PDF Katalog - Koller Auktionen
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Möbel & Antiquitäten | Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen, Sakrale Skulpturen<br />
1061 (Detail)<br />
1061*<br />
GEFASSTE PRUNK-KOMMODE, Louis XV, wohl nach Vorlagen von<br />
F. CUVILLIES (François Cuvilliés, Soignies 1697-1768 München), aus<br />
einer Münchner Hofwerkstatt, um 1760.<br />
Pappelholz ausserordentlich reich beschnitzt mit Muscheln, Kartuschen,<br />
Blattwerk, Girlanden, Tatzen und Zierfries sowie weiss gefasst und teils<br />
vergoldet. Geschweifter, trapezförmiger Korpus mit vorstehendem und<br />
randprofiliertem Blatt „en faux marbre“ und markant vorstehenden<br />
Eckstollen auf wellig ausgeschnittener Zarge mit geschweiften Beinen auf<br />
Ball- und Klauenfüssen. Geschweifte Front mit 3 Schubladen. Vergoldete<br />
Bronzebeschläge und -hänger. Fassung restauriert. 165x61,5x92,5 cm.<br />
Die Kunst am Bayerischen Hof unter Kurfürst Max Emanuel und später<br />
Karl Albrecht war stark von der Pariser Ausstattungskunst beeinflusst.<br />
Einer der wichtigsten Hofkünstler dieser Epoche war F. Cuvilliés d. Ä.,<br />
der bereits im frühen 18. Jahrhundert am bayerischen Hof tätig war und<br />
nach einem ersten Studienaufenthalt in Frankreich 1720-1724 den<br />
Rocaillenstil in Bayern einführte. Zu dem stark von ihm geprägten bayerischen<br />
höfischen Möbelstil dieser Zeit gehörten auch gefasste Möbel, in<br />
hellen, kühlen Pastellfarben, darunter auch gebrochenes Weiss. Die<br />
Schnitzereien waren vergoldet und traten zum Teil stark aus der Fläche.<br />
Nach französischem Vorbild besassen die Kommoden einen trapezförmigen<br />
Grundriss.<br />
Als Vergleichsbeispiel sei ein Kommodenpaar genannt, welches aus dem<br />
höfischen Bereich stammt und heute im J. Paul Getty Museum aufbewahrt<br />
wird. Der Vergleich der Formen und der Behandlung des<br />
Ornaments zeigt die Gemeinsamkeiten zu der hier angebotenen<br />
Kommode auf: Beide Möbel sind zweischübig, mit jeweils dreiteiliger<br />
Gliederung der Front, mit zwei Kartuschen mit Rocaillen an den äusseren<br />
Schmalseiten, und einer Mittelkartusche um das Schlüsselschild. Bei den<br />
Kommoden des Getty Museums bestehen diese Lisenen aus vergoldeten,<br />
frei vor der Fläche und über Eck stehenden figürlichen Schnitzereien.<br />
Im 18. Jahrhundert sind oft malerische Mittel am Möbel zur Imitation der<br />
unterschiedlichsten Materialien oder Dekorationstechniken, wie edles Holz,<br />
Marketerien, Stein oder Schildpatt, mit oder ohne gemalte Messingeinlagen<br />
angewandt worden. Diese Materialillusion wurde keineswegs immer nur als<br />
das minderwertige Artifizielle gegenüber dem wertvollen Echten bewertet,<br />
sondern sie hatte als „künstliche“ Malerei durchaus ihren Eigenwert.<br />
Hier wird ein höfisches Möbel mit den typischen Mitteln der bedeutenden<br />
Münchner Werkstätten angeboten. Dies bezieht sich nicht allein auf die hervorragende<br />
Schnitzerei und Fassung, sondern auch auf die Beschläge; vor allem die<br />
Ziehgriffe der höfischen Münchner Möbel des 18. Jahrhunderts bestehen aus<br />
feuervergoldetem Bronze- oder Messingguss, welcher ein feststehendes<br />
Ornament ausbildet, das sich von der Fläche ablöst und zu ihr zurückkehrt.<br />
In der Hierarchie des Luxus der höfischen Möbel sind auch die höfischbayerischen<br />
Vorläuferstücke wie das genannte Kommodenpaar aus dem<br />
Getty Museum zum Teil bereits „Sparversionen“ der französischen Möbel,<br />
indem man bei ihnen die teuren feuervergoldeten Bronzen durch polimentvergoldete<br />
Schnitzereien ersetzt hatte. Als Beispiel hierfür sind die<br />
vergoldeten, aufwendigen, figürlichen Kantenschnitzereien zu nennen,<br />
welche die französischen „espagnolettes“ imitieren, die aus kostbaren vergoldeten<br />
Bronzegüssen bestanden.<br />
Das hier angebotene Möbel gehört somit zu einer Gruppe von Münchner<br />
Hofmöbeln, welche durch ihre „skulpturale Potenz“ zu den bedeutendsten<br />
Erzeugnissen der Jahre um 1750/60 gehört. Weitere, vergleichbare Möbel<br />
finden sich in den Residenzen der bayerischen Kurfürsten, zum Beispiel<br />
ein Kommodenpaar in Schloss Nymphenburg oder diverse Kommoden in<br />
den Fürstenzimmern der Münchner Residenz.<br />
CHF 48 000.- / 78 000.-<br />
(€ 40 000.- / 65 000.-)<br />
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