Darum setzt die Arbeit der Anti-Gewalt-Trainer im Vorfeld ... - KOMMA
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„Wir haben etwas gegen <strong>Gewalt</strong>...“<br />
bfw-kiel<br />
Christian Scholz<br />
Sophienblatt 88-90<br />
24114 Kiel<br />
Tel.:0431/20056-99<br />
scholz.christian@bfw-sh.de<br />
<strong>Darum</strong> <strong>setzt</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>der</strong> <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-<strong>Trainer</strong> <strong>im</strong> <strong>Vorfeld</strong> an<br />
Immer häufiger werden Jugendliche und junge Erwachsene gewalttätig. Erfurt, Hildeshe<strong>im</strong> und das oberbayrische<br />
Walpertskirchen sind Orte, an denen jugendliche <strong>Gewalt</strong>exzesse für Schlagzeilen sorgten. Exzesse, <strong>die</strong><br />
beängstigend in ihrer Brutalität und furchtbar in Folgen für <strong>die</strong> Opfer waren. Was <strong>die</strong> Öffentlichkeit nachhaltig<br />
verstörte, war <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Orte <strong>der</strong> Taten Schulen und <strong>die</strong> Täter Schüler waren. So reagierten viele -<br />
unter ihnen auch viele Verantwortliche - nicht nur betroffen, son<strong>der</strong>n auch mit Verunsicherung und Hilflosigkeit.<br />
Neben <strong>der</strong> Ursachenforschung wurden <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Fragen laut wie: “Wie können wir so etwas künftig<br />
verhin<strong>der</strong>n?“ O<strong>der</strong>: „Wie geht man angemessen mit <strong>Gewalt</strong>situationen um?“ Als Antwort auf <strong>die</strong>se Fragen <strong>setzt</strong><br />
ein Team auf ein erfolgreiches präventives Konzept: „Das <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-Training“. Die Diplom-Psychologin<br />
Kathrin Behrens und <strong>der</strong> Diplom-Pädagoge Christian Scholz des bfw setzen das Training seit 10 Jahren mit<br />
verschiedenen Zielgruppen um. Sie konfrontieren jugendliche Straftäter mit den Folgen ihrer Taten; sie lehren<br />
u.a. in Kin<strong>der</strong>gärten und Schulen Perspektiven <strong>im</strong> Umgang mit <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> und <strong>der</strong>en Zurückweisung und bilden<br />
vermehrt <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-<strong>Trainer</strong>/innen aus. Die Zielsetzung lautet <strong>im</strong>mer: „Es soll keine weiteren Opfer geben!“<br />
Immer wie<strong>der</strong> aktuelle Anlässe...<br />
Das ganze System an den Tisch<br />
In <strong>im</strong>mer mehr Institutionen - von <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagesstätte<br />
über Schulen bis zu sozialen Einrichtungen<br />
und Behörden – müssen sich <strong>die</strong> Verantwortlichen<br />
mit steigen<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>bereitschaft ihrer Klientel,<br />
jugendlichen und jungen Erwachsenen auseinan<strong>der</strong>setzen.<br />
Dabei treten zunehmend auch Mädchen<br />
als <strong>Gewalt</strong>täterinnen in Erscheinung. Hier<br />
<strong>setzt</strong> das <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-Training (AGT) mit einer<br />
angemessenen Gegenstrategie an. „Viele Verantwortliche,<br />
ob Lehrer o<strong>der</strong> Sozialarbeiter, haben<br />
kaum praktische Erfahrungen <strong>im</strong> Umgang mit <strong>Gewalt</strong>.<br />
Daher hoffen einige, mit Videoüberwachungen<br />
von Schulhöfen das Problem lösen zu können.<br />
Aber reine Beobachtung kann keine <strong>Gewalt</strong> verhin<strong>der</strong>n,<br />
deshalb <strong>setzt</strong> unser Training <strong>im</strong> <strong>Vorfeld</strong> an<br />
und wir zeigen Verhaltensweisen auf, mit denen<br />
<strong>Gewalt</strong> verhin<strong>der</strong>t werden kann“, beschreibt Christian<br />
Scholz, einer <strong>der</strong> <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-<strong>Trainer</strong> <strong>die</strong> präventiven<br />
Grundsätze des AGT. Seine Kollegin<br />
Kathrin Behrens ergänzt: „Dabei wenden wir uns<br />
an alle Beteiligten in den jeweiligen Einrichtungen,<br />
<strong>die</strong> von <strong>der</strong> möglichen <strong>Gewalt</strong> betroffen sein könnten.<br />
Dies sind in Schulen z.B. neben den Schülern,<br />
Lehrern auch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sekretärinnen und Hausmeister<br />
und vor allem auch <strong>die</strong> Eltern <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Man<br />
muss das ganze System an einen Tisch bringen,<br />
wenn man <strong>Gewalt</strong> verhin<strong>der</strong>n will.“<br />
„Coolness trainieren“<br />
Die präventiven Angebote des bfw umfassen<br />
Workshops und Impulsseminare zur Thema <strong>Gewalt</strong>,<br />
dabei beinhaltet das Programm neben theoretischen<br />
Grundlagen auch praktische Übungen. „Die<br />
Stärkung des Selbstwertgefühls <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendlichen und <strong>die</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Werte Toleranz<br />
und Solidarität sind zum einen entscheiden,<br />
aber bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen geht es uns vor<br />
allem um das Einüben von „Coolness“, damit Konflikte<br />
besser lösbar werden,“ beschreibt Christian<br />
Scholz den „Lehrplan“. „Ein weiterer Schwerpunkt<br />
ist <strong>die</strong> Elternarbeit und insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Kommunikation zwischen Eltern und<br />
Lehrern o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Erziehungspersonen“, ergänzt<br />
Kathrin Behrens. Neben Kin<strong>der</strong>gärten und Schulen<br />
arbeiten <strong>die</strong> <strong>Trainer</strong> in Jugendanstalten und Kliniken<br />
für Sucht und Forensik. Zudem wurden Konfliktmanagementtrainings<br />
und Weiterbildungsangebote<br />
für spezielle Zielgruppen wie Mitarbeiter/innen<br />
von Behörden, Polizei und Bundeswehr<br />
entwickelt.
Dem Täter <strong>die</strong> Tat zumuten<br />
for<strong>der</strong>n entwicklungsgerecht heraus. Wir dulden<br />
keine Neutralisationstechniken, aber wir arbeiten<br />
auch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Wir<br />
arbeiten mit Wärme, Zuwendung und Respekt, um<br />
<strong>die</strong> jugendlichen Straftäter in ihrem Selbstwert<br />
aufzubauen.“ Stu<strong>die</strong>n belegen, dass <strong>die</strong>ses<br />
Konzept aufgeht. Nur je<strong>der</strong> dritte Serientäter<br />
schlägt nach <strong>die</strong>sem Training wie<strong>der</strong> zu und<br />
wenn auch weniger brutal.<br />
Viele <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-<strong>Trainer</strong>/in braucht<br />
das Land<br />
Die Lehrgangsinhalte fußen auf Erfahrungen <strong>der</strong><br />
<strong>Arbeit</strong> <strong>im</strong> Jugendvollzug mit jugendlichen <strong>Gewalt</strong>tätern<br />
und den Ergebnissen begleiten<strong>der</strong> wissenschaftlicher<br />
Stu<strong>die</strong>n. „Wir arbeiten in unseren<br />
Workshops und auch in unserer <strong>Arbeit</strong> mit den<br />
Tätern <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Auftrag <strong>der</strong> Opfer“, umreißt Kathrin<br />
Behrens ihre Grundhaltung. Für <strong>die</strong> beiden<br />
<strong>Trainer</strong> bedeutet <strong>die</strong>s, dem Täter seine Tat zuzumuten.<br />
Er soll lernen, <strong>die</strong> Tat aus <strong>der</strong> Sicht des Opfers<br />
zu erleben und damit Opfer-Empathiefähigkeit zu<br />
erlernen. „Wer erkennt und insbeson<strong>der</strong>e fühlt, was<br />
seine Tat für Schrecken und Verletzungen erzeugt<br />
hat und welche Auswirkungen für das Opfer und<br />
dessen gesamtes Umfeld entstanden sind, muss<br />
seine Rechtfertigungsstrategien aufgeben. Das Ziel<br />
heißt: Verantwortung für <strong>die</strong> Tat übernehmen, das<br />
Opfer würdigen, ihm Wie<strong>der</strong>gutmachung leisten<br />
und <strong>die</strong> Einstellungs- und Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />
konsequent zeigen“, erklären <strong>die</strong> beiden <strong>Trainer</strong>.<br />
Klare Linie mit Herz<br />
Um <strong>die</strong>se Ziele zu erreichen und <strong>die</strong> jugendlichen<br />
Täter für <strong>die</strong> Tatauswirkungen zu sensibilisieren<br />
und eine Verhaltensän<strong>der</strong>ung zu erzielen, arbeiten<br />
<strong>Trainer</strong>in und <strong>Trainer</strong> des bfw mit Methoden <strong>der</strong><br />
konfrontativen Pädagogik. „Wir verfolgen eine<br />
klare Linie mit Herz“ bei unserer <strong>Arbeit</strong>, “ so Kathrin<br />
Behrens. „Wir wollen ihre Verteidigungsmechanismen<br />
aufbrechen, indem wir sie mit ihren<br />
negativen Verhaltensweisen konfrontieren. Wir<br />
sind dabei hart aber fair, setzen klare Grenzen und<br />
Von <strong>der</strong> Erfahrungen <strong>der</strong> beiden-<strong>Trainer</strong><br />
profitieren inzwischen zum fünften Mal Teilnehmer/innen<br />
einer viermonatigen Fortbildung<br />
zur/m <strong>Anti</strong>-<strong>Gewalt</strong>-<strong>Trainer</strong>/in. Teilnehmer/innen<br />
sind vor allem Menschen aus<br />
Berufsfel<strong>der</strong>n, <strong>die</strong> zunehmend mit <strong>Gewalt</strong>situationen<br />
konfrontiert werden: z.B.<br />
Pastor(en)innen, Lehrer/innen, Sozialarbeiter/innen,<br />
Krankenschwestern und Kin<strong>der</strong>gärtner/rinnen:<br />
Sie alle sind betroffen. „Wer sich auf<br />
<strong>die</strong> Fortbildung einlässt, sollte Mut und Risikobereitschaft<br />
besitzen und bereit sein, seine eigenen<br />
Verhaltensweisen zu überprüfen. Denn wer lernen<br />
will, <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> entschieden entgegen zu treten,<br />
muss wissen, dass man auf Genies <strong>der</strong> „Gegenkultur“<br />
trifft und <strong>die</strong>sen nicht mit Bon-Bon-Pädagogik<br />
kommen kann, “ so Christian Scholz. Die Unterrichtinhalte<br />
führen zu mehr Handlungskompetenz<br />
<strong>im</strong> Umgang mit <strong>Gewalt</strong>; sie beinhalten Module<br />
über: Die Macht <strong>der</strong> Gefühle, theoretische Ansätze<br />
<strong>der</strong> Aggression, Konfliktlösestrategien bis hin zu<br />
Kenntnissen über Formen <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>ausübung.<br />
Zentral sind aber <strong>die</strong> praktischen Trainingsinhalte,<br />
sowohl <strong>die</strong> Begleitung in <strong>die</strong> Jugendanstalten zu<br />
den Tätern als auch <strong>die</strong> Trainings von Selbstverteidigungstechniken<br />
und insbeson<strong>der</strong>e Eingreifmethoden.<br />
„Man muss auch fähig werden, direkt bei gewalttätigen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen einzuschreiten.<br />
Wegsehen gibt’s nicht mehr.“ Die Botschaft lautet:<br />
Wer an<strong>der</strong>en <strong>die</strong> Wege aus <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> zeigen will,<br />
muss selbst seine Verhaltensweisen än<strong>der</strong>n. Wer<br />
nach dem Training mehr Handlungskompetenz<br />
besitzt, gibt <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> keine Chance mehr.<br />
Christian Scholz