góra ab.<br />

Weiterhin erstreckte sich eine erstaunlich<br />

gute Straße, es gab nicht<br />

viele Fahrzeuge. Und obwohl sich auf<br />

dieser Strecke Kleinstädte befinden,<br />

in denen die Geschwindigkeit stark<br />

eingeschränkt ist, habe ich bis fast<br />

nach Wrocław nichts <strong>Be</strong>sseres zu tun<br />

gehabt, als mich an der Fahrt und<br />

dem wunderbaren Wetter zu erfreuen.<br />

In dieser Zeit habe ich die Möglichkeit<br />

zur <strong>Be</strong>kanntschaft mit dem<br />

Motorradfahrer Mariusz gehabt. Der<br />

Pole hielt mich in einer Kleinstadt an.<br />

Obwohl er keiner einzigen der Sprachen,<br />

die ich konnte, mächtig war<br />

und ich seine Sprache nicht sprach,<br />

haben wir herausgefunden, dass er<br />

in Warschau und in noch drei anderen<br />

polnischen Städten wohnt und<br />

ebenfalls oft allein mit dem Motorrad<br />

unterwegs ist, weil selten jemand<br />

aus seinem Freundeskreis zu einer<br />

Fahrt auf weiterer Strecke bereit ist.<br />

36


Mariusz erfuhr von meinem Vorhaben,<br />

dass es sich um den ersten<br />

Tag meiner Fahrt im Ausland<br />

handelte, und dass noch ungefähr<br />

weitere zwanzig Tage vor mir<br />

liegen. Wir verabschiedeten uns,<br />

aber als ich nach fünfzig Kilometern<br />

am Straßenrand stand und<br />

versuchte, mit den herabrutschenden<br />

Gepäckhaltegurten fertig zu<br />

werden, holte mich der Mann ein<br />

und schlug vor, mich zu begleiten.<br />

In der Nähe von Wrocław bot der<br />

Pole mir sogar eine Übernachtungsmöglichkeit,<br />

Kaffee und eine<br />

Dusche an, aber ich machte abermals<br />

deutlich, dass mein Tagesziel<br />

Krakau ist. Mariusz nickte mit dem<br />

Kopf und wünschte mir Erfolg.<br />

Schon bald verstand ich warum.<br />

Gegen Abend, bis zur Dunkelheit<br />

blieben noch ein paar Stunden, war<br />

es nicht mehr weit bis Wrocław, von<br />

dem aus es bis Krakau gerade einmal<br />

zweihundert Kilometer sind, scheinbar<br />

zum Greifen nah. Aber dann<br />

begann der unendliche Strom der<br />

Geschwindigkeitsbegrenzungen.<br />

Das Verkehrsaufkommen stieg, die<br />

Sitzmuskeln begannen unerträglich<br />

zu schmerzen und die Stimmung<br />

verschwand wesentlich schneller,<br />

als sich die Zahlen bis zur nächsten<br />

Stadt auf den Anzeigetafeln veränderten.<br />

Als ich endlich Wrocław erreicht<br />

hatte, konnte ich nicht mehr<br />

auf meiner alten Dame sitzen, also<br />

begann ich nach dem Campingplatz<br />

zu suchen. Mit der Landkarte<br />

und der Sonne konnte ich den Platz<br />

leicht ausfindig machen, besonders<br />

nachdem ein Wachmann des Erholungsparks,<br />

der auf einem Motorroller<br />

fuhr, mir den Weg gewiesen hatte.<br />

37


iker<br />

Für das Zelt, das Motorrad und mich<br />

selbst habe ich zwölf Euro bezahlt,<br />

noch in der Dämmerung habe ich mir<br />

eine Suppe gekocht. Platz für ein Zelt<br />

und Wohnwagen gibt es auf dem Campingplatz<br />

reichlich. Wer möchte, kann<br />

auch in kleinen Bungalows unterkommen.<br />

Gegen Aufpreis kann man sogar<br />

in seinem Zelt auch Stromversorgung<br />

erhalten (man muss nur ein mehrere<br />

Meter langes Kabel bei sich haben). Die<br />

Duschen und die Toiletten sind jedoch<br />

nicht von der angenehmsten Art. Brüchige,<br />

unordentliche Einrichtung, herumliegende<br />

Zigarettenkippen, so viel<br />

Schmutz, dass man nach dem Duschen<br />

zusehen muss, um keine schmutzigen<br />

Füße zu bekommen. Später erfuhr<br />

ich, dass dies auf den Campingplätzen<br />

in Polen etwas ganz Gewöhnliches<br />

ist. Ich benötigte aber nur eine heiße<br />

Dusche und die habe ich bekommen.<br />

<strong>Be</strong>im Klang der schmetternden Musik<br />

aus den Autos von anreisenden polnischen<br />

Touristen und bei Feuerwerken<br />

bin ich ein wenig eingeschlafen<br />

und nach dem Sonnenaufgang war<br />

ich wieder fahrtüchtig. Eine Dusche,<br />

Frühstück, Zeltabbau, <strong>Be</strong>festigung des<br />

Gepäcks auf dem Motorrad und eine<br />

Stunde vor Mittag war ich wieder auf<br />

dem Weg nach Krakau. Ich entschloss<br />

mich übrigens diese Stadt zu umfahren<br />

und direkt in die Hauptstadt der<br />

Slowakei, Bratislava, zu fahren, um<br />

zum vereinbarten Zeitpunkt meine<br />

Göttin vom Flughafen in Kroatien abholen<br />

zu können. Die Straßen Polens<br />

haben mich angenehm überrascht.<br />

Und obwohl mich Mariusz gewarnt<br />

hat, dass sie vor Krakau schlechter werden,<br />

gab es keine Straße, die nicht mit<br />

der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />

oder ein wenig schneller befahrbar<br />

wäre. Dafür wurde die Landschaft vor<br />

Krakau immer besser, bis endlich die<br />

<strong>Be</strong>rge ihren Anfang nahmen. Ich verstand,<br />

dass ich mich bereits unweit<br />

der polnisch-slowakischen Grenze<br />

befinde. Ich habe Krakau geschnitten<br />

(zuvor musste ich Ortsansässige nach<br />

der genaueren Richtung fragen, denn<br />

wie ich mich später selbst überzeugt<br />

habe, ist es in den größeren Städten<br />

Polens schwierig, sich nach den<br />

Verkehrszeichen zu orientieren – es<br />

gibt einfach zu wenige davon) und<br />

gelangte auf eine Straße, von der ich<br />

ein halbes Jahr lang geträumt hatte<br />

– breiter, spiegelglatter Asphalt windet<br />

sich zwischen <strong>Be</strong>rgen und Felsen<br />

hindurch, auf denen sich zwischen<br />

Wäldern liegende kleine bunte Häuschen<br />

befinden. Es war der beste Ort<br />

des Landes, der einen bleibenden<br />

Eindruck hinterlassen hat, und als ich<br />

letztendlich in die Slowakei eingefahren<br />

war, konnte ich die Eindrücke über<br />

das Fahren in Polen zusammenfassen.<br />

38


Irgendwann einmal wird Polen<br />

ebenso wunderbare Straßen haben<br />

wie Deutschland und Österreich,<br />

aber wer weiß, ob wir das noch erleben<br />

werden.<br />

Die Legende, dass die Straßen in<br />

Polen schlecht sind, hat sich nicht<br />

bestätigt. Sie werden ganz einfach<br />

repariert.<br />

Die Legende, dass es auf den Straßen<br />

von Lkws wimmelt, wird an<br />

Werktagen zu einer Tatsache. An<br />

Wochenenden sind sehr viel weniger<br />

von ihnen unterwegs, und einen<br />

Motorradfahrer stören sie nicht.<br />

Die Legende, dass die polnische Polizei<br />

gleich nach dem Anhalten um<br />

Schmiergeld bittet, konnte ich nicht<br />

überprüfen, weil ich auf der gesamten<br />

Fahrt nicht von einem Polizeibeamten<br />

angehalten wurde.<br />

Die Legenden von an den Straßenrändern<br />

lauernden Banditen werden, so<br />

wollen wir hoffen, zu einem Mythos.<br />

Ich selbst kann noch hinzufügen,<br />

dass die öffentlichen Toiletten in<br />

Polen (die Campingplätze habe ich<br />

bereits erwähnt) völlig ungeeignet<br />

zur <strong>Be</strong>nutzung sind, und falls Sie die<br />

Möglichkeit haben, sollten Sie diese<br />

meiden. Suchen Sie besser ein Café<br />

oder einen anderen privaten Ort auf.<br />

Die Tatsache, dass das Fahren durch<br />

Polen besonders schwierig ist, hat<br />

sich bestätigt. Von den Reparaturarbeiten<br />

und den Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />

kann einem schlecht<br />

werden.<br />

Die Tatsache, dass aus jeder Seitenstraße,<br />

ohne auf irgendetwas zu<br />

achten, plötzlich ein lokales Gefährt<br />

der Marke Polonez langsam auf die<br />

Hauptstraße fahren kann, hat sich<br />

mehr als bestätigt. Ein Wagen der<br />

Marke Polonez war das erste Auto,<br />

das unvorsichtig direkt vor meiner<br />

Nase auf die Hauptstraße fuhr. Auch<br />

Fahrzeuge anderer Marken biegen<br />

verantwortungslos auf die Hauptstraße<br />

ab.<br />

Es ist eine Tatsache, dass die Polen<br />

nicht sonderlich auf die Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />

außerhalb<br />

der Stadt achten.<br />

39


iker<br />

Die Slowakei: Staus<br />

in den <strong>Be</strong>rgen und<br />

überfüllte Hostels<br />

Die <strong>Be</strong>rge haben eine gute Eigenschaft:<br />

Wenn man sie durchfährt,<br />

dann brennt die Sonne nicht. Und<br />

sie brennt so wenig, dass es sogar<br />

ganz schön kühl wird, da hilft nicht<br />

einmal die windundurchlässige Lederjacke.<br />

Nachdem ich für die 7-tägige<br />

Vignette (eine kleinere gibt es<br />

nicht) gezahlt hatte, schlüpfte ich<br />

auch noch in meinen wind- und<br />

feuchtigkeitsundurchlässigen Anzug.<br />

Unter normalen Umständen<br />

fühle ich mich im August in einem<br />

Anzug wie in der Sauna, dieses<br />

Mal jedoch nicht. Es war nicht<br />

heiß und beim Tragen des Anzugs<br />

kam ungeahnte Freude auf, als<br />

die bleischweren Wolken an den<br />

<strong>Be</strong>rggipfeln letztendlich zu Regen<br />

wurden. Dies hielt den Verkehr<br />

auf. Ich verstand, dass falls ich meine<br />

Fahrtroute nicht ändere und<br />

nicht so schnell wie möglich die<br />

Autobahn erreiche, ich in den <strong>Be</strong>rgen<br />

übernachten kann. Würde es<br />

nicht regnen und würde ich nicht<br />

unter Zeitdruck stehen, klänge<br />

dieser Gedanke recht romantisch.<br />

Nur nicht dieses Mal. Ein Blick in<br />

den Atlas und die Nase meines<br />

Motorrads fuhr in anderer Richtung,<br />

war bemüht, die längste Autobahn<br />

der Slowakei zu riechen.<br />

Logisch gesehen war sie der schnellste<br />

Weg zum Ziel. Noch ein Dutzend<br />

der nicht gerade angenehmsten<br />

Kilometer und zu dem kühlen Wetter<br />

und dem Regen gesellte sich der<br />

Stau hinzu. Lang und langweilig.<br />

Das nervte. Einige Autofahrer sind,<br />

auf Grund welches Kindheitstraumas<br />

auch immer, außerdem der<br />

Meinung, dass Motorradfahrer fliegen<br />

können und unsterblich sind,<br />

weshalb man sie seelenruhig von der<br />

Straße drängen kann. Zum Glück gibt<br />

es von solchen Autofahrern nicht<br />

viele. Etwa zwei Stunden und einige<br />

Dutzend Kilometer später hinter<br />

der Stadt Žilina beginnen die Fahrzeuge<br />

sich mit einer unglaublichen<br />

Geschwindigkeit von 50 km/h fortzubewegen<br />

und so geht das noch<br />

eine gute Stunde. Fröhlicher war mir<br />

zumute, als ich nach dem Sprung<br />

auf die Autobahn und einer weiteren<br />

Stunde Fahrt bemerkte, dass der<br />

Himmel sich lichtete, aber die treue<br />

alte Dame Fee öffnete eines ihrer zwei<br />

roten Augen – das der <strong>Be</strong>nzinreserve.<br />

Das „<strong>Be</strong>nzinauge“ öffnete Fee nicht<br />

zum ersten Mal. Wenn der Tankanzeiger<br />

nicht einwandfrei funktioniert,<br />

gibt es keine andere Möglichkeit als<br />

auszuprobieren, wie weit man mit vollem<br />

Tank fahren kann, aber nur nicht<br />

dann, wenn die Reservelampe aufleuchtet.<br />

Die Zahlen kannte ich nur<br />

ungefähr... Es war wie die Ankunft des<br />

Nirwana auf Erden, als sich die Wolken<br />

endlich gänzlich verzogen und im<br />

Sonnenuntergang hinter den <strong>Be</strong>rgen<br />

Fees Tankmündung von der <strong>Be</strong>nzinpistole,<br />

und mein Gehirn von dem in<br />

der Schokolade enthaltenen Theobromin<br />

erreicht wurde. Die verbleibenden<br />

zweihundert Kilometer bis<br />

zur slowakischen Hauptstadt Bratislava<br />

waren fast schon angenehm, würden<br />

wir die Tatsache auslassen, dass<br />

Fee ihr zweites rotes Auge öffnete –<br />

die Ölstandslampe. Ich habe sanft auf<br />

sie eingeredet, sie gestreichelt, gekitzelt<br />

und unglaublich aber wahr, die<br />

alte Dame schloss ihr „Ölauge“. Wir<br />

fuhren in Bratislava ein. In meinem<br />

Gedächtnis befanden sich Bruchstücke<br />

des Stadtplans aus dem Internet,<br />

die sagten, dass mein reserviertes<br />

<strong>Be</strong>tt im Hostel irgendwo im Zentrum<br />

von Bratislava auf mich wartet. Als ich<br />

endlich anhielt, um nach dem Weg zu<br />

fragen, weil ich nicht mehr wusste, wo<br />

ich bin, stellte sich heraus, dass meine<br />

gesuchte Straße sich um die Ecke<br />

befindet und das von mir gesuchte<br />

Hostel – in weiteren zweihundert Metern<br />

Entfernung. Als ich es betreten<br />

hatte, dachte ich, dass mir gar kein so<br />

schlechter Abend bevorsteht. Die Rezeption<br />

des Hostels war eine einfache<br />

Bar, in der sich Jugendliche aus aller<br />

Herren Länder befanden, und sich<br />

lebhaft miteinander unterhielten.<br />

40


Nach zehn Stunden auf dem Motorrad<br />

konnte ich nicht mehr genau<br />

sagen, was man ihnen in die<br />

Getränke geschüttet hat, aber ich<br />

verstand, dass ich in einer Gruppe<br />

von denen gelandet war, die dem<br />

Rock ‚n‘ Roll des Lebens etwas abgewinnen<br />

können. Das Lächeln<br />

verschwand, als es sich herausstellte,<br />

dass ich per Internet die Reservierung<br />

nicht zwei Mal bestätigt<br />

hatte, was Voraussetzung war, um<br />

ein <strong>Be</strong>tt zu bekommen. „Leider“,<br />

lächelte das Mädchen hinter dem<br />

Tresen schuldig, nachdem sie den<br />

Computer drei Mal überprüft hatte,<br />

„es gibt keine Reservierung für Sie<br />

und auch kein freies <strong>Be</strong>tt“. Es stellte<br />

sich heraus, dass die Wahrscheinlichkeit,<br />

zu dieser Jahreszeit im<br />

Hostel ein <strong>Be</strong>tt ohne Reservierung<br />

zu bekommen, genau dieselbe ist,<br />

wie mit einem veralteten Motorrad<br />

5000 km ohne Probleme zu fahren<br />

– besonders gering. Aber ich hatte<br />

wohl Glück. Nachdem ich eine<br />

Stunde in den umliegenden Wohnbezirken<br />

umhergefahren war, fand<br />

ich endlich irgendein Hostel, unweit<br />

von dem, in dem ich kein <strong>Be</strong>tt<br />

bekommen hatte. Aber auch dort<br />

erhielt ich eine ähnliche Antwort<br />

– es gibt keine freien Plätze im Hostel.<br />

Trotzdem machte jemand auf<br />

wundersame Art und Weise seine<br />

Reservierung rückgängig, sodass<br />

ganze drei freie <strong>Be</strong>tten zur Verfügung<br />

standen! Problem gelöst.<br />

Nach zehn Stunden und mehr als<br />

siebenhundert Kilometer Fahrt<br />

winkten traditionelles Gulasch in<br />

irgendeinem Lokal, zwei Gläser<br />

lokales Bier und dann kehrte ich<br />

zum Schlafen in ein Zimmer mit<br />

vierzehn <strong>Be</strong>tten zurück. Die Ruhe<br />

war seltsam. Der Schlaf wurde nur<br />

durch die leicht angetrunkenen<br />

Reisenden gestört, die leise wie<br />

Mäuse versuchten, ihre <strong>Be</strong>tten zu<br />

erreichen, aber über Gegenstände<br />

stolperten – Menschen wie auch<br />

ich. Alles ganz normal.<br />

41


iker<br />

Ungarn und die<br />

gesonderte Republik<br />

mit dem Namen<br />

Budapest<br />

Das Tagesziel ist angsteinflößend –<br />

eine Übernachtung in der neuntgrößten<br />

Stadt der Europäischen Union<br />

zu finden, die mehr als eineinhalb<br />

Millionen Einwohner hat. Ja, der Weg<br />

führt nach Budapest in die Hauptstadt<br />

Ungarns. Es schien nichts Einfacheres<br />

zu geben, man muss sich nur in das<br />

WLAN des Hostels einklinken, ein anderes<br />

Hostel in Budapest finden, die<br />

Landkarten sichten und sich bis zum<br />

Ende des Weges an ihnen orientieren.<br />

Nur eines hatte ich nicht vorausgesehen<br />

– dass morgens im Hostel das<br />

Internet nicht funktionieren wird. Ich<br />

habe auf den Regen draußen gepfiffen<br />

– ich werde die Zeit nicht mit<br />

der Suche nach einem anderen Internetzugang<br />

vergeuden und mich<br />

dem Glück in die Hände begeben,<br />

falls es bereit ist, mir zur Seite zu stehen.<br />

Außerdem möchte ich noch bei<br />

Tageslicht etwas von der Stadt sehen,<br />

in der ich untergekommen bin, und<br />

eine solche Möglichkeit hatte ich bisher<br />

nicht. Ich bin etwas durch die Industriebezirke<br />

von Bratislava geirrt,<br />

um nach dem Weg nach Budapest<br />

entlang der Donau zu suchen. Wieder<br />

musste ich nach dem Weg fragen,<br />

aber dieses Mal führten mich die<br />

Hinweise nicht dorthin, wo ich wollte,<br />

denn ich fuhr auf die Autobahn. Nach<br />

dem Überqueren der ungarischen<br />

Grenze und nach dem Entrichten<br />

der Maut begann ich nach der erstbesten<br />

Straße zu suchen, die mich<br />

zum Fluss bringen kann. Ich hatte gehört,<br />

dass die Straße und die Aussicht<br />

dort einfach wunderbar seien. Ich<br />

bog ab, fuhr weiter und suchte. Und<br />

dort, dort war sie! Durch die Bäume<br />

huschte ein Fleckchen dunklen Wassers<br />

und verschwand wieder. Weitere<br />

Dutzend Kilometer auf löcherigem<br />

Asphalt und dort war sie wieder! Ein<br />

weiteres durch die Bäume hinweghuschendes<br />

Fleckchen Wasser. Auf<br />

der Holperfahrt durch die, gelinde<br />

gesagt, nicht gerade wohlhabenden<br />

Kleinstädte begann Fee zusätzliche<br />

Geräusche zu machen und ich streite<br />

nicht ab, dass mich das beunruhigte.<br />

Die Donau, so wie ich sie sehen<br />

wollte, erblickte ich erst in der Stadt<br />

Esztergom, die bereits von Weitem<br />

mit der Kuppel seiner Basilika anzog.<br />

42


Dieser Ort war fast drei Jahrhunderte<br />

lang die Hauptstadt Ungarns.<br />

Ach ja, die Schönheit der Stadt entfaltet<br />

sich am besten, wenn man<br />

über die Brücke gefahren ist, die<br />

Ungarn mit der Slowakei verbindet.<br />

Kurz darauf ragte Budapest vor<br />

mir empor. Obwohl ich in Ungarn<br />

ungefähr zweihundert Kilometer<br />

gefahren war, hatte ich nach dem<br />

Erreichen des Hauptstadtzentrums<br />

den Eindruck, dass Budapest eine<br />

völlig gesonderte Republik ist. Luxus<br />

und Größe umgaben mich und<br />

mein Motorrad, die Menschen kleiden<br />

sich nicht mehr in Trainingsanzügen<br />

aus Nylon, der Asphalt ist<br />

nicht mehr von Löchern übersät.<br />

Alles ist so ordentlich, schön, eine<br />

eindrucksvolle Architektur und<br />

keine Spur von der Armut, die so<br />

offensichtlich ist, wenn man auf Regionalstraßen<br />

durch die Kleinstädte<br />

unterwegs ist. Diesen Eindruck<br />

gewann ich, aber ich denke, dass<br />

jede Hauptstadt sich in ihrem Land<br />

in etwas unterscheidet, was man in<br />

den Randbezirken nicht zu sehen<br />

bekommt. Nun musste also nur<br />

noch eine Übernachtungsmöglichkeit<br />

gefunden werden. Nachdem<br />

ich in irgendeinem Hotel am Fluss<br />

Zugang zum Internet gefunden<br />

hatte, machte ich mich auf die Suche<br />

nach einem Hostel. Abermals<br />

überzeugte ich mich davon, dass<br />

der August der Urlaubsmonat ist –<br />

es gab keinen einzigen freien Platz.<br />

Und ganz unverhofft findet sich<br />

eine Variante direkt im Stadtzentrum,<br />

an der Donau, so wie ich es<br />

auch wollte. Das nebenan befindliche<br />

majestätische Parlamentsgebäude<br />

verdirbt dem Hostel auch<br />

nicht den Ausblick. Laut <strong>Be</strong>schreibung<br />

ist es ein kleines Hostelchen,<br />

das nur über einundzwanzig <strong>Be</strong>tten<br />

verfügt, sich „HostelPlus“<br />

nennt und neben der Margaretenbrücke<br />

liegt. Es ist unglaublich,<br />

dass gerade ein freier Platz übrig<br />

war. Ich reservierte ihn, suchte<br />

über „Google Maps“ die Fahrtroute<br />

und setzte mich in <strong>Be</strong>wegung.<br />

Doch was für eine Enttäuschung erwartete<br />

mich, als ich eine gute Stunde<br />

im Stau gestanden hatte, um auf<br />

das andere Flussufer zu gelangen<br />

(der von Google Maps vorgeschlagene<br />

Weg über die Margaretenbrücke<br />

war fehlerhaft, da die Brücke bereits<br />

drei Jahre lang repariert wird).<br />

Im Hostel stellte sich heraus, dass es<br />

sich bei der Reservierung lediglich<br />

um einen enttäuschenden Systemfehler<br />

handelte. Alle <strong>Be</strong>tten waren<br />

längst belegt, da zu dieser Zeit auf der<br />

Insel Buda gerade das internationale<br />

Musikfestival begonnen hatte. Mir<br />

wurde sogar bange, was ich getan<br />

hätte. Ich hätte wohl die Eigentümer<br />

gefragt, was sie empfehlen können.<br />

Diese zeigten sich jedoch besonders<br />

gastfreundlich und verständnisvoll.<br />

Sie entschuldigten sich für das Missverständnis<br />

und boten mir an, auf<br />

einer Matratze, die auf dem Boden<br />

in einem der Zimmer platziert wird,<br />

zu übernachten. Für diese Annehmlichkeit<br />

musste ich anstelle von zwanzig<br />

Euro nur fünfzehn zahlen. Eine<br />

bessere Variante hatte ich mir gar<br />

nicht erhofft. An dieser Stelle beende<br />

ich meine Erzählung über Hostels.<br />

Ich habe nur in zwei von ihnen übernachtet,<br />

aber ich erlaube mir zu<br />

behaupten, dass obwohl es mir zu<br />

Anfang wegen meiner Sachen, des<br />

Tumults und der Wahrscheinlichkeit<br />

sich nicht ausschlafen zu können,<br />

43


iker<br />

etwas mulmig zumute war, so ist das<br />

Hostel der angemessene Ort für einen<br />

Reisenden mit geringen Ansprüchen,<br />

um für eine Nacht unterzukommen,<br />

besonders wenn man mit wenig Gepäck<br />

unterwegs ist. Die Duschen sind<br />

besser als auf dem Campingplatz bei<br />

Wrocław, es gibt häuslich eingerichtete<br />

kleine Küchen, WLAN-Internet,<br />

einen Fernseher, ein Radio u. Ä. In<br />

beiden Hostels habe ich wunderbar<br />

ausgeschlafen und keine schlechten<br />

Emotionen erfahren. Wenn man von<br />

Hostels spricht, dann hört man immer<br />

die folgende abgedroschene Phrase:<br />

Darin unterzukommen ist interessant,<br />

weil man neue Menschen trifft...<br />

Das ist zum Teil wahr: Man trifft viele<br />

Menschen, aber ob sie auch alle<br />

interessant sind, ist Geschmackssache.<br />

Ein interessantes Gespräch<br />

hatte ich mit einem im Hostel wohnenden<br />

Mann respektablen Alters,<br />

der behauptete, er hätte mit Paolo,<br />

dem Bruder des italienischen<br />

Pressemagnaten Silvio <strong>Be</strong>rlusconi<br />

zusammengearbeitet und persönlich<br />

einige recht bekannte Mitwirkende<br />

von politischen Skandalen<br />

vom Ende des 20. Jh. gekannt.<br />

Es kann sein, dass der alte Mann<br />

nicht nur die Wahrheit gesagt hat.<br />

Es ist aber immer angenehm und<br />

interessant solche Geschichten zu<br />

hören. Ein Paar aus Amerika erzählte<br />

auch, dass es in den Hochhäusern<br />

New Yorks verboten ist,<br />

eine Waschmaschine zu betreiben,<br />

aber ein Nachbar aus der Ukraine<br />

hätte insgeheim trotzdem eine.<br />

Zusammenfassend kann man über<br />

Budapest Folgendes sagen: Bier<br />

gibt es sowohl in Buda, als auch in<br />

Pest, aber verträumt in die Ferne<br />

blickende Mädchen gibt es mehr<br />

am Ufer von Pest. Nach Auskunft<br />

der Eigentümer lokaler Hostels<br />

befindet sich dort auch ein kleines<br />

Restaurant, in dem man bei Klaviermusik<br />

für einen symbolischen<br />

Preis den besten traditionellen Pilaw<br />

(ein Gericht aus gekochtem<br />

und anschließend gedämpftem<br />

Reis) der Stadt bekommt. Weitere<br />

Informationen über Budapest können<br />

Sie den Reiseführern entnehmen.<br />

Und ganz Ungarn wünsche<br />

ich momentan nur eins: so schnell<br />

wie möglich den Euro einführen,<br />

denn man muss ein Ortsansässiger<br />

sein, um aus dem in Forint angegebenen<br />

Preisen zweifellos den Wert<br />

der Ware oder Dienstleistung beurteilen<br />

zu können. Zum <strong>Be</strong>ispiel: Wie<br />

viel Euro müssen Sie für achtzehn<br />

Liter <strong>Be</strong>nzin zahlen, wenn ein Liter<br />

<strong>Be</strong>nzin 352 Forint kostet, und ein<br />

Euro ungefähr 260 Forint wert ist?<br />

Viel Erfolg!<br />

44


iker<br />

Zwei Mal Kroatien<br />

Zusammen mit Fee sind wir viel<br />

gefahren, haben viel gesehen, viel<br />

erlebt und endlich erreichten wir<br />

das felsige Kroatien. Ich musste nur<br />

meine Göttin vom Flughafen abholen,<br />

sie hinter mir platzieren und<br />

den nächsten Urlaubsabschnitt<br />

beginnen, in dem alles langsamer<br />

vorangeht, wo weniger gefahren<br />

wird. Aber es fehlt nicht an Sonne,<br />

Asphalt, der <strong>Be</strong>rge und Meer<br />

trennt, an Yachten, Trubel und Fischerfesten,<br />

Schlaf, Sprüngen von<br />

Felsen ins Wasser und Tauchen,<br />

an morgendlichen Spaziergängen<br />

zum Fischmarkt, Power-Drachen<br />

und Surfbrettern, Sonnencreme,<br />

verdünntem Wein und reinem<br />

Raki. Wir wollten beide Varianten<br />

von Kroatien sehen – sowohl<br />

die touristische, als auch die kroatische.<br />

Die Erste fanden wir und<br />

nach der Zweiten suchten wir nicht<br />

dort, wo es angebracht war, und<br />

nicht zur richtigen Zeit.<br />

Das erste Kroatien<br />

Das erste Kroatien ist den Touristen<br />

gewidmet und die Touristen schätzen<br />

es besonders im August, wenn es am<br />

Meer die wenigsten Tage mit <strong>Be</strong>wölkung<br />

gibt. Italiener, Deutsche, Polen,<br />

Slowaken, Ungarn, Tschechen, Bulgaren<br />

und Menschen anderer Nationalitäten<br />

– wir alle besetzen die Küste<br />

Kroatiens und die Ortsansässigen befinden<br />

sich in der Minderheit. In einem<br />

solchen Monat ist es sehr schwierig,<br />

einen freien Platz am Strand oder<br />

bescheidene Apartments für kurze<br />

Zeit an strategisch günstigen Orten<br />

zu finden. Und so trägt es sich zu.<br />

In Kroatien gibt es ein Städtchen mit<br />

dem Namen Primošten. Eine alte reizende<br />

Stadt, deshalb auch stark von<br />

Menschen überfüllt. Wir hatten keine<br />

Zweifel daran, dass wir vor Ort ein<br />

Zimmer, genauer gesagt ein Apartment<br />

finden werden. Wir kamen ins<br />

Stadtzentrum, drehten eine Runde<br />

und sondierten die Lage, wie viele<br />

Apartments es hier zur Miete geben<br />

könnte, denn im zuvor besuchten<br />

Städtchen Šibenik hatten wir begriffen,<br />

dass es auch Kleinstädte gibt, in<br />

denen man von der Straße aus die<br />

Hinweisschilder über Mietapartments<br />

einfach nicht sehen kann. Nur nicht<br />

in Primošt. Hier wird den Touristen<br />

fast jedes Gebäude vermietet, mit<br />

Ausnahme der Post, der Apotheke<br />

und des Lebensmittelgeschäfts. Ich<br />

ließ meine beiden Mädels (das Motorrad<br />

und die echte) beim Eingang<br />

in die Altstadt auf der Insel zurück<br />

und klapperte mit meinen Enduro-<br />

Stiefeln die Straßen auf der Suche<br />

nach einem Dach überm Kopf ab.<br />

46


Von der Hitze wurde mir schwarz<br />

vor Augen, der Schweiß floss ins<br />

Meer, das Salz fraß weiße Löcher<br />

in die schwarzen Jeans. Ich suchte<br />

jedes Haus im Zentrum mit Blick<br />

aufs Meer auf, sprach mit all ihren<br />

Eigentümern. Meist sprachen<br />

sie weder Deutsch noch Englisch,<br />

aber manchmal ein wenig Italienisch.<br />

Man hebt zwei Finger und<br />

sagt „persons“, zieht sie kurz wieder<br />

ein und hebt wieder dieselben<br />

zwei Finger und sagt „nights“.<br />

Nach etwa einer Stunde und mehreren<br />

Dutzend Häusern beginnt<br />

die Hoffnung mich dann langsam<br />

zu verlassen, nachdem ich gerade<br />

einmal zwei Angebote erhalten<br />

habe: An einem Ort werden zwei<br />

Personen nur für mindestens sieben<br />

Nächte, am anderen – für maximal<br />

eine Nacht beherbergt. Zwei<br />

oder drei Nächte für zwei Personen<br />

– keine Chance. Ich war der Panik<br />

nahe, aber diese wurde wenigstens<br />

für kurze Zeit von einem lokalen<br />

Glatzkopf mit „Police“-Sonnenbrille<br />

vertrieben. In gebrochenem Englisch<br />

riet er mir dazu, mich ans<br />

Fremdenverkehrsbüro zu wenden.<br />

An der Busstation, so sagte er, gäbe es<br />

ganze drei davon. Nachdem ich den<br />

Schweiß aus meinen Stiefeln ausgekippt<br />

hatte, sammelte ich meine Mädels<br />

ein und wir wandten uns an die<br />

angegebenen Institutionen. Halleluja!<br />

Es gibt eine Variante. Sie hinterlegen<br />

die Pässe und warten, bis in ein paar Minuten<br />

der Eigentümer vorbeikommt,<br />

um Sie zum Apartment zu begleiten<br />

und es Ihnen zu zeigen. Ich habe nicht<br />

verstanden, warum sie die Pässe an<br />

sich genommen haben, aber wir haben<br />

sie erfolgreich zurückerhalten. Die<br />

Pässe kann man zurückerhalten, wenn<br />

der Ort gefällt oder nicht gefällt. Eine<br />

halbe Stunde lang haben wir gerätselt,<br />

mit welchem Auto ein geschäftstreibender<br />

lokaler Einwohner fahren<br />

kann? Dann erschien eine alte Dame,<br />

die zu Fuß unterwegs war – die Eigentümerin<br />

des Apartments, die nachdem<br />

sie das Motorrad erblickt hatte, zu lachen<br />

begann und auf Kroatisch verständlich<br />

machte, dass sie auf keinen<br />

Fall aufsteigen würde. Aus Höflichkeit<br />

bleibe ich allein auf dem Motorrad<br />

und knattere hinterher mit schnellem<br />

Mädchenschritt. Neunzig Euro<br />

und wir haben ein Schlafzimmer mit<br />

funktionsuntüchtigem Ventilator, einer<br />

Toilette und einer Duschimitation.<br />

47


iker<br />

Alles für zwei Nächte. Dritte Etage<br />

mit Balkon, deshalb hat man einen<br />

wunderbaren Blick aufs Meer, obwohl<br />

es bis dahin gute vierzehneinhalb<br />

Minuten zu Fuß sind. All das<br />

überdeckt sogar den seltsamen,<br />

im Apartment vorherrschenden<br />

Geruch. Dieser ist übrigens unbeschreiblich.<br />

<strong>Be</strong>sonders in der Toilette.<br />

Nein, es riecht nicht nach Kot.<br />

Aber der Geruch ist auch nervtötend.<br />

In diesem Fall liegt der beste<br />

Ausweg darin, den Geruch im<br />

Apartment durch seinen eigenen<br />

zu ersetzen. Nein, nicht durch Kot.<br />

<strong>Be</strong>ginnen kann man beispielsweise<br />

durch das Erklingen von Procol<br />

Harums „A Whiter Shade of Pale“,<br />

bis zum Abschluss mit der Livekonzert-Version<br />

von Patti Smiths „<strong>Be</strong>cause<br />

the Night“. Das Lied erreicht<br />

seinen Höhepunkt und wenn man<br />

sein Mädchen mit den Blicken in<br />

Richtung Duschimitation begleitet,<br />

liegt in der Luft ein angenehmes,<br />

gewöhnliches, alles durchdringendes<br />

Aroma unruhiger (wie<br />

die dunkle Wolke über dem Meer)<br />

Hormone. Und dann die Ruhe.<br />

Sie schütteln den Staub von den<br />

Plastik-Balkonstühlen und können<br />

sich am Anblick der am Fuß des<br />

<strong>Be</strong>rges, vor dem Hintergrund der<br />

Inseln aufleuchtenden Laternen<br />

der Yachten erfreuen. Hier wird<br />

es schnell dunkel. Und es wird<br />

auch kühl. Ungefähr bis zu zweiundzwanzig<br />

Grad... Und irgendwo<br />

steigen immer noch die roten<br />

Lichter von Autos in die <strong>Be</strong>rge auf.<br />

Ich schaue nach unten, wo sich die<br />

treue Fee ausruht, und sage ganz<br />

leise: Schon bald werden auch deine<br />

Lampen den Asphalt zwischen<br />

den Felsen und dem Wasser zu<br />

sehen bekommen, aber jetzt ruhe<br />

dich ein wenig aus...<br />

48


Wie wir die Heilige<br />

Jungfrau Maria in<br />

den Himmel aufgenommen<br />

haben<br />

Über das Fest der Heiligen Mariä-<br />

Himmelfahrt in Kroatien wird sogar<br />

in Büchern geschrieben. Reiseführer<br />

setzen es mit solchen religiösen<br />

Festen wie Weihnachten gleich.<br />

Wir erwarteten diesen Tag mit<br />

Bangen, denn genau am 15. August<br />

mussten wir unseren Standort<br />

wechseln. Die Angst erfasste die<br />

Hände, die das Gepäck am Motorrad<br />

befestigten, die Augen flogen<br />

unruhig umher und suchten nach<br />

ersten Anzeichen für Gefahr.<br />

Und dann erreichten wir ein nicht<br />

weniger als die anderen zuvor reizendes<br />

und ein wesentlich älteres<br />

Städtchen – Trogir...<br />

Unterwegs nach Trogir hatten wir<br />

die Unannehmlichkeit, mit einem<br />

Phänomen konfrontiert zu werden,<br />

das mit keinem Fest zusammenhängt,<br />

aber erwähnt werden muss.<br />

Von Primošten aus wollten wir jedes<br />

auf dem Weg liegende Städtchen und<br />

jedes Dorf besichtigen, wir hofften<br />

mehr zu erleben und die Dinge anders<br />

zu sehen, als in den Reiseführern beschrieben<br />

wird. Und tatsächlich, solche<br />

Orte wie Primošten, nur weniger von<br />

der Menschheit belastet, gibt es genügend.<br />

Jedoch genau dort sind wir mit<br />

diesem unangenehmen Phänomen<br />

konfrontiert worden. Aus irgendeinem<br />

Grund hält es die Straßenwacht<br />

in Kroatien nicht für notwendig, den<br />

ganz gewöhnlichen Fahrer zu warnen,<br />

dass genau hinter dieser Ecke/ diesem<br />

Haus/ dieser Kurve/ dieser kleinen<br />

Bucht/ diesen Büschen das Asphalt<br />

zu Ende ist und entweder nichts oder<br />

etwas, das sich bei großem Wunsch<br />

als Pfad bezeichnen lassen würde, seinen<br />

Anfang nimmt. Mit Motorrädern<br />

der Serie GS von BMW könnte man<br />

vielleicht versuchen, weiter zu fahren,<br />

aber nicht mit unserer Touringmaschine,<br />

die nur den Asphalt unter den<br />

Reifen gewöhnt ist. In solchen Fällen<br />

muss man also auf einem Weg von der<br />

Größe eines Doppelbetts zwischen Zäunen<br />

oder Steinhäusern mit einem 300<br />

kg schweren Motorrad + 50 kg Gepäck<br />

+ 48 kg hinter dem Rücken sitzender<br />

Schutzengel wenden. Jedes Mal wenn<br />

sie fragte „soll ich vielleicht absteigen?“,<br />

brummte ich unter dem Einfluss<br />

männlicher Eigenliebe – „nein,<br />

lass mal...“. Gut wenn dies nicht bergab<br />

passierte. Übrigens ist eine Lederjacke<br />

unter diesen Umständen, hinsichtlich<br />

der etwa 30 °C Umgebungstemperatur<br />

nicht sehr hilfreich.<br />

Auch das Fest war noch nirgendwo<br />

auszumachen, also umgab uns<br />

fast schon eine Aura der Ruhe, aber<br />

dann erreichten wir Trogir, die Perle<br />

der Adriaküste, die <strong>Be</strong>rühmtheit von<br />

Dalmatien. Den Reiz dieser Kleinstadt<br />

habe ich an diesem Tag nicht gesehen,<br />

da ich aufpassen musste, um<br />

nicht irgendjemandem in den Hintern<br />

zu fahren. Staus. Sowohl in die<br />

eine, als auch in die andere Richtung.<br />

Die Straßen sind eng, die Möglichkeit<br />

sich hindurchzuschlängeln bietet sich<br />

genauso oft, wie eine völlige Sonnenfinsternis<br />

– die nächste Möglichkeit<br />

in sechzig Jahren. Und es ist nicht<br />

so, dass man in dem Stau einige Zeit<br />

stillsteht, sich entspannen und ruhig<br />

schwitzen könnte. Er zuckt. Und das<br />

ständig. Man hat kaum die Kupplung<br />

gelöst, schon muss man wieder drücken,<br />

aber dann ist es schon wieder<br />

an der Zeit, loszulassen. Um bei Ihnen<br />

für Verständnis von der Gesamtsituation<br />

zu sorgen, muss ich erzählen, dass<br />

wir nicht in Trogir selbst Unterschlupf<br />

finden wollten, also fuhren wir auf die<br />

Insel, die mit der Stadt über eine Brücke<br />

verbunden war. Die Straße führte<br />

entweder in die eine Richtung oder<br />

in die andere Richtung die Küste entlang<br />

um die Insel herum, und an dieser<br />

Küste gab es nur Häuschen und kleine<br />

Bars, die sich zu Städtchen zusammenschlossen.<br />

Um die ganze Insel herum.<br />

49


iker<br />

So sind wir mehrere Kilometer gefahren.<br />

Die linke Hand wurde bereits<br />

vom Krampf erfasst, als wir in<br />

gewählter Fahrtrichtung und auf<br />

der Hauptstraße aus dem Stau herausfuhren<br />

und nichts anderes,<br />

als das Ende der Straße erreichten.<br />

Es blieb die Wahl, nach rechts<br />

auf einem <strong>Be</strong>tonweg oder zurück<br />

zu fahren. Wir fuhren nach rechts.<br />

Die Steigung des Weges war derartig,<br />

dass mein rücklings sitzender<br />

Schutzengel ernsthaft die Möglichkeit<br />

eines Überschlags nach vorn in<br />

Erwägung zog. Der Weg endete in<br />

einer Neigung von etwa 45 Grad.<br />

Wir stießen auf einen kaputten<br />

Kühlschrank und einen Kieshaufen,<br />

hinter dem das Meer begann. Oh,<br />

du Barmherzigste, deren Fest die<br />

Gläubigen an diesem Tag begehen,<br />

wie sollen wir jetzt umdrehen?! Wir<br />

versuchten es, aber da kam uns ein<br />

Mann entgegen, der in der Landessprache<br />

fragte, ob wir nicht Hilfe benötigen.<br />

Wie wir später im Gespräch<br />

mit diesem Mann und seiner Familie<br />

herausfanden, hatte das Fest der<br />

Heiligen Mariä-Himmelfahrt den<br />

wenigsten Einfluss auf die Staus<br />

und das Chaos in der Stadt. Es war<br />

Sonntag – der Tag, nach dem die<br />

Arbeitswoche beginnt, deshalb haben<br />

alle Kroaten versucht, von der<br />

Insel zu verschwinden. Genau wie<br />

die Italiener, für die der 15. August<br />

zum Teil die Halbzeit des Urlaubs<br />

und das <strong>Be</strong>dürfnis nach dem Zusammenpacken<br />

der Habseligkeiten<br />

und zur Fahrt nach Hause bedeutet.<br />

So fuhren eben alle, wo und wie sie<br />

wollten, und verursachten damit<br />

einen Aufruhr, zu dessen Teilnehmern<br />

wir wurden. So viel zum 15.<br />

August, einem der wichtigsten Feste<br />

Kroatiens im Jahr.<br />

Welchen Nutzen<br />

uns das Wegende<br />

am kaputten Kühlschrank<br />

brachte<br />

Wie ich erwähnte, bot uns am Abhang<br />

ein Mann in der Landessprache<br />

Hilfe an. Und dieser war, wie sich<br />

später herausstellte, von nirgendwo<br />

anders als aus Deutschland. <strong>Be</strong>i dem<br />

Hin und Her der Unterhaltung kam<br />

das Gespräch darauf, dass wir eine<br />

Unterkunft suchen und es uns völlig<br />

egal ist, ob auf dieser Seite der Insel,<br />

oder auf der anderen. Wichtig wären<br />

ein <strong>Be</strong>tt und auch eine Toilette. Natürlich<br />

wäre auch eine kleine Küche<br />

nicht schlecht. Der Mann rief in Richtung<br />

Meer hinaus und ein weiterer<br />

Mann sowie eine kleine Gruppe von<br />

Kindern gesellten sich zu uns. Der<br />

erste sagte: „Das ist mein Bruder, er<br />

sucht für Touristen Apartments.“ „Für<br />

30 Euro“, sagte der Gerufene, „gibt es<br />

eine Möglichkeit direkt im Zentrum<br />

des Städtchens. Möchten Sie es sich<br />

anschauen?“ Ein Anruf, eine Minute<br />

Gespräch auf Kroatisch und er sagte:<br />

„Fahren wir, wir bringen Sie bis zum<br />

Ort. Der erste Mann setzt auf einen<br />

Motorroller mit unklarem Kennzeichen<br />

das Kind, der zweite – der Bruder,<br />

auf einen anderen Motorroller<br />

mit spanischem Kennzeichen die anderen<br />

zwei Kinder und nachdem er<br />

uns versichert hatte, dass dies in Europa<br />

erlaubt wäre, fuhren die drei Apparate<br />

dorthin, von wo wir vor einer<br />

guten halben Stunde hergekommen<br />

waren. Ich hielt sie dazu an, nicht zu<br />

rasen, denn obwohl Fee auf der Strecke<br />

stabil ist, so ist sie zwischen Autos<br />

trotzdem wie eine Kuh. Und, oh, Wunder!<br />

Von dem Stau, der uns zuvor so<br />

ermüdet hatte, war keine Spur mehr.<br />

Ich wunderte mich selbst, ob wir wirklich<br />

auf denselben Straßen fahren.<br />

Wir hielten bei einem recht mächtigen<br />

Haus mit einem Supermarkt<br />

im Erdgeschoss an. Ein ortsansässiger<br />

alter Mann, der Deutsch sprach,<br />

führte uns ins dritte Stockwerk des<br />

Hauses und nachdem wir lange Flure<br />

entlang gegangen waren, übergab<br />

er uns die Zimmerschlüssel. Und<br />

wieder ein seltsamer Geruch. Diesmal<br />

ein anderer als in Primošten, denn<br />

er mischte sich noch mit dem der<br />

nicht zu lüftenden Küche, vielleicht<br />

sogar mit dem Geruch von Naphthalin.<br />

So seltsam es auch war, er hielt<br />

sich nur im Flur und im Zimmer, das<br />

eine Toilette besaß, aber nicht in der<br />

kleinen Küche, dort roch es nicht.<br />

50


Für 90 Euro gehörten drei Nächte<br />

erfolgreich uns. Die Aussicht<br />

aus dem Fenster war etwas daneben,<br />

aber dafür konnte man<br />

bis Mitternacht wunderbar die<br />

von der Strandbar auf der anderen<br />

Straßenseite herüber dringende<br />

rhythmische Musik hören,<br />

der man wunderbar lauschen<br />

kann, wenn man sich auf die unglaublich<br />

große gemeinsame Terrasse<br />

legt. Das Fenster hatte ein<br />

Loch, und obwohl dieses die einzige<br />

„Klimaanlage“ im Zimmer war,<br />

wurde es dadurch auch nicht kühler.<br />

Aber je näher man dem Fenster<br />

war, umso besser war die immer<br />

wieder abbrechende kostenlose<br />

WLAN-Verbindung. Ob es sich dabei<br />

um eine lokale Dienstleistung<br />

handelt, habe ich nicht zu fragen<br />

gewagt. Der Ort war besonders<br />

bequem – gegenüber den Stränden<br />

der Kleinstadt Okrug Gornji.<br />

In dem Geschäft im Erdgeschoss<br />

kauft man sich Bier, überquert die<br />

Straße, kämpft sich durch die kleinen<br />

Bars, wo das Bier zweimal so<br />

teuer ist, und setzt sich ruhig auf<br />

den heißen Schotter. Schön.<br />

Ich habe übrigens versucht herauszufinden,<br />

welchen Ursprungs<br />

unsere <strong>Be</strong>gleiter waren. Es wurde<br />

nur gelacht und abgewinkt, dass<br />

die Kinder, die mit den Motorrollern<br />

hierher gebracht wurden, Spanier,<br />

Russen und Kroaten seien. Sie verabschiedeten<br />

sich von und empfohlen<br />

uns, auf dem Weg nach Dubrovnik<br />

hinter der Grenze zu Bosnien<br />

und Herzegowina billige Austern<br />

essen zu fahren. Dann luden sie<br />

ihre internationale Truppe auf die<br />

Motorroller und danach sahen wir<br />

sie nur noch am Strand. Was für<br />

ein Weg, der an einem Kieshaufen<br />

und einem kaputten Kühlschrank<br />

endete. Das bedeutet es, mit einem<br />

beladenen Motorrad in ein fremdes<br />

Land zu fahren und sich nur nach<br />

dem Straßenatlas zu orientieren.<br />

Genau das macht den Reiz von<br />

Reisen aus.<br />

Score<br />

Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />

Ziel zu erreichen.<br />

Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt befördert werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

Das Suchsystem für Übernachtungsmöglichkeiten<br />

hatten wir sehr schnell<br />

durchschaut. Erstens ist es nicht<br />

notwendig, in den Hauptballungszentren,<br />

den am meisten überfüllten<br />

Städten zu übernachten. Eine<br />

wunderbare Unterkunft und andere<br />

Dienstleistungen kann man in unweit<br />

gelegenen Kleinstädten finden. Das<br />

ist nicht nur billiger, sondern kostet<br />

auch weniger Nerven bei der Suche<br />

nach einem Parkplatz und bei Staus,<br />

eröffnet aber neue Möglichkeiten.<br />

Als <strong>Be</strong>ispiel können wir Dubrovnik<br />

nehmen. Wir fanden Unterkunft<br />

sechzehn Kilometer davon entfernt,<br />

in Richtung Montenegro in der Kleinstadt<br />

Cavtat. In einem solchen Fall<br />

kann man bei Tag durch Montenegro<br />

sogar die Grenze von Albanien mit<br />

dem Motorrad erreichen und am selben<br />

Abend in Dubrovnik ein Wassertaxi<br />

benutzen. Man muss nur Fantasie<br />

besitzen. Zweitens, wenn man keinen<br />

freien Platz findet, darf man sich nicht<br />

scheuen, den Eigentümer einer ausgebuchten<br />

Herberge zu fragen, ob er<br />

etwas empfehlen kann. Das kann er<br />

immer. Und erst im Ernstfall, wenn einem<br />

nichts weiter übrig bleibt, dann<br />

ist es ratsam, sich an das Fremdenverkehrsbüro<br />

zu wenden.<br />

51


iker<br />

Das zweite Kroatien<br />

Das zweite Kroatien sollte das richtige,<br />

das Kroatien der Kroaten sein. Ich hatte<br />

gehofft, eine Bar zu finden, die nur<br />

von Ortsansässigen besucht wird und<br />

in der verdünnter Wein getrunken<br />

wird, wobei die gegenwärtigen Aktualien<br />

diskutiert werden. Aber wie ich<br />

erwähnte, werden Sie dieses Kroatien<br />

am Strand Mitte August nicht finden.<br />

Deshalb werden sie das nächste Mal<br />

außerhalb der Saison in die <strong>Be</strong>rge fahren<br />

müssen, um zu verstehen, wie sie<br />

sind, die echten Kroaten.<br />

Nach zwei Wochen Entspannung habe<br />

ich meine Göttin zum Flughafen Dubrovnik<br />

gefahren und habe geplant,<br />

dass mir mindestens fünf Tage zur<br />

Heimfahrt blieben. Aber ich entschied<br />

mich, nach neuen Herausforderungen<br />

zu suchen. Die Reise zurück wird<br />

sowohl für mich, als auch für mein<br />

achtzehn Jahre altes Motorrad zu einer<br />

<strong>Be</strong>währungsprobe werden – den<br />

Weg zurück, ungefähr 1600 km, werden<br />

wir in zwei Tagen meistern, obwohl<br />

zur Hinfahrt doppelt so viel nötig<br />

waren. Mit wachsender Entfernung<br />

zur Küste wurde das Wetter schlechter,<br />

es begann zu regnen, wurde kühl. Das<br />

erschreckte uns nicht. Angeschmiegt<br />

hielt ich mich im Sattel, während meine<br />

alte Dame sich schnell dem Ziel<br />

näherte. Die Dunkelheit überwältigte<br />

mich nach gerade einmal neunhundert<br />

Kilometern, noch vor der tschechischen<br />

Stadt Brno. Ich musste wählen:<br />

Entweder ich fahre in die Stadt<br />

und suche nach einer Übernachtung,<br />

oder ich fahre auf die gerade, bergige<br />

Autobahn, über der wie festgenagelt<br />

der Vollmond hängt und dem Asphalt<br />

einen gespenstischen Silberanstrich<br />

verleiht. Jetzt scheint mir, dass ich die<br />

Autobahn wählen würde, aber damals<br />

habe ich mich für die Übernachtung<br />

entschieden. Ich fuhr in Brno ein und<br />

hatte keinen blassen Schimmer weder<br />

von der Größe der Stadt, noch von den<br />

Übernachtungsmöglichkeiten dort.<br />

Ich versuchte das Zentrum zu finden,<br />

aber es wurde unverhofft zu<br />

Industriebezirken mit Eisenbahngleisen.<br />

Ich geriet in eine Sackgasse.<br />

Ich wendete, suchte die<br />

Straße, von der ich gekommen<br />

war, brachte jedoch die Straßen<br />

durcheinander und stand vor der<br />

nächsten Sackgasse. Ich begriff,<br />

dass ich mich zum zweiten Mal in<br />

meinem Leben hoffnungslos verirrt<br />

hatte (das erste Mal war in meiner<br />

Jugend im Wald). Ich irrte durch<br />

enge Gassen zwischen eingestürzten<br />

und neuen Gebäuden, bis mir<br />

die Werbung eines Restaurants mit<br />

dem Zusatz „Pension“ ins Auge fiel.<br />

Ich fuhr durch das Tor, fragte den<br />

Barkeeper nach einer Möglichkeit<br />

zum Übernachten. Und was glauben<br />

Sie, was er geantwortet hat?<br />

52


Natürlich gibt es eine Möglichkeit,<br />

wir haben viele Zimmer! Für fünfunddreißig<br />

Euro können Sie nicht nur das<br />

komplette Dachgeschoss mit Dusche<br />

und Doppelbett sowie Fernseher bekommen,<br />

sondern auch noch Frühstück,<br />

dass Sie auch schon am Abend<br />

mitnehmen und so am Morgen noch<br />

vor dem Servieren abreisen können.<br />

Ich fiel ins <strong>Be</strong>tt, nachdem ich das Glas<br />

Bier unten im Restaurant gerade so<br />

ausgetrunken hatte. <strong>Be</strong>i sofortigem<br />

Einschlafen störte nur das Klopfen des<br />

Barkeepers an die Tür – der Deutsch<br />

sprechende junge Mann brachte mir<br />

die Schlüssel vom Motorrad, die ich<br />

neben dem Bierglas liegen gelassen<br />

hatte. Und um sieben Uhr morgens<br />

stand ich bereits im Hof bei meiner<br />

alten Dame.<br />

Acht Stunden auf dem Motorrad und<br />

mehr als sechshundert Kilometer gehören<br />

der Vergangenheit an. Es pfeift<br />

in den Ohren und jede <strong>Be</strong>wegung lässt<br />

dieses Pfeifen zu einem Dröhnen werden.<br />

Die Sitzmuskeln hörten nach vier<br />

Stunden Fahrt auf zu schmerzen, und<br />

nun entspannen sich auch die Schultern.<br />

Ich lege mich in die heiße Wanne,<br />

gieße mein Lieblingsbier in mein<br />

Lieblingsbierglas, schließe die Augen<br />

und endlich begreife ich – ich habe es<br />

geschafft. Ich lächle mir selbst zu und<br />

rasiere mich. Es tut gut, nach Hause zurückzukommen.<br />

Entfernung: 5300 km<br />

<strong>Be</strong>suchte Länder: Polen, Slowakei,<br />

Ungarn, Kroatien, Bosnien und Herzegowina,<br />

Montenegro, Slowenien,<br />

Österreich, Tschechien<br />

Zeitraum: 6.–29. August<br />

Preis des Urlaubs für 2 Personen<br />

(+Ausgaben für den Erwerb des<br />

Motorrads und sein Zubehör): 3490<br />

EUR<br />

Preis des Urlaubs für 2 Personen<br />

(ohne Ausgaben für den Erwerb<br />

des Motorrads und sein Zubehör):<br />

1855 EUR<br />

Probleme mit dem Motorrad während<br />

der Fahrt: 7 Liter Motoröl verbraucht<br />

53


explorer<br />

Der Mars<br />

auf Erden<br />

Wo die Opalitis<br />

(das Opalfieber)<br />

gedeiht<br />

Text Alex Walker<br />

54


Ich experimentiere nicht nur gern im alltäglichen Leben,<br />

sondern auch auf Reisen.<br />

Von Touristen durchforstete Orte<br />

reizen mich nicht, außerdem bin ich<br />

gern aktiv mit irgendetwas beschäftigt<br />

und habe auf meinen Reisen das<br />

Ziel, etwas Interessantes zu unternehmen.<br />

Meine Leidenschaft sind isolierte<br />

Orte auf der Welt: Dieses Gefühl<br />

der Einsamkeit, der Abgrenzung, des<br />

Raums, wo niemand mit den Ellenbogen<br />

rangelt und wo der Lärm vom<br />

unheimlichen Wind – nicht von den<br />

Menschen herrührt, das ist es, was<br />

mich fasziniert. Die Neugier sowie der<br />

Wunsch etwas zu erleben und auszuprobieren,<br />

was nur wenige gesehen<br />

haben, führen mich an die seltsamsten<br />

Orte der Welt, wo ich noch seltsamere<br />

Dinge erlebe. Vielleicht ist es<br />

eine Suche nach mir selbst, ich weiß es<br />

nicht, es ist mir egal. Das Wichtigste ist,<br />

dass es mir gefällt.<br />

Dieses Mal habe ich den Mars ins Auge<br />

gefasst. Nein, ich spreche nicht vom<br />

siebtgrößten Planeten unseres Sonnensystems,<br />

sondern über einen Ort<br />

auf der Erde, der als Mars auf Erden<br />

bezeichnet wird. Ich weiß, dass dort<br />

weltberühmte Filme der Marsthematik<br />

oder über die Folgen von Atomwaffentests<br />

gefilmt werden, weil die<br />

Umgebung so ärmlich ist, dass sie<br />

dem Bild vom Weltuntergang (wie<br />

ihn sich die Menschen meistens vorstellen)<br />

entspricht. Unter den Füßen<br />

zerbröckelt der rissige ausgetrocknete<br />

Boden. Er ist tiefrot, da der Ackerboden,<br />

der sich nach Vulkanausbrüchen<br />

herausbildete, viel Eisen enthält<br />

und ringsum große Hitze und ein<br />

grenzenloses NICHTS herrschen. Instinktiv<br />

möchte man die einzige Wasserflasche<br />

in seinem Rucksack noch<br />

stärker umarmen und jeden ihrer<br />

Tropfen sparen.<br />

Der erste Baum an diesem Ort ist aus<br />

Metallabfällen zusammengeschweißt,<br />

denn hier gibt es fast keine Pflanzenwelt.<br />

Kaum jemand könnte auch dieses<br />

anstrengende Wüstenklima ertragen,<br />

wo die Temperatur bis auf 50 °C<br />

klettern kann, aber Menschen (nicht<br />

nur die Ureinwohner, sondern auch<br />

Zuwanderer) leben hier bereits viele<br />

Jahre. Dafür gibt es einen triftigen<br />

Grund. Die lokalen <strong>Be</strong>wohner haben<br />

sogar ihren eigenen Golfplatz, wahrscheinlich<br />

den einzigen seiner Art auf<br />

der Welt – ein graues, staubiges, grasloses<br />

Feld, der auf Grund verständlicher<br />

Klimabedingungen meist nachts<br />

mit leuchtenden Golfbällen bespielt<br />

wird. Man holt aus, schlägt auf den Ball<br />

und dann wartet man bis der Staub<br />

sich senkt. Ist das nicht herrlich?!<br />

Vielleicht machen Sie sich schon lange<br />

Gedanken darüber, Ihren Wohnort<br />

zu wechseln, neue Eindrücke zu<br />

sammeln oder vielleicht möchten<br />

Sie sich einfach nur vergewissern, ob<br />

Sie ein zu bequemes Leben führen?<br />

Dann wird dieses seltsame und isolierte<br />

Städtchen mit atemberaubenden<br />

Ansichten der Einöde ihre Erwartungen<br />

nicht nur erfüllen, sondern auch<br />

übertreffen.<br />

Es ist die Opalhauptstadt der Welt, die<br />

auch unter dem Namen Coober Pedy<br />

(Australien) oder „Kupa Piti“ bekannt<br />

ist, was übersetzt aus der Sprache der<br />

lokalen Ureinwohner „weißer Mann<br />

im Loch oder in der Höhle“ bedeutet.<br />

Es ist ein sehr logischer Name,<br />

weil die weißen Männer, die in diese<br />

unwirtliche Gegend gekommen sind<br />

um reich zu werden, in Höhlen gelebt<br />

haben und immer noch dort leben.<br />

Genauer gesagt, liegen die Wohnräume<br />

in Höhlen, nehmen wir mal<br />

an ein Drei-Zimmer-Apartment mit<br />

Küche und Badezimmer. Dort gibt<br />

es keine Fenster und auch eine<br />

Dusche ist Luxus, da der Ort mehr<br />

als 500 Kilometer von größeren<br />

Städten entfernt liegt und es dort<br />

fast keine Niederschläge gibt. Die<br />

Höhlenhäuser halten jedoch eine<br />

konstante Temperatur von 24 °C,<br />

und diejenigen, die auf dem brennend<br />

heißen Boden errichtet wurden,<br />

benötigen eine sehr gute Klimaanlage.<br />

Wenn man drei bis vier<br />

Monate furchtbaren Wind und<br />

Temperaturen hoch über 40 °C in<br />

Aussicht hat, dann würde ich die<br />

unterirdische Variante wählen. Ein<br />

Fenster braucht sowieso niemand,<br />

weil einem beim Blick auf diese<br />

Einöde nur die Seele schmerzen<br />

würde. Außerdem befinden sich<br />

alle Schätze dieser Region unter<br />

Tage. Deshalb bin ich auch hierher<br />

gekommen – nicht nur um auf das<br />

Nichts zu starren, sondern auch um<br />

mich als Opalsucher zu versuchen.<br />

55


explorer<br />

Das Abenteuer<br />

beginnt<br />

In das opalreiche Gebiet bin ich<br />

mit einem Kleinflugzeug angereist.<br />

Ja, es gibt dort einen Flughafen,<br />

jedoch keinen, wie Sie ihn sich am<br />

<strong>Be</strong>ispiel von London Heathrow oder<br />

Frankfurt/Main vorstellen mögen,<br />

aber trotzdem einen Flughafen.<br />

Wenn Sie wünschen, können Sie<br />

die schlappen 846 Kilometer von<br />

Adelaide aus auch mit dem Bus<br />

oder einem Mietwagen hinter sich<br />

bringen.<br />

<strong>Be</strong>reits aus dem Himmel habe<br />

ich das NICHTS erblickt und der<br />

Wunsch, so schnell wie möglich diesen<br />

seltsamen roten Boden zu betreten,<br />

wuchs noch mehr. Irgendetwas<br />

zog mich magisch dorthin, wie<br />

wohl auch die meisten der anderen<br />

hoffnungsvoll gestimmten Schatzsucher<br />

vor fast einem Jahrhundert,<br />

als in Coober Pedy die ersten Opale<br />

gefunden wurden. Ich gelobte zu<br />

bleiben, bis ich alles über die Opale,<br />

die Art sie zu fördern in Erfahrung<br />

bringe und natürlich bis zu meinem<br />

Erfolg. Zuerst lebte ich in einem Zelt,<br />

aber nachdem ich an die trockene,<br />

40 °C heiße Luft gekommen bin, begann<br />

ich zu zweifeln, und nachdem<br />

Wind aufgekommen war, verstand<br />

ich, dass Sandstürme hier keine<br />

Seltenheit sind und meine <strong>Be</strong>reitschaft<br />

zum Leben in einem Zelt verschwand<br />

im Handumdrehen.<br />

Das Städtchen Coober Pedy hat fast<br />

3500 Einwohner, fünfzig unterschiedliche<br />

Nationen, obwohl ich nach dem<br />

Aussteigen in der roten Wildnis, d. h.<br />

am Flughafen nicht diesen Eindruck<br />

hatte. Dort gibt es keine Vegetation,<br />

keine Wiesen an den Häusern, d. h. an<br />

den Höhlen, keine Blumen, lediglich<br />

etwas Gestrüpp, dass von den Ortsansässigen<br />

hingebungsvoll gepflegt<br />

wird, denn ohne stetige Unterstützung<br />

durch den Menschen würde<br />

es dort nicht wachsen. Dafür gibt es<br />

rote, ausgetrocknete Erde und Staub<br />

im Überfluss. Jetzt gibt es in Coober<br />

Pedy auch überirdische Gebäude,<br />

aber die Mehrzahl verbirgt sich trotzdem<br />

unter den Sandsteinbergen, weil<br />

sich so die Temperatur einfacher und<br />

effizienter regeln lässt.<br />

56


Mein Zelt habe ich dennoch aufgestellt,<br />

aber nicht über- sondern unterirdisch.<br />

„Riba‘s Underground“<br />

(http://www.camp-underground.<br />

com.au/) behauptet von sich, der<br />

einzige Ort auf der Welt zu sein, wo<br />

man sein Zelt unter Tage aufschlagen<br />

kann und ich schenke ihnen<br />

mein heiligstes Vertrauen. Die Heringe<br />

in den härtesten Untergrund<br />

zu treiben ist schwierig, auf Steinuntergrund<br />

zu schlafen – hart und<br />

unbequem. Aber wir sind in Coober<br />

Pedy, also hörte ich auf mich<br />

zu wundern und freute mich über<br />

die Möglichkeit duschen zu können.<br />

Die <strong>Be</strong>sichtigung der lokalen<br />

<strong>Be</strong>rühmtheiten, einschließlich der<br />

unterirdischen Kirche, schließe ich<br />

aus, weil mein Ziel die Opale sind.<br />

Also beschließe ich zuerst einmal,<br />

mich mit der Gegend vertraut zu<br />

machen und mehr Informationen<br />

zu sammeln, und danach kann ich<br />

mich an die anstrengende, körperliche<br />

Arbeit machen.<br />

57


explorer<br />

Was sind Opale und<br />

von wo kommen sie?<br />

Fast 100 Prozent der Opale Australiens<br />

werden in Sedimentgestein, an<br />

trockenen, unfruchtbaren Orten gefunden.<br />

Mann braucht nicht sehr tief<br />

graben, meist findet man sie in bis zu<br />

dreißig Meter Tiefe in stark vermodertem<br />

Felsgestein. Opale sind in grauer<br />

Vorzeit während der Herausbildung<br />

der Erdkruste als Folge chemischer<br />

Prozesse entstanden. Dieses Mineral<br />

der Oxydklasse ist auf der ganzen<br />

Welt anzutreffen, aber der Großteil<br />

(95 %) wird in Australien gefördert.<br />

So würde die wissenschaftliche Erklärung<br />

zur Entstehung der Opale<br />

lauten. Ein Mythos der Ureinwohner<br />

Australiens besagt, dass der Schöpfer<br />

mit dem Regenbogen auf die Erde<br />

gelangt ist und allen Menschen Frieden<br />

und Ruhe gebracht hat. Dort,<br />

wo seine Füße den Boden berührten,<br />

erstrahlten die Steine in allen Farben<br />

des Regenbogens.<br />

Diese Edelsteine funkeln tatsächlich in<br />

fast allen möglichen Farbtönen, weshalb<br />

man im Mittelalter glaubte, dass<br />

Opale große Erfolgsgaranten seien,<br />

weil in einem Stein alle guten Eigenschaften<br />

der Edelsteine vereint sind,<br />

deren Farben in das Farbspektrum<br />

der Opale gelangen.<br />

Es ist ein komplizierter Stein und seine<br />

Wertung beschränkt sich nicht<br />

nur auf die vier C (Colour, Clarity, Cut,<br />

Carat), wie bei der Wertung von Diamanten.<br />

Hier sind auch Hintergrund<br />

(umso dunkler, desto besser), Helligkeit,<br />

Muster, Farbe, Form, Gewicht<br />

und Mängel von Wichtigkeit. Opale,<br />

die rote Farbe enthalten, sind meist<br />

die teuersten, aber neben der Farbe<br />

werden auch die anderen zuvor erwähnten<br />

Eigenschaften des Minerals<br />

in <strong>Be</strong>tracht gezogen.<br />

<strong>Be</strong>i Weitem nicht alle gefundenen<br />

Opale sind Edelsteine. Das Gegenteil<br />

ist sogar der Fall, nur ein winziger<br />

Teil (1 %) aller Opale, die in<br />

Coober Pedy gefördert werden<br />

(und hier werden die meisten in<br />

Australien gefunden) besitzen die<br />

Qualität von Edelsteinen. <strong>Be</strong>i der<br />

großen Mehrheit (97 %) handelt es<br />

sich um den Gemeinen Opal (Common<br />

Opal), der auch als „potch“<br />

bezeichnet wird, kein begehrtes<br />

Farbenspiel zeigt, nicht durchsichtig<br />

und nicht teuer ist. Ein Teil des<br />

Gemeinen Opals ist jedoch reich an<br />

einigen Farben (meist Grün und<br />

Blau) und ist gar nicht so gewöhnlich,<br />

wird also viel für Ornamente<br />

eingesetzt.<br />

Ich hatte auch „Anfängerglück“<br />

gehofft und träumte von Steinen,<br />

die in allen Farben funkeln,<br />

am besten vor schwarzem Hintergrund,<br />

beispielsweise Rot vor<br />

Schwarz – der teuerste, mir würde<br />

er hervorragend passen.<br />

58


Nicht zu Hause<br />

nachmachen!<br />

Heute werden Opale mit moderner<br />

Technik gefördert, die Schachtkanäle<br />

werden mit großen Bohrern<br />

ausgehöhlt und unnützes Material<br />

wird über Spezialmaschinen aus<br />

dem unterirdischen Königreich an<br />

die Oberfläche befördert. Deshalb<br />

ist das gesamte Städtchen Coober<br />

Pedy von natürlichen Fallen umgeben<br />

– Löcher im Boden, die das Tor<br />

zum Königreich der Unterwelt darstellen,<br />

Zugänge zu den Schächten,<br />

und daneben <strong>Be</strong>rgehalden<br />

(mullock).<br />

Um mich herum habe ich niemanden<br />

gesehen, der einen Spaten<br />

schwingt und Erdreich in Eimern<br />

nach oben befördert. Diese Art Opale<br />

zu suchen ist die älteste und übrigens<br />

auch eine der effizientesten,<br />

denn wenn man langsam arbeitet<br />

und mit begrenzter Kraft hämmert,<br />

bestehen weniger Möglichkeiten<br />

einen wichtigen Streifen zu versäumen,<br />

der anzeigt, dass dort bereits<br />

eine Opalansammlung anfängt.<br />

Als es noch keine motorisierte Technik<br />

gab, haben die Opalsucher mit<br />

den Spaten vertikale Schächte gegraben,<br />

bis sie auf den Schlamm<br />

mit den Opalablagerungen stießen.<br />

Die Schachttiefe schwankte damals<br />

(und schwankt heute noch) von drei<br />

bis dreißig Meter. Alles ist abhängig<br />

vom Ort und vom Glück. Wenn der<br />

„Grund“ erreicht ist, wird eine horizontale<br />

Höhle weiter gegraben, und<br />

das gesamte unnütze Erdreich wird<br />

an die Oberfläche geschafft und dort<br />

ausgekippt. Es ist eine gefährliche<br />

Arbeit, die ein Zwei-Personenteam<br />

erfordert. Ich aber hatte diesen Luxus<br />

nicht, und auch die Neugier trieb<br />

mich zur Suche nach dem geeigneten<br />

Ort, an dem ich den Spaten benutzen<br />

kann.<br />

Ich musste nicht lange fahren und<br />

suchen, die Opalschächte beginnen<br />

gleich hinter dem Städtchen und erstrecken<br />

sich im Umkreis von 40 Kilometern.<br />

Jenseits des Asphalts sind die<br />

Wege hier löchrig und staubig, und<br />

die Landschaft ist unheimlich öde.<br />

59


explorer<br />

Dieser Ort auf der Welt ist etwas für<br />

starke, ehrgeizige, hartnäckige und<br />

ein wenig verrückte Menschen. Nicht<br />

umsonst wird eine der dort befindlichen<br />

Ebenen „Mondebene“ (Moon<br />

plane) genannt und man sagt, dass<br />

die Aussicht um Coober Pedy herum<br />

Ähnlichkeit mit den Aufnahmen der<br />

Mondoberfläche hat.<br />

Nachdem ich auf einen der Wege zu<br />

den Schächten abgebogen war, stieg<br />

ich aus dem Auto. Ich habe mich lange<br />

umgeschaut und versuchte mich<br />

zu entscheiden, wo ich anfangen sollte.<br />

Ich ging langsam und war voller<br />

Spannung. Der Boden dort ist von<br />

Löchern übersät, die, wie ich wusste,<br />

tief in das Herz der Erde reichen. Ich<br />

kam mir vor wie in einem Film, völlig<br />

irreal. Ich ging an den Straßenschildern<br />

vorbei, die davor warnten, sich<br />

von den Schächten fernzuhalten,<br />

den Boden aufmerksam zu beobachten<br />

und die Nase nicht in verlassene<br />

Minen zu stecken. Die <strong>Be</strong>wohner rieten<br />

mir außerdem dazu, mich vor<br />

Schlangen in Acht zu nehmen und sie<br />

nicht zu provozieren, und schon gar<br />

nicht zu versuchen, ihnen mit dem<br />

Spaten in der Hand hinterherzulaufen<br />

mit der Absicht, sie zu erschlagen.<br />

Neben den Erdlöchern befinden sich<br />

<strong>Be</strong>rge zu Tage geförderten Erdreichs,<br />

und diese hoch aufgetürmte Masse<br />

sah im Vergleich zu den winzigen Öffnungen,<br />

die in die Tiefe führten, riesig<br />

aus. Man muss nicht lange nachdenken<br />

um zu verstehen, dass all dieses<br />

Erdreich aus diesen engen Öffnungen<br />

gefördert wurde, aber erst wenn<br />

man diese Tatsache verinnerlicht,<br />

versteht man, welche Tiefe und Länge<br />

diese unterirdischen Höhlen haben<br />

– es sind unendliche Labyrinthe.<br />

Wenn Sie nach unten abrutschen,<br />

dann wird niemand – und ich sage<br />

bewusst NIEMAND – Sie finden, denn<br />

dort herrscht eine andere Welt.<br />

Am nächsten Morgen stand ich<br />

bereits im ersten Morgenlicht an<br />

den Schächten. Ich hatte eine<br />

Spitzhacke, eine Pinzette und eine<br />

Lupe dabei. Ich hatte eine Mütze<br />

auf dem Kopf, trug starre, stabile<br />

Schuhe und hatte mich von Kopf<br />

bis Fuß mit Insektenabwehrmittel<br />

eingesprüht. Sie haben ja keine<br />

Ahnung, was Fliegen sind, wenn<br />

sie nicht in der Tiefe des australischen<br />

Kontinents gewohnt haben<br />

– es sind furchtbare, lästige,<br />

scheußliche Viecher, die es dort<br />

haufenweise gibt. Ich habe vier Liter<br />

Wasser mitgenommen und war<br />

voller Enthusiasmus. Als es hell genug<br />

war und ich das Gelände klar<br />

und deutlich sehen konnte, habe<br />

ich mich auf den Weg gemacht.<br />

60


Von meiner Absicht im roten Boden<br />

zu graben habe ich Bob erzählt,<br />

einem Mann, den ich am Tag<br />

meiner Ankunft kennengelernt<br />

hatte, denn irgendjemand musste<br />

meinen Aufenthaltsort kennen,<br />

falls ich plötzlich nicht zurückkehren<br />

würde. Als er von meinem Vorhaben<br />

hörte, setzte er ein breites<br />

Lächeln auf, klopfte mir mit der<br />

Hand auf den Rücken, versuchte<br />

aber nicht, mich von meinem Unterfangen<br />

abzubringen. Er sagte<br />

nur: „die Nase im Mist, Sterne in<br />

den Augen“, und wünschte mir<br />

gesunde Rückkehr.<br />

Ich ging so weit, bis alle Löcher hinter<br />

mir lagen, zumindest schien es<br />

mir so, denn niemand konnte garantieren,<br />

dass sich unter mir keine<br />

tiefen horizontalen Tunnel durchs<br />

Erdreich winden. Ich begann mit<br />

dem Spaten zu arbeiten und zu<br />

Anfang war ich mit voller Kraft bei<br />

der Sache. Ich war bemüht eine so<br />

enge Öffnung wie möglich auszuheben,<br />

um nicht unnötig ins<br />

Schwitzen zu kommen. Aber mit<br />

der Zeit habe ich verstanden, dass<br />

es eine höllische und schwierig<br />

zu bewältigende Arbeit für eine<br />

Einzelperson ist. Ich habe einen<br />

mehrere Meter tiefen Schacht gegraben,<br />

aber das Ausschütten des<br />

Erdreiches wurde immer schwieriger<br />

und ich habe viel Zeit dafür<br />

verschwendet. Arbeiten konnte<br />

ich nur in den Morgenstunden, bis<br />

die Hitze mich aus der Grube trieb.<br />

Aber je tiefer ich grub, umso kühler<br />

wurde es. Mir wurde völlig klar,<br />

warum die Opalsucher an diesem<br />

Ort nicht nur bei der Arbeit, sondern<br />

auch danach das Leben unter<br />

Tage vorzogen – die Temperatur<br />

im Untergrund war angenehm<br />

und ich wollte überhaupt nicht in<br />

die sengende Hitze zurück.<br />

Ich fuhr zurück, um Werkzeuge zu<br />

suchen, weil ich den Gedanken hatte,<br />

einen primitiven Mechanismus<br />

zu montieren, der es mir gestatten<br />

würde mittels eines Seils das unnütze<br />

Erdreich auf der Oberfläche auszuschütten.<br />

Am nächsten Morgen habe<br />

ich ein stabiles Brett mit einer entsprechenden<br />

Aussparung am Rand<br />

des Lochs eingegraben, ein starkes<br />

mit Fett geschmiertes Seil daran festgemacht<br />

und bin in meinen Schacht<br />

abgestiegen. Ich fühlte mich hervorragend,<br />

mein Geist und mein ganzes<br />

Ich wurden vom Abenteuer erfasst.<br />

Schmutzig und verschwitzt wühlte<br />

ich im staubigen Erdboden und in<br />

meinen Augen blinkten tatsächlich<br />

Sterne auf. Ob ich tatsächlich hoffte,<br />

eine Opalader zu finden und reich<br />

zu werden, weiß ich nicht. Diesen<br />

Gedanken trug ich wahrscheinlich<br />

im Kopf mit mir herum, aber in Wirklichkeit<br />

war ich noch zu grün hinter<br />

den Ohren und zu unvorbereitet.<br />

Meinen Schacht habe ich bis auf fünf<br />

Meter ausgehoben, aber Anzeichen<br />

dafür, dass ich bereits den Grund erreicht<br />

hatte und mit dem Graben eines<br />

horizontalen Tunnels beginnen<br />

könnte, gab es nicht. Mein neuer<br />

<strong>Be</strong>kannter Bob willigte ein, mit mir<br />

zu fahren und mein Werk zu besichtigen.<br />

Er war mir gegenüber besonders<br />

wohlwollend gestimmt und<br />

nach dem Abstieg konnte er nur bestätigen,<br />

dass ich noch tiefer graben<br />

muss. Ich wusste, dass nach Erreichen<br />

des Grundes das Tunnelgraben noch<br />

nicht abgeschlossen sein wird. Es wird<br />

ein weiterer Schacht benötigt, damit<br />

die Luft zirkulieren kann. Nach der<br />

<strong>Be</strong>rechnung der Zeit und der Mühen<br />

fühlte ich, dass mein Enthusiasmus<br />

zu verblassen begann, Technik und<br />

Hilfe waren notwendig, aber ich wollte<br />

nicht investieren, war noch nicht<br />

dazu bereit.<br />

61


explorer<br />

Noodling –<br />

etwas für alle!<br />

Bob stimmte meiner Entscheidung<br />

zur Aufgabe des selbständigen<br />

Schachtgrabens zu und schlug vor,<br />

das Glück auf eine einfachere Art und<br />

Weise zu versuchen – beim Durchsieben<br />

des bereits geförderten Erdreichs,<br />

das aus tieferen Schichten<br />

abgesaugt wurde und auf großen<br />

Haufen verrottet. Diese Art der Edelsteinsuche<br />

nennt sich Noodling.<br />

Es ist eine sehr staub- und schmutzreiche<br />

Arbeit, aber viele leben davon<br />

und mehr als einmal hat ein hartnäckiger<br />

und aufmerksamer Laie Opale<br />

im Wert von mehreren hundert Dollar<br />

oder mehr gefunden.<br />

Um Coober Pedy herum gab es<br />

zahllose solcher abgeschriebenen,<br />

herrenlosen Haufen und mit deren<br />

Umgraben und Durchsieben wären<br />

viele solcher Freiwilligen wie ich beschäftigt,<br />

aber laut Bob ist die Menge<br />

an „mullok dump“ optisch recht trügerisch,<br />

denn viele Menschen durchsuchen<br />

das ausgeschüttete Erdreich<br />

und es ist ziemlich schwierig einen<br />

„fruchtbaren“ Haufen zu finden.<br />

Trotzdem habe ich mich entschlossen<br />

es zu versuchen, und den Gedanken<br />

von meinem eigenen Schacht habe<br />

ich aufgegeben. Ich habe das Graben<br />

nicht bereut, aber ich habe begriffen,<br />

dass dies keine Arbeit für eine Einzelperson<br />

ist, obwohl niemand sagen<br />

kann, ob ich mit etwas mehr Anstrengungen<br />

nicht einen rekordverdächtigen<br />

Opal gefunden hätte. Eben<br />

genau in Coober Pedy wurde 1956<br />

der weltgrößte Edelstein (3,5 kg Gewicht)<br />

gefunden und „Olympic Australis“<br />

genannt, weil in diesem Jahr<br />

in Melbourne die Olympischen Spiele<br />

stattfanden.<br />

Ich wollte mich eine Woche lang dem<br />

Noodling widmen, vor Schmutz hatte<br />

ich keine Angst, obwohl Bob eindringlich<br />

behauptete, dass dies eine<br />

scheußlichere und schmutzigere Arbeit<br />

sei als das Graben eines Schachtes.<br />

Ich hatte ein geliehenes Sieb, eine<br />

Schaufel und eine Staubmaske, ohne<br />

die ich bereits in der ersten Stunde<br />

ums Leben gekommen wäre. Und<br />

danach ging es an die Arbeit: Man<br />

steigt oder watet auf den Haufen aus<br />

Streugut, nimmt eine Schaufel voll<br />

Abfall, wirft ihn auf das Sieb und siebt<br />

ihn durch.<br />

Die aussichtsreichsten Haufen sind die,<br />

die von Bulldozern beim Schachtgraben<br />

aufgehäuft wurden, denn ein unaufmerksamer<br />

Fahrer könnte Opale<br />

unter den Raupen nicht bemerkt und<br />

zermalmt haben. Man muss eine positive<br />

Einstellung haben, immerhin<br />

werden 90 % Opale weltweit in diesen<br />

70 Opalfeldern um Coober Pedy<br />

herum gefunden. Irgendjemand<br />

hat bestimmt irgendetwas in diesen<br />

unnützen Abfallhaufen übersehen,<br />

dessen muss man sich sicher sein, ansonsten<br />

werden einen der Staub und<br />

die Rückenschmerzen zu Kapitulation<br />

bewegen, noch bevor man in Fahrt<br />

gekommen ist.<br />

62


Wenn Sie sieben, dann suchen Sie<br />

nach Farben, Glanz, dem Versprechen,<br />

dass sich in diesem kleinen<br />

Steinchen ein Schatz verbirgt. Ich<br />

habe sehr geduldig und methodisch<br />

gearbeitet, habe jede Stunde<br />

eine kurze Pause gemacht, und<br />

wenn es gar nicht mehr ging – jede<br />

halbe Stunde. Sehr schnell habe ich<br />

verstanden, dass ich mit dem Rücken<br />

zum Wind arbeiten muss, um<br />

die Augen vor dem furchtbaren<br />

aufgewirbelten Staub zu schützen,<br />

und mit den Fliegen musste ich<br />

mich einfach abfinden. Sie waren<br />

in schrecklich großer Zahl vorhanden<br />

und fanden immer, ob durch<br />

den kleinsten Spalt im Hemd oder<br />

in der Maske, den Weg zu meinem<br />

verschwitzten Körper. Es sind sehr<br />

lästige Viecher, von denen es auf<br />

dem Mars auf Erde eindeutig zu<br />

viele gibt.<br />

In sieben Tagen habe ich acht<br />

Mullock-Haufen abgearbeitet und<br />

fand nur „potch“, was die unterste<br />

Art des Gemeinen Opals ist. Ab<br />

und zu konnte man in ihm auch<br />

einen Farbschimmer erkennen,<br />

aber im Grunde ist es ein Mineral<br />

ohne kommerziellen Wert auf<br />

dem Opalmarkt. Geschliffen sah<br />

er jedoch sehr schön aus und man<br />

riet mir dazu, ihn als wunderbaren<br />

Grund für ein Aquarium zu verwenden...<br />

63


explorer<br />

Mein Glückstag<br />

Bob verfolgte wachsam mein Glück<br />

als „Opalsucher“ und nach siebzehn<br />

Tagen erschöpfender Arbeit sah ich<br />

wahrscheinlich zu bedauernswert<br />

aus, denn er lud mich zum Abendessen<br />

in seine Höhle ein (er wohnte<br />

in einem unterirdischen Haus), und<br />

dann schlug er mir etwas Unglaubliches<br />

vor – einen praktischen Ausflug<br />

in verlassene Schächte. An diesem<br />

Abend hörte ich auch seine Familiengeschichte,<br />

die der von vielen in<br />

Coober Pedy sesshaft gewordenen<br />

Abenteuersuchern ähnelt.<br />

Vor fast zwanzig Jahren sind er und<br />

seine Frau Pam, nachdem sie in den<br />

Vorruhestand gegangen waren,<br />

durch Australien gefahren und Coober<br />

Pedy war nur ein Städtchen auf<br />

dem Weg in die nordaustralische<br />

Stadt Darwin, in der sie für längere<br />

Zeit wohnen wollten. Alles änderte<br />

sich jedoch, als die Magie von Coober<br />

Pedy ins Spiel kam und Bob an<br />

Opalitis, dem Opalfieber erkrankte.<br />

„Ich war ‚grün hinter den Ohren‘<br />

wie du“, lachte mein neuer Freund<br />

„und alles hat mich sehr gelockt“.<br />

Die Erfahrung der alten Opalgräber<br />

sagt, dass wenn man einmal die bunten<br />

Farben tief in der Schachtwand<br />

gesehen hat, kein Neugieriger mehr<br />

zu stoppen ist. So auch Bob und Pam.<br />

Obwohl sie die versprochenen Schätze<br />

nicht gefunden haben und nicht<br />

mehr aktiv suchen, wohnen sie immer<br />

noch in Coober Pedy und planen<br />

nicht sich von diesem seltsamen Ort<br />

wegzubewegen.<br />

Wir haben vereinbart, dass er mich<br />

am nächsten Tag dorthin führt, wo<br />

wir uns in alten Schächten umschauen<br />

können, und dann werden wir<br />

unser Glück versuchen bei der Suche<br />

nach dem, was die Sucher vor uns<br />

hier nicht entdeckt haben. Bob versicherte<br />

mir, dass dort, tief im Innern<br />

der Erde, jeder irgendetwas nicht<br />

bemerkt, weil wir alle unterschiedlich<br />

sehen und das, was dem einen Augenpaar<br />

nicht auffällt, kann für das<br />

andere Augenpaar einen Opalschatz<br />

bedeuten.<br />

In dieser Nacht war es schwer einzuschlafen,<br />

ich wollte mich so schnell<br />

wie möglich in den versprochenen<br />

Untergrund begeben, und ohne<br />

einen erfahrenen alten Hasen auf<br />

diesem Gebiet wäre dieses Unterfangen<br />

nicht möglich oder zu riskant.<br />

Der Touristenausflug in den allen<br />

gezeigten sicheren und abgegriffenen<br />

Schacht reizte mich nicht. Ich<br />

wollte mit der Spitzhacke hacken<br />

und darauf hoffen, dass in dem<br />

verlassenen Schacht das Glück auf<br />

mich wartet.<br />

Bobs alter aber leistungsstarker<br />

Nissan Patrol war mit einem<br />

verbesserten Sonderrahmen in<br />

A-Form an der Frontseite des Wagens<br />

ausgestattet. Mit Hilfe dieser<br />

alten Konstruktion stiegen wir<br />

nacheinander in einen (meines<br />

Erachtens) sehr tiefen Schaft ab,<br />

den Bob schon irgendwann einmal<br />

besichtigt hatte. Die zwanzig<br />

Meter tief in die Erde, im Sitzen auf<br />

einem schmalen Brett, das von einem<br />

Drahtseil gehalten wurde und<br />

sich mit Bobs Mechanismus Marke<br />

Eigenbau abwickelte, erschien mir<br />

wie eine Ewigkeit. Sehr weit unten<br />

leuchtete das Licht meines Reiseführers,<br />

der zuerst nach unten gestiegen<br />

war, und ich bewegte mich<br />

langsam nach unten, gesichert<br />

mit einem Sicherungsdraht, damit<br />

ich im schlimmsten Fall hängen<br />

bleiben würde. Nur die Frage war,<br />

wie Bob nach oben steigen würde,<br />

denn die Metallleiter endete in<br />

10 Meter Tiefe.<br />

Allein vom Abstieg stockte der<br />

Atem, denn alles Mögliche hätte<br />

passieren können: Das Seil konnte<br />

sich verklemmen, die Drahtseile,<br />

die meinen Sitz hielten, konnten<br />

reißen, der Mut konnte verschwinden<br />

... aber all dies verblasst gegenüber<br />

den Gefühlen, die der Adrenalinstoß<br />

verursacht, wenn man<br />

weiß, dass gleich etwas Unerwartetes<br />

passieren wird und man selbst<br />

daran teilnimmt.<br />

64


Letztendlich mussten wir nach<br />

unserem Abstieg auf allen Vieren<br />

kriechen. Ich bin Bob gefolgt, der<br />

mit seinem beleibten Körper recht<br />

schwer vorankam, aber sich in<br />

den Labyrinthen ohne Probleme<br />

orientierte. An den Tunneldurchgängen<br />

war ungefähr jeweils ein<br />

halber Meter harten Tons angetrocknet,<br />

den das Regenwasser<br />

dorthin getragen hat, das die<br />

verlassenen Schächte Jahr um<br />

Jahr gewaschen hat. Um mit der<br />

Spitzhacke arbeiten zu können,<br />

mussten wir erst einmal mit dem<br />

Spaten Ordnung schaffen und den<br />

Zugang frei machen, um Platz zum<br />

Drehen zu haben und um in die<br />

Verbindungstunnel zu gelangen.<br />

65


explorer<br />

Die meiste Zeit habe ich gegraben<br />

und Bob hat über die alten Tage berichtet,<br />

als sie selbst Sprengladungen<br />

herstellten und ihren Weg in die Tiefe<br />

gruben, über seine Partner bei der<br />

Arbeit unter Tage und gefundene<br />

Opalschichten. Ich habe gefühlt, dass<br />

ihm diese Tätigkeit furchtbar fehlt,<br />

aber Alter und Gesundheit haben das<br />

Arbeiten im Staub mit dem Bohrer<br />

und der Spitzhacke in der Hand nicht<br />

mehr zugelassen. Ich habe verstanden,<br />

dass ich sehr großes Glück hatte,<br />

diesen scherzenden, alten Mann kennenzulernen,<br />

denn allein hätte ich<br />

nicht mal ein Zehntel von dem, was<br />

sich jetzt in meinem Kopf befindet, erlebt<br />

und erfahren.<br />

Bob willigte ein, mich mehrere Wochen<br />

lang in Schächte zu begleiten,<br />

und jeden Morgen stiegen wir in<br />

den gleichen Untergrund ab. Dort<br />

gab es nicht Verzweigungen und<br />

nach einigen Tagen hatten wir den<br />

Weg mehr oder weniger freigelegt.<br />

Ich war ganz ungeduldig und wusste<br />

nicht, wo ich anfangen sollte. Dann<br />

zeigte mir Bob eine Abzweigung, die<br />

in einem ungewöhnlichen Winkel<br />

nach oben führte, und deren Decke<br />

voll von Kalksteinen war. Im Laufe des<br />

Jahres fielen die Kalksteine zu Boden<br />

und deshalb war alles so weiß, dass<br />

sogar die Augen vom Hinsehen wehtaten,<br />

wie bei Schnee an einem sonnigen<br />

Wintertag. Genau dort haben wir<br />

gefunden, was als „chalky potch“ bezeichnet<br />

wird und unter <strong>Be</strong>rufung auf<br />

seine Erfahrung hat Bob sich entschieden,<br />

dass dies ein Hinweis auf Opale<br />

sein kann, deshalb war es wert die<br />

Spitzhacke zum Einsatz kommen zu<br />

lassen. Nach einigen leichten Hieben<br />

brach der Gesteinsbrocken entzwei<br />

und vor uns glitzerten die Farben.<br />

Das Gefühl war unbeschreiblich, meine<br />

Augen funkelten wahrscheinlich<br />

mehr als das Versprechen, dass wir<br />

etwas <strong>Be</strong>sonderes gefunden hatten.<br />

66


Mit zitternder Hand berührte ich<br />

die Wand und drehte mich zu meinem<br />

Partner um auf der Suche<br />

nach Zustimmung, dass das, was<br />

meine Augen sehen, wirklich DAS<br />

ist, wofür ich es halte. Bob nickte<br />

zustimmend mit dem Kopf, ich sah,<br />

dass die Stimmung des Augenblicks<br />

auch ihn erfasst hatte und<br />

wir arbeiteten eifrig weiter.<br />

An diesem Tag brachten wir aus<br />

dieser wundersamen Schachtwand<br />

dreihundert Gramm Grauopal<br />

(Grey Opal) zu Tage und mir schien<br />

es, dass ich diesen magischen Ort<br />

nie mehr verlassen möchte. An<br />

den verbleibenden Tagen stießen<br />

ich und Bob auf noch einmal so<br />

viel Grauopal, der kein echter Edelstein<br />

ist, aber trotzdem durch seine<br />

Farben auffällt. Meist ist er nicht<br />

durchsichtig, bis er bearbeitet und<br />

in sehr dünne Blätter geschnitten<br />

wird, und dann ist er geeignet für<br />

die Verwendung im „Triplet”, was<br />

die einfachste Art ist, sich mit einem<br />

echten Opal zu schmücken und<br />

daran Freude zu haben. <strong>Be</strong>i der<br />

Herstellung des Triplet wird eine<br />

dünne Opalschicht an einem starken<br />

Untergrund befestigt und von<br />

oben werden Glas- oder Quarzstücke<br />

eingepresst. So werden Manschettenknöpfe,<br />

Ohrringe, Spangen<br />

und andere Schmuckstücke<br />

hergestellt.<br />

Den Erfolg der erfolgreichen Ausgrabungen<br />

haben wir mit Pam in<br />

ihrem gastfreundlichen unterirdischen<br />

Höhlenhaus gefeiert. Es hat<br />

mir kein Vermögen eingebracht,<br />

aber ich habe gespürt, dass es sehr<br />

einfach ist, sich mit der Opalitis anzustecken.<br />

Man braucht nur etwas<br />

Farbe zu sehen. Ich wollte in den<br />

Schacht zurückkehren, aber Bob<br />

weigerte sich mit mir zu fahren,<br />

obwohl ich in seinen Augen immer<br />

noch die brennende Flamme des<br />

Fiebers brennen sah. „Diese Zeit ist<br />

für mich vorbei“, sagte er, „obwohl<br />

ich weiß, dass ich nie ganz gesund<br />

werden werde.“<br />

67


explorer<br />

Das ist erst der<br />

Anfang<br />

Opale sind nur einer von vielen funkelnden<br />

und nicht funkelnden Schätzen,<br />

die die Tiefen der Erde geheim<br />

halten und die potenziell jeder aufmerksame<br />

Sucher finden kann. Topase,<br />

Diamanten, Gold, Zirkonium,<br />

Amethysten, Kristalle und so weiter<br />

– die Schichten mit all diesen Gütern<br />

sind grundsätzlich allen Suchenden<br />

zugängig, man muss nur Willen, Hartnäckigkeit<br />

und Zeit mitbringen. Ein<br />

großer Teil der Steingräber sind Laien<br />

auf diesem Gebiet und beschäftigen<br />

sich ungefähr zwei Monate pro Jahr<br />

damit. Ein Teil von ihnen erfreut sich<br />

daran nur während des kurzen Sommerurlaubs,<br />

die anderen leben diese<br />

Tätigkeit und leben davon. Und das<br />

können Menschen mit den verschiedensten<br />

<strong>Be</strong>rufen sein, meist sind es Arbeiter,<br />

Pädagogen oder Personen in<br />

hohen Positionen, die ein gewaltiges<br />

Bankkonto haben, aber sie alle vereint<br />

dieselbe Leidenschaft – zu suchen und<br />

zu finden.<br />

Irgendein lang in Vergessenheit geratener,<br />

wilder und primitiver Instinkt<br />

erwacht, wenn man sich auf einfache<br />

körperliche Arbeiten, die Umgebung,<br />

die Erde konzentriert und das verleiht<br />

unsagbares Vergnügen. Ich muss<br />

gestehen, dass das Graben eine sehr<br />

ansteckende Angelegenheit ist und<br />

damit ist noch nicht alles zu Ende. Einige<br />

Veteranen sind nicht nur gut im<br />

Suchen und Finden von Edelsteinen,<br />

sondern eignen sich auch die erforderlichen<br />

Fertigkeiten zu deren <strong>Be</strong>arbeitung<br />

an, machen alles von A bis Z<br />

mit ihren eigenen Händen und das ist<br />

ihr größter Erfolg und ihr Vergnügen.<br />

Positives Denken ist bei erfolgreichen<br />

Grabungen die halb gemachte Arbeit.<br />

Auf keinen Fall darf man den Kopf hängen<br />

lassen und diejenigen beachten,<br />

die behaupten, dass sie an der einen<br />

oder anderen Stelle nichts finden, weil<br />

es nicht wahr ist. Überlegen Sie selbst,<br />

wenn es sich um einen erfolgreichen<br />

Ort handelt, wer würde allen davon<br />

erzählen wollen, damit gleich ein<br />

Haufen von „Kollegen“ angelaufen<br />

kommt und die ganze Ernte aushebt?!<br />

Aber dieselben Steingräber kehren<br />

Tag für Tag an denselben Ort, an<br />

denselben Bach zurück, wobei sie<br />

seinen Boden in Sieben spülen. Irgendetwas<br />

muss sich ja schließlich<br />

in diesem bröseligen Sand befinden<br />

– vielleicht feiner Goldstaub,<br />

der Appetit auf einen größeren<br />

Schatz macht, oder das nicht greifbare<br />

Versprechen, dass man nach<br />

Anstrengung dort auf sein El Dorado<br />

stoßen wird. Die einfachsten<br />

Grabungsergebnisse sind trotzdem<br />

positiv – Sie werden garantiert die<br />

verschiedensten Menschen treffen,<br />

<strong>Be</strong>kanntschaften schließen, die Zeit<br />

aktiv verbringen und Sie werden<br />

Ihre Urinstinkte, die beim bequemen<br />

Leben meist unbenutzt veröden,<br />

wieder zum Leben erwecken.<br />

68


Score<br />

Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />

Ziel zu erreichen.<br />

Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt befördert werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

69


trekker<br />

Zu Fuß,<br />

Rädern<br />

auf<br />

oder mit Flügeln?<br />

Die ganz persönliche Art die<br />

Welt zu bereisen<br />

Text Rimantas Vančys<br />

70


In der Atacamawüste von Chile wurde ich tatsächlich<br />

von einem Lkw angefahren, in Haiti musste ich vor einer<br />

„ aufgebrachten Menge die Flucht ergreifen, ägyptische<br />

Soldaten haben mich gefangen genommen und bis zur<br />

<strong>Be</strong>wusstlosigkeit geprügelt, und in Kamerun habe ich für<br />

„Staatsverleumdung“ hinter Gittern gesessen.<br />

In Indonesien habe ich mir eine<br />

furchtbare Dysenterie eingefangen<br />

– ich dachte, dass ich meine gesamte<br />

unruhige Seele aus mir herausstöhnen<br />

werde. Irgendwie habe ich es<br />

überstanden und von den Aufständischen<br />

in Zimbabwe ein Geschenk erhalten<br />

– eine Kugel ins <strong>Be</strong>in. Den Bienenangriff<br />

beim Baden in einem Fluss<br />

von Mosambik kann man also als unbedeutende<br />

Kleinigkeit bezeichnen.“<br />

So könnte der Deutsche Heinz Stücke<br />

den millionsten Teil seiner Erlebnisse<br />

kurz schildern. Er kann das Reisen<br />

um die Welt nicht mehr lassen und ist<br />

dafür ins Guinnessbuch der Rekorde<br />

gelangt als meistreisender Mensch<br />

auf diesem Planeten. Wenn man weiß,<br />

was dieser Mann anstellt, kann man<br />

behaupten, dass es für ihn im Leben<br />

nichts <strong>Be</strong>sseres gibt, als unterwegs zu<br />

sein, wobei jede bewältigte Schwierigkeit<br />

zu einem Abenteuer wird.<br />

<strong>Be</strong>im Spaziergang mit meinem Hund<br />

am Fluss denke ich oft nach: „Wenn<br />

man nur alles so einfach aufgeben<br />

könnte und eine Woche zu Fuß irgendwohin<br />

wandern könnte. Durch<br />

Wiesen und Wälder, ganz ohne Hast,<br />

viel dabei zu sehen bekommen, vielleicht<br />

würde der Hund sogar irgendein<br />

Tier zum Abendessen erlegen...“<br />

Dabei bleibt es dann auch, aber beim<br />

nächsten Mal, bei der Fahrt mit dem<br />

Motorrad kommt derselbe Gedanke<br />

zurück, nur diesmal bereits in breiterem<br />

Umfang – wie könnte man denn<br />

die Welt bereisen? Und sollen doch<br />

selbst Kleinkinder über mich lachen,<br />

wenn ich irgendwann einmal im Lotto<br />

eine Million gewinne und nach Umsetzung<br />

des Plans „Was ich mit dem<br />

Gewinn von einer Million tun würde“<br />

dieses Stück Fels nicht bereise.<br />

Muss es unbedingt diese Million sein?<br />

Ich habe einmal einen kräftigen alten<br />

Mann gesehen, der bereits den Großteil<br />

seines Lebens hinter sich gebracht<br />

hat. Er zieht seinen Wagen mit seiner<br />

Habe irgendwo in Richtung Norden.<br />

Man konnte deutlich sehen, dass<br />

dieses nicht das erste Land ist, das er<br />

durchläuft und dass er wirklich keine<br />

Million besitzt. Die Geschichte besagt<br />

auch, dass nicht für jede Weltreise<br />

eine Million zur Verfügung stehen<br />

muss. Wie viele Möglichkeiten zum<br />

Reisen um die Welt gibt es? Mehrere,<br />

und manche Reisen erfordern große<br />

Anstrengungen, körperliche Kraft<br />

und ständige geistige Arbeit, um irgendwo<br />

unterwegs nicht für ewig<br />

steckenzubleiben.<br />

Die älteste Möglichkeit zu reisen<br />

bietet sich unter Verwendung der<br />

im 21. Jahrhundert fast zu Rudimenten<br />

gewordenen Fortsätze,<br />

die man <strong>Be</strong>ine nennt. Irgendwann<br />

einmal, als nach etwas Essbarem<br />

gesucht werden musste, waren<br />

die <strong>Be</strong>ine von lebenswichtiger <strong>Be</strong>deutung.<br />

Jetzt werden sie meist<br />

als zur Zierde des Tisches verwendet,<br />

wenn der Sender „Discovery“<br />

geschaut wird. Ja, eine Weltreise<br />

zu Fuß ist möglich. Das haben bereits<br />

mehrere Menschen getan,<br />

aber der erste „Earthwalker“, der<br />

offiziell um die Welt gegangen<br />

ist, wurde in den 60er Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts registriert.<br />

Dave Kunst hat in vier<br />

Jahren 23 255 km zurückgelegt,<br />

unterwegs seinen Bruder verloren<br />

(John Kunst wurde in Afghanistan<br />

von Banditen erschossen, als ein<br />

Journalist wegen Verständigungsschwierigkeiten<br />

schrieb, dass die<br />

Brüder Geld für UNICEF sammeln.<br />

Die Brüder riefen zum Überweisen<br />

von Geld an die Organisation<br />

auf, sammelten selbst aber nicht.<br />

Die Mörder, die den Artikel gelesen<br />

hatten, überfielen die Brüder,<br />

töteten einen und verletzten den<br />

anderen) aber eine Frau gefunden<br />

(eine australische Lehrerin mit Namen<br />

Jenni Samuel willigte ein, den<br />

Wagen von Dave mehr als 1500 km<br />

mit dem eigenen Auto zu ziehen,<br />

während Dave nebenher ging.<br />

71


trekker<br />

Sie verliebten sich und am Ende<br />

der Reise brachte der „Earthwalker“<br />

die Frau mit in die USA, wo sie<br />

bis heute glücklich zusammenleben).<br />

Dave verlor zwei Hunde, vier<br />

Esel und trug 21 Paar Schuhe ab.<br />

Aber in vier Jahren hat er soviel erlebt,<br />

wie ein gewöhnlicher Bürger<br />

in seinem gesamten Leben.<br />

Die Menschheit hat sich entwickelt<br />

und als die Trägheit es erforderte,<br />

hat irgendein Mann (oder vielleicht<br />

auch eine Frau) das Rad erfunden.<br />

Allein auf einem Rad kann<br />

man auch die Welt bereisen. In den<br />

Gemeinschaften von Einradliebhabern<br />

werden bis heute Legenden<br />

über einen gewissen Wally Watts<br />

(Wobbling Wally Watts) erzählt.<br />

Zwei Jahre (1976–1978) und schon<br />

wurde Wally zu dem Yogi, der die<br />

Welt auf dem Einrad umreiste.<br />

Die Frauen, die diesen Mann getroffen<br />

hatten, haben bestätigt, dass die<br />

<strong>Be</strong>ine von Watt „wie Baumstämme“<br />

sind. Über das Gesäß schweigen sie<br />

bescheiden. Auch wenn Watts vielleicht<br />

einige Tausend Kilometer bis<br />

zum Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde<br />

gefehlt haben, so hat er doch<br />

das Eis gebrochen und den Menschen<br />

gesagt: „Leute, es ist möglich.<br />

Man muss nur einen festen Hintern<br />

und eiserne Geduld haben“.<br />

Fast einhundert Jahre vor Wobbling<br />

Wally Watts hat sich 1884 der Brite<br />

Thomas Stevens auf den Weg gemacht,<br />

zu seinem schwarzen Standardfahrrad<br />

vom Typ „Columbia“<br />

(dessen Vorderrad fast die Größe eines<br />

Menschen hatte) gegriffen und<br />

ist aus San Francisco in den USA um<br />

die Welt gefahren. Er wurde zum ersten<br />

Mann, der mit einem Zweiradfahrzeug<br />

den Erdball umfahren hat. Seine<br />

Abenteuer beschreibt er auf wunderbare<br />

Weise in seinem Buch „Mit dem<br />

Fahrrad um die Welt“.<br />

Genau zehn Jahre nach dem <strong>Be</strong>ginn<br />

der Reise von Stevens machte sich<br />

eine gewisse Annie Londonderry<br />

mit einem verbesserten Fahrrad des<br />

Typs „Columbia“ (beide Räder hatten<br />

dieselbe Größe) auf den Weg um die<br />

Welt. Dadurch dass sie ihren Ehemann<br />

und drei schreiende Kleinkinder für<br />

fünfzehn Monate beiseite geschoben<br />

hatte, verursachte sie in den Köpfen<br />

der Vertreterinnen des schönen Geschlechts<br />

eine Revolution, verkörperte<br />

den Gipfel der weiblichen Ausdauer<br />

und ging als erste Dame, die die<br />

Welt mit dem Fahrrad umreist hat, in<br />

die Geschichte ein. Obwohl die Frau<br />

ohne einen Groschen in der Tasche<br />

auf die Reise gegangen war, hat sie<br />

5000 US-Dollar mit zurückgebracht.<br />

Von ihr kann man lernen, wie man<br />

unterwegs Geld machen kann. Weltreisen<br />

mit dem Fahrrad sind heute so<br />

populär geworden, dass man über<br />

deren Vorbereitung <strong>Be</strong>rge von Informationen<br />

und Literatur finden kann.<br />

Nun sind die motorisierten Zweiradfahrzeuge<br />

an der Reihe. Zur Reise<br />

um die Welt auf einem Motorrad<br />

haben mich als Mann besonders<br />

die <strong>Be</strong>ispiele der Vertreterinnen des<br />

schwachen Geschlechts inspiriert.<br />

Insbesondere der Fall der Slowenin<br />

<strong>Be</strong>nka Pulko. Über ihren Entschluss<br />

zu reisen erzählt sie Folgendes: „Ich<br />

habe einmal im Zimmer gelegen<br />

und an die Decke gestarrt, als mir<br />

plötzlich ein Gedanke gekommen ist.<br />

72


Ich habe mir gesagt, dass ich mit<br />

dem Motorrad um die Welt reisen<br />

werde. Und es ist egal, dass ich zuvor<br />

nicht mit einem Motorrad unterwegs<br />

war und niemals damit gefahren<br />

bin – das waren nur Details,<br />

die mich nicht aufhalten sollten.“<br />

Psychiater würden in solchem Verhalten<br />

ernsthafte besorgniserregende<br />

Anzeichen erkennen, aber<br />

diese Frau hat ihr Ziel erreicht:<br />

zwei Weltrekorde, fünf Jahre unterwegs,<br />

siebzig Länder, 180 000<br />

km – allein das Lesen eines solchen<br />

Reisetagebuchs ist ein Abenteuer<br />

des Lebens.<br />

Falls Ihnen das Gehen, Laufen,<br />

Fahrradfahren oder ständige<br />

Sitzen auf dem Motorrad als zu<br />

schweißtreibende <strong>Be</strong>schäftigung<br />

erscheint, können Sie eine weitaus<br />

bequemere Möglichkeit zum<br />

Umreisen des Erdballs wählen.<br />

Sie können sich hinter das Steuer<br />

eines komfortablen Gelände- oder<br />

Wohnwagens setzen und so viel fahren,<br />

wie Ihr Herz begehrt. <strong>Be</strong>i den<br />

gegenwärtigen Technologien haben<br />

selbst die Jahreszeiten keinen<br />

Einfluss.<br />

Vor siebzig Jahren war nicht alles so<br />

einfach. Die ersten, die bewiesen,<br />

dass man die Welt mit jedem alten<br />

Kübel (sogar mit einem 1934 hergestellten<br />

Škoda) umreisen kann,<br />

waren die Tschechen Bohuslav Jan<br />

Prochazka und Jindrich Kubiasa im<br />

Jahre 1936. Bohuslav Jan Prochazka<br />

wurde zur Reise von einem gewissen<br />

wohlhabenden Grafen Borghese inspiriert,<br />

der 1906 mit einem „Itala“<br />

aus Peking nach Paris gefahren war<br />

(in 60 Tagen fuhr er ungefähr 14 000<br />

km). Also klopfte Bohuslav seinem<br />

Freund Jindrich, einem Mechaniker,<br />

auf die Schulter und sagte: „Alter,<br />

pack deine Sachen, aber nicht<br />

zu viel – wir fahren um die Welt.“<br />

73


trekker<br />

Er vergrößerte den Tank seines<br />

„Škoda Rapid“ und beide verließen<br />

Prag in Richtung Norden. Nachdem<br />

sie 97 Tage alle drei Gänge des Autos<br />

durchgeschaltet hatten, kehrten die<br />

Freunde aus der anderen Richtung in<br />

ihre Heimatstadt zurück und hatten<br />

die Welt umreist. Ohne Klimaanlage<br />

und MP3-Player. Anstelle dieser Geräte<br />

führten sie zur Vorsicht 2 Pistolen<br />

vom Typ „CZ“ und eine Maschinenpistole<br />

vom Typ „Thompson“ mit sich.<br />

Reisen mit dem Auto sind so populär<br />

geworden, dass es Menschen gibt,<br />

die darin wohnen und nicht hunderte,<br />

tausende, und nicht einmal zehntausende,<br />

sondern hunderttausende<br />

von Kilometern zurücklegen. Diese<br />

Menschen haben sogar einen Namen<br />

– „Globetrotter“. Und niemand wird<br />

ihnen über solche Reisen und das<br />

Leben besser berichten können als<br />

das schweizerische Ehepaar Emil und<br />

Liliana Schmid. Gegenwärtig halten<br />

sie sich irgendwo in Indonesien auf.<br />

Ungefähr vor fünfundzwanzigeinhalb<br />

Jahren sind sie mit dem Auto auf<br />

Reisen gegangen und haben nicht<br />

vor, in ihre Schweiz zurückzukehren.<br />

In dieser Zeit haben sie die folgenden<br />

Rekorde erreicht: die längste Reise,<br />

die meisten zurückgelegten Kilometer<br />

(mehr als 641 115) und die meisten<br />

mit einem Auto bereisten Länder<br />

(167). Das ist übrigens keine schlechte<br />

Werbung für den „Toyota Land Cruiser“.<br />

Würden Sie das Ehepaar um Rat<br />

für die Reise fragen, würden Sie ungefähr<br />

diese Antwort erhalten: „Wenn<br />

Sie auf sehr holperigen Straßen fahren,<br />

lassen Sie sich nicht die Möglichkeit<br />

zum Wäschewaschen entgehen.<br />

Packen Sie die Sachen in einen dichten<br />

<strong>Be</strong>hälter, der bis zur Hälfte mit<br />

Wasser gefüllt ist, geben Sie Waschpulver<br />

hinzu und schließen Sie den<br />

<strong>Be</strong>hälter. Am Ende der Fahrt müssen<br />

Sie nur die Wäsche durchspülen und<br />

trocknen.“<br />

74


Die beiden Schweizer sagen, dass<br />

ihnen für einen Tag im Durchschnitt<br />

24 Euro zum Lebensunterhalt genügen<br />

(einschließlich Kraftstoff und<br />

Nutzung des Autos) – ungefähr<br />

soviel kosten im Zentrum von <strong>Be</strong>rn<br />

zwei Tassen Kaffee mit Kuchen. Emil<br />

und Lilian sagen, dass falls sie irgendwann<br />

einmal ein sesshaftes Leben<br />

beginnen werden, sie wirklich nicht<br />

in die Schweiz zurückkehren würden<br />

– es müsste ein Ort sein, an dem<br />

es weniger Vorschriften und mehr<br />

Wärme gibt.<br />

Reisen mit Vierradfahrzeugen haben<br />

ihre Nachteile. Zu allererst<br />

muss man einen gültigen Führerschein<br />

besitzen, und dann muss<br />

man wachsam sein, um in einem<br />

abgelegenen Dorf nicht auf einen<br />

korrupten Polizisten zu treffen oder<br />

mit einem von Ochsen gezogenen<br />

Wagen zusammenzuprallen.<br />

Wenn man es sich gut überlegt,<br />

wozu die Mühe, wenn man<br />

sich ganz einfach in einen Waggon<br />

setzen kann, den man nicht<br />

selbst fahren muss, wenn man im<br />

<strong>Be</strong>tt ausschlafen und Flüssigkeiten<br />

genießen kann, die meist nur<br />

an Volljährige verkauft werden?<br />

75


trekker<br />

Natürlich lässt sich die Welt nicht mit<br />

einem, zwei und auch nicht mit hundert<br />

Zügen umfahren, und das aus<br />

einem sehr einfachen Grund: Nur<br />

wirtschaftsstarke Staaten oder Entwicklungsländer<br />

verfügen über eine<br />

Eisenbahnstrecke. Für die Durchquerung<br />

eines Kontinents wie Afrika<br />

mit irgendeiner „Trans“-Eisenbahn<br />

besteht keine Chance – weder in der<br />

Breite, noch in der Länge. Falls es irgendwann<br />

einmal eine Eisenbahnstrecke<br />

gegeben hat, die Ost und<br />

West mehr oder weniger verbunden<br />

hat, haben verschiedene Aufständische<br />

sich ihrer auf sehr einfache Weise<br />

entledigt, indem sie mehrere Tausend<br />

Minen eingesetzt haben. Wenn<br />

wir jedoch Afrika beiseite lassen, ist<br />

der Zug auf den anderen Kontinenten<br />

eine wunderbare Möglichkeit zu<br />

reisen, insbesondere wenn man einen<br />

sogenannten „Rail Pass“ kauft,<br />

der ein wenig beim Sparen hilft,<br />

und man muss sich nicht den Kopf<br />

zerbrechen, wie und wann man die<br />

Fahrkarten kauft. Für manche Züge<br />

muss man die Fahrkarten gesondert<br />

kaufen, aber wen kümmert das, wenn<br />

deine Reise ungefähr so verläuft: „In<br />

Nizza bin ich in einen Zug der „Russischen<br />

Eisenbahn“ eingestiegen<br />

und bin nach 52 Stunden, nachdem<br />

ich Genua, Mailand, Wien, Warschau,<br />

Minsk und Smolensk gesehen habe,<br />

auf dem Moskauer <strong>Be</strong>lorusski-Bahnhof<br />

ausgestiegen (für einen Euro bin<br />

ich ungefähr 10 km gefahren) (www.<br />

russiantrains.com). Nach der Fahrt<br />

zum Jaroslawski-Bahnhof habe ich<br />

auf den nächsten Zug gewartet und<br />

eine Fahrkarte, auf der in schwarzen<br />

Buchstaben „Российские железные<br />

дороги“ (Russische Eisenbahn) geschrieben<br />

stand, in den Hände gehalten.<br />

In meinem Kopf schwirrten<br />

Gedanken über das ferne Wladiwostok<br />

am Ufer des Stillen Ozeans umher.<br />

Aber unterwegs erwarten mich<br />

noch Jekaterinburg, Nowosibirsk,<br />

Krasnojarsk, Irkutsk und Ulan-Ude. Ja,<br />

es ist die längste, mit Legenden und<br />

Mythen umwobene Strecke der Welt<br />

– die „Transsibirische Eisenbahn“.<br />

Für eine Fahrt bezahlen Sie zwischen<br />

180 und 900 Euro, abhängig von der<br />

Klasse.<br />

In Wladiwostok wusste ich nicht mehr,<br />

wie ich mich entscheiden sollte: Mit<br />

der Fähre bis nach Japan und dessen<br />

<strong>Be</strong>sichtigung mit einem „Rail<br />

Pass“ oder wieder mit dem Zug fahren,<br />

um nach Peking zu gelangen,<br />

und von dort aus liegt mir dann<br />

ganz China zu Füßen. Am besten die<br />

eine und die andere Variante... Dann<br />

muss ich unbedingt nach Australien<br />

gelangen, in den „Indian Pacific“<br />

einsteigen und die Fahrt von Sydney<br />

nach Perth über Adelaide, oder<br />

umgekehrt, genießen (www.railaustralia.com.au/indianPacific.php).<br />

Ein<br />

kleiner Rat für diejenigen, die selbst<br />

bei der Zugfahrt nach Extremerfahrungen<br />

suchen: <strong>Be</strong>mühen Sie sich,<br />

von Dezember bis Februar zu reisen.<br />

76


Dieser Sommerzeitraum ist für Niederschläge<br />

berühmt, aufgrund derer<br />

es zu Hochwasser kommt, das<br />

die Gleise überschwemmt. Wechseln<br />

wir von Australien über auf die<br />

Vereinigten Staaten (www.amtrak.<br />

com) und Kanada (www.viarail.ca)<br />

– von einer Küste zur anderen, von<br />

Nord nach Süd – kein Problem, besonders<br />

mit einem „Rail Pass“. Von<br />

Nordamerika aus ist auch Südamerika<br />

zum Greifen nahe, aber eine<br />

Reise nur mit dem Zug ist dort etwas<br />

schwieriger als das Durchqueren<br />

der Weiten Russlands, weil es in<br />

Mittel- und Südamerika keine zwischenstaatlichen<br />

Eisenbahnnetze<br />

gibt. Nach so langer Fahrt mit dem<br />

Zug kann ich jedoch mit ruhigem<br />

Gewissen sagen, dass ich die Welt<br />

auf der Schiene umreist habe, und<br />

einem Menschen, der das geschafft<br />

hat, müsste man einen Orden<br />

verleihen (weitere Informationen<br />

über Zugfahren finden Sie unter<br />

www.seat61.com).<br />

Wer keinen Sinn darin sieht, Koffer<br />

oder Rucksack von einem Zug in<br />

den anderen zu schleppen, nach<br />

einem Platz zu suchen, wo man<br />

sich und seine Sachen unterbringen<br />

kann, für den gibt es eine Alternative:<br />

Sie können Koffer und<br />

Rucksäcke auch von einem Flugzeug<br />

zum anderen schleppen!<br />

Dort ist wenigstens ein Platz garantiert<br />

und die Geschwindigkeit<br />

ist auch höher, was bedeutet, dass<br />

man weniger Zeit verliert. Flugzeuge<br />

fliegen heutzutage überall<br />

hin, deshalb kann man fast jeden<br />

Winkel der Welt erreichen. Wenn<br />

Sie einfacher und ohne Zeitverlust<br />

sagen möchten „Ich bin um die<br />

Welt geflogen“, dann wenden Sie<br />

sich an Riccardo Mortara, einen<br />

Schweizer, der die Welt mit seinem<br />

dreißig Jahre alten Flugzeug in 57<br />

Stunden und 54 Minuten umflogen<br />

hat, womit er den Rekord des verstorbenen<br />

Steve Fossett um zehn<br />

Stunden verbesserte.<br />

77


trekker<br />

Ein gewisser Bürger Indiens mit Namen<br />

Kashi Samaddar fühlte sich, als<br />

ihm einmal die Einreise in einen der<br />

Staaten Südafrikas verweigert wurde,<br />

sehr verletzt und beschloss, so<br />

viele Länder wie möglich zu bereisen.<br />

Eine Zeitlang ist er also viel geflogen.<br />

Und was meinen Sie, wie viele Länder<br />

dieser Geschäftsmann besucht hat?<br />

Nach Angaben der CIA existieren gegenwärtig<br />

auf der Welt 265 Länder,<br />

nicht anerkannte Staaten oder Gebiete<br />

mit einem Status, den man als<br />

Einheit mit einer bestimmten ethnischen<br />

Gruppe, Bräuchen, Gesetzen u.<br />

Ä. einstufen kann. Auf der Welt befinden<br />

sich 194 souveräne Staaten. Herr<br />

Kashi Samaddar hat innerhalb von 6<br />

Jahren und 10 Monaten und 18 Tagen<br />

alle souveränen Staaten bereist.<br />

Wenn man auch die nicht anerkannten<br />

Staaten mit einrechnet, erhöht<br />

sich die Zahl auf 218. Dafür benötigte<br />

er die Ersparnisse seines gesamten<br />

Lebens – ungefähr 500 000 Euro.<br />

Aber seien Sie nicht enttäuscht,<br />

Sie können die Welt viel schneller<br />

umreisen, weil Herr Samaddar,<br />

egal wohin er reist, ein Visum benötigt.<br />

Auf die Einreisegenehmigung<br />

in manche Länder wartete<br />

er ganze 3 Jahre. Es besteht also<br />

die Chance, den Rekord des Geschäftsmanns<br />

zu verbessern. Es ist<br />

offensichtlich, dass nur wenige von<br />

uns es sich leisten können, sechs<br />

Jahre zu reisen. Deshalb müssen<br />

wir uns auf einfachere Varianten<br />

beschränken. Eine davon sind<br />

„Round-the-World“-Tickets oder<br />

-Pässe. Sie werden gegenwärtig<br />

von mehreren Allianzen angeboten,<br />

z. B. von „SkyTeam“ und „Star<br />

Alliance“, sowie vom Reisebüro in<br />

Ihrer Nähe. In solchen Fällen wird<br />

ein Passagier, der eine solche Reise<br />

gewählt hat, innerhalb des gewählten<br />

Zeitraums und für die gewählte<br />

Summe garantiert die Mehrzahl<br />

der Kontinente besuchen.<br />

78


Je mehr Euro Sie der Gesellschaft<br />

zahlen, desto mehr Städte werden<br />

angeboten. Die Preise beginnen<br />

ab ungefähr 2000 Euro in der<br />

Economy-Klasse und können die<br />

Anfangssumme um das Fünffache<br />

überschreiten, wenn Sie Flüge erster<br />

Klasse buchen. Es ist nur so, dass<br />

die Flüge meist in derselben Stadt<br />

beginnen und enden, und für<br />

den <strong>Be</strong>such der gewählten Städte<br />

höchstens 1 Jahr zur Verfügung<br />

steht.<br />

Wasser bedeckt mehr als siebzig<br />

Prozent der Oberfläche dieses auf<br />

Position drei von der Sonne entfernt<br />

gelegenen Felsbrockens. Und<br />

nur etwas mehr als neunundzwanzig<br />

Prozent sind Land, das zum<br />

Heim für zweibeinige Primaten geworden<br />

ist, die ihre Spezies heute<br />

als Homo sapiens bezeichnen. Der<br />

Mensch hat es trotzdem geschafft,<br />

auf das Meer zu fahren und sogar<br />

das andere Ufer zu erreichen. Der<br />

erste Mensch, der dies offiziell geschafft<br />

hat, navigierte 1519 auf dem<br />

Wasser in eine Richtung und kehrte<br />

aus der anderen Richtung nach<br />

Umfahren der Welt 1522 zurück. Es<br />

war der Portugiese Ferdinand Magellan.<br />

Tatsächlich kehrte nur seine<br />

<strong>Be</strong>satzung zurück, da 1521, unweit<br />

des Ziels, Magellan mit seinem Gefolge<br />

in einen Konflikt mit dem<br />

Stamm der Lapu-Lapu verwickelt<br />

wurde, und einer (oder vielleicht<br />

sogar mehrere) von ihnen traf<br />

den Reisenden zu heftig am Kopf,<br />

wodurch der Held in eine bessere<br />

Welt entsandt wurde. Trotzdem gilt<br />

Magellan als Pionier der Schifffahrt<br />

um die Welt. Und heute kann jeder<br />

gewöhnliche Adrenalinsüchtige<br />

mit etwas Freizeit etwas Ähnliches<br />

wiederholen (nicht den Kampf mit<br />

den Lapu-Lapu, sondern das Umfahren<br />

der Welt mit dem Schiff).<br />

79


trekker<br />

Falls Sie nach Veränderungen im Alltag<br />

suchen, adrenalinsüchtig sind<br />

und ohne Furcht die Tasse „Latte“ in<br />

der einen Hand und die Zeitung in<br />

der anderen in einen Kompass und<br />

ein Seil umtauschen, dann werden<br />

Sie hören wollen, wie das Salzwasser<br />

auf das Deck schwappt und der vor<br />

Hoffnungslosigkeit stöhnende Mast<br />

bemüht ist, die Segel nicht dem Wind<br />

zu überlassen. Dann würde ihnen das<br />

Trampen auf Schiffen (hitchhiking<br />

boats) passen. Falls es gelingt, dann<br />

werden Sie vom einen Hafen zum<br />

anderen mit einer vielseitigen <strong>Be</strong>satzung<br />

gerade einmal zum Preis für die<br />

Verpflegung reisen. Falls Ihnen das<br />

Glück hold ist, können Sie auch auf<br />

eine Yacht gelangen, die beispielsweise<br />

den Atlantik überquert. Es gibt<br />

Chancen. Wer aus Europa abreisen<br />

möchte, der sollte dies im Herbst tun,<br />

am besten im Oktober und November.<br />

Zu dieser Zeit sind die Winde am<br />

günstigsten. Man hört Legenden<br />

über eine jährlich Anfang November<br />

am Rande Europas, unweit von Afrika,<br />

stattfindende Regatta über den<br />

Atlantik. Genau dort kann der <strong>Be</strong>ginn<br />

solcher Reisen liegen. Zu dieser Zeit<br />

müssen Sie sich so oft wie möglich in<br />

den Häfen aufhalten und bei jeder<br />

Yacht fragen, ob keine Hilfskraft beim<br />

Überqueren des Atlantiks benötigt<br />

wird. Sie müssen zuvorkommend und<br />

immer erreichbar, fleißig und zuverlässig<br />

sein. In diesem Fall können die<br />

Meeresgötter ihnen wohlgesonnen<br />

sein, damit man nur zum Preis für die<br />

Verpflegung in einem Monat das<br />

andere Ufer des Ozeans erreicht.<br />

Das gilt auch für diejenigen, die<br />

keine Segelerfahrung haben, obwohl<br />

sie natürlich ein Vorteil ist.<br />

Sie sollten sich jedoch nicht als romantischer<br />

Passagier täuschen lassen,<br />

denn man wird Sie wie einen Ochsen<br />

ausnutzen, wie einen Sträfling ernähren<br />

und als Esel bezeichnen. Ja, solche<br />

Vorschriften bestehen auf dem<br />

Meer, wo es niemanden interessiert,<br />

ob Sie ein Wirtschaftsmagnat, ein<br />

Anwalt oder ein Klempner sind – die<br />

Macht liegt in den Händen des Kapitäns<br />

und er wird alles dafür tun, dass<br />

er seine <strong>Be</strong>satzung, darunter auch<br />

Sie, lebendig ans andere Ufer bringt.<br />

Deshalb erinnert sich jeder, der<br />

eine solche Reise erlebt hat, mit einem<br />

Lächeln daran, wie schwer es<br />

war, wobei er den Meeresgöttern<br />

dankt, dass er nun festen Boden<br />

unter den Füßen hat.<br />

Und wenn Sie, lieber Reisender,<br />

nicht alle Meere der Welt befahren,<br />

nicht in alle Länder fliegen,<br />

nicht auf allen Straßen fahren und<br />

nicht alle <strong>Be</strong>rge durchwandern,<br />

dann macht das nichts. Selbst das<br />

Fahrzeug ist unwichtig – Sie werden<br />

trotzdem weitaus mehr erlebt<br />

haben als Ihr Nachbar, Kollege,<br />

Freund oder der Unbekannte, an<br />

dem Sie auf der Straße vorbeigegangen<br />

sind. Sie werden trotzdem<br />

etwas am Tisch, an der Bar oder<br />

beim Picknick zu erzählen haben.<br />

Denn alle Reisen gehen um die<br />

Welt, nur manchmal benötigen wir<br />

eine kurze Pause, um sie fortsetzen<br />

zu können.<br />

80


Score<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen oder Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe der Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt befördert werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

81


Fahren,<br />

wohin man will<br />

Eigenschaften und Vorzüge<br />

von Wagen mit Allradantrieb<br />

Text Igor Smolevski<br />

82


© Dreamstime (1)<br />

Ein Fahrzeug mit erhöhter Geländegängigkeit weckt im<br />

Menschen ganz unterschiedliche Assoziationen.<br />

Was für den einen einfach ein robustes<br />

männliches Fahrzeug darstellt,<br />

bedeutet für den anderen vor allem<br />

Zuverlässigkeit bei widrigen Witterungsbedingungen.<br />

Und mancher<br />

möchte einfach nicht wie jedermann<br />

auf gewöhnlichem Gelände fahren.<br />

Für andere wiederum sind diese Fahrzeuge<br />

einfach ökologische Ungeheuer<br />

und sie fragen sich, warum die<br />

Leute damit im Stadtverkehr fahren<br />

müssen. Wir wollen versuchen, einige<br />

der Fragen zu beantworten.<br />

Was eigentlich ist<br />

ein Geländewagen?<br />

Über dieses Thema könnte man ein<br />

ganzes Buch schreiben. Und es würde<br />

dem Autor sicher schwerfallen zu entscheiden,<br />

was hier hineingehört oder<br />

nicht. Die gegenüber gewöhnlichen<br />

Fahrzeugtypen ungeheure Erweiterung<br />

der Ausstattung verwandelt<br />

die Fahrt in einem solchen Wagen zu<br />

einem einzigartigen Erlebnis, das die<br />

Eroberung der Sahara, das <strong>Be</strong>treten<br />

der Regenwälder des Amazonas oder<br />

eine Reise durch die Steinsteppen zu<br />

genießen erlaubt. Während das <strong>Be</strong>fahren<br />

der Straßen und Wege in unserem<br />

Kulturraum kaum hohe Anforderungen<br />

stellt, es sei denn in einem<br />

harten Winter, lassen sich extreme<br />

Fahrerlebnisse fern der Heimat ganz<br />

sicher finden und genießen.<br />

Es mag paradox klingen, aber tatsächlich<br />

fällt es schwer zu definieren,<br />

was einen Geländewagen eigentlich<br />

ausmacht. Können wir ein einfaches<br />

Auto mit Allradantrieb und erhöhter<br />

Bodenfreiheit als Geländewagen<br />

bezeichnen? Pfiffige Autoverkäufer<br />

bezeichnen Fahrzeuge, die nur diese<br />

Attribute aufweisen, bereits als solche.<br />

Echte Enthusiasten, für die ein<br />

„Offroading“ viel mehr bedeutet als<br />

nur eine Fahrt zur Arbeit auf schlechten<br />

Straßen, werden solche Autos<br />

nur belächeln.<br />

In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl<br />

der Fahrzeuge mit Allradantrieb im<br />

Verkehrsstrom stark angestiegen.<br />

Eine Verlangsamung dieses Prozesses<br />

hat sich erst unlängst durch<br />

staatlich subventionierte Abwrackprämien<br />

ergeben, die viele Kunden<br />

zu den Autohändlern lockte,<br />

um kleinere und sparsamere Fahrzeuge<br />

zu kaufen.<br />

Die Wahl eines Geländewagens sollte<br />

davon bestimmt werden, wie und<br />

wo er zum Einsatz kommen soll. Das<br />

trifft besonders dann zu, wenn für<br />

gängige Fahrzeuge ungeeignetes<br />

Gelände befahren werden soll.<br />

<strong>Be</strong>i Weitem nicht alle Geländewagen<br />

mit erhöhter Geländegängigkeit<br />

verhalten sich auf schlechten,<br />

unbefestigten Straßen aber gleich.<br />

Manche können sich hier sogar als<br />

völlige Versager erweisen. Vielleicht<br />

jedoch zeigt sich ihre Stärke auf<br />

der sicheren und bequemen Fahrt<br />

mit den Kindern zur Schule oder<br />

auf einem Wochenendtrip mit der<br />

Familie aufs Land?<br />

83


Wohin sollte die<br />

Reise gehen?<br />

„Der beste Weg ist kein Weg.“ Das<br />

klingt seltsam, wird aber gern und<br />

mit Stolz von den Mitgliedern der<br />

Geländewagenklubs behauptet. Sie<br />

denken dabei an äußerst anspruchsvolles<br />

Gelände, an riesige Löcher, Furten,<br />

Sandfelder und scharfe Felsen.<br />

Das sind Gebiete, die einen Porsche<br />

911-Fahrer in Angst und Schrecken<br />

versetzen und die er viel lieber von<br />

einem Ballon aus betrachten würde.<br />

Das „Offroading“ bezeichnet eine<br />

Fahrt außerhalb gewöhnlicher Straßen.<br />

Hierzu zählen seichte Flüsse,<br />

Matsch, Sanddünen, Strände, Hügel,<br />

Kies, aber auch verwilderte Feldwege.<br />

Trifft man auf solche Gebiete, beginnt<br />

das Spiel. Dem einen mag es darum<br />

gehen, seine Kraft mit der Natur zu<br />

messen, den anderen wiederum reizt<br />

es, Fahrtaktiken zu entwickeln und<br />

die Technik zu erproben. <strong>Be</strong>ides ist<br />

auf eine jeweils eigene Art reiz- und<br />

glückvoll. Es ist jedoch genauso wichtig<br />

zu wissen, wie Unfälle oder unangenehm<br />

hohe Reparaturkosten verhindert<br />

werden können.<br />

Mutter Natur und ihre „Wege“ sind<br />

unberechenbar. Nirgendwo findet<br />

man den gleichen Pfad, das gleiche<br />

Bachbett oder die gleiche Düne noch<br />

einmal. Wer Lust darauf hat, seine<br />

Kräfte mit der Natur zu messen, muss<br />

sich die hierfür nötige Ausrüstung<br />

besorgen. In Abhängigkeit vom Reiseziel<br />

ist das Fahrzeug entsprechend<br />

vorzubereiten, auch dann, wenn es<br />

im Autokatalog als „König der Straßen“<br />

bezeichnet wird. Für asphaltierte<br />

Straßen geeignete Reifen taugen<br />

beispielsweise für eine Fahrt durch<br />

schlammiges Moor keinesfalls.<br />

Wie bei jeder Aktivität werden Sie unvermeidlich<br />

auf neue <strong>Be</strong>griffe stoßen.<br />

Und es ist nichts Schlimmes dabei,<br />

wenn Sie nicht wissen, welche Furt Ihr<br />

Fahrzeug durchqueren kann oder<br />

wie man am besten über sumpfiges<br />

Gebiet kommt, um dort nicht stecken<br />

zu bleiben.<br />

Eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />

für Fahrten auf beliebigem Gelände ist<br />

die Bodenhaftung der Reifen. Der Reifen<br />

stellt die einzige Verbindung zwischen<br />

Fahrzeug und Straße dar, deswegen<br />

haben seine <strong>Be</strong>schaffenheit,<br />

an erster Stelle Profil und Luftdruck,<br />

den größten Einfluss auf eine sichere<br />

Fahrt. Erfahrene Geländewagenfahrer<br />

wechseln als Erstes die Reifen, indem<br />

sie vorteilhaftere und für die geplante<br />

Aktivität besser geeignete aufziehen.<br />

Von ebenso entscheidender <strong>Be</strong>deutung<br />

ist die richtige Reifengröße<br />

in Höhe und Breite.<br />

Für Fahrten durch Schnee, Sand<br />

oder Matsch werden unterschiedliche<br />

Größen verwendet. Größere<br />

Reifen wirken im Stadtverkehr<br />

nicht nur attraktiver, sie erhöhen<br />

auch die Bodenfreiheit. Allerdings<br />

erweisen sich für Sand, Schnee oder<br />

Matsch geeignete Reifen als echte<br />

Spritfresser und auf lärmempfindliche<br />

Bürger wirken sie als echte<br />

Lärmmonster. Grobes Reifenprofil<br />

verdreckt nicht so schnell und lässt<br />

sich, ähnlich wie Gummischuhe,<br />

leichter reinigen. Reifen mit gröberem<br />

Profil erleichtern die Fahrt<br />

durch Matsch, passen sich, sofern<br />

etwas Luft abgelassen wird, den<br />

Unebenheiten des Geländes an und<br />

erzeugen eine bessere Reibung, die<br />

beim Fahren so notwendig ist.<br />

84


Das Reifenangebot für Geländewagen<br />

ist nach Gruppen aufgeteilt.<br />

Meistens werden auf Geländewagen<br />

Straßenreifen mit nicht so stark<br />

ausgeprägtem Profil aufgezogen.<br />

Ihre Einsatzeignung lässt sich in<br />

folgenden Zahlen ausdrücken: 80<br />

Prozent für Schnellstraßen und nur<br />

20 Prozent für anspruchsvolles Gelände.<br />

Die Reifen für die schnellsten<br />

Geländewagen (z. B. Porsche Cayenne)<br />

sind überhaupt nur zu 5 Prozent<br />

für Fahrten im Gelände tauglich.<br />

Die AT-Reifen (All-Terrain) sind unter<br />

jenen Fahrern, die 50 Prozent ihrer<br />

Fahrzeit auf befestigten Straßen<br />

und die restlichen 50 Prozent auf<br />

schlechten, unbefestigten Straßen<br />

verbringen, wohl am beliebtesten.<br />

Dieses Reifenprofil ist bereits etwas<br />

gröber, und die Reifen eignen sich gut<br />

für Fahrten auf trockener oder nur<br />

leicht schneebedeckter Oberfläche.<br />

Entscheidet man sich jedoch für<br />

eine Fahrt durch „Schlammbäder“,<br />

Schneematsch oder Sandfelder, empfiehlt<br />

sich der Einsatz von Matschreifen<br />

(Mud-Terrain), deren Profil noch<br />

gröber ist und die sich noch besser<br />

auf Oberflächen wie Sand, Schlamm,<br />

Felsen oder Schnee verhalten. Im Vergleich<br />

zu den oben genannten Reifen<br />

verhalten sie sich besonders gut auf<br />

nassen Oberflächen, sind aber auf<br />

befestigten Straßen sehr laut. Echte<br />

Geländewagenmaximalisten wählen<br />

spezielle Reifen, die nur für eine konkrete<br />

Aktivität taugen. Bogger-Reifen<br />

erweisen sich bspw. als unersetzlich<br />

im Matschgelände und manche<br />

ballonähnlichen Reifen vermögen<br />

es, den Geländewagen sogar in ein<br />

Amphibienfahrzeug zu verwandeln.<br />

Obwohl Reifen aus der Sicht vieler<br />

Fachexperten eines der wichtigsten<br />

Elemente des Geländewagens darstellen,<br />

sollte man die Feinheiten<br />

maximaler Getriebeausnutzung in<br />

Geländewagen mit Allradantrieb<br />

(Allrad-Geländewagen) sowie die Gewichtsverteilung<br />

insbesondere beim<br />

<strong>Be</strong>rgauffahren nicht außer Acht lassen.<br />

Die unterschiedlichsten Fahrzeuge<br />

geraten auf einem Abhang<br />

aufgrund fehlenden Gleichgewichts<br />

ins Rutschen, da ihre Statik außer<br />

Kontrolle gerät. Das ist in der Tat eine<br />

schreckliche Sache, es sei denn der<br />

Geländewagen ist stecken geblieben<br />

und man ist gezwungen, schlittenartig<br />

vom Hügel herunterzukommen.<br />

85


<strong>Be</strong>vor man sich auf die Fahrt begibt,<br />

sollte geklärt werden, wie groß<br />

die drei unterschiedlichen Winkel<br />

im Fahrzeug beschaffen sind:<br />

der Böschungswinkel vorn und<br />

hinten sowie der Rampenwinkel.<br />

Wenn man die Größen dieser Winkel<br />

kennt, sinkt die theoretische<br />

Möglichkeit unerwünschten Steckenbleibens<br />

bzw. Hängens. Die<br />

Winkelgröße kann auf ganz einfache<br />

Art und Weise gemessen werden:<br />

mit einem Brett, das gegen die<br />

Räder gestemmt und so hoch wie<br />

möglich gehoben wird. Auf diese<br />

Weise erfährt man die passierbare<br />

Rampensteigung.<br />

Versuchen wir, auf eine Rampe<br />

zu fahren: Ist die Rampe zu steil,<br />

wird die vordere Stoßstange auf<br />

die Rampe aufprallen. Den vorderen<br />

maximalen Winkel zwischen<br />

Fahrzeug und Boden nennt man<br />

den vorderen Böschungswinkel.<br />

Dasselbe gilt auch für den hinteren<br />

Böschungswinkel. <strong>Be</strong>i einer<br />

Fahrt über hügeliges Gelände sollte<br />

man die Höhe der Bodenfreiheit<br />

kennen, damit sich das Fahrzeug<br />

nicht mittig auf einem Stein festfährt<br />

und zur Waage wird. Diese<br />

Parameter sind im schwer befahrbaren<br />

Gelände von besonderer<br />

Wichtigkeit.<br />

Für einen Geländewagen ist jedoch<br />

nicht nur die <strong>Be</strong>schaffenheit des<br />

Geländes von großer <strong>Be</strong>deutung.<br />

Einen großen Einfluss hat auch die<br />

Temperatur. Früher herrschte die<br />

Meinung vor, dass Allradfahrzeuge<br />

der älteren Generation für beliebige,<br />

auch beliebige klimatische<br />

Fahrbedingungen geeignet sind.<br />

Es gibt aber bestimmte Unterschiede<br />

bezüglich der Fahrten unter<br />

Grenzbedingungen, z. B. in der Arktis<br />

oder der heißen Wüste.<br />

Manche Geländewagenhersteller<br />

bieten Pakete für kaltes Klima an:<br />

eine stärkere Batterie, die das Starten<br />

bei sehr niedrigen Temperaturen<br />

ermöglicht, eine stärkere<br />

Lichtmaschine sowie einen stärker<br />

belastbaren Anlasser. Für die Vorbereitung<br />

auf eine Fahrt unter wirklich<br />

kalten <strong>Be</strong>dingungen empfiehlt<br />

sich auch ein Motorblockheizer, der<br />

das Anspringen des Fahrzeuges<br />

erleichtert. Wenn der Motor in <strong>Be</strong>trieb<br />

gesetzt wird, wird die Wärme<br />

zur Erleichterung des Anspringens<br />

eingesetzt.<br />

Genauso notwendig ist auch ein<br />

Transmissionskühler, insbesondere<br />

wenn schwere Gegenstände befördert<br />

oder das Getriebe äußerst<br />

schwierigen <strong>Be</strong>dingungen ausgesetzt<br />

ist. Manche Hersteller bieten<br />

Pakete für extrem heiße Klimazonen<br />

an: Transmissionskühler und größere<br />

Motorkühler, um ein Schmelzen<br />

der Technik unter den <strong>Be</strong>dingungen<br />

heißer Sandwüsten zu verhindern.<br />

Wenn das ganze System<br />

richtig arbeitet, bleiben die technischen<br />

Details im Hintergrund, und<br />

das ist ein Merkmal wirklich guten<br />

Funktionierens.<br />

87


Mit welchem Wagen<br />

fahren wir?<br />

Was sich für alles eignet, eignet<br />

sich meistens für nichts – es gibt<br />

keinen idealen Geländewagen,<br />

der für alle <strong>Be</strong>dingungen passt.<br />

Wenn es einen solchen gäbe,<br />

würden ja alle nur damit fahren.<br />

Das allerdings ist nicht der Fall.<br />

Der eine Geländewagen mag nur<br />

für den bequemen Einkauf im Supermarkt<br />

taugen, der andere mag<br />

für die Fahrt in die <strong>Be</strong>rge oder<br />

zum Angeln am abgelegenen Ort<br />

passen. Es ist wichtig, mindestens<br />

ungefähr zu wissen, auf welchem<br />

Gelände der Wagen zum Einsatz<br />

kommen wird. Soll das ein einfacher<br />

Kiesweg oder ein Waldpfad<br />

sein, den niemals je eine Menschenseele<br />

betreten hat.<br />

Manche Menschen sind stolz, einen<br />

Geländewagen zu besitzen, jedoch<br />

sind sie mit diesem niemals abseits<br />

ausgewiesener Straßen unterwegs<br />

gewesen. Es ist besser, nicht auf<br />

die Ratschläge solcher Fahrer zu<br />

hören, da sie nicht viel nützen. Das<br />

Fahren mit einem Geländewagen<br />

auf einer gewöhnlichen Straße unterscheidet<br />

sich kaum von der Fahrt<br />

mit einem üblichen Pkw. Natürlich<br />

ist der Fahrersitz im Geländewagen<br />

viel höher als in den üblichen Pkws.<br />

Da man dank der erhöhten Sitzposition<br />

eine bessere Sicht auf das Verkehrsgeschehen<br />

hat, leiten manche<br />

hieraus auch eine größere Verkehrssicherheit<br />

ab. Der Geländewagen<br />

hat eine höhere Bodenfreiheit und<br />

größere Räder. Es mag auch sein,<br />

dass seine Karosserie kompakter<br />

und stoßfester als der herkömmlichen<br />

Personenkraftwagen gebaut<br />

ist, dies ist jedoch nicht immer die<br />

Regel. Auch wenn man einem Zusammenstoß<br />

mit einem anderen Auto<br />

auszuweichen sucht und unglücklicherweise<br />

von der Straße abkommt,<br />

ist die Wahrscheinlichkeit der <strong>Be</strong>schädigung<br />

des Geländewagens viel<br />

geringer als dies bei einem ähnlichen<br />

Manöver mit einem üblichen Pkw der<br />

Fall wäre.<br />

Der Automarkt bietet ein breites Angebot<br />

an Fahrzeugen mit erhöhter<br />

Geländegängigkeit, die sich in verschiedene<br />

Gruppen und Klassen einteilen<br />

lassen. Wir wollen hier auf die<br />

wichtigsten Klassen eingehen, um<br />

uns ein Bild über den Gegenstand<br />

zu verschaffen. Denn die meisten Irrtümer<br />

treten aufgrund mangelnder<br />

Information auf.<br />

<strong>Be</strong>ginnen wir bei den<br />

vier Hauptklassen:<br />

den konventionellen Fahrzeugen<br />

mit Allradantrieb,<br />

den sogenannten „weichen“<br />

Geländewagen,<br />

den echten 4x4 Geländewagen und<br />

den „Monstern“ mit spezieller<br />

Ausrüstung.<br />

Zunächst zu den üblichen Pkws mit<br />

permanentem Allradantrieb (manchmal<br />

mit Zweiradantrieb, wobei die anderen<br />

beiden Räder erst zum Einsatz<br />

kommen, wenn der Wagen „durchdreht“).<br />

Diese Wagen sind auf nassen<br />

und glatten Straßen, bei starkem Regen,<br />

Schnee oder auf Kieswegen von<br />

Vorteil. Es handelt sich dabei nicht um<br />

wirkliche Geländewagen. Gewöhnlich<br />

verfügen sie über Reifen mit einfachem<br />

Profil und eine niedrigere Bodenfreiheit.<br />

Zu dieser Gruppe zählen<br />

Fahrzeuge vom Typ VW Golf 4MOTION<br />

bis Subaru Outback.<br />

Sicherlich haben Sie schon einmal einen<br />

VW Hatchback gesehen, können<br />

sich ihn aber schwer im unwegsamen<br />

Gelände vorstellen. Die Bodenhaftung<br />

dieser Kraftwagen ist jedoch auf<br />

befestigten Straßen bei jedem Wetter<br />

deutlich besser als bei analogen Fahrzeugen<br />

mit Frontantrieb.<br />

Fahrzeuge wie Audi Allroad oder<br />

Subaru Outback funktionieren nicht<br />

nur auf Kieswegen ausgezeichnet.<br />

<strong>Be</strong>i entsprechender Geschwindigkeit<br />

kommt man selbst in einer Sandgrube<br />

ein Stück voran. Dann jedoch<br />

ist die Fahrt zu Ende. Um den Wagen<br />

herauszuziehen, benötigt man<br />

nunmehr „ernstere“ Technik. Ein<br />

Hauptgrund hierfür ist die zu niedrige<br />

Bodenfreiheit, ein noch größeres<br />

Problem jedoch stellt das zu geringe<br />

Reifenprofil dar. Wenn sie auf scharfkantiges<br />

Gestein treffen, werden die<br />

Reifen sehr schnell durchstochen<br />

oder aber sie verfügen selbst bei reduziertem<br />

Luftdruck nicht über die<br />

nötige Sandhaftung. Fahrzeuge dieser<br />

Art taugen also am besten für Fahrten<br />

auf Kieswegen oder für häufige Fahrten<br />

im Schlamm- bzw. Sandgelände.<br />

88


Zur höheren Kategorie der Geländewagen,<br />

den sogenannten „Weichen“,<br />

zählen Honda CR-V, Land Rover Freeland,<br />

Toyota RAV-4 oder Volkswagen Tiguan.<br />

Sie zeichnen sich durch größere<br />

Räder und eine höhere Bodenfreiheit<br />

aus. Mit diesen Fahrzeugen lassen sich<br />

auch weiter entfernte Orte erreichen.<br />

Wie die einfachen 4x4 Geländewagen<br />

verfügen sie über einen permanenten<br />

Allradantrieb – so der Toyota RAV4, bzw.<br />

einen zuschaltbaren Allradantrieb wie<br />

der VW Tiguan. Für gewöhnlich besitzt<br />

der VW Tiguan nur einen Frontantrieb,<br />

d. h. erst wenn das System spürt, dass<br />

die Vorderräder durchzudrehen beginnen,<br />

werden die Hinterräder automatisch<br />

eingeschaltet. Der größte<br />

Nachteil bei solchen Fahrzeugen ist,<br />

dass es keine Möglichkeit gibt, ein<br />

niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis<br />

und die Differenzialsperre zu<br />

wählen. Obwohl dieser Wagen also<br />

über Allradantrieb verfügt, genügt es,<br />

dass ein Rad in der Luft hängen bleibt,<br />

und man steckt in der Klemme. Das<br />

Auto fährt nicht weiter.<br />

Die Sitzposition im Fahrersitz ist viel<br />

höher als bei den üblichen Personenkraftwagen,<br />

so dass Sie das Geschehen<br />

vor dem Fahrzeug besser beobachten<br />

können. Selbstverständlich können<br />

Sie einige Geländefahrten unternehmen,<br />

jedoch sollten diese auf kleine<br />

Sandflächen begrenzt bleiben.<br />

Im letzten Jahrzehnt haben sich auch<br />

Mittelklassewagen zwischen den<br />

„Weichen“ und den echten Geländewagen<br />

durchgesetzt – so die Prestige<br />

Sport Utility Vehicles, die nicht nur mit<br />

einem komplizierten Allrad-Getriebe<br />

ausgestattet sind, sondern auch über<br />

die neueste Elektronik verfügen. Dies<br />

steht gegen die Tatsache, dass das<br />

Fahrzeug weder ein niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis<br />

noch eine<br />

Differenzialsperre besitzt. Hierzu gehören<br />

BMW X5, Porsche Cayenne oder<br />

VW Touareg. Ein wichtiger Vorteil dieser<br />

Fahrzeuge sind die bequeme Lenkung<br />

(ähnlich wie bei den größeren<br />

üblichen Pkws) und die Sicherheit bei<br />

hoher Geschwindigkeit, die 200 km/h<br />

z. T. überschreiten kann.<br />

Wenn Sie allerdings in einem Moor<br />

„baden“, über Flüsse fahren oder<br />

<strong>Be</strong>rge „ersteigen“ wollen, dann<br />

sollten Sie sich einen echten Geländewagen<br />

aussuchen. Wie man<br />

diesen findet? Zuerst sollte man<br />

prüfen, ob der Wagen ein niedriges<br />

Getriebeübersetzungsverhältnis<br />

hat. Die meisten solcher Fahrzeuge<br />

verfügen über einen zusätzlichen<br />

Schalthebel, aber in den neuesten<br />

Modellen werden immer öfter<br />

elektronische Schalter installiert.<br />

Ein niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis<br />

bzw. eine verlängerte Getriebeübersetzung<br />

sind notwendig,<br />

um auf glatten und steinigen Pisten<br />

bergauf und bergab zu fahren oder<br />

sich aus dem Sand zu befreien.<br />

89


Ein anspruchsvolles Gelände erfordert<br />

folgende Voraussetzungen: eine,<br />

zwei oder sogar drei Differenzialsperren,<br />

Traktionskontrolle und ein LSD-<br />

Sperrdifferenzial. Ernstzunehmende<br />

Allradfahrzeuge verfügen über solch<br />

verbreitete Karosserievarianten wie<br />

Pick-ups und Sport Utility Vehicles<br />

(SUV). Natürlich gibt es auch exotische<br />

Cabrios oder sogar Sedans, aber das ist<br />

bereits die Ausnahme von der Regel.<br />

Größtenteils haben die Pick-ups ein<br />

niedriges Getriebeübersetzungsverhältnis.<br />

Fahrzeuge ihrer Art sind meist<br />

mit Differenzialsperren oder einer<br />

Traktionskontrolle ausgestattet. <strong>Be</strong>sonders<br />

in Europa sind sie jedoch auf<br />

Grund ihres offenen, nicht ausgekleideten<br />

Kofferraums unbeliebt, da das<br />

Gepäck bei unsachgemäßer <strong>Be</strong>festigung<br />

vom Regen durchnässt bzw.<br />

verstaubt oder beschädigt werden<br />

kann. Auch bieten die Einmannbzw.<br />

Doppelkabinen nicht viel Platz.<br />

Der größte Vorteil solcher Fahrzeuge<br />

ist allerdings das beinahe unbegrenzte<br />

Kofferraumvolumen in Breite wie<br />

Höhe. Für die Landwirtschaft oder<br />

den Baubetrieb ist dies von großem<br />

Nutzen.<br />

Auf dem Pick-up-Markt dominieren<br />

seit Jahren japanische und amerikanische<br />

Fahrzeuge, allerdings holen die<br />

europäischen Hersteller wacker auf.<br />

So kam vor kurzem beispielsweise der<br />

VW Amarok auf den Markt, ausgestattet<br />

mit allen Merkmalen eines echten<br />

Geländewagens. Ungeachtet dessen<br />

wird er mit solchen Pick-ups wie Toyota<br />

Hilux oder Mitsubishi L200 zu kämpfen<br />

haben, die eine lange Tradition<br />

besitzen und ohne größere Probleme<br />

250 000 km zurücklegen.<br />

In der SUV-Kategorie trifft man auf<br />

solch schneidige Fahrzeuge wie den<br />

Land Rover Discovery oder den Toyota<br />

Land Cruiser u. a. Wegen ihrer Zuverlässigkeit,<br />

guten Geländegängigkeit<br />

und Einsetzbarkeit auch auf dem Lande<br />

nehmen die letztgenannten Fahrzeuge<br />

eine weltweite Spitzenposition<br />

unter den beliebtesten Geländewagen<br />

ein. Darüber hinaus bieten sie auch<br />

im Innenraum genügend Platz. Mini<br />

Land Cruiser, in manchen Ländern<br />

auch Prado genannt, gelten als ebenso<br />

starke Fahrzeuge. Ihre neuesten<br />

Modelle verfügen bereits über Traktionskontrolle<br />

und eine erstaunlich<br />

gute Standard-Bodenfreiheit.<br />

Die meisten SUVs werden sie soweit<br />

bringen, wie die Bodenfreiheit erlaubt.<br />

Diese Wagen werden ebenfalls<br />

in zwei Kategorien unterteilt – in jene<br />

mit permanentem Allradantrieb und<br />

in jene mit manuell zuschaltbarem Allradantrieb.<br />

Zur ersten Kategorie zählen<br />

die meisten SUVs: Mercedes-<strong>Be</strong>nz<br />

ML, Land Rover Discovery, Toyota Land<br />

Cruiser u. a. Auf veraltete Systeme<br />

treffen wir in älteren Geländewagenmodellen<br />

oder „neuesten“ Pick-ups<br />

indischer (Tata Xenon) oder japanischer<br />

(Nissan Pick-up) Produktion.<br />

90


Und wie der Name dieser Geländewagen<br />

mit Sonderausstattung<br />

sagt, handelt es sich dabei um<br />

Fahrzeuge, die auf besondere Aufgaben<br />

vorbereitet sind: auf Expeditionen,<br />

Rennen, Unterhaltung<br />

oder sogar für militärische Zwecke.<br />

Es ist kein Geheimnis, dass ein Fahrzeug,<br />

dass in unwegsamem Gelände<br />

bessere Fahrergebnisse erzielt,<br />

wahrscheinlich keine so guten<br />

Fahreigenschaften auf herkömmlichen<br />

Straßen beweist. Es sei denn,<br />

man geht Kompromisse ein. So banal<br />

es auch klingt, in unwegsamem<br />

Gelände benötigen Sie einen leistungsstarken<br />

Motor mit großem<br />

Drehmoment und eine stabile Karosserie,<br />

die Herausforderungen<br />

standhalten kann.<br />

<strong>Be</strong>i der Zusammenfassung der<br />

Vertreter aller Klassen lässt sich<br />

behaupten, dass es kein Fahrzeug<br />

mit Allradantrieb gibt, das wirklich<br />

„erste Wahl“ ist. Wenn Sie nicht<br />

jenseits befestigter Straßen unterwegs<br />

sind und nur einmal im<br />

Jahr einen Schneesturm bewältigen<br />

müssen, genügt Ihnen ein<br />

Geländewagen mit zuschaltbarem<br />

Allradantrieb – es wird wirtschaftlicher<br />

sein, seine Aufhängung wird<br />

sicher mehr Komfort bieten. In einigen<br />

Fällen genügt auch ein Fahrzeug<br />

mit Zweiradantrieb und höherer<br />

Bodenfreiheit. Warum auch<br />

nicht? Doch diese Ausstattung ist<br />

für das Austoben in der wilden Natur<br />

wirklich ungeeignet.<br />

Obwohl Klassifizierungen und<br />

<strong>Be</strong>wertungen subjektiver Natur<br />

sind, werden wir den Versuch unternehmen,<br />

die besten Fahrzeuge<br />

der jeweiligen Klasse mit Allradantrieb<br />

näher zu beleuchten. Unter<br />

den Personenkraftwagen mit<br />

Allradantrieb fallen die Modelle<br />

Impreza bzw. Legacy von Subaru,<br />

in der luxuriöseren Preisklasse der<br />

Audi A4 und größere Modelle dieser<br />

Gesellschaft ins Auge. Unter<br />

den „weichen“ Geländewagen<br />

kann man den Honda CR-V, Toyota<br />

RAV4 und VW Tiguan erwähnen.<br />

91


In der Kategorie der „echten“ 4x4<br />

kann man den Toyota Land Cruiser,<br />

Nissan Patrol und Land Rover<br />

Discovery als Könige bezeichnen.<br />

Ausschlaggebend ist auch die Größe.<br />

<strong>Be</strong>im Nissan Patrol und dem<br />

großen Toyota Land Cruiser (für gewöhnlich<br />

mit V8-Motor ausgestattet)<br />

handelt es sich um weitaus größere<br />

Fahrzeuge, als ob sie in einer<br />

anderen Liga spielen würden. Sie<br />

zeichnen sich auch durch einen guten<br />

bleibenden Wert aus. Der Patrol<br />

ist eine gute Alternative zum Land<br />

Cruiser, da dieser auf dem Markt<br />

sehr begehrt und zu teuer ist.<br />

Ohne die Liebhaber von britischen<br />

Land Rovern beleidigen zu wollen,<br />

der bleibende Wert ihrer Geländewagen<br />

ist einer der geringsten<br />

und das aus einem sehr wichtigen<br />

Grund – Instabilität. Das tropfende<br />

Motoröl, der Lärm, die unberechenbaren<br />

Defekte können selbst<br />

den treuesten Verehrer in Rage<br />

versetzen. Die neuesten Modelle<br />

sind jedoch wesentlich komfortabler<br />

geworden, vielleicht sogar am<br />

komfortabelsten in der Klasse der<br />

echten Geländewagen.<br />

Traurig aber wahr – mit jeder neuen<br />

Generation oder mit jedem Jahresanfang<br />

werden Geländewagen und<br />

andere Fahrzeuge immer teurer. In<br />

gut ausgestatteten Geländewagen<br />

gibt es immer mehr Platz für nützliche<br />

oder unnütze Spielzeuge, die ihr<br />

Gutes und Schlechtes haben, aber für<br />

all dies wird man zusätzlich zur Kasse<br />

gebeten.<br />

Nuancen: Pro und<br />

Kontra<br />

Es gibt also viele verschiedene Arten<br />

vom Allradantrieb und genauso<br />

viele Hersteller von Fahrzeugen. Es<br />

stimmt, dass jeder unabhängige Automobilhersteller<br />

über unterschiedliche<br />

Schemen verfügt, mit denen die<br />

Motorleistung auf alle Räder verteilt<br />

wird. Dies ist besonders schwer, wenn<br />

man sich den Wortschatz der Hersteller<br />

anhört. Um es leichter zu machen,<br />

können wir einige <strong>Be</strong>griffe definieren.<br />

Vierradantrieb – für gewöhnlich,<br />

wenn der Hersteller diesen Terminus<br />

erwähnt, hat er ein nicht permanentes<br />

System im Sinn, wenn bei der<br />

Fahrt auf rutschigem Untergrund zur<br />

permanenten Antriebsachse die andere<br />

passive Achse automatisch oder<br />

mechanisch zugeschaltet wird.<br />

Der Allradantrieb wird manchmal<br />

auch als permanenter Vierradantrieb<br />

bezeichnet. Dieses Antriebssystem ist<br />

für die Fahrt auf jedem Untergrund<br />

geeignet – auf einer ebenen trockenen<br />

Straße und in unwegsamem Gelände.<br />

Viele dieser Systeme lassen sich<br />

nicht teilweise abschalten.<br />

Sowohl permanente, als auch zuschaltbare<br />

Antriebssysteme können<br />

anhand derselben Kriterien bewertet<br />

werden. Die besten Systeme übermitteln<br />

an jedes Rad das genaue Drehmoment,<br />

damit das Rad nicht anfängt<br />

durchzudrehen.<br />

Die Hauptkomponenten jedes Vierradantriebssystems<br />

sind zwei Differenziale<br />

(Vorder- und Hinterdifferenzial)<br />

und das Verteilergetriebe.<br />

Zuschaltbare Systeme besitzen zusätzlich<br />

die Möglichkeit einer Radnabensperre,<br />

und beide Systeme können<br />

mit Elektronik ausgestattet sein,<br />

die eine noch größere Bodenhaftung<br />

garantiert.<br />

Die Differenziale im Fahrzeug übertragen<br />

das Drehmoment auf die Räder.<br />

Sie lassen ebenfalls das Drehen<br />

der links- und rechtsseitigen Räder<br />

mit unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />

zu, wenn Kurven gefahren werden.<br />

In der Kurve legen die inneren<br />

Räder einen kürzeren Weg zurück als<br />

die äußeren Räder, weshalb sie sich<br />

mit unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />

drehen müssen.<br />

In Personen- und Lastkraftwagen<br />

gibt es verschiedene Arten von Differenzialen.<br />

Sie haben alle den Zweck,<br />

bei der Erzeugung einer größeren<br />

Bodenhaftung behilflich zu sein.<br />

92


Das Verteilergetriebe teilt die Leistung<br />

zwischen der Vorder- und Hinterachse<br />

im Vierradantrieb auf. Wenn<br />

die Differenziale die Leistung auf die<br />

Seitenräder verteilen, besitzt das<br />

Verteilergetriebe eine Vorrichtung,<br />

die die Steuerung des Geschwindigkeitsunterschieds<br />

im Allradantrieb<br />

zwischen den Vorder- und Hinterrädern<br />

zulässt. Dabei kann es sich<br />

um eine Visco-Kupplung, ein Mittendifferenzial<br />

oder eine anderweitige<br />

Vorrichtung handeln. Damit wird die<br />

angemessene Funktion des Allradantriebssystems<br />

auf jeder Oberfläche<br />

sichergestellt.<br />

Das Verteilergetriebe in einem zuschaltbaren<br />

Allradantrieb zwingt die<br />

Räder der Vorderachse dazu, sich mit<br />

derselben Geschwindigkeit wie die Räder<br />

der Hinterachse zu drehen. Deshalb<br />

gelangen die Reifen bei der Kurvenfahrt<br />

gelegentlich ins Rutschen.<br />

Es ist nicht ratsam, zuschaltbare<br />

Systeme dieser Art auf haftendem<br />

Untergrund einzusetzen, weil die<br />

Reifen diesen schwer bewältigen.<br />

Wird Missbrauch betrieben, kommt<br />

es zu einer schnelleren Abnutzung<br />

der Reifen und der Mechanismen<br />

des Getriebes.<br />

In einigen Verteilergetrieben, meist<br />

in nicht permanenten Antriebssystemen,<br />

gibt es eine verlängerte<br />

Getriebeübersetzung, die nützlich<br />

ist, wenn Sie mit dem Fahrzeug stecken<br />

geblieben sind. Obwohl man<br />

nach Zuschaltung dieses Modus im<br />

ersten Gang nicht schneller als 10<br />

km/h fahren kann, kann der Fahrer<br />

somit langsam das maximale<br />

Drehmoment ausnutzen und z. B.<br />

reibungslos eine steile Böschung<br />

„besteigen“.<br />

93


94<br />

Jedes Rad im Fahrzeug ist auf einer<br />

Nabe befestigt. Geländewagen mit<br />

zuschaltbarem Allradantrieb verfügen<br />

oft über die Vorderradnabensperre.<br />

Wird der Allradantrieb<br />

nicht verwendet, werden die gesperrten<br />

Radnaben von den Vorderdifferenzialen,<br />

den Halbachsen<br />

und der Antriebswelle getrennt.<br />

Dies gestattet dem Differenzial,<br />

den Halbachsen und der Antriebswelle<br />

sich nicht zu drehen, wenn<br />

das Fahrzeug nur von den Hinterrädern<br />

angetrieben wird und auf<br />

diese Weise nutzen sich diese Mechanismen<br />

weniger ab, der Kraftstoffverbrauch<br />

sinkt. Um den Allradantrieb<br />

zu aktivieren, muss der<br />

Fahrer für gewöhnlich aussteigen<br />

und einen Schalter an den Vorderrädern<br />

betätigen. Modernere<br />

Systeme verfügen über eine automatische<br />

Radnabensperre, die aus<br />

dem Wageninnern gesteuert wird,<br />

und man muss dazu nicht einmal<br />

anhalten.


In vielen modernen Fahrzeugen mit<br />

Allradantrieb spielt fortschrittliche<br />

Elektronik eine wichtige Rolle. Dabei<br />

handelt es sich nicht nur um moderne<br />

ABS- oder ESP-Systeme, sondern<br />

auch um raffinierte, elektrisch steuerbare<br />

Kupplungen, mit denen sich die<br />

Verteilung des Drehmoments auf die<br />

Räder besser steuern lässt.<br />

Es ist sehr wichtig, dass ein Geländewagen<br />

mit permanentem Allradantrieb<br />

im Verteilergetriebe über eine<br />

Mittendifferenzialsperre zwischen<br />

Vorder- und Hinterachse verfügt. Es<br />

ist notwendig, wenn Sie Kurven fahren<br />

und unterschiedliche Räder eine<br />

unterschiedliche Entfernung zurücklegen<br />

müssen, d. h. das Differenzial<br />

überträgt das Drehmoment des Motors<br />

auf die Räder, die es benötigen.<br />

Ohne das Differenzial würde ein in<br />

der Luft schwebendes Rad weiterhin<br />

mit Leistung versorgt werden, und<br />

die verbliebenen Räder erhielten keine.<br />

Und Sie würden sich nicht von der<br />

Stelle bewegen. Eine Mittendifferenzialsperre<br />

ist also etwas sehr Wertvolles<br />

in einem Fahrzeug mit Allradantrieb.<br />

Sie ist ein untrennbares Attribut<br />

des Toyota Land Cruiser und der ihm<br />

ebenbürtigen Geländewagen.<br />

Eines der fragwürdigsten Dinge ist<br />

eine Automatikschaltung in einem<br />

Fahrzeug mit Allradantrieb. Es ist anerkannt,<br />

dass diese im Vergleich zu<br />

einer mechanischen Gangschaltung<br />

eine bessere Alternative beim Fahren<br />

auf Sanddünen ist, aber das Hauptproblem<br />

besteht beim Herabfahren<br />

von steilen Hügeln. <strong>Be</strong>im Herabfahren<br />

von einem Hügel bei mechanischer<br />

Gangschaltung wird der erste<br />

Gang eingelegt, damit das Fahrzeug<br />

besser mit dem Motor gebremst wird.<br />

<strong>Be</strong>i der Verlangsamung des Wagens<br />

und der „Überdosierung“ der Bremsen<br />

wird er ins Rutschen kommen<br />

und dann stehen Ihnen völlig unerwartete<br />

Folgen bevor. Eine Automatikschaltung<br />

kann einfach nicht<br />

den erforderlichen Widerstand erzeugen.<br />

Wenn Sie also sicher auf rutschiger<br />

hügeliger Oberfläche fahren<br />

möchten, ist ein Wagen mit mechanischer<br />

Gangschaltung besser dafür<br />

geeignet.<br />

Einige Automatikschaltungen besitzen<br />

bereits eine Sperrfunktion, wonach<br />

die Schaltung unter derartigen<br />

<strong>Be</strong>dingungen wie eine mechanische<br />

Gangschaltung funktioniert. Das ist<br />

sehr hilfreich.<br />

95


Diskussionen gibt es auch bei den<br />

Konstruktionsunterschieden der Vorderaufhängung.<br />

In manchen Geländewagen<br />

befindet sich eine Strahlachse<br />

durchgehender Konstruktion,<br />

und in einigen auf eine modernere<br />

unabhängige Vorderaufhängung.<br />

Es wurden jedoch bereits Schlussfolgerungen<br />

getroffen, dass es keine<br />

absolut beste Wahl gibt. Die abhängige<br />

Federung wird beim Fahren<br />

auf Dünen und in Schneewehen der<br />

unabhängigen Federung überlegen<br />

sein, und die unabhängige Federung<br />

wird beim Fahren auf schwierigeren<br />

Bodenbelägen vorteilhafter sein. Die<br />

unabhängige Federung zeichnet sich<br />

auch durch komfortableres Fahren<br />

aus, ihre Wartung ist jedoch kostenintensiver.<br />

Trotzdem ist sie bereits sogar<br />

in kleinen billigen Wagen vorhanden.<br />

Weitaus weniger Diskussionen entstehen<br />

zu der Frage, welcher Motor für<br />

unwegsames Gelände besser geeignet<br />

ist – ein <strong>Be</strong>nziner oder ein Diesel.<br />

Dieselmotoren zeichnen sich durch<br />

guten Schub bei niedrigen Umdrehungen<br />

aus und bringt keine Leistung<br />

bei hohen Umdrehungen, d. h. beim<br />

Fahren mit hoher Geschwindigkeit.<br />

<strong>Be</strong>i <strong>Be</strong>nzinmotoren ist es umgekehrt.<br />

Der Vorteil eines Dieselmotors zeigt sich<br />

beim Fahren auf sandigem Gelände,<br />

im Schnee oder beim „<strong>Be</strong>rgsteigen“.<br />

Der Kraftstoffverbrauch ist ebenfalls<br />

auf der Seite des Dieselmotors,<br />

er verbraucht wesentlich weniger<br />

Kraftstoff. Falls Sie planen, Afrika<br />

oder eine andere wenig zivilisierte<br />

Region zu durchqueren, werden<br />

Sie mit dem Problem minderwertigen<br />

Kraftstoffs konfrontiert, besonders<br />

mit einem Mangel an bleifreiem<br />

<strong>Be</strong>nzin. Diesel können Sie fast<br />

überall finden, gutes <strong>Be</strong>nzin aber<br />

nicht. Es gilt jedoch, dass die Wartung<br />

von Dieselmotoren kostenintensiver<br />

als die von <strong>Be</strong>nzinmotoren<br />

ist. Alte Dieselmotoren sind nicht<br />

für die Fahrt auf Dünen geeignet,<br />

aber die neue Ära der modernen<br />

Dieselmotoren hat das geändert.<br />

Die Modernität hat jedoch Opfer<br />

gefordert – sie benötigen Diesel<br />

von höherer Qualität, der wie auch<br />

bleifreies <strong>Be</strong>nzin an abgelegeneren<br />

Orten schwerer zu finden ist.<br />

Sie sollten auch nicht vergessen,<br />

dass alte Dieselmotoren recht<br />

langsam und nicht für Spritztouren<br />

geeignet sind. Solche „Stresssituationen“<br />

können mit deren „Tod“<br />

enden. Also sind an dieser Stelle<br />

benzinbetriebene Fahrzeuge von<br />

Vorteil. Das Verdichtungsverhältnis<br />

von Dieselmotoren liegt auch<br />

wesentlich höher als das bei <strong>Be</strong>nzinmotoren,<br />

also sind ihre Bauteile<br />

wesentlich schwerer und sind ausschlaggebend<br />

für das Gesamtgewicht.<br />

Die neuesten Technologien<br />

der Dieselmotoren haben diese<br />

Mängel jedoch fast beseitigt und<br />

Dieselmotoren sind attraktiver geworden<br />

– Sie können die Leistung<br />

eines V8-<strong>Be</strong>nzinfressers bekommen<br />

und sich der Kraftstoffsparsamkeit<br />

eines kleinen <strong>Be</strong>nzinmotors<br />

erfreuen.<br />

96


In den letzten Jahrzehnten wurde<br />

das Fahren von Geländewagen, wie<br />

auch anderer Kraftfahrzeuge, für unerfahrene<br />

Fahrer immer sicherer. Die<br />

Sicherheitstechnologien haben im<br />

letzten Jahrzehnt wohl die meisten<br />

Fortschritte im Vergleich zu den übrigen<br />

gemacht. Angefangen bei den<br />

„banalen“ Airbags. In modernen Geländewagen<br />

schießen sie heute nicht<br />

nur aus dem Lenkrad, sondern alle<br />

Insassen der Fahrgastzelle werden im<br />

Winkel von 360 Grad durch Airbags vor<br />

ernsten Verletzungen bewahrt. Dies<br />

gilt jedoch nur für Wagen, die 10 000<br />

Euro und mehr kosten. Diese Messlatte<br />

wird aber jedes Jahr weiter nach unten<br />

gesetzt und im nächsten Jahrzehnt<br />

werden vielleicht selbst die kleinsten<br />

Wagen mit einer genügenden Anzahl<br />

von Airbags ausgestattet sein.<br />

Die Stabilität der Geländewagenkarosserien<br />

wird von verschiedenen<br />

unabhängigen Sicherheitsorganisationen<br />

geprüft, wie bspw. von Euro<br />

NCAP. Obwohl wohl kaum jemand<br />

die Stabilität der Geländewagenkonstruktion<br />

unter realen <strong>Be</strong>dingungen<br />

ausprobieren möchte, wirkt die<br />

Kenntnis von Karosseriezonen, die<br />

den Aufprall absorbieren, beruhigend.<br />

Es ist niemals genug<br />

Wenn Sie sich ernsthaft für Offroading<br />

interessieren, sollten Sie nicht<br />

vergessen darüber nachzudenken,<br />

wie Zusatzausrüstung bequem befestigt<br />

werden kann, z. B. eine Dachreling,<br />

eine Stange, Zughaken und<br />

anderes Zubehör, von dem man<br />

nie weiß, wann man es benötigt. Die<br />

meisten Fahrzeuge vom Typ SUV verfügen<br />

heute nicht einmal über eine<br />

Schutzvorrichtungen der Unterseite<br />

der Türen oder der Bögen, und für<br />

diese sollte man sorgen, wenn man<br />

eine Fahrt in den Busch plant. Nicht<br />

bei allen ist auch Platz zur <strong>Be</strong>festigung<br />

einer zusätzlichen Dachreling<br />

oder es fehlt eine Anhängerkupplung.<br />

Niemand möchte zusätzlich<br />

die Zeit mit dem Bohren von Löchern<br />

vergeuden. Wichtig ist auch der Platz<br />

in der Fahrgastzelle – ob tatsächlich<br />

genügend Platz für Kameras, Landkarten<br />

und gute Fächer zur Ablage<br />

von Kleinigkeiten vorhanden sind. <strong>Be</strong>i<br />

einem weiten Ausflug benötigt man<br />

manchmal Dinge, die einem nutzlos<br />

erscheinen.<br />

Zu einem großen Problem wird<br />

auch die genügende Bodenfreiheit<br />

– wohl aus Gründen des sparsameren<br />

Kraftstoffverbrauchs bieten die<br />

Hersteller mit jeder neuen Modellgeneration<br />

Wagen an, die so nahe<br />

wie möglich über dem Boden fahren<br />

(geringerer Luftwiderstand).<br />

Wenn Sie also den Wagen „vom<br />

Boden“ anheben wollen, werden<br />

Sie eine ganze Menge Geld für die<br />

Modifikation der Aufhängungsbauteile<br />

ausgeben müssen: Einbau<br />

größerer Federn, vielleicht kaufen<br />

Sie auch teure regulierbare Stoßdämpfer<br />

oder eine Luftfederung,<br />

Hebel und Hülsen müssen ausgewechselt,<br />

die <strong>Be</strong>festigungsteile der<br />

Aufhängung verstärkt werden.<br />

Nach Erhöhung der Bodenfreiheit<br />

können Sie auch größere Reifen<br />

montieren. Eine rücksichtslose Erhöhung<br />

der Bodenfreiheit hat jedoch<br />

auch negative Folgen – der<br />

Wagen lässt sich schwerer lenken,<br />

die Wahrscheinlichkeit zum Umkippen<br />

in Kurvenlage steigt.<br />

98


Ein Unterbodenschutz ist ebenfalls<br />

etwas Neues. Er ist zum Schutz der<br />

Unterseite der Karosserie des Geländewagens<br />

vor Baumstämmen,<br />

Felsen und anderen Faktoren der<br />

Natur gedacht. Viele Hersteller<br />

bieten diesen Schutz als Zusatzausrüstung<br />

bei Offroad-Ausstattung,<br />

die beim Kauf eines neuen Geländewagens<br />

bestellt werden kann.<br />

Für gewöhnlich befinden sich in<br />

dieser Ausstattung auch verbesserte<br />

Stoßdämpfer und Reifen mit<br />

besserer Bodenhaftung und stärkerem<br />

Profil für unwegsames Gelände.<br />

Es versteht sich von selbst,<br />

dass es sich bei den schwächsten<br />

Bauteilen an der Außenseite eines<br />

Geländewagens um die handelt,<br />

die aus Glas oder dessen Ersatzstoffen<br />

hergestellt werden. Scheinwerfer<br />

und Fenster lassen sich jedoch<br />

mit verschiedenen Netzen und Gittern<br />

schützen, und schlamm- sowie<br />

wasserscheue Hohlräume lassen<br />

sich abdichten. Man muss sich auch<br />

Gedanken über die Sicherheit beförderter<br />

Ladung machen, indem<br />

man sie mit Gurten und Netzen befestigt.<br />

Aber es stimmt auch, dass<br />

diese Dinge nicht nur ihre direkte<br />

Funktion erfüllen. Manch einer<br />

möchte sie nur haben, damit sein<br />

Geländewagen besser aussieht...<br />

Geländewagen erhalten bei Weitem<br />

nicht nur die vom Hersteller offiziell<br />

zugelassene Zusatzausstattung. Sie<br />

müssen nur überlegen, was Ihrem Geländewagen<br />

noch fehlt und irgendjemand<br />

wird es unbedingt verkaufen.<br />

Hier kann man Geld ausgeben und<br />

nicht sparen – am einfachsten ist es<br />

beim Kauf eines neuen Geländewagens<br />

die gesamte mögliche Ausrüstung<br />

zu bestellen. Obwohl die Suche<br />

nach Zubehör, das nicht der Originalausstattung<br />

entspricht, und dessen<br />

Anpassung viel Zeit in Anspruch<br />

nimmt, so kann man auf diese Weise<br />

sparen. Die Geschäfte für Offroad-Enthusiasten<br />

haben gewisse Ähnlichkeit<br />

mit Süßwarengeschäften für Kinder.<br />

Man möchte alle „Süßigkeiten“ kosten<br />

und man kann scheinbar nie genug<br />

bekommen.<br />

Ein Blick in die<br />

Geschichte<br />

Interessant ist, dass keine genauen<br />

Angaben zur Entstehung des Allradantriebs<br />

vorliegen. Manche Aufzeichnungen<br />

sagen, dass noch vor der<br />

Entstehung der modernen Automobilindustrie<br />

der englische Ingenieur<br />

Bramah Joseph Diplock 1893 ein System<br />

mit Allradlenkung und drei Differenzialen<br />

patentierte. Später 1900<br />

wurde in Paris der elektrisch betriebene<br />

Allrad-Wagen von Ferdinand<br />

Porsche der Öffentlichkeit vorgeführt.<br />

Tatsächlich wurde jedes Rad von einem<br />

gesonderten Motor angetrieben.<br />

1903 brachten die Gebrüder Spijker<br />

aus den Niederlanden einen Allradantrieb<br />

mit einem Verbrennungsmotor<br />

in ihrem produzierten Rennwagen<br />

Spyker 60 H. P. in Einklang.<br />

Der Bruch in der Produktion der<br />

Transmission des Allradantriebs geschah<br />

jedoch erst nach <strong>Be</strong>ginn des<br />

Ersten Weltkriegs, als die amerikanische<br />

„Four Wheel Drive Auto Company“<br />

in Wisconsin mehr als 20 000 Lastkraftwagen<br />

Model B für die britischen<br />

und amerikanischen Streitkräfte<br />

produzierte.<br />

Daimler-<strong>Be</strong>nz hat noch vor dem<br />

Ersten Weltkrieg 1907 den Dernburg-Wagen<br />

mit Allradantrieb und<br />

Allradlenkung für die Kolonien in<br />

Afrika hergestellt. 1937 produzierte<br />

Mercedes-<strong>Be</strong>nz im Auftrag der Regierung<br />

den G5 und BMW Modelle<br />

vom Typ 325 4x4 mit permanentem<br />

Allradantrieb, Allradlenkung, drei<br />

Sperrdifferenzialen und einer vollständig<br />

unabhängigen Federung.<br />

99


1938 erschienen auch die russischen<br />

Geländewagen vom Typ GAZ-61.<br />

Der erste wirklich in Masse produzierte<br />

Offroad-Wagen war jedoch<br />

der Jeep CJ-2A, den ab 1945 die<br />

Gesellschaften Willys und Ford<br />

herstellten.<br />

Das britische Konzept des Geländewagens<br />

erschien 1948 mit dem<br />

Land Rover. Dieselbe Gesellschaft<br />

hat in den 70er Jahren auch den<br />

ersten luxuriöseren „echten“ Geländewagen<br />

Range Rover präsentiert,<br />

dessen Nachfolger bis heute<br />

produziert werden.<br />

Der von 1966 bis 1971 produzierte<br />

und in 318 Auflagen verbreitete<br />

Jensen FF war der erste Sportwagen<br />

der GT-Klasse mit Allradantrieb.<br />

Übrigens verteilte Jensen bereits<br />

damals das Drehmoment zwischen<br />

der Vorder- und Hinterachse im<br />

Verhältnis 40 zu 60. So hält es gegenwärtig<br />

auch der Erschaffer des berühmtesten<br />

Quatro-Getriebes –<br />

Audi. 1972 präsentierte Subaru<br />

den massengefertigten Leone mit<br />

zuschaltbarem Allradantrieb, den<br />

man nicht auf trockenem Straßenbelag<br />

verwenden konnte.<br />

Die berühmte Geschichte des Audi<br />

Quattro begann 1980. Der Audi-Ingenieur<br />

Jörg <strong>Be</strong>nsinger hat bei den Wintertests<br />

der Wagen festgestellt, dass der<br />

Volkswagen Iltis der Bundeswehr jedes<br />

beliebige schnelle Modell von Audi bezwingen<br />

kann. Seine weiteren Errungenschaften<br />

führten zu einer Verbesserung<br />

des konservativen Images von<br />

Audi nach großen Erfolgen mit dem<br />

Allradantrieb auf Rallye-Trassen.<br />

Einen hochentwickelten Allradantrieb<br />

kann man heute in vielen Personenkraftwagen,<br />

in einigen exotischen Modellen<br />

und in Superwagen finden.<br />

König Dakar<br />

<strong>Be</strong>sonders wichtig in der Geschichte<br />

der Geländewagen sind Wagenrennen.<br />

Das berühmteste unter ihnen ist<br />

zweifellos die jedes Jahr stattfindende<br />

nach der afrikanischen Stadt Dakar benannte<br />

Rallye. Die seit 1978 traditionell<br />

in Südwest-Europa startende und in Afrika<br />

endende Rallye zieht hunderte von<br />

Teilnehmern und tausende Neugieriger<br />

an und ist ein besonderes Milieu für<br />

Automobilhersteller, um ihre Produkte<br />

zu testen und für die Werbung zu machen.<br />

Nach den terroristischen Übergriffen<br />

des Jahres 2008 wird die Rallye<br />

bereits seit einigen Jahren in Südamerika<br />

ausgetragen, aber die Traditionen<br />

der Geländewagen-Fiesta sind ungebrochen.<br />

Das Rennen ist auch deshalb<br />

interessant, dass es sowohl für Profis,<br />

als auch für Laien offen steht. Der Anteil<br />

der Letzteren am Rennen macht ganze<br />

80 Prozent aus. Dieses Rennen gilt als<br />

eines der schwierigsten und verlangt<br />

den Rennfahrern und der Technik<br />

maximale Ausdauer ab.<br />

Wenn in den Anfangszeiten der Rallye<br />

die Teilnehmer fast mit Standardtechnik<br />

gegeneinander antraten und die<br />

Mannschaften nicht über millionenschwere<br />

Budgets verfügten, dann erblicken<br />

wir heute unter den Siegern<br />

der Rallye oft die Mannschaften von<br />

Herstellern, die mit fortschrittlichster<br />

Technik bewaffnet sind und über millionenschwere<br />

Budgets verfügen. Obwohl<br />

wir auf den malerischsten Fotos<br />

und in Videoreportagen mit riesigen<br />

Sanddünen kämpfende Wagen sehen,<br />

müssen die Rennfahrer auch Streckenabschnitte<br />

mit Schlamm, Wiesen und<br />

Felsen bewältigen, deren Länge pro<br />

Tag zwischen weniger als hundert bis<br />

zu 800–900 Kilometern schwankt.<br />

Obwohl an der Rallye auch Motorräder,<br />

Quads und Trucks teilnehmen,<br />

gilt der Klasse der PKW-Geländewagen,<br />

zu der alles von kleinen SUV-Wagen<br />

bis zu handgefertigten Buggys<br />

zählt, die größte Aufmerksamkeit.<br />

Wie wir erwähnt haben, nutzen viele<br />

der Hersteller die Rallye als ideales<br />

Medium zum Test der maximalen<br />

Möglichkeiten des von ihnen produzierten<br />

Wagens, zur Demonstrierung<br />

der Stabilität der Wagen. Die an der<br />

Rallye teilnehmenden Wagen haben<br />

jedoch wenig mit Serienmodellen<br />

gemeinsam. Meist besteht ihr Zusammenhang<br />

nur im Namen und dem<br />

ähnlichen Aussehen oder in den verbliebenen<br />

Bauteilen.<br />

100


Interessant ist, dass in den Anfangszeiten<br />

der Rallye solche europäischen<br />

Wagen wie Renault 4, Land Rover, Range<br />

Rover, Mercedes-<strong>Be</strong>nz G, Volkswagen<br />

Iltis und Pinzgauer, ebenso der japanische<br />

Toyota Land Cruiser dominierten.<br />

Der erfolgreichste PKW dieser Rallye<br />

ist jedoch der Mitsubishi Pajero/Montero,<br />

der ganze sieben Jahre hintereinander<br />

(2001–2007) bei dem Rennen<br />

dominierte. Mitsubishi hält es nicht<br />

geheim, dass diese Investition in die<br />

Rallye einen sehr guten <strong>Be</strong>itrag zur<br />

Popularisierung des Geländewagens<br />

in den Autohäusern geleistet hat. Andere<br />

Hersteller stürmten die Rallye<br />

mit stark modifizierten Standardwagen<br />

wie Rolls-Royce, Citroën, Peugeot<br />

(405 T16, 205 T16) und Porsche (911, 959).<br />

Obwohl großer Aufwand betrieben<br />

wurde, sind auf den Straßen<br />

bekannte Werkmodelle wie der<br />

Mercedes <strong>Be</strong>nz M, BMW X5, BMW<br />

X3, Hummer H1, Hummer H3 leider<br />

nicht zu Anerkennung gelangt.<br />

Jean-Louis Schlesser seinerseits<br />

stellte eine Serie eigens angefertigter<br />

Rennbuggys her und gewann<br />

mit ihnen einige Rennen. In den<br />

letzten Jahren nach Verlegung der<br />

Rallye nach Südamerika haben die<br />

Mannschaften, die mit dem Volkswagen<br />

Touareg unterwegs waren,<br />

ihren Vorteil demonstriert.<br />

Eindrucksvoll erscheinen bei der<br />

Rallye auch die mit mehr als tausend<br />

Pferdestärken ausgestatteten<br />

Geländetrucks. Vor einigen<br />

Jahrzehnten fuhren die Favoriten<br />

mit Trucks von DAF und Mercedes-<strong>Be</strong>nz,<br />

aber im vergangenen<br />

Jahrzehnt bewies die Mannschaft<br />

von Kamaz aus Russland unglaubliche<br />

Stärke, obwohl ihre Trucks in<br />

Serienfertigung gegenüber den<br />

westlichen Konkurrenten in Sachen<br />

Technologien sich wohl ein<br />

halbes Jahrhundert im Rückstand<br />

befinden.<br />

101


Die Liebe zur Natur<br />

In den vergangenen Jahren wurde<br />

weltweit recht aktiv eine Kampagne<br />

gegen Geländewagen veranstaltet.<br />

Interessierte Personen in hohen Regierungsämtern<br />

haben Vorschläge<br />

zur Einschränkung der <strong>Be</strong>wegung<br />

von Geländewagen, besonders in<br />

Städten, eingereicht und sind sogar<br />

bemüht, diese Kraftfahrzeuge und<br />

deren Halter zu dämonisieren.<br />

Die Liebhaber von Geländewagen<br />

in Europa sollten dafür am meisten<br />

den Amerikanern „dankbar sein“, wo<br />

Geländewagen und große Fahrzeuge<br />

einen Großteil der Gesamtanzahl<br />

darstellen. Aus Unwissenheit oder<br />

anderen Gründen wird versucht, mit<br />

den aus den USA entnommenen Tatsachen<br />

eine verzerrte Wahrheit über<br />

Geländewagen in Europa unter <strong>Be</strong>weis<br />

zu stellen. Einige negative Tatsachen<br />

sollten die Halter von Geländewagen<br />

hinnehmen, aber die meisten<br />

dieser Informationen sind zu sehr<br />

überspitzt, zu emotional und wirklichkeitsfremd<br />

dargestellt.<br />

Zu allererst ist es schwierig, die angebliche<br />

Realität zu bewerten, weil<br />

nicht alle Wagen mit Allradantrieb<br />

groß und unsparsam sind, das Gleiche<br />

gilt auch für viel größere Wagen,<br />

die mehr oder weniger Ähnlichkeit<br />

mit Geländewagen haben und einen<br />

Zweiradantrieb besitzen. Würde also<br />

die Fahrt mit solchen Allradantrieb-<br />

Wagen in der Stadt verboten, würden<br />

fälschlicherweise die Fahrer von<br />

Wagen wie dem Audi Allroad bestraft<br />

und die Halter des riesigen Chevrolet<br />

Tahoe 4x2 hätten eine Rechtfertigung.<br />

Die heutigen Wagen analoger Größe<br />

haben ungeachtet der Anzahl<br />

der Antriebsachsen einen ähnlichen<br />

Kraftstoffverbrauch und stoßen ähnliche<br />

Emissionsmengen aus. Der Toyota<br />

Land Cruiser lässt sich leicht im Vergleich<br />

zum kompakten Volkswagen<br />

Golf dämonisieren. Jedoch würde ein<br />

leistungsstärkerer Mercedes-<strong>Be</strong>nz der<br />

E-Klasse genügen, um diesen Geländewagen<br />

zu rechtfertigen. Man muss<br />

also zugestehen, dass alle Wagen die<br />

Umwelt verschmutzen, sogar diejenigen,<br />

die batteriebetrieben sind,<br />

weil bei ihrer Herstellung noch mehr<br />

Emissionen freigesetzt werden.<br />

Häufig werden hohe Offroad-Geländewagen<br />

als unsicher angesehen,<br />

weil sie bei höherer Geschwindigkeit<br />

auf der Schnellstraße angeblich die<br />

lineare Stabilität verlieren. Aber auch<br />

an dieser Stelle sind die Technologien<br />

sehr weit fortgeschritten, und die<br />

Tests von Sicherheitsorganisationen<br />

(wie Euro NCAP) zeigen, dass Geländewagen<br />

ebenfalls maximale Sicherheitsbewertungen<br />

wie herkömmliche<br />

Hatchbacks erhalten. Es bleibt also<br />

die Anerkennung der alten Wahrheit,<br />

dass nicht die Fahrzeuge Unfälle<br />

verursachen, sondern die Menschen<br />

Fehler begehen.<br />

Die Geländewagen stehen auch wegen<br />

ihrer Größe unter <strong>Be</strong>schuss. Es<br />

wird der Gedanke aufgedrängt, dass<br />

Geländewagen auf den Straßen wie<br />

Nilpferde anmuten. In Wahrheit ist z.<br />

B. der „große“ Geländewagen Land<br />

Rover Discovery kürzer und schmaler<br />

als z. B. eine Limousine der höheren<br />

Mittelklasse wie der Saab 9-5. Ja, er ist<br />

höher, aber es scheint, dass noch niemand<br />

den Luftraum nach oben besteuert<br />

hat und die Höhe dürfte noch<br />

niemandem Sorgen bereiten.<br />

102


Die Grenzen<br />

Zum Abschluss einige interessantere<br />

Tatsachen. Einer der billigsten<br />

oder vielleicht sogar der billigste<br />

4x4-Wagen in Europa ist der Fiat<br />

Panda 4x4 aus Italien, der bis zu<br />

13 000 Euro kostet.<br />

Als schnellste Geländewagen preisen<br />

sich gegenwärtig die mit einem<br />

Motor mit 555 PS Leistung ausgestatteten<br />

„Brüder“ BMW X5 M und<br />

X6 M, die eine Höchstgeschwindigkeit<br />

von 275 km/h erreichen.<br />

Aber die Gesellschaft Brabus, die in<br />

beschränkten Serien Wagen herstellt,<br />

hat Ende des letzten Jahres<br />

auf Grundlage des Mercedes-<strong>Be</strong>nz<br />

GLK SUV einen echten Rennwagen<br />

geschaffen, der eine Geschwindigkeit<br />

von 322 km/h erreichen kann.<br />

Das grundlegende von Brabus perfektionierte<br />

Bauteil ist ein neuer<br />

V12-Motor mit zwei Turboladern,<br />

die es möglich machen, eine Maximalleistung<br />

von 750 PS und ein „saftiges“<br />

Drehmoment von 1350 Nm<br />

zu erzielen.<br />

Der schnellste Standard-Geländewagen,<br />

der auf der berühmten<br />

Rennstrecke von Nürnberg gefahren<br />

ist, ist der Porsche Cayenne<br />

Turbo. Eine Runde der Rennstrecke<br />

bewältigte er in 7 Minuten und 56<br />

Sekunden. Nach Angaben von<br />

Augenzeugen wurden bei dem<br />

Rekordversuch mehrere solcher<br />

Wagen zu Schrott gefahren, also<br />

wurden zur Sicherheit im Fahrzeug<br />

Sicherheitsbögen montiert.<br />

103


Einige Ratschläge<br />

für Anfänger<br />

Wenn wir also Ihr Interesse Geweckt<br />

haben und Sie an einem Wochenende<br />

die Freuden des Offroading<br />

ausprobieren möchten, sollten Sie<br />

über mehrere Dinge nachdenken.<br />

Zu allererst stellt sich die Frage,<br />

wo, in welchen Gegenden Sie die<br />

Fahrt planen? Ist Ihre geplante<br />

Route sumpfig, sandig oder bergig?<br />

Dementsprechend müssen Sie<br />

sich auch vorbereiten: Reifen, Kleidung,<br />

Zusatzausrüstung des Autos<br />

und Hilfsmittel wählen. Sie müssen<br />

unbedingt aufmerksam prüfen, ob<br />

Sie die Batterie Ihres Mobiltelefons<br />

oder eines anderen Kommunikationsgeräts<br />

geladen haben, ob<br />

das Navigationssystem einwandfrei<br />

funktioniert, damit Sie, falls<br />

notwendig, unkompliziert Hilfe<br />

rufen können.<br />

Die Wetterbedingungen müssen unbedingt<br />

berücksichtigt werden. Falls<br />

Sie vorhaben, in der Natur zu übernachten,<br />

werden Sie ein Zelt, einen<br />

Schlafsack und Insektenabwehrmittel<br />

benötigen. Nehmen Sie unbedingt<br />

mehrere Sätze Kleidung und Schuhwerk<br />

mit. Sorgen Sie auch für Lebensmittelvorräte.<br />

Wählen Sie dazu unverderbliche,<br />

konservierte Produkte.<br />

Denken Sie darüber nach, wie Sie warmes<br />

Essen zubereiten werden – über<br />

einem Feuer, oder auf einem Öl- bzw.<br />

Gaskocher. Über dem Feuer Gekochtes<br />

und Gebratenes wird bestimmt<br />

einen bleibenden gastronomischen<br />

Eindruck hinterlassen. Angebracht ist<br />

es, stärkeren Alkohol zur Desinfektion<br />

oder zur „Erwärmung“ nach einem<br />

Bad im Sumpf bei sich zu haben.<br />

Wenn Sie das erste Mal auf Reise gehen,<br />

lautet unser Rat: Suchen Sie sich<br />

einen Freund, der bereits die Fahrt<br />

auf entsprechenden Routen erprobt<br />

hat. Am besten wäre es, sich einer Gesellschaft<br />

anzuschließen, und sei es<br />

als Navigator. So können Sie mit eigenen<br />

Augen die Spezifik des Fahrens<br />

in unwegsamem Gelände zu sehen<br />

bekommen und sicher unkomplizierte<br />

Streckenabschnitte meistern.<br />

Außerdem ist diese Variante weniger<br />

kostenintensiv. Falls Sie keine solchen<br />

Freunde haben, versuchen Sie einen<br />

Geländewagen in Offroad-Clubs zu<br />

mieten und Sie werden gleichzeitig<br />

nützliche Hinweise erhalten. Wenn<br />

Ihnen Offroad gefällt, können Sie sich<br />

auf die Suche nach einem Wagen machen,<br />

der Ihren eigenen Anforderungen<br />

entspricht. Anfängern empfehlen<br />

wir die Wahl eines gebrauchten<br />

sowie wenigstens minimal vorbereiteten<br />

Geländewagens. Später werden<br />

Sie schon beim Fahren selbst feststellen,<br />

welche Zusatzausrüstung Sie benötigen,<br />

was Ihnen am besten gefällt.<br />

104


Geländewagenfahrer-Wörterbuch<br />

ABS: Antiblockiersystem der Bremsen.<br />

Offroad / unwegsames Gelände:<br />

jede Erdoberfläche, ausschließlich<br />

der Straßen guter Qualität.<br />

Kuss: wenn ein Geländewagen ein<br />

Objekt (z. B. einen Stein) sanft berührt,<br />

aber keinen Schaden nimmt.<br />

Schläger: ein Geländewagen mit<br />

nicht ansprechender Optik, der jedoch<br />

Verehrer hat.<br />

Luft ablassen: den Reifendruck<br />

verringern, damit bessere Bodenhaftung<br />

hergestellt wird.<br />

Neigungswinkel: maximaler Rampenwinkel,<br />

den der Wagen bewältigen<br />

kann, ohne den vorderen<br />

Stoßfänger oder den Unterboden<br />

zu berühren.<br />

Wasserleiche: ein tief im Wasser<br />

festsitzender oder überspülter Wagen<br />

oder nur sein Motor.<br />

Muskeln pumpen: Modifizierung<br />

der Standardteile des Wagens, um<br />

ihnen mehr Stabilität zu verleihen.<br />

Schwermetall: für gewöhnlich der<br />

größte vom Hersteller verkaufte<br />

Geländewagen.<br />

Gesperrt: manuell gesperrte Radnaben.<br />

Rüstung: starker Unterbodenoder<br />

Karosserieschutz.<br />

Dreirad: ein Terminus, der die Situation<br />

beschreibt, wenn ein Rad sich<br />

vom Boden abhebt.<br />

Niedrige Gänge: Gänge, die eine<br />

höhere Getriebeübersetzung besitzen<br />

(hohe Gänge – umgekehrt).<br />

Score<br />

Gelder, die minimal notwendig sind, um das<br />

Ziel zu erreichen.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion oder<br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala widerspiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

105


BREATH THERMO<br />

Ihr Aufwärmprogramm für den Winter<br />

Der Sommer neigt sich dem Ende, die Temperaturen beginnen zu sinken und schon stehen Wintersport und Winterurlaub<br />

vor der Tür. Viel Zeit und <strong>Be</strong>wegung im Freien - beim Skifahren, Snowboarden, Langlaufen, Klettern, Wandern, Laufen oder<br />

Golfen - erfordert bei allen Sportarten und Aktivitäten gleichermaßen eine perfekte Ausrüstung, insbesondere bei niedrigen<br />

Temperaturen.<br />

Genau dafür bietet der japanische Sportartikelhersteller MIZUNO die Lösung:<br />

BREATH THERMO – die erste Faser, die sich warm macht!<br />

Breath Thermo ist eine revolutionäre (Sport)Faser, die Körperfeuchtigkeit absorbiert und in Wärme umwandelt. Durch diese<br />

einzigartige Funktion unterscheidet sich Breath Thermo von sonstiger „Funktions-Unterwäsche“.<br />

Wie funktioniert Breath Thermo?<br />

Breath Thermo ermöglicht einen ständigen Zyklus der Wärmeerzeugung, wenn man bei kaltem Wetter aktiv ist. Den<br />

ganzen Tag über verdunstet unser Körper Feuchtigkeit – in so geringen Mengen, dass es von uns nicht wahrgenommen wird.<br />

Diese Körperfeuchtigkeit wird von den Breath Thermo Fasern aufgenommen. Durch eine spezielle Ummantelung wird<br />

verhindert, dass die Breath Thermo Fasern sich ausdehnen – wie gewöhnliche Fasern das tun, wenn sie Feuchtigkeit aufnehmen.<br />

Dadurch entsteht Reibungsenergie im Inneren der Faser, die in Form von Wärme spürbar ist. Man muss also nicht schwitzen,<br />

um den Wärmeprozess zu aktivieren, auch bei allen leichten <strong>Be</strong>wegungsformen kann man von der wärmenden Breath Thermo<br />

Funktion profitieren.<br />

Durch zusätzlich in das Material eingearbeitete DryScience Fasern wird die Körperfeuchtigkeit an die Oberfläche des Stoffes<br />

transportiert, so bleibt der Sportler im Winter warm und trocken.<br />

Der Sportartikelspezialist MIZUNO hat seine jahrzehntelange Erfahrung im Leistungssport und in der <strong>Be</strong>kleidungstechnologie<br />

verwendet, um eine kühne Vision in diese neuartige Technologie zu verwandeln. Mit dem Vorbild der Natur vor Augen, war<br />

es das Ziel der Entwickler, eine Faser zu kreieren, die den Körper aktiv vor dem Auskühlen schützt. Die exklusive Breath Thermo<br />

Unterwäsche liegt angenehm und sanft auf der Haut und spendet die ideale Wärme auf dem Körper. Neben der wichtigsten<br />

Funktion, der Erzeugung von Wärme, bietet Breath Thermo auch andere Vorteile: es kontrolliert den pH-Wert der Kleidung<br />

und sorgt so für ein angenehmes Tragegefühl, außerdem hat es eine antibakterielle Wirkung.<br />

Noch wärmer: die Breath Thermo Linie „Wool“ –<br />

getestet von National Geographic Fotograf Paul Nicklen!<br />

Für den tiefsten Winter gibt es die erweiterte Linie „Wool“, die mit 27% Merinowolle auch extremen <strong>Be</strong>dingungen standhält.<br />

Mizuno hat den bekannten National Geographic Fotograf und Abenteurer Paul Nicklen engagiert, um die Wärme erzeugende<br />

Breath Thermo <strong>Be</strong>kleidung unter extremen <strong>Be</strong>dingungen zu testen. Nicklen arbeitet regelmäßig über Wochen hinweg in<br />

den kältesten und entlegensten Regionen unseres Planeten, von Alaska bis zu den Northwest Territories, und diese extremen<br />

<strong>Be</strong>dingungen erfordern das beste und technisch am höchsten entwickelte Equipment. Hier kommt Mizuno ins Spiel, und<br />

versorgt ihn mit Breath Thermo <strong>Be</strong>kleidung, die ihn warm und trocken hält.<br />

Im Gegenzug ist Paul Nicklen viel mehr als ein einfacher Botschafter der Marke. Er spielt eine zentrale Rolle in <strong>Be</strong>zug auf<br />

Forschung und Entwicklung für die Breath Thermo Technologie und versorgt Mizuno mit wichtigem Feedback bezüglich<br />

Tragekomfort und Funktionalität unter extremen <strong>Be</strong>dingungen. Dadurch wird die Breath Thermo <strong>Be</strong>kleidung ständig<br />

weiterentwickelt und verbessert.<br />

Breath Thermo umfasst eine komplette Kollektion von Funktionsunterwäsche über Laufbekleidung, Handschuhe, Socken<br />

und Accessoires in verschiedenen Farben, für Damen und Herren. Neben der wichtigsten Funktion, der Erzeugung von<br />

Wärme bietet Breath Thermo auch andere Vorteile: es kontrolliert den pH-Wert der Kleidung und sorgt so für ein angenehmes<br />

Tragegefühl, außerdem hat es eine antibakterielle Wirkung.<br />

W H I T E Communications<br />

HOME TO BEAUTIFUL BRANDS<br />

www.mizuno.eu


person<br />

Der Übermensch vom<br />

Eisplaneten<br />

Der Eismensch WIM HOF<br />

Text Gediminas Galkauskas<br />

108


Der Übermensch vom Eisplaneten:<br />

Menschen können mehr als sie denken<br />

Die ewigen Diskussionen, ob es den Schneemenschen<br />

gibt oder nicht, haben ein Ende.<br />

Falls Sie auf der Seite derjenigen standen,<br />

die behauptet haben, dass ein<br />

solches Geschöpf existiert, können<br />

Sie sich die Krone aufsetzen. Es gibt<br />

allerdings eine winzige Ungenauigkeit:<br />

Er ist kein Schnee- sondern ein<br />

Eismensch. Und er wohnt ganz und<br />

gar nicht in China, sondern in den<br />

Niederlanden und hat sogar einen<br />

Pass, in dem Vor- und Familienname<br />

stehen: Wim Hof. Geburtsdatum: 20.<br />

April 1959. Genau dieser Mensch kann<br />

uns allen Hoffnung geben, dass man<br />

den kältesten Winter überleben kann.<br />

Der Eismensch wurde weltweit dadurch<br />

berühmt, dass er besonders<br />

niedrige Temperaturen aushalten<br />

kann. Er hält 15 Guinness-Weltrekorde,<br />

von denen die meisten mit der<br />

Demonstrierung der Möglichkeiten<br />

des Menschen bei extremer Kälte zusammenhängen.<br />

Wie im Spott über die im Überfluss lebende<br />

und verwöhnte Welt schlüpft<br />

Wim Hof selbst bei eisiger Kälte in seine<br />

Shorts, die bereits zum Warenzeichen<br />

geworden sind, und taucht in<br />

eisiges Wasser, läuft Marathon-Distanzen<br />

hinter dem Polarkreis oder sitzt<br />

länger als eine Stunde in einem Reservoir<br />

voller Eiswürfel. Nach all dem<br />

ist seine Körperfarbe immer noch<br />

rosig, und nach kritischen Versuchen<br />

raucht er manchmal glückselig eine<br />

Zigarette.<br />

Unglaubliche<br />

Entdeckungen<br />

Seine <strong>Be</strong>rufung zum König von<br />

Schnee und Kälte zu werden hat<br />

der in Sittard (Holland) geborene<br />

Wim Hof ganz zufällig entdeckt,<br />

als er im Winter im Park spazieren<br />

ging. Ihn faszinierte ein mit einer<br />

dünnen Eisschicht bedecktes Gewässer.<br />

Nachdem er eine Zeitlang<br />

überlegt hatte, ob es anständig<br />

wäre, sich in der Öffentlichkeit auszuziehen,<br />

und ob man ihn nicht als<br />

gewöhnlichen Verrückten in die<br />

Psychiatrie verfrachten würde, ist<br />

der zukünftige Eismensch in das<br />

kalte Wasser abgetaucht und erfuhr<br />

eine Erleuchtung sowie das<br />

Gefühl einer ungeahnten Kraft.<br />

Seit dieser Zeit wiederholt er täglich<br />

das Ritual des Eintauchens in<br />

eisiges Wasser, welches das Blut in<br />

den Adern gefrieren lässt. Durch<br />

die allmähliche Verlängerung seines<br />

Aufenthalts im kalten Wasser<br />

und durch verschiedene Atemübungen<br />

überschritt der Holländer<br />

die Grenze, die für einen normalen<br />

Menschen mit einer Reise<br />

ins Jenseits endet.<br />

Die Körpertemperatur eines gewöhnlichen<br />

Menschen, der in Eiswasser<br />

gerät, fällt in wenigen Minuten<br />

bis auf die kritische Grenze von<br />

33 °C. Dann fangen die Körperflüssigkeiten<br />

an zu erstarren und um<br />

lebenswichtige Organe zu retten,<br />

beginnt der Körper Blut für sie aufzusparen,<br />

indem er es nicht zu den<br />

Extremitäten leitet. Diese erfrieren<br />

dann. Auch das Herz- und Gefäßsystem<br />

nehmen Schaden, und im kritischen<br />

Fall kann ein schwaches Blutgefäß<br />

einfach platzen. Geschieht<br />

dies im Kopf, dann ist der Tod garantiert.<br />

Ein normaler Mensch erleidet<br />

beim Abtauchen in Eiswasser einen<br />

starken Schmerz, sein Blutkreislauf<br />

wird gestört, Hysterie tritt auf.<br />

109


110<br />

person


Der Übermensch<br />

Wenn man die Tätigkeit von Wim<br />

Hof betrachtet, erscheint er wie ein<br />

echter Außerirdischer, der vom mit<br />

ewigem Eis überzogenen Zwergplaneten<br />

Pluto auf die Erde gekommen<br />

ist. <strong>Be</strong>vor er seine Identität der<br />

breiten Masse, der NASA und den<br />

MIB bekannt gab, hat er als Briefträger<br />

gearbeitet. Die Menschen<br />

waren sicher zufrieden, weil sie ihre<br />

Briefe selbst bei der eisigsten Kälte<br />

erhielten.<br />

Während dieser Zeit hat er auch<br />

seine Fähigkeit zum Überleben bei<br />

extremer Kälte trainiert und nach<br />

20 Jahren Vorbereitung wagte er<br />

es, sich der Welt zu zeigen, als er<br />

1999 den Entschluss fasste, eine<br />

halbe Marathon-Distanz zu laufen<br />

... hinter dem Polarkreis, bei eisiger<br />

Kälte. <strong>Be</strong>reits damals trug er nur<br />

Shorts und lief barfuß.<br />

Später hat er mehrmals seine halben<br />

Marathon-Läufe hinter dem<br />

Polarkreis wiederholt, aber er hat<br />

auch eine volle Marathon-Distanz<br />

am gleichen Ort bewältigt. Schließlich<br />

fügte er seiner besonders reichhaltigen<br />

<strong>Be</strong>kleidung, die aus Shorts<br />

und nur Shorts bestand, auch Sandalen<br />

hinzu, die für eine bessere Bodenhaftung<br />

auf rutschigem Schnee<br />

und Eis unerlässlich sind. Dies wird<br />

zur Energieeinsparung gemacht,<br />

weshalb Wim Hof auch immer nur<br />

auf hartem Schnee läuft. Unter solchen<br />

<strong>Be</strong>dingungen und bei fast<br />

–20°C bewältigte der Eismensch die<br />

Marathon-Distanz in 5 Stunden 25<br />

Minuten. Den Weltrekord für den<br />

herkömmlichen Marathon hält gegenwärtig<br />

der Äthiopier Haile Gebrselassie<br />

und er liegt bei 2 Std. 3 min<br />

59 s. Am interessantesten ist, dass<br />

die weltbesten Athleten sich lange<br />

auf die anstrengende Distanz von<br />

42,195 km vorbereiten und vor den<br />

entscheidenden Starts ein mehrere<br />

Monate andauerndes spezielles<br />

Trainingsprogramm absolvieren.<br />

Der Eismensch hingegen behauptet,<br />

dass er niemals ein Läufer gewesen<br />

sei und seine Fähigkeit zur <strong>Be</strong>wältigung<br />

langer Distanzen nicht trainiert<br />

hätte. Seine einzige Vorbereitung vor<br />

dem Extremmarathon in der Kälte ist<br />

die Einhaltung des Tagesablaufs, d. h.<br />

das tägliche Abtauchen in Eiswasser.<br />

Und am letzten Tag vor dem Lauf<br />

schwimmt er einfach eine halbe Stunde<br />

im Eiswasser, damit sein Körper<br />

sich an die herannahenden maximalen<br />

Herausforderungen gewöhnt.<br />

Der Rekord des Afrikaners wird mit<br />

Sicherheit verbessert werden, und es<br />

scheint, dass Wim Hof der Einzige ist,<br />

der neue Rekorde aufstellen und sie<br />

später selbst übertrumpfen kann. Es<br />

könnte als sehr billiger Trick anmuten,<br />

aber er hält eine Reihe besonders<br />

solider Rekorde, beispielsweise<br />

für den längsten Aufenthalt in einem<br />

mit Eiswürfeln gefüllten Reservoir.<br />

Gegenwärtig liegt sein Rekord, den<br />

er dieses Jahr in Tokio aufgestellt hat,<br />

bei 1 Std. 44 min. Er ist 57,5 m unter<br />

dem Eis der Arktis geschwommen,<br />

wobei er keinen Schutzanzug getragen<br />

hat, mit Ausnahme seiner traditionellen<br />

Shorts und einer Schutzbrille.<br />

Um zu zeigen, dass seine Fähigkeiten,<br />

den Körper zum Überleben bei Extrembedingungen<br />

zu zwingen, weiter<br />

reichen als nur heitere <strong>Be</strong>schäftigung<br />

in der Kälte, hat Wim Hof 4 min 30 s<br />

nach völligem Ausatmen, d. h. ohne<br />

Sauerstoff ausgehalten.<br />

111


person<br />

Am meisten wurde der Eismensch<br />

jedoch berühmt, als er versuchte,<br />

den Everest fast nackt zu besteigen.<br />

Den Gipfel hat er auf Grund<br />

einer wiederkehrenden <strong>Be</strong>inverletzung<br />

nicht erreichen können, aber<br />

nur in Shorts und Sandalen hat er<br />

es trotzdem bis auf eine Höhe von<br />

7,4 km geschafft. Nach der Marke<br />

von 6,7 km hat er seine Sandalen<br />

allerdings in spezielle <strong>Be</strong>rgsteigerschuhe<br />

eingetauscht, weil sich an<br />

seinem geliebten Schuhwerk keine<br />

Steigeisen befestigen ließen. Dass<br />

ein solches Unterfangen ein außergewöhnliches<br />

Ereignis ist, bestätigte<br />

auch Doktor Kenneth Kamler,<br />

der im <strong>Be</strong>reich Extremmedizin<br />

tätig ist. Er sagt, dass die meisten<br />

Menschen gerade wegen der unerträglichen<br />

Kälte und des Windes<br />

nicht in der Lage sind, den Everest<br />

zu besteigen.<br />

Obwohl es Wim Hof noch nicht<br />

gelungen ist, den höchsten <strong>Be</strong>rg<br />

der Welt zu erklimmen, so lag ihm<br />

jedoch bereits der höchste Gipfel<br />

Afrikas – der Kilimandscharo, zu<br />

Füßen. Für den Aufstieg benötigte<br />

der Holländer 2 Tage, ebenso viel<br />

für den Abstieg. Seiner Willensanstrengung<br />

hielt auch der höchste<br />

<strong>Be</strong>rg Europas – der Mont Blanc,<br />

nicht stand.<br />

Keine Spezialtricks<br />

– nur der Ruf<br />

der Natur<br />

Viele Menschen, die zum ersten Mal<br />

von Wim Hof hören, prusten vor Lachen<br />

und sagen, das wäre ja nichts<br />

<strong>Be</strong>sonderes. Der berühmte Magier<br />

David Blaine aus den USA stand<br />

schließlich ganze drei Tage auf einem<br />

Eisblock. Wim Hof selbst hat seine eigene<br />

Meinung dazu: „Blaine stand<br />

15–20 cm vom Eis entfernt und hatte<br />

keinen direkten Kontakt damit, deshalb<br />

imponiert mir seine Leistung<br />

überhaupt nicht. Ich habe großen<br />

Respekt vor ihm, weil er drei Tage<br />

lang auf den <strong>Be</strong>inen stehen konnte,<br />

aber nicht wegen seiner Fähigkeit, eisige<br />

Kälte zu ertragen.“<br />

Der Eismensch sagt, dass die Kälte<br />

nicht unser Feind ist. Im Gegenteil –<br />

sie ist unser bester Freund. Genau bei<br />

der Konfrontation mit der Kälte lernt<br />

man Körper und Geist zu kontrollieren.<br />

Würde er das den Nachkommen<br />

von Robert Scott, der auf einer Reise<br />

zum Südpol ums Leben gekommen<br />

ist, erzählen. Trotzdem hat Wim Hof<br />

keine Zweifel, dass die Fähigkeit zum<br />

Ertragen großer Kälter allen Menschen<br />

angeboren ist und tippt mit<br />

dem Finger auf die Ureinwohner Australiens<br />

(Aborigines), die nackt schlafen,<br />

obwohl es nachts besonders kalt<br />

ist, oder auf die Inuit von Grönland,<br />

die stets mit den Möglichkeiten des<br />

Menschen zum Ertragen von Kälte<br />

experimentieren. Wenn man diese<br />

Fähigkeit aber nicht nutzt, dann verkümmert<br />

sie ganz natürlich. Ein Kollege<br />

von Wim Hof, der Psychologe Dr.<br />

George Havenith behauptet, dass der<br />

Mensch solche Eiseskälte nur durch<br />

ständige <strong>Be</strong>währung des Körpers<br />

unter Extrembedingungen und die<br />

Fähigkeit, die angemessene Reaktion<br />

des Körpers auf außergewöhnliche<br />

<strong>Be</strong>währungen hervorzurufen, ertragen<br />

kann.<br />

Um zu beweisen, dass er kein außergewöhnlicher<br />

Mensch ist, der furchtbare<br />

Kälte ertragen kann, sondern<br />

ganz einfach ein Experte für den geistesgesteuerten<br />

Körper, beabsichtigt<br />

der Eismensch In diesem Jahr eine<br />

Distanz von 50 km in der Sahara zu<br />

laufen, ohne dabei Flüssigkeiten zu<br />

sich zu nehmen. Er stellt bereits jetzt<br />

unter <strong>Be</strong>weis, dass die Fähigkeit zum<br />

Ertragen extremer Hitze ebenfalls<br />

angeboren ist und nennt ein <strong>Be</strong>ispiel<br />

aus seiner Arbeit als <strong>Be</strong>rgführer: Unter<br />

der brennenden Sonne Spaniens<br />

bei +40 °C trinkt er den ganzen<br />

Tag über kein Wasser. Wie ein Kamel.<br />

Erst nach seiner Rückkehr an den<br />

Urlaubsort trinkt er nachts literweise<br />

Wasser. Auch genau wie ein Kamel.<br />

Wim Hof sagt, das sei der <strong>Be</strong>weis dafür,<br />

dass die Natur den Lebewesen<br />

diese Fähigkeiten verliehen hat, man<br />

muss sie nur von Neuem entdecken<br />

und ständig perfektionieren. Wir sind<br />

sehr erfreut, dass der Holländer kein<br />

<strong>Be</strong>ispiel mit Regenwürmern genannt<br />

hat, weil sich sonst unverhofft herausstellen<br />

würde, dass die Fähigkeit des<br />

Menschen zur Fortpflanzung mit sich<br />

selbst ebenfalls angeboren ist.<br />

112


Wim Hof argumentiert, dass der<br />

Mensch sich ständig weiterentwickelt<br />

und schließlich durch den Versuch,<br />

sich an Extrembedingungen<br />

anzupassen, am Ende zum Überschreiten<br />

unvorstellbarer Grenzen<br />

in der Lage ist: „Edmund Hillary hat<br />

den Everest in Kleidung und mit einer<br />

Sauerstoffmaske bestiegen. Das<br />

war der Anfang. Reinhold Messner<br />

schaffte es später ohne Sauerstoffmaske,<br />

und jetzt versucht jemand<br />

das Gleiche nur mit Shorts bekleidet.<br />

Eine größere Herausforderung<br />

kann man sich nicht vorstellen.“<br />

Um zu beweisen, dass der Körper<br />

natürlicherweise auf das Überleben<br />

bei Extrembedingungen angepasst<br />

ist, hat Wim Hof beim <strong>Be</strong>antworten<br />

der Frage, wie seine Extremitäten<br />

auf die tödliche Kälte reagiert haben,<br />

das folgende <strong>Be</strong>ispiel angeführt:<br />

„Die natürliche Schutzfunktion<br />

des Penis äußert sich darin, dass<br />

er zusammenschrumpft. Er zieht<br />

sich fast schon ins Innere zurück. Er<br />

ist wie der ausziehbare Griff einer<br />

Angel.“ Hm...<br />

113


person<br />

Die Fähigkeit, mit<br />

dem Geist den Körper<br />

zu kontrollieren<br />

Der Freund aller Eisbären sagt, dass<br />

die Fähigkeit zum Überleben unter<br />

Extrembedingungen nur dank der<br />

Kontrolle durch den Geist möglich<br />

ist. Wim Hof ist in der Lage, die innere<br />

Energie dorthin umzuleiten, wo<br />

es am notwendigsten ist. Der Körper<br />

ist aber ein Körper und der unsrige<br />

ist meist schwach, besonders, wenn<br />

wir die Komfortzone verlassen.<br />

Der Eismensch ist deshalb überzeugt,<br />

dass man keine extremen <strong>Be</strong>währungsproben<br />

überleben kann, wenn<br />

man versuchen will, den Schmerz zu<br />

ignorieren, und nicht ihn zu überschreiten.<br />

Der Holländer sagt, dass es<br />

stärkere Kräfte gibt und diese helfen<br />

können, alles zu ertragen. Laut ihm<br />

ist der Schmerz ein Signal, dass etwas<br />

nicht in Ordnung ist. Wenn man<br />

jedoch in der Lage ist, auf tiefere Stufen<br />

der Persönlichkeit abzutauchen,<br />

dann wird dieser Schmerz einfach<br />

überschritten.<br />

Um zu erreichen, dass sein Körper<br />

unter Extrembedingungen überlebt,<br />

muss Wim Hof mit Hilfe seines<br />

Geistes die inneren Energieströme<br />

effizient steuern und in der Lage<br />

sein, Körperwärme von innen heraus<br />

zu erzeugen. Das gleiche Prinzip ist<br />

schon lange bekannt und wird Tummo<br />

genannt, eine Meditation, die von<br />

tibetischen Mönchen in den <strong>Be</strong>rgen<br />

praktiziert wird. Die <strong>Be</strong>schreibung des<br />

am weitesten verbreiteten Tummo-<br />

Rituals lautet ungefähr so: Die tibetischen<br />

Mönche sitzen nackt auf einem<br />

Eisblock, um sie herum liegen feuchte<br />

Laken. Wenn die Mönche meditieren,<br />

trocknet selbst bei Minusgraden die<br />

Kleidung und der Eisblock schmilzt.<br />

Der Eismensch selbst behauptet, dass<br />

er diese Technik selbst verinnerlicht<br />

hat und die Praxis der tibetischen<br />

Mönche niemals ernsthaft studiert<br />

hat. Ob es die Wahrheit ist oder nicht,<br />

Wim Hof ist der einzige Mensch auf<br />

der Welt, der nicht aus Tibet stammt<br />

und diese Technik beherrscht. Tibet<br />

am nächsten war er nur bei seiner<br />

<strong>Be</strong>steigung des Everests. Aber schon<br />

beim ersten Eintauchen in das eisige<br />

Wasser in seiner Jugendzeit hat er<br />

verstanden, dass er mit Hilfe seines<br />

Gehirns und der Konzentration das<br />

sogenannte innere Feuer aufrechterhalten<br />

kann, das die <strong>Be</strong>wältigung<br />

von extremen <strong>Be</strong>währungen möglich<br />

macht. Später hat er diese Fähigkeiten<br />

selbst perfektioniert.<br />

Dass er tatsächlich die Energie dorthin<br />

umleiten kann, wo der Körper<br />

sie benötigt, hat Wim Hof schon bei<br />

seinem Marathonlauf hinter dem Polarkreis<br />

bewiesen. Er begann die Strecke<br />

mit einem schmerzenden <strong>Be</strong>in,<br />

was ihn aber nicht gestört hat. Nach<br />

drei Stunden Laufen war er erschöpft,<br />

hatte aber noch nicht die Grenze erreicht,<br />

die jedem Marathonläufer unter<br />

der <strong>Be</strong>zeichnung „hit the wall“ bekannt<br />

ist. Obwohl er eingestand, dass<br />

etwas mehr als 4 km vor der Ziellinie<br />

seine <strong>Be</strong>ine sehr schwer waren und<br />

dass ihm etwas kalt war, war er in der<br />

Lage, die Energieströme an die kritischen<br />

Stellen umzuleiten und nachdem<br />

er einen heißen Tee getrunken<br />

hatte, konnte er in <strong>Be</strong>gleitung seines<br />

sechsjährigen Sohnes Noah das Ziel<br />

erreichen. Und... als echter <strong>Be</strong>fürworter<br />

der gesunden Lebensweise zündete<br />

er sich eine Zigarette an.<br />

114


Für das Wohl der<br />

Wissenschaft<br />

Mit dem Wunsch, dass die Menschen<br />

in sich selbst die angeborene<br />

Fähigkeit zur <strong>Be</strong>wältigung<br />

extremer <strong>Be</strong>währungsproben entdecken<br />

mögen, begibt sich Wim<br />

Hof gern in die Hände von Wissenschaftlern.<br />

Er möchte damit<br />

beweisen, dass er tatsächlich kein<br />

Übermensch ist. Die Forscher haben<br />

festgestellt, dass der Körper<br />

des Eismenschen keine Anomalien<br />

aufweist, weshalb seine Fähigkeit<br />

zum Ertragen eisiger Kälte viel tiefer<br />

liegt.<br />

Ärzte haben die Gehirnfunktionen<br />

von Wim Hof bei einem seiner Tauchgänge<br />

ins Eis untersucht. In diesem<br />

Zeitraum wechselt die Gehirntätigkeit<br />

des Holländers vom parietalen<br />

<strong>Be</strong>reich, der für die natürlichen<br />

Überlebensmechanismen zuständig<br />

ist, auf den frontalen <strong>Be</strong>reich.<br />

Mit anderen Worten, der Eismensch<br />

versucht, bewusst die natürliche<br />

Reaktion des Körpers auf Extremerfahrungen<br />

zu umgehen und mit<br />

dem Nervensystem die Immunität<br />

zu kontrollieren, was für gewöhnlich<br />

unbewusst stattfindet. <strong>Be</strong>i den Untersuchungen<br />

wurde festgestellt, dass<br />

der Eismensch in der Lage ist, bewusst<br />

Blut umzuleiten oder Blutgefäße zu verengen<br />

bzw. zu erweitern. Obwohl die<br />

Temperatur seiner Haut bis auf 30 °C<br />

sank, hielt sich die innere Temperatur<br />

bei 37 °C. Wie ein inneres Feuer.<br />

Selbst bei einem Aufenthalt im Wasser<br />

von mehr als einer Stunde beträgt die<br />

Körpertemperatur des Holländers immer<br />

noch 35 °C. Sein Herzrhythmus<br />

stieg währenddessen von 70 auf 140<br />

Schläge pro Minute an. Wim Hof und<br />

sein Team erklären dies damit, dass<br />

somit mit Hilfe des Geistes die Körpertemperatur<br />

erhöht wird. Ein erhöhter<br />

Herzrhythmus ist notwendig, um Sauerstoff<br />

an konkrete Stellen im Körper<br />

zu transportieren.<br />

Um zu beweisen, dass der Körper zu<br />

allem fähig ist – nicht nur zum Erzeugen<br />

des inneren Feuers, bereitet<br />

sich Wim Hof gemeinsam mit Wissenschaftlern<br />

auf ein Experiment vor, bei<br />

dem ihm eine Bakteriendosis verabreicht<br />

werden wird, und sein Immunsystem<br />

wird diese Bakterien bekämpfen.<br />

Wim Hof hat keine Zweifel, dass<br />

ihm dies bewusst gelingen wird. Und<br />

wenn er es kann, bedeutet das, dass<br />

jeder es kann. Falls ihm das Humane<br />

Immundefizienz-Virus injiziert wird<br />

und der Eismensch in der Lage sein<br />

wird, es loszuwerden, werden alle Laboratorien,<br />

die schon mehrere Jahrzehnte<br />

keine Medikamente gegen<br />

AIDS erfinden können, weltweit in<br />

Konkurs gehen.<br />

115


person<br />

Erfolgslehrer<br />

Da Wim Hof sagt, dass jeder Mensch<br />

das kann, was er fertigbringt, veranstaltet<br />

er Trainingskurse und versucht<br />

die Menschen zu inspirieren, in seine<br />

Fußstapfen zu treten. So sehr wir die<br />

aktive Freizeit auch lieben, ziehen wir<br />

es vor, lieber warm mit einer Decke bei<br />

einem Glas Glühwein zusammenzusitzen,<br />

während andere trainieren, um<br />

Kopien des Eismenschen zu werden.<br />

Dieses Ziel kann man ganz unkompliziert<br />

erreichen und beginnen sollte<br />

man bei Atemübungen: Sie müssen<br />

tief atmen, bis es scheint, dass Sie fühlen,<br />

wie sie im Innern wie ein Ballon<br />

platzen. Dann müssen Sie tief einatmen<br />

und den Atem anhalten. Wenn<br />

Sie das getan haben, fangen Sie an<br />

Liegestützen zu machen. Wenn man<br />

gut trainiert, kann man auf diese Weise<br />

mehr als 100 Liegestützen machen.<br />

Wim Hof vergleicht das Abtauchen<br />

ins Wasser mit dem Gefühl, wenn man<br />

zum ersten Mal auf einen Sprungturm<br />

in 10 m Höhe hinaufgestiegen<br />

ist und nach unten schaut. Dieses Gefühl<br />

mischt sich mit Liegestützen bei<br />

angehaltenem Atem. Wenn Sie alles<br />

zusammenrechnen, dann können<br />

Sie sich ungefähr vorstellen, welchen<br />

emotionalen Schock der Körper beim<br />

Eintauchen in Eiswasser erfährt. Nach<br />

den Trainingskursen des Eismenschen<br />

hat es Menschen gegeben, die bereits<br />

länger als eine halbe Stunde in eisigem<br />

Wasser aushalten konnten. Wim<br />

Hof erklärt dies wie ein typischer und<br />

banaler Erfolgslehrer: Vorbereitung<br />

ist wichtig, aber noch wichtiger ist der<br />

Glaube, dass du es schaffen kannst.<br />

Für eine bessere Welt<br />

Wim Hof hat den gemeinnützigen<br />

Fonds „Happy People of the World“<br />

gegründet, dessen Hauptziel darin<br />

besteht, die Welt besser zu machen.<br />

Ziel des Fonds ist es, Einkommen zu<br />

erzielen oder über Sport-, Umweltschutz-<br />

und Kunstveranstaltungen<br />

und durch den Verkauf der Produkte<br />

von „Happy People“ Aufmerksamkeit<br />

auf verschiedene gemeinnützige<br />

Organisationen zu lenken. Um auf<br />

die Probleme des Umweltschutzes<br />

aufmerksam zu machen, befährt der<br />

Fonds die Weltmeere stets mit einem<br />

Schiff, das nur durch Sonnenenergie<br />

angetrieben wird. Oder sie stellen die<br />

Skulpturen an den berühmtesten Orten<br />

der Welt auf.<br />

Gegenwärtig fördert Wim Hof das<br />

Projekt des Fotokünstlers Henny Boogert,<br />

mit dem gezeigt werden soll,<br />

wie unterschiedlich Studenten in verschiedenen<br />

Ländern untergebracht<br />

werden, konkret am <strong>Be</strong>ispiel von Kenia,<br />

Russland und den Niederlanden.<br />

Die Welt wird tatsächlich besser werden.<br />

Insbesondere dann, wenn sie<br />

ganz von Eis umschlossen ist.<br />

Nachrichten<br />

Am 7. April 2011 fand der kälteste<br />

Wettbewerb auf Erden statt – der<br />

Nordpolmarathon. Die Teilnehmer<br />

liefen, im Unterschied zu<br />

Wim Hof, in warmer <strong>Be</strong>kleidung<br />

und sogar mit Gesichtsschutz. An<br />

diesem Marathon konnte jeder<br />

teilnehmen, der die Teilnahmegebühr<br />

von 11 900 EUR aufbringen<br />

konnte. Für diese Gebühr wurden<br />

die Teilnehmer in Spitzbergen in<br />

Norwegen untergebracht, später<br />

zum Nordpol geflogen und nach<br />

dem Marathon zurückbefördert.<br />

Für diese bescheidene Teilnahmegebühr<br />

erhalten Sie Fotos und<br />

Videos von sich beim Laufen, T-<br />

Shirts, Souvenirs und andere völlig<br />

unnütze Dinge.<br />

Der kälteste von Menschen bewohnte<br />

Ort auf der Welt heißt<br />

Oimjakon – ein Dorf in der russischen<br />

Region Jakutien. Die<br />

Durchschnittstemperatur im Winter<br />

beträgt hier –45 °C. Der Ort<br />

hält auch den weltweiten Kälterekord<br />

von –71,2 °C. Die Schulen<br />

in Oimjakon werden wegen Kälte<br />

erst dann geschlossen, wenn<br />

die Temperatur bis auf –52 °C<br />

sinkt. An diesem Ort leben über<br />

200 000 Menschen. Vielleicht<br />

sind sie noch härter als Wim Hof.<br />

116


117


person<br />

Wenn Sie das Motorradfahren<br />

mögen, sollten Sie, um Ihre Hände<br />

bei kaltem Wetter zu schützen,<br />

Handschuhe von „SealSkinz“<br />

wählen, die speziell für sehr kaltes<br />

Wetter ausgelegt sind. Diese<br />

Handschuhe verfügen über drei<br />

Schichten und die Mittelschicht<br />

ist wasserfest. Die untere Schicht<br />

wurde so entworfen, dass sie<br />

ständig die Feuchtigkeit von der<br />

Haut aufnimmt, und die äußere<br />

Schicht ist sehr elastisch und<br />

sorgt für den bestmöglichen Sitz<br />

auf der Hand. Solche Handschuhe<br />

kosten ungefähr 70 USD.<br />

Um Spaß bei kaltem Wetter zu<br />

haben, müssen Sie sich auch um<br />

ein geeignetes Zelt kümmern.<br />

Für sehr kaltes Wetter geeignete<br />

Zelte sind oft teuer, aber wenn<br />

Sie an dieser Stelle sparen, können<br />

Sie eventuell den Morgen<br />

nicht mehr erleben. Wir empfehlen<br />

das „North Face VE 25“ oder<br />

das von „Exped“ hergestellte<br />

„Pegasus“. Der Preis für das erste<br />

Zelt liegt bei 600 USD, der Preis für<br />

das zweite beginnt bei 800 USD.<br />

Es gibt nichts Schlimmeres, als<br />

sich den Kopf samt Gehirn abzufrieren.<br />

Wenn Sie bei Kälte Spaß<br />

haben möchten, raten wir zum<br />

Kauf von „Arctic Hat 6 in 1“. Wie<br />

der Name sagt, kann man diese<br />

Mütze auf sechs Arten einsetzen:<br />

als Haube mit Schal, als Haube mit<br />

Gesichtsschutz, als Halsschutz,<br />

nur als Gesichtsschutz (auf dem<br />

Kopf können Sie tragen, was Ihnen<br />

beliebt), als einfache Mütze<br />

oder als <strong>Be</strong>utel. Dieses Chamäleon<br />

kostet Sie ungefähr 25 USD.<br />

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